1916 / 11 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 14 Jan 1916 18:00:01 GMT) scan diff

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kleinen Landwirte geschädigt werden. Ihr Produktionseifer darf nicht erlahmen. Entweder müssen die Höchstpreise erhöht oder dig Futter⸗ mittel billiger werden, sonst bekommen wir überhaupt kein Schweine⸗ fleisch. Was haben die Leute nicht schon durchmachen müssen mit den Seuchen, den Preisen usp. Die Sache ist bitter ernst, und diesen EGrnst werden wir am eigenen Leibe verspüren. Die Landwirtschafts⸗ kammer in Hannover ist in dieser Sache in einer Weise vorgegangen, die den schärfsten Tadel verdient. Die Verminderung der Brotration werden wir ertragen müssen. Redner erörtert dann noch die Frage des Vollkorns, der Düngemittel und wendet sich gegen die sozial⸗ demokratische Resolution wegen der Beschlagnahme des Schlachtviehs. Wir müssen alles aufbieten, daß wir durchkommen. Die künstlichen Futtermittel scheinen mir doch sehr problematisch zu sein. Wie steht es denn mit dem künstlichen Mehl? Wir müssen sparsam sein und die Produktion nach Möglichkeit erhöhen, ohne daß sie Schaden erleidet. Voffentlich trifft eine weise Regierung die Maßnahmen, die notwendig a damit wir den Krieg auch wirtschaftlich glänzend zu Ende führen önnen.

Abg. Fischbeck ortschr. Volksp.): Der Unterstaatssekretär hat gestern den Städten den Vorwurf gemacht, daß sie, namentlich Berlin, zuviel Zusatzkarten und sogar an Gymnasiasten gegeben hätten. Gerade in Berlin ist in bezug auf die Brotkarten ein sehr straffes Regime gehandhabt worden. Wenn man zusammenzählt, wie viel Leute unter die in Betracht kommenden Kategorien fallen, da wird man die Zahl von 750 000 nicht als zu niedrig ansehen. Selbst wenn man Gymnasiasten und Dienstmädchen, die vielleicht einmal eine Karte bekommen haben, abzieht, wird diese Zahl nicht erheblich ge— ringer. Erst als im August die Reichsgetreidestelle generell eine i ng auf 2225 Gramm zuließ, da erst folgte Berlin und gab diese Menge als Zusatzbrotkarten. Den Städten darf man also keine Schuld geben. Bei der Erörterung aller Fragen, so haben wir es ge—⸗ fordert, muß so verfahren werden, daß die Produktion bestehen kann. Denn was nützen uns alle Maßnahmen, wenn der Produzent nicht be⸗ stehen kann und die Produktion einstellt. Den Schaden tragen dann immer die Konsumenten. Wir meinen, daß die Höchstpreise eine gesunde Grundlage für die Preisgestaltung bilden. Es ist klar, daß der Landwirt nicht alle Kosten, die fuͤr ihn bei Aufbewahrung von Kartoffeln usw. in Frage kommen, allein tragen kann. Allerdings dürfen die Preise nur den erhöhten Unkosten der Landwirte entsprechen. Denn das Interesse der Konsumenten muß auch wahr—⸗ genommen werden. Zur Beschimpfung der Landwirtschaft liegt kein

rund vor. Der Hochschutzzoll ist immer damit verteidigt worden, damit Deutschland im Kriegsfall Nahrungsmittel hat. Diese Stunde ist da, und jetzt soll die Landwirtschaft auch zeigen, was sie vermag, Es ist anerkennenswert, daß die Landwirtschaft für Höchstpreise eingetreten ist. Deshalb ist es aber auch unangebracht, immer darüber zu jammern. Die Schweineabschlachtungen haben sich als ein Fehler herausgestellt. Aber es geht doch nicht an, sich heute mit einer Ueber⸗ legenheit hinzustellen und in einem Tone zu reden und das ins Lächer⸗ 4. zu ziehen, was alles angerichtet worden ist, als ob etwas Ver⸗ rücktes getan worden ist, wie es nur von Professoren getan werden kann. Damals waren viele Parlamentarier unserer Meinung und haben mit uns beantragt, daß die Schweine abgeschlachtet und zu Dauerware verarbeitet werden sollen. Dieser Antrag ist einstimmig angenommen worden. Wo waren damals die „Helden?? Ein Ab⸗ geordneter der selbst dabei gewesen ist, sollte doch nicht so reden! Es war ein Sprung ins Dunkle, den wir getan haben, es lagen aber auch Verhältnisse vor, wie sie noch nie dagewesen sind. Die allgemeine Behauptung, daß in den großen Städten große Fleischvorräte verdorben seien, ist unbewlesen und unbeweisbar; im ganzen haben sich die von den Städten getroffenen Maßnahmen, wenn natürlich auch nur die Erfahrung und die Prgxis die richtigen Wege weisen konnte, als weckmã ig erwiesen. Welcher Mißbrauch dagegen ist vielfach von den . enten mit den erlassenen Verordnungen getrieben worden? Ich erinnere nur an die Verordnung, betreffend die Saatkartoffeln, an deren Uebertretung sogar eine . sich mit⸗ schuldig gemacht hat, ich erinnere daran, daß für die Schweine keine Stallpreise festgesetzt worden sind, sodaß man in der Lage war, die Märkte mit ihren Schweinehöchstpreisen einfach zu umgehen. Nur auf dem Wege der gegenseitigen Verständigung, nur durch verständnis⸗ volles Zusammenarbeiten aller wird es gelingen, auch wirtschaftlich bis zum guten Ende wirksam durchzuhalten.

Hierauf wird um 6½M½ Uhr die Fortsetzung der Beratung Vorher An⸗

auf Freitag, 11 Uhr pünktlich, vertagt. fragen.

Preußischer Landtag. Herrenhaus. Sitzung vom 13. Januar 1916, Nachmittags 3 ½ Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Am Regierungstische: die Staatsminister Dr. Beseler,

Dr. Freiherr von Schorlemer, von Breitenbach, Dr. Sydow, Dr. Lentze und von Loebell.

Um 334 Uhr eröffnet der bisherige erste Vizepräsident des Hauses von Becker die Sitzung mit dem Rufe,

„der uns in diesem Jahre besenders am Herzen liegt: Seine Majestät unser Allergnädigster Kaiser und König, er lebe hoch!“

(Das Haus erhebt sich und stimmt in den dreimaligen Hochruf ein.)

Darauf fährt der Präsident fort:

Meine Herren! Wir stehen heute unter dem Eindruck tiefer Trauer, in die wir alle durch den Tod unserer beiden Präsidenten versetzt worden sind. Am 11. Juli vorigen Jahres starb hier im Herrenhause unser erster Präsident, Hausminister a. D. von Wedel-⸗Pies⸗ dorf, und am 27. Oktober vorigen Jahres unser zweiter Vizepräsident, Wirkl. Geh. Rat Dr. Freiherr von Landsberg⸗Velen⸗Stein⸗ furt auf Vrensteinfurt. Unser hochverehrter Herr Prasident hat zwar nur drei Jahre diese hohe Stellung bekleidet. Aber durch seine lang⸗ jährige Tätigkeit in hohen Staatsstellungen, zuletzt als Minister des Königlichen Hauses, durch seine frühere Tatigkeit als Präsident unserer vornehmsten parlamentarischen Körperschaft, des Deutschen Reichs⸗ tages, und als dreißigjähriges Mitglied dieses hohen Hauses genoß er bereits das allgemeinste Vertrauen. Und dieses Vertrauen hat sich während seiner Präsidentschaft durch seine Umsicht und Unparteilich⸗ keit, seine gleichmäßige persönliche Liebenswürdigkeit und durch die warmen patriotischen Ansprachen, mit denen er während der Kriegszeit zu unser aller Erhebung unsere letzten Sitzungsperioden schloß, noch wesentlich gesteigert. Unser zweiter Vizepräsident Herr Freiherr von Landsberg hat fast 50 Jahre, zuletzt als ältestes Mitglied diesem hohen Hause angehört und besonders in landwirtschaftlichen Fragen als langjähriger Vorsitzender der Agrarkommission seine reichen Er⸗ fahrungen bereitwilligst in den Dienst des hohen Hauses gestellt. Auch seine Stellung als zweiter Vizepräsident, welche er seit dem Jahre 1908 bekleidete, hat er mit Treue und Umsicht ausgeübt. Wir werden unseren beiden entschlafenen Präsidenten dauernd ein treues, dankbares Andenken bewahren. Ich stelle fest, daß Sie sich bereits zu ihren Ehren von Ihren Sitzen erhoben haben.

Der Präsident teilt ferner mit, daß er anläßlich der Ver— lebung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Joachim von Preußen mit der Prinzessin Marie von Anhalt Seiner Majestät dem Kaiser und König und dem Prinzen die Glückwünsche des Hauses übermittelt hat. Von Seiner Majestät und dem Prinzen sind Dankestelegramme eingegangen. Ferner hat er am 20. Ok⸗ tober aus Anlaß des fünfhundertjährigen Hohenzollernjubi⸗ läums Seiner Majestät dem König die Glück⸗ und Segens⸗ wünsche des Hauses schristlich dargebracht. Das Potsdam, den 24. Oktober, datierte Danktelegramm Allerhöchstdesselben wird verlesen. Jum neuen Jahre sind ebenfalls die Segenswünsche des Herrenhauses Seiner Majestät dem Kaiser und König über⸗

mittelt worden. Das darauf eingegangene Danktelegramm ge⸗ langt ebenfalls zur Verlesung.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Kon⸗ stituierung des Hausss.

Vom Namensaufruf wird Abstand genommen, da das Haus augenscheinlich in beschlußfähiger Zahl versammelt ist.

Das Haus schreitet nunmehr zur Wahl des Prä⸗ sidiums.

Fürst von Haß feldt: Ich möchte Ihnen vorschlagen, die Wah des ersten Präsidenten durch Zuruf vorzunehmen, und zwar erlaube ich mir Ihnen als ersten Präsidenten den Grafen von Arnim⸗-Boitzen⸗ burg vorzuschlagen.

Ein Widerspruch gegen den Wahlmodus und die vorge⸗ schlagene Persönlichkeit wird nicht erhoben. Graf von Arnim⸗ Boitzenburg ist einstimmig zum Präsidenten des Herren⸗ hauses gewählt. Auf die Frage des ersten Vizepräsidenten er⸗ klärt Graf von Arnim⸗Boitzenburg die Annahme der Wahl und bittet sogleich ums Wort.

Graf von Arni m⸗Boitzenburg: Meine Herren! haben mir soeben durch Ihre in freundlichster Form vollzogene Wa zum Präsidenten des Herrenhauses ein schönes, hohes, aber au antwortungsbolles Amt übertragen, und nicht leicht werden Maß meiner Dankbagrkejt und Freude darüber überschätzen, da mich dieser Stellung für würdig befunden haben. Denn sie ist eine Ver⸗ trauensstellung und wird von einem freundschaftlichen Wohlwollen wie

kaum der Präsident eines anderen Parlaments getragen. Diese Ueher⸗ zeugung habe ich in den 18 Jahren, während denen ich die Auszeich⸗ nung genoß, vier hochverdienten Präsidenten als Schriftführer be— hilflich zu sein, gewonnen, und dies ganz besonders bei unserem hoch⸗ verehrten letzten Präsidenten Exzellenz von Wedel, dem auch von seinem Nachfolger ein Wort der Dankbarkeit gewidmet sei, als einem Mann, dessen äußere ritterliche Erscheinung nur das Ab⸗ bild seines inneren Wesens war, der in Wort und Werk ein Edelmann und Patriot, stets ein eindrucksvoller und einflußreicher Vertreter preußischer Art und des Herrenhauses gewesen ist. Nun haben Sie mich an seine Stelle gestellt in der Erwartung, daß, soweit es an mir liegt, in diesem Saale wie bisher der alte preußische Geist seine Geltung behalte, der unser Volk groß gemacht hat, in der Erwartung, daß ich meines Amtes walten werde in Unparteilichkeit, Gewissenhaftigkeit und Treue. Ich will es wagen, Ihrem Ruf zu folgen im festen Ver⸗ trauen auf Ihre mir nie fehlende Unterstützung und Nachsicht in meiner Geschäftsführung. Ich stelle mich für dieses wichtige Amt in einer für unser Vaterland ernsten und für seine Zukunft entscheidenden Zeit zur Verfügung, in der an unser Volk in Waffen in diesem Kriege ÄUnforderungen gestellt werden, so gewaltig wie nie zuvor. Noch ist Winter, Winter, Dunkel und Kampf, aber es muß doch Frühling werden; neues Lebenslicht des Frühlings schmücke unser stolzes und friedvolles Deutschland! Dann werden dem Reiche und den Einzel— staaten Aufgaben gestellt werden, so groß wie nie zuvor, Aufgaben, die nicht nur mit dem Verstande, nicht nur nach politischen Gesichts⸗ punkten, sondern auch aus der Volksseele heraus gelöst werden müssen, Aufgaben, die dem deutschen Wesen neue Nahrung schaffen, daß es, frei von fremdländischer Schlacke, im Schmelzofen dieses Welthrandes er⸗ starre zu einem festen Fundament kommender Geschlechter. Dann wird es sich zeigen, ob unser Volk reif war, das zu werden, was das Schwert errang. Das Herrenhaus wird aber bei der Lösung dieser Aufgaben, seiner hohen Bedeutung entsprechend, wichtige Dienste leisten können, müssen und wollen. Es wird Arbeit und Hingebung erforderlich sein. Wenn mir auch bekannt ist von den Herren, daß sie durch ihre Tätigkeit in wichtigen Stellungen daheim in Anspruch genommen sind, so weiß ich doch auch aus Erfahrung, daß Ihr Präsident Sie noch nie vergeblich um Dienste für das Vaterland rief. Diese Gewißheit gibt mir den

ut, auch die Königliche Staatsregierung zu bitten, mich in dem Be⸗ streben zu e d n. dem Herrenhaus ein reiches Maß gesetz⸗ geberischer Arbeit zukommen zu lassen. Es wird diese das kann wohl ohne Ueberhebung gesagt werden in sachgemäßer Weise lösen; dafür bürgt die Art seiner Zusammensetzung aus Männern, be—⸗ währt in ihrem Beruf, aus Kennern aller Werhältnisse des öffentlichen Lebens und aus Bekennern ihrer Ueberzeugung, die ihre Ent⸗ schließungen weitblickend fassen lediglich nach dem Gesichtspunkte, der auch mir der leitende sei: Salus rei publicae suprema lex! Ich über⸗ nehme hiermit den Vorsitz und die Geschäfte des Herrenhauses.

Auf Vorschlag des Freiherrn von Richthofen wird darauf zum ersten Vizepräsidenten Herr von Becker durch Zuruf wiedergewählt.

Herr von Becker: Ich nehme die Wahl mit Dank an.

Auf Vorschlag des Herzogs zu Trachenberg wird zum zweiten Vizepräsidenten durch Zuruf Fürst zu Salm⸗-⸗Salm gewählt.

Fürst zu Salm⸗Salm : Meine Herren! Ich werde die Wahl in der Hoffnung auf Ihre Nachsicht annehmen. Für die hohe Ehre und das mir erwiesene Vertrauen sage ich Ihnen meinen allerverbind⸗ lichsten Dank.

Zu Schriftführern werden auf Vorschlag Freiherrn von Richthofen die bisherigen Schriftführer Graf von Ballestrem, von Hutten⸗Czapski, D Johansen, von Klitzing, von Seidlitz⸗-San⸗ dreczki, Dr. Velt man und Dr. Graf von We del⸗ Gödens wiedergewählt und an Stelle des bisherigen Schrift⸗ führers Grafen von Arnim⸗Boitzenburg der Graf von Eulenburg⸗Prassen neugewählt.

Der PräsFident erklärt, daß die Konstituierung des Hauses nach der bevorstehenden, Vorschrift Seiner Majestät dem König und dem Abgeordnetenhause werde mitgeteilt werden.

Auf Wunsch des Freiherrn von Richthofen wird, da sich die konservative Fraktion Über das Fischereigesetz noch nicht schlüssig geworden ist, die Beratung diesses Gesetzes nicht schon am Freitag, sondern erst am nächsten Dienstag erfolgen.

Schluß gegen 414 Uhr. Nächste Sitzung Freitag, 1 Uhr. (Geschäftliche Mitteilungen, Vereidigung eines Mitglieds, Be⸗ schlußfassung über die geschäftliche Behandlung von Vorlagen.)

Haus der Abgeordneten. 1. Sitzung vom 13. Januar 1916, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Am Regierungstische: die Staatsminister von Breitenbach, Dr. Sydow, Dr. Lentze und von Loebell.

Der Präsident der vorigen Tagung, Graf von Schwerin, übernimmt geschäftsordnungsmäßig den Vorsitz, eröffnet die Sitzung mit einem Gruß an die Mitglieder zur neuen Tagung und beruft als propisorische Schriftführer die Abgg. von dem Hagen, Dr. Röchling, von Wenden, Dr. Mugdan. *

Der Präsident fährt sodann fort:

Meine verehrten Herren Kollegen! Als wir uns beim Schlusse unserer letzten Tagung am 24. Juni vorigen Jahres hier trennten, habe ich der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß, wenn wir uns nach einigen Monaten in diesem Saale wieder zusammenfinden würden, wir dann dem großen gemeinsamen Ziel unseres vollen Sieges und der Grreichung eines ehrenpollen, die Sicherheit unseres Vaterlandes auf lange Zeik hinaus verbürgenden Frlebens abermals um ein gutes Stück nähergekommen sein würden. Ich glaube, Sie werden mir zustimmen, wenn ich heute sage, daß sich diese unsere Hoffnung in reichem Maße erfüllt hat, auch wenn wir vielleicht noch lange nicht am Ziele ange⸗

angh sind. Rein zeitlich bekrachlet mag es auch heute noch dahin, gestellt blüien, wie lang der Krieg nach dauern mgg und wis lang wir seine Last und seine Ey noch werden tragen müssen. Aber, vn unsere Zuversicht ja, ich darf sagen unsers Gewißheit dafür a, zeht, daß wir als Sieger aus diesem uns so frevelhaft aufgezwungmmen Rampf hervorgehen werden, so hat diese doch inzwischen durch die hen. lichen Erfolge unserer Waffen und der Waffen unserer treuen Var, bündeten einen ganz gewaltigen Zusatz erfahren. Nach dem Dur bruch Mackensens durch die für ganz unerschütterlich gehaltene russish. Kawpathenfront die Wiederbefreiung Galiziens, die Besetzung gan Polens, Litauens, Kurlands und eines großen Teiles des eigentlichen Westrußlands! An unserer Westfront die vom Feinde mit einem gam beispiellosen Aufgebot aller nur denkbaren militärischen Mittel unter, nommene „vierte große Offensive“ vollkommen gescheitert, gescheite

Widerstand

Da

te Herren

lichsten Kriegsereignisse seit unserer letzten Tagung. Mit Stolz und Bewunderung blicken wir heute auf unsere treuen, sieggekrönten Ver— bündeten und beglückwünschen sie die alten wie die neuen zu den glänzenden Erfolgen ihrer und unserer Waffen; Oesterreich⸗Umngam zu der Befreiung Galiziens und zu der Niederwerfung Serbiens dieser alten Brutstätte von Königsmorden und Bedrohungen des Völker, friedens, Bulgarien zu der Wiederbefreiung seiner mazedonischen Stammesgenossen aus der serbischen Knechtschaft und die Türkei z der glänzenden Verteidigung ihrer Meerengen und ihrer bedrohten Hauptstadt. Das Band aber, welches im verflossenen Jahre Blut und Eisen um das Deutsche Reich und seine Verbündeten geschmiedet haben wird sobald keine Macht der Erde wieder zerreißen. (Lebhafter Beifall. Ja, dieser starke, unerschütterlich feste Vierbundsblock von den Küsten des englischen Kanals bis an den persischen Meerbusen bedeutet schon heute eine so vollkommene Veränderung der gesamten Weltlage, daß er vielleicht einmal als das weltgeschichtlich bedeutsamste Ergebnis dieses ganzen gewaltigen Völkerringens gelten wird. Gustimmung. Mit nicht minderem Stolz als auf unsere Verbündeten und mit un— begrenzter Dankbarkeit aber gedenken wir heute auch unserer eigenen unbergleichlichen Truppen und ihrer glänzenden Führer. (Tebhafter Beifall.) haftigkeit fast Uebermenschliches geleistet. Lebhafter Beifall. Aber meine Herren, nicht nur bewundern und danken wollen wir, sondem ich denke, wir wollen alle auch weiter mithelfen zum Siege, jeder en seiner Stelle, wohin er auch gestellt sein mag, ob draußen an der Front oder hier daheim, ob Volksvertreter, Beamter, Gewerbetreibender Landwirt oder Arbeiter, ja, ob Mann oder Frau, wir wollen alle auch weiter mithelfen bis zu einem vollen, von unseren Feinden nicht mehr wegzutäuschenden Siege. (Beifall) Und so, meine Herren, hoffe ich daß auch unsere heute beginnenden Bergtungen nur von dem einen, alles beherrschenden Gedanken getragen sein werden, nichts zu unter= lassen, was der möglichst baldigen Erreichung dieses großen gemein= samen Zieles eines vollen Sieges und eines dauernd gesicherten Friedens dient, aber ebenso auch alles einschließlich des Austrags persönliche oder parteilicher Meinungsverschiedenheiten zu unterlassen, was die baldige Erreichung dieses unseres höchsten gemeinsamen Zieles beein« trächtigen oder auch nur verzögern könnte. (Lebhafte Zustimmung) Mit diesem erneuten Bekenntnis des festen, unbeugsamen Willens zum Siege bitte ich Sie heute, wie immer am Beginn unserer Tagung, einzustimmen in das Hoch auf unseren Obersten Kriegsherrn, unseren gellebten Kaiser und König, den Kaiser, uns allen ein leuchtendet Vorbild des starken, unerschütterlichen Gottvertrauens, mit welchem wir diesen Kampf bestehen wollen, und mit welchem er, unser Kaiser die Riesenlast der höchsten und darum schwersten Verantwortung in diesem Daseinskampf seines Volkes trägt. Seine Majestät unser Allergnädigster Kaiser und König lebe hoch! (Das Haus stimmt mit Begeisterung dreimal in den Hochruf ein und spendet sodann den Worten des Präsidenten nochmals allgemeinen lebhaften Beifall. Die Sozialdemokraten sind während des Hochrufs im Saale nicht an— wesend.)

Darauf nimmt der Finanzminister das Wort zut Einbringung des Staatshaushaltsetats für 1916.

Finanzminister Dr. Lentze:

Meine Herren! Mit Allerhöchster Genehmigung Seiner Ma

breiten:

I die allgemeinen Rechnungen über den Staatshaushalt fir die Etatsjahre 1910, 1911 und 1912,

2) die Uebersichten von den Staatseinnahmen und ⸗ausgah für die Etatsjahre 1912, 1913 und 1914,

3) den Gesetzentwurf, betreffend die Feststellung des Staate haushaltsetats für das Etatsjahr 1916,

4) den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erhöhung d Zuschläge zur ECinkommensteuer und zur Ergänzungssteuer

5) den Entwurf eines Gesetzes über weitere Beihilfen Kriegswohlfahrtsausgaben der Gemeinden und Gemeinde verbände.

Ich erlaube mir, sie dem Herrn Präsidenten hiermit zu überreicke (Geschieht.)

des Staatshaushaltsetats unter Verhältnissen vorzunehmen, die wa dem normalen Zustande weit abliegen. Der schwere uns aufgedrugh Krieg ist noch nicht beendet; nach wie vor stehen nach West und Ot nach Süd und Nord unsere Truppen und unsere Flotte dem Fein gegenüber und schützen den heimischen Herd. Trotz aller pomphafth Ankündigungen und Drohungen ist es den vereinigten Anstrengungh von England, Frankreich und Rußland nicht gelungen, den Krieg 1. unsern Heimatboden hinüberzuspielen oder uns irgendeine Niederln von Belang zuzufügen. Im Gegenteil, unsere Truppen kãmn⸗ dauernd in Feindesland, und unsere unbezwungene Front im Wenn

der Siegeszug gegen Rußland, der glänzende Feldzug gegen GSerhin

und die Großtaten unserer tapferen Verbündeten in den Alpen, n

dem Balkan und den türkischen Kriegsschauplätzen lassen es auch e

voreingenommensten Zuschauer allmählich immer klarer werden, 4

die Palme des Sieges uns und unseren Verbündeten zufällt, und nn

unsere Feinde den Krieg verlieren werden, so sehr und so raffini

sie auch die Welt durch Lügen zu täuschen versuchen. (Bravo) 2 . Ende des Krieges ist aber leider noch nicht abzusehen; es sind *

große Opfer an Gut und Blut erforderlich, ehe wir so weit 6

Wir hier zu Hause sind es daher unsern tapfern Truppen s.chuln

daß wir durch unser Verhalten und durch geeignete Maßnahmen n

Innern sie beim Niederringen unserer Feinde unterstützen.

Meine Ferten, wie C gar nicht ander sein konnle, Fa der Rrieg auf das gesamte deutsche Wirtschaftẽleben einen gewaltigen Einfluß ausgeübt. Wenn mehrere Millionen von erwerbstätigen Männern zu den Fahnen gerufen wurden und der Verkehr mit dem Auslande, namentlich mit Uebersee fast vollständig aufhört, dann kann das nicht ohne tiefeinschneidende Rückwirkungen bleiben. Aber es hat sich gezeigt, daß uns die Gabe verliehen ist, daß wir uns zu helfen wisfen, und daß wir uns auch unter den schwierigsten Verhältnissen zurecht sinden können und ihrer Herr werden. J

In zahllosen Fällen sind unsere Frauen und unsere Töchter an die Stelle der Männer getreten und haben ihre Arbeiten übernommen. Manche Wirtschaft auf dem Lande und manches Geschäft in der Stadt wird von einer Frau fortgeführt, und zahllose Arbeitsstellen, in denen bis dahin nur Männer beschäftigt wurden, werden heute von Frauen versehen. Unsere deutschen Frauen haben bewiesen, daß sie in den Zeiten der Not auch noch vorhanden sind und daß sie tapfer in die Bresche treten, wenn es gilt, tatkräftig zu handeln und zu helfen. (Bravo) Voll Stolz und voll Dankbarkeit erkennen wir das an: sie haben sich dieser großen Zeit in jeder Hinsicht würdig und gewachsen erwiesen.

Die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse und die Absperrung vom Auslande zwangen unsern Handel und unsere Industrie dazu, sich vollständig neu zu orientieren. Während früher beim Austausch und bei der Produktion der Güter der Handel und der Absatz nach dem Auslande eine immer größere Rolle spielten, mußte jetzt alles auf den inländischen Markt abgestellt werden. Außerdem mußten wir zahlreiche Güter, welche wir bis dahin aus dem Auslande zu beziehen gewohnt waren, nunmehr entweder selbst herstellen oder für sie einen Grsatz schaffen. Es war unsere Rettung, daß unsere Industrie nach jeder Richtung hin leistungsfähig und selbst den allerschwierigsten An— forderungen gewachsen war, und daß unsere deutsche Wissenschaft sie dabei unterstützen konnte.

In geradezu glänzender Weise hat sich diese Neuuorientierung vollzogen. Namentlich der Kriegsbedarf war dabei maßgebend; was für den Krieg notwendig war: Waffen und Munition, Ausrüstungs— und Bekleidungsstücke, künstlicher Dünger und künstliche Futtermittel, alles mußten wir im Inlande herstellen, überall mußte die Industrie einspringen und, wo es not tat, die erforderlichen Anlagen schaffen. Was wäre aus uns geworden, wenn unsere Industrie außerstande ge— wesen wäre, uns zu helfen! Wir konnten nicht, wie unsere Feinde, die Hilfe der Amerikaner und Japaner für Waffen und Munitions— lieferungen in Anspruch nehmen; uns half keiner; wir waren auf uns ganz allein gestellt und mußten uns selbst helfen. (Sehr richtig Da— durch haben wir aber auch viele Tausende von Millionen unserem Lande erhalten, die sonst ins Ausland gegangen wären. (Sehr richtigh Die starken Zeichnungen auf die deutschen Kriegsanleihen sind der beste Beweis dafür, wie nützlich dies für die deutsche Volkswirtschaft ge—⸗ wesen ist.

Die Neuordnung der Dinge konnte natürlich nicht ohne tief⸗ greifende Eingriffe in das gesamte Wirtschaftsleben und in die Wirt⸗ schafts des einzelnen bleiben. Was man vor dem Kriege für unmöglich gehalten hätte: daß das freie Spiel der Kräfte und der freie Wett⸗ bewerb in Handel und Wandel einmal ausgeschaltet oder eingeschränkt werden könnten, ift unter dem Zwange der Not zur Wirklichkeit ge—⸗ worden. In zahllosen Fällen mußten obrigkeitlich festgesetzte Höchst⸗ preise, eine obrigkeitliche Beschlagnahme, Produktionsregelung und Produktionsverteilung erfolgen; nur das Wohl des Ganzen durfte dabei die alleinige Richtschnur sein.

Dieses trat namentlich auf dem Gebiete der Lebensmittel versorgung zutage. Unsere deutsche Landwirtschaft war, dank der Wirtschaftspolitik des letzten Jahrzehnts, allmählich so erstarkt und hatte sich so entwickelt, daß sie weit höhere Ernten hervorbrachte als in den früheren Jahren. Dadurch waren wir bei Ausbruch des Krieges im Besitz einer Ernte an Brotgetreide, die durchaus hinreichte, um das ganze Land zu ernähren, wenn wir nur haushälterisch damit umgingen und sie richtig verteilten.

Diese Verteilung griff beim Brotgetreide nach einigen Monaten Platz. Dadurch, daß einem jeden seine tägliche Brotration zugeteilt, das Getreide beschlagnahmt und das Mehl von den Kommunen monopolartig verkauft wird, ist es gelungen, die Versorgung Deutsch⸗ lands mit Brotgetreide für die Dauer des ganzen Krieges zu erträg - lichen Preisen sicherzustellen. (Bravoh

Die Eingriffe sind freilich nicht gering. Der Landwirt empfand es lange als eine Härte und als eine Unbequemlichkeit, daß er über das von ihm gezogene Getreide über seinen eigenen Lebensbedarf hinaus nicht frei verfügen und es namentlich auch nicht zu Futterzwecken ver⸗ wenden durfte, und der Verzehrer mußte sich erst daran gewöhnen, daß er sich nicht mehr Brot in beliebiger Menge und Beschaffenheit, son⸗ dern nur in der ihm zugeteilten Portion und in der ihm dargebotenen Brotsorte zulegen konnte. Das ging nicht ohne Reibungen ab. Aber es ist auch dieses überwunden worden, und inzwischen hat sich wohl ein jeder an diesen Kriegszustand gewöhnt.

Auch der Kartoffelverkauf mußte der obrigkeitlichen Regelung unterworfen werden. Da die Kartoffeln als leichter verderbliche Ware nicht denselben Maßnahmen unterworfen werden durften und konnten, wie das Brotgetreide, wurde versucht, die Frage durch Festsetzung von Höchstpreisen und Verstrickung eines Teiles der Vorräte bei den Land⸗ wirten zu lösen. Diese Regelung hat aber eine allseitige Befriedigung bisher noch nicht erzielt.

Noch viel schwieriger gestaltete sich die Versorgungsfrage auf dem Gebiete der Futtermittel. Deutschland hatte im Frieden sehr beträchtliche Mengen von Kraftfuttermitteln aus dem Auslande ein— geführt. Nachdem die auswärtige Einfuhr aufgehört hatte und der Bedarf für das Heer ausgesondert war, stellte sich eine fühlbare Knappheit an Kraftfuttermitteln ein. Deshalb mußte auch hier eine behördliche Beschlagnahme und Verteilung der Futtermittel erfolgen. Das bedeutete für die Landwirtschaft eine schwere Last und ein großes Opfer. Sehr viele Landwirte mußten und müssen auch noch heute das gesamte von ihnen gezogene Futter zu Höchstpreisen an die Allgemein⸗ heit abgeben und sind genötigt, das Futter für den eigenen Verbrauch dann zu höheren und oft kaum erschwinglichen Preisen zu kaufen. (Sehr richtig! rechts) Die Viehzucht wird dadurch außerordentlich erschwert und verteuert, und das hat zur Folge, daß nicht nur die Viehbestände verringert werden und die Produktion von Fleisch, Milch und Butter zurückgeht, sondern daß auch die Preise für diese wichtigen Lebensmittel in empfindlicher Weise in die Höhe gehen. .

Die Königliche Staatsregierung hat gegenüber diesen Schwierig⸗ keiten verfucht, zu helfen, soweit sie es nut eben vermochte. Mit Hilfe des Reichs und Preußens sind verschiedene Fabriken zur Erzeugung

bon emveißhaltigen Fuktermitteln und künstlichen Futterstoffen errichte worden. Ferner hat es die preußische Staatsregierung unternommen, eine Vermehrung der Produktion von fetten Schweinen, also pon Schweinefleisch und Fett, dadurch herbeizuführen, daß sie die aus dem Balkan bezogenen teuren Futtermittel an bestimmte Mästungg⸗— genossenschaften und Mästungsunternehmer zu mäßigen Preisen gegen die Verpflichtung abgibt, mit ihrer Hilfe Schweine zu mästen und sie mit bescheidenem Gewinn an bestimmte volkreiche Kommunalverbände noch unter dem Höchstpreise zu liefern, und den Unterschied der Kosten auf die Staatskasse übernimmt. Vom Februar ab sollen zunächst auf diese Weise 400 009 fette Schweine in monatlichen Lieferungen auf den Markt gebracht werden, und sobald wir mehr Kraftfutter aus dem Balkan bekommen haben werden, wird in derselben Weise verfahren werden. Es ist zu hoffen, daß wir auf diese Weise der Futtermittelknappheit allmählich Herr werden. Die Futtermittelknappheit wäre gar nicht so groß geworden, wenn nicht in den verschiedensten Gegenden unseres Vaterlandes im vorigen Jahre die Futtermittelernte fast vollständig mißraten wäre. Wie manche Mißstimmung und wie manche Verbitterung im Inneren wäre uns er⸗ spart geblieben, wenn das überall erkannt und berücksichtigt worden wäre. Nicht Wucher und Habgier auf seiten der Landwirte und des Handels, sondern die Futterknappheit und die Teuerung sind die Ursache davon, daß die Preise für Milch, Butter und Fett so erheblich in die Höhe gegangen sind. (Sehr richtig! rechts.)

Auch die Industrie hat sich empfindliche Eingriffe ge⸗ fallen lassen müssen. Wo die Rohstoffe knapp wurden und nicht sofort wieder ergänzt werden konnten, mußte eine obrigkeitliche Be⸗ schlagnahme oder Produktionsverteilung und Produktionsregelung er⸗ folgen. Hiervon ist namentlich die Textilindustrie, die Kupfer ver⸗ arbeitende Industrie, das Brauereigewerbe, aber auch manche andere Industrie betroffen worden. Auch hier gilt es, sich nach der Decke zu strecken und bis zum Siege durchzuhalten.

Meine Herren, der Etat für das Jahr 1914 ist noch zu einer Zeit aufgestellt worden, wo niemand von uns an einen Krieg dachte. Er ging überall von einer friedlichen Weiterentwicklung aus und konnte nicht in Erfüllung gehen, sobald diese aufhörte und sich in das Gegenteil verwandelte. Die ersten Monate des Wirtschafts⸗ jahres konnten sich noch unter friedlichen Verhältnissen abspielen. Dann aber kam der Krieg. Seine Einwirkungen spiegeln sich in dem Rechnungsergebnis für 1914 wieder. Der günstige Abschluß des Etats, der in sich balancierte und noch dazu eine Ueberweisung von 79 Millionen an den Ausgleichsfonds der Eisenbahnen vorsah, ver⸗ wandelte sich bei dem gesamten Staatshaushalt in einen Fehlbetrag von 116 Millionen Mark, und bei den Eisenbahnen ergaben sich so hohe Mindereinnahmen, daß nicht nur nicht eine einzige Mark in den Ausgleichsfonds überwiesen werden konnte, sondern daß noch eine beträchtliche Summe zur Herstellung des Gleichgewichtes in der Rech⸗ nung der Eisenbahnen aus ihm entnommen werden mußte.

Das Rechnungsergebnis ist im wesentlichen auf einen starken

Rückgang der Staatseinnahmen zurückzuführen. Allerdings sind ja auch die Ausgaben an vielen Stellen in die Höhe gegangen. Allein für die ostpreußischen Flüchtlinge sind im Jahre 1914 außeretatsmäßig 16 Millionen verausgabt worden. Die Mehrausgaben wurden aber durch Ersparnisse und Minderausgaben an anderen mehr oder minder wieder ausgeglichen. Die Hauptursache ist der Rückgang der Staats⸗ einnahmen gewesen, und hieran sind alle Einnahmequellen beteiligt; sowohl die direkten Steuern, die indirekten Steuern und die Gerichts⸗ kosten, wie auch die Staatslotterie, die Bergwerke und die König— lichen Forsten, sie alle sind in ihren Erträgen zurückgegangen und sind auf diesem Tiefstand bis heute geblieben. Der Rückgang in den Einnahmen der Staats⸗ eisenbahnen ist auf verschiedene Ursachen zurückzuführen. Die Aenderung des Wirtschaftslebens und der ganzen wirtschaftlichen Ver— hältnisse, wie auch die militärischen Anforderungen brachten es mit sich, daß der Eisenbahnverkehr sich nicht in dem Umfange und nicht so regelmäßig und nicht in so geordneten Bahnen abspielen konnte wie im Frieden. Außerdem mußte eine ganz beträchtliche Zahl von Fahrzeugen und Lokomotiven dauernd in den Dienst des Heeres gestellt werden. Sehr viele Strecken waren wiederholt durch Militär⸗ transporte gesperrt, und dazu kam noch, daß der Personenverkehr ganz erheblich zurückging. Diese Umstände haben es verhindert, daß die Reineinnahmen, obschon in den letzten Monaten der Güterverkehr stark zugenommen hatte, wieder in die Höhe gingen.

Die Mindererträgnisse der Eisenbahnen sind jedoch dem Staats⸗ haushalt nicht zur Last gefallen. Da der Ausgleichsfonds der Eisenbahnen über hinreichende Mittel verfügte, so konnten die Mindererträgnisse aus ihm gedeckt werden. Der Ausgleichsfonds hat dadurch bewiesen, daß er den an ihn gestellten Erwartungen in jeder Hinsicht genügt hat, und daß es dringend notwendig ist, nach dem Kriege so bald wie möglich wieder an seine Auffüllung heranzugehen. (Bravo

Aber noch ein anderer Teil der staatlichen Finanzpolitik bei den Eisenbahnen hat in diesem Kriegsjahre seine Feuerprobe bestanden. Wie oft ist die Finanzverwaltung angegriffen und getadelt worden, daß sie nicht die gesamten Kapitalsaufwendungen für die bestehenden Bahnen auf die Anleihe übernehmen wollte, sondern immer darauf bestand, daß auch ein Teil aus den eigenen Einnahmen der Eisen⸗ bahnen bestritten werden müßte. Wie oft ist uns vorgehalten worden, wir betrieben zum Schaden des Verkehrs eine Thesaurierungs⸗ politik, die mit kaufmännischen Grundsätzen unvereinbar sei und über jede Voraussicht hinausgehe. In welche Lage wären wir wohl gekommen, wenn wir diesen Ratschlägen gefolgt wären! (Sehr richtig!) Nach dem Etat für 1916 beträgt unsere Eisenbahnkapitalschuld 8,2 Milliarden Mark und das statistische Anlagekapital 13,9 Milliarden Mark. Die Eisenbahnkapitalschuld ist also 5,7 Milliarden Mark geringer als das statistische Anlagekapital. In dieser Differenz stecken 32 Milliarden Mark, also 3209 Millionen Mark, welche aus dem Extraordinarium herstammen. Wenn wir diese 3,2 Milliarden Mark auf Anleihe übernommen hätten, wie es von uns verlangt wurde, dann würden wir für Verzinsung und Tilgung heute 150 Millionen Mark mehr aufbringen müssen. Da nun weder der Staatshaushalt noch die Einnahmen der Eisenbahn hierfür eine Deckung bieten, würden diese 150 Millionen Mark der Defizitanleihe zuwachsen, und es würden Schuldenzinsen durch neue Schulden bezahlt werden. In den nächsten Jahren ist auf günstigere Abschlüsse nicht zu rechnen, die jährlichen 150 Millionen Mark würden daher sehr bald zu einem neuen staatlichen Schuldkapital anwachsen, welches wiederum erheb⸗ liche Schuldenzinsen erforderte. Das würde unsere preußischen

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Finanzen in er nem ganz erheblichen Maße berschlechklern. Die gegem teilige Politik war wirtschaftlich nur durchführbar, wenn wir dauernd Frieden behalten hätten; sobald kriegerische Zeitläufte eintraten, konnte sie nicht besteben, und davor hatte sich die Staatsregierung immer gefürchtet. Ich glaube daher nicht, daß die Staatsregierung nach diesen Lehren und Erfahrungen den gegenteiligen Wünschen jemals Rechnung tragen darf.

Der Haushaltsplan für das Jahr 1915 ist schon während des Krieges aufgestellt. Allerdings ist bei ihm dabon ausgegangen, daß der Friede bis zum Inkrafttreten wieder einkehren würde, weil sonst gar keine Grundlagen vorhanden gewesen wären. Es mußte eine Anlehnung an normale Verhältnisse erfolgen. Dementsprechend sind für das Jahr 1915 im wesentlichen die Zahlen des Haushaltsplanes für 1914 zugrunde gelegt, jedoch überall da, wo bereits bekannt war, daß Einnahmeverminderungen und Ausgabevermehrungen eintraten, die entsprechenden hierfür notwendigen Aenderungen berücksichtigt. Es waren dies namentlich die Mindererträgnisse infolge des Ueber⸗ ganges von einigen indirekten Steuern an das Reich, die bestimmt zu erwartenden Mindererträgnisse bei den direkten Steuern und der Mehrbedarf bei der Verzinsung der Staatsschuld sowie bei den Ge⸗ hältern und Pensionen. Zu gleicher Zeit wurde darauf Bedacht ge⸗ nommen, zu sparen, soweit es nur irgend möglich war. Abgesehen von den Eisenbahnen ist das Extraordinarium überall gekürzt. Ge—⸗ kürzt sind auch die Zuschuß⸗ und Dispositionsfonds, und bei der Ein⸗ richtung neuer Beamtenstellen ist die äußerste Zurückhaltung geübt worden. Dadurch ist es erreicht, dem Ernste der Lage Rechnung zu tragen und den Etat ins Gleichgewicht zu bringen. Die Wirklichkeit ist allerdings ganz anders verlaufen. Es ist weder am 1. April noch bis heute der Friede eingekehrt, sondern der Krieg tobt weiter mit allen seinen Folgen. Wie im Jahre 1914, so sind auch im Jahre 1915 aus genau denselben Gründen die gesamten staatlichen Einnahme⸗ quellen in ihrem Ertrage bisher erheblich zurückgeblieben und es besteht auch zurzeit noch gar keine Aussicht, daß es irgendwie besser werden kann. Die Ausgaben sind an verschiedenen Stellen erheblich in die Höhe gegangen. So erwies es sich wegen der hohen Preise für alle Lebensbedürfnisse als notwendig, für die Beamten und Lehrer, welche ein Einkommen bis zu 2100 haben, jedoch ausschließlich des Wohnungsgeldes und der Mietsentschädigung, be sondere Beihilfen zu gewähren, die sich nach der Anzahl der vorhandenen Kinder richten. Die Staatsregierung ging dabei von der Erwägung aus, daß unverheiratete Personen und kinderlose Familien heute mit ihren Einnahmen zur Not noch auszukommen vermögen, daß aber bei allen Beamten in diesen Gehaltsklassen mit der Zahl der Kinder auch der wirtschaftliche Druck steigt. Infolgedessen werden Küinder⸗ zulagen gewährt, und zwar für Kinder unter fünfzehn Jahren bei ein und zwei Kindern monatlich je 6 M und für jedes weitere Kind 3 „M. Im übrigen wird auf die Unterstützungsfonds zurückgegriffen, und diese reichen, da sehr viele Personen sich im Kriege befinden, für die Zurückgebliebenen durchaus aus.

Da auch bei den Eisenbahnen gegenüber 1914 keine Verände⸗ rungen eingetreten sind, so müssen wir für das Jahr 1915 ebenfalls mit einem Fehlbetrage des Staatshaushalts rechnen.

Der Haushaltsplan für das Jahr 1916, den wir jetzt beraten sollen, ist nach genau denselben Grundsätzen auf⸗ gestellt wie der Haushaltsplan für 1915, nur sind wir dabei womöglich noch sparsamer gewesen als im vorigen Jahre. Dies gilt namentlich vom Extraordinarium und von den Staatsverwaltungsausgaben. Trotz⸗ dem ist der Teuerung der Lebensmittel auch bei diesem Etat Rech⸗ nung getragen, und es werden deshalb nicht nur die Kinderbeihilfen weiter gewährt, sondern es sind auch die Unterstützungsfonds für die ausgeschiedenen Beamten und ihre Hinterbliebenen durch Ausbringung eines besonderen Fonds auf dem Etat des Finanzministers um UL Millionen Mark erhöht worden. Es steht zu hoffen, daß wir dadurch in die Lage gebracht sind, der vorhandenen Not zu steuern. Der Mehrbedarf an Schuldenzinsen für das nächste Jahr ist gleich⸗ falls berücksichtigt. Ebenso ist in Anrechnung gebracht, daß die direkten Steuern voraussichtlich um 10 Millionen Mark im Ertrage zurück— gehen werden. Der Staatshaushaltsetat balanciert in sich ohne An⸗ leihe mit 4 810431 641 „M, also mit 5 932 2883 M weniger als im vorigen Jahre. Nichtsdestoweniger ist nicht damit zu rechnen, daß die Wirklichkeit so ausschlagen wird, als wir angenommen haben, selbst wenn wir im Jahre 1916 wieder Frieden haben. Wie die gesamte Volkswirtschaft, so wird auch die Staatswirtschaft Jahre brauchen, ehe sie sich wieder im Gleichgewicht befindet.

Diese Erkenntnis nötigt die Königliche Staatsregierung dazu, sich gegenüber den Fehlbeträgen aus den Jahren 1914 und 191I5 anders zu verhalten, wie sie es früher den Fehlbeträgen gegenüber getan hat. Nach der sonstigen Praxis sind früher die Fehl⸗ beträge stets auf Defizitanleihe übernommen worden, weil erfahrungs⸗ mäßig durch hinterher wieder eintretende günstige Jahre die Ueber⸗ schüsse so hoch wurden, daß mit ihrer Hilfe die Fehlbeträge entweder ganz oder zum großen Teil wieder abgetragen werden konnten. Dieses Verfahren ist heute unmöglich. Mit dem Defizit des Jahres 1914 könnte man sich zur Not noch abfinden, da es nur 11 Millionen Mark beträgt und nicht höher ist, wie die auch sonst im Frieden schon vor⸗ gekommenen Fehlbeträge. Wenn zu diesem Defizit aber in den folgen⸗ den Jahren wieder ein neues hinzutritt und die Reihe der aufeinander⸗ folgenden Defizits noch gar nicht abzusehen ist, dann wird die An⸗ leihesumme so hoch, daß sie durch spätere Ueberschüsse nicht annähernd wieder abgestoßen werden kann. Das ist ein ganz unmöglicher Zustand, und wenn es sich auch gezeigt hat, daß die preußischen Staatsfinanzen gesund sind und auch einen Stoß vertragen können, so könnte dieser Stoß doch verhängnisvoll werden, wenn er nicht rechtzeitig wieder ab⸗ geschwächt wird.

Diese Erkenntnis nötigt die Königliche Staatsregierung, wie ge⸗ sagt, zu anderen Maßnahmen. Es ist nicht angängig und mit einer gesunden Finanzwirtschaft nicht vereinbar, daß Defizitanleihen als An- leihen zu nicht werbenden, sondern zu absolut unproduktiven Zwecken in größerem Umfange aufeinanderfolgen. Es entspricht dem Ernste der Zeit, daß diese Defizits sobald wie möglich wieder abgetragen werden müssen, ganz besonders deshalb, weil wir heute nicht übersehen können, wann die Defizitjahre wieder aufhören werden.

Das Königliche Staatsministerium hat sich daher entschlossen, schon während des Krieges zur Abbürdung des entstehenden Defizits eine Erhöhung der Staatseinnahmen um 100 Millionen Mark durch eine stärkere Anspannung der direkten Steuern im Wege einer Kriegssteuer herbeizuführen. Dieser Entschluß ist ihr nicht ganz leicht geworden; denn die Kriegszeit bringt schon für jeden Lasten

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