§ 634 der Reichsversicherungsordnung ist in allen Fällen an.
in denen ein anderer Unternebmer dem Gigentümer eines
6. die zu dessen Haltung erforderlichen Kräfte in der Weise
zur aung stellt, daß der andere Unternehmer die Arbeiter an⸗ nimmt und lobnt 12343)
Fabrten der Unternehmer von ihren Wobnungen nach den Fabrik- betrieden sind in der Regel kelne Betriebs fahrten 12844;
Die Mitversicherung einer teils landwirtschaftlichen, teils per⸗ sönlichen Zwecken dienenden Kraftfahrieughaltang bei einer landwut-= schaftlichen Beruf genossenchaft, welcher der Unternehmer mit seinem landwirtjchaftlichen Betrieb angebört, ist nur im Falle des 5 g21 der Reiche versicherunge ordnung zulãssig [2845];
Tätigkeiten bet der Haltung eines Fabrzeugs können versicherungk⸗ rechtlich dem landwirtschaftlichen Betriebe des Fahrzeughalters nur dann zugerechnet werden, wenn sie den technischen Teil des landwirt⸗ schaftlichen Beiriebs fördern; bierzu gehört nicht die Verwendung der Fubrwerke zu Fabrten in Ausübung eines Ehrenamts, auch dann nicht, wenn das Ehrenamt als ein Ausfluß des landwirtschastlichen Betriebs anzusehen ist [2846
Die Tätigkeiten bei der Kraftwagenbaltung einerselts und der Gespann. und Reittierhaltung anderselis sind nicht Betriebstätig ˖ ketren derselben Art“ im Sinne des § 921 der Reichsversicherungs⸗ ordnung 2847];
S vel der Reichs versicherungsordnung findet auf PrivaCtfahrzeug und R üntierbaltungen außerhalb des Bezi ka einer landwirtschaftlichen Berufegenossenschaft keine Anwendung 128481.
Abschnitt 9 (Kranken⸗, Invaliden⸗- und Hinter⸗ bliebenenversicherung) enthält vier Entscheidungen der Beschlußsenate, denen folgende Leitsätze vorangestellt sind:
Die Abführung von Einnahmen einer Betrtebskrankenkasse an den Betrien gunternehmer ist unzulässig. Die sich aus dem Ueher⸗ schusse der Einnahmen über die Ausgaben ergebenden Bestände sind vielmehr bei der Kisse selbst gesondert zu verwahren oder mündel sicher amulegen (5 28 der Reichsversicherungsordnung) (21331;
I) Eine Saßungsbestimmung des Inhalts, daß die Kasse Zabn⸗ plomben nur dann bezahlt, weng vorher der Voistand die Zustimmung ertellt hat, ist unzulä sig. 2) Das Okberversicherungsamt darf eine Satzungebestimmung nicht mit der Maßgabe genehmigen, daß zum Teil an Stelle der vorgelegten Fassung eine vom Oberveisicherungsamt verfaßte Abänderung tritt 12134);
Gin Kinderfräulein gehört zu den Dlenstboten im Sinne der preußlschen Gesindeordnung vom 8 November 1810, wenn niedere Dienste den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bilden (5 435 der Reichs . ver sicherungsord ung (2135:
Die S5 1789, 1833 der Reichsversicherunggordnung gelten nicht bei Beschwer den gegen Beanstandungen des Versicherungsamts nach § 5 Ads. 3 der Bek mntmachung des Reichskanzlers, bet eff end Wochenbilfe während des Krieges vom 3. Dezember 914 (Reichs- Gys⸗tbl. S. 492, Amtliche Nachtichten des R. VB. A. 1914 S. 807) 21361.
Außerdem enthält die Nummer die Zahlungen aus Inva⸗ liden, Krauken⸗, Alters⸗ und Zusatzrenten der 31 Versiche⸗ runasanstalten und die Versicherungsleistungen der 31 Versiche⸗ rungsanstalten an Hinterbliebene im Monat Oktober 1915, sowie den Erlös aus Beitragsmarken im Monat November 1915. Der Nummer liegen Titelblatt, sowie Sach⸗ und Gesetzesregister des Jahrgangs 1915 bei.
Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats anzeigers/ liegt die 865. Ausgabe der Deutschen Verlustlisten bei. Sie enthält die 438. Verlustliste der preußischen Armee, die 217. Verlustliste der bayerischen Armee und die 247. Verlust⸗ liste der sächsischen Armee.
Sessen.
Seine Königliche Hoheit der Großherzog hat anläßlich des 125 jährigen Bestehens des Infanterieregiments Prinz Carl (4. Großherzoglich Hessisches7ꝰ Nr. 118 einen Tagesbefehl erlassen, in dem es der „Darmstädter Zeitung“ zufolge heißt:
Ünseren Kindern und Enkeln zur Mahnung und zum Beisplel will ich das beloenmütig erworbene Ehrenzeichen im Regiment fo tleben lassen. Es nage daher nach Benimmung des Re. gimntt ein altaedienter würdiger Untero fizter der Front jedes Bataillons fortan ein allgemeines Ehrenzeichen für Tapferkeit, welches durch eine silberne Spange mit dem Datum des 23. Januar 1916 daran innern möge, daß das Regiment den Tag seines 12 jährigen Bestehens im großen Kriege b ging. Hessens besten Söhnen, die für ibres schönen Regiments Ehre bluteten, sei ein An⸗ de ken dadurch gesetzt. In der Anerkennung des treuen Ausharrens und tapferen Sinnes, in dankbarem Gedenken der jüngflen schweren Tage habe ich Offlstere, Unterofsftisere und Mannschaften erneut mit Auszeichnungen bedacht. Ich überbringe dem Yiegtment selbst meine treuesten Glückwünsche.
Oesterreich⸗Ungarn.
Anläßlich der Verleihung der Würde eines öster⸗ reichischuungarischen Feldmarschalls an den König von Bulgarien hat nachstehender Depeschenwechsel statt⸗ gefunden. Der König von Bulgarien telegraphierte, wie „W. T. B.“ meldet:
Seiner Kalserlichen und Königlichen Avostolischen Majestät, Schönbrunn. Gard'kapitän, General der Kavallerie Graf Lonyav hat mir soeben das gnädige Handschreiben üherreicht, durch welches Eure Maj stät mir die bistorische Würde eines österreichisch ungartschen Feldmarschalls übertrugen Geradezu erschüttert von picsem neuen ganz unverdlenten Bewelse Ratseilicher Gnade und böchst begläckt von den Worten der Ane kennung melner Täligkett als Verbündeter Kriegsherr, bitte ich Eure Majestät, den Ausdruck vollkommenster Dankbarkeit dafür entgegenzunthm n. Vie selben Gefühle, die vor nunmehr 35 Jahren damals den von Furer Majestät zum Leutnant errannten Jüngling beseelten, er⸗ füllen auch heute noch mein der geheiligten Person Eurer Majestät in kin olicher Treue ergebeneg Herz, das jetzt um so höher schlä ft, als mein Allerböchster Krlegeberr von einst und nunmehriger Er— lauchter Ve bündeter die böchste milttärische Würde feiner glor. reichen, von rubmpollen Traditionen getiagenen Armer meiner Wenigkeit zu verleihen gerubte. Ferdinand R, K. u. K. Feldmarschall.
Der Kaiser Franz Joseph erwiderte obiger Quelle zufolge:
Die überaus warmen Worte, die Eure Majestät anläßlich der Ernennung jzum Feldmarschall meiner Armee an mich zu richten die Güte batlen, haben mich tief gerührt. Ich schätze mich glücklich, 2 Fuse Mejenät dieses Ze chen meiner treuen Freunrschast und au richt gen Bewunderung für den Verbündeten Obersten Kriegs
bern dez rubmwvollen bulgar schen Heeres so freurig aufgenommen haben, und danke Gurer Majestät auf das herz ichste fur, die Ver⸗ sicherung der von Jugend an bewährten liebe vollen Anbhänglichkeit an mich und mene Armee, die stolj darauf lein wird, di⸗ verehrte Pe sen Garer Maß stäũ unter ihre Feldagnschälle zu zählen und darurch noh enger in t sich verbunten zu wissen.
— Der Deutsche Kaiser traf, wie W. T. B.“ meldet, von Belgrad kommend, am 20. Januar Morgens mit dem 8er Johann Albrecht zu Mecklenburg und Begleitun in
azlas ein. Nach dem Abschreiten der Front der Ehren⸗ kompagnie nahm der Kaiser den Bericht des Korpskomman⸗ danten von Temesvar entgegen, worauf ihm der Obergespan des Krasso⸗Szoerenyer Komitats Zoltan Hedwe sowie der Vize⸗ gespan Aurel Issekutz vorgestellt wurden. Nach längerer Unter⸗ haltung mit den Herren begab sich der Kaiser mit seinem Ge⸗ folge auf die nächste Berghöhe und ließ sich den Verlauf des Ueberganges der Truppen über die Donau bei Rama genau erklären. Hierauf ging der Kaiser an Bord des Dampfers „Sofie“ der ungarischen Fluß und Seeschiff⸗Aktiengesellschaft, der ihn durch die Kazanenge nach Orsowa brachte. Während der Fahrt ließ sich der Kaiser vom Obergespan genauen Bericht über die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Bewohner⸗ schaft geben. In Orsowa wurde der Monarch mit großen militärischen Festlichkeiten empfangen. Nach herzlichem Abschied von den Herren und dem Herzog zu Mecklenburg, der in Orsowa blieb, kehrte der Kaiser im Automobil nach Bazias zurück, von wo er Abends die Weiterreise im Hofzuge fortsetzte.
Der ehemalige rumänische Ministerpräsident Peter Carp ist gestern in Wien eingetroffen. Der österreichisch⸗ungarische Generalstabsbericht vom
24. Januar erwähnt am Schlusse der Mitteilungen über Monte⸗ negro, daß in Podgorica Ausschreitun gen vorgekommen sind, die mit dem Erscheinen der ersten österreichisch⸗ungarischen Truppen aufhörten. Wie aus dem Kriegspressequartier ge⸗ meldet wird, bestanden diese Ausschreitungen, soviel bisher be⸗ kannt geworden ist, in einem blutigen Zusammenstoß zwischen Montenegrinern und bei Podgorica wohnenden Albanern, der dem bekannten Albanerführer Issa Bol⸗ jetinac und seinem Sohne das Leben kostete. Die Ursache ist noch nicht aufgeklärt. Verschiedene montenegrinische Beamte eilten den anrückenden österreichisch⸗ungarischen Truppen ent gegen und baten deren Kommandanten, den Einmarsch in
zodgorica zu beschleunigen, damit Aergeres verhütet werde. Beim Einrücken der österreichisch⸗ ungarischen Truppen war die Stadt bereits wieder ruhig.
.Das Londoner „Reuterbureau“ meldet aus römischen Blättern, daß ein britisches Tauchboot in der nördlichen Adria ein österreichisch'ungarisches Wasserflugzeug vernichtet und die Bemannung gefangen genommen hätte. Ein zu Hllfe geeiltes Torpedoboot sei torpediert und versenkt worden. Hierzu wird aus dem Kriegspressequartier gemeldet, daß die österreichisch ungarische Kriegsmarine weder ein Torpedoboot noch einen Zerstörer vermißt. Sollte demnach das englische U⸗KBoot tatsächlich eine solche Torpedoeinheit mit einem Torpedoschuß vernichtet haben, so kann das Opfer nur ein Fahrzeug der Eantenieflotte gewesen sein. Damit wäre das englische Unterseeboot in der nördlichen Adria nur dem Bei⸗ spiele des französischen U⸗Bootes „Faucoult“ gefolgt.
— Eine aus mehr als fünfzig Mitgliedern bestehende Abordnung aus Dalmatien ist in Wien eingetroffen, die dem Kaiser ihre Huldigung darbringen will. Ihr gehören u. a. an ber Statthalter, der Landeshauptmann, der Erzbischof von Zara, die Bischöfe und Abgeordneten Dalmatiens, der Bürger meister von Züra sowie Vertreter fast aller Gemeinden Dalmatiens. In einer dem Kaiser zu überreichenden Huldigungsadresse soll. wie W,. T. B. meldet, betont werden, daß die Söhne ö auf allan Schlachtfeldern lhre Treue und Anhänglichkeil du Kaiser und Reich freudig und ruhmvoll bekundeten und‘ bis zum siegreichen Ende des Krieges ausharren werden. Die Adresse wird auch zum Aus⸗ druck bringen, daß die Bevölkerung Dalmatiens alle Absichten Italiens auf die Ostküste der Adria mit Eatrüstung ablehnt und restlos nur in der Zugehörigkeit Dalmatiens zur habs⸗ burgischen Monarchie die sicherste Gewähr für die nationale, kulturelle und wirtschaftliche Entwickelung Dalmatiens und seiner Bevölkerung erblickt.
Großbritannien und Irland. Das Unterhaus hat die Militärdienstbill mit 338 gegen 36 Stimmen in dritter Lesung angenommen. „Der Nationale Dockarbeiterverb and, eine der wichtigsten Gewerkschaften Englands, hat dem „Reuterschen Bureau“ zufolge eine Entschließung entworfen, die in der Ver⸗ sammlung am Mittwoch beraten werden wird. Sie spricht sich gegen jede Art von dauerndem Militarismus aus, sieht aber das gegenwärtige Vorgehen der britischen Regierung als durch den jetzigen Krieg gerechtfertigt an.
Frankreich. Der König von Montenegro ist mit dem Kron⸗ prinzen Danilo, dem Prinzen Peter, der Prinzessin
Militza und Gefolge gestern nachmittag in Lyon angekommen.
Schweden.
Im Reichstag begann gestern die mit großem Interesse erwartete Budgetdebatte. Der Ministerpräsient Ham⸗ marskjöld hielt in der Zweiten Kamm er eine große Rede, in der er laut Bericht des W. T. B.“ ausführte:
Gs bestehe keine Uisache, im In, oder Auslande daran zu zweifeln, daß die Polltik der Regierung eine Politik der Reutralität sei. Ein deutlicher Bewels daür sei in Worten und Dandlungen gegeben. Die hervorgetretenen Zweisel daran seien einem krankhaften Riß rauen oder dem Mangel an Ver ändnis dafür, was ehrliche unpartelische Neutralität bedeute, zuzuschreiben. Bei einer Ge segenbeit im vorigen Sommer“, fuhr der Ministe ⸗präsiden fort, suchten wir unseren Stanz punkt zu erklären. Wir wiesen die Vorstellung zurück, daß unsere Politit bedeuten sollte, daß ein Aufgeben unserer Neu= tralität unter keinen Umständen in Frage kommen dürfte. Dieser Zarückweisung, die sich auf jeden Veisuch bezog, in unsere Politik ziwas anderes hineinzulegen als das, waß wir meinen, wurden fol zende Worte hinzugefügt: In Uebereinstimmung mit den ab⸗ gegebenen Neutraliätaerklärungen und mit unzweideutigen Aus⸗ sprüchen des Könlgtz bei verschiedenen Gelegenheiten ist es un ser warmer Wunsch, den Frieden zu bewahren, und unsere Pflicht, mit allen Krästen dafür zu wirken. Wir rechnen aber auch mit Möglich⸗ keiten, bei denen Schweden tretz aller unserer Bemühungen die Be⸗ wahrung des Friedens nicht mehr möq ich ist. Durch diese Worte und ben übrigen Inhalt derselben Rede, die im grrßen und ganzen vom König und allen Mitaltedern der Regierung vollständig gebilligt warde, wurde unsere Polit so genau und deutlich gekennzeichnet, wie es obne unangebrachteg und sogar undenkrares Eingehen auf wirkliche pder angenommene Fälle üherbaupt möglich war. In einer sväteren Nene wurde welter betont, daß ausschließlich schwedische Gesichtg. punkte in Betracht kommen sollen, daß mithin Sympathien nicht entscheidend fein dürfen. Nach solchen Grundsätzen sind wir bisher verfahren. Wenn irgendwo die Auffafsung bestebt, als wären wir parterich gew sen, so beruht diese entwever aaf eiʒnem untichtigen
Gesichtspunkte oder auf ungenügender Kenntnis der Verbältnisse. An * en der bißher von unt befolgten Politik werden wir senbalten. Bieg gilt auch fär daz Verhälinis von Schweden zu den übrigen Neutralen. Unter diesen haben wir besonders von Dänemark und Norwegen Mitwirkung für gemelnsame Ziele gesucht und auch ersielt. Daß die gemeinsamen Beftrebungen für dag Recht und daz Wohl der neutralen Mächte wie sür die Aufrecht. erbaltung des in der Thronrede eiwäbnten Völkerrechts nicht größeren Umsang angenommen haben, sind wir die ersten ju bedauern. Dieg liegt an Verhältnissen, an denen wir kein Teil haben, und über die wir kein Recht haben, ein Uctell auszusprechen. Das aber wollen wir feststellen, daß nach unserer Ueberzeugung ein Ersolg solcher Be⸗ strebungen nicht nur ein materieller und ideeller Gewinn für Schweden wie für die anderen neutralen Länder, sondern auch für die Kriegführenden, ja sogar für ganz Curopg sein würde. Die jetzige Gruppierung der Mächte ist nicht ewig. Wenn andere Verhãltnisse eintreten, wird eine jetzt kriegführende Macht vielleicht bereuen, daß sie wegen eines zufaͤlligen, oft zweiselhaften Vorteils die Verträge und Gebote des Völkerrechts zerrlssen hat, die nur zu svãt wieder hergestellt oder ersetzt werden können. Es ist kaum möglich, zu be⸗ strelten, daß gewisse Schwierigkeiten, besonders im Erwerbsleben, vor- läufig hätten gemildert werden können, wenn wir weniger genau in der Äufrechterhaltung Liner wirklichen unparteilschen Neutralität auch in handelspolitischen Fragen gewesen wären. Diese Erleichterungen wären ung jedoch nur vorläufig von Nutzen gewesen. Unsere eigene Erfahrung zeigt, daß insolge der fortwährenden schnellen Verschärfung des Handelstrieges oft nur eine kurze Dauer des unsicheren Genusses von Vorteilen durch allgemeine Verabredungen erwartet werden kann. Aus anderen neutralen Ländern erfährt man guch, daß bald neue Forderungen durch die gemachten Zugeständnisse veranlaßt werden. Zugestäͤndnisse führen leicht weiter und weiter fort von wirklicher Jentralität. Wenn wir uns jetzt bedenklichen Beschränkungen von Recht und Freiheit fügen würden, so wäre andererseltg zu befürchten, daß diese Beschränkungen sogar in noch größerem Umfange nach dem Kriege fortbestehen würden, wie auch, daß die folgende Zeit als end= gültiges Ergebnis eine ötonomisch wie politisch schmenzliche Abhãängig⸗ keit ergeben würde. Obaleich wir, wie gesagt, im Interesse unserer Neutralität und Selbständigkeit vielleicht auf gewisse zufällige Vorteile berzichtet haben, so ist doch das Gesamtergebnis unseres Erwerbz. lebeng bel uns nicht schlechter als in anderen neutralen Staaten.“
In der Debatte sagte der Führer der Liberalen Eden, elne Neufralltätgpolitik ohne Hintergedanten und korrekt nach allen Selten fei daz, was dag Land wünsche, und die erste entscheidende Be— dingung für ein Zusammenarbeiten mit der Regierung. Er hob die Tatsache bervor, daß der Aktivismus eine schlechte Wirkung außerhalb der Grenzen SchwedenK hervorgerufen habe; es sei eine Angelegenheit pon der größten Bedeutung für die Regierung, die Rechte und das ganze Land, daß man sich von den aktivistischen Glementen frei mache. Man habe erklärt, der Atiivismus sei tot; dieser sei aber in neuer Hestalt wieder auserstanden und auf handelspolitischem Gebiete her— vorgetreten. Der Führer der Sosialdemokraten Branting sprach die Besorgnis aus, daß die Haltung der Reglerung nicht mehr so deutlich neut alitätsfreundlich jei wie bisher. In dem Falle des Aus fuhrverbots für Papiermasse habe man eine reine Vergeltungepolitik bersucht. Branting erklätte, aus den unteren Schichten des ganzen Volks steige klarer und tlarer die Forderung nach gerechter Neutralität empor. Ber Führer der Rechten, der ehemalige Staa!sminister Lindman erklärte, die Partei der Rechten blllige jest wie bisher die Neutralttät. ‚Dle Neutralität,, sagte er, muß aufrecht⸗ erhalten werden, aber unsere Interessen müssen geschützt werden. Man darf die Krlegführenden nicht zu dem Glauben kommen lassen, daß Schweden nach Belieben behandelt werden könne. Dies kann man ak ive Neutralität nennen im Gegensatz zu einer passipen. Was wir wollen, ist, daß wir unter Auftechterhaltung unserer Neutralität mit off nen Augen den Greignissen folgen und unsere Rechte schütz n. Das große Gebäude des Völkerrechts steht kaum mehr; sein Grund hat sich als von lockerster Art erwiesen. Für ein neutrales Schweden sst eg eine Ehre, nicht an der Niederrelßung des Völkerrechtes teil. zunehmen. Wir haben ein Recht darauf, von den Kriegführenden nach den bisher geltenden Rechissätzen behandelt zu werden. Wir sind auch dazu verpflichtet, das zu erfüllen, was diese selben Rechts. sätze einem neutralen Staate auferlegen. So wollen wir fortfahren.“ Der Äbg. Branting sagie, die Regierung habe sich über die mög⸗ lichen Folgen ihrer Neutralitätspolitik nicht klar genug aug. gesprochen. Es sei die Frage, ob die Natlon lediglich wegen der genauen Auslegung des Völkerrechts, auf die sich jetzt die schwedische Politik stütze, größeren Gefahren ausgeseßt werden müsse. Es sei notwendig, ein vernünftiges Ueberein⸗ kommen zu treffen und eine Entspannung der Lage zu erzielen, nicht aber, sich durch angeblich unüberbrückbare Gegensätze zum äußersten bringen zu lassen. Der Ministerpräsident Hammarskijöld wieder holte seine Versicherung, daß die Regierung die Erhaltung des Friedens wärmstens wünsche, daß aber damit gerechnet werden müsse, daß dieg trotz aller Anstrengungen unmöglich werden könnte. (Vie Erklärung wurde mit Beifall aufgenommen.)
In der Ersten Kammer wiederholte der Minister— präsident seine in der Zweiten Kammer gehaltene Rede.
In der danach beginnenden Debatte erklärte der Fübrer der Rechten Trygger, seine Partei wünsche jetzt, wie vor einem Jahre, die Aufrechterhaltung der Neutralität nach allen Seiten. Er ser davon überzeugt, daß die Megierung beabsichtige, die Neutralität nach den Grundsätzen des Völkerrechts aufrechtzuerhalten. Der gegen— wärtige Zustand sei kein Rechtszustand, sondern eln Zustand ben Gewalt auf der einen Seite und von Unterwerfung auf der anderen. Schweden könne nicht auf seine Rechte verzichten. „Lieber, als daß wir auf unseren Anspruch auf Achtung und Ehre Verzicht leisten', sagte der Redner, wollen wir uns den größten Ent= sagungen und Opfern unterwerfen. Schweden darf nicht aus dleser Weltkrise mit einer Minderung seiner Ehre und seiner Souveränität hervorgehen, sondern geehrt und selbständig.. Der Führer der Liberalen Kparnzelius erklärte als unerschütterliche Meinung seiner Partei und der überwiegenden Mehrheit des schwedischen Volkes, daß es notwendig und das Beste seß, eine unpartelische Neutralität beijubehalten. Er sprach seine und semer Partei Uebereinstimmung hierin mit der Regierung aus. Der ehe⸗ malige liberale Minister Alfted Petersson drückte seine Neberjeugung als, daß etz der Wille der Regierung sei, eine unerschütterliche Neutralität aufrecht uerbalten. Die schwedische Neutralität müsse so offenbar sein, daß kein Zweifel an ihrer Ehrliæ keit entstehen könne.
Mitglieder der linken Parteten in beiden Kammern tadelten die Regterung, weil sie im vorigen Jahre, ohne den Reichstag ju hören die Kosten für die Neutralitälswache bereitgestellt habe, und besprachen auch die Lebensmlttelteuerung.
Der Reichstag wählte gestern zwölf Mitglieder deß Geheimen Ausschusse s. Die Rechte wählte aus der Ersten Kammer vier Vertreter, darunter Trygger und Kjellen, aus den Zweiten Kammer zwei, darunter Lindmann. Die freisinnige Parte wählte aus der Ersten Kammer zwei Vertreter, darunter den früheren Minister Alfred Peterson, aus der Zweiten Kammer einen, den Professor Eden aus Üpfala. Die sozialdemokratische Gruppe wählte aus der Zwelten Kammer drei Vertreter, darunter Branting.
Griechenland.
Nach einer Meldung des Reuterschen Bureaus“ wit
berichtet, daß die griechische Regierung nichts gegen die
Nieberlassung der serbischen Regierung in Korth einzuwenden habe und auch bereit sei, die Sorge für die im mazedonischen Feldzug gemachten Kriegsgefangenen zu über nehmen; sie vermese aber darauf, daß sich bereits zahlreiche griechische und serbische Flüchtlinge im Lande besinden.
Die Eröffnung der Kammer fand gestern unter üblichen . siatt. Der Minusterprasident fuludis verlas die r . . Verordnung, durch die die nmer eröffnet wurde, wobei die Abgeordneten in den Ruf lebe der König!“ ausbrachen. Es folgte die Eidesleistung, auf die Kammer sich wieder vertagte. Der Tag der shsten Sitzung ist noch nicht bestimmt. Die Abgeordneten nördlichen Epirus nahmen an der Kammereröffnung teil
dleisteten den Eid. Bulgarien.
Der König hat nach einer Meldung der Bulgarischen legraphenagentur folgenden Tagesbefehl erlassen:
uf den mir durch den QObeibefehlshaber und die höheren ppenbefehlshaber ausgedrückten Wunsch meiner teuren Armee habe
eingewilligt, die Würde eines Generalfeldmarschalls anzu-.
hmen als Zeichen meines Dankes gegen Gott und meiner Er— utlichkeit gegenüber meinen Soldaten für ihr opferwilliges Helden. n und ihre glänzenden Siege.
ö Asien.
Das Blatt Ikdam“ erfährt, daß mehrere Häupt⸗ ige der persischen Stäm me sich in der, Ueberzeugung, ß die Verfüg:mgen der gegenwärtigen gffiziellen perfischen gierung üble Folgen für die islamitische Welt nach sich ziehen nten, erhoben haben und den Schutz der Rechte des hlams fordern. Naib Hussein Khan ist mit seinem Sohne
n Kaschan, südlich von Kum, geflüchtet. Er hat sich den frei⸗ lgen Kriegern angeschlossen, die eine Streitmacht von 4900 ann darstellen und die Russen bei Sare () angegriffen ben. Die Russen hatten mehrere Tote und verloren zwei aschinengewehre, eine Menge Munition, Lebensmittel und e Anzahl Gefangene.
Kriegsnachrichten. Großes Hauptquartier, 25. Januar. (W. T. B.) Westlicher Kriegsschauplatz.
In Flandern nahm unsere Artillerie die feindlichen lellungen unter kräftiges Feuer. Patrouillen, die an ein⸗ nen Stellen in die stark zerschossenen Gräben des Gegners drangen, stellten große Verluste bei ihm fest, machten ige Gefangene und erbeuteten 4 Minenwerfer. Der emplerturm und die Kathedrale von Nieuport, die
Feinde gute Beobachtungsstellen boten, wurden umgelegt. estlich von Neuville griffen unsere Truppen im An⸗ luß an erfolgreiche Minensprengungen Teile der rdersten französischen Gräben an, erbeuteten drei Maschinen⸗ wehre und machten über 100 Gefangene. Mehrfach ange—⸗— tzte feindliche Gegenangriffe gegen die ge⸗ hmmenen Stellungen kamen über klägliche An⸗ nge nicht hinaus; nur einzelne beherzte Leute verließen ren Graben, sie wurden niedergeschossen.
Deutsche Flugzeuggeschwader griffen die mili⸗ rischen Anlagen von Nancy und den dortigen ughafen sowie die Fabriken von Baccarat an. — n französischer Doppeldecker fiel bei St. Benoit ordwestlich von Thiaucourt) mit seinen Insassen unversehrt unsere Hand.
Oestlicher Kriegsschauplatz. Russische Vorstöße wurden an verschiedenen Stellen cht abgewie sen.
Balkan⸗Kriegsschauplatz.
Nichts Neues. Oberste Heeresleitung.
Wien, 24. Januar. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet:
Russischer Kriegsschauplatz. Nichts Neues.
Italienischer Kriegs schauplatz.
Annäherungsversuche des Feindes im Abschnitte von La⸗ aun und ein neuerlicher Angriff einer italienischen Abteilung Rombon-Hange wurden abgewiesen.
Südöstlicher Kriegsschauplatz.
Gestern abend haben wir Skutari besetzt. Einige ausend Serben, die die Besatzung des Platzes ge⸗ ildet hatten, zogen sich, ohne es auf einen Kampf an⸗ mmen zu lassen, gegen Süden zu rück. Ueberdies sind isere Truppen im Laufe des gestrigen Tages in iksie, Danilovgrad und Podgoritza eingerückt. Die ntwaffnung des Landes vollzog sich bis zur tunde ohne Reibungen. An einzelnen Punkten haben e montenegrinischen Abteilungen das Erscheinen unserer ttreitträfte erst garnicht abgewartet, sondern die Waffen schon zrher niedergelegt, um heimkehren zu können. Anderenorts
Bg der weilaus größte Teil, der Entwaffneten die Kriegs⸗
ffangenschaft der ihnen freigestellten Heimkehr vor. Die Be⸗ ßlkerung empfing unsere Truppen überall freunh⸗ ch, nicht selten mit Feierlichkeit. Ausschreitungen, wie beispielsweise in Pod gorißtza vorgekommen waren, hörten uf, sobald die erste österreichisch- ungarische Abteilung erschien. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes. von Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Der Krieg der Türkei gegen den Vierver band.
Konstantinopel, 24 Januar. (W. T. B) Das Haupt⸗ uuartier teilt mit: An der Jrakfront dauern die Stellungs⸗
ämpfe bei Kut el Amara an. Englische Streitkräfte, die uus der Richtung von Iman Ali Gharbi kamen, griffen am L. Januar unter dem Schutz von Flußkanonenbooten unsere ztellungen bei Menlahie, etwa 35 km östlich von Kut
mara, auf beiden Ufern des Tigris an. Die Schlacht auerte sechs Stunden. Alle Angriffe des Feindes wurden urch Unsere Gegenangriffe zurückgeworfen. Der eind wurde einige . nach Osten zurüch getrieben Auf em Schlachtfel de zählien wir ungefähr dreitausend tote ngländer. Wir nahmen einen feindlichen Hauptmann und nige Soldaten gefangen. Unsere Verluste sind verhältnis⸗ 16 gering. Ein Waffenstillstand von einem Tage, m den der feindliche Oberbefehlshaber, General Aylmer,
ersucht hatte, um seine Toten zu begraben, wurde von uns be⸗ willigt. Gefangene erklärten auf unsere Fragen, daß die Engländer außer den Verlusten, die sie in dieser Schlacht erlisten, noch weitere dreitausend Tote und Ver⸗ wundete in den vorhergehenden Kämpfen bei Scheik Said verloren haben. Infolge unseres Angriffs auf eine andere englische Kolonne, die westlich von Korna aus der Richtung von Muntefik vorzugehen versuchte, wurde der Feind zum Rückzug gezwungen, wobei er hundert Tote zurückließ. Wir erbeuteten eine Anzahl Kamele und hundert Zelte. Sonst nichts von Wichtigkeit.
Der Krieg zur See.
Mailand, 24. Januar. (W. T. B.) Zu der Torpe⸗ dierung eines englischen Trangsportschiffes durch ein deutsches Unterseeboot bei Saloniki erfährt der „Corriere della Sera“ noch folgende Einzelheiten: Die Torpe⸗ dierung des Transportschiffes, das von England kam, erfolgte gestern früh 7 Uhr außerhalb des Salonitier Hafens. Das Schiff hatte 100 Soldaten und 150 Mann Besatzung an Bord sowie 200 Maulesel und Munition. Menschenleben sind nicht verloren gegangen. Man sucht einen Teil der Munition sowie das Schiff zu bergen.
Der Krieg in den Kolonien.
Paris, 24. Januar. (W. T. B.) Eine Mitteilung des Kolonialministeriums über die Operationen der Fran⸗ zosen und Engländer gegen Kamerun besagt:
Die militärischen Operatjonen, die von Franjosen und Eng⸗ ländern zu Anfang des Krieges begonnen wurden, um die Deutschen aus Kamerun zu bertrelben und diese reiche und wichtige Kolonte in die Hände der Verbündeten zu bringen, näbern sich ihrem Ende. Be—⸗ gonnen auf einer Frontlänge von 3000 km, verlaufen die Overattonen in aufeinander abgestimmten Bewegungen derart, daß verschiedene Kolonnen, französtsche und englische, von verschledenen Punkten dieser Front ausgehend, von wo aus sie zum Teil über 1000 km zu durchmessen hatten, beinahe gleichzeitig in Jaunde ankamen, nach⸗ dem sie schwere Kämpfe bestanden haiten, denn der Widerstand des Feindes war sebr hartnäckig. Obgleich Jaunde, wo der Gouverneur sich mit dem Oberkommandlerenden der Truppen und dem Stabe befand, sehr stark befestigt war, wurde dieser Platz doch geräumt, sobald der Diuck der Verbündeten Ibn bedrohte. Die Deutschen ziehen sich eilig südwestwärts in der Richtung auf die spantsche Kolonie Rio del Munk zurück, wohin der deutiche Gouverneur und der Kom: mandeur der Schutztruppe sich bereits geflüchtet haben sollen. Auf ihrem Rückzuge sticßen die deutschen Kolonnen wiederholt mit einer franiösischen Kolonne zusammen, die ven Dugla kam und längs der Eisenbahnlinie auf Jaunde marschierte, parallel mit einer englischen Kolonne, welche der Automobilstraße folgte; welter nördlich erlitten die Deutschen große Verluste bei Mangalese. Den Deutschen gelang es nur, den Marsch der Franzosen und Engländer durch den großen Wald der Aequatorgegend in einem außerordentlich wechselvollen Ge⸗ lände ein wenig aufzubalten, aber sie entqingen der kräftigen Ver⸗ folgung nicht, die soeben mit der Besetzung von Evolowa, des letzten wichtigen Punktes, den die Deutschen noch hielten, durch die Verbündeten ihr Ziel erreicht hat. General Aymerich hat den Besehl über die verbündeten Truppen in Jaunde übernommen und sich mit dem englischen General Dobell dahin verständigt, mehrere gemischte Kolonnen zur Verfolgung des Feindes in einige Gegenden des Südens zu entsenden, wo seine letzten Abtellungen umherirren.
Wohlfahrtspflege.
Das für altersschwache und sieche Taubstumme aller Konfesstonen errichtete Ostpreußische Laubstummenheim zu Königs- berg i. Pr. zählt zutjest 57 Pfleglinge. Die Aufnahme in dag Heim erfolgt grundsätzlich unentgeltlich. Unterhalten wird die Anffast allein aus milden Gaben, hauptsächtich aus den Erträgen der osspreußischen Hauskollekte. Infolge der um-. fangreschen Kriegsverwüstungen, durch die mehr als ein Drütel der Provinz Ostpreußen in furchtbarer Weise heimgesucht wurde, ist die Einnabme der Anstalt so zurückgegangen, daß es ihr in einer Reihe von Jahren unmöglich sein wird, ihre Ausgaben zu decken. In kurzer Zeit muß sie vor dem völligen witschaftlichen Zusammenbruch stehen, wenn ihr nicht anderweite Hilfe zuteil wird. In Anbetracht dieser schweren Notlage hat der Oberpräsident der Provinz Brandenburg dem Heim eine Haustollette in der Provinz Brandenburg und dem Landespolizeiberirk Berlin bewilligt, die am 1. d. M. ihren Anfang genommen hat. Es ist zuversichtlich zu hoffen, daß die bewährte Dyferwilligkeit der Brandenburger dafür sorgen wird, daß das Liebeswerk der hart bedrängten Provinz nicht zu Grunde geht.
Kunst und Wissenschaft.
In der Janugrsitzung der Ant hrovolog ischen Gesellschaft widmete der Vorsitzende, Profefsor E. Seler in ehrenvollen Worten dem süngst verstorbenen Forscher Professor Hermann Klaatsch einen Nachtuf. Professor Eduard Hahn schlug vor, bei den Bestimmungen der vorgeschichtlichen Kulturen neben der Beohachtung der Metall⸗ technik auch darauf zu achten, ob in det betreffenden Periode schon Pflugkultur üblich war, wofür dag Vorkommen von Resien der Haus⸗ fiere Anzeichen bietet, und im allgemeinen den wirtschaftlichen Zu⸗ ständen der Steinzest mehr Aufmerksamkelt zu widmen. Professor Wert legte einen Faͤustling⸗ vor, der auf dem Ten dagurahügel, nahe der Panganimündung (Ostafrika) auf einer Stufe gefunden ist, die der Inierglacialselt jujurechnen ist, und die, ganz den Charalter der Werkjeuge des Chellsen (ältere Sieinzeit) trägt. Da wir heute schon altsleinzelt liche Werkzeuge aus dem Somalilande, vem Zambesi, vom Kongo und Niger, aus Algerien, Marotlko und Tunis lennen, so gibt Tiefer Umstand uns einen weiteren Gesichts punkt bei der Beurteilung der Neandertalrasse und weist auf eine wohl noch ältere, weit ver⸗ breitete Rasse hin, und wir müssen daher ganz andere Anschauungen über die Abstam mung und Verbreitung des Menschen gewinnen.
Darauf sprach Dr. P. Traeger, der Schꝛiiftführer der Gesell⸗ schaft, über das Thema; Zur Kenntnis der Albanesen und ihrer Nachbarn. Der Vortragende, der 1899 bis 1904 Albanten nach den veischledensten Richtungen hin durchforicht und große originale ethnographische Sammlungen zusammengebracht hat, ent- warf in großen Zügen ein Bild von Volk, und Land und benutzte seine wertvollen Einzelforschungen zur Erläuterung und zum 6 feiner Darlegungen. Er stellte zuerst fest, daß die Albanesen eine in fich beruhende eihnologische Einheit sind, genau wie Griechen, Römer, Veutsche, Slaben. Zu keiner dieser Gruppen haben sie irgend nähere Verwandtschaft, ihre Sprache ist ein durchaus selbständlges Glied der indogermantschen Sprachen. Wir können heute schon sagen: die Albanesen find die Nachkommen der alten Illvrer, sie sind eines der aͤltesten Völker, eines der am wenigsten vermischten Völker im Norden ihreg Gebiets; im Gebirge sind sie heute noch ganz unvermischt. Sicher ist, daß vor den Hellenen sllyrlsche Stämme in dem Gebiet von Albanieag gesesen baben. In diesem Gebtet sind in anderthalb Jahrtausenden Völker und Freiche dahin gegar gen, obne daß die Albanesen in ibrem Kern be rührf worden find, obwohl von diesen fremden Reichen jedes fast Jahthunderie geherrscht hat. Die Goten herrschten nach den
Römern vom Golf von Arta bls nach Dalmatien 109 Jahre, im 6 Jahrhundert nach Christl Geburt kam die Slavenũberschwemmung. Di Serben wurden bier die Herren, es folgte die hundertsäbrige Bulgagrenherrschaft mit der Residenz des Zaren Simern n Ochtida. Franken, Normannen und Tärken lösten einander als Herren deg Landes ab. Und doch blieben die alten Illvrer ethnisch benehen, ihre Sprache lieb das Albantsche, freilich nahmen sie Worte anderer Sprachen auf, aber ibr Kern blieb unberührt, Obwobl schen Bor p dies erkannte, war die Sprachforschung des Albanesischen deshalb bie her so schwierig, weil es bis beute noch nicht zur einbeitlichen Schrift gelangt ist; bls vor wenigen Menschenaltern schrieben die Albanesen überbaupf noch nicht, und beute noch besteht Streit um das Alphabet. Zudem sind dle syrachlichen Aufnahmen fast sãmtlich bei Alpanefen gemacht worden, die in der Diaspora in Griechen. land und in Süditallen lebten. Die Quelle für die Erkenntnis des albanesischen Volkes sind aber die Seigstãmme des Nordeng, da finden wir die alten Bezeichnungen für die Familie, den Hausrat und dergleichen. Die albanesische Sprache wird auch auf dem griechischen Archipel gesprochen und Professor Philippson Bonn gibt Io O90 Albanesen für den Peloponnes an; 100 009 leben, seitdem die Türken Herren des Landeg geworden waren, in Süditalien. Der Gebirgestock Nordalbaniens ist ethnisch und lingulstisch eine andere Welt als das übrige Albanien. Die Hauyptstämme von Nord nach Süd sind die Mallssoren (mali — Berg), die Mirditen am Skutari⸗ see und die Tog ken, die auf die alten Epiroten zurückgehen, in Süd⸗ albanien; das Toskische des Südeng ist nur dialekiisch dom Nord⸗ albanischen verichieden. Das Bergland des Nordens kennt keine Biücten und Wege; auf Ziegen fellschläuchen oder Einbäumen quent man die Flüässe, Lampen in primitivster Form sind unbekannt, öl haltiges Holz vertritt deren Stelle, Stricke werden aus Haaren, Siebe aus Vaut hergestellt. Taschen aus Holzrinde, und all dies, obwobl in nächsier Nähe alle Tonwaren europäischer Produktion zu haben sind; in Skutart wird noch mit dem Keibholje gerechnet. Es ist ein Ge⸗ wohnheitsrecht in Kraft, das nach Traegeis Aufielchnungen Josef Kohler als dem deuischen Gewohnheitgrechte des 38. und 9. Jahr⸗ hunderts entsprechend gekennzeichnet hat. Der regulierende Faktor dieses Gewohnhensrechts ist die Blutrache, nicht wie in Korsika ein Rest alten Rechtes, vi lmehr eine Jnstttution des Strafrechis. Diese Blutrache vererbt sich auf einzelne und auf ganze Sippen. Auch Bußen für den Ausgleich sind bestimmt— Jeder Körperteil hat seine eigene Buße, für die Frau gilt der halbe Preis des Manne. Das Loekaufen von der Blutrache nimmt zu, je weiter man nach Süden kommt. Das Volk hat unter der Blutrache fürchlerlich ge⸗ litten und, da niemand weiß, ob er nicht an einem ihm Begegnenden die Blutrache zu vollziehen hat, so fragen die Reisenden gegenseitig sich stels nach ibren Stämmen. Herrscht im Norden Glansberfassung mit Gemeinschaftebesitz, so gilt bei Tirana, der He mat Essad Paschaz, schon das Feudalrecht wie in unserem Mittelalter; die Beis leben als Großgrundbesitzer auf ihren festen Schlössern und haben eine Bande“ um sich. Von den Noidstämmen hat die Türkei nur Tribut erhoben, während sie in Mittelalbanien Militarstationen hatte und Veornehme oft jahrelang als Geisseln in Kleinasien behlelt. Zu diesen Gegensätzen von Nord und Süd kommen noch die religiösen Gegensätze; den katholischen Bergalbanesen stehen die islamitischen Bewohner Msttelalbaniens so schroff gegenüber, wie diesen die griechisch⸗orthodoxen des Südens. Somlt sördert auch der Glaube die Zersplitterung des Volkeß. Dr. Traeger hat etwa 22 Melodien der Nordstämme aufgenommen, die er zum Teil auf dem Phonographen vorfübrte; es sind nur wenige Melodlen, die dies Volk im Laufe der Jahrtausende gefunden hat für den Ausrruck seiner Empfindungen, in deren Mitte stets der Held steht, der mit dem Drachen verglichen wird. Gs fehlt das Liebeslied, es fehlt die Weltfreude, die zu so charakteristischem Ausdruck kei den sütslavischen Nachbarn der Albanesen kommt und vor allem bei den Griechen. Kaum ein Lied der Bergalbanesen deutet auf historische Erinnerungen hin. Egz fehlt den sittlich strengen Albanesen das Sentimentalische. Die Technit der aibanesischen Lieder ist sebr einsach, aber sie zeigen doch etwat dramatisch Bewegtegß. Auch die Musikmstrumente, Pfetsen und Streichinstrumente sind äußerst primitio. Es feblt den Albaneslen auch das lebhafte Schmuckbedürfnis, das bei den Südslaven so stark ausgebildet ist. Der Vortragende hat sie niemalg tanzen sehen. Auf ibren Holischnltzereien fehlt die Mannigfaltigkeit der Farben und der Ornamentik, ebenso in ihrer Weberei und Stickerei, Künsten, in denen die Balkanslaven hervorragende Leistungen auf uweisen haben. Blumentopf und Vogel sowie die Kaffeekanne sind auf albanesischen Webstücken die stets wiederkehrenden Motive.
Der Vottragende hat sehr sorgsältige anthropologische Auf⸗ nahmen bei den Bergalbanesen gemacht und 92 Individuen gemessen, unter ihnen fand sich ein Langschädel, die anderen waren kurz⸗ und überkurzschädlig. Nach über 500 Personalbeschreibungen in bezug auf Körpergröße, Haarfarbe, Augen fand er die Durch- schnittsgröße von 161 bis 182 em, also gut Mittelgröße. Hiermit stimmen auch die Befunde überein, die sich aus Grabungen ergaben; denn es wurden zum Teil sehr alte Gräber aufgedeckt, deren Skelette dann untersucht wurden. Die Totken sind kleiner und mehr brünett als die Mirditen, auch treten bei ihnen mehrfach die für die Slaven so charatteristischen starken Jochbogen hervor, ein Beweis dafür, daß die Südalbanesen nicht mehr unv rmischt geblieben sind. Wir finden meist schmale Gesichter mit Adlernasen, selten konkave oder gar konvexe Nasen; die helle Kemplexton sindet sich meist im Gebirge, die Kinder in den Dörfern des Norden sehen denen in unseren deutschen Vörfern fast gleich. Die Albanesen haben einen schlanken, sehnigen Körperbau. Sie heiraten nicht innerhalb des Stammes, es herischt eine fesle Tradition, woher die verschiedenen Stämme ihre Frauen nehmen. Diese selhst zeichnen sich selten durch Anmut der Formen aus. Es berrscht aber doch in gewissem Sinne Jazucht. Unter orientalischem Einfluß bat der Albanese die Silberarbeit gelernt, deren Produkte den Frauen- schmuck bei besonderen festlichen Gelegenhelten bilden. Die Hauttypen im Norden sind sehr roh: neben Lehmhäusein ohne Fenster, die mit Stroh gedeckt sind, finden wir Steinbäuser ganz roh geschichtet, gleich falls ohne Fenster, da überall die Furcht vor der Blutrache lebendig ist und der Albanese, der diese zu üben hat, sie so übt, daß er sich dobet selbst nicht in den Kampf begibt, sondern sein Opfer möglichst aus dem Hinterhalte oder im Dunklen nieder- knallt. Der albanesische Pflug ist noch der alte höljerne, auch benutzt man den zwelrädrigen, mit Ochsen bespanuten Wagen, wie ihn das alte Griechenland schon kannte. Eline große Zahl von Licht bildern brachte den Darlegungen des Vortragenden die belehrende Anschauung, Bilder von Tirang, Uesküb, Prizrend, Argyrokastro, Santa Quaranta, gegenüber Korfu, u. a. jogen vorüber und boten elne Vorstellung von der Volksjahl in diesen sädtischen Siedlungen.
Fragen wir uns nun, wie ist es möglich gewesen, daß die Albanesen von all den Völkern unberührt geblieben sind, die in ihr Gebiet eingedrungen sind, so läßt der Satz, den wir sonst bestätigt finden: Ein flüsse müssen dort stattfinden, wo die Berührung ethnischer Elemente vorbanden ist, uns hler im Stich. Es muß vielmehr hier ein völkerpsychologisches Moment ausschlaggebend wirken, wonach die Beeinflußsung eines ethnischen Elements auf ein anderes abhängig sst von dem größeren oder geringeren Bebarrunge vermögen in der Gigenart und der geringen Fähigkeit zur Aufnahme von Fremdem. Dieses zähe Festhalken an der Tradition, das bei den Albanesen so bervorstechend ist, darf bel der Beurteilung des Volkes in polttischer
Beziehung nicht vergessen werden. Wir haben hier eine scharf sich
scheidende Volkgeigenart, die sich durch Jahrhunderte zäh erhalten hat, mit Freiheltedrang und mit besonderer Sprache in bedeutender Zahl geschlossen wohnend. Staatsbildung rechtfertigen könnten; aber diese Entwicklung wird er⸗
schwert durch die Gegensätze der Stammesverfassungen und der
Feudalltät sowie durch die religlösen Gegensätze und den Haß der einzelnen Stämme gegeneinander und der Untertanen gegen die Herren; somtt bekommt das Ganze elmen e e ile Charakter. Es feblt das Zusammengehöriakeitsgefühl; sebr jung ist die nationale Bewegung. Die Albanesen haben eg trotz ihrer geistigen
*
Dies würden Momente sein, die eine eigene
2
e nt ö
n.