1917 / 105 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 03 May 1917 18:00:01 GMT) scan diff

wird man doch nicht verhindern. Ein Verbot der Abwälzung ist an— scheinend undurchführbar. Es kommt Fiel mehr darauf a, nn. rung darüber zu beseitigen, daß in dieser Hinsicht verschieden ber- fahren wird. .

Abg. Zimmermann ( Deutsche Fraktion): Der Abg. Keil hat den Aus druck „törichte Redensarten“ nicht ausdrücklich zurück⸗ ., Ich habe bei meinen Ausführungen über die allgemeine Politik auch immer die Interessen der Arbeiter im Auge gehabt. Ich bin stets ein mindestens ebenso großer Arbeiterfreund gewesen als irgend ein Mitglied der sozialdemokratischen Partei. Auch ich hoffe, daß wir auf alle mögliche Weise den Abschluß des Krieges beschleuni—= gen werden, und dazu gehört dor aflem auch di? uneingeschränkte Aktion unserer U. Boote.

Das Gehalt des Staatssekretärs wird bewilligt, die Re— sölution Keinath angenommen. Der Rest des Haushalts plans des Reichsschatzamts wird ohne Erörterung bewilligt, die dazu eingegangenen Petitionen werden für erledigt erklärt. Zum Etat für den Rech nu ngshof des Deut— schen Reiches bemerkt .

Abg. Zimmermann (Deutsche Fraktion) als Mitglied der

Reichs schuldenkommifsien, daß die Bedeutung dieser Institution mit jedem Jahre wachse. Die preußische Oberrechnungskammer, die bis jetzt als Rechnungschef des Reiches fungiert, könne die so ungeheuer Köstiegene Arbeitslast nicht mehr bewäliilen. Es müsse ein besonderer - echnungshof für das Reich, von der Oberrechnungskammer getrennt und als eigene Behörde mit dem Sitze in Berlin, errichtet werden. Der Etat wird bewilligt.

Zum Etat des allgemeinen Pensionsfonds hat der Haushaltsausschuß folgenden neuen Titel in Ausgabe gestellt:

Bewilligungen an Beamte des gesetzlichen und konsularischen

Dien tes, die in den feindlichen Ländern angestellt waren und wegen des Krieges in den einstweiligen Rubestand versetzt worden sind, sowie an Hinterbliebene solcher Beamten zum Ausgleich von Härten aus den pensionsrechtlichen Vorschriften des Reichsbeamtengesetzes 2 46. ö. . ö Ferner ist folgende Resolution vorgeschlagen: Eden Reichskanzler zu erfuchen, zu veranlassen, daß bis zur lenderung des Militärhinterbliebenengefetzes von 19 Zuschlãge 6 den Militärhinterbliehenenrenten für die Angehörigen der Mann— chaften gewährt werden.. Hierzu wollen die Abgg. Meyer-Herford kund. Eist nl) hinter „Mannschaften/ einfügen; „und den zu den Militärrenten erwerbsunfähiger oder im Erwerb stark beschränkter kriegsbeschädigter Mannschaften.“ . Abg. Meyer - Herford (nl): Es muß anerkannt werden, in wie hervorragender Weise für die Kriegsbeschädigten und Inva— liden gesorgt wird.. Hier ist besonders dem Leiter des Versorgungs— hartemen im Kriegsministerium unsere Anerkennung auszusprechen. Lich die Mitarbeit der Wohlfghrtsvereinigungen verdient allen Dank. (rotz dem verdient die Frage der Kriegswohlfahrtspflege weiter Beachtung. Es werden immer neue Vereine gegründet, deren Gxistenzberechtigung nicht immer einzusehen ist. Der Reichstag ver— langte ja hier schon einmal in einer Resolution, daß Wandel ge— schaffen wird. Der Bundesrat erließ eine Verordnung betreffs Re— lung der Kriegswohlfahrtspflege. In Preußen hat man dieser rordnung gerecht zu werden versucht und man muß das Ergebnis abwarten. Nach wie dor ist jedoch die Schaffung einer Zentralstelle . Reichswohlfahrtspflege notwendig. In ihr könnten Mitglieder es Bundesrates und des Reichstages wirken. Hier wäre eine Er— klärung notwendig, wie der Bundesrat sich zu der Grfüllung dieses Wunsches stellt. Eine einmütige Zusammenärbeit aller in Betracht fZmmenden Faktoren ist dringend erforderlich. An die Spitze dieser Vereinigung könnte man den verdienstvollen Leiter des Versorgungs⸗ departement im Kriegsministerium stellen. Eine Reichsgesetz ebung halte ich für nicht nötig, da eine solche Stelle nicht einen rein amt lichen Chrakter zu haben brauchte. Was uns nottut, ist eine gerechte Drganisation. Man könnte als Vorbild das Rote Kreu; und kie Va ionalstiftung für die Hinterbliebenen nehmen. Gin solcher großer Konzern kann aber nur segensreich wirken, wenn er im Eindernehmen mit den in Betracht kommenden Behörden arbeitet. Der gemein— same Erlaß des Kriegsministers und des Ministers des Innern ist gut gemeint. Wenn er seinen Zweck nicht immer erfüllt, Dann liegt 's an den untergeordneten Organen. So kann z. B. ein Landrat mit seinen wenigen Untergebenen ein so großes Gebiet nicht allein bearbeiten. ier tut energische Mitarbeit aus allen Kreisen not. Die Bildung es. Verbandes der Kriegsbeschädigten halte ich jedoch nicht für einen , ., Schritt, um das so schwierige Problem der Kriegsfürsorge u lösen,. Ein Fortschritt in der Frage der Kriegswohlfahrtspflege ind auch die Ausführungsbestimmungen zum Kapitalabfindungsgesetz. Man müßte überlegen, ob es nicht auch auf Sffizie re ausgekehnt werden muß. Die jetzigen Renten entsprechen nicht den Jeitverhält⸗ nissen. Dies gist namentlich für Witwen, die von ihnen ihr Leben fristen sollen. Zu beklagen ist auch die große Differenz zwischen der J, ng und der Rente. Auch die soziale Stellung der efallenen müßte mehr berücksichtigt werben. Als ungerecht wird es weiter empfunden, daß ein Unierschied gemacht wird, od der Todesfall oder die Beschädigung in der Front eingetreten ist. Einer Aenderung bedarf auch die Vererdnung über die Todeserklärung. Der Zeitraum Fon einem Jahre ist viel zu kurz, hier sollte man wenigstens zwei Jahre annehmen. Hier laufen die Hinterbliebenen immer Gefahr, daß sie hei verspäteter Stellung des Antrages größere Summen urückzuzahlen haben, falls es sich herausstellt, daß der Besreffende . vorher verstorben ist. GEbenso notwendig ist jedoch eine Be— chleuni ung des Rentenverfal rens. Wir sind jedenfalls auf dem besten Wege, die Wunden dieses Kriege zu heilen. (Beifall.) Generalmajor von Langermann verliest einen Erlaß, den er, im vorigen Jahre in bezug auf die Behandlung der Gefuche der Hinterbliebenen von Kriegsteilnehmern erlassen hat? Danach werden die Beamten angewiesen, in ihrem brieflichen und perfönlichen Ver— kehr die Hinterbliebenen mit dem größten Entgegenkömmen zu be— handeln. Wenn ablehnende Bescheide erfolgen müssen, so soll dies mit dem Ausdruck des Bedauerns unter kurzer Angabe der Gründe geschehen. Es muß unter allen Umständen der Eindruck vermieden werden, als ob es sich bei der Gewährung von Gebührnissen oder Zu⸗ wendungen um Almosen handelt. Es ist darauf Rüchicht zu nehmen, daß die Gefallenen das Wertvollste, was sie hatten, ihr Leben, für das Vaterland dahingegeben haben. Die Gesuche sind wohlwollend zu prüfen und die Bescheide zu beschleunigen. Vorschüsse sollen mög— lichst gewährt und bei der Rückforderung zu hoher Beträge Härten unter allen Umständen vermieden werden. Hilfskräfte, die es an Ent gegenkommen haben fehlen lassen, sollen versetzt und anderweitig ver— endet werden. Dieser Erlaß ist allen Beanten, die mit der Sache zu tun haben, in bestimmten Zeiträumen erneut bekanntzugeben. Redner fährt dann fort: Es ist stets mein Bestreben gewefen, die militärische Versorgung immer mehr in soziale Bahnen zu lenken und enge Fühlung zu halten mit den Fürsorgeorganisationen. Wenn mir das gelungen und wenn im Volke dies anerkannt werden sollte, so würde mich das herzlich freuen. i

* 7

l. h

In der Kommission ist wiederholt gesprochen worden von den Novellen zu den drei Gesetzentwürfen über die Mannschaftsversorgung, die Hinterbliebenenversorgung usw.

bin heute noch nicht in der Lage, bestimmte Mitteilungen darüber zu machen, die Arbeiten sind noch nicht völlig abgeschlossen. Das k ich aber heute schon sagen, daß ich meine ganze Kraft sen werde, daß die Gesetze so ausfallen, daß damit die Dankesschuld die Kriegsteilnehmer, an die gefallenen Helden und ihre Hinterbllebe— nen abgetragen wird. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Hoch (Soz.): Die Fürsorge für die Hinterbliebenen ist eine so selbstverständliche Pflicht unseres ganzen Volkes, daß wir darüber nicht viele Worte machen, uns nicht mit dem bloßen Wohl wollen begnügen, sondern Taten folgen lassen sollten. In bezug auf die Beschäftigung verletzter Krieger liegt eine ganze Reihe schwerden vor. Die Unterhringung dieser Leute wird mit Hilfe der hewerkschaften geschehen müssen. Zu bedauern ist, daß die Regelung

8

J ö 1

der Entschädigung für die in Betracht kommenden Personen nicht endgültig durchgeführt werden konnte. Es hätte wohl geschehen können, wenn die Freunde des Vorredners mit einigem Nachdruck darauf be— standen hätten. Wenn der Vorredner die Hoffnung ausgesprochen hat, daß uns schon im nächsten Winter dieses Gesetz zugehen würde, so ist nicht einzusehen, warum das nicht schon im vorlgen Winter hätte geschehen können. Die Verwaltung hat uns aber erklärt, daß sie vor Ablauf des Krieges nicht an die Ausarbeitung dieses Gesetzes heran= gehen könne. Tie jetzigen Zustände sind einfach unerträglich. Es ist ein schlechter Dank füuͤr unsere Kämpfer an der Front, wenn so viele Kriegsverletzte und die Familien der Gefallenen sich. in einer unerträglichen Not befinden. Zustimmung.) Bei den jetzigen Sätzen müssen die Betreffenden hungern. Die ge— währten Zuschläge sind unzulänglich. Wenn der Vorredner meinte, man dürfe die Faulheit der Unterstützten nicht fördern, so sage ich, es handelt sich hier um einen allgemeinen Entschädigungsanspruch. Wie will außerdem der Arzt entscheiden, ob die hon erwerbsfähig ist oder nicht? Wenn man einen Unterschied machen will zwischen

aulen und nichtfaulen Arbeiterfrauen, so muß man das auch bei den

Pensionen der Pastorenwitwen tun. Der Staatssekretär des Reichs⸗ amts des Innern hat in bezug auf die Familienunterstützungen auch eine differentielle Behandlung angeordnet, aber davor gewarnt, eng— herzig vorzugehen. Trotzdem ist in einer ganzen Reihe von Fällen seine Verordnung in sehr ungerechter und unbilliger Weife durch— geführt worden. Der Erlaß des Vertreters des Kriegsministeriums ö allgemeine Zustimmung gefunden., Wir sind es ja gewohnt, daß dieser Herr das größte Wohlwollen für die betreffenden Personen an den Tag legt und aufrichtig bemüht ist, jede Härte zu vermeiden. Er kann aber nicht verhindern, daß die Lokalbehörden die Witwen der Hinterbliebenen schlecht behandeln. Wir wollen außergewöhnliche Zulagen überhaupt nicht, sondern daß der Grundbetrag so erhöht wird, daß zum allermindesten die allernotwendigsten Bedürfnisse ge— deckt werden. Verdient dann die Frau noch etwas dazu, ö soll ihr das belassen werden. Merkwürdigerweise geht dem Abg. Meyer die Resolution noch zu weit. Ich meine, die Kostenfrage kann hier nicht in Betracht kommen. Wenn das Deutsche Reich jetzt viele Milliarden aufbringt, um Menschenleben zu vernichten, dann kann es auch die Millionen aufbringen, um die Angehörigen der Krieger einigermaßen zu versorgen. Wir müssen so viel Vertrauen zu der Tatkraft des deutschen Volkes haben, daß es auch diese Kosten aufbringen wird. Dem Husatzantrage Meyer werden wir zustimmen. Es wäre uns er— wünscht, wenn die Regierung erklärte, daß bereits ein Einverständnis darüber erzielt worden ist, daß die Militärverwaltung dieser An— regung Folge leisten wird. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

. General von Langermann:; Ich kann erklären, daß ich

mich über die Resolution mit den zuständigen Stellen in Verbindung gesetzt habe, Die Verhandlungen sind noch nicht ganz abgeschlossen, Aber ich hoffe, daß das Haus mit dem Ergebnis zufrieden fein wird. Der Abg. Hoch hat ganz besonders der Kriegswitwen gedacht. Ich weiß sehr wohl, daß gerade die Kriegswitwen und Waisen der unteren Klassen, der ärmeren Bevölkerung, sich in einer außerordentlich schwierigen: Lage befinden, und ich wünschte, es ständen mir jährlich Millionen zur Verfügung, um den Kriegswitwen so zu helfen, daß sie nicht zu klagen haben, wenn der Mann gefallen ist. Es stehen nir aufe den Kriegsfonds auch noch die Fonds von wohlhabenden Persönlichkeiten zur Verfügung. Dazu kommt die Nationalstiftung, über die neulich der Vertreter des Reichsamts des Innern eine sehr befriedigende Erklärung abgegeben hat. Abg. Sivkowich (fortschr. VolÜksp): Eine zusammenfassende Hentralstell für die Kriegswohlfahrtsstelle im Reiche ist notwendig, ihre Einrichtung unerläßlich. Die „Nationalstiftung“, die über sehr reichliche Mittel verfügt, soll nicht eine falsche Thefaurierungspolitlk treiben; ihr stellt auch die Gegenwart schon sehr große Aufgaben. Sie sollte sich in Verbindung setzen mit der Versorgungsabteilung des Kriegsministeriums und mit dem bereits bestehenden Arbeits ausschuß für, die Kriegshinterbliebenenfürsorge. Die Sammeltätigkeit für Kriegsmohlfahrtszwecke wird nicht immer ganz einwandfrei ausgeübt; „wilde“ Sammlungen haben in großem Umfange stattgefunden. Vor dem Erlaß eines allgemeinen Reichsgesetzes für die Kriegswohlfahrts« pflege wird allerdings die Wirkung der neuesten Bundesratsverord— nung abzuwarten sein. Verhindert werden muß, daß mit der Gebe— freudigkeit und dem Wohltätigkeitssinn der Bevölferung Mißbrauch getrieben wird.

Abg. von Winterfeldt Gkons): Auch wir halten eine Zentralstelle für notwendig. Die Entwicklung der Dinge hat gie Not— wendigkeit einheitlicher, straffer Leitung und Kontrolle erwiesen; es werden dann Auswüchse und ungeeignete Neubildungen verschwinden, auch würde damit eine Duplizität der Verwaltungskörper in großem Umfange überflüssig gemacht werden können. Was über die Unzu— länglichkeit der Renten gesagt ist, können wir nur unterschreiben. Hier muß nach der materiellen Seite ein Ausgleich geschaffen werden; der Reichstag wird zweifellos Gesetzen zustimmen, die einen durchgreifen— den Fortschritt bringen. Die verabschiedeten Offiziere sollten in ent— sprechender Weise berücksichtigt werden, und diese Berücksichtigung sollte in möglichstem Umfange auf alle Altpensionäre ausgedehnt werden.

Die Resolution wird mit dem Zusatzantrage Meyer-Her— ford angenommen.

Abg. Werner⸗Hersfeld (Deutsche Fraktion) tritt für Besserstellung der Altpensionäre der Zivilverwaltung ein. Ihre Ruhe⸗ gehaltsbezüge seien, wie allgemein anerkannt werde, ganz unzureichend, zumal unter den heutigen abnormen ,, Auf den Ausweg des besonderen Antrages bei besonderer Notlage sie zu ver— weisen, sei durchaus mißlich und nicht empfehlenswert. Man dürfe die Leute doch nicht geradezu dem Hunger aussetzen. Hoffentlich teile die Reichsfinanzverwaltung nicht die ablehnende Auffassung des preußischen Finanzministers.

Abg. Me ver-Herford (ul.): Diese Frage wird später ein— gebend verhandelt werden; das entspricht einem früher vom Hause ge— faßten Beschluß.

In das Kapitel „Zivilpensionen“ wird der oben mit— geteilte, von dem Haushaltsausschuß beantragte neue Titel eingefügt.

Im übrigen wird der Etat des allgemeinen Pensions— fonds unverändert bewilligt.

Um 6 Uhr tritt das Haus in die Beratung des Etats für die Post- und Telegraphenverwaltung ein. Der Haushaltsausschuß schlägt die Annahme eines Gesetzent— wurfs vor, wonach die außerordentliche Reichsabgabe von jedem Telegramm erforderlichenfalls auf die dem Gesamt— betrage der Abgabe zunächst liegende, durch fünf teilbare Zahl nach oben oder unten abgerundet werden soll.

Abg. Meyer -Herford (nl. empfiehlt als Referent die unver— änderte Bewilligung des Postetats und des vorstehend erwähnten Ge— setzentwurfs und spricht der Postverwaltung und ihrem großen Be⸗ amtenkörper für die musterhafte Betätigung während des Krieges unter dem, Beifall des Hauses den Dank aus. Die Schwierigkeiten des Beförderungsdienstes seien im dritten Kriegsjahre immer mehr ge— wachsen und hätten im letzten Winter einen besonders hohen Grad erreicht, namentlich infolge des Mangels an Fachpersonal, da fast die Hälfte des bisherigen Bestandes fehle. Die Tausende von Aushelfern und Aushelferinnen seien Neulinge und den Anforderungen nur teil⸗ weise gewachsen. Gesteigert hätten sich die Schwierigkeiten noch durch die Einschränkung des Eisenbahnverkehrs. Umso uneingeschränktere Anerkennung verdiene die Verwaltung vom obersten bis zum untersten Beamten für die Bewältigung dieser ganz außerordentlichen Schwierig⸗ keiten, die dem geordneten Betriebe sich entaegengestellt hätten. Die Reichs abgabe habe ungefähr 120 bis 130 Millionen Mark erbracht. Dig Gesamteinnahmen werden im ganzen 52 Millionen hinter dem Anschlage zurückbleiben. 18033 Beamte der Feldpost hätten das (iserne Kreuz zweiter Klasse erhalten; 9769 Postbeamte hätten im Kriege den Heldentod erlitten,

ö

Hierauf wird um 714 Uhr die Fortsetzung der Beratung auf Don nerstag 1 Uhr vertagt. Vorher Gesetzentwurf betreffend den Gebührentarif für den Kaiser Wilhelmkanal; nachher Etats für den Reichstag, die Reichseisenbahnen und das Reichsheer.

Brenpischer Landtag. Haus ber Abgeordneten. 91. Sitzung vom 2. Mai 1917, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Am Regierungstische: die Staatsminister von Breiten bach, Dr. Sydow, Dr. Lentze und von Loebell.

Präsident Dr. Graf von Schwerin Sitzung um 12 Uhr 20 Minuten.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste, zweite und dritte Beratung des Gesetzent wurfs, betr. die Bereit stellung weiterer Staatsmittel für die durch Gesetz vom 1. April looßh angeordneten Wasser⸗ straßenbauten. Nach der Vorlage soll die Staatsregie— rung ermächtigt werden, für die Herstellung eines Schiff⸗— fahrtskanals vom Rhein zur Weser statt 239 590 000 66 252 790 0900 S, also 13 200 9000 6 mehr zu verwenden, und dieser Mehrbetrag soll zur Herstellung einer zweiten Mündung des Rhein-Herne-Kanals in den Rhein dienen.

Minister der öffentlichen Breitenbach:

Meine Herren! Die Entwicklung des Verkehrs auf dem Rhein Herne⸗Kanal hat unter dem Einfluß des Krieges und der Kriegs— wirtschaft ein über die Friedensveranschlagung weit hinausgehendes Anwachsen gezeigt. Diese Verkehrssteigerung macht sich vorwiegend in der Richtung zum Rheine geltend und belastet in störender Weise die letzte Mündungsschleuse des Kanals, die den Abstieg zum Ruhr— orter Hafen bildet. Während die Schleusen des Rhein —Herne— Kanals es sind ihrer sechs doppelschleusig gebaut sind, zwei Schleppzugsschleusen nebeneinander, ist diese zum Ruhrorter Hafen absteigende Schleuse nur einfach gebaut, aber als Schleppzugsschleuse.

ies ist seinerzeit in der Erwägung geschehen, daß in dem Gebiete des Rhein —Herne⸗Kanals mit starken Bodensenkungen zu rechnen war, so daß zur mehreren Sicherheit aus diesem Grunde zwei Schleusenpaare nebeneinander zu legen waren.

Die letzten Kriegsjahre haben zweifelsohne erkennen lassen, daß in nicht zu ferner Zeit die Mündungsschleuse zum Rhein an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angekommen sein wird, obwohl von

eröffnet die

Arbeiten Dr. von

der zuständigen Stelle Einrichtungen während des Krieges geschaffen

und getroffen sind, um die Leistung auf das äußerste zu steigern. Dier muß alsbald Wandel geschaffen werden, ünd das kann nur durch die Erbauung einer zweiten Mündungsschleuse geschehen, die aber nicht neben die bestehende zu legen ist, sondern durch eine selb— ständige Verbindung vom Rhein Herne Kanal zur Ruhr unterhalb der heutigen Schleuse zu erbauen ist.

Diese neue Schleusenanlage soll in den Abmessungen von 350 Meter in der Länge und 13 Meter in der Bteite hergerichtet werden, während die Schleusen des Rhein Herne⸗Kanals nur mit 10 Meter Breite ausgestattet sind. Die neue Schleuse wird die Möglichkeit gewähren, gleichzeitig 4 Kanalschiffe von 87 Meter Länge und einen Schlepper aufzunehmen. Der Grund, warum diese neue Schleusenanlage in größerer Breitenabmessung vorgeschen ift, liegt primär in dem Umstande, daß die Stadt Mülheim einen eigenen Schiffahrtskanal zurzeit baut und ihn mit einer Schleuse von 13 Meter Abmessung versieht. Die Stadt Mülheim und ank ere Interessenten haben nun ein wesentliches Interesse daran, daß die neue Mündungsschleuse des Rhein Herne -Kanals in denselben Ab messungen hergestellt wird, und haben dieses Interesse durch einen Zuschuß von 450 C00 „½ zu den Baukosten betätigt, der den Unter— schied der Baukosten zwischen einer 13 Meter breiten und einer 10 Meter breiten Schleuse darstellt. Es kann ja aber gar keinem Zweifel unterliegen und es braucht nicht verschwiegen zu werden, daß die Erbauung einer 13 Meter breiten Schleuse demnächst, wenn durch das Verkehrebedürfnis eine weitere Ausgestaltung des Rhein=— Herne-Kanals und seiner Betriebsanlagen erforderlich werden wird die Vorkehrungen hierfür sind bei dem Bau des Kanals bereits getroffen —, auch für den gesamten Verkehr, der durch den Rhein Herne⸗ Kanal zum Rheine geht, einen wesentlichen Vorteil bedeuten wird. An der Ruhrmündung soll, was besonders bemerkenswert ist, eine große Zahl von Schiffsliegeplätzen geschaffen werden, um den Ueber— gang von der Kanal- zur Rheinschiffahrt zu erleichtern.

Meine Herten, lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit feststellen, daß der Rhein Herne-Kanal die Eiwartungen, die an seinen Bau geknüpft worden sind, voll erfüllt hat. Er hat eine Entwicklung über Erwarten genommen, wie ich bereits bemerkte, unter dem Druck der Kriegsberhältnisse. Aber wir rechnen bestimmt damit, daß auch die friedliche Entwicklung des Kanals eine steigende und voraus⸗ sichtlich über die seinerzeitige Veranschlagung hinausgehende sein wird. Unter allen Umständen hat der Rhein Herne⸗Kanal den Staats eisenbahnen eine merkbare Entlastung gebracht, eine Tatsache, an deren Bedeutung nichts dadurch geändert wird, daß der Kanal unter dem Einfluß eines abnormen Winters diesjährig während eines längeren Zeitraums außer Betrieb war,

Die Wechselbeziehungen der beiden Verkehrswege, des Rhein Herne⸗Kanals und der Staatseisenbahnen, sind sehr innig und be— deutsam, und in diesem Zusammenhange, obwohl nicht unmittelbar mit der Vorlage zusammenhängend, möge es mir gestattet sein, ann heutigen Tage vor dem Auseinandergehen des Hauses festzustellen, daß der Betrieb der Staatseisenbahnen, wie er sich zurzeit darstellt, als ordnungsmäßig bezeichnet werden kann. (Lebhafter Beifall.) Er wickelt sich im wesentlichen, wenn ich von den naturgemäßen Rückwirkungen der Kriegsschauplätze, die gar nicht abzuwenden sint, absehe, gleichmäßig ab. Auch der Güterzugfahrplan ift im wesent— lichen wieder in Ordnung, der Lokomotivbestand hat sich nennens— wert verbessert, der Reparaturstand ist ständig gesunken. Ich darf seststellen, daß die Staatseisenbahnen, wenn auch nicht einen über— reichen Lokomotivpark zur Verfügung haben, so doch einen Park, der den derzeitigen großen Ansprüchen des Verkehrs gerade genügt. Dasselbe gilt in noch höherem Maße für den Güterwagenpark. Ich lege Wert darauf, bekannt zu geben, daß in den Industrierevieren die angeforderten Wagen vollzählig zur Verfügung stehen; ja, ich muß

hussprechen, daß der Güterwagenpark der Staatseisenbahnen zurzeit

nicht in dem Umfange ausgenutzt wird, wie wir es vom Standpunkte

des Betriebes wünschen müssen. (Hört, hört) Es sind an manchen

Tagen der Woche Ueberbestande an Wagen vorhanden gewesen.

Damit hat sich meine Hoffnung erfüllt und die Zuversicht, der ich

wiederholt in bedrängter Zeit, Ausdruck verliehen habe, daß diese

große Verkehrsanstalt troß schwerster Stöße die innere Kraft in sich hat, sich wieder aufzurichten, daß dieselbe bis zum letzten Augenblick dem Vaterlande gegenüber ihre Pflicht erfüllen wird. (Braboh) Ich darf im Vergleich mit den Vorgängen in den Kriegsberkehrs— gebieten unserer Feinde feststellen, daß wir ihnen auf diesem Gebiete

im Kriege und, wie ich zuversichtlich hoffe, im folgenden Frieden er—

heblich überlegen sind und sein werden. (Bravo)

Meine Herren, durch die heutige Tagesordnung ist an das hohe

Haus die große Zumutung anders darf ich es nicht bezeichnen

gestellt worden, den vorliegenden Gesetzentwurf der Königlichen

Staatsregierung ohne Kommissionsberatung anzunehmen und zu ver

abschieden. Ich darf daran erinnern, daß bereits in der wasserwirt—

schaftlichen Vorlage vom Jahre 1905 auf die zweite Mündungs— schleuse des Rhein —Herne⸗Kanals hingewiesen ist, daß deren Er— bauung als notwendig im steigenden Verkehrsi sse erklärt wurde, und ich darf weiter in Erinnerung bringen, daß aus diesem hohen

Hause heraus fast por jeder Haushaltsberatung der letzten Jahre an ͤ mich, den Minister der öffentlichen Arbeiten, der Wunsch und der . (lnspruch erhoben wurde, für die Erbauung der zweiten Schleuse Sorge zu tragen. Ich darf daher der Hoffnung Ausdruck geben, de das hohe Haus dieser Zumutung und diesem Ansinnen gerecht werden wird. Ich würde es dankbar und mit Freude begrüßen, wenn das Haus der Abgeordneten am heutigen Tage die Vorlage, wie sie von seiten der Königlichen Staatsregierung dem Hause unterbreitet ist, ohne Ueber— weisung an die Kemmission genehmigen würde. (Bravo)

Abg. Schweckendie ck (ul) erklärt sich mit der Annahme der Vorlage ohne Kommissionsberatung einverstanden, da bei dem Verkehr in diesem Kriege auf dem Rhein-Herne-Kangl die höckste Leistungsfähigkeit der einen Schleuse jetzt schon in Anspruch ge— nommen sei.

Abg. Graf von der Groeben (kons):; Meine Freunde wollen die Vorlage ohne Kommissionsberatung erledigen. In Friedenszeiten würden wir allerdings eine solche Vorlage in der Kommission genau prüfen müssen, aber in der jetzigen Zeit können wir darauf verzichten, weil es darauf ankommt, den Rhein-Herne, Kanal leistungsfähiger zu macken. Die Verkehrsentwicklung auf dem Kanal ist von großer Bebeutung; wir sind deshalb bereit, die Vorlage anzunehmen.

Abg. Graf von Moltke (freikons.): Es bestehen doch Be⸗ denken . die Vorlage sofort in allen drei Lesungen ohne Kommissionsberatung anzunehmen. Gegen die Erbauung der zweiten

l )

9 Schleuse haben lange Zeit technische Schwierigkeiten bestanden, jetzt

sollen wir aber kurzerhand üher die technischen Schwierigkeiten hin- weggehen. Die Vorlage steht in engster ee , unseter gingen . ünd es entspricht nicht der- Würde des Gegen⸗ standes, daß wir diese Vorlage durchpeitschen und ohne Kommissions⸗ beratung annehmen. 3 ö

. ö, (GZentr): Die Angelegenheit hat. ja bereits i Budgetkommission beschäftigt und ist dort sehr ausgiehig

besprochen und brit worden. Auch wir sind für schleun igste Ge⸗

, der Vorlage. n aber Kommissionsberatung be⸗

antragt ist, stimmen wir ihr zü. ;

g. ai nn rer; (forfschr. Volkép.): Auch wir bedauern außerordentlich, daß die Geschästelage des Pauses ums vor eine olche , . Frage stellt, einen Zwölfmillionenkredit ohne Kommissions⸗ ratung genehmigen zu sollen. Wir stellen ursere großen Bedenken aber zurück angesichts der materiellen Gründung, besonders deshalb, Lamit nicht die beste Bauzeit in diesem Sommer versäumt wird.

Es ist notwendig, daß im Hinnenlande reichliche Kohlenlager gf.

schaffen werden, um die. Wiederkehr der Kalamitäten, unter denen

wir im vergangenen Winter zu leiden gehabt haben, zu verhüten.

Die Militärbehörden werden hoffentlich genügend Kräfte n Ver⸗

fügung ftellen, um die Kohlenförberung zu verstärken, damit nachher

von unserem Waggonreichtum auch Gebrauch gemacht werden kann. Damit schließt die erste Lesung. Der Antrag auf Kom⸗ missionsberolung findet nur die Unterstützung des, größten

Teiles der Frelkonservativen und des Gros des Zentrums

sowie der Sozialdemokraten. Nach Probe und Gegenprobe

wird der Antrag für abgelehnt erklärt. In zweiter Lesung gelangt die Vorlage unverändert ohne Debatte zur Annahme, Der sofortigen Vornahme auch der dritten Lesung wider⸗

richt ö.

i Abg. Schaube Greikons ; Es sei ein parlamentarisch un⸗ erbörter Vorgang, alle Vorschriften der Geschäftsordnung üher die Fristen zu ignorieren. Er habe gestern nicht gehört, daß alle drei Lesungen heute zugleich auf die Tagesordnung kommen sollten, sonst hätte er fofort Widerspruch erhoben. Die Vorlage selbst habe er erst spät abends gestern zur Kenntnis bekommen. .

Der Präsident stellt fest, daß der Widerspruch gestern hätte erhoben werden müssen, aber nicht erhoben worden ist; heute dürfe ein ,., Widerspruch nicht mehr gelten. ö

bg. e, , n i sr nunmehr die Absetzung des Gegenstandes von der Tagesordnung, .

; rn Adolf . (Soz. Arb. Gem. hilt es nach der Geschäfltzordnung schon für ausreichend, wenn der Vornahme der dritten Lesung 15 Mitglieder widersprechen. .

Auch diefe Auffaffung wird vom Präsidenten unter Hinweis auf den Wortlaut der Geschäftsordnung für irrtümlich erklärt. .

Nach weiterer Erörterung dieser Streitfrage wird schließ⸗ lich zur Abstimmung über den Antrag auf Absetzung ge⸗ schritten. Dieser wird gegen die gleiche Mehrheit wie vorhin abgelehnt. Das Haus tritt in die dritte Lesung ein und die Mehrheit genehmigt die Vorlage ohne Diskussion endgültig.

Inzwischen ist folgender schleuniger Ant a g. des Abg. Hirsch-Berlin (Soz.) und der übrigen Mitglieder der 19. Kommission eingegangen:

„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, die Kinder— beihikfen den zum Heeresdienst einberufenen Beamten, Lehrern, den auf Privaldienstdertrag Angestellten und Arbeitern auch dann zu gewähren, wenn . Unteroffizierslöhnung beziehen, und zwar in solcher Höhe, daß sie Cohnung und Heihilfe zusammengerechnet

den Gefreiten gegenüber nicht benachteiligt sind. .

Gegen die Beratung dieses Antrages in der Sitzung erhebt Abg. Schau be (reikons) auf Grund der Geschäͤftsordnung Widerspruch, zieht ihn aber auf Bitten des Abg. Hirsch zurück. Der Antrag wird am Schluß der heutigen Sitzung in Ver⸗ bindung mit einem Abänderungsantrag des Abg. Heß zur Verhandlung kommen.

Es folgt die dritte Lesung des Wohnungsgesetzes, wozu die in der zweiten Lesung abgelehnten Anträge der fort— schrittlichen Volkspartei wieder eingebracht worden sind.

In der allgemeinen Besprechung erklärt

Abg. It schęrt (Zentr), daß seine Partei an dem Kompromiß festhalte und deshalb die von der Fortschrittlichen Volkspartei in zweiter Lesung gestellten und von der Mehrheit abgelehnten Anträge ku Artikel 1 ablehnen werde. 4

—— ᷣ—ᷣ

1

Abg. Dr. Bredt freikons.!': Auf dem Gebiete des Wohnungs⸗ wesens herrschen so giöoße Uebelstände, daß wir alle Hand anlegen müssen, um sie zu besejitigen. Die Vorlage hat der allgemeinen Er⸗ wartung nicht entsprochen, die man an sie geknüpft hat. Sie leidet an Unklarheiten. Es hätte ganze Atheit macht werden müssen, kine ganze Reihe wichtiger Fragen wird im Gesetz gar nicht betührt. Im Gtunde handelt es sich gar nicht um ein neues. e. Es muß mog lichst bald und möglichst gut ausgebaut werden. Zustimmung.)

Abg. (Graf von Speere (3entr. : Ich spreche nur für meine Person. Ich glaube, daß die Privaten im Wohnüngsbau mehr leisten, als die gemeinnützigen Baugenossenschaften. Diest können das Bau⸗ dedürfnis nicht genau übersehen. Das „öffentliche Wohl“, für welches die Genossenschaften angeblich eintreten, bestebt doch in als die gemeinnützigen Bange nossenschaften. Das „öffentlich? Wohl“, füt welches die Genossenschaften angeblich eintreten, besteht doch in dem Wohl jedes einzelnen. Ein allgemeines Baugesetz ist ein dringen des Bedürfnis, aber wann wird es kommen? Warum macht man jetzt ein Stückwerk mit dieser Vorlage? Wir können nur hoffen, daß recht bald ein allgemeines Baugesetz erlassen wird.

Unterstaatssskretär Dr. Freiherr von Goels van der Brügghen: Ich bitte Sie, die Abänderungsanträge der Volks- partei wie in zweitet Lesung abzulehnen. Auf den Inhalt des Ge— setzes nochmals einzugehen, erübrigt sich, da alle Fragen schon ein— gehend besprochen sind. Alle Parteien, auch die der Linken, haben manche Wünsche zurückgestellt; ich bitte Sie, an dem Kompromiß fest— zuhalten.

Abg. Grundmann (kons.): Wir werden auch in der dritten Lesung für das Gesetz stimmen, wenn auch dadurch die Wohnungs— fragen nicht restlos gelöst werden. Die Anträge lehnen wir ab.

Abg. Hirsch⸗Berlin (Soz.): Das Gesetz, so große Unpoll⸗ kommenheiten es auch enthält, ist immerhin ein Fortschritt gegen den bisherigen Zustand. Wir haben ein großes Wohnungẽelend in Preußen, so daß wir ein solches Gesetz machen müssen. In Berlin haust ein Zehntel der Bevölkerung in unzureichenden Wohnungen, da die Familiẽn nur einen heizbaren Raum zur Verfügung haben. Nach dem Kriege wird die Wohnungsnot noch einen größeren Umfang an— nehmen, da die Eheschließungen sich vermehren werden, deshalb müssen wir schon heute vorsorgen. Mit einer Reihe von Bestimmungen be— schreitet die Vorlage den richtigen Weg, und ich würde es für eine hRroße Dummheit halten, die Vorlage abzulehnen. In bezug auf die Gre der Wohnungen haben die gemeinnützigen Bauvereinigungen weit mehr geleistet als die privaten Bauuntetnehmungen, Wegen er BHeschränkung der Selbstverwal tung können wi die wohltätigen e— stimmungen der Vorlage nicht fallen lassen. Den pripaten Besitzern ind Millionengeschenke dadurch gemacht worden, daß wertloses Acker⸗ land in Bauland verwandelt wurde. Das Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung des Wohnungselends muß dem Interesse der Privatbesitzer vorgehen. ö 83 Abg. ö. Bredĩ sfreikons. j: Wenn wir dem Wohnungselend steuern wollen, müssen wir den Gemeinden neue Befugnisse gehen, damit sie handeln können. In der Statistik bedeutet die Angabe, daß nür ein heizharer Raum vorhanden sei, nicht, daß das der in zige Raum einer Familie ist; daneben können noch mehrete andere Räume, nut nicht heizbare zum Kochen usw, vorhanden selin.

Abg. Adolf Hoffmann (Soz. Arb. Gem): Des 58577 ist nur ein Stückwerk; das ist ja auch kein Wunder, da es vom preußischen

Landtag gemacht wird. Wenn auch Herr Hirsch es eine Dummhejt

nennt, für dieses Gesetz nicht zu stimmen, so werden wir doch diese

Dummheit machen. Herr Hirsch, Ihre Richtung hat schon so viele

Dummheiten gemacht, daß wir auch einmal, eine machen können. Heiterkeit; Ein wirksames Wohnungsgesetz kann nur gemacht wer— zen, wenn das Hausbesitzerprivileg in den Stadtverordnetendersamm⸗ lungen abgeschafft wird. Das Gesetz muß Stückwerk bleiben, wenn nicht der Reichtztag ein anderes macht. .

Abg. Cassel (fortschr. Volkep): In Berlin sind die Wohnun⸗ zen ständig verbessert worden. In anberen Städten ist für das Wohnungebedürfnis der minderbemittelten Bevölkerung viel weniger gesorgt als in Berlin.

Abg. Graf von Spee Gentt): Weng auch das Wohnungs- elend besteht, so kann man doch verschiedener Meinung darüber sein, wie ihm abgeholfen werden kann. Es kann sein, daß nah dem Kriege ie Gheschließungen sich vermehren, es kann aber auch anders kommen. Die gemeinnützige Bautätigkeit leistet nicht im geringsten mehr als die private. Gehen Sie der privaten Bautätigkeit mehr Freiheit, so wird sie noch mehr leisten können. .

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgeordneten 8gighßer (nh), Hirsch⸗-Birlin oz, Br. Bret sfreikons). Dr. Wuermeling Gentr. und Adolf Hoffmann (Soz. Arb. Gemein.) wird die Debatte ge— schlossen. . ö

In der Einzelberatung wird das Gesetz mit einigen von dem Abgeordneten Itschert Gentr) beantragten redaktie⸗ nellen Verbesserungen, im übrigen, nach Ablehnung der fort⸗ schrittlichen Anträge, unverändert in der Fassung der zweiten Lesung im einzelnen und in der Gesamtabstimmung gegen die Stimmen der Soz. a. R. angenommen. .

Zur dritten Beratung des Bürgschaftssiche—⸗ rungsgesetzes hat die Volkspartei ihren in der zweiten Lesung abgelehnten Antrag wiederholt, daß nicht nur für die gemeinnützigen Bauvereinigungen, sondern auch für die pri⸗— vaten Grundeigentümer die staatliche Bürgschaft übernommen werden kann. Unter Ablehnung dieses Antrages wird das Gesetz im einzelnen und in der Gesamtabstimmung im ganzen unverändert in der Fassung der zweiten Lesung angenommen.

Es folgt die Beratung von Petitionen.

Eine Reihe von Petitionen, zu denen Wortmeldungen nicht vorliegen, wird nach den Anträgen der Kommissionen erledigt.

Eine Petition des deutschen Frauenstimmrechtbundes in Frankfurt a. M. um Wahlberechtigung der Frauen in Staat und Gemeinde wird gegen den Widerspruch des Abgeordneten Adolf Hoffmann von der Tagetzordnung abgesetzt. ö

Es folgt die Beratung des Antrages des Staatsministe— riums auf Zustimmung des Hauses zur Vertagung des Landtages vom 15. Mai bis 9. Oktober 1917.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch kreikons): Wir haben Bedenken gegen eine Vertagung bis zum 9. Oktober. Das Abgeordnetenhaus muß Gelegenheit haben, sich über die Ernährungs⸗ fragen rechtzeitig zu unterhalten und seinen Einfluß geltend zu machen. Der 1. August sollte der späteste Termin sein, an dem man dem Schaden der Volksernährung für das folgende Jahr noch vorbeugen kann. Wenn auch die Regierung bereit sein mag, auf besonderen Wunsch das Haus früher zu berufen, so ist es doch richtiger wenn wir das durch unseren ö selbst in 6 behalten. Wir können dieser Vertagung nicht zustimmen, wohl aber einer Vertagung bis zum 1. August. .

Abg. Adolf Hoffmann (Soz. Arb. Gem.): Wir stimmen dem zu, was der Abg. von i ausge führt hat. . .

Abg. Dr. Friedberg (nl): Der Widerspruch des Abg. Frei⸗ herrn von Zedlitz ist überraschend, weil er nicht gestern bei der Be— sprechung im Aeltestenausschuß erhoben worden ist. Ich möchte be⸗

sonders hervorheben, daß die Regierung wohl unter allen Umständen

bereit sein wird, das Haus auch früher zusammenzuberufen, wenn ihr von maßgebender Seite des Hauses der Vorschlag gemacht wird.

Minister des Innern von Loehell:

Meine Herren, die Staatsregierung verkennt nicht, daß, wenn sie Ihnen den Vorschlag macht, die Vertagung bis zum 9. Oktober auszudehnen, in dieser schweren Zeit, in det wir uns befinden, Um⸗ stände eintreten können, die ein früheres Jusammenarbeiten zwischen Staatsregierung und Landesvertretung wünschenswert erscheinen

2

'

lassen. Die Staatsregierung wird dann nicht saumen, Seine Majestät (ine frühkre Ginberufung des Landtags trotz ter auge sprochenen Vertagung vorzuschlagen, sobald die Netwend igkeit hierzu eintreten sollte. Dies votausgeschickt, möchte ich die Herren bei dem Votschlag, den die Staatsregierung Ihnen macht, zu bleiben, die Vertagung also bis zum 9. Oktober auszusprechen. haben, glaube ich, gestern im Seniorenkonvent durch eine Aussprach⸗ Nertretern der Fraktionen ei

S SrYY,

zwischen Regierung und den 8 Ginigung in diesem Punkte erzielt. Ich möchte meinen, wie hälinisse liegen, erscheint dieser Termin, der Ihnen hier vorg witd, auch als ein durchaus zweckmäßiger, und ich glaube nicht, die Rechte des Landtags nach der Grklärung, die ich mir eben

ö

2641

z ö 6 gon ar 353den zugeben erlaubt habe, irgendwie beeinträchtigt weren.

on He gen die l

Abg. Dr. d y debrand und der ie Einwände ge ange Vertagung haben gewiß rechtigtes. Aber will man wirklich einen Einfluß Wirtschaftsjahr gusüben, daun müßte man spätéstens n sammentreten. Nachdem die Regierung ausdrücklich erklärt Hai le, wenn die Verhältnisse es wünschenswert erscheinen

6 man es daber

sie

Haus früher zusammenberufen will, sollte ma be Abg. Dr. Porsch (Jentr): Ich schließe mich

rungen der Abgeordneten Dr. ĩ J

r

. 3 1 3 ,, , , . Wir wellen uns jetzt bei dem vorßeschlage

bei der Aussicht, daß die Regierung das sobald dies notwendig wir?. . Präsident Dr. Graf von Schwerin: des Termins kann vom Hause nicht beschlessen werden, höchstens eine Ablehnung des vorgelegten Vertagungsantrages erfelgen. Abd. Adolf Hof; l ie N ; hat bisher nur erklärt, sie das Sau; zugmmenbetufen fill wenn et, aber, nicht, wenn die Fraktions führer

2. zom 5. Gig Megierum: rann (Soz. Arb. Gem): Vie Negierung * sie es für notwendig eracht ies wünschen.

di üns d . Minister des Innern von Loebell:

2 3 5 3875 öchte hier auch erklären J W * 3891 den einmutigen Wun unde

zu wollen

tverständlich die

Staatsregierung einer solchen Anregung

Beachtung zuteil werden lassen wird, die eine solche Anregung der

——

‚. J p rs Ie 9 kor Tr nnen zidung hat der König zu treffen. Aber ie. tenen

8 **

1.

8 2

1

**

gierung vollste Beachtung finden wird. g. Freiherr von Zedlitz und Neukirch lfreilon .: Nachtem. wir mit voller Sicherheit darauf rechnen können Zurkh⸗ links: Ra, nal daß die Regierung einem solchen Wunsche statnmeher wird, ziehen wir unseren Widerspruch gegen den Termin des tober zurück. Der Antrag des Stagtsministeriums wird angenemmen. Es folgt die Beratung des schleunigen Antrages der Abgeordneten Hirsch-Berlin und Gensssen Mir glieder der Kommisston für Bevölkerungspolitit):

„die Regkrung zu ersucken, die Finde rbeihilfen den zum Heöeresdienst einberufenen Beamten, Lehrern, den auf Pribatdienst⸗ berttetz Angestellten und Arbeitern auch kann ze gerrähzen, wenn sie Unteroffizierlöhnung beziehen, und zwar in solcher Höhe, daß sie TLöhnung und Beihilfen zusammengerechnet) den Gefteiten gegen über nicht benachteiligt sind“,

und des Abänderungsantrages des Abg. Dr. He ß:

die Regierung zu ersuchen, die Finderbeihllten ollen zum Heerzedienst einberufenen Nenmten, Lehrern, quf Hriratzinstber= ß Angestellten und Arkeitern in Ter Hähe zu gemnähten, daß sie

Tienstenkommen hbezr. Atheitslohn. Beihilfen und hnung zu= samznen) sich richt schlechter stehen, als wenn sie nicht zum Heeres

dienst einbertfen worden wären.“

Abg. Dr. Gott schalk-⸗Solingen (nl) begründet den Antrag der Kommission für Bevölkerungspolitik. ; ö

Abg. Br. Heß Gentr.) begründet seinen Abänderungsantrag.

Der Abänderungsantrag des Abg. Dr. Heß wirb abge— lehnt. . Der schleunige Antrag Hirsch und Genossen wird mit großer Mehrheit angenommen. . . ;

Der Präsident erbittet und erhält die Ermächtigung, die nächste Sitzung festzusegen und die Tagesordnung zu be— stimmen. . : ; ö

Abg. Hirsch⸗ Berlin (Sez.) wünscht, daß noch in einer Sitzung vor dem Auseinandergehen des Hauses die Wahlrechtsfrage besprochen wird, zu der die Sozialdemokratie einen Antrag vorberritet.

Abg. Frhr. Son Zedlitz und Neukirch freikons. :. Nach⸗ dem wit das Fideikommißgesetz mit Rücksicht auf die innere Einigkeit

: , haben, können wir nicht über das Wahlrecht sptechen.

Abg. Dr. Pa chnicke (fortschr. Volksp.); Meine Fraktion he= reitet eine Interpellation über die Neuorientierung und die Wahl rechtäfrage Hor. Sie wird jetzt dem Hause zugehen, und wir bitten, sie auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen.

Abg. Dr. Porssch (Zentr.): Wenn die Interpellation, deren Inhalt ich noch nicht kenne, auf die Tagesordnung gesetzt werden alte so behalte ich mir vor, die Beratung des Fideikommißgesetzes für denselben Tag zu beantragen. (Stürmischer Beifall rechts.)

Abg. Gtaf d. d. Groeben (kons): Auch wir stimmen den Worten des Abgeordneten Dr. Porsch zu. ; . .

Abg. Härsch⸗-RBerlin (Soz): Eine Interpellation muß ja auf die Tagesçrdnung gesetzt werden. Sache der Regierung ist es ja dann, ob sie sie gleich beantworten will. Daraus können wir ja dann unsere Schluͤsse ziehen.

Abg. Dr. Pachnicke (fortschr. Volksp.): Um eine Antwort von seiten der Regierung zu erhalten, müssen wir ihr erst Zeit lassen, das Ergebnis ihrer Beratungen zu ziehen. Die Interpellation knüpft an die Vorbereitungen an, die der Kaiser und König in der Osterbot⸗ schaft verlangt hat, und es muß alsg erst eine gewisse Zeit verstreichen, bis diese Vorbereitungen abgeschlessen sind. ;

Abg. Adolf Hoffmann C Soz. Arb.⸗Gem.): Die beiden sozial⸗ demokratischen Fraktionen des Hauses haben kürzlich einen ähnlichen Antrag vorbereitet aber nicht die Unterstützung der Fortschrittlicken Volkspartei erhalten können. Aber ich freue mich, daß die Forsschritt= liche Volkspartei jetzt auch für die Behandlung dieser äußerst wichtigen Angelegenheit eintritt. .

Abg. Dr. Fris'd berg nl): Wir hören erst jetzt ven dieser Interpellation, statt daß uns gestern bei der Besprechung im Aeltesten⸗ ausschuß davon Mitteilung gemacht worden wäre. .

Abg. Dr. Pachnicke (fortschr. elke): Niemand teilt eine Interpellation eher mit, als bis sie fertig ist. Der Vorschlag des Abgeordneten Adolf Hoffmann trat vor Ostern an uns beran. Wir haben damals ausdrücklich erklärt, daß wir uns vorbehalten, in dieser Sache selbständig vorzugehen.

Abg., Dr. Horsch (Zentr.: Da wir von der bevorstebenden Interpellation nichts wußten, waren wir bei der gestrigen Besprechtüng der Meinung, daß wir mit unserer Tagung am Ende wären. It bedaüere etz ganz außerordentlich, wenn nun hinterrücks noch eine Interpellation eingebracht wird. Jetzt wird uns verständlich, warnm pie Fortschtittler als Anfangstermin der Vertagung nicht den 3. Mal, sondern einen späteten Termin haben woll ten. (Zustimmung rechte und in der Mitte) 6

Präsident Dr. Graf von Schwerin:; Ge war allgemzin die Meinung, daß in der Sitzung, die etwa noch stattfinden soll, weiter nichts zu behandeln sein wütde altz nötigenfalls das Wohnung nes und, falls ein solches Geseßz noch dorgelegt werden söllte, dez Gem über die Aufhebung des Gnteiqnungsgesetzes⸗⸗

1