1916 / 262 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 06 Nov 1916 18:00:01 GMT) scan diff

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Felder bestellten. Man kann wirklich fagen, daß Städter und Land— leute sich so schreñ gegenüberstehen, wie es der Staatssekretär soeben geschildert hat. Die Verhandlungen des Ausschusses haben gezeigt, daß die Auffassungen sich genähert haben. Verschiedene Anträge wurden gemeinsam angensmmen. Der Herr von den Sozialdemo— kraten wird finden, daß seine Ration nicht so sehr von der meinigen abweicht. Zweifellos muß die menschliche Ernährung der tierischen vorgehen. Der Umweg der Ernährung über den Tierkörper ist im Kriege unwirtschaftlich. Wollen. Sie die Milchwirtschaft nicht auf⸗ geben, so müssen Sie auch die Viehwirtschaft aufrecht erhalten. Gs ist nicht richtig, den Bedarf für nicht normale Verhältniffe zu be— rechnen bei der Rationierung des Hafers im Heere. Man, muß die normalen Verhältnisse, im Auge behalten. Wir können noch mehr Hafer zur Verfügung haben. Ein Viertel der Magermilch sollte zur Käsebereitung verwendet werden. Der Präsident des Kriegs⸗ ernährungsamts wird sich überzeu en, daß das für die Volks⸗ ernährung eine durchaus richtige Maßregel ist. Die Rationierung des Brotes, des dle der Butter, der Kartoffel ist ein Verdienst des Präsidenten des Kriegsernährungsamts. (Zuruf b. d. Soz.) Kommen Sie mir doch nicht mit solchen ÄAlbern— heiten. (Präsident Dr. Kaempf: Herr Abgeordneter, der Ausdruck Albernheiten .. . ö. nehme den Ausdruck zurück. Auch ie so

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übersehen kann und er sonst den Aufgaben nicht nachkommen kann, die ihm obliegen. Solange die. Versorgung des Heeres mit Fleisch dem Kreise auferlegt ist, kann auch nicht gestattet werden, daß Fleisch aus dem Kreise ausgeführt wird. Die Roggen— Preise sind jedenfalls nicht zu hoch, auch die Kartoffelpreise nicht. Möge der Präsident dabei bleiben, daß die Preise sich auf ihrer jetzigen Höhe halten, damit nicht wie im vorigen Jahre die loyalen Verkäufer geschädigt und ausgelacht werden. Es ist auf die Teuerung der Fische hingewiesen worden. Ich glaube, daß ernstlich die Herstellung von Tischkonserven verboten werden müßte, dann würden mit einem Schlage die Fischaufkäufer für die Konservenfabriken verschwinden und die Fische in den Verkehr kommen. (Zuruf) Ich konstatiere, daß hier jemand gesagt hat, Fischkonservenfahriken könnten dabei leiden. Ich glaube, die Interessen der Verbraucher stehen höher. Die Ein⸗ hringung der Ernte muß mönlichst besckleunigt werden durch Freigabe der nötigen Arbeitékräfte. Es könnte dann auch die Drusckpraäͤmie wesentlich eingeschränkt werden, das würde zu einer erheblichen Ver— billigung der Nahrungsmittel führen. Die Vorräte sind vorhanden, inn eine Rationierung der Hafer- und Gerstefabrikate herbeizuführen, Ich möchte aber bitten, nicht ungeduldig zu sein. Ich habe auf die größere Heranziehung der Kohlrüben als Ersatz für Kartoffeln hin— gewiesen, ich würde auch empfehlen, für das nächsfte Jahr die Anbau— fläche der Kartoffel um 20 Prozent herabzusetzen und mit Kohlrüben zu besetzen. Es muß mehr System hineingebracht werden in den Anbau der Kartoffel, in die Abfuhr und in di Preise. Die AÄbfuhr der Kartoffeln darf nicht systemlos erfolgen. Die Frühkartoffel muß einen höheren Preis haben, weil sie weniger ertragreich ift. Die Knochen könnten in größeren Anstalten mühelos zur Fettgewinnung verwendet werden. Hausschlachtungen sind jetzt zweckentsprechend ge— regelt. Eine Anrechnung des Geflügels auf die Fleischkarte halte ich nicht für zweckmäßig. Die Zuckerrübenmarmelade ist ein gutes Nah— rungsmittel, ich habe selbst einige Töpfe einkochen lassen und werde den Herren Proben zur Verfügung stellen. Auf dem Lande geschieht das allgemein und ich bedaure, daß das die Frauen in den Städfen nicht machen. Pflaumenmus kostet jetzt 1,60 S, das ist ein unerhörter Preis. Die Herstellung der Marmelade sollte nicht den Fabriken überlassen werden, sondern den Interessenten selbst. Was den Antrag Hoff über die Rindviehhaltung anbetrifft, so kann ich mich dem nich? anschließen. Eine solche Regelung von oben her ist durchaus unmöglich. Es müssen doch die einzelnen Wirtschaften berücksichtigt werden. Die Fleischration soll entsprechend erhöht werden. 250 Gramm werden kaum erreicht werden. Unbillig ist, daß bei der Berechnung der Ration die Kinder soviel Fleisch bekommen, wie die Erwachsenen. Immer sst in Qstpreußen mitgeteilt worden, daß die Hearesdenwaltung beabsichtigt, 25 Prozent der Gefangenen den betreffenden Besitzern für den Winter zu nehmen. Ich muß auf das bestimmteste hiergegen Verwahrung einlegen, ich spreche damit, glaube ich, im Namen der ganzen oft preußischen Landwirtschaft. Bedenken Sie doch, daß Tausende von den Russen aus Ostpreußen weggeschafft worden sind, daß viele Frauen ihr Land selbst bewirtschaften müssen. Laffen Sie uns welter so zu— sammenarbeiten, wie es in der letzten Zeit geschehen ist. Wir haben gemeinsamz Sorgen und wir sind genötigt, Schulter an Schulter zu . Lassen Sie uns auch hier mit vereinten Kräften zusammen— gehen.

Abg. Wurm ssoz, Arbeitsgem): Daß der Präsident des Kriegs⸗ ernährungsamts das bisherige Vertuschungssystem nicht billigt und aufgegehen hat, ein System, das man mit Rücksicht auf das Ausland eingeführt hat, müssen wir billigen. Hätte einer von uns das gesagt, o wäre er in Schutzhaft genommen worden. Wenn man den wahren Sachverhalt nicht bekanntgab, so geschah dies aus Rücksicht auf die agrarischen Interessen. Wenn die Städte nur ein Pfund Kartoffeln pro Tag bekommen, so sollten sich die Landbewohner auch damit be— snügen; statt dessen erhalten sie 1 Pfund; auch sonst werden die Landbewohner, nicht bloß die Selbstbersorger, bevorzugt, so beim Fleisch. Der Selbstversorger, der sz Wochen gefüttert hat, soll drei Fünftel für sich behalten, während der Städter 250 Gramm haben soll und sie meist nicht bekommt. Ja, die Konservativen wollen das arste Schwein dem Selbstversorger ęhne Kontrolle überlassen. Die Agrarier wollen auch den Unfug des Pensionsschweins zulassen. Dies widerstrebt auch dem berechtigten Wunsch nach einer weiteren Ab⸗- schlachtung des Rindviehs. Die Landwirte halten die Kartoffeln zu- rück, weil sie immer noch die Hoffnung haben, daß die Preise erhöht werden. Wenn der Prästdent des Kriegsernährungtamts das für seine Amtszeit in Abrede gestellt hat, so sind vielleicht schon die Minierer an der Arbeit, um ihn pon seinem Amt zu entfernen. Die Milch— verordnung hat dazu geführt, daß die Magermilch jetzt zu Phantasie⸗ preisen verkauft wird. Es wird jede Lücke in der Gesetzgebung von den Agrariern zum Schaden der Konsumenten verwertet. Die großen Einnahmen werden jetzt bei den Steuereinschätzungen von den Agrariern

ür spätere Mindereinnahmen verrechnet. Das nennt man Kriegs⸗ ozialismus. Die Herren wollen lediglich dem Vaterlande dienen.

In Sachsen konnte die Militärverwaltung nicht das nötige Heu und Stroh kaufen, weil die Landwirte auf höhere Preise rechneten. Das ist der Patriotismus, der den sächsiscken Landwirten von der Heeres⸗ verwaltung selbst bescheinigt wird. Das Kriegsernährungsamt hat an den bisherigen Mißständen der Lebensmittelteuerung so gut wie ar nichts geändert. Sie muß da viel energischer vorgehen. Der Prä— een hat den Produktionszwang mit einer Handbewegung zumückge⸗ wiesen. Bei gewissen Großbetrieben ist der Produktionszwang durch— aus am Platze; an die kleinsten Bauernhöfe denken wir nicht. Es läßt sich hier helfen, wenn ein energischer Wille vorhanden ist. Es ist dazu eine Statistik über den Bestand notwendig, die von unabhängi— en Leuten die nicht den Interessenten nahestehen, aufgenommen wird. zie Statistik hat bewiesen, daß Deutschland vor dem Kriege nicht im— stande war, sich ohne Zufuhr zu ernähren. Der Hinweis auf das Aus— land nützt uns nicht, niemand wird dadurch bei uns fatt, daß das Aus— land hungert. Man sagt, die Vorräte reichen aus, der e e. braucht uns nicht niederzuzwingen. Dann müssen aber die Rahrungsmittel besser verteilt werden. Die Preise sind in 109 * gestiegen, der Nährwert der zur Verfügung gestellten Nahrungsmittel um ein Dritter gefallen. Deshalh verdienen nicht nur die Munitionsarbeiter eine Teuerungszulage, sondern auch andere Schwerarbeiter, denen es zur Ernährung an den nötigen Fetten fehlt. Man sollte eine Bier- und Schnapskarte einführen. Wer Bier und Schnaps trinkt, müsse dann weniger von seiner Brot- oder Kartoffelkarte berwenden. So nötig ist der Schnaps doch nicht, wie der Präsident meint. Ich spreche nicht als Abstinent, ich bin keiner, sondern vom Standpunkte der allge— meinen Ernährung. Die Massenspeisung hat nicht den erwartelen Erfolg gehabt, weil diese Nahrung hreiartig ist und nicht genügend gekaut wird. Würde den Gemeinden eine genaue Ration zur Massen— speisung bewilligt werden, so würde die Massenspeisung verdau— licher und nützlicher sein. Außerdem kann für 40 3 keine vollständige ausreichende Nahrung geliefert werden. Es müßten Getreide und Hülsenfrüchte zur Verfügung gestellt werden. Ganz Europa wird von einer Hungersnot bedroht, wenn die Kriegshetzerei so weiter— geht. Die vorhandenen Vorräte. müssen gleichmäßig ver— teilt werden für Arm und Reich, für Stadt und Land, Alles Zureden, Herr von Batocki, hilft nichts, wenn der Magen spricht. Wir verlangen, daß das, was vorhanden ist, gleichmäßig berteilt wird. In Dresden hat am vergangenen Donnerstag das Volk gesprochen. S0 C060 Menschen sind vor das Ministerium des Innern gezogen und haben gerufen: Wir verlangen Nahrung und Frieden! Der Minister erkannte die Berechtigung der Wünsche an und versprack, alles zu tun. Die 80 690 sind ruhig nach Hause ge— gangen; hinter den 80 O00 Menschen stehen aber Millionen Mene Tekel, Upharsin. Die Geduld des Volkes hat ine Grenze, sorgen Sie dafür, daß das Volk nicht weiter durch die Profitwut ausgefangt wird.

Abg. von Trampezynski (Pole)h: 350 000 polnische Ar— beiter werden hier in Deutschland zurückgehalten, das Vorgehen steht mit dem Völkerrecht in Widerspruch, Um Repressalien kann es sich hier nicht handeln. Diese Leute dürfen nicht gegen ihren Willen zurückgehalten werden. Man hat versucht, eine Menge von ihnen zu engagieren. Es wurde ihnen in der Heimat vorgeredet, daß sie als freie Arbeiter hereinkommen sollten, daß sie das Recht hätten, ihre Arbeitéstelle zu wechseln. Der Polizeipräsident in Warschau hat ver— sichert, es sei selbstverständlich, daß den Arbeitern bon den deutschen Behörden alle möglichen Erleichterungen verschafft werden würden. Was aus diesen Versprechungen geworden ist, ersehen Sie daraus, daß die. Arbeiter nicht zurückkehren dürfen. Wir haben es schwarz auf weiß, daß im Warschauer Bezirk der Arbeitszwang eingeführt ist für die, denen Arbeitsmangel droht. Den Städten hat man verboten, öfsentliche Arbeiten zu vergeben, weil die Arbeiter für die Militär- und Heeresverwaltung gebraucht werden. Das hat natürlich Erregung hervorgerufen und widerspricht auch dem Völkerrecht. Vertreter des Auswärtigen Amts haben diese Maßnahmen verteidigt mit der Be— gründung, daß sie zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung not— wendig seien. (Vizepräsident Dr. Paasche: Das gehört doch nicht ur Ernährungefrage. . Der Präsident von Batocki hat doch selbst ge⸗ an, die Landarbetterfrage sei von der größten Wichtigkeit für die Grnährungsfrage. Hoffentlich wird Herr Präsident von Batocki dafür sorgen, daß eine Besserung der von mir oerügten Umstände herbei⸗ geführt wird. Die Lage der Saisonarbeiter ist eine schlimme; fie können mit ihrem Lohn nicht auskommen, sie werden schamlos aus— gebeutet und mißhandelt. Solche Klagen sind uns zu Tausenden zu— gekommen. Es wird geklagt über die schlechte Wohnung und Kost über unzulängliche Bezüge. Das einzige, was wir mit unferen Be— schwerden erreicht haben, ist, daß unter Umständen ein Wechsel der Arbeitsstelle zugestanden würde, aber in Wirklichkeit wurde doch nichts erreicht, weil allerlei Widerstände entgegenstanden. Die Regierung muß sich zu vositiben Maßnahmen aufschwingen durch Einführung einer ausreichenden Kontrolle, Gewährung des Kündigungsrechts, Urlaubs— anspruch. Wenn man den Urlaub verweigert, weil die Arbeiter nicht zurück⸗ kehren, so ist das ein Beweis dafür, wie schlecht die Arbeiter behandelt worden sind. Dies System war ein System der modernen Sklaverei, und es muß geändert werden. Wenn Sie Arbeiter haben wollen wie bisher, dann sorgen Sie, daß die Arbeiter auch menschenwürdig be— handelt und nicht ausgebeutet werden. Geben Sie den bisher einge⸗ wanderten Arbeitern den gehörigen Rechtsschutz, dann werden auch andere kommen.

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald: Ich muß gegen Lie Uebertreibung des Vorredners Widerspruch erheben, es sind Schauermärchen, die er vorgetragen hat. Es beftehen keine Schwierig⸗ keiten für den Ortswechsel. Polnische Arbeiter gehören einem fremden Stagt an, und die Abzugsfreiheit darf man ihnen im Kriege nicht gewähren. Gewährt man ihnen Urlaub, so ist es Regel, daß sie zu⸗ nächst einmal verschwinden. Von 30 Arbeitern waren in einem Falle 20 nicht zurückgekehrt. Daß diese Arbeiter gut entlohnt und human behandelt werden, ist selbstverständlich. Wir werden dafür sorgen, daß dies auch geschieht.

Hierauf wird die Diskussion geschlossen. reiche Bemerkungen zur Geschäftsordnung.

Es folgen zahl—

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Abg. Held (nl): Auch ich bin durch den Schluß der Debatte berhindert, Ausführungen im Interesse von kleinen viehzuchttreibenden Landwirten zu machen. Hoffentlich zeigt die Regierung hier Ent— gegenkommen.

Abg. Mumm: Durch den Abbruch der Aussprache ist auch mir die Möglichkeit genommen, den Antrag zu begründen, den ich mit Unterstützung zahlreicher Heren aus den verschiedensten Parteien ein— gebracht habe, und den. mißverständlichen Worten des Herrn von Batocki gegen die Mäßigkeitsbestrebungen entgegenzutreten. Mein Trost ist, daß der Antrag für sich selbst spricht.

Abg. Dr. Roesicke (wkons ): Der Abg. Wurm oll sehr aus⸗ führlich gegen die Agrarier Stellung genommen haben. Wir behalten uns vor, ein andermal darauf zu antworten, unser Stillschweigen bedeutet natürlich keine Zustimmung.

Abg. Dr. Cohn⸗Nordhausen (soz. Arbeitsgem): Wäre die Frörterung weiter gegangen, so hätte ich Gelegenheit genommen, die schönfärberische Darstellung über die Rechtslage und. Behandlung der polnischen Landarbeiter richtigzustellen. Wenn Dr. Lewald diese Lage kennen lernen will, mag er nach dem Militärgewahrsam gehen, wo diese Landarbeiter zu Hunderten und Tausenden in Haft sitzen. (Die weiteren Ausführungen werden vom Vizepräsidenten Dr. Paasche als nichtgeschäftsordnungsmäßig abgeschnitten.)

Die Abstimmung über den Antrag der fortschrittlichen Volkspartei wird , . des nur noch lückenhaft besetzten Hauses ausgesetzt. ie Anträge des Haushalts(ässchusses

werden angenommen, mit knapper Mehrheit auch ber An— trag Mumm. . ; Hierauf berichtet Abg. Graf We st arp (dkons. über die Verhandlungen des, . betreffend die Familienunterstützung der Kriegerfami⸗ lien unddie J usw. Der Aus⸗ schuß empfiehlt die Annahme von Ke solutionen, wonach der Reichskanzler ersucht wird, eine Aenderung des Gesetzes über die Familienunterstützung dahin herbeizuführen, daß vom . November 1916 die Unterstützung für die Ehefrau auf 20 , für jedes Kind unter 15 Jahren auf 10 6 monatlich festgesetzt sowie daß die Lieferungsverbände verpflichtet werden sollen, Zuschläge zu diesen Unterstützungen bis zur Behebung der Zedürftigkeit zu gewähren; ferner den Reichsbeamten und den Ruhegehaltsempfängern und den Hinterbliebenen von Reichs— beamten unter gewissen Voraussetzungen einmalige Kriegs⸗ téuerungszulagen bis zur Höhe eines Monatsgehalts oder Monatslohns zu gewähren. Ferner sollen die Familienunter⸗ stützungen der Krlegsteilnehmer, sowie die Unterstützungen an Erwerbslose den Bezugsberechtigten im Monat Dezember jglö in doppelter Höhe aus Reichs mitteln gewährt werden. Weiter wird beantragt, die Anträge auf Ausdehnung des Bezugs⸗ scheinszwangs auf alle Waren außer denen auf Seide und Kunstseide, auf Einführung einer Bekleidungskarte, auf bessere Organisation des Verkehrs unter Belassung der Bezugsscheine gefordert, auf Ausdehnung der Beschlagnahme auf alle Häute und Leder, sowie Leberabfälle und auf die Gleichstellung der Periobischen nichtpolitischen Presse mit der Tagespresse in der Frage der Papierbeschaffung dem Reichskanzler als Material zu überweisen.

„Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald: Zu dem erst vorgestern gefaßten Beschluß des Ausschusses haben die ver—= bündeten Regierungen noch nicht Stellung genommen; aber ich halte mech verpflichtet zu sagen, daß die Resolution, wie sie vorliegt, keines⸗ falls Ihre Zustimmung finden wird. Pie Familienunterstützung zeträgt jetzt monatlich 130 Millionen Mark. Die beantragte (Erhöhung, um 3355 25 macht rund 45 Millionen, zusammen 175 Millionen. Soll dieser Betrag nach der Resolution am 1. No⸗ bember doppelt gezahlt werden, so würden statt 130 Millionen öÜß0( zur Zahlung gelangen müsfen. Eine solche Wirkung ist aus⸗ geschlossen, sie ist nicht beabsichtigt und nicht notwendig. Wir müssen uns fragen, welche Schwierigkeiten für die Lieferungsverbände bestehen, die Mittel im Wege des Kredits zu beschaffen; es wird ernster Prüfung bedürfen bei einer so erheblichen Steigerung um 3333 2A, ob sie dazu in der Lage sind, zumal ein erheblicher Teil der Verbände zu den Unterstützungen sehr erhebliche Zuschüsse, bis zu 100 *, gewährt hat. Ich möchte im Zusammenhange hiermit noch ausdrücklich feststellen, daß die Reichsleltung auf dem Standpunkt steht, daß der Wunsch der Resolution, betreffend die Verpflichtung der Lieferungoͤve rbã unter Gewährung von Zuschlägen gegenwärtig bereits rechtens ist; der preußische Minister des Innern hat noch heute erklärt, daß er durchaus in der Lage sei, jederzeit die sich weigernden Lieferungs— berbände durch Anweisung zu zwingen, solche Zuschüsse zu gewähren. Der Reichskanzler veischließt sich keineswegs der Tatsache, daß die Lebensmittel und Bebarfsgegenstände ganz bedeutend im Preise ge⸗ stiegen sind, daß die Länge des Krieges auf die Familien schwer drückt und eine Erhöhung der Unterstützungen in zahlreichen Fällen ein dringendes Bedürfnis ist. Daß aber in einer nicht geringen Zahl ein solches Bedürfnis nicht vorhanden ist, ist von vielen Seiten in der Kommission anerkannt worden, es muß anerkannt werden in allen den Fällen, wo es sich um Familien von Staais- oder Gemeinde— arbeitern handelt, denen ein erheblicher Teil des Lohnes weiter gezahlt wird. Ein sehr hervorragendes Mitglied des Hauses hat mit noch heute ausführlich dargelegt, daß hier in der Tat die Familien jetzt höhere Ginnahmen haben als zu der Zeit, wo der Ernährer zu Haufe war. Es wäre daher zweifellos erwünscht, möglichft zu ind iwikuali— sieren; immerhin wollen die verbündeten Regierungen doch die Mög⸗ lichkeit dazu schaffen; der Fürsorgefonds wird von 26 auf 30 Millionen monatlich erhöht werden, ebenso wird der Reservefonds erhöht werden, und damit wird den leistungsunfähigen Lieferungsverbänden die Mög⸗ lichkeit gegeben, möglichst bald einen Zuschuß zu gewähren.

Abg. Koßmann Gentr): Meine politifchen Freunde halten eg für dringend notwendig, daß die Ünterstuͤtzung für die Ehefrauen auf 20 (6, für jedes Kind ünter 15 Jahren auf 16 monatlich festgesetzt wird. Der Geldwert ist seit dem Kriege gesunken, die Lebensmittei— preise sind erheblich gestiegen. Es muß so viel wie möglich einge⸗ griffen werden, da noch manche Ausgaben für den Winter zu machen sind. Auch die Gemeinden werden, wo es noch nicht geschehen ist, ober nicht genug geschehen ist, zu Zusatzunterstützungen gezwungen werden müssen. Jahlreiche Gemeinden haben ihre Pflickt gegen die Famillen der Kriegsteilnehmer bisher nicht getan. Staatssekrelär Delbrück hat seinerzeit die neue Bestimmung den Beteiligten als Weihnachtsgeschenk auf den Tisch gelegt. Sie ist aber den Beteiligten erst sehr spät zu⸗ gekommen. Besonders möchte ich den Teil der Resokution empfehlen, der die Familienunterstützung der Kriegsteilnehmer sowie die Unter stützung an Erwerbslose im Dezember in doppelter Höhe aus Reichs⸗ mitteln gewähren will. Ich kann die Bedenken des Regierungsver⸗ treters nicht teilen. Die Betreffenden brauchen diese doppelte Ünter⸗ stützung für den Winter, für Kleider usw. Auch der einmaligen Kriegs—⸗ teuerungszulage der Reichsbeamten werden wir zustimmen; wir denken dabei namentlich an die Eisenbahn- und Postbeamten und die Alt— pensionäre, endlich werden wir auch der Refolution über die Beschlag⸗ nahme aller Häute und Leder sowie Lederabfälle zustimmen. Gs wird mit dem Schuhwerk ein unnützer Luxus getrieben; es kann da noch sehr gespart werden.

Abg. Hierl (soz. Arbeitsgem.): Die Familienunterstützung ist mindestens ebenso wichtig wie die Frage der Ernährung. Darum be— dauern wir umsomehr die wenig entgegenkommende Erklärung des Regierungsvertreters. Die 350 Millionen sind allerdings eine hohe Geldsumme, zieht man aber die ungeheure Summe der Unterstützungs⸗ bedürftigen in Betracht, so ist die Summe sehr winzig, auch gegenüber den Milliarden, die der Krieg kostet. Es handelt fich hier doch auch um eine Kriegsausgabe, ehenso wichtig wie die übrigen Kriegsaus gaben. Die Lieferungsverbände, namentlich in der Rähe großer Städte haben es bisher verstanden, die Unterstützungsbedürftigen mit schönen Worten abzuspeisen. Die Aufsichtsbehörden tun ihre Pflicht nicht. Leider entwickelt die Regierung auf diesem Gebiete eine sehr geringe Initiative und wartet erst die des Reichstages ab. Unsere ganze Zukunft wird gefährdet, wenn ein großer Teih er Bevölkerung unter⸗ ernährt und entkräftet ist, Mit der geforderten Unterstützung ist noch lange nicht alles getan. Die 350 Millionen reichen nur aus, daß sich die Familien die notwendigsten Kleider anschaffen. Was soll'man dazu sagen, wenn das Oberkommando in den Marken den arbeitsfähigen

Trauen die Unterstützung entziehen will; der Fleiß wird so mit einer Strafe belegt. /

Abg. Meyer-⸗-Herford (nl): Wenn ich mich im wesentlichen darguf beschränke, die Anträge Ihrem Wohlwollen und dem Wohl— wollen der Regierung zu empfehlen, hoffe ich mir den Dank des Hauses zu erwerben. Die Teuerunaszulagen sollten nicht kärglich be⸗ messen, werden. Es ist eine Staffelung nach dem Gehalt und dem Familienbestand notwendig; die kinderreichen Familien sind zu bevor⸗ zugen. Auch diesmal handelt es sich um ein Weihnachtsgeschenk. Bis dat dui cito datt ͤ

Abg. Lieschin g. fortschrittl. Volksp): Auch ich bedaure, daß der Vertreter der Regierung eine so wenig wohlwollende Erklärung abgegeben hat. Wenn die berbündeten Regierungen auch noch nicht Stellung zu unseren Anträgen genommen haben, fo hätte doch gesagt werden können, daß auf ihre Stellung eingewirkt wird. Es würde die Stimmung an der Front wesenklich herabdrücken, wenn döese Forderung abgelehnt würde. Eine Stärkung der Kampfesfreudigkeit haben wir dringend nötig. 9 (Hortsetzung in der Zweiten Beilage) *.

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zum Deutschen Neichsanzeiger und Köÿniglich Preu

M 262.

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage)

Hierauf nimmt der Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Helfferich, das Wort, dessen Rede wegen verspäteten Eingangs bes Ste— nogramms erst in der nächsten Nummer d. Bl. im Wortlaute wiedergegeben werden wird.

Abg. Mumm: Mit der gleichen Wärme, wie die übrigen Par— teien, treten auch wir auf der Rechten für die Anträge ein, die hier vorliegen. Die Regierung hätte sich doch vielleicht nicht so lange be⸗ sinnen sollen; es ist aber dankenswert, daß jetzt eingegriffen worden ist. Den Antrag wegen der Gleichstellung der Tagespreffe und der Wochen— presse hinsichtlich der Papierbeschaffung empfehle ich auf das lebhafteste; es handelt sich hier um die christlichen Sonntagsblätter, um die Ge— werkschaftsblätzter, die so verdienstlich wirken, und denen man diese Vergünstigung nicht vorenthalten sollte.

Abg. Ru ssel (soz. Arbeitsgem): Uns geht der Kommissions⸗ mntrag, so sympathisch er uns ist, nicht weit genug, das Reich hat

r den Unterhalt der Familien, denen es den Ernährer entzogen hat, sorgen; was gehoten ist und was hier geboten werden soll, ist un⸗

l reichend. Die Lieferungsverbände

treicher * leisten keineswegs die großen uschüsse, von denen der Direktor Lewald sprach; eine große Anzahl von Gemeinden entzieht sich dieser Verpflichtung noch immer gänzlich; vielfach leben die Familien der Eingezogenen in trostlosem Elend. Die Gemeinden müssen vempflichtet werden, und wir beantragen das, Zu⸗ schläge in Höhe von mindestens 50 Prozent zu gewähren. Viele Ge⸗ meinden geben Zuschläge nur an die Frauen oder an die Kinder, oft beträgt der Zuschlag für ein Kind monatlich ganze 60 Pfennig, für die Frauen nur monatlich 2 6. Die Dürftigkeit muß ftets ange⸗ nöonmen werden, wenn das Einkommen der Familie 1500 jährlich nicht übersteigt. Die Gesuche der Unterstützungsbedürftigen werden oft

Leuten geprüft, denen ein soziales Verständnis vollständig mangelt.

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s System muß beseitigt und auch die Unterstützungssätze müssen erhöht werden. Der heimgekehrte Krieger darf nicht vechtlos werden dadurch, daß seine Familie der Armenpflege anheimfällt.

Die von dem Ausschuß vorgeschlagenen Resolutionen werden unter Ablehnung der sozialdemokratischen Abände— rungs- bezw. Zusatzanträge angenommen.

Schließlich berichtet Abg. Krixrx (3.) über die Ausschuß⸗ beratung des Gesetzentwurfs zum Schutz der Be zeich⸗ nungen „Nationalstiftung“ und „Marine . . J 36 n j st ift un g“. Der 17. Ausschuß beantragt, die Beratung aus— 2 s . M Mo s 2 559 ; ; ] zusetzen und eine Resolution zu beschließen, wonach der Reichs— kangler ersucht wird, der nächsten Tagung einen Gesetzentwuürf 21 v5 voso jcho . s ; 8 z ö zur reichsgesetzlichen Regelung des ganzen Gebiets der Reichs⸗ wohlfahrtspflege vorzulegen. Das Haus tritt ohne weitere Besprechung diesem Antrage bei.

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Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Präsident Dr. Kae mpf: Meine Herren! Wir nähern uns dem Schluß der gegenwärtigen Tagung. In ernster Zeit begonnen, beenden wir unsere diesmaligen Arbeiten unter gleich ernsten Verhältnissen. Der Reichstag hat eingehende Kritik an den Maßnahmen der Reichs⸗ leitung geübt; das hindert nicht, daß unsere gemeinsamen, doch nur auf das Gemeinwohl gerichteten Beratungen in uns die feste Ueber— seugung und das unerschütterliche Vertrauen von neuem bekräftigt haben, daß Deutschland im Verein mit seinen treuen Verbündeten allen Aufgaben gewachsen ist, die militärisch, wirtschaftlich und finanziell zieser Krieg sondergleichen uns auferlegt. Die Pläne unferer Feinde sind gescheitert, die Pläne Uunserer Feinde werden auch weiter scheitern an dem inneren Bewußtsein des deutschen Volkes und an seiner inneren Stärke; sie werden scheitern in dem Augenblicke, wo uns nach wie vor zum Bewußtsein kommt, wie Großes das deutsche Volk bisher geleistet hat und zu wie großen Leistungen es auch fernerhin befähigt ist. Beifall) Dem Kaiser, dem Reiche, dem deutschen Volke, dem deutschen Volksheere von seiner obersten Leitung an bis zum Land— sturmmann ohne Unterschied gilt in diesem Augenblicke, wo wir unsere Arheiten schließen, der wärmste und dankbarste Gruß. (Beifall) Goth schütze das Vaterland! Eebhafter Beifall.)

Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Helfferich:

Ich habe dem Hohen Hause eine Allerhöchste Verordnung mitzu⸗ teilen. (Das Haus erhebt sich; die Mitglieder der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft haben den Saal verlassen) Die Verordnung lautet:

Wir Wilhelm von Gottes Gnaden, Deutscher Kaiser usw. ver⸗ ordnen auf Grund der Artikel 12 und 26 der Verfassung mit Zu— stimmung des Reichstages im Namen des Reichs was folgt:

§ 1. Der Reichstag wird bis zum 13. Februar 1917 mit der Maßgabe vertagt, daß der Ausschuß für den Reichshaushalt zur Besprechung auswärtiger und sonstiger mit dem Kriege im Zu⸗ sammenhang stehenden politischen Angelegenheiten während der Zeit der Vertagung zusammenzutreten ermächtigt wird.

§ 2. Der Reichskanzler wird mit der Ausführung dieser Ver— ordnung beauftragt.

Gegeben Großes Hauptquartier, den 3. November 1916.

gez. Wilhelm J. R. ggez. Dr. Helfferich.

Ich habe die Ehre, dem Herrn Präsidenten die Urschrift der

Allerhöchsten Verordnung zu überreichen.

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Präsident:; Wir trennen uns unter dem alten Rufe: Seine Majestät der Deutsche Kaiser, Volk und Vaterland, sie leben hoch! hoch! hoch! (Das Haus stimmt in den dreimaligen Hochruf lebhaft ein. Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß 914 Uhr.

Aichtamtliches. (Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)

Großbritannien und Irland.

Im Unterhaus hat die Regierung mit ihrem Gesetz⸗ entwurfe, betreffend Aufstellung neuer Wählerlisten für die Parlamentswahlen, einer Meldung des W T., H zufolge völlig Fiasko gemacht. Viele Abänderungsanträge waren eingebracht, darunter einer, der den Soldaten an der Front und den Seeleuten auf den Kriegsschiffen die Aus⸗ übung ihres Wahlrechts sichern wollte, der Sprecher . aber, daß diese Anträge gegen die Ordnung des Hauses seien. , verlor das Haus alles Interesse daran, und die Bill wird als erledigt angesehen.

Zweite Beilage

Berlin, Montag, den 6. Novemher

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ßischen Staatsanzeiger. 1916.

Lord Robert Cecil wandte sich im Unterhause mit er— heblicher Schärfe dagegen, daß das Haus beanspruche, auf die Leitung der auswärtigen Politik Einfluß auszuüben. (Es handelte sich um die Frage der Anerkennung der Regie⸗ rung von Venizelos.) Cecil sagte:

Wir haben nicht nur unsere eigene Regierung zu ber icksichtigen, sondern auch die Regierungen unserer französischen, russischen und stalienischen Verbündeten. Wir können nicht alles tun und sagen, ohne die Wirkung auf. unsere Verbündeten, unfere Feinde und die Neutralegn zu bedenken. Wir können nicht zugleich Verhandlungen führen und dag Parlament und wie Nation völltg in unser Vertrauen ziehen. Ich halte es nicht für wünschengwert, eine neue Form der Leitung der auzwärtigen An— gelegenheiten einzuführen, und ich zweifle, ob eg wünschenswert ist, die Verantwortung der Regierung mit irgendeiner Kommtsston zu teilen. Wir sind uns der vielen Fehler, die wir machten, und der vielen Mängel, die uns anbaften, voll bewußt, aber wir müssen tun, wat wir für richtig halten. Wir müssen die Regterung fortführen, wenn auch schlecht, aber so gut, wie wir können. Wir können die Ver— antwortung nicht mit dem Unterbause oder sonst jemand während des Krieges teilen. Wenn das Haug uns für so schlecht hält, daß wir entfernt und durch andere ersetzt werden müssen, so mag das geschehen. Das ist eine vernünftige Politik und wir machen es dem Unterhause gern leicht.

Die Regierung hat, obiger Quelle zufolge, die In— haber von argentinischen undchilenischen Wertpapieren aufgefordert, diese der Regierung zur Ver fügung zu stellen.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ hat Dr. Addison vom Minitiongministerium in Woolwich eine Rede über die Munitionsindustrie gehalten, in der er u. a. sagte, daß noch wenigstens 315 000 männliche und 100 000 weibliche Munitionsarbeiter nötig seien, um das große Munitionserzeugungs⸗Programm durchzuführen.

Die Verlustlisten vom 1., 2. und 3. enthalten die Namen von 195 Offizieren (25 gefallen) und von 4350 Mann, von 135 Offizieren (51 gefallen) und von 2400 Mann und von 52 Offizieren (13 gefallen) und von 3475 Mann.

Frankreich.

Die Senatskommission unter dem Vorsitz Clemenceaus hielt dem „Temps“ zufolge vorgestern eine zweste Sitzung zur Be⸗ sprechung der ⸗Bootfrage ab. Admiral Lacaze berichtete über die Verteidigungsmittel gegen die U, Boote und die Organisation zur Küstenverteidigung.

Niederlande.

Die Wochenschrift „Toekomst“ meldet, daß das hollän⸗ dische Unterseeboot „K. J.“ und das Begleitschiff „Witte Zee“ auf der Reise nach Indien, obwohl beide Fahrzeuge durch ihre Flaggen deutlich als holländische er⸗ kennbar waren, an der französischen Westküste von einem französischen Patrouillenfahrzeug und bei Gibraltar von englischer Seite ohne vorherige Untersuchung heschossen worden sind. Die Granaten flelen in geringer Entfernung von den Schiffen ins Wasser. Nach einiger Zeit sah man offenbar den Fehler ein und hörte mit dem Feuern auf. Die betreffenden französischen und englischen Kom⸗ mandanten hahen es aber nicht für nötig gehalten, sich wegen dieses Mißgriffs zu entschuldigen oder sich zu überzeugen, ob die Schiffe durch das Feuer beschädigt worden seien.

„Das Marinedepartement teilt laut Meldung des W. T. B.“ mit, daß wegen der häufigen Benutzung der Route um Nordschottland das Eirland-Leuchtfeuer (3) wieder in Betrieb gesetzt worden ist. Es dürfe aber nicht unter allen Umständen darauf gerechnet werden, da in dringenden Fällen das Licht ohne vorherige Warnung von den Militär— behörden gelöscht werden könne.

Schweden.

Einer Mitteilung an die schwedischen Behörden zufolge ist russischerseits der Befehl zur Anlegung eines neuen Minen— feldes im Alandsmeere an der schwedischen Territorial— grenze zwischen 59 Grad 40 Minuten nördlicher Breite und 59 Grad 52 Minuten nördlicher Breite gegeben worden.

Türkei.

Aus Anlaß des zweiten Jahrestages des Eintritts der

Türkei in den Weltkrieg hat der Vizegeneralissimus Enver

Pascha an den Höchstkommandierenden der K. u. K. öster⸗

reichischungarischen Streitkräfte, wie „W. T. B.“ meldet, folgendes Telegramm gerichtet:

Vie Kaiserlich türkische Armee sendet ihren siegreichen ver⸗ bündeten Waffenkameraden der K. u. K. österreichisch · ungarischen Armee ihre herzlichsten Grüße gelegentlich des Tages, an dem die Türkei am Weltkriege sich beteiligte, um sich und die gerechte Sache mit Blut und Leben zu verteidigen. Gottes Hand lenkte sie den richtigen Weg, und unser hoher Kriegshert ließ die Fahnen seiner siegreichen Vorfahren wieder einmal auf dem Felde der Ehre wehen. Zwel Jahre haben die tärkischen Streltkrãäfte für die Gerechtigkeit gesiegt, zwei Jahre haben sie siegreich den ver⸗ bündeten Heeren fest und treu beigestanden. Noch einmal war es den Türken beschieden, ihren traditionellen hohen Geist der Opfer— willigkeit für ihre Heiligtümer und ihre Treue zu ihren Bundeg— genossen für die gemelnsame Verteldigung der Gerechtigkeit zu be⸗ weisen. Das Gottvertrauen ist im Herzen jedes Türken tief ge— wurzelt, und dieser Faktor allein wird genügen, bald die Lorbeeren des endgültigen Sieges auf die Häupter zu tragen.

Enber, Feldmarschall.

Der Erzherzog Friedrich erwiderte mit nachstehendem Telegramm:

Gurer Exzellenz liebenswürdigeg Gedenken zum 29. Oktober erfüllt mich mit inniger Freude. Bankbar erwidert die oͤsterreichisch ungarische Wehrmacht die Grüße des ruhmreichen türkischen Heeres. Dankbar blickt sie zurück auf die vielen Beweise treuer Waffen⸗ brüderschaft, welche die osmanische Armee und ihre Führer in zwei Jahren gemeinsamen Kampfes gegeben haben und die in dem hboch—Q— herzigen Entschluß Seiner Masestät des Sultans, osmanische Truphen für die gemeinsame Sache auch fern der Helmat fechten zu lassen, den sichtbarsten Ausdruck fanden. Gottes Segen ruhe auch weiterhin auf den von Eurer Gxjellenz so erfolgreich geführten

türkischen Waffen. ) Eriherzog Friedrich, Feldmarschall und Armeeoberkommandant.

Griechenland.

Einer Meldung des „Reuterschen Bureau“ zufolge ver⸗ langte der Admiral Fournet die Einwilligung der griechischen Regierung dazu, daß ihre leichten Flottenstreitkräfte unter französischer Flagge und mit französischer Besatzung zum Schutze gegen deutsche OU⸗Boote ver⸗ wendet würden. Das Kabinett hielt vorgestern eine Be⸗ ratung unter dem Vorsitz des Königs ab und beschloß, die Forderung des Admirals als unannehmbar abzu⸗ lehnen, da eine Einwilligung gleichbedeutend mit dem Auf⸗ geben der Neutralität sein würde.

Wie der „Corriere della Sera“ meldet, dürfe man annehmen, daß die Gefahr einer Verwicklung wegen der Be⸗ setzung von Ekaterini durch venizelistische Truppen beseitigt sei, wenn auch die Lage noch gespannt und die Erregung groß sei. Personen aus der Umgebung des Königs hätten erklärt, daß dieser äußerst empört sei. Er halte sich nach dem revolutionären Druck, der Altgriechenland bedrohe, von allen Verpflichtungen, die er der Entente gegenüber eingegangen sei, entbunden. Er werde daher die Truppen aus Thessalien nicht zurückziehen, sondern habe bereits Befehl gegeben, nach Ekaterini Ver⸗ stärkungen zu entsenden und es um jeden Preis zurückzuerobern. Am Freitagabend hätten die Gesandten Frankreichs und Eng⸗ lands eine lange Unterredung mit dem König gehabt, wobei dieser seine Absicht bestätigt habe, mit Gewalt gegen die Revo⸗ lutionäre vorzugehen und die Truppenverschiebungen nach dem Peloponnes solange aufzuschieben, bis die Revolutionäre Ekaterini wieder ausgeliefert hätten und die Entente Garantien gegeben habe, daß die Revolutionäre nur gegen die Bulgaren in Ost⸗ mazedonien operieren würden. Der „Morning Post“ zufolge wird in venizelistischen Kreisen als Grund für die . von Ekaterini die Torpedierung griechischer Schiffe mit Frei⸗ willigen an Bord angegeben, wodurch ihr Transport zu Lande über Ekaterini notwendig geworden sei.

Laut „Eleutheros Tipos“ haben die Ententegesandten die Frage der Besetzung Ekaterinis erörtert und beschlossen, eine neutrale Zone zu schaffen, um Zusammenstöße zwischen Revolutionären und Königstreuen zu vermeiden. Da diese jedoch schon begonnen haben, haben Truppen der Verbündeten, wie Reuter meldet, Ekaterini besetzt.

Einer Meldung des „Petit Journal“ aus Saloniki zufolge erörterte die provisorische Regierung die Möglich⸗ keit einer Bewaffnung der griechischen Da mpfer im Inselverkehr. Ferner set beschlossen worden, in Saloniki und Kanea einen Gerichtshof einzusetzen.

Amerika.

Die Arheiterorganisationen haben dem „Daily Telegraph“ zufolge in verschiedenen Teilen Kanadas gegen den Vorschlag der Kommission für nationale Dienste auf

ine industrielle Registrierung als Mittel zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht Einspruch erhoben, weil diese Registrierung sich auf die Arbeiterklasse beschränke.

Afrika.

Ein Telegramm des „Secolo“ aus Kairo besagt, dort be⸗ stätige sich das Gerücht von der Gefangennahme Ras Mikaels, während Lidjz Jeassu nach Pankali Kale ge⸗ flüchtet sei.

Statistik und Bolkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Besitzer der Kohlenzechen von Südwales baben, wle .W. T. B. erfährt, dem Arbetterverband angezeigt, daß sie eine Herabsetzung der Löhne um 10 0 vornehmen wollen. Die Bergleute ihrerselts haben elne Aufbefserung um 15 90 verlangt.

Nach einer von W. T. B.“ wiedergegebenen Meldung dez Petit Journal aus Melbourne stellten in elf Kohlenminen« beijirken von Mattland die Bergleute die Arbeit ein, da ihnen der Achtstundentag nicht bewilligt wurde.

Kunst und Wissenschaft.

Die physikalisch⸗mathematische Klasse der König— lichen Atademie der Wiffenschaften hielt am 26. Oktober unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Planck eine Sitzung, in der Herr Struve über Neue Untersuchungen über die Be⸗ wegungen im Saturnspstem, J. Enceladus. Dione, las. Gine während des vergangenen Frühjahrs ausgeführte Beobachtungsreihe der Saturnsmonde am neuen großen Refraksor der Babelsberger Sternwarte hat die Veranlassung dazu gegeben, frühere Unter⸗ suchungen über das Saturn system wöederaufzunehmen und in einzelnen Teilen zu pervollständisen. In der Mitteilung dez Herrn Planck wurden die periodischen Störungen der Monde Enceladuä. Dione aus ihren Längen abgeleitet und daraus Folgerungen über die Bahnelemente und Säkularbewegungen dieser Monde gezogen, die eine Verbesserung der aus den Babnbestimmungen früher erlangten Resultate ermög' lichen. Herr Einstein legte eine Abhandlung vor: Ham ilton- sches Prinzip und allgemeine Relativitätstheorte. Die Grundgesetze der allgemeinen Relativitätstheorte werden nach dem Vorgange bon H. A. Lorentz und D. Hilbert in einem Variations satz bereinigt, und eg wird dargetan, inwlefern das Relatwwitätepoffulat den Impulsenergiesatz bedingt.

In der an demselben Tage unter dem Vorsitz ihres Sekretars herrn Roethe abgehaltenen Sitzung der vhilofophisch-bistori⸗ chen Klasse sprach Herr Stumpf über Embfindung und Vorstellung beim Gesichts sinn e. Der wesentlichste Unter⸗ ö liegt, wie beim Gehör, in der Intensttät der Er— scheinung. Die Stärke der e, , (zu unter⸗ scheiden bon ihrer Helliakelt muß junaͤchst für die Ürfarben definiert werden, in die eine bestimmte Farbenerscheinung, sei es anschaulich, sei es nur gedankenmäßlg, zerlegt werden kann. Der Anfell einer Urfarbe ist ihre Teilstärke. Die Stärke des Ganzen kann infolge der endogenen Erregung niemals unter die des Augengrau herabfinken. Die unterhalb dieses Werteg liegenden e. kennzeichnen dle bloßen Vorstellungen. Im Vorstellungsgeblete wlederholen sich analoge Stärkeverhältnifse jwischen, den Teilen. einer Farbenerscheinung. Herr Diels überreichte elne Abhandlung Phtlodemos Reber die Götter“. Drittes Buch. Grster Teil. Griechlscher Tirt. Ee