1916 / 273 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Nov 1916 18:00:01 GMT) scan diff

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seitigung der Möglichkeit, bestimmte ECinkommenssteue rquellen der Ein⸗ kommensteuer zu entziehen. Durch die Veranlagungsvorschriften des Einkommensteuergesetzes im 8, 1–3 ist es möglich, daß ein Steuer- pflichtiger eine Ginkommensquelle versiegen läßt und dafür eine neue Einkommensquelle aufmacht. In diesem Falle ist die Veranlagung des Einkommens aus der versiegten Einkommensquelle nicht mehr maß— gebend für die Besteuerung aus der neuen Einkommensquelle. Ich habe die Zustimmung meiner Partei zu dem Antrage auszusprechen, und wir stimmen auch der Ueberweisung des Antrages an eine Kom— mission zu.

Abg. Frhr. von Zedlitz und Neu kir ch (freikons.): Es ist

ein Gebot der Gerechtigkeit, auch die Gewinne der Kriegszeit zun Ein—⸗

kommensteuer heranzuziehen die sich nach der Lage des Gesetzes der Steuer entziehen können. Win legen uns zwar nicht auf die Einzel— heiten des Antrages fest, sind aber mit der Ueberweisung an eine Kommission einverstanden in der Erwartung, daß dort ein brauchbarer Gesetzentwurf herauskommt und bald verabschiedet wird.

Abg. von Loos (kons.) erklärt auch fün seine Partei die Zu⸗ stimmung zur Kommissionsberatung.

Der Antrag wird einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.

Es folgt schließlich die Beratung des von allen Parteien des Hauseg eingebrachten Antrages von Bockelberg und Genossen:

die Königliche Staatsregierung zu ersuchen:

1) den Staatsbeamten, einschließlich der nicht etatsmäßig an— gestellten Beamten und Beamtinnen und der auf Pmvatdienstver⸗ trag beschäftigten Angestellten, soweit ihr Jahreseinkommen das Meistgehalt der Klasse 27 der Besoldungsordnung nicht übersteigt, sowie den in den Staatsbetrieben beschäftigten Arbeitern, deren Ein⸗ kommen während des Krieges keine wesentliche Erhöhung erfahren

hat, einmalige Kriegsteuerungszutkagen bis zur Höhe eines Monatsgehaltes oder eines Monatslohnes unter Be— rücksichtigung der Zahl der Familienmitglieder zu gewähren;

Y, die bereits laufend gewährten Kriegsbeihilfen für Kinder zu erhöhen;

3) Staatsbeamten einmalige Kriegsteuerungszulagen nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Bedürftigkeit, die kunuchst unter Zugrundelegung ihres steuerlich festgesetzten Einkommens zu ermit=

teln ist, zu bewilligen;

) eine den Bestimmungen zu I) bis 3) entsprechende Fürsorge auch den Volksschullehrern zuteil werden zu laffen.

Finanzminister Dr. Lentze:

Meine Herren! Der wirtschaftlichen Lage der Staatsbeamten und der höheren Lohnangestellten hat die Staatsregierung seit Be⸗ ginn des Krieges die allerernsteste Aufmerksamkeit gewidmet. Er— schienen die Staatsbeamten und höheren Lohnangestellten gegenüber den übrigen Berufszweigen in den ersten Monaten des Krieges um deswillen begünstigt, weil sie feste Bezüge hatten, welche von den schweren Zeiten unabhängig waren, so veränderte sich dies doch bald mit dem Einsetzen der Teuerung und mit der Preissteigerung aller Lebensbedürfnisse. Gerade die Festigkeit, die Unveränderlichkeit der Bezüge brachte es mit sich, daß die Einnahmen der Beamten mit den Ausgaben nicht in Einklang gehalten werden konnten, während be: den Gewerbetreibenden und Arbeitern die Preise und die Löhne der ganzen Wirtschaftslage eher angepaßt werden konnten und auch an⸗ gepaßt wurden. Gegenüber den Ausgaben sank infolgedessen die Kaufkraft der Einnahmen der Beamten und Lohnangestellten von Monat zu Monat, und zwar, je geringer die Besoldung war, um so mehr unter die ursprüngliche normale Linie.

Die Staatsregierung war daher genötigt einzugreifen, um Not— stände bei den Beamten auszumerzen und zu beseitigen. Mit Ueber⸗ einstimmung dieses hohen Hauses wurden zum ersten Male den geringbesoldeten Beamten besondere Kriegsbeihilfen gewährt. Aus. gehend von der Tatsache, daß, je mehr Personen auf die Einnahmen eines einzelnen angewiesen sind, die Teuerung um so fühlbarer ist, wurden die Kriegsbeihilfen nach der Anzahl der Kinder abgestuft. Es erhielten die Beamten mit einem Gehalt bis zu 2100 , jedoch ausschließlich des Wohnungsgeldes, und die Lohnangestellten mit einem Einkommen bis 2400 Kriegsbeihilfen, wenn sie Kinder be⸗ saßen, und zwar bei einem Kind und zwei Kindern 6 monatlich und dann für jedes weitere Kind je 3 monatlich.

Jedoch nach kurzer Zeit wuchs die Teuerung schon so, daß eine Revision dieser Sätze eintreten mußte. Am 1. April wurden die Sätze dahin festgesetzt, daß für das erste Kind 6 „, für das zweite Kind 8 M und fürjedes weitere Kind 4 4 gewährt wurden.

Hierbei aber konnte es auch nicht verbleiben. Es zeigte sich, daß auch der Kreis der Bedachten erweitert werden mußte, weil die Preise immer höher gestiegen waren. Deshalb trat mit dem 1. Juli, wiederum mit Zustimmung dieses hohen Hauses, eine weitere Ver⸗ änderung der Löhne und der Gehälter ein. Es wurde dabei nach zwei Richtungen hin eine wesentliche Veränderung vorgenommen. Einmal wurde der Kreis ausgedehnt bei den Beamten bis zu einem Gehalt von 3000 „, ausschließlich des Wohnungsgeldes, und bei den Lohn— angestellten bis zu 3300 (6. Ferner wurde unterschieden zwischen den teueren und größeren Industrieorten und den kleineren Orten, bei denen die Lebensbedürfnisse doch noch etwas billiger sind. Außerdem wurde beachtet, daß eine kinderlose Familie, wenn das Einkommen ein geringeres war, doch auch mit den bisherigen Bezügen nicht mehr auszukommen vermochte. Deshalb wurden bei den Einkommen bis zu 2400 auch die kinderlosen Familien mit einer Zulage bedacht und die Bezüge für die einzelnen Kinder höher angesetzt als bei dem Ein— kommen von 2400 bis 3000 4. Diese Bestimmungen gelten noch heute; es hat sich aber gezeigt, daß die Beihilfen, welche heute ge⸗ währt werden, leider nicht mehr ausreichen. (Sehr richtig! rechts.)

Es liegt nun hier dem Hause ein Antrag vor, der von sämtlichen Parteien unterzeichnet worden ist und dahin geht, daß ganz erhebliche Aufwendungen gemacht werden sollen. Ich möchte auf den Antrag selbst heute nicht näher eingehen, da er, wie ich bestimmt annehme, einer Kommission überwiesen werden wird. Nur das eine möchte ich bemerken: Die Königliche Staatsregierung hat es ihrerseits schon durchaus gewürdigt, daß in dieser ganz besonders teuren Zeit bei der langen Dauer des Krieges etwas Außerordentliches geschehen muß (Sehr richtigh, und hat auch bereits die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet. (BGravo! Die Königliche Staatsregierung ist dabei davon durchdrungen, daß diesmal etwas Besonderes geschehen muß, und daß man nicht mit den bisherigen Kriegsbeihilfen auskommt, sondern den Beamten und Lohnangestellten ein einmaliger, größerer Betrag ge— währt werden muß. (Sehr richtigh

Desgleichen ist die Königliche Staatsregierung sich bewußt, daß auch der Kreis, der zu bedenken ist, erheblich weiter auszudehnen ist als bisher. (Sehr richtig) Während bisher die Höchstgrenze die Einkommen bis 3000 waren, wird in Zukunft die Grenze er— heblich höher gajogen werden, und es werden nicht nur die sämtlichen unteren Beamten, sondern auch die mittleren und zum Teil auch die

höheren Beamten durch die Neuregelung mitkektoffen. Ferner werden auch bei dieser Neuregelung die Unverheirateten mitbedacht, und es wird bei der Staffelung nach der Anzahl der Kinder Rücksicht darauf genommen, daß auch die Kinder zwischen 15 und 18 Jahren (Sehr guth, soweit sie sich noch in der Schul⸗ und Berufsausbildung befinden, bei der Zahl der Kinder, die für die Berechnung maßgebend sind, mitgezählt werden. (Bravo)

Meine Herren, ich hoffe, daß wir in der Kommission auf dieser Grundlage sehr bald eine Verständigung erzielen werden.

An unsere gesamte Beamtenschaft sind während des Krieges in immer steigendem Maße die allergrößten Anforderungen gestellt worden. Keine einzige Behörde ist davon verschont geblieben, daß nicht die Beamten in großer Zahl zur Fahne einberufen worden sind, und bei sämtlichen Behörden ohne Ausnahme sind die frei— gebliebenen Beamten vor die Notwendigkeit gestellt, die Arbeiten für die Beamten mit zu leisten, welche in den Krieg gezogen sind. Denn die Arbeiten der Behörden sind nicht geringer geworden, sondern haben sich im Gegenteil noch wesentlich gesteigert. Voll Dankbarkeit möchte ich hier anerkennen, daß unsere Beamten mit Hingebung, mit Pflichttreue und großer Bereitwilligkeit sich bereii gefunden haben, für ihre ins Feld gezogenen Kameraden einzuspringen und Mehrarbeiten zu übernehmen, und zwar nicht nur vorüber— gehende Mehrarbeiten, sondern Mehrarbeiten für einen Zeitraum, dessen Ende jetzt überhaupt noch nicht abzufehen ist. Ich möchte auch voll Dankbarkeit anerkennen, daß unsere Beamten den ernstlichen Willen gehabt haben, sich mit der großen Teuerung der Lebensmittel abzufinden. (Sehr richtig) Unsere Beamten haben sich lange be— müht, auszukommen, ohne daß sie den Ruf nach weiterer Staats. hilfe haben erschallen lassen (Sehr richtigh; das ist auch das muß ich ausdrücklich erklären mit Dankbarkeit von der Staats—⸗ regierung vermerkt worden. Die Staatsregierung wird, soweit es den allgemeinen Interessen gegenüber vertretbar ist, für die Not der Beamten sorgen. (Bravo) Die Beamten sollen gegen die außerordentliche Teuerung, die jetzt über sie hereingebrochen ist, ge— schützt werden, und ich hege die Zuversicht, daß die Maßnahmen, die wir beschlossen haben und zu denen wir die Zustimmung dieses hohen Hauses erwarten, auch dazu dienen werden, den Beamten diese schwere Zeit nach Möglichkeit zu erleichtern. (Cebhafter Beifall)

Abg. Frhr. von Zedlitz und Neukirch (freikons): Die Ausführungen des Finanzministers sind der lebhaftesten JZuftimmung des ganzen Hauses sicher, denn wo es gilt, die Verdienste und Leistungen unserer braben und treuen Beamtenschaft anzuerkennen, wo es gilt, für sie, die Arbeiter und Lehrer zu sorgen, da gibt es in diesem Hause keine Parteien, da sind wir alle einig. Der vorliegende Antrag ist nicht ein Antrag einzelner Abgeordneter, sondern ein Antrag bes Abgeord—⸗ netenhauses. Das kommt auch in der Begründung zur äußeren Er— scheinung. Ich bin nämlich als dienstältester Abgeordneter beauftragt worden, den Antrag zu begründen. Wir haben diesen Antrag gestellt, um damit der Staatsregierung die Zuversicht zu geben, daß sie in der Bemessung der Mittel zur Linderung der Notstände der Beamtenschaft, Arbeiterschaft und Lehrerschaft auf die sichere Bewilligung in diesem Hause rechnen darf. Wir hoffen, daß die Kommissionsverhandlungen , unter den Betreffenden zu erwecken geeignet sein werden. Der erste Teil des Antrages hat den Zweck, es den Beamten usw. zu ermöglichen, sich die nötigen Wintervorräte anzuschaffen. Weihnachten verlangt erhöhte Ausgaben von jedem Haushalt. Die Staatsarbeiter waren nicht in der Lage, sich erhöhte Einnahmen zu verschaffen, wie der größte Teil der Arbeiter in der Kriegsindustrie. Für sie muß also besonders gesorgt werden. Besonders begrüßen wir die von dem Finanzminister in Aussicht gestellte Berücksichtigung der Kinder von 15 bis 18 Jahren, die sich noch in der höheren Schulausbildung be— finden. Was die Lehrer im besonderen anbetrifft, so liegt die Sache insofern schwierig, als die Schulverbände in erster Linie die Kosten zu tragen haben. Wir dürfen sicher sein, daß die Staatsregierung, wo es nötig ist, einspringen wird. Hoffentlich werden wir es allen Be— teiligten ermöglichen, recht fröhliche Weihnachten zu feiern. Im übrigen beantrage ich, den Antrag der verstärkten Haushaltskommisston zu überweisen.

Abg. Hirsch (Soz): Wir schließen uns diesem Antrage an. Nicht zustimmen kann ich dem Abg. Jedlitz, wenn er erklärte, er sei beauftragt worden, den Antrag zu begründen. Ich stelle fest, daß die Vorsitzenden der Fraktionen sich berständigt hatten, daß der Antrag überhaupt nicht begründet werde.

Abg. Deli nns (fortschr. Volksp.): Es ist ausdrücklich verein— bart worden, im Plenum überhaupt nicht über die Sache zu sprechen, sondern den Antrag einfach ohne Besprechung der Kommission zu über— weisen.

Abg. Fihr von Zedlitz und Neukirch lfreikons): Ich habe den Parteiverhandlungen nicht beigewohnt, aber es ist mir ge⸗ sagt worden, es sei verabredet worden, ich solle den Antrag begründen. Ich hätte natürlich lieber geschwiegen.

Abg. Hirsch (Soz.): Meine Freunde haben von dieser Verein— barung, daß der Abg. von Zedlitz sprechen sollte, nichts gewußt, wir sind überhaupt nicht zugezogen worden.

Abg. Dr. Schröder⸗Cassel (nl): Als die Vertreter der ein— zelnen Parteien diesen Antrag berieten, war man einig, daß die ein⸗ zelnen Parteien dazu nicht sprechen sollten, sondern einer der Herren den Antrag begründen sollte. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Wann, wann war das?) Soviel ich weiß, gestern. Mir ist es nicht be— kannt, daß inzwischen der Seniorenkonvent das anders beschlossen hätte. Wir haben uns bemüht, die Vertreter der sozialdemokratischen Partei zu finden, wir haben sie aber nicht getroffen.

Abg. Delius (ortschr. Volksp.): Mir und einem Freunde war nichts davon bekannt, daß irgend ein Herr beauftragt worden sei, diesen Antrag zu begründen.

Abg. Ad⸗lf Hoffmann (Soz.): Der Abg. Pachnicke hat aus—

drücklich erklärt, er könne sich nicht darauf einlassen, daß nur ein Redner sprechen solle. Im Seniorenkonvent wurde beschkossen, daß niemand im Plenum sprechen solle. Es liegt hier ein Wortbruch vor, und Sie können es uns nicht verübeln, wenn wir daraus für die Zu— kunft die nötigen Konsequenzen ziehen. Abg. Schmedding Sentr: Zu der Vorbesprechung hat kein Mitglied der sozialdemokratischen Partei zugezogen werden können, weil kein Mitglied aufgetrieben werden konnte. Vie Herren haben die Vorbesprechung verlassen in der Erwartung, daß ein Herr den Antrag begründen würde.

Abg. Frhr. von Zedlitz und Neukirch (reikons): Ur— sprünglich sollte die Sache in Form einer Intempellation behandelt werden. Wir haben diese Interpellation zurückgezogen zugunsten eines von allen Parteien zu stellenden Antrages, aber daß gesagt wurde, er dürfe nicht begründet werden, dessen erinnere ich mich nicht.

Abg. Hirsch (Soz.): Wenn gesagt worden ist, es wäre kein Mitglied meiner Partei im Hause zu finden gewesen, so stelle ich fest, daß meine Freunde sich um 12 Uhr auf ihrem Zimmer zu einer Frak— tionssitzung vereinigt hatten; diese Sitzung war um 2 ÜUhr zu Ende. Während dieser Zeit waren unsere 6 . vollzählig auf ihrem Zimmer. Wenn man es gewollt hätte, so hätte man sie dort finden können. Wesentlicher ist aber die Frage, ob der Beschluß des Senioren⸗ konvents durch eine Vereinbarung zwischen den Vertretern der Parteien durchbrochen werden darf. Wir möchten entschieden Verwahrung da— gegen einlegen. .

lbg. Dr. Wagner -⸗ Breslau ffreikons. : Ich bestätige, daß wir die Interpellation zurückgezogen haben zugunsten eines Sein antrages. Ich erinnere mich genau, gehört zu haben, daß nur ein Mit⸗

i des Hauseß den. Ankrag mil einigen Worlen begründen würde, ls solcher wurde a . der Abg. von Zedlitz bezeichnet.

bg. Adolf Hoffmann (Soz.): Ich stelle fest, daß das im Seniorenkonvent gegebene Versprechen nicht gehalten worden ist.

Der Antrag Bockelberg wird dem verstärkten Staats—⸗ haushaltsausschuß überwiesen. .

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Der Präsident schlägt vor, die nächste Sitzung abzuhalten am Montagnachmittag 4 Uhr mit der Tagesord⸗ nung: Antrag der Abgg. Rehren⸗Hamelspringe, Dr. Bredt u. Gen, betreffend Nichtheranziehung des Militäreinkommens der Offiziere des Beurlaubtenstandes zur Gemeindeeinkom— mensteuer, und Antrag von Heydebrand, Dr. Friedberg, Frhr. von Zedlitz u. Gen., betreffend die Polenfrage.

Abg. Dr. Friedberg (nl, zur Geschäftsordnung): Ich bin mit, dem Vorschlage des Präsidenten einberstanden, möchte aber den Präsidenten bitten, darauf hinzuwirken, daß während der freien Zeit, die den Kommissionsberatungen zur Verfügung gestellt werden Foll, auch die Unterrichtskommission weitertagt. Die Unterrichtskommission hat beschlossen, daß die erste Sitzung zur Beratung des Dissidenten⸗ kinderantrages erst Ende Januar stattfinden soll. Ich lege Ver— wahrung gegen diese Verschleppung ein, denn es handelt sich hier um die Gewissensfreiheit eines Teils unserer Mitbürger.

Abg. Adolf Hoffmann (Soz ): Ich schließe mich diesem Protest an und stelle vor dem Lande fest, daß das Jentrum sogar be⸗ antragt hatte, diese ganze Sache bis nach Beendigung des Krieges zu bertagen. Erst als gesagt wurde, man könne die Frage nicht aus der Kultusetatsberatung ausschalten, wurde von konservativer Seite vor— geschlagen, die Frage noch vor dem Kultusetat zu behandeln. Wir sehen in diesem ganzen Verfahren die Absicht der Verschleppung. Das

Jntrum hat es bereits viermal verstanden, zu verhindern, daß die Sachen im Plenum behandelt wurden.

Abg. Traub (fortschr. Volksp. ): Ich möchte dem Abg. Dr. Friedberg meinen Dank aussprechen, daß er die Sache zur Sprache gebracht hat. Die Sache muß endlich einmal zu einem guten Ende geführt werden.

Abg. Dr. von Campe (nl): Ich bin an dieser Sache insofern persönlich interessiert, als ich von anderen Parteien gebeten wurde, mit den Herren Sozialdemokraten über die Sache zu verhandeln. Es ist mir einigermaßen schwer geworden, den Abg. Hoffmann davon abzu⸗ bringen, hier im Plenum über diese Angelegenheit zu sprechen. Es ist mir nur gelungen, nachdem ich mich stark gemacht hatte, meinen ganzen Cinfluß dahin geltend zu machen, daß die Sache nicht auf die lange Bank geschoben, sondern daß sie in der Unterrichts kommissioꝛ erledigt werde.

Präsident; Ich bin dem Abg. Friedberg dankba , daß er darauf gedrungen hat, daß während der Zeit der Vertagung auch andere Kommissionen weiterarbeiten.

Abg. Adolf Hoffmann (Soz): Ich stelle fest, daß die Ge⸗ stäubten von rechts und vom Zentrum schweigen. Es liegt hier die offenbare Absicht vor, die Sache zu verschleppen. Das Zentrum ist dabei immerhin loyaler verfahren, als die Konservaliven? Auf dies Verfahren paßt das Sprichwort: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. (Der Präsident ruft den Redner wegen diefer Aeußerung zur Ordnung.)

Abg. Dr. Heß Gentr.): Für uns handelt es sich gar nicht darum, die Sache zu verschleppen, sondern wir sagten uns, der von den Nationalliberalen gestellte Antrag enthalte zweifellos Momente, die geeignet sind, den Burgfrieden zu ftören. Deshalb haben wir gebeten, man möchte die Sache doch vertagen bis zu dem Zeitpunkte, wo man den Kopf, weniger voll von so wichtigen Dingen hätte, die jetzt im Kriege uns bewegen, und die uns näherstehen als der Dissidentenantrag. Wie die Vereinbarung eigentlich gelautet hat in der Kommission, läßt sich nicht ganz genau feststellen.

Abg. Dr. Friedberg (ul): Es ist ausdrücklich der 28. Januar bezeichnet worden.

Abg. Adolf Hoffmann Absicht der Verschleppung bestreit Hause glauben, er glaubt es se Wenn man so sehr auf den Burgfrieden hofft, warum nimmt man denn eine Juden⸗ statistik auf? Die Verschleppung muß an der Front alle Dissidenten aufregen, die ihr Blut ebenso gut vergießen wie die anderen.

Abg. Dr. Heß (Zentr): Was würden Sie dazu sagen, wenn das Zentrum die Paritätsfrage funditus aufrollen würde.

Abg. Dr, von Campe (ul): Die Vereinbarung hat genau so gelautet, wie ich sie wiedergegeben habe. Der Vorsitzende wollte die nächste Sitzung der Kommission nicht vor Ende Januar stattfinden lassen.

Abg. Adolf Hoffmann (Soz): Die von dem Abg. von Campe erwähnte Vereinbarung war auch mit dem Zentrum getroffen wor den, sonst hätten wir ung nicht darauf verlassen. Künftig werden wir wohl einen notariellen Akt darüber aufnehmen müssen.

Im weiteren Verlauf der Debatte erhebt Abg. Hoffmann nochmals den Vorwurf des Wortbruchs, den der Präsident abermals rügt.

Abg. von Gehren (kons. bestätigt, daß barung die Sitzung der Unterrichtskommission Ende Janua finden soll.

Abg. Dr. Porsch Gentr) fordert als Vorsitzender der Zen trumsfraktion den Abg. Hoffmann auf, diejenigen Mitglieder des Zentrums zu nennen, die sich des Wortbruchs schuldig gemacht haben, und die Vereinbarung zu bezeichnen, die von ihnen getroffen ist.

Abg. Dr. Heß. Zentr.) hebt hervor, daß es sich in der heutigen Sitzung der Unterrichtskommission nicht etwa um einen Zentrums— antrag, sondern um einen konservativen Antrag gehandelt habe. Wes halb rede man aber immer hier vom Zentrum und nicht von den Konservativen?

Abg. Adolf Hoffmann (Soz.): Weil die Konservativen ihren Antrag nur gestellt haben, da der Zentrumsantrag aussichtslos war. Das Jentrum wollte die Vertagung bis nach dem Kriege. Ich mache nicht einzelne Mitglieder des Jentrums, sondern das ganze Zentrum verantwortlich.

Abg. Dr. Porsch Gentr) weist abermals den Vorwurf des Wortbruchs gegen seine Partei zurück.

Abg. von Gehren (kons) weist eine Bemerkung des Abg. Hoffmann, daß die Konservativen in der Kommission nur retten wollten, was noch zu retten war, entschieden zurück und meint, daß die Sitzungen der Unterrichtskommission auch noch vor Ende Januar statt— finden können.

Abg. Adolf Hoffmann (Soz.) hält den Vorwurf des Wort⸗ bruchs aufrecht.

Schluß 5i4 Uhr.

nach der Verein⸗ ir statt⸗

Barlamentarische Ytachrichten.

Der Entwurf eines Gesetzes über die Abkürzung des juristischen Vorbereitungsdienstes für Kriegs⸗— teilnehmer ist nebst Begründung dem preußlschen Heyren⸗ hause zugegangen. Nach diesem Gesetzentwurf soll der Justiz= minister ermächtigt werden, den Vorbereitungsdienst der Gerichts- referendare für Teilnehmer am jetzigen Kriege um die Zeit des Kriegsdienstes, jedoch höchstens um ein Jahr, abzukürzen. Was als Kriegsdienst anzusehen sei, soll sich nach den Vor⸗ schriften über die Anrechnung des Kriegsdienstes auf das Die stalter der Staatsbeamten bestimmen. Soweit. danach Entscheidung von dem Verwaltungschef oder unter seiner Be⸗ teiligung zu treffen ist, soll der Junizminister entscheiden. In der dem Gesetzentwurf beigegebenen Begründung wird u. a. ausgeführt:

Zu den Telnekmern am gegenwärtigen Kriege gehört cine groke Schar junger Männer, die sich in der Vorbereitung für den höheren Justiidienst befanden, als Siudenten dem Rechtsstadium oblagen oder später einen Beruf erwählen werden, der die zur Ablegung der jurtntschen Prüfungen erforderliche Ausbild ang voraugsetzt. Sie alle erleiden bet der langen Dauer des Krieges schwere Nachtelle; denn sie erreichen den Abschluß ihrer jurtstlschen Ausbildung und damit die Möglichkeit, sich in ibrem Lebengheruf felbständig zu be— tätigen, später, alg dieß in Frledenezeiten der Fall war, und stehen insoweit hinter denen zurück, die vom Krieggdienste befreit sind und sich in den vorgeschrtebenen Bahnen ungestört ihrer Aus— bildung widmen können. Diese Nachteile auszugleichen, entspricht der Bill takeit und ist, wie jede Maßnahme, die das Log der Kriegsteil⸗ nehmer erleichtert, eine staatliche Pflicht. Maßnahmen im Verwaltunge⸗ wege sind zu diesem Zwecke durch Einführung der Notprüfungen und duich Anordnungen über die Anrechnung des Kriegsdienstes auf das. Dienstalter der Staatsbeamten bereits getroffen und werden, soweit dies angängig, weiter getroffen werden. Sie genügen aber nicht zur Erreichung des erstrehten Zieles; ingsbesondere kommen die Bestimmungen über die Anrechnung deg Kröiegsdienffes auf das Dienstalter allen denen nicht zugute, die 3 der Rechizanwaltschaft oder einem sonstigen freien Berufe zuwenden wollen; und auch die Anwãrter der BGeamtenlaufbabn gelangen dadurch nicht zu einer früheren Ab- legung der großen Staate prüsung und zu einer früheren Selbftändigkeit in ibrem X bengberufe. Eine durchgreifende Abhilfe kann dagegen durch eine Verkürzung der Vorbereitungszeit für die Kröiegsteilnehmer herbeigeführt werden. J bedarf eg, da die Dauer des Vor⸗ bereitungsdienstesß durch 5 6 des preußischen Gesetzes über die jurlstischen Prüf ngen und die Vorbereitung zum hoͤberen Justh⸗ dienste vom 6 Mal 1869 und durch 1 des preußischen Ausführungsö⸗ gesetz's vom 24. Ayril 1378 zum deutschen Gerichte verfaffungagesetze 3 n 27 Januar 1877 auf vier Jahre festgesetzt ist, eines preußischen Sesetzes.

Literatur.

Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von Vr. FJustus von Olsbaufen, Wirklichem Geheimen Rat. Z hunte, umgeaibeitete Auflage. Nebst einem Anhang, ent⸗ bltend die Strafbestimmungen der Konkurtzordnung, von DOyerreichaanwalt Dr. A. Zweigert, Wirklichem Geheimen Rat. Zwei Bände, XIX und 1626 Seiten. Herlin, Verlag von Franz Vahlen Geb. 41 „4. Dlese neue Auflage dis reichhaltigsten aller Kom—⸗ mentare zum Neichsstrafgesetzbuch zeigt abermals das fortgesetzte Ge⸗ streben des Verfasserg, nicht nur den höchsten Anforberungen, die der Prak ker stllen knn, zu genügen, sondern auch auf die Theorie des deutschen Strasrechts durch immer größere wissenschaftlich! Ver⸗ tirfung befrachtend einzuwirken. In ihr findet man auch das Gejetz gegen den Verrat milttärischer Gebeimnifse vom 3. Juni 1914, soweit es das Strafgesetzbuch abgeandert bat, berücksichtigt, nachdem die Be— stimmungen der größeren Novelle zum Strs B. vom 19. Juni 1912, die außer der Zulassung von Geldstrafen hei einer Reibe von Deiikten wichtige Aenderungen insbesondere zu den 223 a, 235, 355 und neue Vorschtiften in den 5 2482, 264 a gebracht hat, schon in der neunten Auflage beg Kommentars eingehend erläutert worden sind Vor allem aber verbürgt die sorgfältige Heranziehung der neuen Rechtsprechung, namentlich des Reichsgerichts und des Reichs⸗ melitärgerichts, und der neuen strafrechtlichen Literatur dem Praktiker und dem Theoretiker wieder reiche Belehrung, da der Verfasser Recht sprechung und Literatur nicht lediglich registriert, sondern kritisch ge= würdigt und hierbei seine eigene Änsicht, soweit sie davon . mit hinreichender Gründlichkeit vertreten hat. Kein Abschnitt des Werkes ist unverändert geblieben, vielmehr überall elne gewissenbafte Umarbeitung und Ergänjung erfolgt, die dem Kommentar auch weiterhin die führende Stellung unter den Bearbeitungen des Straftesetzbuchg sich tt. Der vom Oberreichganwalt Zwetgert bearbeitete Aubang mit dn strafrechtlichen Bestimmungen der Konkurgordnung stellt eme dem Ganzen ebenbürtige Leistung dar. Ein ausführliches Sachregister bon 50 Seiten ermöglicht ein schnelles Auffinden selbst von Etnzelbeiten, nach denen für einen vorllegenden Fall gesucht wird, und laßt er— kennen, daß es kaum eine wichtigere Frage deg deutschen Reichs⸗ strafrechts gibt, über die man nicht in dem Werke Belehrung zu finden vermöchte.

Jahrbuch des Strafrecht und Strafprojesses, heraus⸗ gegeben von Hofrat Dr. Hs. Th. Soergel und Reglerungerat Kraufe. R. Jahrgang: Rechtsprechung und Literalur 1915. XLVII und 434 Seiten. Hannover, Helwingsche Verlagebuchhand— lung. Geb. 4.50 M Dieser X. Jahrgang gibt den wesem liche strafrechtlichen und strafprozeßrechtlichen Inhalt der im Jabre 1915 veröffentlichten Entickeidungen des Reichsgerichte, des Reichsmilitär gerichtz, des preußischen Kammergericht, dez bavrischen Obersten Landesgerichts, der einzelstaatlichen Oberlandesgerichte und der Dberkrlegsgerichte der Armeetorpz wieder. Die mitgeteilten Rechtsgrundsätze sind 126 Fachzeitschriften einschließlich der offitellen Entschetbungssammlungen entnommen und erläutern Vorschriften von 207 Gesetzen und Verordnungen des Reichs und der Ginzelstaaten. Daneben ringt der Jahrgang die Ergebnisse der strafrechtlichen und strafprojeßrechtlichen Likeratur deß Jahret 1915. Die kurzen Auszüge sind mit bekannter Sorgfalt gbgefaht, so daß auch dieser Band dem Praktiker gute Dienste leisten wird. In den 10 bisher erschienenen Händen sind Entscheitungen zu 00 Reickg. und Landesgesetzen und „verordnungen enthalten. Ueberall beige ügte Quellenangaben erleichtern es, jede gesuchte Entscheidung auch in der o fiziellen Sammlung oder der Zeitschrift nachzulesen, die sie aus führ⸗ licher wiedergegeben hat.

Die Zeitschrift für die gesamte Strafrecht wissen⸗ schaft', die die Professoren Dr. Franz von Liszt (Berlin), Di. Fal von Lilienthal (Heidelber), Dr. R. von Hippel (Göttingen), Dr. Ed. Kohlrausch und Dr. E. Delaguis (Frank- furt a. M) herausgeben (J. Guttentag, Verlagsbuchbandlung, Rerlin), deren bohe Bedeutung für die Theorie des Strafrechis laͤngst anei kannt ist, enthält seit Beginn des 38. Jabrgangs auch einen praktisch⸗kriminalistischen Teil. In ihm behandeln erste Sachkenner die Zeitereignisse in steafrechtiicher und kriminalistischer Hinsicht, berichten in jachkundig - kritischer Welse über Vorgänge, neue Bestre— bungen und Erfolge, die in der strafrechtlichen Wissenschaft und Prexlg vorliegen, namentlich auch soweit sie von soztalwirischastlichen und sonalethischen Wandlungen berührt werden. So findet man in dieser kriminalistischen Umschau! des ersten Hefteg Aeußerungen über den Fall Liebknecht, den Fall Frvatt, den Fall Casement, über die Fülle von Srafdrohungen in den neueren Gesetzen und Verordnungen, uber die Strafaussetzung bet Kriegsgefangenen; die steigende Jugend⸗ kriminalität, die ja besondere Sorge erweckt, wird besprochen, die kriminaltechntichen Errungenschaften, also dte Msttel zur Entdeckung von Straftaten, werden eingehend berücksich⸗ tigt, und nach Lage der Dinge wird naturgemäß dem Keicgßs⸗· und Miltärrecht besondere Beachtung geschenkt. Welche Fülle neuer Aufgaben der Strafrechtzwissenschaft durch den Krieg erwachsen, zeigt auch ein Aufsatz über das Kriegswirtschafte« strafrecht und die dabet zu lösenden Aufgaben der Siaatganwalischaft. In einem „Glossen zum deutschen Ausnahmerecht‘ überschrlebenen Beitrag werden wichtige rechtspolttische Fragen erörtert, ebenso wie in dem Aufsatz von Rechtganwalt Bendix über die Einführung neuen Strafrechts in den dem Oberbefehlshaber Ost unterstellten rufsischen Gebieten Lüauens.. Krtegsgerichlgrat Dr. Rissom erläutert die Rechte grundlagen der Kaiserlichen Verordnung über dag kriegerechtliche Verfahren gegen Ausländeri'. Der Berliner Strafrechts lehrer Professor von Lietz erörtert in beachten, werten Ausfübrungen die Frage der Wehrpflicht der Zucht⸗ häueler: Es handle sich hierbei um eiwa 100 009 wehrsähige Männer, die sicher hinter Schloß und Riegel säßen, während unfere Truppen zu Waffer und zu Lande täglich fürs Vaterland ihr Leben in die Schauje schlügen. Gewiß solle der Ehrencharalter der Bater⸗

sandsherteldigung grundsstzlich gewahrt bleiben, aber ß geße doch zu denken, baß diejenigen, die früber einmal Zuchthäusler! waren oder sonst die bürgerlichen Ehrenrechte verloren haben, jetzt in der ,. ruhig ihrer Beschäftigung nachgehen können. Auch wer dle

estimmung deg § 31 ö in Friedenszeiten nicht antasten wolle, brauche deshalb mit der uneingeschränkten Fortdauer dieser Ausnahme⸗ stellung im Kriege nicht einverstanden zu sein. Von verschiedenen Seiten (auch im Auzland, so in Frankreich Gesetzentwurf von Rameil und Hesse) seten daher Vorschlaͤge gemacht worden, deren einheitliches Grundgedanke darauf abjiele, auch die Zuchthausgefangenen für die Verteidigung des Vaterlandes in irgendeiner Weise heranzuziehen; u. a. sei vorgeschlagen, alle die se Wehrfähigen in besondere Arbeitskolonnen zusammenzufassen und sie hinter der Front oder in der Heimat für die Zwecke der Kriegführung ju verwenden, und es sei mit Recht darauf hingewiesen worden, daß die österreichischt Gesetzgebung die Ghrenfolge der 55 31 und 34 Ziffer 2 unferes Strafgefetzbuchs nicht kennt. Eingehende Berück— sichligung finden in der Zeitschrift guch die Vorgänge im Auslande. So wird un ersten Heft des 338. Jahrgangg dag neue schwedische Kriegs handelagesetz vom 17. April 1916, das die Grundlage der Stellung Schwedens zu den englischen Zwangsmaßnahmen in Gesetzesf orm enthält, in deutscher Sprache wiedergegeben. Besonderes Interesse erweckt eine Abhandlung von Professor von Liszt über einheit liches mittelenropäisches Strafrecht“. Er giht bier einen Ueberblick über die Entwicklung des Gedankeng einer Rechtsverelnhelt- lichung in Veitteleuropa, berichtet objekiiv über die verschiedenen In= sichten, die einander zum Tell entgegenstehen, s'tzt sich mit den allge⸗ meinen Bedenken von Proressor Kahl auseinander und äußert sich schließ lich selbst über den Uafang der Vereinhettlichung, wie er zu erstreben sel, und über die Technik des Vorgehens. In den Mittel- punkt der Aufqabe rückt er die Ausarbeitung von Srundjügen für elne gemeinsame Kriminalpolltik der Mittelmächte.

Lande and For ftwirtschaft.

Sammlung der alten Garhenbänder zur Herstellung von neuem Bindegarn. det Bindegarns für die nächste Ernte wird sich

„ie biesjäbrige, da mit einer Einfuhr weder von fertigem Garn, noch von Hanf oder Flach gerechnet werden kann und wesentliche Vorräse von diesen Artikeln nicht mehr vor handen sind. Mehr noch als je zuvor muß daber mit dem Vorhandenen auf das spar samste gewirtschast?et und zur Ueberwindung den bhe—⸗ siebenden Schwierigkeiten jedes mögliche Mittel herangezogen werden. Eine Handhabe hierfür bictet sich in der Aufarbeitung der ge— brauchten Garnenden. Laut Verfügung des Kriegt mintsteriumz muß sämtliches gebrauchtes Bindegarn an die Bezugsverelntgung der deutschen Landwirte, Berlin W. 35, Potzdamer Straße 30, ben w. an deren Bevoll mächtigten verkauft werden. Per Verkauf zur Verwen⸗ dung oder zur Verarbeiturg oder für irgendwelche andere Zwecke, wie jz. B. für Sackhand usw, ist nicht zulässi⸗. Um möglichft große Mengen Garnender auf billigstem Wege zur Uwmspinnung gelangen zu lassen, beabsichtigt die Bezugsvereini⸗ gung der deutschen Landwirte, eine Anzahl Sammelstellen zu errichten, denen der Ankauf für ibre Rechnung übertragen werden soll. Die Landwirte werden autzer den Höchstvielsen von 75 A für 100 kg Hartfasergarnenden bejw. 100 Æ für 100 kg Weichfasengarnenden ah threr nächsten Vollbahnstation Au spruch auf 40½ des Gewichtes ver gelieferten Garnenden in brauchbarem Bindegarn aus altem oder neuem Material nach Wahl der Beiuggvereinigung erhalten, bei ciner Ermäßtgung ihres jeweiligen Tagesprelseg um 10 für diese Menge. (Mitteilungen der Roh— malerialstelle des preußtschen Landwirtschaftaministeriumg.)

Gesundheitswesen, Tierkraukheiten und Absperrnngö⸗ masßregeln.

Der unter dem Ehrenvorsitz Seiner Hoheit bes Herzogs Johann Albrecht ju Mecklenburg stehende Deutsche Hilfsausschuß für das Rote Kreuz in Bulgarten, dessen Arbeitsausschuß neben dem Staatesekretär des Reichskolorialamtz Dr. Solf der Ge— schäftsinhaber der Diskonto. Gesellschaft Schlieper, der Köntglich bulgarische Generalkonsul, Keinmerjienrat Mandelbaum und als sach⸗ verständiger Beirat der Oberstabsarjt Vr Niehueg angehzren, hat im Dejemher v J. auf eine Anregung des Generaloberarztes, Profefse ß Dr. Müblens die Mittel zur Grrichtung von drei Desinfektion anstalten jur Bekämpfung des cfall— fieber in Majedonten bereitgestellt, nachdem Seine Majestät der Zar Ferdinand die Ginrlchtung dieser Anstalten als im höchsten Grade erwünscht bieichnet harte. Die Ausführung der Bauten leitete der Oberleutnant der Reserve, Regterungsbaumeister Scheidel. Die erste Anstalt wurde in Monassir errichtet und am 12. Aprll dem Oterbefehlshaber der 1. bulgarischen Armee, General⸗ leutnant Bojadseff übergeben. Eine zweite Anslalt in Veles wurde am 26. Jull von dem bulgarischen Feldianttätgchef, Generalarzt Dr. Bojaroff übernommen. Seine Majestät der Zar Ferdinand sandte anläßl ch der Uebergabe an den Generaloberazzt, Professor Dr. Mühlens, Hygieniter der 2. bulgarischen Armee, folgendes Telegramm: 5 „Mit großem Inter sse habe Ich von der er— folgten Urbergabe der Garnisen. Bade, und Beszinsekrtonzanstalt Veles Kenntnis genommtn. Ihnen, Oherleutnant Scheidel, den Unteroffizieren und Mannschasten dec Gisenbabnbaukompagnie 24 sowie dem hulggrischen Hilfétkommando sage Ich biermit Meinen Königlichen Dank. Vie dritte Anstalt in Skoxie wurde am 8. Ne⸗ vember dem Generalgouverneur von Majedonien, Generalleutnant Teneff übergeben, der bet dleser Gelegenbelt folgendes T le gramm an den Vorsitzenden des Deutschen Hilfaausschusses sandte: „Es gerticht mir besonderen Vergnügen, Eurer

Exzellenz von der heute erfolgten Eröffnung der dillten Garnison · Bade und Des lnfelfioneanstalt in Skopsie Mit⸗ teilung zu machen. Ich und mit mir das gesamte bulgarische Volk sind glücklich und stolz, daß wir Eurer Exzellenz und dem Deutschen Vilfeausschͤaß für das Rote Kreuz in Bul zarten unseren wärmsten Dank und die Aneikennung aussprechen können für die Mütl, die uns in bundesbräüderlicher Weise in so reichem Maße zur Verfügung gestellt worden sind und die die Beschaffung der maschinellen Innen— elarichtung der vorgenannten Anstalt eimöglicht hoben. In Ver— tretung des diensilich verhinderten Generaloberarztes, Professors Dr. Mühlens hat Reglerungsbaumeister Scheidel mir die Astalt übergeben, die von ihm und dem balgarischen Architekten Fengov wiederum in vollendetster Weise e richtet wurde. Die Anstalten werden außerordentlich stark in Anspruch genommen. So wurden in Monastir in den ersten drei Monaten rund 35 000 Mann deslnfinert und gebadet. Die tägliche Abfertizung stieg bis auf 1300 Mann. Mit besondtrer enugtaung erfüllt es den Deuischen Hiligaueschuß, daß die segergreiche Wirkung dieser aus den Gaben des deutschen Volkes geschaffeaen Einrichtungen die volle Anerkennung der maß⸗ gebenden Stellen in Bulgarlen gefunden hat. (W. T. B.)

Theater und Mn nk.

Deutsches Theater.

Als vlertes in der Reihe der Stücke, aus denen sich der Dutsche Zyklus‘ zufammensetzt, wurde gestern im Deusschen Theater Schil lers bürgerliches Trauerspiel Kabale und Lieben, von Max Reinhardi neu einstudiert, gegehen. Der heiße Atem der Sturm- und Drangjeit des jungen Schiller war in dieser Aufführung, die von jeher zu den besten des Deutschen Theaters gehörte, gestemn stark zu verspüren. Vor allem staud da, durch Paul Hartmann verkörpert, ein Ferdinand auf der Bübne, wie man hn seit den Tagen, da der jzigendliche Brausekopf Matkowstv diese Rolle splelte, in Berlin nicht mehr gesehen bat. Jugendlich Männlichteit, ungestümeß Wesen und Adel der Empfi dung fanden in seiner bin- reißenden Varstellung gleich übersengenden Ruzdruck Es war eine Leistung, an der man ungetrübte Freude haben konnte. Nicht ganz

so flefen Eindruck erntelte Camilla Glbenschttz all 2ntse; bie noch sehr lebendige Erinnerung an Lucie Höflichs schauspielerische Meister= leistung in dieser Rolle stand dem vielleicht im Wege, aber auch ihr eigenes Wesen, das eine gewisse Geziertbeit noch nicht ganz ab⸗ gestreift hat, brachte Hemmungen in ihr Spiel, die sie noch über winden muß und bel ihrer Begabung jweifellos auch üzerwinden wird. Die Hauptsache, daz tir fe Empfinden, das auch für die Schick sale elner Hekuhg echte Thränen hat, ist vorhanden. Ble dritte bedeut- same Neuerschelnung war Hermine Körner als Ladd Milsord. Die Weltdame, die gewöhnt ist, zu berrschen und zu befeblen, glaubte man ihr unbedingt, weniger die weicher Regungen fähige Frau; leider ließ in dieser Beziehung daz einseitig Patheissche der Baistellung auch die Unnatur der Rolle zu sehr versvüren. Eine Gstait von fesselnder Cigenart war ferner der Wurm in der Wiedergabe don Werner Krauß. Er war ganz der kriecherische, rothaarige Schuft der Schillerschen Zeichnung, der hartnäckig und gewissenlos sein Ziel perfolgt. Nur am Schiuß hätte die sataulsche Schadenfreude Färker betont werden müßten. Unter den anderen Neubesetzungen sind Paula Eherty als Frau Miller und Joseyh Klein als alter Kammer- diener mit Anerkennung zu nennen. Auf dem alten Platz standen Paul Wegener (P äsident), Wilhelm Diegelmann (Miller) und Hans Waßmann (fasb) alsz kaum zu übertreffende Vertreter itzt Rollen, und durch Jierlichkeit und Klugheit des Spiels zelchnete sich Gertrud Welcker als Kammerjungfer der Lacy aus. Die prächtige Aufführung erweckte brauseaden Beifall. Paul Hartmann und zuletzt auch Max Reinhardt wurden wiederholt siüraisch hervorgerufen.

Deut sches Opernhaus.

Das Deußfsche Opernbaus brachte am Freitag Tschaikowskis „Eugen Onegin“ in einer sorafältig vorbereiteten Neueinnudierung auf die Szene, ein nach Inhalt und Masik echt slawisches Werk, dag v ele lyrische Schönheiten enthält. Die Partitur birgt eine Fälle leicht faßlicher Melodten, die sich durch den Reiz des klanglich Fremdartigen und eine dem Komponlsten eigene interessa te Be⸗ handlung des Rhythmus von dem Fehler elner allzu billigen Zu— gänglichkeit fernbalten. Leider erreicht die musikalische Ausgestaltung der Oper in ihrem Verlauf nicht die Höte, die der stimmungsvolle Anfang zu verheißen scheint. Die in der ersten Szene mit intensiv schwerblütiger Lidenschaft gejeichnete Taijang wirtt am Schluß verblaßt äuß rlich, und auch fuͤr Onegin, der in spät er⸗ wachter Liebegalut die einst veischmähte Tatjana zu erringen nachtet, findet der Komponist keine überz ugenden Tone. Di ser Mangel an innerlich lebendiger Steigerung wird einem rauernven Erfolg der Oper immer im Wege fteben, selbt! wenn die Aufrübrung so Ekͤnst⸗ lerisch ausgeglichen ist wie gestern auf der Charlottenburger Bühne. Unter den Darstellern muß an erster Sielle Heriha Stoljenberg ge— nannt werden, die musikalisch und schaurplelerisch Vor, ü liches leistete. In Erscheinung und Gebardenspiel hot sie ein Überzeugendes Bild der rührenden Tschatkowski. P schkinschen Orldin, des j mgfräulich berben Mädchens, das, von tiefer Lelnnschaft zum Aeußersten ge⸗ trieben, dem heimlich Geliebten ihr unerwidertes Gefühl preizgiot. Holger Börgeson (Onegin) find sich simmlich gleichfalls sehr an⸗ e kennenswert mit seiner Aufgabe ab. Wenn seine Darstellung sich nicht über das Maß einer guten Durchschnittsleistung erhob, so sind dafür der Textdichter, wie der Komponist mit verantwortlich zu machen, die bette für die Charakterisierung dieser Hauptgestalt keine besonders eindräacksvollen Mentel gefunden baben. Rudolf Laubenthal wirkte als Lenski sömpathäiich⸗männlich. Fein abgestimmte und farben= prächtige Bübnenbilder boten den wichselnden Rahmen der lose mit einander verknüpften Szenen. Die mustlalische Leitung des Werks lag in den Händen von Ignatz Waghalter, der es gut verstand, die eigenartige Klangfarbe des Orchestersatzes und seine ri yihmischen Relze zur Geltung zu bringen.

Im Königlichen Opernhause findet morgen bas zwelte Gast⸗ sviel des Königlich baverischen Kammeisaͤngers Heinrich Knote von der Münchener Hofoper in Tannhäuser' statt. Es sind ferner darin die Damen Kffler⸗Barckard, Kemp, Herwig, die Herren Knüpfer, Armster als Gast und Bachmann beschäftigt. Dirigent ist der Kapell⸗= meister Dr Stiedry.

Im Königlichen Schauspielhause geht morgen zum 100. Male Adolyh LArronges Schauspiel Doktor Klaus in Sæene. In den Hauptrollen wirken die Damen Absch, Arnstädt, Heisler und Palegg, die Herren Boettcher, Gichholz, Patty, Sachz und Vesper⸗

mann mit.

Mannigfaltiges.

. ) ; scherungsanstalt Berlin bat ihre in den Reelitz er en eingerichtete öffnet. 175

Ueber das Thema: asgefangenschaft in Süd. afrika und England wird der Hauptpastor und Direttor G W. Wagener aug Kapstadt am Mittwoch, den 6. Dejember 1916, Abendz 8 Uhr, im Festsaal der Großen Loge von Preußea, genannt zur Freundichaft, Berlin NW. 7, Dorotheenstraße 21, einen Vortrag balten. Der Reinertrag wird im Interesse der „Hllfe für kriegs gefangene Deutsche verwendet. Karten zu 1 4 sind bei Herrn Sugo Peilmann, Orantenburger Straße 33. A. Wertheim, G. m. b. G, Bote u. Bock, Leipziger Straße 37, und beim Haus inspektor, Dorotheenstraße 21, zu haben.

Saturn und sein Ringsystem lautet das Thema des Vortrags, den der Pirektor Dr. F. S. Archenhold am Dienstag, den 21. No⸗ dember, Abends 7 Uhr, im großen Hörsaal der Treptower Stern- warte an der Hand zahlreicher Lichtbilder halten wird. Ferner finden morgen, Sonntag, folgende kin mategraphische Vorträge Katt: Nachmltians 3 Ubr? „Mit Ozrandampfer von Bremen nech Rew Pork, 8 Uhr: „Sleger zug der Verbändeten in Galisien', Abends Uhr: „Unsere Marine. Kriegs verwundete baben ju allen Vor— trägen umsonst Zurrttt. Mit dem großen Fernrohr werden kei klarem Wetter am Tage die Sonne mit ihren Flicken, Abends der Jupiter und der Mond, Doppelsterne, Sternbaufen usw. beobachtet. Die Sternwarte ist bei klarem Weiter bls 10 Uhr Abends geöffnet.

London, 17. November. (W. T. B) Nach dem Dally Telegraph“ wird der schwedischen Zeitung . Dagens Nybeter aug Haparanda mitgeteiltnt, daß bei der Exploston von sechs WMunittionsdampfern in Archangelsk nach Berichten von Seeleuten 150 Mann getötet und 650 verwundet worden seien.

Paris, 17. November. (W. T. B) Dem ‚Temwpg' zufolge richtete der Minister des Innern an die Präfekten die Aufforderung, gemeinsam den Bürgermeistern die Bevölkerung ju ermahnen, die Beleuchtung der Webnungen un weitesten Maße ein zuschtänken. Ebenso sollen die Kaulleute die Beleuchtung ihrer Räumlichkeiten auf ein Mindestmaß beschränken. In Pariz, wo man zur Kerzen⸗ beleuchtung übergegangen ist, wurde von den Behörden ein Auf ruf angeschlagen, der die Bevölkerung auffordert, Beleuchtung

und Heizung einzuschränken. Der Aufruf kändigt an, daß den

Parisern bald weltere Opfer auferlegt werden müßten.

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