1916 / 132 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 06 Jun 1916 18:00:01 GMT) scan diff

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. des Zentrums. Die „Kölnische Volkszeitung“ hat ja in dieser Beziehung direkt einen Aufsatz von einem alten Parlamentarier veröffentlicht, der bestätigt, daß im Zentrum viele Männer vorhanden . die die Annahme des Gesetzentwurfs mit tiefer Sorge erfüllt. darf wohl annehmen, daß meine Bedenken auch in den Reihen der deutschen Fraktion geteilt wird. Das nehme ich besonders von den Mitgliedern der Reichspartei an. Was von den Parteien gilt, das gilt auch von den Ständen. Die Bedenken der Landwirtschaft sind ja schon in der Eingabe des Landwirtschaftsrates und des Bundes der Landwirte dargelegt worden. Die schwersten Bedenken hat hier der bayerische Landwirtschaftsrat geäußert, was ich die Herren aus Bayern zu überlegen bitte. Ebenso ist es in der Industtie und im ö So hat noch die berufene Vertretung des Handwerks, die Deutsche Handwerks⸗ und Gewerbekammer, in den letzten Tagen des Mai eine Eingabe an uns gerichtet, worin daran erinnert wird, daß . schon 1908 beim damaligen Vereinsgesetz gegen die Hereinziehung er Jugend die größten Bedenken hatte. Diese seien während des Krieges nur noch gesteigert worden. Auch in der Arbeiterschaft werden . Bedenken geteilt. Ich denke nur an den Bund der vaterlän—⸗ ischen Vereine. Gerade diese erheben Einspruch gegen die Verab— schiedung des Gesetzes. Viel lebhafter sind die Bedenken in den Kreisen unserer Volks- und Jugenderzieher. Ob die deutsche Lehrer— 66. mit dieser Hereinziehung der Jugend einverstanden sein wird, as wage ich zu bezweifeln. In den letzten Tagen sind auf Versamm— lungen und in Zuschriften lebhafte Bedenken geäußert worden. Es besteht eine gewisse Unklarheit, die noch nicht behoben ist und auf die der Abg. Groeber ja hingewiesen hat. Wie steht es mit dem Recht der Schulzucht? Nach der Erklärung des Vertreters der Regierung im Ausschuß soll die Schulzucht der höheren und Volksschulen durch das Gesetz nicht berührt werden. Diese können die Beteiligung von Schülern verbieten. Wie steht es aber mit den Fortbildungsschulen? Auch wir müssen den Staatzsekretär dringend bitten, hier nähere Auskunft darüber zu geben. Es wurde gezweifelt, ob die Oberlehrer gen diesen Entwurf Stellung genommen hätten. Der Vorstand

des Verbandes akademischer Lehrer hat aber darauf verzichtet, dem

Verein als solchen in dieser Frage jusammenzuberufen, weil er der Ansicht war, daß die verbündeten Regierungen sich zu diesem Entwurf nicht würden entschließen können. Er ist aber enttäuscht worden. Ich fürchte ferner auch, daß durch den Gesetzentwurf alle die Bestrebungen Schaden leiden, die eine Erziehung der Jugend für ihre spätere vater⸗ ländische Betätigung im Auge haben. Bedenken haben dann weiter religiöse Kreise beider christlicher Bekenntnisse. Zwei evangesische Synoden haben sich gegen das Gesetz erklärt. Der Abg. Dr. Müller— Meiningen meinte allerdings, die . hätten sich ein Gespenst zu⸗ recht gemacht; aber die Herren haben doch den Gesetzentwurf gekannt und verstanden und die Gefahren erkannt. Im Ausschuß wurde ge⸗ sagt, die 6 hätte viele andere schwere Gefahren zu bestehen, und es sei doch eine ganz leichte Gefahr gegenüber den anderen Gefahren, daß sie in politische Erörterungen hineingezogen werden könnte. Ge— wiß, der Jugend drohen allerlei Gefahren, und niemand wäre mehr als ich bereit, diese Gefahren zu beseitigen. Aber was ist das für eine Logik, weil andere Gefahren da sind, diese Gefahr zu unter— schätzen? Ich verstehe diese Logik nicht. Damit foll man in fo ernsten Dingen nicht operieren. Wir können ja gegen die Annahme des Ge⸗ setzes nichts tun, wir führen einen aussichtslosen Kampf, wir stehen fast allein, aber das stört uns nicht; es stört uns auch nicht, daß die Herren von der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft das Gefetz nicht mitmachen. Wir haben in den letzten Jahrzehnten sehr oft ganz allein oder fast allein gestanden, und wenn nicht alle Zeichen trügen, werden wir uns auch in der Zukunft oft in dieser Lage befinden, uns aber wie heute damit trösten: diximus et salvavimus animas keinen Teil der Verantwortung für diese Gesetzgebung mit über— nehmen für das, was nach unserer festen Ueberzeugung ist uns tiefernst damit aus dieser Gesetzgebun Folgen erwachsen werden. Die Regierungen, die fi bereit gefunden haben, das 56 mitzumachen, tragen die Verantwortung mit der Mehrheit des Reichstags. Es ist ein erster Schritt zur Neuorientierung. Wohin die Reise geht, lassen auch andere Beschlüsse des Ausschusses erkennen. Die

nogtras. 5 der letzten Stunde heben wir noch hervor, daß wir

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an die Jugend heran; und wenn der kommandierende General des IV. Armeekorps der Provinz Sachsen in einer Verfügung den Lehrern und anderen ö Befugnisse polizeilicher Art gegeben hat, um die Jugend vor Verwahrlosung zu schützen, so sagt das nichts gegen dieses Gesetz. In den Gewerkschaften kommen nicht die Jugendlichen von 16 Jahren schon zum Wort in Wahlrechtsfragen, sondern die erwachsenen Arbeiter halten sehr wohl die Autorität über die jüngeren Mitglieder aufrecht. Die Jugend zum Klassenkampf zu erziehen, dazu sind gerade die gewerkschaftlichen Versammlungen am wenigsten zu brauchen. Das tägliche Zusammenarbeiten der Jugendlichen mit den älteren Arbeitern in den Fabriken und der Verkehr in den Ar— beitspausen sind von viel größerem Einfluß auf den Werdegang der jungen Leute als die Gewerkschaftsversammlungen. Auch die Literatur beeinflußt die jungen Leute. Die Schulzucht und die elterliche Gewalt werden durch das Vereinsgesetz nicht beeinträchtigt. Wenn zwei evan— gelische Synoden sich gegen das Gesetz erklärt haben, wo bleiben denn die übrigen Synoden, von denen eine große Anzahl gerade in dieser Zeit getagt, aber keine Stellung zu dem Gesetz genommen hat, weil auch dort die Bedenken gegen das Gesetz nicht geteilt werden? Die von dieser Seite vorgebrachten Bedenken sind also nicht fo zwin⸗ gend, daß sie uns von unserem Entschluß, für das Gesetz zu stimmen, abbringen könnten.

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald: Da der Ent— wurf eine große Mehrheit findet, möchte es vielleicht überflüssig er— scheinen, daß von dieser Stelle nochmals das Wort genommen wird. Es sind aber einige Fragen, die an die verbündeten Regierungen ge— richtet sind; zu beantworken. Der Abg. Groeber hat gefragt, wie es mit dem Vexhältnis der autoritären Gewalten zum Reichsvereins— 66 stehe. Der Abg. Behrens hat bereits durchaus zutreffend dieses Verhältnis charakterisiert; auch ich selbst habe schon im Ausschuß ausgeführt, daß das Recht der Schule durch das Vereinsgesetz nicht eingeschränkt werde. Der Entwurf von 1907 hat darüber nichts ent— halten, weil es nicht nötig erschien, diese Auffassung noch ausdrücklich zu formulieren. Bei den Erörterungen, die seit 1998 fast alljährlich in diesem Hause über das Vexeinsgesetz stattfanden, Erörterungen, die, wie ich, hoffe, von nun ab milder und seltener werden oder auch ganz verschwinden werden. stand auch die Frage des Verhältnisses des Ver⸗ . zu dem Qisziplinarrecht der Kirche, der Schule, der Eltern, der Arbeitgeber im Vordergrunde. Der Staatssekretär Dr. Delbrück hat am 10. Dezember 1912 den Standpunkt der verbündeten Regie⸗ rungen und der Reichsleitung dargelegt, und ihr Standpunkt ist auch heute völlig unverändert. Ein schrankenloses Koalitionsrecht gestahtet danach auch das. Vereinsgesetz nicht, Beschränkungen im Wege des Vertrages sind auch nach dem Gesetz möglich, das Recht der Eltern und J sollte durch das Gesetz nicht beeinträchtigt werden. Das ist ja alles auch unzweifelhaft rechtens und in diesem Sinne als unbestreitbar auch von den Parteien, von manchen freilich bedauernd, anerkannt worden. Nun hat der Abg. Dr. Oertel direkt den Staatssekretär des Innern gefragt, wie es mit der Fortbildungsschule steht. Das Recht der Fort= bildungsschule beruht auf 8 120 der Gewerbeordnung. Nach dem Fortbildun ee schulgesetz von 1911 gilt der allgemeine Gesichtspunkt, daß auch Disziplinarvorschriften erlassen werden können. Der Aus⸗ übung der Disziplinarbefugnis sind bei den Fortbildungsschulen da— durch Grenzen gezogen, daß sie in erster Linie den gewerblichen Ar—

beitern zu dienen haben. Der Abg. Dr. Oertel hat bestritten, daß

es sich bei dem Gesetz um eine Deklaration handelt. Die verbündeten Regierungen stehen demgegenüber auf dem Standpunkte, daß es ein deklaratorisches Gesetz ist, entstanden aus dem Umstande heraus, daß gegenwärtig zahlreiche Personen unter 18 Jahren den Gewerkschaften angehören, und aus dem weiteren Umstande heraus, daß unzweifelhaft in allen Gewerkschaften im Sinne der Wirtschafts- und Sozialpolitik Politik getrieben wird, wie ja auch die Gewerkschaftsführer aller Rich⸗ tungen zugeben. Wenn man letzteres in dem Sinne auffaßt, wie es durch das e, ,. Oberverwaltungsgericht 1911 geschehen ist, dann bitte ich, mir diejenigen Gewerkschaften zu zeigen, wo keine Politik etrieben wird. Nach der Auslegung der Gerichte . dieser ustand unfehlbar gegen das 86 und da konnte man sich nur fragen: sollte man einen Zustand sortbestehen lassen, daß Hundert— tausende etwas betreiben, was gegen das Gesetz verstößt, wenn das schließlich vom Gesetzgeber. t gewollt ist? Auch darüber hat der Staatssekretär Dr. Delbrüc n Ro dem Kriege 1914 sich ausgesprochen: Darüber werden wir uns W tobmmen klar sein, daß die Gewerk⸗ schaften nach dem Willen des Gesetzgebers nicht als politische Vereine angesehen werden können. In Bayern hatte schon 1908 ganz ähnlich der Minister von Perfall dargelegt, im Rahmen des 8 152 der Ge— werbeordnung könnten die Jugendlichen ak, len gewerkschaftlichen Bestrebungen teilnehmen. Besonders mit Rücksicht auf jene gericht⸗ liche Entscheidung ist seinerzeit der Berliner Polizeipräsident mit vollem Recht gegen gewisse gewerkschaftliche Vexeinigungen als , . vorgegangen. Die Statistik über die Beteiligung der Jugendlichen an den Gewerkschaften ist leider nicht genau und sollte ausgebgut werden. Aus einer Arbeit eines Mitgliedes des Statisti—⸗ schen Amts ergibt sich, daß die Zahl der jugendlichen Gewerkschafts—⸗ mitglieder im Vergleich zu der Zahl der überhaupt gewerbetätigen Jugendlichen äußerst gering ist; in der Metallarbeiterschaft sind 18,5 , Jugendliche, im Metallarbeiterverbande aber nur 4,? 3, bei den Brauereiarbeitern sind die entsprechenden Ziffern 7,2 und 1,2. Der Verfasser erklärt das damit, daß an sich diese jungen Arbeiter unter 18 Jahren nicht genügendes Verständnis für die gewerkschaft— liche Bewegung haben. Die Gefahren, die Herr Dr. Oertel aus dem Entwurf herausgelesen hat, sind also sehr gering. Gegen die Zugehörigkeit der Jugendlichen zu den Gewerkschaften hat auch Herr Dr. Oertel kein Bedenken geäußert, er sieht die Gefahr darin, daß die Jugendlichen durch die Beschäftigung mit wirtschaftlichen Fragen zum Klassenhaß aufgereizt werden könnten. Sollte bei den Lohn— fragen nicht in viel höherem Maße der Klassenhaß gepredigt werd en können als bei Fragen über Arbeiterschutzbestimmungen usw.? Seine Befürchtung wäre doch nur berechtigt, wenn er auch die Zugehörigkeit derbieten wollte; das hat er aber nicht gefordert. Niemand wird ver—⸗ kennen, daß die Teilnahme der Jugendlichen an gewerblichen Kämpfen auch nicht politischer Art mit schweren Gefahren verbunden sein kann; aber das liegt in der wirtschaftlichen Entwicklung, die nicht mehr Zestattet, die FZugend vom Erwerbsleben fern zu halten. Diese be⸗ sonderen Gefahren werden von den verbündeten Regierungen und der Reichsleitung durchaus nicht unterschätzt; aber sie sieht in dem Gesep⸗

entwurf nicht eine Verschärfung dieser Gefahren, sondem m,. bestehenden Zustand . , , 1. 1 vermeidet, daß solche vergiftende Kämpfe eintreten. Ich n 2. ihm die Zustimmung zu erteilen. *

Abg. Herzfeld (soz. Arb. Gem): Man hat unsere An .

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für eine Temonstration erklärt, wir halten sie für Interesse einer richtigen Gestaltung des Vereinsrechts. an eröe Demonstrgtion, so müßte die ganze Gesetzgebung eine soichn ; Das Gesetz ist nicht eine Deklaration, sondern eine 1 = Umwälzung des bestehenden Vereinsrechts. Es deklariern de Gewerkschaften, politische Vereine sind, für welche nur mn bestimmungen in diesem Gesetz gewährt werden. Diese Deklc wird zum Nachteil der Gewerkschaften ausschlagen. Wir ) - bier ein Stück Neuorientierung, das man als Geschenk, alz lohnung erhält. Solche Geschenke sind im politischen Lehen außerordentlich geringem Wert. Wertvolle Errungenschaften sind n durch Kampf, durch Klassenkampf zu erreichen. Was wir nicht 1 rücksichtslosen Klassenkampf erreichen, werden nur Brosamen .. Ist irgendwo eine Agitation zur Aufnahme von Jugendlichen 16 Gewerkschaften betrieben worden, sind massenhaft Jugendliche ann nommen worden? Die Rücksicht auf die Jugendlichen fann ' Gesetz also nicht veranlaßt haben. Die Auslegung der Gericht.. klärt sich daraus, daß die Gewerkschaften eine Macht gem sind, ein Vermögen von über, 89 Millionen besitzen, daß man den Gewerkschaften die Partei treffen wollte, wie eine Den ch des Berliner Polizeipräsidenten von 1913 beweist. Wenn fin. die Gewerkschaften Sozial- und Wirtschaftspolitik nicht im 6m sondern gegen den Willen der Unternehmer treiben, so wird das m Gesetz in demselben Sinne ausgelegt werden wie das alte. M Unterscheidungen in den Motiven sind geradezu ein Mittel der in legungskunst der Staatsanwälte und Richter zu Ungunsten der ; werkschaften. Die Regierung hat sich selbst ein Mittel vorbehal die jungen Leute den Gewerkschaften fernzuhalten, durch den h weis, daß die Disziplinargewalt der Schule und der Lehrherren du dieses Gesetz nicht berührt werden. Die meisten jungen Leute in in der Fortbildungsschule, und die Arbeilsordnungen in den Fabri könnten ein entsprechendes Verbot erlassen. Die sogenannten Arhe Jugendvereine, die die Volksbildung und Volksgesundheit sönnn wollen, werden von den Gerichten als politische ö behan werden. Daß diese Vereine ausgenommen werden, bedeutet g Ausnahmegesetz gegen die sozialdemokratische Partei. Die sozialdenm kratischen Jugendvereine sind Kulturvereine. Es wird ihnen Klos bewußtsein eingeprägt, ein großes, schönes Ziel gezeigt. Das Gn ist auch ein Ausnahmegesetz gegen die polnischen Gewerkschasn

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weil es den Sprachenparagraphen aufrecht erhält; ferner ist n

ein Ausnahmegesetz gegen die Staatsarbeiter und Angestellte: f Koalitionsrecht kann durch, Vertrag aufgehoben werden, obwohl 9 der Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches von der Regierung m erkannt wurde, daß solche Verträge wider die guten Sitten verstosn Dies Gesetz ist ein Gesetz für gute“ Gewerkschaften, die sich noh verhalten, die nach russischem Muster geduldet werden können. Den Weg geht die sozialdemokratische Arbeiterschaft nicht mit. W schlagen den Gesetzentwurf von 1915 vor, den der Reichstag fast an stimmig angenommen hat. Er ist gewiß kein Ideal, aber er enthin wenigstens keine Kautschukbestimmungen mehr. Sollen die Alg nahmebestimmungen für die Landarbeiter erst aufgehoben wende wenn ein neues Jeng kommt? Den Unternehmern werden Jaschen mit Gold gefüllt, den Landarbeitern wird keine Spur w Recht gewährt Wo wollen Sie (rechts) Ihre Landarbeiser spin hernehmen, nachdem Sie 800 009 Ihrer Arbeitskräfte im Kriege ha oren haben? Abg. Kreth ; Danach werden wir Sie später n Rat fragen) Es gibt nur ein Mittel, wieder Landarbeiter Muh kommen, nämlich daß Sie den Landarbeitern die Rechte der gewerß lichen Arbeiter geben, sie von der Sklaverei befreien.

Abg. von Laszewski (Pole): Die Aufrechterhaltung Sprachenparagraphen wird von den Polen schmerzlich ernpfunt— Wir berdienen eine solche Ausnahmestellung nicht zu einer Zeit, n ziele Polen vor der Front stehen. Immerhin ist die Erklärung e n, in dem Ausschuß ein Fortschritt. Ausschuß eschluß stimmen, obwohl wir damit noch nicht alles a reichen, was wir erreichen wollen.

Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Helfferich

Meine Herren! Ich möchte zunächst die Erklärungen bestätign die von seiten des Vertreters der verbündeten Regierungen in Kommission über die von dem Herrn Vorredner behandelte Fm gegeben worden sind. Der Vertreter der verbündeten Regierungen h dort erklärt:

Berufsvereine könnten nicht lediglich deshalb, weil sie a n; KR . 3 s ö . 2 9 . Reichsangehörigen nichtdeutscher Nationalität beständen und sich Rr . 3 (* 6 ö ihren Versammlungen fremder Sprachen bedienten, für politist Vereine erklärt werden. Es kämen auch den aus polnischen M gliedern bestehenden Vereinen der in der Vorlage bezeichneten M deren Vorteile zugute, solange sie sich innerhalb der vorgeschriebent Grenzen hielten.

Damit ist ja festgestellt, daß wie auch der Herr Vorredner g erkennt auch für die deutschen Reichsangehörigen polnischer Nat nalität dieses Gesetz immerhin eine Erleichterung und einen Fat schritt bedeutet. Dies kann man nur bestreiten, wenn man nach Mt des zweiten Herrn Vorredners von vornherein den verbündeten Ren rungen eine illoyale Ausführung dieses Gesetzes unterstellt.

Was nun den Initiativantrag anlangt, so habe ich zu bemerh

daß es einer alten und wohl begründeten Gepflogenheit entspricht, W

sich die verbündeten Regierungen an der Beratung von Initiat anträgen dieses Hauses nicht beteiligen. Von dieser Gepflogenheit zugehen, sehe ich im vorliegenden Falle um so weniger Veranlassun als die verbündeten Regierungen in den Kommissionsverhandlung über das Vereinsgesetz, aus denen ja dieser Initiativantrag herb gegangen ist, in der bestimmtesten Weise erklärt haben, daß sich verbündeten Regierungen nicht dazu perstehen können, unter den ge wärtigen Zeitverhältnissen über den Rahmen des vorliegenden Gest entwurfs hinauszugehen. Das ist mit besonderer Deutlichkeit gem auch gegenüber dem Antrag auf Streichung des Sprachenparagraphe des Vereinsgesetzes erklärt worden.

Die Gründe, die für die verbündeten Regierungen in diesa Punkte bestimmend sind, darf ich wohl als bekannt ansehen. Ich km mich deshalb kurz fassen.

Die verbündeten Regierungen haben zwar geglaubt, berechtist Wünschen durch eine Deklaration des bestehenden Gesetzes Rechm tragen zu können, durch eine Deklaration, die eine mit den Absichh des Gesetzgebers nicht in Einklang stehende Anwendung des bestehe den Gesetzes nach Möglichkeit ausschließen soll. Aber die verbünden Regierungen glauben nicht, auf einen bisher immerhin umstrittem Boden Aenderungen bestehender Gesetze vornehmen zu sollen, solm der Krieg noch dauert und der Frieden noch nicht gesichert ist.

Alle unsere Anstrengungen, alle unsere Kräfte gehören zunät und vorläufig dem Kriege, gehören heute der Verteidigung des Vahh landes und der Erkämpfung des Sieges, gehören der Sicherstelli eines Friedens, der uns gestattet, unbehelligt von außen unser Hu neu zu bestellen und die Arbeit an der Verbesserung der Lebensverhäh nisse unseres Volkes, an der Hebung seines gesamten Lebensstam wieder aufzunehmen.

Wir werden für M

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Die Nerbestellng unseres Hauses wißz sich volhichen auf der ndlage des Erlebnisses, das dieser Krieg' für unser Volk und für

3 einzelnen von uns bedeutet. Wer durch diefes größte Geschehen

zer Weltgeschichte hindurchgeht, ohne es innerlich zu erleben, ohne bis n alle Tiefen davon erfaßt zu werden, der hat weder Herz und kein Verstandnis, der ist als Staatsbirger verloren. In dieser großen und schnierigen Zeit ist das Bewußtsein der Staatsbürgerpflicht, die Er—

kenntnis der Staatenotwendigkeit in allen Schichten des Volkes ge⸗ reift. In brüderlichem Zusammenhalten, in der Gemeinsamkeit der

* 2 . = j 6 Taten und der Opfer mußte sich das gegenseitige Verhältnis der einD zelnen Berufsstände, Klassen und Konfessionen wandeln und klären. Das Gleiche erwarten wir mit Zuversicht auch für das Verhältnis zwischen den nicht deutschsprachlichen Teilen unserer Volksgemeinschaft und dem großen deutschen Grundstock unseres Reiches.

Dem neuen Inhalt unseres völkischen und staatlichen Daseins werden sich neue Formen anpassen. Die Aufgaben, die uns hier bevor— stehen, sind so umfassend und so weitschichtig, sie hängen auch so eng miteinander zusammen, daß es nicht angeht, die eine oder andere Frage, mag sie im einzelnen auch noch so brennend und wichtig er— scheinen, getrennt für sich vorweg zu behandeln. Man soll die Früchte nicht pflücken, ehe sie reif sind. (Sehr gut! rechts. Daß die Früchte gut ausreifen, das, meine Herren, liegt mit in Ihrer Hand. Sie können heute schon die Zukunft vorbereiten, wenn Sie dafür sorgen, ein jeder in seinem Wirkungskreise, daß unser Volk in allen seinen Teilen das Erlebnis des Weltkrieges im rechten Geiste aufnimmt, daß die Erkenntnis der Staatsnotwendigkeiten, daß der Geist der Einigkeit und Brüderlichkeit, der Geist der gegenseitigen Achtung und des gegen⸗ seitigen Vertrauens in unserem Volke über den Krieg hinaus erhalten bleibt und fruchtbar wird.

Das ist der Boden, meine Herren, auf dem wir zu bauen haben werden.

Ich habe zu unserem deutschen Volke das Vertrauen, daß wir diesen Boden haben werden. Ich habe den Glauben, daß unser Volk in allen seinen Schichten nach dem Kriege mehr als je durchdrungen sein wird von der ewigen Wahrheit, daß Rechte nur auf dem sittlichen Boden der Pflicht bestehen und gedeihen können. (Lebhaftes Bravo!)

Abg. Hanssen (Däne): In dem Anfang des Krieges wurde auch den Bewohnern der Grenzprovinzen eine Neuorientierung ver⸗ sprochen. Jetzt, nach 22 Kriegsmonaten, ist damit noch nicht ein⸗ mal ein Anfang gemacht worden, ja in Nordschleswig ist die Willkür der Verwaltungsbehörden gegen den Gebrauch der daͤnischen Sprache noch stärker geworden. Die einzig richtige Politik ist die der Gerechtig⸗ keit, und die fordert, daß die Dänen in Preußen nicht schlechter gestellt

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werden als die Polen in Rußland. Darum muß auch der Sprachen⸗ paragraph fallen. Es ist ja sehr erfreulich, daß auch die große Mehr— heit des Hauses das für notwendig hält und ein Sonvdergesetz diese Forderung aufstellt. Nehmen Sie dieses Gesetz an; die Regierung wird damit in die Lage versetzt, die Aufhebung des § 12 nochmals zu erwägen, und so wird dieser Schandfleck des Reichsvereinsgesetzes doch vielleicht endlich verschwinden.

Abg. Dr. Kerschensteiner (fortschr. Volksp): Die Novelle zum Vereinsgesetz hat in mir große und schwere Bedenken erregt, nicht politischer Art, denn die Befreiung der Berufsvereine von der Klassi—

fizierung als politische Vereine ist zu begrüßen, weil die Gewerk⸗

schaften nun ohne Bevormundung ihre Betätigung auf dem erzieh⸗

lichen Gebiet für die Jugend ausüben können; meine Bedenken sind vielmehr pädagogischer Art, da zugleich das Verbot der Teilnahme der Jugendlichen an den öffentlichen Versammlungen aufgehoben wird. Der Abg. Heine sieht keinen Unterschied zwischen geschlossenen und öffentlichen Versammlungen. Nach meiner Erfahrung gibt es aber den klaren Unterschied, daß in geschlossenen Versammlungen die Teil⸗ nehmer sich gegenseitig die Köpfe, in öffentlichen Versammlungen die Köpfe anderer waschen, und zwar nicht immer mit reinem Quellwasser, sondern auch mit Schmierseife und Spülwasser. Das ist oft der Geist in den Versammlungen, und darum habe ich Bedenken, diesen Geist in die Jugendlichen hineinzutreiben. In meiner Amtsführung als Pädagoge hat die Freihaltung der Jugend von den politzschen Kämpfen für mich immer eine große Rolle gespielt; einmal habe ich Bedenken wegen der Unreife der Jugend, ferner wegen des Unter⸗ schiedes zwischen öffentlichen und geschlossenen Versammlungen und wegen der Notwendigkeit der staatsbürgerlichen Erziehung, für die ich mein ganzes Leben lang gekämpft habe. Die Unreife der Jugend liegt auf der Hand; wir halten ja die Schüler in höheren Lehr⸗ anstalten von der Leidenschaft der Versammlungen zurück. Auch im römischen Volk nahmen Jugendliche erst an öffentlichen Versamm⸗ lungen teil, wenn sie die toga praetexta erhalten hatten; daß die Römer ihre Söhne schon mit 14 Jahren in den Senat mitnehmen durften, ist absolut unrichtig, denn erst in der Kaiserzeit wurde die toga praetexta mit 15 Jahren gegeben, und zu dieser Zeit befand sich das römische Volk schon im Niedergang. In dem Alter der Pubertät erwächst das Gefühl der Selbständigkelt, des Revolutio— nierens gegen das, was von Eltern und Lehrern dem Kind Als Wert beigebracht ist. Besteht in dieser Zeit nicht eine starke Führung zu wirklich höheren Werten, so geht einer großen Mehrzahl der Jugend jede Wertschätzung der höheren Güter verloren. Gerade die öffent⸗ lichen Versammlungen sind Kampfplätze, es gilt, die Unfähigkeit oder das Uebelwollen des Gegners hervorzuheben. Das gilt auch von Lohn⸗ kämpfen. Ja, wenn es noch so einfach wäre, wie bei der Wahl zwischen dem langen Lincoln und dem kurzen dicken Parker. Da hieß es: Wenn ihr den langen Lincoln wählt, dann werdet ihr mit dem Psalmisten ausrufen: Ach Gott, wie lange wird dieses Unglück noch dauern! Aber wenn ihr den kleinen, dicken Parker wählt, könnt ihr mit dem andern Psalmisten rufen: O Gott, wie kurz währt diese Freude. Ich höre schon in den Versammlungen wieder die Drehorgel der Schlagworte von der Auspoverung, von Kapitalismus usw. die ewig abgeorgelt werden. Es handelt sich um die Erziehung der Jugend zu ganz bestimmten Werten. Angenommen, die öffent— lichen Versammlungen könnten belehren, so zerstört doch der Ton der Versammlungen jede Belehrung. Ich erinnere nur an die Versamm⸗ lungen des Abg. Hoffmann. Wir müssen der Jugend einpflanzen, daß das Staatsleben ein gemeinsames Leben ist und daß wir nur um den Ausgleich der Interessen kämpfen können. Eine Jugend ohne Staatsgesinnung ist immer ein Unglück. Die Erziehungstätigkeit der Gewerkschaften erkenne ich durchaus an, sie werden auch weiter an der sittlichen Erziehung der Jugend arbeiten. Aber selbstverständlich sucht eine jede Partei die Jugend in ihren Idealen zu erziehen. Die Jugend kann doch nicht ihre Interessen selbst wahren, sie muß es den- Reiferen und Aelteren überlassen. Zwischen dem Abg. Müller⸗ Meiningen und mir besteht kein Gegensatz, wir sind beide einig, und ich brauche mich in dieser Hinsicht nicht zu bessern. Einen stichhaltigen Grund für die Teilnahme der Jugendlichen an öffentlichen Versamm⸗ lungen gibt es nicht. Es wird Ihnen die Zeit kommen, die Sie an den Zauberlehrling erinnert, der die Geister nicht mehr bannen konnte, ie er gerufen hatte. Es geht nicht ohne Erziehung der Jugend 36. die Autorität; nur durch die Autorität geht der Weg zur Freiheit. Abg. Schulz⸗-Erfurt (Soz.): „Es tut mir in der Seele weh, . ich Dich Gu dem Vorredner) in der Gesellschaft des Abg. Oertel seh. Daß die sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft mit der äußersten Rechten den Gesetzentwurf ablehnt, bedauern wir. Daß die Gewerkschaften keinen sehnlicheren Wunsch haben, als die Jugend⸗ lichen in das politische Parteigetriebe hineinzuziehen, ist eine arge Nebertreibung. Der Abg. Kerschensteiner . ja auch nur von den öffentlichen . Wir wollen die ren an die staat⸗ lichen Formen gewöhnen, sie auf die Wehrhaftigkeit der Erwachsenen vorbereiten. Wir sind aber Gegner der öden Soldatenspielerei. Eben⸗

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r he lerei. Arbeiter und ger., jasten kann man nicht miteinander veigleichen. Die ersteren ltehen schon mit 14 Jahren im Ärbesteprojeß, sie wollen hre wirt. baftli e Stellung verbessern. Soll die staglsbürgerliche Gesinnung den Jugendlichen anerzogen werden, so kann dies nur in den Gewerk⸗

sten geschehen. Der Klassenkampf ist doch nicht ein gegenseitiges

otschlagen. Die Gewerkschaften tun für die e . Ausbildung et 1

Jugendlichen ungeheuer viel. Man macht sich von ihrer Tatigkeik und bon der der jugendlichen Arbeiter vielfach ein falsches Bib. Der Arbeiter muß sich als ein unentbehrliches Glied des Kulturganzen fühlen. Die Erziehung des proletarischen in sozialisti⸗ schem Sinne ist eine Selbstberständ lichkeit. Der Abg. Dr. Oertel ümmt für sich doch jedenfalls in Anspruch, seine Kinder im agrarischen Sinne zu erziehen. Dasselbe Recht beanspruchen wir fur unsere Kinder. Wir stimmen der Vorlage zu, weil sie einen Schritt por— wärts bedeutet.

Berichterstatter Abg. Dr. Müller ⸗Meiningen (fortschr. Volksp.): Es handelt sich nicht um eine Aufhebung des 5 17, sondern unt eine authentische Interpretation dieses Paragraphen. Wir haben 1908 angenommen, daß die Gewerkschaften überhaupt keine politischen Vereine wären. Die Regierung nahm diefelbe Stellung ein. Die bayerische Regierung war bezüglich der Jugendlichen derselben Mei⸗ nung wie die Mehrheit des Reichstages. Die Scheidung zwischen ge⸗ werkschaftlichen Versammlungen und politischen Versammlungen / ist in den Motiven klar gezogen. Es besteht vollkommene Klarheit, was die Jugendlichen in Zukunft tun dürfen. An den öffentlichen Ver— sammlungen dürfen sie auch in Zukunft nicht teilnehmen. Die Be— fürchtungen des Abg. Kerschenstelner sind nicht begründet.

. Abg. Do pe (fortschr. Volksp.): Der Abg. Kerschenfteiner wollte nicht als Politiker, sondern als Pädagoge sprechen. Darin ist er sachverständig. Die Arbeiterjugend, die im wirtschaftlichen Erwerbs⸗ leben steht, muß schon früh politisch vorgebildet werden. Das Gesetz ist eine Bekundung des Vertrauens gegen die Gewerkschaften, zu der wir in diesem Kriege alle Veranlassung haben. Es ist auch zu ver— trauen, daß die Befürchtungen einiger Pädagogen wegen Auswüchse bei der Teilnahme der Jugendlichen an diesen wirtschaftlichen Fragen nicht begründet sein würden. . Abg. Stadthagen (soz. Arb⸗Gem.) wendet sich gegen das Gesetz das er im Gegensatz zu den Ausführungen der Abgg. Heine und Schulz-Erfurt für eine Schädigung der Gewerkschaften hält, für ein Danaergeschenk zuungunsten der Arbeiter.

Abg. Graf von We st arp (dkons): Wir können der Aufhebung des Strafenparagraphen nicht zustimmen. Die Verhältnisse der Polen werden nach dem Kriege einer organischen Regelung unterzogen werden. Einer vorzeitigen Regelung können wir uns nicht anschließen.

Damit schließt die Besprechung.

Unter Ablehnung der Anträge Bernstein, für die nur die Antragsteller, die Polen und Elsässer stimmen, und des An— trags Graf Westarp, für den außer den Konservativen ein kleiner Teil des Zentrums stimmt, wird die Vorlage ange— nommen und dann auf Antrag des Abgeordneten Spahn (3. sofert in dritter Lesung. Der zweite von dem Ausschuß vorgeschlagene Gesetzentwurf wird ebenfalls in zweiter Lesung und unmittelbar darauf in dritter Lesung angenommen; die namentliche Gesamtabstimmung wird verschoben.

Es folgt die dritte Beratung der Steuergesetz—⸗ ent würfe.

Abg. Scheide mann (Soz): Die Sozialdemokratie kann neue Belastungen des Verkehrs und Verbrauches nicht zulassen. Unter ihnen haben gerade die unteren und mittleren Volksklaffen fast ausschließlich zu leiden. Schon die bisherigen Verkehrs- und Ver— brauchssteuern bedeuten eine schwere Belastung. Dazu kommt, daß der Verkehr und Verbrauch im Kriege und in der Uebergangszeit zum Frieden sowieso schon äußerst schwere Lasten zu tragen hat. Kerbel, lehnen wir diese Steuern ab und ebenso die Tabaksteuer. Die zur Balanzierung des Etats erforderlichen Summen hätten nicht durch neue Steuern auf Verkehr und Verbrauch, sondern durch eine schärfere Heranziehung des Besitzes gedeckt werden können. Es wäre Pflicht des Besitzes gewesen, diese Steuern auf sich zu nehmen, da allein die Besitzenden fast alle Vorteile haben. Der Grundgedanke des Kriegs⸗ steuergesetzes ist gesund. Wir stimmen ihm deshalb zu, trotzdem es in der zweiten Lesung Verschlechterungen erfahren hat. Das Volk wird dargus seine Lehren ziehen und später mit Nachdruck eine richtige Steuergesetzgebung verlangen.

Abg. Hasase (soz. Arb⸗Gem.): Wir stehen hier einem festen Block aller bürgerlichen Parteien gegenüber. Man hat die von der Regierung vorgeschlagenen Verkehrssteuern noch gewaltig vermehrt. Auch eine allgemeine Kriegsgewinnsteuer, die gefordert worden ist, ist durch das Kompromiß nicht zustande gekommen. Wir werden also dagegen stimmen. Die bürgerlichen Parteien werden die Verant— wortung für ihr Werk übernehmen miüssen.

Damit schließt die allgemeine Aussprache.

Auf Antrag des Abg. Basserm ann wird das Gesetz im einzelnen en bloc angenommen. (Der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg ist inzwischen am Bundesrats⸗ tisch erschienen.)

Das Haus nimmt dann in dritter Lesung ohne jede Debatte das Gesetz über den Warenumsatzstempel, Erhöhung der Tabakabgaben, Erhöhung der Post⸗ und Telegraphen— gebühren und das Frachturkundenstempelgesetz im ganzen an.

In namentlicher Abstimmung wird der Entwurf eines Kriegssteuergesetzes im ganzen mit 312 gegen 24 Stimmen bei einer Stimmenthaltung angenommen.

Ebenfalls in namentlicher Abstimmung wird dann der von der Kommission vorgeschlagene Gesetzentwurf wegen Auf⸗ hebung des Sprachenparagraphen des Vereinsgesetzes in zweiter Lesung mit 265 gegen 74 Stimmen bei drei Stimm— enthaltungen angenommen.

Auf Antrag des Abg. Dr. Müller⸗Meiningen tritt das Haus sofort in die dritte Beratung ein.

Abg. von Seyda (Pole): Der Reichstag hat eben beschlossen, daß der unglückselige Sprachenparggraph sofort aufgehoben werde. Trotz der ablehnenden Haltung des Staatssekretärs des Innern glaube ich der Erwartung Ausdruck geben zu dürfen, daß die verbündeten Regierungen diesem wiederholten Beschluß des Reichstages doch bei nochmaliger Erwägung stattgeben werden. Sollte das nicht der Fall ein, so würde ich darin eine unbegreifliche Nichtachtung eines Be⸗ if des Reichstages erblicken. Die polnische Bevölkerung würde daraus den Schluß ziehen, daß die verbündeten Regierungen in Wirk⸗ lichkeit eine Aenderung der Verhältnisse nicht eintreten ahn wollen und daß das Wort des Abg. Hanssen sich bewahrheitet: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.

Der Gesetzentwurf wird im ganzen gegen die Stimmen der Rechten angenommen. . ;

Alsdann tritt das Haus in die drätte Lesung des Reichshaushaltsetats für 1916 ein.

Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg:

Meine Herren! Der Reichstag hat soeben mit großer Mehrheit die Steuern bewilligt, deren das Reich bedarf, um auch im Kriege eine geordnete Finanzwirtschaft fortzuführen. Der Reichstag hat sich damit den Dank der ganzen Nation verdient und unseren Feinden gezeigt, daß wir auf allen Gebieten bereit und willens sind, auszu⸗ halten. Ich habe die Ghre, namens der verbündeten Regierungen diesem Danke hier öffentlichen Ausdruck gu geben. .

Meine Herren, ich will an diese Worte des Danke einige all⸗ gemeine Bemerkungen anknüpfen. Vor einem halben Jahre, am

9. Dexeniber, habe ich hier zum ersten Male auf Orund ö.

tärischen Lage von unserer Friedensbereitschaft gesprochen. Ich ko

das tun in der Zuversicht, daß sich die Kriegslage noch weiter der- bessern würde. Die Entwicklung hat diese JZuversicht bestätigt. Weitere Fortschritte sind gemacht, auf allen Fronten sind wir noch stärker als zubor. (Bravoh Wenn ich, mit dieser Entwicklung vor Augen, erklärt habe, daß wir bereit zum Frieden wären, so habe ich das nicht zu bedauern, auch wenn unser Angebot bei den Feinden keinen Erfolg gehabt hat.

In der kritischen Zeit des Juli 1914 war es die Aufgabe jedes, vor Gott, vor dem Lande und vor seinem Gewissen verantwortlichen Staatsmannes, nichts unversucht zu lassen, was in Ehren den Frieden bewahren konnte. Ebenso wollten wir nach erfolgreicher Abwehr unserer Feinde nichts versäumen, was geeignet wäre, die furchtbaren Leiden der Völker mitten in einem solchen Brande abzukürzen.

Später habe ich einem amerikanischen Journalisten gesagt, daß Friedensberhandlungen nur dann ihr Ziel erreichen könnten, wenn sie von den Staatsmännern der kriegführenden Länder geführt würden auf Grund der wirklichen Kriegslage, wie sie jede Kriegskarte zeigt. Von der anderen Seite ist das zurückgewiesen worden. Man will die Kriegskarte nicht anerkennen. Man hofft, sie zu verbessern. Ja, inzwischen hat sich die Kriegskarte weiter verändert, zu unseren Gunsten. (Lebhaftes Bravo) Wir haben in sie eingetragen die Uebergabe der englischen Armee von Kut⸗el⸗Amara, die Niederlagen und gewaltigen Verluste der Franzosen vor Verdun, das Scheitern der russischen Märzoffensive, den machtvollen Vorbruch der österreichisch⸗ ungarischen Truppen gegen Italien (Stürmischer Beifall), die Festigung der Linie vor Saloniki, und in diesen letzten Tagen haben wir mit jubelndem und dankbarem Herzen die Seeschlacht vom Skagerrak erlebt. (Erneuter stürmischer Beifall) So sieht die Kriegskarte schon wieder anders aus. Unsere Feinde wollen davor noch die Augen verschließen. Dann müssen, dann werden und dann wollen wir weiter kämpfen bis zum endgültigen Sieg. (Anhaltender stürmischer Beifall, Wir haben das Unsrige getan, um den Frieden anzubahnen. Die Feinde haben uns mit Spott und Hohn zurück⸗ gewiesen. (Sehr richtig! links und im Zentrum) Damit wird jedes Friedensgespräch, wenn es von uns begonnen wird, zurzeit nichtig und vom Uebel. (Lebhafte Zustimmung.)

Meine Herren, von verschiedenen Staatsmännern in England und auch anderswo sind Versuche unternommen worden, unserem Volke den Puls zu fühlen und durch partikularistische oder inner— politische Gegensätze unsere Schlagkraft zu lähmen. Diese Herren leben in merkwürdigen Vorstellungen. Wenn sie sich nicht selbst täuschen wollen, dann müssen sie dabei gemerkt haben, wie fest der Herzschlag des deutschen Volkes ist. Cebhafter Beifall Es gibt keine Einwirkung von außen her, die unsere Einigkeit auch nur im geringsten erschüttern könnte. (Zustimmung.) . Gewiß, meine Herren, auch wir haben unsere Meinungsverschiedenheiten. Aber diese Meinungsver⸗ schiedenheiten werden sachlich ausgekämpft. Wir haben sehr ein⸗ gehende Auseinandersetzungen in der Kommission gehabt, wir haben starke Differenzen namentlich in der U⸗Bootfrage und über unsere Beziehungen zu Amerika gehabt. Die Ansichten sind schroff aufein⸗ ander gestoßen. Aber ich kann und will hier feststellen, daß bei diesen Verhandlungen von allen Seiten die gegenseitige Ueberzeugung und Ansicht geachtet worden ist. Die Verhandlungen sind immer auf dem sachlichen Boden geblieben.

Meine Hexren, unsere vertraulichen Aussprachen in der Ver⸗ schwiegenheit der Kommissionszünmer haben das Bedürfnis nach öffentlicher Aussprache nicht befriedigen können. Weshalb wir der Oeffentlichkeit ersehnte Aufklärungen vorenthalten müssen, das wissen Sie. Ich glaube, wir waren in der Kommission einig darüber, daß eine Erörterung dieser Fragen vor der breiten Oeffentlichkeit, wenn sie den Gegenstand erschöpfen sollte, das Land schädigen würde. (Sehr richtig links und im Zentrum) Davon kann auch ich nicht abweichen. Allerdings, meine Herren, wünsche auch ich die Zeit herbei, wo die Zensur mit allen ihren Beschränkungen und Belästigungen, die nun einmal untrennbar mit ihr verbunden sind, ihr Ende erreichen kann. Meine Herren, ich will die Zensurdebatte von neulich nicht wieder neu beleben. Ich glaube nicht, daß man den vorigen Mittwoch im Lande als einen besonders erhebenden Tag empfunden hat. (Lebhafte Zustimmung links) Nur einige Worte will ich sagen. Jede poli⸗ tische Maßnahme in diesem Kriege jede ohne irgendeine Ausnahme hat allein zum Ziel: wie bringen wir den Krieg zu einem sieg⸗ reichen Ende? Nur unter diesem Gesichtspunkt soll auch die Zensur geübt werden, mögen Sie sie nun militärische oder politische Zensur nennen. Ich werde dahin wirken, daß in solchen politischen Ange⸗ legenheiten, die nur lose mit der Kriegführung zusammenhängen, der Zensurstift so wenig wie irgend möglich angewendet wird. (Bravoh Die Presse, die trotz aller Widerwärtigkeiten und Schwierigkeiten in dieser ernsten Zeit ihre hohe Aufgabe mit Pflichtgefühl auffaßt und erfüllt, soll in gerechter und unparteiischer Würdigung ihrer Ziele nach meinem Willen so wenig Fesseln empfinden wie möglich. (Er⸗ neutes Bravo)

Meine Herren, das Bestehen der Pressezensur hat einen sehr bedauerlichen Mißstand aufkommen lassen, über den ich einige Worte sprechen muß. Ich meine die Treiberei mit offenen und geheimen Denkschriften, die teils anonym, teils mit Namen in Umlauf gebracht worden sind. (Stürmische Zustimmung links) Meine Herren, wenn das Vertrauen unseres Volkes zu erschüttern wäre einige dieser Schriften haben sich alle Mühe gegeben, das zu tun. (Erneute leb⸗ hafte Zustimmung.) In Tausenden von Exemplaren, wie es scheint, ist dieser Tage ein anonymes Heft verbreitet worden, das in der Pamphletliteratur, wenigstens soweit sie mir bekannt ist, an der Spitze marschiert. (Bewegung) In diesem Heft trägt der Ver⸗ fasser mit der Miene des besorgten Patrioten Dinge aus der diplo⸗ matischen Vorgeschichte des Krieges vor, die eine fortlaufende Kette von Unwahrheiten und Verdrehungen des wahren Sachverhalts sind. Lassen Sie mich ein paar Beispiele anführen. .

Dieser Mann wagt es, zu schreiben, daß der deutsche Reichs— kanzler geradezu zusammengebrochen sei, als ihm der englische Bot⸗ schafter den Abbruch der Beziehungen mitgeteilt habe. Natürlich braucht der Schreiber dieses Heftes das historische Faktum nicht zu wissen, daß der Abbruch der Beziehungen bereits einige Stunden vorher erfolgt war in einer Unterredung, die der englische Botschafter mit Herrn von Jagow hatte, der in meinem Auftrage sprach. Der Schreiber braucht auch nicht zu wissen. daß meine Unterredung mit Sir Goward Goschen, die er im Auge hat, der pearsthnliche Abschäeds= besuch war, den mir der britische Botschafter muchte. Und er braucht

auch nicht zu wissen denn die englische Quelle, die ihm gut genug