1916 / 254 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 27 Oct 1916 18:00:01 GMT) scan diff

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eien Art der Ernährang statlfinden konnte; deshalb haben wẽör schon auf der ältesten Stufe, wie daz Beispiel der Natardölker es kEhrt, mübsam und langsam zubereltete Dauernahrung, wofür der Vortragende BHeispiele aus dem BVolkgleben vornehmlich der Australier und der Buschmänner anführte. Viele Pflanzen sind von Natur giftig und bitter und auch unfere Kulturpflanzen sind zum Tell erst entgistet und enibttrert worden. Neben dern Feuer spiell die Gärung als eine Art von Vorberdauung, alfo als Steigerung des Nahrungs⸗ wertes elne bedeutsame Roll. Demnach nimmt' die Hefe die Stellung der q testen K ein. Auch zur Hefe und Gärung nehmen die y . in verschiedener Weise Stellung. Die Männer sind an der Perstellung der Gärung unbeleilizt. sie neßmen aber die gegorenen Getränke, die die Frauen und die Knaben berelten, für sic in An⸗ spruch, und gegenüoer dem wirtichaft ichen NUebergewlcht der Frau organtsieren sie sich durch den Männerbund“ als soziale Uebermacht, wie Heinrich Schuttz eg auffaßt. Trotzdem gilt immer noch viel zu häufig auch far die Vorgeschichte der Measch der älteren Zeit als Jäger, meist wohl, well die Knochen von Mensch und Tier fossil sich erhalten haben. Dle wirtsch iftliche Tätigkeit der Frauen tritt für die Forscher der Urgeschichte gar nicht in die Erscheinung. Dieser Jrrtum ist erwachsen aut einem eigenartigen Kon promiß jwischen zwel grundderschledenen Anschauungen der Antike, die entweder einen sebr rohen Zastand der Alteften Menschheit und eren Aufsteigen (Luer), oder deren Herabsinken aus einem goldenen Zelt⸗ alter annahm. Die Jägerstuse widerspricht aber aufs schärfste unserer jetzt in der Wissenschaft allgemesn angenommenen Vorstellung von einem ß der Menschen mit den übrigen Sängetseren, wobel denn der Mensch, wie daz schon Linn annahm, in einem ent- krnteren Zusammenhange mit den höheren Menschenaffen steht, die

gleichfalls von gemischter Kost, aber auch mit Vorliebe von Yflanzen nähren.

Wir. W. T. B. aus Stockholm meldet, hat das Karolinische Medico Chir urgische Institut beschlossen, den diesjährigen Nob el⸗ preis für Medinln für das nächste Jahr ,, Der 915 zurũdcgestellte Preis wird auch nicht ausgetetlt, sondern als be⸗ sonderer Grundstock für die medinmnische YPreisgruppe abgesetzt.

Literatur.

Auf Anregung und unter Mitwirkung des Jentralkomitees vom Roten Kreuz gibt Ernst Jäckh ein auf drei Bände berechnete Werk Der große Krieg als Erlebnis und Erfahrung“ heraus Verlag von Friedr. Andreas Perthen in Gotha). Dag Werk will nicht mit den zahlreichen Darstellungen, die den äußeren Verlauf deg Krieges chronikartig verfolgen, in einen Wettbewerb treien; es will vielmehr, gleichsam von einer höheren Warte aus, alles das zufammenfassend darstellen, wag aug dem Grlebten der grohen Zelt, dauernd bewahrt zu werden wert ist. Von diesein Gesichtz. punkt aus sollen der Geist und die Stimmung geschildert werden, in der dieser dem Deutschen Reich aufgejwungene Krieg geführt wird, und es ollen die umwälzenden Er⸗ kenntnisse und Erfahrungen, die der Kampf um unser nationales Dasein uns erschlossen hat, in persöͤnlichen Aufjeichnungen hervorragender Zeitgenossen eestgehalten werden. Der erste Band, in dem das Er⸗ lebnts des Krieges geschildert wird, ist erschienen. Sein Inhalt ist in fünf Abschnitte getellt: Das diplomatische Vorspiel des Krieges schildern die Geschichteforscher Hermann Oncken Heidelberg (Ste diplomatischen Vorgänge im Juli 1914), Ottokar Weber. Prag (Vor dem Krieg, Tatsachen und Stimmungen) und Friedrich Meinecke⸗ Berlin ((eschichte und ffemlicheß Leben). Für den zweiten Ab- schnitt: Mabilmachung den Kalser⸗ und Kanzlerworte einleiten, haben u. 9. Oskar Wöhrle, Fritz Klatt, Max Fischer⸗Heldelberg Bei⸗ träge geliefert; im dritten Die Kämpfen bietet der rofessor Ph. Witkop⸗ eidelherg eine Auswahl von Berichten von Mütkampfern. Der 4. Abschnitt ist . Das Gesicht Deutschlands und der verbündeten Länder im Kriege“ benannt; er enthält feffelnde Stimmungsbilder aus Ostpreußen fon Peofessor J. Brackmann. Königsberg), aus Tirol von Dr. K Bär), von der Südgrenie des Richeg (von W. v. Schol zʒ⸗ Stuttgart) sowie solche auz einzelnen Städten, aug Berlin (von Karl Scheffler, Wien (von Erwin Welll). Budapest (von Ludwig Blro), Sofia (von R. v. Mach) und Konstantinopel (von Safwet y 56 Ueber das seelische Erlebniö im besondern wird im letzten Abschnitt Der Geist des Krieges“ berichtet. Der unlängst vber⸗ storbene Historlker Karl Lamprecht betelligte sich dabei mit einem Bei⸗ trag über seelische Erscheinungen des Krieges, der Geheime Konststorlal. rat P. Konrad⸗Berlin schrieb über daz Thema: die Seelsorge und der Krieg, Walther Dir Meißen über das Grlebniz des Rindes im Krieg. Ueber Der Dichter und der Krleg“ verbreiten sich zwei Poeten, Peter Rosegger und Hermann Hesse; Ulrich von Wilamo witz Möllen⸗ dorff steuerte einen Beitrag über den Krieg und die Wiss⸗nschaft, der Profe ssor Karl Joel⸗Basel einen folchen über den Philosophen und den Krieg bei. Außerdem enthält die ser inhaltsreiche Abichnüt einen Aufsatz von dem Profr ssor Georg Misch. Marburg Vom Beist und Bang des Kröegetz, und einen solchen von Pax Gael Bern, Der Genlus des Krleges und das Gesamterlebnis unserez Krieges“). Schon diese kurze Inhaltsangabe gibt einen Begriff von der Reichhaltigkeit des in dem ersten Bande des Werkez Sebotenen. Ber Verlag bat dag Buch, das der Reickgkanzler Dr. von Bethmann Hollweg mit einen Geleiispruch versehen hat, and dag mit einer Bildbeigabe von Professor Max Liebermann. Vor dem Königlichen Schloß in geschmückt ist, würdig ausgestattet. Jeder Band kostet 10 44. Von jedem verkauften Grxemplar flicßen dem Roten Kreuz 2 16s ju. Die beiden letzten Bände, die Erfahrungen des Krieges in der Heimat und im Felde behandeln . kefinden sich in Vorbereitung und sollen bei Kriegs schluß tscheinen.

Ven der Flugschriftenfolge, die Ernst Jäckh unter dem ge—= mein samen Titel Ver . Krieg“ herausgibt, liegen 83 neue Hefte bor. Dru sche Verlagganstalt in Stuttgart und Berlin.) In dem Doppel het 81/82 behandelt O. von Alvensleben die terrechtlichen Probleme, die mit dem Unterseebootskrieg ver— knüpft sind. In drei Kapiteln Unterfeeboottzkrieg und Glocade, der Unterseebootekrieg gegen die feindlichen Handeloschiffe und die Wirkungen des Unterstebootgkriegez auf die Neutralen sowie in tinem Schlußkaxpitel über die rechtliche Stellung der Neutralen im Seekrieg werden alle einschlägigen Fragen unter Benutzung einer reichen Fach llteratur eingedend und gemeinverständlich be⸗ handelt. (1 S6 Jm 83 Heft schildert Gotthard Würfel ven Steg der deutschen Volkzgesundheit im Weltkriege. Der Verfasser weist an der Hand reicher Tat fachen und Zablen⸗ unter lagen nach, daß unsere Vollggesundheit nicht nur eine Folge des in 42 Frieden sahren mächtig angewachsenen allgemeinen Wohlstandes, sondern vor allem auch Tie Frucht einer großzügigen sonlalen Arbent ist. Der erste Teil der Darstellung gibt ein Bild der Friedengarbeit auf gesundheitlichem Gebiete im Deutschen Reiche, während im jweiten geschildert wird, wie während des Krieges diese Fürsorge in der Heimat mit wemög! ch noch größerem Nachdruck betrieben worden 1st, und im Felbe elle hierzu herufenen Kiäfte den Kampf gegen Seuchen aller Art mit Umsicht, Ausdauer und Erfindungegabe erfolgreich aufge⸗ nommen haben und zugleich mit ebensogroßem Eifolge bemüht ge— wesen sind, die im Felde Verwundeten ju heilen. Die kleine, sach— liche Schrift wird in dem Lefer den Elndruck binterlassen, daß auf dem Gebiet des Gesundhelfswesens in Deutschland Vorbildliches ge— leistet warden ist, und daß vog den drei Grundpfellern eines ge.

regelten Wirtschaftsleheng: Gesundheit, Kapital und Wissenschoft‘ auch der ersigenannte, dank der weitblickenden Fürsorge und Pflege, dre ihm zugewendet wird, in der Schicksalestunde unsercs Volkes fich als kteänig und widerstand gsähig erwieien bat.

Im 3. Hest der bei S. Hirzel in Leipzig erscheinenden Sarnmlung Zvischen Krleg und Frieden stizntert der ordentliche

ogfesser es Staatgrechtg an der Technischen Hochschule in Delft 2 D. Balcenier Kips Inhalt und Bedeutung deg denatschen Staate gedanken (120 A, wobel er dapon guggeht,

bedeute, die sich deutlich auch in der gegensätzllichen Auffassung der Germanen und Romanen vom Get fen des Menschen zum Staat spiegele. Wenn die arisch . germanische K auch nicht nur in Deutsckland Anhänger befitze, so sei sie doch in Beutschland am folgerichtigsten von der Wissenschaft ausgebildet und im Staatt. leben durchgeführt. So sei die germanische Auffafsung vom Wesen des Staateß zwar ein allgemein arisches geistiges Gigentum, dieser Staatsgedanke werde aber tatsächlich vom Beutschen Reich und vom Königreich Preußen getragen. Das Wesen des deutschen Staatg⸗ edankeng erblickt der Verfasser darin, daß er die germanische Kraft bezeugt, Gegensätze zu einer höheren Einheit zu ver binden, daß er die germaaische Fäbigkeit entwickelt, aut strengem Flelß und tlefinnerlicher Empfindung böchste Menschheits⸗ werte zu schaffn. Er siebt in ibm endlich ein Symbol der germanischen Freiheit, die danach strebt, ein lebendiges Glied eines Kosmos zu fein, der sich aus Ordnung, Treue und Gerechtigkeit aufbaut. Der Ver⸗ fasser betont auch aus rücklich, daß diese geimanisch deutsche Staats⸗ ansckauung nicht eine Weltherrschaft nach tömischem oder englischem Muster zur oragugsetzung habe. Seine gedankenreichen Aus führungen werden auch deshalb auf ein besonderes Interesse rechnen dürfen, weil diese Würdigung und hohe Wertschätzuug des deutsch-germanischen Staatsgedankens von einem Ausländer herrührt.

Von den Kriegsbertchten aus dem Großen Haupt- quartter, die von der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart und Berlin berausgegeben werden, liegen die Hefte 18, 19 und 20 vor lie 2 3). Sie enthalten die bisher erschienenen amtlichen Berichte über die russische Märzoffensive 1916 und die russische SoVmmer« affensibe 1915 sowie über die Schlacht an der Somme im Monat Juli d. J. Das Heft 18 bietet außerdem einen allgemeinen Ueberblick über den Krieg zu Lande in den Monaten Mal und Juni. Karten⸗ beilagen erleichtern das Verständnis des Textes.

Wohlfahrtspflege.

Eine neue Million ist der Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen 'überwiesen worden, und zwar 750 000 S in 5.0 iger deutscher Reichsanleihe von der Aktiengesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb „Phöndr“ in Hörde (in Westfalen) und 250 000 υις von der Bismarckhütte in Bismarckhütte (Oherschlesien. In Einmütigkest wetter fern die großen Gesellschaften unserer rheinisch⸗westfälischen und oberschlesischen Industrien in der Fürsorge für unfere Kriegerwitwen und ⸗waifen: ein lauter Mahnruf an die vielen noch Fernstehenden! Unendlich sind die Opfer dieses Krieges, und gewaltige Summen sind erforderlich, wenn die Nationalstiftung die Hinterbliebenen unserer Krieger nscht nur vor Not und Elend bewahren, sondern auch neuen Tebengzielen zuführen soll. Die Geschäftgstelle der Nationalstiftung besindet sich in Berlin NW. 40, Alsenstraße 11.

Nach einer Meldung von W. T. B.“ aus Wien hat der Erxihertog Franz Salvator in seiner Eigenschaft als General-, inspektor der freiwilligen Sanitätzpflege der turkischen Botschaft für die fern von ihrer Heimat kämpfenden osmanischen Truppen den namhaften Betrag von 150 000 Kronen Üüberweifen lassen.

Theater und Mußsfk.

Lessingtheater.

Im Lessingtheater, auf der klassischen Stätte der Ibsen— darstellung, ging am Donnerstag det großen Norwegers drama⸗ lischer Epilog. Wenn wir To ten erwachen“ neu einstudtert in Söene. Wie in den anderen Altersstücken Ibsens tritt auch in den 3 Akten, die sein letztes dichterisches Vermächtnis bilden, das Sym⸗ holische überstark hervor. Das Dlama, dem die äußere Bewegung fast ganz mangelt, erscheint beinabe wie ein von verschiedenen sich ab⸗ lösenden Persynen gesprochener Dialog. Um so merfwürthiger ist es, daß es die Zuschauer stundenlang fesselte, und zwar nicht allein durch den in geheimnisvolle Tiesen des Seelenlebens hinab— leuchtenden Inhalt; es bewies auch von neuem, daß Ibfen ein großer Theaterkundiger gewesen ist, dem das Verständnis für Bühnenwirkungen auch da, wo er seine seltsamsten Gedankennetze spann, nie verloren ging. Das Stück hat deei große Rollen. An trier Stelle steht die des Blldhauerg Rubek, an dessen künstlerischer Ichsucht die Geliebte seiner Jugend seelisch und geistig gestorben ist und der nun die Qualen der Reue trägt um sein eigenes und der geliebten ,. im rein menschlichen Sinne verfehltes Leben. Albert assermann, der den Rubekr schon vor Jahren spielte, gab ihn guch diesmal wleder, durchgeistigter, gereifier und bedeutender als früher. Er brachte das meiste zum An— klingen, was Ibsen in die Rolle hineingesegt hat. Ihm ebenbürtig zur Seite stand Lina Lossen als die seelisch gestorbene Irene, die nach der Wiedervereinigung mit dem Gelsebten allmählich zu neuem Leben erwacht. Die von ihr verkörperte äußere Erscheinung der Wahn fang kranken war von seltsamer graustger Schönbelt. Dle Frau des Bild- hauers wurde von Else Basseimann gegeben. Ihre Maja Rubek batte nur selten etwas ganz Ueberzeugendes so in dem großen Zwiegespräch mit dem Gatten in dem bedeutsamen zweiten Akt es fehlte ihr oft an Ursprünglichkeit. Das altiche galt, in verstärftem Maße ven dem Böärenjäger Uflfbeim Ernst Sattlerg. Man glaubte an seine wilde Rückfich slofigkeit nicht, obwohl er von zwei großen Rüden begleitet die Bühne betrat. Die szenische Ausstattung war, besonders im letzten Akt, schön, wenn die Beleuchtungskünste auch nicht ganz gerieten. Dessenungeachtet erschien die Darstellung des schwierigen Stücks im wefenilichen gelungen, und die Zuichauer dankten am 97 durch stürmischen Beifall, der in erster Reihe den Trägern des Erfolges, Albert Bassermann und Lina

Lossen, galt. Deutsches Opernhaug.

Eugen d Alberts neues Musikdrama Die toten Augen“ ist gestern meh ere Monate nach der Deesdener Uraufführung im Charlottenburger Opernhause zum ersten Male gegeben worden. Spät zwar, aber doch immer noch früh genug sernte man hier ein Werk kennen, gegen das die Zensur berechtigte Einwände erhoben hatte, die teilweise eine Umarbeitung notwenvzig machten. Dag von Hanng Heinz Ewerg in Verhindung mit Mart Henry verfaßte Text— buch beneht nämlich die Person des Heilands in die Handlung in einer Weife mit ein, die auch noch, bei der jetzigen Fassung' deg Werks ihr Mißliches hat. Schauplatz der Handlung ist Jerusalem an dem Tage, den die Christenbheit als Palm— sonntag feiert. Nahe dem Tore, durch dag der Hesland, vom Volke ijubelnd begrüßt, seinen Einzug in die Stadt hält, lebt Myrtokle, eine blinde Griechin, an der Selte dez sie mnig liebenden und von ihr wiedergellebten Gatten, des mißgestalteten Römerz Are siug. Zum vollen Glücke fehlt ihr nur, wie sie vermeint, das Augenlicht, das ihr ermöglichen würde, den Geliebten auch ju sehen. Von der des Wegeg kommenden Maria hon Mandala belihrt und hon der Begeisterung des Volkeg mitgerissen, geyt auch sie dem Meister entgegen und wird durch seine Wunderkraft sehend. Aber Nas erhoffte Glück wird ihr badurch nicht zuteil. Galba, einen schönen Jüngling und Freund des Arcesiuß, hält ste irrtümlich für den Gatzen, wie sie ihn sich erträumte, und überhäuft ihn mit Zärtlichkelten. Als dann Arcesius selbst erscheint und Galba jäh aus ihren Armen reißt, wetst sie ihn, unwissend, was sie tut, mft Abscheu von sich. Erst alt sie durch ihre Dienerin über bas Vorgefallene belehrt wird, begreist sie, wag sie getan, und sehnt sich, wieder blind zu sein. In da blendende Licht der Sonne schauend, läßt sie die Sehkraft ihrer Augen wieder erlöschen, und als abermals Blinde nimmt sie nun den zurückkommenden Gatten auf, ohne ihm zu verraten, daß sie sich seiner Mißgestalt bewußt geworden sel. In der ursprũnglichen Fafsung erwürgt Am cestuß den Galba: eine Mordtat, die als Folge des göttlichen Wunderg jeben feiner Empfindenden unbedingt ver⸗ letzen muß, wie es guch jetzt noch manchen unangenehm berühren bürfte, daß die erhabene Person Chrisit. wenn auch nur im

daß der gegenwärfige Welrnkrieg letzten Endes eine Augeinander! seyung ber 1 und der germantschen Weltanschauung

in Verbindung gebracht wird. Daran kann auch der Versuch, durch das Gleichnis von dem guten Hirten, das mit einem Vor und einem Nach ptel ohne allen Zusammenhang mit der Handlung dat Dramq einrahmt, religtösen Sinn in das Ganze zu bringen, nichts befssern! d Albert aber gibt diese in der Einsamkeit der Berge spielende Rahmenhandlung Gelegenheit, unter ausgiebiger Verwendung der Virtenschalmei Erlnnerungen an sein stimmungsvolls Vor⸗ sptel ju „Tiefland zu wecken, wie überhaupt so manches in seiner Musit an sein erstes größeres Musikdrama ge= mahnt. Tristanklaͤnge wechseln mit ,, Akkordfolgen, wie sie Puccini liebt, auch bier ab; dunkle, auf Stimmung berechnete Farbentöne und Grelles sind unmittelbar nebeneinander ge⸗ stellt, immer mit dem Zweck, äußerlich fiark zu wirken; nirgends aber ist die Absicht erkennbar, durch Charakteristik zu vertiefen und zu ver⸗ innerlichen, weder in dem Zwiegesang des Arcestus und der Myrtokle, noch bet dem Auftreten Marla von Magdala, am wenigsten aber da, wo hinter der Szene das Wun der geschieht. Hier iss alles nur auf Erzeugung der Spannung berechnet, die sich in einem jähen Aufschrei des Volkes löst. Auch der Jubel der nun sehend gewordenen Myrtokle ist rein äußerlich opernhaft; nichts spürt man dabel von ihrem ungeheuren Erleben und von der göttlichen Gnade, die ihr zuteil geworden ist. In der Herabwürdtzung des göttlich Erhabenen für sebr well siche, theatralliche Zwecke liegt eine große Gefahr; denn das Publikum im Theater läßt sich won der Augenblickswirkung der Bühne mit fortreißen, Dingen zuzustimmen, die es bei ruhigerem Nachdenken unmöglich gut⸗ heißen würde. So geschah es auch gestern. Freilich konnte auch eine in allen Teilen vortreffliche Aufführung dazu ver— leiten. An erster Stelle ist Hertha Stolzenbergs poetische Darstellung und herrliche gesangliche Wiedergabe der Myrtofle zu rühmen. Aber auch Julius vom Scheidt als Arcesius, Paul Hansen als Galba, Paula Weber als Marla von Magdala sowie die Damen Dorp und Fink, die Herren Gentner und Bilk in. den kleinen Partien leisteten sämtlich Vortreffliches. Ohne Tadel waren auch Chor und Oichester unter der Lestung des Kapellmeisters Krasselt. Der Sptelordner, Direktor Hartmann, hatte dem Werk, das sich mit Hilfe einer Wandeldekoration ohne Paufe abspteit, einen stimmungsvollen äußeren Rahmen gegeben. Zum Schluß wurde mit den ausführenden Künstlern auch der anwesende Komponist mehrfach hervorgerufen.

Im Königlichen Opernhause wird morgen „Der fliegende Holländer; mit den Damen Kemp, von Scheele. Müller, den Herren Knüpfer, Unkel, Bischoff und Philipp in den Haupnrollen gegeben. Dirigent ist der Generalmustkötrektor Dr. Slrauß Mit Rücksicht auf die wegen vielfacher Erkrankungen im Personal erfolgte Abänderung des Spielplans bat auch die für Sonntag, den 29. B. M., ursprünglich angesetzte erste Wiederholung der „Ariadne auf Naxos“ abgesetzt werden müssen. Eg wird statt 4 k. geneben.

Im Königlichen Schauspielhause geht morgen Lessin Lustsplel Minna von , ö. 6 den age n en sind die Damen Arnstädt, Heisler und Sussin, die Herren Sommer—⸗ storff, Clewing, Eggeling, Patty und Rens beschäftigt.

g Mannigfaltiges.

Warschau, 27. Oktober. (W. T. B.) Gestern mlttag fand im Gebäude des alten polnischen Finanzministeriumz in der Kymarska— straße 5, das in der rufstschen Zeit die Rechnungs kammer für Polen heberbergt hatte, die feierliche Eröffnung einer deutfchen Schule statt, die dazu bestimmt ist, der deutschen Kolonie, die durch die von den russischen Behörden veranlaßte Ausstedsung und Ver“ solgung im erssen Kriegsjahr stark geschwächk ist, einen Mittelpunkt zu geben. Zur Feier waren der Generalgouperneur von Beseler, der äouverneur von Etzdorf, der Verwaltungöchef von Kris, der Kaise liche und igliche Oherst Ritter von Pale sowle zahlr iche höhere O fiziere und Beamte ersichienen, unter welchen letz eren die Schul btetlungen voll. ständig vertr ten waren. Nach einigen Vorträgen der Goupernemen 3kapess und eines Männeichors sprach der Vorsitzende des Schulvorstande s Korff über frühere deutsch⸗evangelische Schulen in Warschau, und legte die Zwecke und Ziele einer deusschen Schule in Warschau dar— Alsdann nahm der Generalgouverneur von Beseler das Wort zu einer Ansprache. Den Schluß der Feter bildeten Vorträge der Schüler und Schülerinnen sowie weitere mustkalische Darbletungen, worauf die Erschienenen einen Rundgang durch die Räume machten.

London, 26. Oktober. (W. T. B.) Bet einer Explosion in einer Munitionsfabrik in Kent wurden zwei Herfonen getötet; zehn andere erlitten schwere Brandwunden. Das Gebäude wurde beschädigt.

Rotterdam, 26. Oktober. (W. T. B.) Der holländische

Schoner Helena“ (1454) ist im letzten Sturm mit Mann und Maus untergegangen.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Theater.

Aðnigliche Schanspiele. Sonnab.: Opernhaus. 229. Ahonne⸗ mentsvorstellung. Dlenst⸗ und Frelplätze sind aufgehoben. Der fliegende Holländer. Romantische Dur in drei Atten von Richard Wagner. Musikalische Leitung: Hert Generalmusikdirektor Dr. Strau ß. . Herr Regisseur Hertzer. Chöre: Herr Profeffor Rudel. Anfang 77 Uhr.

Schau spielhaus. 235. Abonnementevorstellung. Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglicꝝ. Lustspiel in fünf Aufzügen von Lessing. Regie: Herr Oberregisseur Patry. Anfang 74 Ühr.

Sonntag: Dyernhautz. 230. Abonnementgzvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. An Stelle der ursprünglich an gesetzten Vorstellung „Ariadne auf Naxos‘: Der Troubadour. Oper in vier Alten von Giuseppe Verdi. Text nach dem Italienlschen des Salvatore Camerano. Anfang 7 Uhr.

Schausvielhans. 236. Abonnementsvorstellung. Dienst. und Freipläße sind zufgehoben. Egmont. Trauerspi 'in fünf Aufzũgen von Goethe. Mustk von Beethopben. Anfang 7 Uhr.

Familiennachrichten.

Verlobt: Alice Frelin von Grotthug mit Hrn. Wichard Bredow 8 ,. 66 V. X chard hon Bredow

eboren: Ein Sohn: Hrn. Gerhard Marquardt (Gerlachsdor bei Braunsberg, z. Zt. Köntgsberg i. Pr.). . Eine . Hrn. Leopold bon Saint⸗Paul-Oiten (Otten bel Zinten, Ostpr.).

. Redakteur: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg. erantwortlich für den Anzeigenteil; Der Vorsteher der Eppedition Rechnungsrat Mengering in Berlin. . Verlag der Expedition Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstraße 32.

Fünf Beilagen (einschlleßlich Warenzeichenbellage Nr. 86) somwie die 1231. und 128. Ausgabe der Deutschen

Ytntergrunde, mit dieser auf grelle Theatere ffelte gestellten Handlung

Verlustlisten.

Erste Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Varlamentsbericht.)

Deutscher Reichstag. 67. Sitzung vom 26. Oltober 1916, Nachmittags 2 Uhr.

Am Bundesratstische: die Staatssekretäre Dr. Helfferich, von Jagow, Kraetke, Dr. Lisco, Graf von Roedern.

Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärt

Abg. Stubbendorf (6kons ): Wie ich aus dem Steno— gramm der Rede des Abg. Hoff über die Kartoffelfrage ersehe, habe ich dessen Ausführungen über die militärische Hilfe bei der Kartoffel⸗ ernte mißverstanden. Ich bedaure dies und nehme meine Ausfüh— rungen gegen den Abg. Hoff zurück.

Das Haus setzt darauf die Beratung der zur aus⸗ wärtigen Politik gestellten Anträge auf Grund des bereits von dem Abg. Bassermann erstatteten Ausschuß⸗ berichtes fort. Der Antrag des Ausschusses für den Reichshaushalt geht dahin, zu beschließen:

„Der Reichstag ermächtigt den Ausschuß für den Reichshaus— halt, zur Beratung von Angelegenheiten der auswärtigen Politik und des Krieges während der Vertagung zusammenzutreten.“

Ein Antrag der deutschkonservativen Abgeordneten Arn stadt und Genossen empfiehlt an Stelle des Ausschuß⸗ antrages die Annahme folgender Resolution:

„den Reichskanzler zu ersuchen, dafür einzutreten, daß während der Dauer des Krieges bei Vertagungen des Reichstages, die durch Kaiserliche Verordnung erfolgen, die Einberufung des Haushalts⸗ ausschusses zur Besprechung auswärtiger Fragen auf dem ver— fassungsmäßigen Wege vorbehalten wird“.

Abg. Gröber Gentr.): Die Behandlung der Fragen der aus⸗ wärtigen Politik durch den Reichstag darf wohl bis jetzt als eine ungenügende bezeichnet werden. Es hat keineswegs gefehlt an einer Kritik im Anschluß an die Etatsberatung des Auswärtigen Amts oder an die Beratung von Militärvorlagen, insbesondere der Vorlagen über die Friedenspräsenzstärke; woran es gefehlt hat, das war eine dauernde Verständigung zwischen dem Reichs tag und der Reichsleitung über die Richtlinien der auswärtigen Politik und eine ständige Kon— trolle über die Führung der auswärtigen Politik im Reich. Der tiefste Grund der ungenügenden Behandlung unserer auswärtigen Politik im Reichstage muß in der Unklarheit unserer auswärtigen Verhältnisse gesucht werden. Erst nach und nach ist im Laufe dieses Weltkrieges volle Klarheit gewonnen worden über viele Fragen, die noch vor wenigen Jahren nicht genügend geklärt waren. Daneben haben einen Teil der Schuld auch die verbündeten Regierungen, denn sie haben in Uebereinstimmung mit fast allen auswärtigen Re⸗ gierungen die Behandlung der auswärtigen Politik als eine Art Ge⸗ heimwissenschaft, möchte ich beinahe sagen, aufgefaßt, deren Behand⸗ lung dem profanen Volk sie möglichst fernzuhalten gesucht haben. Refonders charakteristisch ist in dieser Beziehung die Stellung, die die Regierung dem nicht selten laut gewordenen Wunsche auf Heraus- gabe eines diplomatischen Weißbuches eingenommen hat. Als dieser Wunsch zum ersten Male im Reichstage geäußert wurde, erfuhr er durch den Fürsten Bismarck eine sehr scharfe und glatte Ab ehnung. und diese Ablehnung war mit so gesalzenem Spott verknüpft, daß während der ganzen Dauer der Kanzlerschaft Bismarcks niemand mehr gewagt hat, einen solchen Wunsch zu wiederholen. Erst nach 40 Jahren, im Jahre 1907, wurde ein entsprechender Antrag gestellt, und die Regierung erkannte diesen Wunsch als durchaus berechtigt an. Im November 1908 wurde dieser Wunsch auch von dem konservativen Abgeordneten von Dircksen vertreten. Der Reichstag muß erfahren, nach welchen Grundfätzen die auswärtige Politik geführt wird. Wenn etwas diese Notwendigkeit vor Augen geführt hat, so ist es der gegen⸗ wärtige Krieg, der das ganze Volk in Mitleidenschaft zieht. In diesem Kriege, wo alle Angehörige des deutschen Volkes schwere Opfer an Gut und Blut zu bringen haben, wollen auch alle gehört werden durch ie rechtmäßige Vertretung des Volkes im Reichstag. Die maßgeben⸗ den Entscheidungen über das künftige Schicksal des deutschen Volkes dürfen nur im Zusammenwirken der Reichsleitung und des Reichs⸗ t erfolgen. Zu diesem Zwecke muß der Reichstag in steter Fühlung mit der Reichsleltung bleiben, damit er nicht eines Tages vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Es ist die Frage erwogen worden, oh man zu diesem Zwecke neben dem Reichstag einen Kriegsbeirat einführen soll. Das ist aber ein totgeborenes Kind. Es fragt sich für uns nur, ob wir die Behandlung der auswärtigen Politik in der bisherigen. Form der Budgetkommission überlassen oder einen Sonderausschuß bilden sollen. Allerdings ist die Budgetkommission schon stark belastet, aber zahl⸗ reiche Sachen des wirtschaftspolitischen Gebietes könnten an die Kom⸗ mission für Handel und Gewerbe abgegeben werden, die zu einer volks⸗ nirtschaftlicken Kommission auszubauen sein würde. Durch einen Sonderausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten würde man zu einer Entlastung der Budgetkommission nicht gelangen, denn die finanzielle Seite der auswärtigen Politik würde nach wie vor der Budgetkommission verbleiben. Das praktische Ergehnis wäre nur, daß die auswärtige Politik in zwei Ausschüssen beraten würde. Im wesentlichen würden auch dieselben Mitglieder, die mit der auswärtigen Politik vertraut sind, der Budgetkommission und dem Sonderausschuß angehören; eine Entlastung dieser Mitglieder wäre also nicht vor⸗ handen. Und bei der Beratung würden viele Wiederholungen vor⸗ kommen. Würde man aber andere Mitglieder in den Sonderausschuß entsenden, so würden wir zwei Ausschüsse mit ganz verschiedener Zu⸗ sammensetzung und mit ganz verschiedenen Entscheidungen haben. Die Budgetkommission hat ihre Bedeutung darin, daß sie die Zentral⸗ kommission des Reichstages ist. Eine kraftvolle Stellung der Volks⸗ vertretung gegen die Regierung ist nur dkbar in einem Zentral⸗ ausschuß; dagegen hat jede Zersplitterung des Reichstages auf diesem Gebiete die Schwächung der Volksvertretung zur unausbleiblichen Folge. Außerdem hängen die Fragen der auswärtigen Politik mit den Fragen der inneren Politik aufs engste zusammen. Ferner beruht die Bedeutung der Budgetkommission auf der Vorentscheidung über die Geldbewilligung. Der Reichstag kann sich nicht allein durch Re⸗ solutionen, durch Reden und Beschlüsse Geltung verschaffen, sondern bor allem durch die Geldbewilligung und die Möglichkeit der Ver— sagung des Geldes. Wenn die Kanonen die letzten Gründe der Könige sind, so sind die Entscheidungen über die Geldbewilligung die letzten Gründe der Volksvertretung. Wenn wir also in der auswärtigen Politik etwas erreichen wollen, müssen wir die auswärtige Politik der Budgetkommission überlassen, wo man auch den nötigen rr ausüben kann. Nun bedarf es, wenn eine Kommission während der Schließung des Reichstags zusammentreten soll, eines besonderen Gesetzes. Das ist dann und dann gemacht worden. Während der Vertagung des Reichs⸗ tags darf eine Kommission nur mit Genehmigung des Kaisers weiter⸗ arbeiten. Wenn der Kommissionsantrag nur von einer Ermächtigung spricht, die der Reichstag erteilen soll, so hat das seinen Grund darin, daß die Kommission über das Recht des Kaisers und über die Aus— legung der Reichsverfassung sich in, keinen Anlaß hatte, ie kann sich nur mit den internen Verhältnissen des Reichstags elbst befassen. Ich bitte Sie daher, nicht den Antrag Arnstadt, ondern den Ausschußantrag anzunehmen.

) Obne Gewähr, mit Ausnahme der Reden der Minister und

Berlin Freitag, den 27 Oktober

Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staatsminister von Jagow: Ich habe bereits in der Kommission erklärt, daß wir es durchaus verstehen, wie das Parlament den durch den Grnst der Zeit hervor— gerufenen Wunsch hat, in den Fragen der auswärtigen Politik, die so intim mit dem großen Kriege zusammenhängen, eine engere und dauernde Fühlung mit dem Parlamente zu unterhalten. Der Herr Reichskanzler hat in Anbetracht dieses Wunsches und um demselben Rechnung zu tragen, ja auch schon während der Vertagung des Reichstags wiederholt die Führer der Parteien zu sich gebeten, um ihnen Eröffnungen über die auswärtige Lage zu machen. Ich habe aber schon in der Kommission erklärt, daß wir bereit sind, dem Wunsche des Reichstags auch in dem erweiterten Maße, wie ihn der Antrag des Zentrums und auch der Antrag der Konservativen enthält, entgegenzukommen. Ich kann mich auf die Erklärung der prinzipiellen Bereitschaft beschränken; der Herr Staatssekretär des Innern wird über die Form der Frage noch einige Worte sagen. Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Helfferich: Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen hat sich sachlich über die vorliegenden Anträge ausgesprochen. Da es sich hier immerhin um eine Angelegenheit handelt, die mit unserer Reichsverfassung in Zu⸗ sammenhang steht, gestatte ich mir, über die staatsrechtliche Seite der Frage einige Worte zu sagen, obwohl der Herr Abg. Groeber in der Begründung seines Antrags mir einen großen Tal dessen, was ich zu sagen habe, bereits vorweggenommen hat. Ich kann im wesentlichen mich mit den Ausführungen des Herrn Abg. Groeber über die staatsrechtliche Seite der Frage einverstanden erklären. Wir sind durchaus einig darüber, daß bei einer Schließung, die ja hier nicht in Frage steht, nur durch ein Gesetz, wie das auch in zwei Fällen bereits geschehen ist, die Tagung einer Kommission bis zur Wiedereröffnung des Reichstags möglich gemacht werden kann. Was die Vertagung anlangt, so bin ich auch hier mit dem Herrn Abg. Groeber einverstanden, daß wir zu unterscheiden haben zwischen einer gewöhnlichen Vertagung des Reichstags bis zur nächsten Sitzung, wie sie ausgesprochen wird von dem Herrn Präsidenten mit Zustimmung des Hauses, und einer Vertagung im Sinne des Artikels 12 der Reichsverfassung, der dem Kaiser das Recht zuspricht, den Reichstag zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu sckhließen. Wenn dunch eing solche Kaiserliche Order eine Vertragung des Reichs⸗ tags ausgesprochen wird, so sind wir ich glaube auch da den Herrn Abgeordneten Groeber recht verstanden zu haben —, darüber einig, daß sich diese Vertagung auf den Reichstag in seiner Gesamtheit er— streckt, nicht nur auf die Vollsitzungen des Reichstags, sondern auch auf die Kommissionen. Daraus folgt dann und das ist der Schluß, den auch der Herr Abgeordnete Groeber gezogen hat —, daß, wenn während der Vertagungsdauer eine Kommission tagen soll, dazu in irgendeiner Form die Zustimmung des Kaisers, der die Ver⸗ tagung ausspricht, erforderlich ist. Darüber sind wir also einig.

Nun der Wortlaut der beiden Anträge, die hier vorliegen. Der Wortlaut des Kommissionsantrages lautet:

Der Reichstag wolle beschließen:

Der Reichstag ermächtigt den Ausschuß für den Reichs⸗ haushalt, zur Beratung von Angelegenheiten der auswärtigen Politik und des Krieges während der Vertagung zusammenzu⸗ treten.

Neben diesem Antrag ist ein anderer gestellt, der Konservativen:

An Stelle des Antrags des Ausschusses folgende Resolution anzunehmen:

den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dafür einzutreten, daß

während der Dauer des Krieges bei Vertagungen des Reichstags

die durch Kaiserliche Verordnung erfolgen, die Einberufung des

Haushaltsausschusses zur Besprechung auswärtiger Fragen auf

dem verfassungsmäßigen Wege vorbehalten wird. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß mir der verfassungsrechtlichen Lage, wie ich mir eben erlaubt habe, sie darzulegen, der konservative Antrag klarer und deutlicher zu entsprechen scheint als der Kommissions⸗ antrag. Der konservative Antrag nimmt ausdrücklich auf den ver⸗ fassungsmäßigen Weg Bezug, der einzuschlagen ist, und richtet das Ersuchen an den Herrn Reichskanzler, auf diesem verfassungsmäßigen Wege dafür zu sorgen, daß der Wunsch, der hier ausgesprochen wird, der in der gleichen Richtung liegt wie der Antrag der Kommission, auf verfassungsmäßigem Wege erfüllt werden möchte (Zuruf) während des Krieges, das ist der zweite Unterschied des fonservativen Antrags gegenüber dem Kommissionsantrag, auf den ich gleich noch komme.

Der Antrag, wie ihn die Kommission beschlossen hat, beschränkt sich darauf, daß der Reichstag eine Ermächtigung ausspricht. Das könnte so gedeutet werden, als ob der Reichstag für sich allein eine solche Ermächtigung mit wirksamer Kraft aussprechen könne. Ich habe zu meiner Freude aus den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Groeber entnommen, daß er den Antrag so nicht aufgefaßt haben will. Er hat, wenn ich recht notiert habe, gesagt, daß die Kommission keinen Anlaß gehabt habe, in ihrem Antrag einen Ausspruch zu tun über das, was dem Kaiser zusteht, sondern daß sie sich darauf beschränkt habe, sich über das auszulassen, was Sache des Reichstags ist, was das interne Verhältnis zwischen dem Plenum des Reichstags und der Kommission betrifft. Ich verstehe also richtig, daß auch der Herr Abgeordnete Groeber der Ansicht ist, die Ermächtigung, die nach dem Antrag der Kommission erteilt wird, ist nur die eine Seite der Sache, sie wird nur dann wirksam, wenn auf der anderen Seite der Kaiser bei der Vertagung seinerseits denjenigen Schritt tut, der er⸗ forderlich ist, um das Zusammentreten der Kommission auf ver⸗ fassungsrechtlichem Wege zu ermöglichen. Mit dieser Interpretation verbunden besagt der Antrag der Kommission im wesentlichen das- selbe wie der Antrag der Herren Konservativen. Aber aus dem An⸗ kiag selbst ist diese Interpretation nicht ohne weiteres zu entnehmen, während in dem Antrag der Herren Konserbativen die Interpretation enthalten ist. Deswegen würde ich für meine Person den Antrag der

Nun, meine Herren, der zweite Unterschied: In dem Antrag der Herren Konservativen ist ausgesprochen, daß der Herr Reichskanzler ersucht wird, auf dem verfassungsrechtlichen Wege das Zusammen⸗ treten der Kommission des Haushaltsausschusses des Reichstags zu ermöglichen für die Besprechung der auswärtigen Fragen während der Dauer des Krieges. Eine solche Beschränkung ist in dem Antrag der Kommission gleichfalls nicht enthalten. Ich glaube aber, aus den Be⸗ ratungen in der Kommission den Eindruck gewonnen zu haben, daß der Antrag so gemeint ist; denn, meine Herren, darüber sind wir uns doch einig: Der normale Fall wird immer bleiben müssen, daß, wenn der Reichstag durch den Kaiser vertagt wird, diese Vertagung für den Reichstag in seiner Gesamtheit erfolgt. Der Zweck der Ver— tagung ist eben, daß nunmehr die parlamentarischen Arbeiten auf⸗ hören, und diese Ruhepause zwischen den parlamentarischen Arbeiten haben wir in der Reichsleitung für die Bewältigung der Reichs⸗ zeschäfte dringend notwendig. Ich darf mir die Bemerkung gestatten, ja nach dem eigentlichen Sinne der Verfassung das Schließen Session der normale Fall wäre, und daß die Vertagung eigentlich ehr ein Notbehelf sein sollte. Wir sind in der Praxis aus ver⸗ hiedenen Gründen, die ich hier nicht näher erörtern will, schließlich

daß sich das Verhältnis umgekehrt hat, daß an die elle der normalen Schließung der Session die Vertagung der Session getreten ist.

Aber wenn auch gewisse Zweckmäßigkeitserwägungen zu dieser Entwicklung geführt haben, so möchte ich doch auf der anderen Seite recht erhebliche Bedenken dagegen äußern, wenn die Ver⸗ tagung nun für die Zukunft generell dahin verwässert werden sollte, daß während der Vertagung Kommissionen tagen. Ich wieder—⸗ hole: das hätte große praktische Unzuträglichkeiten im Gefolge, die darin liegen, daß eben diejenigen Herren, die die Reichsgeschäfte zu besorgen haben, in ihrer Zeit dann in einem Maße durch die parla⸗ mentarischen Geschäfte dauernd beansprucht werden könnten, die ihnen die notwendigen Arbeiten in der Führung der Reichsgeschäfte nahezu unmöglich machen.

Dazu kommt, was ich vorhin schon erwähnte, doch schließlich auch die verfassungsrechtliche Erwägung, daß der Normalfall eigentlich die Schließung der Session ist, und daß, wenn statt der Schließung nur die Vertagung eintritt, dann wenigstens die Vertagung die Tota⸗ lität des Reichstags, also Plenum und Kommission, im Normalfall umfassen soll.

Daß wir jetzt in außerordentlichen Verhältnissen leben, daß die Kriegsverhältnisse es erwünscht erscheinen lassen, auch während der Vertagungsdauer einen engen Konnex mit dem Reichstag aufrecht⸗ zuerhalten, hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts schon ausgeführt, und aus diesem Grunde habe ich Bedenken gegen den Antrag in den jetzigen außerordentlichen Kriegszeiten nicht zu erheben.

Abg. Dr. Gradnauer (Soz.): Es handelt sich hier um eine

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Verbesserung, die ich nicht allzu hoch einschätze, die einfach eine Kriegsnotwendigkeit ist. Es ist jedoch außerordentlich bezeichnend für die Rückständigkeit unserer parlamentarischen Zustände, daß eine solche Angelegenheit hier erst so ausführlich erörtert werden muß. Mehr Schuld daran trägt jedoch der Reichstag, der in der Vergangenheit so große Unterlassungssünden begangen hat, als es galt, das Recht des Parlaments zu sichern und zu stärken gegenüber der Regierung. In ganz besonderem Maße fordert aber die auswärtige Politik geradezu dazu auf, die Rechte des Reichstags zu stärken. Die Erledigung der so außerordentlich wichtigen auswärtigen Fragen ist jetzt auf einen sehr kleinen Personenkreis beschränkt und der Reichstag ganz ausge⸗ schaltet, den man einfach vor vollendete Tatsachen stellt. Diejenigen, die unfere Diplomatie leiten, entstammen einer dünnen Oberschicht der Adligen und Begüterten. Des Kanzlers Ausspruch: „Freie Bahn jedem Tüchtigen!“ ist hier nie zum Ausdruck gekommen. Was unsere Politiker erreicht haben, darauf kann man während des Krieges nicht eingehen, da man später darüber ausgiebig reden wird. Aber das kann man jetzt wohl schon sagen, daß die Leistungen unserer Diplomatie mindestens nicht so waren, daß das deutsche Volk Veranlassung hätte, zu sagen: siehe, es war alles gut. Wir haben deshalb alle Ver⸗ anlassung, aus diesen Kriegsereignissen Lehren zu ziehen. Wir sind uns alle klar, daß die Generalprobe für unsere Diplomatie erst noch bevorsteht, hoffentlich in naher Zukunft, bei den Friedensverhand⸗ lungen. Die Regierung sollte deshalb mit Freuden bereit sein, bei der großen Verantwortlichkeit auf die Mitarbeit des Parlamentes Wert zu legen und ihm in vollem Umfange sein Recht zu geben. Der Antrag der Budgetkommission ist auf dem bezeichneten Wege nur ein schüchterner Schritt. Trotzdem bewillkommnen wir ihn. Von einer parlamentarischen Machterweiterung und einem Uebergang zum parlamentarischen System kann aber gar keine Rede sein. Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß selbst Parteien wie die Nationalliberalen, die sich sonst ablehnend verhalten, diese Abneigung überwunden haben. Mit Freuden habe ich deshalb die Auslassung des Abg. Stresemann begrüßt. Hoffentlich wird die Partei auf ihrem Platze sein, wenn es gilt, in dieser Frage zur Tat zu schreiten. Auch wir haben die Aus⸗ sprachen der Parteiführer mit dem Reichskanzler dankenswert empfun⸗ den. Aber solche sind doch kein genügender Ersatz für einen Reichs⸗ tagsausschuß. Dem Lande wäre große Beunruhigung erspart worden, wie z. B. in der Unterseebootfrage, wenn der Reichstag seinen Einfluß hätte geltend machen können. Der Reichstagsausschuß muß deshalb immer auf dem Platze sein und seinen Einfluß geltend machen können. Außerdem ist es nur ein Vorteil für das ganze Volk, wenn mehr Menschen Einblick in die auswärtige Politik bekommen. Nur eine Sorge ist gegenüber dem Antrage des Hauptausschusses aufgetaucht, daß der Reichstag unter Umständen noch mehr in den Hintergrund gedrängt wird, als es schon jetzt der Fall. ist. Die Regierung hat keine übermäßige Liebe für den Reichs tag gezeigt. Nach ihrer Auffassung soll er nur das Allernotwendigste kun. Deshalb hat die Regierung das Bestreben, die Sitzungsdauer zu beschränken und die Vertagungsabschnitte immer mehr zu erweitern. Eine andere Sorge geht dahin, daß die Geheimniskrämerei noch mehr als. bisher Überhandnehmen könnte. Einer solchen Entwicklung widersprechen wir natürlich auf das entschiedenste. Wir werden es nie zugeben, daß die Vollversammlung des Reichstags beisei te ge. schoben wird durch das häufigere und länger dauernde Sitzen des Ausschusses. Auch wir haben es immer für bedaugrlich gehalten, daß während der Vertagung des Reichstaoes keine Möaglichkeit der Fühlungnahme in der auswärtigen Politik besteht. Wir haben jedoch ein derartiges Bedenken zugunsten des Hauptausschußantrages zurück. gestellt, da ja während des Krieges eine Sch ießung des Reichstages doch nicht vorkommt. Dem Antrag der Liberalen konnten wir micht zustimmen, weil hier ein besonderer Ausschuß gefordert wird. Will man den Haushaltsausschuß entlasten, so wird es sich auf andere Weise ermeaglichen lassen. Außerdem Sandelt es sich hier um eine

Staats sekretäre.

Herren Konservativen dem Antrag der Kommission vorziehen.

pein praktische Frage, weshalb wir uns für den Zentrumsantrag

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