1916 / 262 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 06 Nov 1916 18:00:01 GMT) scan diff

d 7; 7 7777; 7 H 7777

KLonstantinopel, 5. November. (B. T. B) Amtlicher ern, vom 5. Nobember. n der Kaukasusfront dauern heftige Schneestürme

mund Regenfälle an.

Der stellvertretende Oberbefehlshaber.

Der Krieg zur See.

Stavang er, 3. November. (W. T. B.) Der Bergener

Dampfer „Saturn“, von Liverpool nach Narvik unterwegs, ist 30 Seemeilen nördlich der Shetlandsinseln von einem deutschen U⸗Boot versenkt worden.

London, 3. November. (W. T. B.) Der englische Dampfer „Brierley Hill“ (168 t) aus Hull ist ver— sen kt worden.

Berlin, 4. November. (W. T. B) Am 23. Oktober hat eines unferer Unterseeboote einen englischen kleinen Kreuzer älteren Typs mit zwei Schornsteinen westlich Irland

vernichtet. Der Chef des Admiralstabes der Marine.

Stockholm, 4. November. (Meldung des „Schwedischen Telegrammbureaus“) Ein schwedisches Torpedoboot hat die Besatzungen des Motorschiffes „Frans“ und des Dampfers „Runhild“ die im Bottnischen Meerbusen durch ein deutsches U-Boot versenkt worden waren, ge⸗ landet. „Frans“ wurde gestern unweit Raumo versenkt. Das U⸗Boot hrachte unmittelbar darauf „Runhild“ auf, die mit einer Prisenbesatzung in Richtung auf Libau fortgeführt wurde. Abends ankerte sie und heute morgen setzte sie die Fahrt fort. Etwa um 9 Uhr wurde sie in die Luft gesprengt. Sie sank wahrscheinlich durch einen U⸗Boots⸗Torpedo. Die Prisen⸗ belkin ein Offizier und zwei Mann, werden in Stockholm interniert.

London, 4. November. (W. T. B.) Reuter meldet, daß der Dampfer „Spero“ versenkt worden ist; die Be⸗ satzung ist gerettet.

Bern, 4. November. (W. T. B.) Laut „Temps“ sind in Toulon 75 Mann, 3 Frauen und 2 Kinder von einem im Mittelmeer versenkten englischen Schiffe, dessen Name nicht genannt wird, gelandet worden.

Wien, 4. November. (W. T. B.) Amtlich wird ge⸗ meldet: Am 3. d. M. Abends belegte ein Seeflugzeug— geschwader die militärischen Objekte von San Canziano, Mon falcone unddie Adriawerke ausgiebig mit Bomben;

Flottenkom mando.

Berlin, 5. November. (W. T. B) Am 4. November Abends ist das Unterseeboot „U 20“ im Nebel nördlich Bovbjerg an der westjütischen Küste fest gekommen. Alle Abschleppversuche der sofort zu Hilfe gerufenen Torpedoboote blieben erfolglos. „U 20“ wurde daher am 5. November Mittags gesprengt, nachdem die Besatzung von unseren Torpedobooten geborgen war.

Der Chef des Admiralstabes der Marine.

Drontheim, 5. November. (W. T. B.) Die Zeitung Nidaros“ meldet: „U 56“ landete Morgens in Larwik in Tanafsord 16Mann vom Dampfer „JIvanhoe“ aus Dront⸗ heim, der vor zwei Tagen 40 Seemeilen östlich von Vardö versenkt worden war. Das Schiff befand sich auf der Fahrt nach England mit Brettern.

London, 5. November. (W. T. B.) „Lloyds“ melden: Der norwegische Dampfer „Thor“ ist versenkt worden.

London, 5. November. (W. T. B.) „Lloyds“ melden: Die englischen Dampfer „Olan“, „Leslie“ und „Satesman“ sind versenkt worden.

Bern, 5. November. (W. T. B.) Nach einer Meldung des „Temps“ aus Lissabon ist der englische Dampfer Margquis Bacquehem (4396 Tonnen) versenkt worden.

Bern, 5. November. (W. T. B.) Wie der „Temps“ aus Toulon meldet, ist der französische Dampfer „»Doukkala“ von einem U⸗Boot angegriffen worden. Der Dampfer habe den Kampf aufgenommen und sei nach einer Beschießung von vierzig Minuten entkommen.

Etatistik und Bolkswirtschaft.

Ueber die Bewegung der hypotbekartschen Verschuldung in Preußen und anderen deutschen Staaten im Zeit“ raum 1902 - 1912

bat das preußische Statistische Landegamt eine vergleichende Uebersicht in der Stat. Korr. veröffentlicht, aus der bervorgebt, daß der Hyvo— tbekenverkehr seit 1902 in allen berücksichtigten Staaten nämlich außer Preußen noch Bavern, Württemberg, Baden, Elsaß⸗Lothringen und Bremen eine beträchtliche Steigerung erfahren hat. In Preu 2. bob sich der Betrag der jäbrlichen Eintragungen von 34782 Mil⸗ lionen Mark im Jahre 1902 auf durchschnittlich 4188.2 Millionen im Jabrfünft 1803 1997 und 41773 Millionen Mark im Jabrfenft 18038 = 1912; in Bahern wuchs cr im letzten Jahrfünft gegenüber 5322 Millionen 6. J. 1902 auf durchschniitlich S671 Millionen Mark an; in Baden nahm er besonders im ersten Jabrfänft ju und betrug 1903— 1807 durchschnittlich 269,5 Millionen und 18065 —1912 262.1 Millionen Mark gegenüber 256, Millionen k J. 1802; in Württ em berg bob er von 2086 2 Millionen 1. J. 1802 namentlich im Jahrfünft 1808 1912 auf 230,0 Millionen Mark; in El saß⸗Lothringen erböhte er sich von 121,2 Millionen 1. J. 1807 auf 13233 Millionen im Zeitraume 1903 1908 und 1373 Millionen Mark in den Jahren 1508 1912, und im Staate Bremen stieg er nacheinander von 1 Milllon auf 8.5 und 234 Milllonen Mark an.

Diesem Steigen der Eintragungen folgten die Löschungen nicht mit derselben Schnelligkelt nach; infelgedessen nahm die Belastung, de h. der Neberschuß der Eintragungen über die Löschungen, in alen berücksichtigten Staaten mit Außnabme von Elsaß. Lothringen im allgemeinen erheblich zu. In einzelnen Fällen mag der Ueberschuß etreas niedriger fein, da nicht selten Tilgungen erfolgen, ohne daß sie in den Grundbüchern vermerkt werden. In Preußen wach daz Mehr von 1629. Millionen im Jabre 190 auf durch schnittlich 20 Millionen in dem Zeitraum 1903—1907 und Abs Millionen Mark in den Jahren 1908—1912 an, was eine Zunahme von faft 25 Prozent im zweiten Jahrfünft auemacht; in Bavern stieg der Ueberschuß 1908 1912 auf durch⸗ schutttlich 235 Nilionen Mark, hat sich dem nach gegenüber 1132 Mil. lionen 6. S. 1902 sowokhl wie 115,3 Mill ionen im Jeitraume 1903 - 1807 mehr ale berderpvelt; in Baden bat er sich von 716 auf S5, und 75.1 Millicne Mart erbäbt; in Württem berg vermehrte er sich ven 64 auf 737 und 1 Millionen Mark. d. h. um 4250/0 im zweiten Jahrfuünft gegenüber 1902, und im Staate Bremen wucht

9 von Os Milllon J. X. 1902 auf durchschnittlich 4, Millionen

im Zeitraume 1903 1907 und 104 Millionen Mark in den Jahren 1908 - 1912 an.

Setzt man die Belastung in Beziehung zur Einwohnerzabl, um bas Maß der Steigerung zu erkennen, so ergibt sich, daß die hypothekarische Belastung auf den Kopf der Bevölkerung, mit Ausnahme von Baden und Elsaß Lothringen, im Jahrzehnt 1965 bis 1912 gegenüber 1902 beträchtlich gestiegen ist, und zwar derart, daß sie ö in Bayern und im Staate Bremen fast ver⸗ doppelt, in Württemberg um 448 , und in Preußen um 124 0 zugenommen hat. Baden hat zwar ein Sinken der Verschuldung im Jahrfünft 1908 - 1912 gegenüber 1903 1907 zu verzeichnen, bleibt aber nebst Preußen, wo man gleich⸗ zeitig dieselbe Erscheinung des Sinkens beobachtet, der am schwersten belastete Staat. Am günstigsien liegen die Verhältnisse in Elsaß⸗ Lothringen, wo die Last sich ununterbrochen verringert und im Durchschnitt der Jahre 1908 - 1912 im Vergleich mit 1902 sich um 34,1 o 9 vermindert hat. .

Ez betrug der Ueberschuß der Eintragungen über die

schungen im Jahregdurchschnitt 1902 19031907 1908 - 1912

im Kopf der Bev. ganzen der Bev.

in Mill. Æ MM Mill. A S Mill. M K

. J 1629, 45,65 2020, his 20h34 51,

, w. 115,6 17, 238.2 35,0 d 8h, 3h, . Württemberg.. 643 292 73, 32, 91,8 42,2 Elsaß Lothringen 96, h6,6 83. 46,3 80, 42.2 Staat Bremen. 04 21,3 4, 18, 108 36,3. Die bier mitgeteilten Verhältniszahlen geben zwar einen Anhalt für eine allgemelne vergleichende Beurteilung der Bewegung und des Maßes der Stelgerung der hypothekarischen Realbelastung im ganzen Staatsgebiet, lassen aber die Schwere der Verschuldung, die auf dem Grundbesitze selbst ruht, nicht genau erkennen. Bazu waͤre er⸗ forderlich, die Höhe der Belastung im Zusammenhang mit der Größe, dem Wert und anderen besonderen Verhältnissen des Grund eigentums zu verfolgen. Der unvollkommene Autbau oder das gänzliche Fehlen der Hypothekarstatistik in den melsten deutschen , nn läßt jedoch zurzeit eine solche vergleichende Darstellung nicht zu.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Zweiten Beilage.)

Technik.

Professor Joly hat vor der Royal Soclety in London einen Vortrag über ein einfache Verfahren zur Messung von Ent⸗ fer nungen auf dem Meer bei unsichtigem Wetter gehalten und, wie die „Zentralzeitung für Optik und Mechanik“ aueführt, Folgerungen jur Vermeidung von Schiffe zu sammenstößen daraug gejogen. Neu ist dieses Bestreben naturgemäß nicht, es be— rübrt sich insbesondere in der Benutzung des Schalls mit früheren Forschungen. Ein erhebliches Aufsehen erregten . B. mit Recht vor mehreren Jahren die Untersuchungen von Hiram Maxim, der die Schallwellen zu sehr genauen Bestimmungen nicht nur anderer Schiffe, sondern auch irgendwelcher anderer größerer Schwimm körper, z. B. Eisberge in der Umgebung eines fahrenden Schliff es, verwertet hat. Joly will Schallsignale nicht nur durch die Luft, sondern auch unter Wasser benutzen, ferner vielleicht auch noch die elektrischen Wellen. Es ist ohne weiteres klar, daß solche Signale von bestimmt festgesetzter Art zur Kennzeichnung sowohl von Kästen« stationen, von Klippen und Schiffahrtshindernsssen jeder Art wie auch von fahrenden Schiffen dienen können. Em selbst in der Fahrt begriffenes Schiff kann durch einen Empfangzzapparat nicht nur die Richtung, sondern auch die Entsernung der Signale feststellen, diese durch den Zeitunterschied zwischen dem Eintreffen der einerseits durch die Luft, anderseirs unter Wasser mit vollkommener Gleich⸗ zeitigkeit ausgesandien Schallwellen. Durch die Komhination von Zeichen könnten auch die verschiedenen Punkte der Küste und nach Art der Signalflaggen auch die einzelnen Schiffe bestimm t werden. Auch für den Augtausch der Signale jwischen jwet Schiffen läßt sich angeblich ein so genaues Verfahren angeben, daß die Gefahr eines Zusammenstoßes dadurch auf ein Mindestmaß herabgesetzt wird.

Theater und Mu sik.

Theater in der Königgrätzer Straße.

Im Theater in der Königgrätzer Straße sah man am Sonn— abend Frank Wedekinds Erdgeist“ in einer Aufführung, die der besten bis herlgen Wiedergabe diefer „Tragödie“ zum mindtsten gleichkam. Besitzt doch diese Bübne der Direktion Meinbard und Bernauer in Maria Orgka eine Künstlerin, die sich für die Rolle der Lulu eignet wie kaum eine andere. Vor Frau Eysoldt, der bis- her vollendetsten Darstellerin dieser Gestalt, hat sie noch das vor— aus, daß sie sich auch in ihrer äußeren Erscheinung völlig mit den Absichten des Dichters deckt. Ihre Verkörperung des der „Höllenrose! Kundiy verwandten Weibeg, der Urdirne, die durch die Macht der Sinnlichkeit die Männer beberrscht, sie wie eine Schlange in ihre Schlingen verstrickt und zugrunde richtet, erhält dadurch etwas unheimlich Ueberjeugendes. Ungemein packend war neben dieser Lulu Ludwig Hartaus Überlegene Leistung in der Rolle des Dr. Schön, des einzigen Mannes, der die Gefahr erkennt, ihr aber dennoch zuletzt zum Opfer fällt. Durch seine Meister darstellung trat der symbolische Sinn des Stückes weit klarer zutage als in irgend einer früberen Aufführung. Besonders deutlich zeigte sich auch, wie sehr Wedekind seine dramatischen Geschöpfe schädigt, wenn er es unternimmt, selbst als Schauspieler aufzutreten. Schon der von Hartau in Make und Kleidung eines Schaubudendirektors vor- getragene Prolog übte eine ganz andere Wirkung aus, als sie Wede⸗ kind damit zu erzielen vermochte. Auch sonst ließ das Zusammenspiel, in dem die Herren Otto, Rossert, Zelnik, Schünzel, Mierendorff, Helen und Leopold sich herbortaten, unter der Spielordnung Rudolf

ernauers nichts zu wünschen. Die Aufführung hatte einen starken künstlerischen Erfolg.

Im Königlichen Opernhause wird morgen Carmen“ mit den Damen Leisner, Dur, Herwig, Birkenstrzßm und den Herren Jadlowker, Bronggeest, Bachmann, Habich, Sommer und Henke in den n, , aufgeführt. Dirigent ist der Generalmustkdirektor Blech.

m Donnerstag, den 9. d. M., wird seit langerer Zeit wieder Gounods Oper Margarete“ mit Fräulein Artöt de Padilla in der Titelrolle und Herrn Jadlowker als Faust gegeben. Herr Bohnen singt zum ersten Male den Mephistopheles.

Im Königlichen Schauspielhause geht morgen das Sing— spiel Die Blumen der Maintenon' in Szene. Beschäftigt sind darin die Damen Marherr, Heisler und Nesper, die Herren Boettcher, von Ledebhur, Keppler und de Vogt. Mustkalischer Lelter ist Herr Schmalstich, Spielleiter Herr Dr. Bruck.

Richard Wagners ‚„Parstfal“' erscheint in diesem Jahre am Totensonnteg (26. November) wieder im Spielplan des Deutschen Oyernhauses. Die Aufführung beginnt um 7 Uhr. Der Vor verkauf hat bereits begonnen.

Mannigfaltiges.

Des Reichsmilitärgericht hat, wie W. T. B.“ berichtet, die Revision des Reichstagg⸗ und Landtagsabgeordneten Dr. Lieb- knecht, die gegen das wider ihn ergangene oberkriegsgerichtliche Urteil des Gouvernementegerichts Berlin eingelegt worden war, in der am 4. d. M. erfolgten Verhandlung darüber ver worfen.

Im Verein junger Kaufleute von Berlin spricht am Donnerstag, den 9. November d. J, Abends 8 Uhr, in den Pracht⸗ sälen des Westens (Spichernstraße 3), der Oberleutnant Dr. Colin Roß über das Thema: Wir draußen. Kriegserlebnisse und Srfahrungen an vter Fronten“. Um auch welteren Kreisen den Besuch des interessanten Vortrages zu ermöglichen, stellt der Verein auch Nichtmitgliedern, sowohl Damen wie Herren, eine be⸗ schränkte Anzahl von Elntrittskarten zum Preise von 50 . zur Ver⸗ fügung, die in seinem Geschäftgzimmer, Beuthstraße 20 (Vormittags 10—12 Uhr und Nachmittags von 5— 7 Uhr), zu haben sind.

Dessau, 4. November. (W. T. B.) Heute mittag gegen 1 Uhr sind daß Maschinen haus und das Reinigungshaus der hiesigen Gasaustalt in die Luft geflogen. Der Dampf⸗ kessel der Anstalt war aufgeflogen und hatte das Reinigungshaus mit den großen Retorten mitgenommen. Sämtliche Dächer auf dem Grundstück der Anstalt wurden abgedeckt und die Wände eingedrückt. Daz Feuer wurde durch die schnell herbeigeeilte Feuerwehr gelöscht. In der Stadt wurden Hunderte von Spiegelscheiben eingedrückt; überall sind die . mit Glas besät. Verlust von Menschen⸗ leben ist nicht zu letzt. Das nahe der Gaganstalt liegende Garnisonlazarett wurde so⸗ fort geräumt. Der Betrieb ist gestört, die Stadt ist ohne Licht. Ueber die Entstehungsursache ist noch nichts bekannt.

Lem berg, b. November. (W T. B) Seine Majestät der König Ludwig von Bayern traf gestern mittag in Lemberg ein und wurde auf dem Bahnhof von dem deutschen Generalkonsul Heinze und den Spltzen der orttzanwesenden deutschen und österrelchisch ungarischen Militärbehörden emp⸗ fangen. Seine Masestät speiste dann mit seiner Beglestung im Hause des Generalkonsulz. Nach der Tafel, zu der eine Reihe bayerischer und anderer deutscher Offilsere hinzugejogen waren, fand eine Rundfahrt durch die Stadt und den Park und ein Besuch des deutschen Milttärlaiaretts statt. Abends nahm Seine Mäjestät an einer größeren Lafel des K. u. K. Armeekommandos teil. Heute um g Uhr früh wohnte der König in der Jesuitenkirche einer vom Feldsuperior Varady zelebrierten stillen Messe bet, an der die Spltzen der Behörden sowse zahlreiche deutsche und öster— reichisch⸗ ungarische Offiziere und Mannschaften teilnahmen. Nach dem Gottesdienst fuhr Seine Mojestät zu dem Autstellungeplatz, wo er das Prunkgemälde der Schlacht Naplawice besichtigte. Von dort begah sich Seine Majestät der König zum Bahnhof, bon wo aus um 10 Uhr 30 Minuten die Abreise erfolgte.

London 4. November. (W. T. B.) Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureautäz wurde bei einer Explosion, die sich heute in einer Munitionsfabrik ereignete, elne Person getötet, vier wurden verletzt. Der irische Postdampfer „Conne mara“ stieß vergangene Nacht, kurz nachdem er Grenn ore verlassen hatte, mit dem Dampfer Retriever zusam men. Beide sind gesun ken, nur eine Per son von den beiden Schiffen wurde gerettet. An Bord des Dampfers Connemara“ waren 51 Reisende nd 31 Mann Besatzung. Der Kohlendampfer Retriever hatte eine Besatzung von 18 Mann. 48 der mit dem Postdampfer Conne—- mara“ Verunglückten wurde im Laufe des Tages als Leichen an Land gespült, unter ihnen der Kapitän. Die Persönlichkeiten der Tolen waren meist nicht festzustellen.

Parig, 5. Nopember. (W. T B Der „Temps“ meldet aus Saint Denis: In der Fabrik Ruggert ereignete sich eine Sxplosion. Mehrere Personen wurden getötet.

St. Peters burg, 4. November. (W. T. B.) Laut Meldung der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ hat ein sehr heftiges Erdbeben, dessen Stöße von West nach Ost gingen, in Edsch⸗— mtadzin stattgefunden. Die Bevölkerung stürzte, von Schrecken ergriffen, auf die Straße. Viele Häuser sind beschaͤdigt, einige einge= stürzt. Die Kathedrale hat Risse in der Südwand. Aus allen Dörfern werden schwere Schä den gemeldet.

Kopenhagen, 4. November. (W. T. B.) „Berlingeke Tidende“ meldet aus Stockholm, daß der Dampfer Runhild“ infolge Zusammenstoßes mit einer Mine gesunken ist.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

Theater.

Königliche Schauspiele. Dienstag: Opernhaus. 238. Abonne⸗ mentsvorstellung. Carmen. per in vier Akten von Georges Bizet. Text von Henry Mellhae und Ludovie Halévv. Nach einer Novelle des Prosrer Merimée. Mustkaltsche Leitung: Herr General⸗ musikdirektor Blech. Regie; Herr Regisseur Hertzer. Ballett: Herr . Graeb. Chöre: Herr Professor Rüdel. Ansang 74 Uhr.

Schausplelhaus. 245. Abonnementsvorstellung. Die Blumen der Maintenon. Ein Spiel mit Musik in drel Akten (frei nach „Die Fräulein von St. Cyr“) von Reinhard Bruck. Musik von Robert Winterberg. Worte der Gesänge von Eddy Beuth und Rein— hard Bruck. Musikalische Leitung: Herr Schmalstich. In Szene gesetzt von Herrn Regisseur Dr. Bruck. Anfang 75 Uhr.

Mittwoch: Opernhaus. 239. Abonnementsvorstellung. Ariadne auf Naxos. Oper in einem Aufzuge nebst einem Vorspiel von Hugo von Hofmannethal. (Neue Bearbettung.) Musik von Richard Strauß. Anfang 74 Uhr.

Schauspielhaus. 246. Abonnements vorstellung. Egmont. Trauerspiel in fünf Aufzügen von Goethe. Musik von Beethoven. Anfang 7 Uhr.

Familiennachrichten.

Verlobt; Fil. Meta Riese mit Hrn. Hauptmann O. Bitthorn (Berlin ⸗Lichterfelde). Frl. Grika Bock mit Hrn. Kapitän⸗ leutnant Karl Sellschopp (Reinbek, Holsteim).

Verehelicht:; Hr. J. S. von Buch⸗Stolpe mit Vera Frelin von Kottwitz (Berlin).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Staatsanwaltschaftsrat Dr. Klee (Berlin) Hrn. Oberleutnant Frhrn. von Eller⸗CEherstein (5. Zt. Berlin ˖ Charlottenburg).

Ge storh en: Hr. Bürgermeister Senator Dr. Sadtländer (Bremen). Stifttdame Carolint von Dehn⸗Rotfelser (Cassel).

Verantwortlicher Redakteur: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg.

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Expedition, Rechnungsrat Mengering in Berlin.

Verlag der Expedition (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagganstalt, Berlin, Wilhelmstraße 32. Fünf Beilagen (13285) sowie die 1247. Ausgabe der Deutschen Berlustlisten.

eklagen, doch sind zwei Personen leicht ver⸗

Erste Beilage

2 ö

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

1

Varlamentsbericht. )

Deutscher Reichstag. 74. Sitzung vom 4. November 1916, Vormittags 1014 Uhr.

Am Bundesratstische: der Stellvertreter des Reichskanz— lers, Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Helfferich.

Präsident Dr. Kaempßf eröffnet die Sitzung nach 1014 Uhr.

Eine Anzahl von Petitionen, welche von Ausschüssen für ungeeignet zur Erörterung im Plenum erachtet worden sind, wird für erledigt erklärt. Die Bescheide an die Petenten werden dementsprechend erfolgen.

Zur Beratung steht der vom Stellvertreter des Reichs⸗ kanzlers Dr. Helfferich mit Ermächtigung Seiner Majestät des Kaisers vorgelegte Antrag, zur Vertagung des Reichstages bis zum 13. Februar 1917 die Zu⸗ stimmung zu erteilen:

Abg. Ebert (Soz): Wir möchten zum Ausdruck bringen, daß wir ziese Regelung der Vertagung des Reichstages lebhaft be— dauern, Wir, haben eine Regelung befürwortet, die dem Reichstage die Möglichkeit gibt, wieder zusammenzutreten, wenn dies für zweck— mäßig erachtet wird. Wir halten es in der jesigen Situation für dringend geboten, wir betrachten es als selbstverständlich, den Reichs⸗ tag noch vor dem festgesetzten Termin zu berufen, wenn der Haushalts⸗ ausschuß das für notwendig erachtet.

Abg. Bassermann (ul): Auch meine politischen Freunde hätten gewünscht, daß eine Vertagung des Reichstages durch Kaiser— liche Verordnung nicht erfolgt, sondern daß der Reichstag aus eigener Machtvollkommenheit auseinandergeht mit dem Recht, in jedem Augenblick zusammenzutreten, wenn genügender Beratungsstoff vor⸗ handen ist. Wir erleben täglich neue Verwicklungen und es ist wünschenswert, daß der Reichstag unbeengt durch Kaiserliche Order jeben Augenblick zusammentreten kann. Das hätte auch den Vorteil, daß die Kommissionen unbehindert ihre Tätigkeit hätten fortsetzen können. Nachdem sich aber in den Vorbesprechungen des Aeltesten⸗ ausschusses ergeben hat, daß er sich auf den Boden der vorliegenden Regierungsvorlagen stellte, verzichte ich angesichts der Geschäftslage auf eine weitere Erörterung. Ich setze dabei voraus, daß in der Kahinettsorder zum Ausdruck gebracht ist, daß der Reichshaushalts— aueschuß jederzeit durch seinen Vorsitzenden berufen werden kann auch während der Vertagung des Reichstages.

Abg. Haasxe. (so3. Arheitsgem): Mit der vorgeschlagenen Ver— agung können meine politischen Freunde sich nicht einverstanden er⸗ klären. Jeder Tag kann folgenschwere Ereignisse mit sich führen, und es würde die Bedeutung und das Ansehen des Reichstages herab— besetz! werden, wenn er nicht Gelegenheit hätte, dazu sofort Stellung zu nehmen. Der Reichstag darf nicht immer wieder vor vollendeten Tatsachen gestellt und in seiner Kritik nicht gehemmt werden. Die Er— fahrung gibt keine Gewähr dafür, daß den Beschmerdeyv, die gerade in dieser Tagung erhoben worden sind, von der Regierung Rechnung getragen wird. Auch aus politischen Gründen ist das Zr sammentreten es Reichstages auch bor dem festgesetzten Termine deshalb erforder- ich, um einen gesteigerten Druck auszuüben für das, was der Reicht⸗ tag bis jetzt . hat. Wenn eine Pause notwendig wäre, so müßte der Präsident die Zustimmung des Reichstages selbst herbeiführen können.

Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Helfferich:

Meine Herren! Ich möchte zunächst auf die Anfrage des Herrn Abg. Bassermann bestätigen, daß die Allerhöchste Kabinettsorder, durch die der Reichstag, wenn der Antrag auf Vertagung Ihre Zustimmung findet, vertagt wird, eine Klausel enthalten wird, die das Zusammen⸗ treten der Budgetkommission auch während der Vertagungsdauer ermöglicht. Es wird also in diesem Punkte den Wünschen des Reichs— tags Rechnung getragen.

Im übrigen haben wir den Vorschlag der Vertagung bis zum 13. Februar 1917 aus zwingenden Gründen der Geschäftsführung in der Leitung des Reiches gemacht, aus Gründen, die so klar auf der Hand liegen, daß ich sie nicht weiter hier zu entwickeln brauche. Es liegt nahe, daran zu denken, daß innerhalb dieser Zeit Dinge eintreten könnten, die ein früheres Zusammentreten des Reichstags erwünscht erscheinen lassen. Für diesen Fall hat Seine Majestät der Kaiser jederzeit die Möglichkeit, die in der Verordnung ausgesprochene Ver— tagung abzukürzen und den Reichstag zu einer früheren Zeit zu berufen. Sollten solche Verhältnisse eintreten, so glaube ich, in Aussicht stellen zu können, daß eine frühere Berufung des Reichstags erfolgen wird.

Der Antrag auf Vertagung des Reichstages bis zum 13. Februar 1917 wird gegen die Stimmen der beiden sozialdemokratischen Gruppen angenommen.

ͤ Der Präsident erbittet und erhält die Ermächtigung, wenn die Geschäftslage es wünschenswert erscheinen läßt, das Ple— num des Reichstages erst einige Tage nach dem 13. Februar einzuberufen. In diesem Falle werden die Kommissisnen am 13. Februar ihre Arbeit beginnen können.

Hierauf tritt das Haus in die erste Lesung des vom 2A. Ausschuß vorgelegten Gesetzentwurfs, betreffend die Schutzhaft hir end eines Kriegszustandes, ein. Das Gesetz soll die Ueberschrift erhalten „Gesetz, betr. die, Verhaftung und Aufenthaltsbeschränkung auf Grund des Kriegszustandes und des Belagerungszustandes“.

. Referent Abg. Dr. Rießer (nl): Selbst wenn die bedauer⸗ lichen Vorgänge, die in der Sitzung vom 28. Oktober in bezug auf die Schutzhaft erörtert worden sind, nicht gänzlich richtig wären, so würden sie doch vollauf genügt haben, um däe energische schleunigung zu rechtfertigen, mit der der Ausschuß diesen Gefetzentwurf in zwei Lesungen durchberaten hat. Die jetzt vorliegenden Aenderungen und Ergänzungen des ursprünglichen Entwurfs beruhen auf Anträgen, die sämtliche Mitglieder des Ausschusses mit Ausnahme eines Mit— liedes gestellt haben. Dieses Mitglied erklärte seinen ablehnenden Standpunkt damit, daß es keinem Gesetz zustimme, welches den bestehenden von ihm für ungesetzlich gehaltenen Rechtsgustand aus— bauen wolle. Diesen Standpunkt teilten die übrigen Mitglieder des Ausschusses nicht. Bei der Erklärung des Kriegszustandes galt in allen Teilen des Deutschen Reichs, mit Ausnahme Bayerns, das besondere Bestimungen hat, das preußische Gesetz über den Belage⸗ rungszustand von 1851. er Belagerungszustand kann auch außer⸗ halb eineg Kriegs zustandes im Falle esnes ufruhrs angewendet werden. Die sämtlichen übrigen ditglieder des Aussctusses hielten es aber für unerläßlich und unaufschiebbar, so lange das im Art. 68

) Ohne Gewähr, mit ; taal scẽi irc br, mit Ausnahme der Reden der Minister und

Berlin, Montag den 6. November =

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der Reichsverfassung verheißene Reichsgesetz noch nicht erlassen ist, vorläufige Bestimmungen zu treffen, die bestimmt und geeignet sind, den schlimmsten Auswüchsen auf diesem Gebiete, die die allgemeine Empörung des Reichstags hervorgerufen haben, abzuhelfen. Die Auswüchse dürfen sich nicht wiederholen, sie dürfen nicht mehr vorkommen, wenn anders nicht die Stellung der deutschen Nation im Rate der Völker und ihr Vertrauen auf den Rechtestaat, in dem wir leben, und zugleich das Ansehen der Regierung aufs schwerste leiden sollen. Von diesem Gesichtspunkte haben und ich bin beauftragt, dies hier zu wieder⸗ holen die Vertreter der verschiedensten Fraktionen im Ausschuß die Re⸗ ierung auf das ernsteste und dringendste aufgefordert, dem Justande⸗ , dieses Gesetzentwurfs keine Schwierigkeiten in den Weg zu legen legen, damit nicht ein dies ater wie der 28. Oktoher in noch schärferer und unerquicklicherer Weise mit ungemessenem Schaden sich wiederhole. Mit ministeriellen Instruktionen oder Verord⸗ nungen, auf die der Reichstag keinen Einfluß hat, könnte der starken Erregung des Reichstags oder der Nation nicht gesteuert werden. Dieser , macht gegenüber dem heutigen Rechtszustand einen erheblichen Fortschritt. Er stellt im § 1 zunächst die Voraus⸗ setzungen für die Anordnung der Haft und der Auen thal is beschran tung durch die vollziehende Gewalt fest, die nicht notwendig ein Militär— befehlshaber zu sein braucht, da der Gesetzentwurf sich auch auf den ,,,, außerhalb eines Kriegszustandes erstreckt. 851 läßt diese Maßnahme nur zu, wenn sie zur Abwendung einer Gefahr für die Sicherheit des Reiches erforderlich ist. Der § 2 gebietet die schriftliche Abfassung und unverzügliche Bekanntgabe des Haft— befehls an den Wrhafteten unter Angabe der der Verhaftung zu— grunde liegenden Tatsachen. F 3 führt neu eine Beschwerde gegen die Verhaftung ein, und zwar soll darüber das Reichsmilitärgericht erkennen, das in der Besetzung von vier richterlichen und drei mili⸗ tänischen Mitgliedern entscheiden soll und eine mündliche Verhandlung anordnen kann, und auf Antrag des Verhafteten anordnen muß. Das Reichsmilitärgericht kann den Verhafteten durch einen beauf— tragten oder ersuchten Richter vernehmen lassen. Der Verhaftete ist bei der Verhaftung über die Zulässigkeit der Beschwerde zu be— lehren. Wenn der Verhaftete seine Beschwerde irrtümlich an eine falsche Behörde richten sollte, so muß diese die Beschwerde sofort an das Reichsmilitärgericht leiten. Nach 5 4 muß der Tatbestand sub⸗ jektiv und objektiv festgestellt werden, der Verhaftete kann auch Zeugen oder Sachverständige oder andere Beweise heranziehen. F 5 gebietet die Aufhebung der Haft, wenn ihr Grund oder Zweck hinfällig geworden oder der Kriegs- oder Belaggerungszustand auf— gehoben ist, oder wenn drei Monate nach dem Tage der Verhaftung berflossen sind. Die Haft darf nach Ablauf von je drei Monaten nur auf Grund erneuter Sachprüfung oder eines neuen Haftbefehls fortdauern. Auch wenn eine Beschwerde nicht eingelegt ist, muß das Reichsmilitärgericht über die Fortdauer der Haft entscheiden. Eine besonders wichtige Bestimmung trifft 8 6, indem er für die Voll⸗ streckung der Haft, für die es an jeder gesetzlichen Regelung fehlt, den § 116 der Strafprozeßordnung für anwendbar erklärt. Damit ist namentlich festgestellt, daß der Verhaftete ohne seine Zustimmung nicht in demselben Raum mit anderen Gefangenen verwahrt werden darf, daß er nur solche Beschränkungen erleiden darf, die zur Durchführung der Haft notwendig sind, und daß er sich auf seine Kosten alle seinem Stande und Vermögen entsprechenden Bequemlichkeiten und Beschäfti⸗ gungen verschaffen darf, soweit sie mit dem Haftzweck vereinbar sind und weder die Gefängnisordnung stören noch die Sicherheit gefährden. Eiwägt man, daß es sich um Line Sicherungshaft, nicht um eine . handelt, so ist damit außer Hweifel gestellt, daß anz besonders jede Art von Arbeitszwang, jede Behinderung geistiger Beschäftigung oder angemessener Bewegung in der Luft des Anstalts⸗ hofs i, n , sind, soweit dies 5 116 zuläßt. Es ist ferner kein Zweifel, daß nach dem Sinn des F 116 der Anspruch des Ver— hafteten auch darauf anzuerkennen ist, daß er schon bei dem Trans⸗ port nach dem Gefängnis, bei der Rückkehr aus demselben oder bei dem Uebergang von einem Aufenthaltsort zum andern gesondert und in angemessenen, mit dem Zwecke der Sicherungshaft irgend zu ver— einbarenden Formen behandelt wird. Es darf wohl erwartet werden, daß alsbald klare und strenge Instruktionen an die ausführenden Organe erteilt werden. Der 8]? führt die Möglichkeit der Zuziehung eines Verteidigers ein, also einen ,, den der Ausschuß ebenso wie das Recht der Beschwerde für unerläßlich erachtet. Den Kreis, aus dem die Verteidiger nach 8 138 der Strafprozeßordnung zu entnehmen sind, auf die beim Reichsmilitärgericht zugelassenen Rechtsanwälte zu beschränken, hält der Ausschuß aus grundsätzlichen Erwägungen und auch deshalb für ausgeschlossen, weil den Verhafteten bei weiter Entfernung des Haftortes die Erleichterungen des raschen Verkehrs mit seinem Rechtsanwalt nicht möglich sein würden. Der S8 enthält nähere Vorschriften über die Bestellung des Verteidigers von Amts wegen; diese muß erfolgen, wenn sie der Verhaftete nach zweiwöchiger Dauer der Haft beantragt. Ueber dieses Antragsrecht ist der Verhaftete bei seiner Vernehmung zu belehren. S 9 gestattet dem Verteidiger die Einsicht der über die Verhaftung erwachfenen Akten. Im Ausschuß ist unter Zustimmung des Regierungsvertreters fest⸗ estellt, daß nur die hierauf bezüglichen Akten in Frage kommen. ö Sz 10 ist der gesetzliche Vertreter des Verhafteten und der Ehe⸗ mann einer Verhafteten als Beistand zuzulassen und auf sein Ver⸗ langen zu hören, entsprechend dem § 149 der Strafprozeßordnung. Im § 11 ist gesagt, daß die Bestimmungen dieses Gesetzes auf die Aufenthaltsbeschränkungen entsprechende Anwendung finden. Dies gilt insbesondere auch in bezug auf die Vollstreckung der Haft. Auch bei der Anweisung eines bestimmten Aufenthaltsortes hat daher jeder Arbeitszwang oder sonstige Beschränkung, z. B. in bezug auf den Kirchenbesuch, wie es vorgekommen sein sol, zu unterbleiben. Nach § 12 kann eine auf Grund dieses 3, erlittene Haft in einem auf Strafe lautenden Urteil ganz oder teilweise zur Anrechnung gebracht werden. Endlich schreibt 5 13 vor, daß das Reichsmilitär⸗ gericht dem Geschädigten einen Entschädigungsanspruch zuerkennen muß, wenn es die Haft oder Aufenthaltsbeschränkung aufhebt, weil die , ihrer Anordnung oder Aufrechterhaltung nicht gegeben waren. Das Reichsmilitärgericht kann aber auch in anderen Fällen einen Entschädigungsanspruch auf Antrag zuerkennen, und zwar dann, wenn es nicht selbst die Haft oder die Aufenthaltsbeschränkung im Be⸗ schwerdeverfahren aufgehoben hat. Der Ausschuß war der Ansicht, daß den Geschädigten neben diesem Entschädigungsanspruch auch alle sonsti⸗ gen Ansprüche vorbehalten bleiben, die auf Grund des allgemeinen bürgerlichen Rechts entstehen könnten. Als einmütige Ansicht des Ausschusses habe ich ferner festzustellen, daß das ganze Gesetz auch auf solche Personen Anwendung findet, die zurzeit seiner Verkündigung sich bereits in Schutzhaft befinden oder Aufenthaltsbeschränkungen unter. worfen sind, und daß auch die Bestimmungen des § 13 von diesen an⸗ gerufen werden können, wenn sie aus der Haft entlassen sind. Namens des Ausschusses beantrage ich in Gemäßheit dieser Ausführungen den Gesetzentwurf in der vorgeschlagenen Form anzunehmen und die dazu eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.

Airektor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald: Zu dem vorliegenden Gesetzentwurf ist seitens der Reichsleitung im gegen⸗ wärtigen Moment noch keine Stellung genommen. Die von dem Herrn Stagatssekretär des Innern heute vor 8 Tagen über die vorge⸗ tragenen Fälle zugesagte Untersuchung ist eingeleitet. Ich gehe auf Einzelheiten nicht ein; wenn manche . die bereits erfolgt sind, schon damals vorgelegen hätten, könnten doch Zweifel entstehen, ob nicht eine anderweite Stellungnahme des Reichstages erfolgt wäre. Auf Veranlassung des Ministeriums des Innern und des Ober⸗ kommandos ist eine Kommission zusammengetreten, welche eine be⸗

stimmte Instruktion über die Schutzhaft ausarbeitet. Sie können ver sichert sein, daß diese Instruktion von einer weitherzigen liberalen Auf- fassung ausgeht, und ich kann die Erwartung aussprechen, daß, wenn der Reichstag im Februar wieder zusammentritt, Fälle wie die vorge⸗ kommenen, die von allen Seiten bedauert werden, nicht wieder vor⸗ liegen werden.

Damit schließt die erste Beratung. Auf Antrag des Abg. Scheidemann (Soz. tritt das Haus sofort in die zweite Lesung ein.

Abg. Landsberg (Soz): Wir sind nach wie vor davon über⸗ zeugt, daß der Belagerungszustand, die Grundlage für die Anordnung der Schutzhaft, ungesetzlich ist, daß die Schutzhaft ohne richterlichen Haftbefehl mit dem Rechtsgefühl unvereinbar ist. Mit unserm Ver⸗ langen nach Aufhebung des Belagerungszustandes sind wir leider nicht durchgedrungen. In dem Entwurf erblicken wir eine allerdings be⸗ scheidene Reform. Der Entwurf knüpft die Zulässigkeit der Schutz⸗ haft an die Voraussetzung, daß die Maßnahme zur Abwendung einer Gefahr für die Sicherheit des Reiches erforderlich ist. Damit soll ausgedrückt werden, daß nicht in Fällen belangloser Ordnungswidrig⸗ keiten die Schutzhaft angeordnet werden darf. Wir können uns frel⸗ lich der Befürchtung nicht entschlagen, daß auch diese Umschreibung nicht imstande sein wird, Mißbräuche zu verhindern. Immerhin stellt der Entwurf eine Verbesserung des bestehenden unhaltbaren Zustandes dar, und wir werden ihn deshalb annehmen. Von der Regierung er⸗ warten wir, daß sie die sofortige Verabschiedung des Entwurfs herbei⸗ führen werde; sie wird sich darüber klar sein, daß das Interesse des , die Abstellung der bekanntgewordenen Mißstände dringender erheischt.

Referent Abg. Dr. Rie ßer (ul.): Die Vorschriften der Reichs⸗ verfassung über die Immunität der Abgeordneten beziehen sich nach der einmütigen Ansicht der Kommission auch auf die Schutzhaft und die Aufenthaltsbeschränkung; angesichts dieser Rechtslage sieht die Kom⸗ mission davon ab, eine besondere Resolution vorzuschlagen, und hält es aus dem gleichen Grunde noch weniger für erforderlich, besondere Vorschriften zur Wahrung der Immunität der Abgeordneten in den Entwurf aufzunehmen.

Abg. Haase (soz. Arbeitsgem.): Der Belagerungszustand wird im Widerspruch mit der Verfassung aufrecht erhalten; seine Beseiti⸗ gung ist nach wie vor ein dringendes Gebot. Die sogenannte Schutz⸗ haft wird fast durchweg nicht aus militärischen, sondern aus politischen Gründen verhängt. Auch nach dem Entwurf wird man Gegner des jetzigen Regierungssystems aus den nichtigsten Gründen in Schutzhaft nehmen. Was der Vertreter der Regierung ausgeführt hat, kann die grahie renden Tatsachen, die vorgetragen worden sind, nicht aus der Welt schaffen. Die Formel von der Sicherheit des Reiches wird sich als eine sehr bequeme Handhahe erweisen. Immerhin werden der bis⸗ herigen schrankenlosen Handhabung einige Schranken gesetzt, und wir werden daher dem Entwurf als einem Notbehelf zustimmen..

§z 1 wird darauf einstimmig angenommen, ebenso die übrigen Paragraphen.

Auf Antrag des Abg. Scheide mann wird sofort auch die dritte Lesung des Entwurfs vorgenommen.

In der Generaldiskussion bemerkt

Abg. Scheide mann (Soz):; Als Vorsitzender der 21. Kom⸗ mission und in ihrem Auftrage habe ich die dringende Aufforderung an die Regierung zu richten, daß sie so schnell als möglich zu unserm Beschlusse Stellung nimmt und ihm so rasch als moglich ihre Zu⸗ stimmung gibt. Die Vorkommnisse, die dazu geführt haben, dürfen sich unter keinen Umständen wiederholen; sie sind nicht nur von der Kommission, sondern vom Reichstage und vom ganzen deutschen Volke aufs tiefste beklagt und auf schärfste verurteilt worden. Im ausdrück⸗ lichen Auftrage der Kommission will ich nur noch sagen, daß die Regierung eine schwere Verantwortung auf sich laden würde, wenn sie auch nur eine Minute zögern sollte, dieses Gesetz zur Verabschiedung zu bringen.

Hierauf wird der Entwurf im einzelnen und in der Ge⸗ samtabstimmung im ganzen einstimmig genehmigt.

Es folgt die Beratung des Antrages des Ausschusses für Handel und Gewerbe:

Die verhündeten Regierungen zu ersuchen, eine angemessene Beihilfe für die Leipziger Messe aus Reichsmitteln in Aussicht zu nehmen.“

Berichterstatter Abg. Dr. Bell Sentr): Dem Ausschuß lag ein Antrag Richthofen u. Genossen vor, zur Unterstützung und Förderung der Leipziger Messe eine Million Mark zu bewilligen und diesen Betrag in den Etat einzustellen. Während des Krieges hat das feindliche Ausland große Anstrengungen gemacht, die Leipziger Messe möglichst zu verdrängen und an ihre Stelle die Londoner und Lyoner Messe zu setzen. Es sind dafür erhebliche Summen bewilligt worden. Um dem entgegenzutreten, haben die Leipziger Handels⸗ vertretungen um eine Reichsunterstützung gebeten. In der Kommission wurden Bedenken dagegen laut, eine bestimmte Summe vorzuschlagen. Die Antragsteller erklärten sich damit einverstanden, statt eine Million „eine angemessene Summe“ in ihren Antrag aufzunehmen. Der Aus⸗ schuß empfiehlt Ihnen die Annahme dieses Vorschlages in der Hoffnung, damit unserm Ausfuhrhandel und dem Wiederaufbau unserer Nationalwirtschaft nach dem Kriege Vorschub zu leisten.

Abg. Gar stens (fortschr. Volksp.): Ueber die Bedeutung der

Leipziger Messe für Handel und Industrie und auch für den Arbeiter— stand hrauche ich nichts zu sagen. Es muß unser aller Bestreben fein, auch für die Zeit nach dem Kriege zu sorgen. Wir glauben zlver⸗ sichtlich, daß Handel und Industrie. Technik und Wissenschaft sich durchsetzen werden. Die Leipziger Messe wird mit ein Mittel dazu sein, den Angriffen des Auslandes gegen das deutsche Wirtschafts⸗ leben mit Erfolg entgegenzutreten. Wir stimmen für den Antrag des Ausschusses. ; Abg. . Dittmann oz. Arbeitsgem ); Meine Fraktion ist dagegen, die Regierung jetzt aufzufordern, einen Betrag für die Leip⸗ ziger Messe in den Etat einzusetzen. Sollte die Regierung eine solche Position aufnehmen, so behalten wir uns unsere fachliche Stellung bei der Etatsberatung vor.

Abg. Dr. Stresemann (ul: Diese Frage scheidet aus der Parteipolitik aus. Unsere Gegner sind entschlossen, den Wirtschafts⸗ kampf gegen Deutschland auch nach dem Kriege fortzusetzen. Man bemüht sich, das alte Weltmonopol der Leipziger Messe mit shren hervorragenden Leistungen schon jetzt zu brechen. Das Ausland hat die betreffenden Messen mit sehr reichen Mitteln unterstützt. Die⸗ jenigen, die sich an der Leipziger Messe beteiligen, gehören nicht zu den Gruppen der Schwerindustrie, die gestärkt aus diesem Kriege hervorgehen. Es handelt sich um diejenigen Zweige der Erport⸗= industrie, namentlich der Hausindustrie, an denen die Arbeiter ein besonderes Interesse haben. Der Kommissionsantrag soll nicht eine Abschwächung, sondern eine Verstärkung unseres ursprünglichen An⸗ trages sein.

Abg. Molkenbuhr (Soz): Die Leipziger Messe wurde von Angehörigen aller Nationen besucht; wir sehnen es herbei, daß dies auch künftig geschehen möge. Wir stimmen für den Antrag des Aus⸗ schlusses, weil die Leipziger Messe Gelegenheit gibt, unferer deutschen Industrte den Auslandsmarkt zu verschaffen. Das liegt im Interesse der Arbeiter.

Ministerialdirektor Müller; Die Reichsberwaltung erkennk an, daß die Frage der Leipziger Messe eine Frage ist, die über bas

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