1916 / 266 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Nov 1916 18:00:01 GMT) scan diff

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Wolle oder Kunstwolle enthalten ist, zur Herstellung von Garnen oder Gemeben unt r Mitverwendung von Papier verboten. Lediglich die bei Inkraftiret n der Bekanntmachung gebäumten Paynierketten dürfen unter Verwendung von Wolle oder Kunst⸗ wolle, soweit es nicht bisher bereits verboten war, abgearbeitet werden. Der Wortlaut der Bekanntmachung ist bei den Polizeibehörden einzusehen.

u der Bekanntmachung, betreffend Beschlag nahme und Bestandserhebung von Web-, Wirk- und Strick— waren, vom 1. Februar 1916 Nr. W M. 1000/11. 15. K. R. A. ist heute ein Nachtrag erschienen, der im wesentlichen den Kreis der von der Beschlagnahme betroffenen Gegenstände auch auf diejenigen Waren ausdehnt, die unter Mitverwendung

von Papier hergestellt sind. Der Wortlaut des kurzen Nach⸗

trages ist bei den Polizeibehörden einzusehen.

Am 22. September 1916 erschien eine Bekanntmachung, betreffend Bestandserhebung über Schmiermittel, durch die betroffen werden:

1) Alle Mineralöle und Mineralslerjeugnisse, die als Schmleröl oder als Spindelsl für sich allein oder in Mischungen verwendet werden können, und zwar werden sie sowohl für sich allein als auch in Mischungen betroffen.

Insbesondere sind somit auch betroffen: alle im vorhergehenden Absatz bezeichneten Oele, die zum Schmieren von Maschinenteilen, zu Härtung oder Kühlzwecken, oder bei der Herstellung von Textilien, bet der Herstellung oder Erhaltung von Leder, zur Hersellung von Starrschmieren (konsistenten Fetten), von wasserlöglichen Oelen (Bohröl usw.), von Vaseltne, von Putzmitteln (auch Schuhcreme) gebraucht werden können.

2) Alle Mmeralölrückstaͤnde (Goudron, Pech), die zu Schmier⸗ jwecken yerwendet werden können oder aus denen Schmieröle oder Schmiermittel gewonnen werden können.

3) Alle der Steinkohle, der Braunkohle oder dem bituminösen Schiefer entstammenden Oele, die zu Schmierzwecken verwendet werden können.

4) Alle Starrschmieren (konsistenten Fette).

5) Laternenöle (Mineralmischöle).

Der Meldepflicht unterliegen alle Personen usw., die die genannten Gegenstände im Gewahrsam haben. Die erste Mel⸗ dung war für die bei Beginn des 22. September 1916 vor—⸗ handenen Vorräte bis zum 12. Oktober 1916 zu erstatten, und zwar auf besonderen Meldescheinen, die von der Kriegs⸗ schmieröl⸗Gesellschaft m. b. H. (Abteilung für Be⸗ schlagnahme), Berlin W. 8 (Kanonierstraße 29 30) anzu— fordern, und an die auch die Meldungen einzusenden sind. Aus⸗ genommen von der Meldepflicht sind nur Mengen von insz⸗ gesamt weniger als 500 kg.

Die zweite Meldung ist für die bei Beginn des 1. November 1916 (Stichtag) vorhandenen Vorräte bis zum 10. November 1916, die folgenden Meldungen für die mit Beginn eines jeden folgenden Monats (Stichtag) vorhandenen Vorräte bis zum 10. Tage des betreffenden Monats zu erstatten. Die ersten Bestandsmeldungen sind in so geringer Zahl eingegangen, daß es unzweifelhaft erscheint, daß eine erhebliche Zahl von Meldepflichtigen der Meldepflicht nicht genügt hat. Unter Hinweis auf die bei Unterlassung der Meldung verwirkten erheblichen Strafen (Gefängnis bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe bis zu 10 000 MH; auch können Vorräte, die verschwiegen sind, im Urteil für den Staat verfallen erklärt werden) wird an die Erfüllung der Melde⸗ pflicht dringend erinnert, damit bei den durch die Königlichen Stelloertretenden Generalkommandos veranlaßten Nachprüfungen jeder Grund zum Einschreiten fortfällt.

Die zu der Meldung erforderlichen Meldescheine sind von der Kriegsschmieröl⸗Gesellschaft m. b. H. (Abteilung für Be⸗ schlagnahme), Berlin W. 8 (Kanonierstraße 29 / 30) unverzüglich anzufordern. Die Anforderung hat auf einer Postkarte zu er⸗ folgen, die mit deutlicher Unterschrift und genauer Adresse zu versehen ist.

Zur Unterstützung bei der Ermittelung unbekannt Ver— storbener werden vom Zentral⸗Nachweisbureau des Königlichen Kriegsministeriums Photographien solcher Verstorbenen in zeit⸗ weilig herausgegebenen Sonderverlustlisten veröffentlicht. Wie durch „W. T. B.“ mitgeteilt wird, werden diese Sonder⸗ verlustlisten den Ortspolizeibehörden ständig übersandt und können dortselbst von Interessenten eingesehen werden.

Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeiger“ liegen die Ausgaben 1254 und 1255 der Deutschen Verlust⸗ listen bei. Sie enthalten die 682. preußische, die 315. bayerische, die 353. sächsische und die 492. württembergische Verlustliste.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Gestern mittag übermittelte der Präsident des österreichi⸗ schen Abgeordnetenhauses Sylvester dem Ministerpräsidenten von Koerber die Ergebnisse der letzten Beratung der Obmänner der Parteien des Reichsrats über die Frage der Wieder⸗ herstellung des parlamentarischen Lebens in Oesterreich. Der Ministerpräsident nahm die Darlegungen zur Kenntnis und sagte Blättermeldungen zufolge in seiner Antwort, daß der k des Reichsrats eingehende, sorgfältige Verhand⸗ lungen der Regierung mit den Parteien vorausgehen müßten. Die neue Regierung sei erst kurze Zeit im Amte und werde in erster Reihe durch Ernährungsfragen in Anspruch genommen. Er hoffe jedoch, in absehbarer Zeit auch in dieser Frage mit den Parteien in Fühlung treten zu können.

Die deutsche Arbeitsgenossenschaft hat in ihrer vor⸗ gestrigen Vollversammlung beschlossen, gegenüber dem Mini⸗ sterium von Koerber eine freundlich zuwartende Haltung einzu⸗ nehmen. Ferner haben sich die beiden Klubs der ruthenischen Abgeordneten aus Galizien zu einem Klub zusammengeschlossen, der den Namen „Ukrainische parlamentarische Ver⸗ einigung“ trägt. Zum Obmann wurde Romanczuk, zu Stellvertretern Petrusiewicz und Baszynski gewählt.

Gestern vormittag fand anläßlich der Proklamierung des Königreichs Polen in Lemberg in der Kathedralkirch⸗ eine vom Erzbischof Bilbzewski zelebrierte Pontifital⸗ messe statt. In der Kirche waren u. a. erschienen: der General⸗ oberst von Böhm⸗Ermolli, der Stadtkommandant, Vertreter des österreichischungarischen und deutschen Offizierkorps, der Kommandant der Sammelstelle der polnischen Legionen, der deutsche Generalkonsul Heinze, Vertreter der Universität, der

Technischen Hochschule und die Spitzen der Behörden. Am Schlusse des Gottesdienstes wurden unter Glockengeläute ein Tedeum und die Hymne „Gott, der Du Polen“ gesungen.

Großbritannien und Irland.

Der Premierminister Asquith hielt gestern auf dem Lordmayorsbankett in der Londoner Guildhall laut Bericht des „W. T. B.“ die folgende Rede:

Ich entsinne mich des Belfalls, den bei einer früheren Gelegen⸗ heit hier mit vorzeitiger und, wie die Ereignisse bewiesen haben, un⸗ begründeter Genugtuung der Triumph dessen, was man die jung⸗ türkische Bewegung nannte, über die von Spionen getragene und blutbefleckte Tyrannei des Sultang Abdul Hamid gefunden hat. Wir hofften in jenen Tagen auf eine Wiedergeburt des ogmanlschen Reiches von innen heraus. Unsere Hoffnungen sind getäuscht worden und sind zunichte geworden, und wir erkennen jetzt alle, daß die Fortdauer türkischer Herrschaft in Europa, wo der Türke immer ein Fremder und ein Eindringling gewesen ist, schon dazu geführt hat und, wenn man ihr gestattet, fortzudauern, in noch höherem Maße dazu führen wird, daß der Türke nur ein Vasall und unterwürfiger Agent der deutschen Interessen und Ansprüche ist. Lassen Sie mich ein praktisches Beipiel anfübren. Zu den versklapten Rassen, die am meisten unter der ogmanischen Herrschaft gelitten baben, gehören die Arm enter, deren unterschiedslose Hinschlachtung die ganze zivilisierte und christliche Welt in unserem Lande, in Rußland und vielleicht noch mehr in den Vereinigten Staaten entsetzt hat. Die Leiden dieses Volkes haben tiefes Mitleid erweckt, und alle drei Länder haben große Summen aufgebracht, um ihm in seiner gegenwärtigen Lage zu helfen und ihm in Zukunft wieder ein Vaterland zu geben. Ich brauche nicht zu sagen, daß die britlsche Reglerung diese Bemühungen mit großer Sympathie sieht und entschlossen ist, daß eine Zelt der Freiheit und Erlösung für dieseg alte Volk anbrechen soll. Aber Deutschlamd, das als Herr der Türket mit einem Wink diesem organisterten Feldzug von Vergewaltigung und Metzelei gegen ein christliches Volk hätse Einhalt tun und, wenn es gewollt hätte, ihn verhindern können, Deutschland hat unbewegt und ergeben und können wir es wissen vielleicht beifällig zugeschaut. Dies ist ein Beispiel und ein bezeichnendes Beispiel fuͤr die wahre Bedeutung einer germanisierten Türket.

Ich will heute abend nicht versuchen, einen Ueherblick über die Kriegslage zu Lande und zur See ju geben. Uasere Flotte, die fern von der Oeffentlichkeit und ohne Reklame arbeitet, aber wachsam und allgegenwärtig ist, hält die Wege, auf denen der Feind seine Vorräte bezleht, in immer fester werdendem (Göriff und ist bereit, und mehr als berit, eine Entscheidung auf offener See zu suchen, wenn immer sich die Gelegenbeit bietet. Unsere tapfern Heere auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen haben niemals auffallender ihr Anrecht bewiesen, die besten Ueberlieferungen unserer Ver gangenheit ju erhalten und glänzen ju lassen. In dem Titanen kampfe an der Somme mit seinem täglichen Rekord unvergeßlicher Belspiele von Heroismus des einzelnen und der Allgemeinheit ge— winnen sie ständig Boden und weschen niemals einen Zoll zurück. In Salonikt, Aegypten, Mesopotamien und Ostafrt ka if ihr Rekord der gleiche. Frankreich kämpft Schulter an Schulter mit uns an der Somme und hat im Laufe von wenig mehr als 141 Tagen das ganze Ergebnis der gewaltigen dem Feinde äußerst teuer zu stehen kommenden achtmonatigen Anstrengung bei Verdun ver⸗ nichtet. Italien rückt stetig und sicher nach Triest vor. Rußland erfüllt mit unverminderter Tatkraft und Stärke selne kolossale Aufgabe, und unserem rumänischen Verbündeten zollen wir einen besonderen Tribut der Bewunderung und Dankbarkeit für die glänzende, hart näcklge Aufrechterhaltung seiner Front. Die Serben spielen eine wertvolle Rolle und entfalteten niemals ehrenpoller die unbezwing⸗ baren Eigenschaften ihrer Rafse. Auch Portugal, unserer ältester Verbündeter, jrägt seinen Teil für die gemelnsame Sache bei. In bezug auf Griechenland spreche ich mit Hoffnung, ich wünschte, ich könnte sagen, mit Vertrauen. Wie alle Welt weiß, gingen wir und unsere französischen Verbündeten nach Saloniki nicht als Eindringlinge und Rechtsverletzer, sondern wir gingen dahin mit Zustimmung der griechischen Regierung, als Freunde sowohl Serbiens als Griechenlands. Wir haben keinen und hatten nie einen Strelt, im Gegenteil, wir haben tiefe, aufrichtige Freund schaft für Griechenland. Als elne der Garantiemächte seiner Unabhängigkest und Freiheit wünschen wir geleichzeitig zu verhüten, daß es in das germanische Netz verstrickt wird, und es vor innerem Hader zu bewahren. Waz auch für Maßregeln offenbar drastischer Art von den Verbündeten ergriffen worden sind, so sind sie nur von der Notwendigkeit eingegeben worden, zu verhindern, daß Athen der Brennpunkt und Mittelpunkt deutscher Werbetätigkeit und Intriguen wird oder vleimehr fortfährt, das zu sein. Ich eikläre ganz offen daß wir für diesen großen grüechischen Patrioten Ventzelos heriliche Sñmpathse haben. Er hat uns versichert, und wir nehmen seine Versicherung voll an, daß seine Anstreugungen und seine Organi⸗ satton keine antidbynastischen Ziele verfolgen. Das einzige Ziel seines Strebens ist, daß in dieser Welt des Kampfes Gröechenland eine würdige Rolle auf der Seite der Freiheit und in der fortschrittlichen Eatwicklung mit der Richtlinie der Unabhängigkeit und Freiheit der Balkanvölker und der osteuropäischen Gemeinschaften spielen möge. Dietz ist ein Krieg für die Befreiung der kleineren Staaten. Wie kann Grlechenland in einem solchen Kampfe beiseite stehen? Eines der Ziele der Verbündeten und namentlich derer, die, wie wir, zu den Garantiemächten gehören, ist, daß wir noch einmal in der Lage wären, in der wir uns hefanden, als Venielos Ministerpräsident war und wir zuerst nach Salonikt gingen. Hellas war es, das als erste unter den Nationen in Europa das Licht der Freiheit anzündete und dem Einbruch östlicher Barbarei und Tyrannei Widerstand leistete. Barbarei und Tyrannei sind ewige Feinde des Besten im Menschen, ob sie von Osten oder von Westen kommen, ob sie unverhüllt und schamlos einherkommen oder behangen und verhüllt in dem Kleide der Kultur. Möge Griechenland sein Licht , anzünden und sich seiner unsterblichen Vergangenheit würdig erwetien.

Lassen Sie mich, ehe ich schließe, einige Worte über die all- gemeineren Aussichten der Lage sagen. Wir wollen uns über unsere Feinde keinen Illusionen hingeben. Sie sind große Organi⸗ satoren und vortreffliche Kämpfer auf dem Schlachtfelde. Sie sind auch, ich will nicht sagen kunstvolle, aber doch unermüdliche Aibeiter auf einem ganz anderen Gebiete, auf dem Gebiete der Werhetätigkeit. Und in dieser Beziehung sind ihre Be⸗ mühungen auf zwei Ziele gerichtet, darauf, die Verbündeten zu verunelnigen, und darauf, die öffer tliche Meinung der Neufralen für sich selbst einzufangen. Um von dem zweiten zuerst zu sprechen: Es wird in neutralen Ländern die Behauptung ausgestreut, daß wir, die Verbündeten, die finstere Absicht hätten, uns nach dem Kriege gegen sie zusammenzuschließen und eine unüberstelgbare Stein⸗ mauer gegen ihren Handel zu errichten. Dag ist eine kindliche Ein bildung. Denn, wenn dag wahr wäre, so würde es bedeuten, daß wir alle zusammen auf wirtschaftlichen Selbstmord ausgingen. Es sollte überflüssig sein, zu versichern, daß, wenn die Zeit für Frieden gekommen sein wird, die Verbündeten vom Stand punkte ihrer eigenen Interessen aus auf nichts mehr Gewicht legen werden, als darauf, die besten industriellen und finanztellen Be⸗ ziehungen mit den neutralen Mächten herzustellen. Das erste er—⸗ wähnte Ziel der deutschen Werbeiätigkeit besteht in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung in jedem der kriegsühbrenden Länder zugunsten eines Sonder frieden, und es werden verschiedene Gründe hier⸗ für an den verschledenen Stellen ausgestreut. Beispielsweise wird hier in Großbritannien angegeben, Deutschland sei bereit, die Un⸗ abhängigkeit Belgiens wiederberzustellen und ihm Entschädigung zu leisien, und daß auf dieser Grundlage ein billiger Friede erlangt werden könnte, soweit der besondere britische Kriegsgrund in Frage käme, und daß wir von unseren Verbündeten im Kriege weiter gezerrt würden, um besondere Ansprüche Frankreichs oder Ruß⸗

lands oder Ilallens za befriedigen, an denen wir kein un mii telhares Juterefse oder Antest hätten. Lassen Sie mich hesläufig bemerken, daß wir ebenso zur Wilederheistellung und Unabhängigkeinn Serbien verpflichtet sind, und, sowelt ich sehe, hat niemand, der le deutsche Werbeiätigkelt betreibt, auch nur angedeutet, daß Deutsch⸗ land berelt wäre, diesem Verlangen entgegeniukommen. Ich möchte sedoch ohne Zögern oder Zurückhaltung erklären, daß die Verbündeten für eine gemeinsame Sache fechten, daß für das Ziel des Krieges ihre Interessen auch die unferigen find, wie wir auch glauben, daß unsere Intereffen die ihrigen sind, und daß ein Sieg, Her sie alle erfüllt, unserer Meinung nach die wesentliche Be= bingung eines dauernden Fiiedens ist. Das System, das die' deutsde. Propaganda gegen unsere Verbündeten, ins besondere Ruß land anwendel, ist gerade entgegengesetzt. Dort werden wir als die Macht hingestellt, der eg darum zu tun ist, den Krieg fortzusetzen und die Möglichkeit eines Sonderfriedens wie eines allgemeinen Friedens zu hintertreiben. Wir werden hingestellt als ein Volk, das Geld zu Wucher insen ausleiht, das aus der Munition und anderem Bedarf, den wir liefern, und aus der Verschiffung, dte wir besorgen, gewaltige Gewinne zieht. Wir werden hingestelli, als erfüllten wir die uns von Napolcon zugeschriebene überlieferte Auf- gabe elner Nation von Hökern und Händlern, als beuteten wir skrupellos und ohne Maß die Notlage unserer Brüder im Streit aus. Jo, Frieden wollen wir, aber nur unter der einen Bedingung, daß der Krieg mit seinen ungeheuren Opfern, unsagbaren Leiden und ruhmpollen und unsterblichen Beispielen bon Mut und Selbst— losigkeit nicht vergeblich gewesen sein soll. Ein Separatfrieden kann nicht in Frage kommen, und der Frieden, mag er früher oder svãter kommen ich will keinen Augenblick meine Ueberzeugang verhehlen, daß der Kampf alle unsere Hilfsquellen und alle unsere Geduld und Entschlußkraft in Anspruch nehmen wird —, wird ein solcher sein müsfen, der aufgebaut ist auf einer sicheren und festen Grundlage und Bürgschaft: für die Schwachen, für die Freiheit Europas und für die zukünftige Freiheit der Welt.

Im Verlaufe der Unterhaus debatte über den Verkauf der deutschen Besitzungen in Nigerien befürwortete Carson, wie „W. T. B.“ mitteilt, zum Kaufe nur Briten und britische Gesellschaften zuzulassen, und fragte, ob die Re⸗ gierung beabsichtige, die Früchte des Krieges, die bis jetzt kärglich genug seien, allein den Briten zugute kommen zu lassen, oder ob sie auch andere teilnehmen lassen wolle. Er sagte ferner, die Minister wüßten nicht, wie gereizt die Stimmung im Lande wegen des Einflusses und der Anstrengungen der Feinde sei. Das einzige Kriegsziel sei, das Preußentum und die Einmengung Deutschlands in den britischen Handel zu ver— nichten.

Der Staatssekretär des Innern Samuel erklärte den „Central News“ zufolge, daß die britische Regierung wegen der Notwendigkeit, 15 Millionen Tonnen Kohlen mehr als bisher zu erzeugen, beschlossen habe, alle Männer vom Militär⸗ dienst zu befreien, die vor dem 24. Juni in der Kohlenindustrie angestellt waren.

Die Verlustlisten vom 6., 7. und 8. enthalten die Namen von 234 Offizieren (73 gefallen) und von 4750 Mann und von 35 Offizieren (10 gefallen) und 3100 Mann sowie von 41 Offizieren (10 gefallen) und von 3914 Mann.

Frankreich.

Der Finanzminister Ribot teilte gestern nach einer Meldung der „Agence Havas“ in der Kammer mit, daß die Anleihe 11 Milliarden 360 Millionen ergeben habe.

Der Minister des Innern brachte in der Kammer einen Gesetzentwurf ein, durch den Gastwirtschaften und ä hn⸗ lichen Betrieben des Departements Seine eine Steuer über 5 Francs für den Kopf auferlegt wird. Das Er⸗ gebnis der neuen Steuer wird für Kriegszwecke bestimmt werden. Aehnliche Steuern werden außerdem von den Ge⸗ meinden auferlegt werden können.

Nußzland.

Laut Meldung der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ haben sämtliche Mitglieder der Duma, sowohl die russischen wie die polnischen, das von Deutschland und Oesterreich-⸗Ungarn veröffentlichte Manifest, betreffend die Wiederherstellung Polens, mit lebhafter Mißbilligung aufgenommen.

In einer Versammlung des Slavischen Hilfsvereins in St. Petersburg ist am Mittwoch nach Ansprachen der anwesenden Polen und Russen eine Entschließung an⸗ genommen, die den Schritt Deutschlands und Oesterreich⸗ Ungarns als einfache Herausforderung bezeichnet.

Italien.

Wie die Mailänder Blätter melden, hat vorgestern in der Consulta ein Ministerrat stattgefunden. Nach einer Ver⸗ fügung der Regierung dürfen die Zeitungen von jetzt an über die Verhandlungen und Entschlüsse des Ministerrats nur noch die amtlichen Mitteilungen veröffentlichen.

Dänemark.

Wie „Politiken“ meldet, wollen die dänischen Marinehehörden das Wrack des deutschen Unterseebootes, das bei Harboöre gestrandet ist, näher untersuchen lassen. Eine Militär⸗ abteilung ist vorgestern in Harboöre eingetroffen. Sobgld sich der hohe Seegang gelegt hat, wird das Wrach in Besitz ge⸗ nommen. Zeigt es sich, daß es nicht entfernt werden kann, soll es zerlegt werden, worauf die einzelnen Wrackstücke all⸗ mählich versanden können.

Die Generalpostdirektion teilt mit, daß vom dänischen Amerikadampfer „Hellig Ola“, auf der Reise von Kopenhagen nach New York, bei der Durchfuchung in Kirkwall die gesamte Brief- und Paketpost beschlagnahmt worden ist.

Amerika.

Nach einer heute hier eingetroffenen Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus New * ist Wilson zum Präsidenten gewählt worden.

Kriegsnachrichten.

Großes Hauptquartier, 10. November. (B. T. B.)

Westlicher Kriegsschauplatz.

Bei günstigen Beobachtungsverhältnissen war an vielen Stellen der Front die beiderseitige Feuertätigkeit lebhaft.

Im Sommegebiet erfolglose feindliche Teilangriffe bei Eaucourt L' Abbaye, bei Gueudecourt, bei Lesboeufs und Pressoire. Stärkere französische Kräfte gingen beider⸗ seits von Sailly vor; sie wurden, zum Teil im Nahkampf, abgeschlagen.

Die Flieger setzlen ihre tagsüber sehr rege Tätigkeit in der mondhellen Nacht fort. In den zahlreichen Luftkämpfen haben wir im ganzen 17 feindliche Flugzeuge, die Mehrzahl beiderseits der Somme, abgeschossen. Unsere Geschwader wiederholten ihre wirkungsvollen Angriffe auf Bahn⸗ höfe, Truppen und Munitionslager, besonders im Raume zwischen Pésronne und Amiens.

Oestlicher Kriegsschauplatz Front des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern.

Unter Führung des Generalmajors von Woyna stürmten brandenburgische Truppen und das Infanterieregiment Nr. 401 in der Gegend von Skrobowa in etwa 4 km Breite mehrere russische Verteidi⸗ gungslinien und warfen den Feind über den Skrobowa⸗Bach zurück. Unseren geringen Ver⸗ lusten stehen bedeutende blutige Opfer des Feindes und eine Einbuße an Gefangenen von 49 Offizieren, 3380 Mann gegenüber. Die Beute beträgt 27 Maschinen⸗ gewehre, 12 Minenwerfer. Der Russe hat auch hier wieder eine schwere Niederlage erlitten.

Front des Generals der Kavallerie Erzherzog Carl.

Unsere Angriffe im Gyergyo⸗Gebirge nahmen einen günstigen Fortgang. Gelände, das in den seit dem 4. No⸗ vember hier im Gange befindlichen Kämpfen verloren gegangen war, wurde bereits fast vollständig zurückgewonnen.

Im Predeal-Abschnitt wurden westlich von Azuga neue Fortschritte gemacht und rumänische Gegenangriffe beiderseits der Paßstraße abgeschlagen. 188 Gefangene und 4 Maschinengewehre blieben in unserer Hand.

Beiderseits des Alt erfolgreiche Gefechte, in denen sich neben bayerischer Infanterie und österreichisch⸗ungarischen Ge birgstrnppen auch unser Landsturm besonders auszeichnete.

Balkan⸗Kriegsschauplatz. Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Mackensen.

Bei Giurgiu erbeuteten Monitore 2 ruminische mit Petroleum beladene Schlepps. An der Dobrudscha⸗Front keine wesentlichen Ereignisse.

Mazedonische Front. Die Lage ist unverändert.

Der Erste Generalquartiermeister. Ludendorff.

Oesterreichisch⸗zungarischer Bericht.

Wien, 9. November. (W. T. B. Amtlich wird gemeldet: Oestlicher Kriegsschauplatz. Heeresfront des Generals der Kavallerie Erzherzog Carl.

Südlich und südöstlich des Szurduk⸗Passes blieben rumänische Angriffe abermals erfolglos. Bei Spini machten wir weitere Forschritte. 150 Gefangene und? Geb he wurden eingebracht. Westlich von Tölgyes und bei Belbor wurden

die hier vorgegangenen Russen durch deutsche Truppen wieder geworfen.

Heeresfront des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern. Außer lebhafter Feuertätigkeit an der Front beiderseits der Bahn 3Zloczow Tar nopol keine Ereignisse.

Italienischer Kriegsschauplatz. Die Lage ist unverändert.

Südöstlicher Kriegsschauplatz. An der Voju sa stellenweise mäßiges Artilleriefeuer. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstahes. von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Bulgarischer Bericht.

Sofia, 9. November. (W. T. B.) Bericht des Generalstabs. Mazedonische Front. Außer dem üblichen Artillerie⸗ feuer und Patrouillenunternehmungen ist von der ganzen Front nichts Wichtiges zu melden.

Rumänische Front. An der Donaufront in gewissen Abschnitten Artillerie⸗ und Infanteriefeuer. Zwei deutsche Kompagnien mit einer Gruppe österreichisch⸗ungarischer Monitore unternahmen einen kleinen Streifzug auf das linke Ufer gegen⸗ über dem westlichen Ausgang des Belenkanals und zwangen die Uferverteidigung zur Flucht. Die Kompagnien kehrten mit mehreren Gefangenen und einem Munitionswagen zurück. In der Dobrudscha leichte Zusammenstöße zwischen vorgeschohenen Abteilungen. An der Küste des Schwarzen Meeres Ruhe.

Türkischer Bericht.

Konstantinopel, 10. November. (W. T. B.) Bericht des Generalstabes vom 9. November.

In Persien haben wir in der Provinz Aserbaidschan den Feind zurückgeworfen, der am 3. November unsere bei Sekis liegenden Truppen anzugreifen versuchte, und ihm dabei Verluste beigebracht. ;

An der Kau kasusfront außer Scharmützeln nichts von Bedeutung.

Der Stellvertretende Oberbefehlshaber.

Der Krieg zur See.

Hamburg, 9g. November. (W. T. B.) Der nor⸗ wegische Dampfer „Pluto“, von Norwegen nach Frankreich bestimmt, ist mit Bannware in der Nordsee von einem deutschen Kriegsschiff angehalten und Abends nach Ham burg aufgebracht worden.

Christiania, 9. November. (W. T. B.) Nach einer Mitteilung an das Ministerium des Aeußern ist der Dampfer Tuleug“ am 7. November von einem deutschen U⸗Boot vor Kap Le Havre versenkt worden. Ein Boot mit dem Kapitän und drei Mann 36 in Havre ein, das zweite Boot mit dem y Maschinisten, Koch und zwei Heizern wird noch

London, 9. November. (W. T. B.) Lloyds melden: Der norwegische Dampfer . ist vorgestern ,, n. versenkt worden. Die Besatzung ist glücklich gelandet.

London, 9. November. (Meldung des „Reuterschen Bureaus“) Wie „Lloyds“ melden, ist der norwegische Dampfer „Reime“ (913 Br⸗R. T.) versenkt worden.

London, 9. November. (. T. B) „Lloyds“ melden: . britische Dampfer „Sunnyside“ ist versenkt worden.

London, 10. November. (W. T B.) Der britische Dampfer „Shelodoaten“ (2697 Brutto⸗Register⸗Tonnen) ist gesunken.

Amsterdam, 9. November. (Meldung des „Reuterschen Bureaus“) Der britische Dampfer „Suffolk Coast“ ( 780 Br. R. T.) ist gesun ken.

Parlamentarische Nachrichten.

In der gestrigen Sitzung des Hauptausschusses des Reichstags ergriff, wie ‚W. T. B.“ meldet, der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg das Wort zu folgenden Ausführungen:

Meine Herren! Der Gang der Reichstagsverhandlungen hat es mir nicht ermöglicht, noch im Plenum das Wort zu Ausführungen allgemeiner politischer Art zu ergreifen. Ich glaube aber, der Be⸗ deutung, welche ich auf diese , lege, vollkommen gerecht zu werden, wenn ich sie vor dem Forum des Hauptausschusses mache, und habe deshalb Ihren Herrn Vorsitzenden um die Anberaumung der heutigen Sitzung gebeten.

Meine Herren! Der Kern der eingehenden Besprechungen, welche hier im Hauptausschuß in allen vergangenen Wochen geführt worden sind, ist schließlich immer die Frage nach dem Fortgang und der Beendigung des Krieges gewesen. Bei unseren Feinden ist in der Regel nur von der Fortsetzung des Krieges die Rede. Auch Lord Grey hat davon in seiner Tischrede vor dem Auslandspresse⸗ berein gesprochen. Der englische Minister hat dabei ein Wort aus⸗ gesprochen, das festgehalten zu werden verdient. Er sagte, man könne nicht oft genug auf den Ursprung des Krieges zurückkommen, denn dieser Ursprung sei von Einfluß auf die Friedensbedingungen. Wenn es wahr wäre, daß der Krieg Deutschland aufgezwungen worden sei, dann sei es nur logisch, wenn Deutschland Sicherheiten gegen einen künftigen Angriff verlange. Das ist ein immerhin bemerkenswertes Eingeständnis. Natürlich folgt alsbald die Behauptung, das Gegenteil der deutschen Darstellung von den Ursachen des Krieges sei richtig, nicht Deutschland sei der Krieg aufgezwungen worden, sondern Deussch⸗ land habe Europa den Krieg aufgenötigt.

Bei der grundlegenden Wichtigkeit, die Lord Grey neuerdings dieser Frage auch für die Friedensbedingungen wieder beimißt und die wir ihr immer beigemessen haben, hin ich genötigt, den Tatbestand wieder einmal festzustellen und die Nebel zu zerstreuen, mit denen unsere Gegner den Sachverhalt verschleiern suchen. Ihnen gegen⸗ . meine Herren, kann ich dabei allerdings nur Bekanntes wieder⸗ zolen.

Der Akt, der den Krieg unvermeidlich machte,

war die russische Gene valmobilmachung, die in der-

Nacht vom 30. auf den 31. Juli 1914 angeordnet wurde. Rußland, England, Frankreich die ganze Welt wußte, daß dieser Schritt uns ein längeres Zuwarten unmöglich machen mußte, daß dieser Schritt gleichbedeutend mit der Kriegserklärung war. In der ganzen Welt, auch in England, beginnt man sich über die verhängnisvolle Bedeutung der russischen Mobilmachung klar zu werden. Die Wahtheit bricht sich Bahn. Ein englischer Gelehrter von Weltruf hat vor einiger Zeit geschrieben: „Viele Leute würden anders über das Kriegsende denken, wenn sie über den Kriegsanfang , Bescheid wüßten, be⸗ sonders über den Tatbestand der russischen Mobilmachung.“

Kein Wunder, wenn Lord Grey bei seinen neuen Rede an der russischen Mobilmachung nicht vorbeigehen konnte. Er sah sich ge⸗ zwungen, von der russischen Mobilmachung zu sprechen. Er konnte nicht mehr bestreiten, daß die russische Mobilmachung der deutschen und der österreichischen Mobilmachung vorausging. Aber da er die Schuld am Kriege von der Entente abwälzen will, macht er den gewagten Versuch, durch eine ganz neue Lesart die russische Mobil⸗ machung als das Werk Deutschlands hinzustellen. Lord Grey hat ausgeführt: Rußland hat erst mobil gemacht, nachdem in Deutsch⸗ land ein Bericht erschienen war, daß Deutschland die Mobilmachung befohlen habe, und nachdem dieser Bericht nach Petersburg tele⸗ graphiert worden war. Unter Hinweis auf die angebliche Fälschung der Emser Depesche von 1870 fügte er hinzu, daß in dem von uns gewählten Augenblick ein Manöver gemacht worden sei, um ein anderes Land zu einer Verteidigungsmaßnahme zu provozieren, und daß dann diese Verteidigungsmaßnahme von uns mit einem Ulti⸗ ., beantwortet worden sei, das den Krieg unvermeidlich gemacht gabe.

Es hat Jahre gedauert, bis Lord Grey auf diese eben so neue wie objektivfalsche Lesart der Kriegsursache gekommen ist. Der Vorgang, auf den er anspielt, ist bekannt. Das Dokument, das seiner Beweisführung zugrunde liegt, ist ein Extra⸗ blatt des Berliner Lok anzeigers“.

Die Herren erinnern sich vielleicht, daß am Donnerstag, dem 30. Juli 1914, in den früheren Nachmittagsstunden der Lokal anzeiger“ in Form eines Extrablattes die Falschmeldung ausgab, daß Seine Majestät der Kaiser die Mobilmachung befohlen habe. Die Herren wissen auch, daß auf der Stelle der Verkauf dieses Extrablattes polizeilich verhindert und die vorhandenen Exemplare beschlagnahmt worden sind. Ich kann außerdem fest⸗ stellen, daß der Staatssekretär des Auswärtigen Amts alsbald den russischen Botschafter und gleich⸗ zeitig auch alle übrigen Botschafter telephonisch davon unterrichtete, daß die vom Lokalanzeiger“ ausgegebene Nachricht falsch sei. Ebenso wurde die Bot⸗ schaft alsbald von der Redaktion des „Lokalanzeigers“ unterrichtet, daß ein Versehen vorlag. .

Ich kann weiter feststellen, daß der russäische Botschafter zwar sofort nach Ausgabe des Extrablattes eine chiffrierte Meldung nach Petersburg telegraphiert hatte, die nach dem russischen Orange⸗ buch lautete: „Ich erfahre, daß die Mobilmachungsorder für das deutsche Landheer und die deutsche Flotte soeben verkündigt worden ist“; daß aber diesem Telegramm nach der telephonischen Aufklärung durch den Staatssekretär von Jagow ein zweites in offener Sprache folgte, das lautete: „Ich bitte, mein letztes Telegramm als nichtig zu betrachten. Aufklärung folgt.“ Wenige Minuten darauf sandte der russische Botschafter in chiffrierter Sprache ein drittes Telegramm, das nach dem xussischen Orangebuch besagte, der Minister des Auswärtigen habe ihm soeben in diesem Augenblick telephoniert, daß die Nachricht von der Mobilmachung des Heeres und der Flotte falsch ist, und daß die betreffenden Extra— blätter beschlagnahmt worden seien. :

Das sofortige Eingreifen des Stgatssekretärs von Jagow zur Richtigstellung der falschen Meldung ein Ein⸗ greifen, das in dem offiziellen russischen Orangebuch in dem Telre⸗ gramm des Botschafters Swerbsjew bestätigt wird, widerlegt allein schon die Behauptung Lord Greys, daß wir Rußlandabsichtlich hätten täuschen wollen, um es zur Mobilmachung zu veranlassen. Ich kann aber auch feststellen, daß nach den Erhebungen der Kaiser⸗ lichen Postverwaltung über die Abgangszeiten der drei Telegramme des russischen Botschafters diese nahezu gleichzeitig in Petersburg an⸗

gekommen sein müssen. Die russische Regierung kann sich alle nun

einen kürzen Augenblick in dem irrigen Glauben befunden haben, daß in Deutschland bie allgemeine Möohllmachung angeordnet worden sei. Jedenfalls war die Richtigstellung der Falschmeldung bereits erfolgt, ehe die 1ussische Regierungihrer⸗ hits die allgemeine Mobilmachung anordnete. Meine Herren, wir haben lein Tribunal zu scheuen. .

Ich kann weiter feststellen, daß die neue Lesart aus- schlleßlich von Lord Gray aufgebracht wird. Die zussische Regierung selbst, die doch am besten über die Gründe ihrer Mobilmachung unterrichtet sein mußte, ist nie m als auf den Gedanken gekommen, sich für ihren ver⸗= hängnisvollen Schritt auf das Grtrablatt, des Lokalanzeigers? zu berufen, Lord Grey wird, wie ich an= nehme, den Zaren als Zeugen nicht ablehnen wollen. Der Zar hat noch am Freitag, dem 31. Sil, zwei Uhr Nachmittags, als die Mobilmachungsorder an die sämklichen russischen Streitkräfte bereits ergangen war, an Seine Majestät den Kaifer auf dessen letzten Friedensappell telegraphiert: ö

Es ist technifch unmöglich, unsere militärischen Vorbereitungen einzustellen, die durch Oesterreich⸗Ungarns Mohilisierung notwendig worden sind. Kein Wort vom „Lokalanzeiger,

ein Wort von einer deutschen Mobilmachung!

Nur beiläufig erinnere ich daran, eh auch den Hinweis des '. auf die angebliche Mobilisierung Jesterreich Ungarns keinen

rund für die russische , , Mobilmachung abgeben konnte. Sesterreich Ungarn hatte zu der Stunde, als die allgemeine Mobil⸗ machung in Rußland angeordnet wurde, lediglich acht Armeekorps an⸗ esichts des Konflikts mit Serbien auf Kriegsfuß gesetzt, und Ruß⸗ and hatte diese Maßnahme bereits am 29. Juli mit der Mobil⸗ machung von 13 Armeekorps beantwortet. Seil dem 29. Juli waren von östsrreichisch⸗ungarischey Seite keine weiteren militärischen Maß⸗ nahmen ergriffen worden, die Rußland irgendeine Veranlassung zu der der Kriegserklärung gleichkommenden allgemeinen Mobilmachung hätten Veranlassung geben können. Erst nachdem die allgemeine Mębil⸗ machung in Rußland erfolgt war, ist Oesterreich Ungarn am Vor⸗ mittag des 31. Juli auch seinerseits zur allgemeinen Mobilmachung übergegangen.

Wir unsererseits haben selbst dann noch Lang⸗ mut und Geduld geübt bis zut außersten Grenze der Rückficht auf unsere eigene Existenz und der Verpflichtung gegenüber unlkerem Bundesge⸗ nossen. Wir hätten ja schon am 29. Juli, als Rußland gegen Oesterreich mobilisierte, auch n,, mohilisieren können. er Wortlaut unseres Bündnisses mit Oesterreich⸗ Ungarn war bekannt. Niemand hätte unsere Mobilisation als eins aggressibe bezeichnen können. Wir haben es nicht getan. Aber auch auf, die Nachricht bon der russischen allgemeinen Mobilmachung haben wir e, nur mit der Verkündigung des Justandes der drohenden Kriegsgefahr geantwortet, die noch nicht Mobilmachung bedeutet. Wir hahen Ras der russischen Regierung mitgeteilt und hinzugefügt, daß die Mohbil⸗ machung folgen müssse, falls nicht Rußland binnen 12 Stunden jede Kriegsmaßnahme gegen uns und Oesterreich-Ungarn einstelle und uns hierüber bestimmte , abgebe. Wir haben damit Rußland, selbst als das Schicksal des Krieges durch seine Schuld bereiks unabwendbar schien n och ein maleine Fri st gegeben, 6 zubefüinnen und im letzten Augenblick den Weht⸗

rieden noch zu retten. Wir haben auch Rußlands Ver, bündeten und Freunden durch diesen Aufschub im letzten Augenblick noch einmal die weltgeschichtliche Möglichkeit gegeben, auf Rußland zugunsten des Friedens einzuwirken. Es war umsonst. Rußland kleß uns ohne Antwort. England verharrte gegenüber Rußland in Schweigen. Frankreich leugnete durch den Mund seines inister⸗ präsidenten gegenüber unserem Botschafter noch am Abend des 31. Juli die Tatsache der russischen Mobilmachung einfach ab und verfügte seine eigene Mobilmachung einige Stunden früher, als wir unsererseits zur Mobilmachung schritten.

Was übrigens den angeblich defensiven Charakter der tussischen . obilmachung betrifft, so will ich hier ausdrücklich feststellen, daß bei Ausbruch des Krieges 1914 poch eine im Jahre 1912 erlassene allgemeine An⸗

ma

6 der russischen Regierung für den Mohil⸗

un 1. all in Kraft war, die wörtlich folgende Stelle enthält: „Allerhöchst ist befohlen, daß die Verkündung der Mo⸗ bilisation zugleich die 2496 Deutschland ist. egen Deutschland, meine Herren! 1912gegen Deutschland! . .

Es ist unerfindlich, wie angesichts dieses aktenmäßigen Tat⸗ bestandes Lord Grey der Welt und seinem eigenen Lande mit der Ge⸗ 6. bon dem Manöver kommen kann, mit dem wir dem fried⸗ ertigen Russen die Mobilmachung gegen seinen Willen durch plumpe Täuschung über unsere eigenen Maßnahmen entlockt hätten!

Nein, meine Herren, die Wahrheit ist: Nie und nimmer hätte Rußland den Entschluß zu dem verhängnis⸗ vollen Schritt gefaßt, wenn es nicht vn der Themse her durch Handlungen und Unterlassungen zu die sem Schritt ermutigt worden wäre.

Ich erinnere an die Sachlage zu der Stunde, als Rußland den Befehl der allgemeinen Mobilmachung erließ. .

e nnn, die Instruktion, die ich am 30. Juli an unseren Bot⸗ schafter nach Wien gegeben habe. In dieser Instruktion habe ich der österreichisch⸗ungarischen Regierung eine unmittelbare Verständigung mit Rußland dringend nahegelegt und ausdrücklich ausgesprochen, daß Deutschland nicht wünsche, durch Nichtbeachtung unserer Ratschläge in einen Weltbrand hineingezogen zu werden. Lord Grey weiß auch genau, daß ich einen von ihm unserem Botschafter am 29. Juli gemachten Vermittlungsvorschlag, der mir als eine , Grundlage für die Erhaltung des Friedens schien, mit der entschiedensten Befürwortung nach Wien weitergegeben habe.

Ich habe damals nach Wien telegraphiert: ;

„Falls die österreichischungarische Regierung jede Vermitt⸗ lung ablehnt, stehen wir vor einer Konflagration, bei der England. gegen uns, Italien und Rumänien allen Anzeichen nach nicht mit uns gehen würden, so daß wir mit Oesterreich-Ungarn drej Groß— mächten gegenüberstünden. Deutschland würde infolge der Gegner⸗ schaft Englands das Hauptgewicht des Kampfes zufallen. Das Po⸗ litische Prestige Oestereich⸗ Ungarns, die Waffenehre seiner Armee sowie selne berechtigten Ansprüche gegen Serbien könnten durch die Besetzung Belgrads oder anderer Plätze hinreichend gewahrt werden. Wir n fen daher dem Wiener Kabinett dringend und nachdrücklich zur Erwägung geben, die Vermittlung zu den angebotenen Be⸗ dingungen anzunehmen. Die Verantwortung für die sonst ein⸗ tretenden Folgen wäre für Oesterreich⸗Ungarn und uns eine un⸗ gemein schwere.“

Die österreichisch⸗ungarische Regierung entsprach unseren ein⸗ dringlichen Vorstellungen, indem sie ihrem Botschafter in Berlin folgende Weisung gab:

„Ich ersuche Eure Exzellenz, dem Staatssekretär von Jagow für die uns durch Herrn von Ischtirschhy gemachten Mitteilungen derbindlichst zu danken und ihm zu erklären, daß wir trotz der Aenderung, die in der Situation seither durch die Mobilisie rung Rußlands eingetreten sei, gern bereit seien, dem Vorschlage Sir Edward Greys, zwischen uns und Serbien zu vermitteln, näher⸗ zutreten. Die Voraussetzungen unserer Annahme seien jedoch natür= lich, daß unsere militärische Aktion gegen Serbien einstweilen ihren Fortgang nehme, und daß das engliscke Kabinett die russische Re⸗ gierung bewege, die gegen uns gerichtete russische Mobilisierung zum Stillstand zu bringen, in welchem Falle selbstverftändlich auch wir die uns ö. dieselbe aufgezwungenen —efensiven militärischen e fene n in Galizien sofort wieder rückgängig machen würden.

Dem stelle ich folgende Schritte Lord Greys gegenüber: Am 27. Juli 1914 66 er auf die Bemerkung des russischen Hot⸗ . in London, in deutschen und österneichisch-ungarischen Kreisen bestehe der Gindruck, daß England ruhig bleiben werde, die Antwonl

erkündung des Krieges