1917 / 128 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 Jun 1917 18:00:01 GMT) scan diff

mur gegen den Feind und seinen gesamten Handel richten will

und weil die deutsche Seekriegsleitung danach strebt, ihre Ziele, die auf Niederringung des Feindes gerichtet sind, zu erreichen,

möglichst ohne die Neutralen in Mitleidenschast zu ziehen. die diese Ziele nicht mutwillig zu durchkreuzen suchen, so hat die deut che See⸗ kriegsleitung, wie amtlicherseits durch „W. T. B.“ mitgeteilt wird, sich trotz ernster milltärischer Bedenken abermals dazu entschlossen, den Wünschen der durch Englands Willkür in Sorge geratenen Neutralen entgegenzukommen. Sie hat des⸗ halb Befehl gegeben, daß allen neutralen in Eng— land liegenden Schiffen am 1. Juli freie Durch— fahrt durch das Sperrgebiet um England gewährt wird, falls die Schiffe bestimmte Abzeichen führen und bestimmte Wege einhalten.

Die seinerzeit von der deutschen Regierung an die englische Regierung und an die Regierung der Ver— einigten Staaten von Amerika gerichtete Protestnote, ketreffend die Behandlung des Kaiserlichen Bot— schafters Grafen Bernstorff und der ihn begleitenden Beamten durch die englischen Behörden in Halifar, hat nach einer Mitteilung des ‚W. T. B.“ ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat sich zwar befremd⸗ licher Weise auf den Standpunkt gestellt, daß sie formell nicht zuständig sei, da die Behandlung ber mit freiem Geleit der englischen Regierung reisenden Deutschen An⸗ gelegenheit der englischen Regierung sei. Die deutsche Protest⸗ note, unterstützt durch Augenzeugenberichte unbeteiligter Per— sönlichkeiten, hat jedoch tatsächlich die Wirkung gehabt, daß die englischen Behörden in Halifax die deutschen Beamten aus SGhina und Mittelamerika, die über die Vereinigten Staaten nach Europa zurückreisten, wesentlich rücksichtsvoller und zuvor⸗ kemmender behandelt haben als den Grafen Bernstorff und seine Begleitung, auch vollzog sich die Untersuchung ungleich e, ,, so daß Klagen der Reiseteilnehmer diesmal nicht laut wurden.

Nach einer Stockholmer Meldung vom 29. Mai, die bereits ihren Weg durch die deutsche Presse genommen hat, sollen nach der erfolgten Versenkung von sechs und nach der Aufbringung von drei schwedischen nach Finnland bestimmten Frachtdampfern die Stockholmer Reedereien den weiteren Frachtverkehr noch Finnland bis auf welteres eingestellt haben. Ob diese Meldung auf Richtigkeit beruht, mag einstweilen dahingestellt bleiben. Zutreffendenfalls wäre es jedenfalls nicht ausgeschlossen, daß ein Teil der schwedischen Presse diesen Vorfall wiederum zum Anlaß nehmen könnte, Perdächtigungen oder Beschulöigungen gegen die deutsche See⸗ keiegführung zu erheben. „W. T. B.“ erinnert nur an den Vorfall, der sich im ersten Kriegsjahr abspielte, als schwedischer Gchiffsraum an der finnischen Küste verloren ging, infolge dort ausgelegter deutscher Minen. Damals regte sich die schwedische öffentliche Meinung, obwohl von deutscher Seite rechtzeitig vor Befahren jener Gewässer gewarnt war, ganz unnötiger und unberechtigter Weise auf. Dasselbe erlebten wir bekanntlich noch vor ,,. aus Anlaß der Versenkung von drei schwedi⸗ schen Dampfern, die auf eigenes Risiko am 15. Mai die englischen Häfen verlassen und sich in das Sperrgebiet begeben hatten, wo sie versenkt wurden. Es kann nicht eindringlich genug betont werden, daß das Fahren mit Konterbandeladungen von Schweden nach Rußland einen ebenso großen Leichtsinn der schwedischen Schiffsreeder darstellt, wie das willkürliche Befahreen bes um England sich ausbreitenden Sperrgebiets. Bei allem Wohlwollen, das wir gerade der schwedischen Ration nicht nur aus Gtammesverwandtschaft, sondern besonders auch wegen ihrer ehr⸗ lichen und strikten Neutralität entgegenbringen, können wir doch diesem Lande gegenüber keine Ausnahmebehandlung gelten lassen. Gchweden darf, wenn es auch noch so sehr unter den Nöten des Krieges mitzuleiden hat, schließlich doch auch nicht vergessen, daß die anderen Neutralen sich in noch erheblich größeren Schwierigkeiten befinden. Letzten Endes sind es doch immer nur Profitsucht und Spekulation, die zur Versenkung oder Aufbringung schwedischen Eigentums führen, und aus diesen rein privaten Interessen einiger schwedischer Reedereigesell⸗ schaften kann unmöglich ein Anrecht hergeleitet werden, baß mlt Rücksicht auf deren Geldgeschäfte die Seekriegführung eines um seine Existenz kämpfenden großen Volkes leidet und in ihren Erfolgen abgeschwächt wird.

Am heutigen Tage ist eine Bekanntmachung in Kraft ge⸗ treten, durch welche alle rohen und eingearbeiteten Felle von zahmen und wilden Kaninchen sowie von Hasen und Hauskatzen jeder Herkunft und in jedem Zustand beschlag— nahmt werden, soweit nicht ihre Zurichtung zu Pelzwerk (Rauch⸗ ware) erfolgt ist oder ihre Verarbeitung in Zurichtereien, Färbereien oder Haarschneidereien bereits begonnen hat. Trotz der Beschlagnahme bleibt jedoch die Veräußerung und Lieferung der Felle in bestimmter Weise erlaubt. So darf der Zesitzer eines Tieres, der Mitglied eines Kaninchenzucht⸗ vereins ist, das Fell binnen 3 Wochen nach dem Abziehen an die Vereinssammelstelle und der Besitzer eines Tieres, der nicht Mitglied eines Kaninchenzuchtvereins ist, das Fell binnen 3 Wochen an einen beliebigen Händler veräußern. Den Händlern und Vereinssammelstellen sind bestimmte Wege für die Weiterveräußerung vorgeschrieben. Alle Vorräte an be— schlagnahmten Fellen werden schließlich bei der Kriegsfell— Aktiengesellschaft in Leipzig vereinigt, die die Felle, soweit sie 9 die Zwecke der Heeres⸗ oder Marineverwaltung in An⸗ pruch genommen werden, an die Kriegsleder⸗Aktiengesellschaft weiterliefert und ben übrigen Teil der Rauchwarenindustrie und den Haarschneidereien zuführt.

elle, deren vorschriftsmäßige Veräußerung unterlassen worden ist, find, sofern ihr Vorrat eine bestimmte Höhe üdver⸗ steigt, an das Leder-Zuweisungsamt der Kriegs-Rohstoff⸗ Abteilung zu melden. Außerdem ist die Erlaubnis zur Ver⸗ fügung über die beschlagnahmten Felle durch Händler, Vereins⸗ Sammelstelle oder besonders zugelassene Großhändler von der Beobachtung einer Reihe von Vorschriften, insbesondere der Führung von Büchern und Listen, abhängig gemacht.

Gleichzeitig ist eine Bekanntmachung in Kraft getreten, durch die für rohe Kaninchen-, Hasen- und Katzenfelle Höchstpreise festgesetzt werden. Es sind verschiedene Preise

bestimmt worden, je nachdem die Veräußerung durch den Be⸗ sitzer des betreffenden Tieres oder durch einen Händler oder eine Vereinssammelstelle oder durch einen zugelassenen Groß— händler erfolgt. Die Preise sind außerdem verschieden, je

nachdem die Felle allen Vorschriften entsprechend abgezogen und behandelt worden sind oder nicht.

Beide Bekanntmachungen enthalten eine ganze Reihe Einzelbestimmungen, die für Interessenten von Wichtigkeit sind. Ihr Wortlaut ist bei den Polizeibehörden einzusehen.

Am heutigen Tage ist eine Bekanntmachung in Kraft getreten, durch welche eine Bestandzerhebung von Holz— verkohlungserzeugnissen und einigen anderen Chemi— kalien angeordnet wird. Die in der Bekanntmachung näher bezeichneten einzelnen Erzeugnisse sind, sofern der Vorrat eine bestimmte Menge überschreitet, bis zum 10. Juni an die Kriegs⸗Rohstoff⸗Abteilung des Königlich Preußischen Kriegs⸗ ministeriums auf dort anzufordernden amtlichen Meldescheinen zu melden. Die Meldepflichtigen haben auch über die ge— meldeten Gegenstände ein Lagerbuch zu führen.

Der Wortlaut der Bekanntmachung ist bei den Polizei⸗ behörden einzusehen.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Gestern fand im i , der Wiener Hofburg durch den Kaiser die feierliche Eröffnung des Reichs⸗ rats statt, der der deutsche Botschafter Graf von Wedel mit den Herren der Botschaft beiwohnte. Von jubelnden Hoch⸗ rufen begrüßt, verlas der Kaiser, wie „W. T. B.“ meldet, nachstehende Thronrede:

Geehrte Herren von beiden Häusern des Reichsrate!

Nach einer von frühen Jünglinge jahren bis in das hohe Greisen— alter der untrmüdllchen Serge für das Wohl seiner Völker geweihten und ron dem Glanze der edelsten Reaententugenden umstrahlten Herrscherlaufbahn ist Mein erhabener Vorgänger, Kaiser Franz Joseph J., im 68. Jahre semer Regierung aus dem Leben ge— schicden. Duich Gottts Fügung bis zuletzt mit der ungeminderien Fülle sciner Geisteskraft begnadet und gesegnet in den Werken seines hohen Amteg, ist er dahingegangen. In den Herzen des Volke und tu unvergänglichen Werlen wird das Andenken des Verklärten fertleben, der dem Staat aus eng beschiänkten Ver— bältnissen der Vergangenheit heraus die Kahnen der verfaffungs—⸗ mäßigen Entwscklung des hlöhenden kulturellen und wirischaftllchen Fertschristß wies. Im Innerssen kewegt, gedenke Ich der rührenden Zeichen kindlicher Liebe für den in Gort ruhenden Kaiser, der treuen, ieilnahme vollen Gesianung für Mich und Mem Haus, in denen Mesne geliebten Völter wetteifern, und rie Mir ein wahrer Trost in jenen Tagen der Prüfung gewesen. Auch Sie, geehrte Herren, haben sabei nicht gefebli, und viele von Ihnen sind hierher geeilt, um an der Bawre des all eli bten Herrschertãz ihm noch elumal den Zoll der Ehr— furcht ju leister. Herzlich danke ch Ihnen dafür. Ber Wille des Allmächtigen hat Mich in einer schicksalsbollen Zeit zur Lenkung des Silaates berufen. Des gewaltigen Ernstes der Aufgabe, die die Vor—⸗ sehung auf Menne Schultern gelegt, war Ich Mir von Anbeginn bewußt, aber Sch füble den Willen und die Krajt in Mir, in treuer Erfüllung Meiner Heirscheipflichten nach dem Vorbilde Meines er— lauchten Vorgängers IMeinem hehren Amie mit dem Beistande Gottes gerecht zu werden. Dis Staatsigteresse soll nicht länger jener witk⸗ samen Fötderung entbehren, die ihn die eifrige Muarbeit elner den Keeiz ihrer Hesugatsse richtig erfassenden, e nsichtigen und gewissenhaften Voltsvertretung zu bieten vermag. Ich babe Sie, geehlte Herren, zur Ausübung Ihrer verfassunge mäßigen Tätigkeit berufen und heiße Ste heute an der Schwelle Ihres Wukeng herzlich willkommen. Im vollen Bewußtsein der von Meinem erlauchten Vorgänger übernommenen verfassungsmäßlgen Pflichten und aug eigener tiefster Ueherzeugung will Ich Ihnen erklären und feierlichst bekräftigen, daß es Mein u abändeilicher Wille ist, Meine Herrscher— rechte jedeiz it in einem wahrhaft fonstitutsonellen Geist auszuüben, die staategrundgesetzlichen Freiheiten unverhrüchlich zu achten und den Staatsbürgern jenen Antetl an der Bildung dis Staatswillens unveckürzt zu wohten, den die geltende Verfassung vorsieht. In der treuen Mösarbeit des Volkes und seiner Vertreter erblicke Ich die verläßlickste Stütze für den Eifolg Meines Wirkens, und Ich meln«, daz Wobl des Siaate“, dessen glorreicher Bestand durch das feste Zisammenstehen der Burger in den Stürmen des Weltkrieges bewahrt wurde, kann auch für die Zeiten detz Friedens nicht sichrer verankert werden, als in der unantastbaren Gerechtsame nes reifen, vaterlandsliebenden und freien Volkes. Eingedenk Meiner Obliegenbeit zur Ablegung des Verfasfungsgelöbnisses und festhaltend an der gleich nach Meinem Regierungzanktiitte verkündeten Absicht, dieser Obliegenhelt getreulich nachzukommen, muß Ich Mir zugleich rie Bestimmung des Sitaatsgrundgesetzes gegenwärtig halten, die die Entscheidungen im großen Aageanblicke des Friedensschlusses allein in Melne Hänge legt. Ich bin aber auch überzeugt, taß dag segensvolle Auf— blühen det Veriassungslebens nach der Uafruchtbarkest füherer Jahre und nach den politischen Ausnghmeberhältnissen deg Krieges, abgesehen Den der Lösung jener galizischen Frage, für welche Mein erhabener Vorgänger bereits einen Wig gewiesen hat, nicht möglich ist obne eine Assgestaltung der versassungt⸗ und verwallungsrechtlichen Grundlagen bes gesamten öffentlichen Lebeaz sowohl im Stage als in den ein zelnen Königreichen und Ländern, insbesondere in Böhmen. Und Ich ertrage darauf, Faß die Erkenntnis Ihrer ernsten Verantwortung für die Gestaltung der polltischen Verhältnisse und der Glaube an die glückliche Zakunft kes in diesem furchtbaren Kriege so berrlich er— startten Reiches Ibnen, Meine geehrten Herren, die Kraft ver- leiben wird, vereint mit Mir in Bälde die Vorbedingungen zu schaffen, um im Rahmen ber Einheit des Staateg und unter ve läß— Ucher Sichtrung seiner Funktionen auch der freien nationalen und kalturellen Entwicklung glelchberechligter Völler Raum zu geben. Tus diesen Erwägungen habe Ich Mich entschlossen, die Ablegung des Ver fassungegelöbnisseg dem hoffentlich nicht fernen Zeitpunkie vorju— Leballen, wo die Fundamente dis neuen ftarken und glücklichen Oesterreichs für Generationen wiederum fest ausgebaut sein werden nach innen und außen. Schon heute aber erkläre Ich, daß Ich Meinen teuren Völtern iminerdar ein gerechter, liebeboller und ge— wissenhafter Herrscher seia will in Sins der kannitationellen Idee, dle wir als etn Erbe der Väter übernommen haben, und im Geiste jener wahren Demokratie, die gerade wäbrend der Stürme des Welt— kriegetz in ben Leißungen des gesaͤmten Volkesß an der Front und da— heim die Feuerprobe wunderbar bestanden hat!

Nech stehen wir in dem gewaltsgsten Kriege aller Zeiten. Lassen Ste Mich aus Ihrer Mitte all den Helden, die seit fast drei Jahren aa unseren weitgespannien Fronten sreuvpig ihre schwere Pflicht er— füllen, an deren eiserner Standhaftigkeit eben jetzt zwischen den Alven und der Adria der ernegte wütende Angriff des Feindes zer⸗ schellt, dankbaren Verzens Meigen Kaiserlichen Gruß entbieten. Unser Mächtegrepye hat dle rlutige Krasiprobe dieses Weltkrteges nicht gesucht. Za, mehr altz dae, sie hat von dem Augenblicke an, wo, dank der undergänglichen TWistungen der verbündeten Heere und Flotten, Ehre und Bistand unserer Staaten nicht mehr ernstlich bedrobt erschien, offen und in unzweideutiger Art ibre Friedensbereitschaft zu erkennen gegeben, von dem sesten Ueberzeugung geleitet, daß die richtige Friedensformel nur in der wechs lleitigen Anerkennung einer ruhmvoll verteidigten Machtstellung zu finden ist. Vas fernere Leben der Völker sollte nach unserer Meinung freibleiben von Groll und Rache⸗ duist und auf Generationen hinaus der Anwendung dessen nicht be— kücfen, was man das letzte Mittel der Staaten nennt. Zu viesem bohren Menschheitssiele vermag aber nur ein solcher Abschluß des Welttrieges zi führen, wie er jener Friedengformel ent— spticht. Das große Nachbarvolt im Osten, mit dem ung einsteng eine alte Fieundschaft verband, schetat sich in allmählicher Besinnung

auf seine wahren Ziele und Aufgaben neustens dleser Anschauung zu

nähern und aus dunkelm Drange heraus eine Drientie rung zu suchen, die die Güter der Zutunst rettet, bevor sie eine sinnlose Kriegsyolitik verschlungen hat. Wir hoffen im Interesse der Menschheit, daß dieser Prozeß innerer Neugestaltung sich bis zu einer krastvollen Willens. bildung nach außen durchringen und daß eine solche Klärung des öffentlichen Geistes auch auf die anderen feindlichen Länder überareifen wird. Wie unsere Mächtegruppe mit unwiderstehlicher Wucht für Ehre und Bestand kämpst, ist und bleibt sie jedem gegenüber. rer die Absicht, sie zu bedroben, ehrlich aufgibt, gern bereit, den Streit zu begraben, und wer darüber hinaus wieder bessre menschlicher' Re—⸗ ziebungen antnüp'en will, der wird auf dieser Seite gewiß ein bereit⸗ williges, vom Getste der Versöhnlichkelt getragents Entgegenkommen finden. Einstwellen aber wird unser Kampwille nicht erlabmen, unser Schwert nicht stumpf werden. Ja treuer Gemeinschast mit dem allverbündeten Peutschen Reich und den Bundesgenossen, die unsere gerechte Sache im Laufe des Krieges gewonnen bat, hleiben wir bereit, ein gutes Kriegsende, das wir gerne dem Durchbrüche der Vernunft danken möchten, nötigenfalls mit der Waffe zu erjwingen.

Ich beklage, die wachsenden Opfer, welche die large Deuer des Kriiegeßz der Bevölkerung auferlegt. Ich betlage das Blut Meiner tapferen Soldasen, die Entbehrungen der braden

Bürger, all die Mübsal und Bedrängnis, die um des geliebten Vater⸗ landes willea so heltenwütig getragen wird. Die Bemühungen Melner von einer vollbewäbtten Beamtenschaft unterstützten Re⸗ gi⸗rung sind unablässig darauf gerichtet, die Lebenshaltung, der Be⸗ völkerung, deren Staatetceue, Gemeinsinn und Tüchtigkeit Meine dankbare Anerkennung figdet, zu erleichtern und durch zweck äßige Organisation das Auslangen mit den Vorräten zu sichern. Gerade jetzt, ehe die treue Scholle uns als Dank für die fleißzige Arbeit der Vabeimgebltebenen die Gabe dieses Jahres bringt, ist die schwerste Zeit. Lassen Sie es, Meine Herren, an Ihrer von Einsicht und Erfahrung getragenen Mitarbeit nicht fehlen, um die Schwierigkeiten, die uns bs rahin noch bevorstehen, erfolgreich zu überwinden.

Das Gebot des Augenblicks beischt die volle Anspannung aller Kräfte im Staate. Aber daneben dürfen wir nicht versäumen, uns für die großen Aufgaben vorzubereiten, die der Schoß der Zukunst birgt und von deren glücklicher Lösung das feraere Gedeihen dis Staatsweseng abhängt. Oejterreich hat die ungeheuren finanziellen Ansorderungen diese Krieges aus Cigenem zu erfüllen veimecht und der Erfolg der sechsten Kriegsanleihe ist der beste Beweig, daß eine Berechnung der Feinde, die etwa von einem Ntedergarge unserer inneren Hilfsmittel eine Veränderung der Kriegslage erwarten wollte, zum Fehlschlagen verurteilt ist. Aber wir mußten tief in die Ersparnisse der Volkswirtschast hineingreifen und die Zukunft mit schweren Verpflich⸗ tungen belasten. Die Führung deg Staats haushaltes soll wieder auf die normale gesetzliche Grundlage gestellt werden. In allererster Reihe steht jedoch das Gebot, die Staaiswirtschaft, welche duich die Kriege—⸗ lasten eine einste Störung erlitten hat, wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Zu diesem Zwede müssen dem Staate ausrtichende Einnahmen erschlofsen werden, wobei das Betteten neuer, von den bisherigen abweichender Wege der Finanzpolit k unvermeidlich sein wird. Eine weise und strenge Oekonomie im Staatehaustha te, insbesondere die Unterlassung jedes nicht durch sachliche Zwecke unbedingt erheischten Verwaltangsauswandeg muß di- Wteder⸗ berstellung des finanziellen Gleichgewichtes erleichtern. In diesem Rahmen des finanziell Zaͤlässigen wird Meine Realerung unter Ihrer Mitwirkung auf die Gutmachung der Schäden des Krieges bedacht sein. Mit dem Wiederausbau des Zerstöeten wurde bereits begonnen, und Ihre Fürsorge wird sich insbesondere 6 Gebieten juwenden müssen, die vom Krieg am meisten gelitten aben. Eine der dringendsten Aufgaben ist es, für die Hinterbliebenen der Gefallen und für jene, die im Kriege ihre Arbeitsfähigkeit ein⸗ gebüßfit haben, votzusorgten. Darüber hinaus gilt eg, eine intensive Wohlfahrtspolitik in der deppelien Richtung der Produktioneförde⸗ rung einerseits und der sozialen Fürsorge andererseits zu entfalten.

Die Erfahrungen des Käaleges haben bewiesen, welche wunderbare Elasthität der Produktion innewohnt. Sie wid sich neuerlich zu be⸗ währen haben, wenn es sich darum handeln wird, den känftigen Ueber— gang zur Friedenswirtschafst zu bewerkstelligen und aus der viel⸗ fältigen Gebundenheit, die der Keiegszustand mit sich bracht“, den Weg zur normalen Gestaltung der Verhältnisse jzuräck⸗ zufinden. Auf der breiten Basis des wirtschaftlichen Aus⸗ gleichs mit den Ländern Meiner ungarischen heiligen Krone, welche auf Grund der von Meinen betoen Regierungen vor kurzem gittoffenen Vereinbarungen seinerzeit den Gegenstand Ihrer Beratungen bilden wird, und gestützt auf eine planmäßige ausgebaute Handelspolitik der Monarchie, müssen wir alle Kräfte zu⸗ sammenfassen, tusbesondere aber die Erzeugung auf industriellem und gewerblichem, wie auf landwirtschaftlichem Gebiete ergtebiger gestalten und verbilligen. Per vielfach noch nicht ausgenutzie Relchsum der Naturschätze, die Möglichkeit, den Wert der menjchlichen Arbelt durch technlsche Hilfsmtttel und durch zweckmäßige Methoden zu stelgern, sollen eine verläßliche Quelle der Regeneration des Wohlstandes für den Einielnen wie für die Gesamthett werden.

Nicht minder liegt Mir die soziale Fürserge am Herzen. Der Krieg hat der Voltskraft schwere Einbuße verursacht, deren Aus— gleichung nur von einer zielhewuaßten Bevölkerungspolttik erwartet werden kann. Eg bedarf tatkräftiger Maßnahmen auf dem weiten Felde der Volkshyglene. Der Kampf gegen PBolkekranthetten, die Hintanhaltung der großen Säuglingssterblihkeit und Hand in Hand damit eine weitgehende Ausgestaltung unserer Jugendfürsorge, der Kampf gegen die Verwahrlesang der Jugend und die zeitgemäßere Form des veralteten Jugendstrafrechis wird Ihre und die Sorg Meiner Regierung sein. Auch wöd Vorsorge zu treffen sein, daß das Wob⸗ nungsbedärfniJz der breiten Massen, insbesondere der kinderreiche n Familien, befriedigt werde. Ebenso beanspruchen die Ihnen seit langer 1 wohlbertrauten Fragen der Sosialversicherung dringend eine Lösung. Meine Regierung wird sich den Ausbau der Abetterschutz⸗ gesetzgebung zur Pflicht wachen, sie wird ihr Augenmerk besonder s jenem Teil unserer Arbeiterschaft zuwenden, von kessen physischer und geistiger Leistungsfähigkeit die Zukunft unserer Volkskrast und unseres Wirtschafsletens in ersier Linie abhängt, den Frautn und den jugend⸗ lichen Aibiiteen. Es wid Ihnen eilige Regierungavorlage zugeben über die Regelung der Aibeitszeit der Friuen und der Jugendlichen und der Nichtarbeit der Jugendlichen. Auch der Mittelstand, der von den wiritschaftlichen Folgen des Krieges besonders schwer getroffen wurde, darf der eifrigen nagtlichen Fücsotge nicht entbehren. Die esamte Bevölkerung kat in schwerer Zeit die Erwartungen, die der

laat in sie zu setzen berechtigt war, nicht nur voll erfüllt, sondern

übertroffen; sie darf im Staate keine Enttäuschung erleben. Gewiß wird die Verwtklichung eines solchen Fürsorgesystems nur allmählich und nur wohl überlegt erfolgen lönnen, damit nicht etwa eine den besten Absichten entspringende Ueberstürzung die ökenomischen Grundlagen zerstört, auf denen das Gebäude der sozialen Wonlfahrt aufgerichtet werden Joll. Nur ein planmäßsges Zusammen virken von Staat und Gesellschaft vermag die geistigen und materiellen Kräfte bereitzustellen, welche die Durchführung jener großen Aufgaben erfordert. In dem Kreis Ihrer nächsten Au'gaben, Meine Herren, finden Sie jene Maßnahmen der propisorlschen Gesetzgebung, die unter Verantwortung der Reglerung getroffen worden sind. Manches davon ist lediglich aus der Not⸗ wendigkeit deg Augenblicks geschaffen und selne Bedeutung im Schwinden. Manches davon aber kann auch hegte nicht eaibehrt . 9. einiges ist wert, in dauernde Einrichtungen des Staates überzugehen.

Gerhrte Herren von belden Häusern des Reichzrats! Ich weiß und achte er, daß Sie Ihren Auftrag von niemand als von Threm Gewissen empfangen dürfen; aber Sie werden die Stimme Ihres Gewissenz nur dann richtig vernebmen, wenn Sie Ihr Auge über tas Sondernde der wandelbaren Einzelbeiten hinweg unverwandt auf die dauernden Zecke der Gesamthelt richten. Vie gewissenhafte Eifällung der Pflichten gegen den Stagt darf nicht an Be⸗ dingungen g tnüpßst sein; ig ihr liegt die beste Gürgschist für das Wohl des R eichez und zugleich die sicherste Gewahr für die Rechte der Völsfen. Die giwaltge Zeit, in der wir leben, bat, dem staat ichen Bewußtsein neue Perspektiwen eröffnet und den Blick für die

abrkn Größenverbältnisse der politischen Dinge geschärft. Ich war ge im Felde und habe die Helden, die unsere Grenzen verteidigen, Werle gesehen. Ich kenne den Geist, der sie bescelt. Ich habe einigende und belebende Kraft dieses siegrelchen Geines mit freu⸗ zer Bewunderung wohigenommen. Und ebea darum zweifle Ich cht, daß die sinliche Verfüngung, die das Vaterland aus dem Weli⸗ ege geschöpft hat, unser gesamtes staatliches Leben durch2 ngen und sich auch in den Arbeiten der Volksyertretung wieder—⸗ kegeln wird. Bleiben Sie aber stets auch dessen eingedenk, daß Kraft der Monarchie nicht jum wenigsten in ibren geschich! d gewordenen Eigentümlichkeiten wurzelt, und daß nur die liebevolle dachtaahme auf sie diese lebendige Kraft zu erhalten un) fortzu— wickeln vermag. Sorgen Ste darum eifrig für die Pflege der en Gemeinschaft mit den Ländern Meiner ungarischen heiligen Krone, sich neuerlich als Fundament für die Machtstellung der Monarchie robt. Fördern Ste das einträchtige Zusammenwirken der verschiedenen vlkestämme im Staate, die all' an dem Ruhme dieses Krieges Anteil hen. ;

Geebrte Herren von beiden Häusern des Reichsrat! Noch ein I Meinen herzlichen Gruß! Eg ist ein großer Augenblick, den neuen Herrscher zum krsten Male mit den Volksvertretern ammenführt. Die gemeinsame innige Liebe zum Vaterlande, der bein same feste Wille, ihm his zum äußersten zu dienen, sei die Ihe dieses Augenblicks! Möge er ein Zeitalter blühenden Auf— punges, ein Zeitalter der Macht und des Ansehens für das alt— würdige Oesterreich, des Glückes und Segens für Meine geliebten Uter einleiten! Bas walte Gott!

Als der Kaiser die Thronrede, die oft von lebhaftem Beifall nterbrochen wurde, beendet hatte, brachte der Präsident des geordnetenhauses Groß ein dreimaliges Hoch auf Seine hjestät aus, in das die Anwesenden stürmisch einfielen.

Der Kaiser empfing gestern in der Hofburg in Gegen⸗ der Kaiserin eine Reihe von Huldigungsabordnungen. y dem Empfang einer dalmatinischen Huldigungs⸗ ordnung sagte der Kaiser, obiger Quelle zufolge: Die mir namens detz Königreiches Talmatien dargebiachte Hul— g nehme ich mit stolser Freude und aufrschliger Genugtung egen. Die herrlichen Taten der heldenmütigen Volmatiner meater und meiner ruhmbedeckten Marine, in deren Ver— b die Söhne Ihres schönen Landes mitwirkfen, den Ueber beutegieriger Fremdlinge in seire Schranken zurück⸗ Feisen, geben offenkundig und beredt Zeugnis von der unver⸗ schlichen Treue und Anbärglichkeit an Katser und Reich, die e mir erneut geloben. Doppelt lasten die schweren Prüfungen des seges auf den Küstengebieten Oesterreichs. Mit kingebungsvollem sermut und beispielgebender Vaterlandsliebe haben sie dteselben kagen. Möge der endgültige Sieg, welchen ich von Gott dem mächtigen erflebe, und für den mir dle von Ihnen vermüitelten ühle vaterländischen Empfindens und ernster Entschlossenheit re Gevähr bieten, Dal matien einer glücklichen Zukunft entaegen— ren und kieses kosttare Juwel meiner Krone eiblühen lassen in lem ungetrübten Glanz. Durch Verordnung des Gesamtministeriums wird den laats beamten und Staatsbediensteten für die Zeit 1. Juni bis Ende des Jahres 1917 ein außerordentlicher ichuß zu der ihnen für das Jahr 1917 gewährten yherungszulage bewilligt, der je nach dem Familienstand bis 300 Kronen beträgt und im Monat Juni auf einmal luszahlung gelangt.

Der Präsident des Abgeordnetenhauses Groß richtete das Präsidium des Deutschen Neichstags Dr. Kaempf zendes Telegramm:

Das österreichische Abgeordnetenhaus entbietet bei seinem ammentritt dem Deutschen Reichs tage die berilichtten Grüße. s Hündnis zwischen dem Deutschen Reiche und der österreichssch⸗ arischen Monarchte hat im Kriege die Feuerprobe bestanden. Die gabe der beiverstitigen Volkevertrietungen wind es sein, dafür zu en, daß das mit Stiömen edlen Blutes geküttete und gefestigte nduls nicht nur weßter bestehe, sondern weiter entwickelt weide

Segen unserer Völker. Möge den Waffen der glorreichen vei— eten Armeen der Sieg treu bleiber, damit wir ehestens zum nvollen Frieden gelangen.

Der Geschäftsordnungsausschuß des Abge— dnetenhauses beendete gestern die Beratung über die neue schäftsordnung in einer langen Sitzung, in der über alle sentlichen Fragen übereinstimmende Beschlüsse gefaßt wurden.

Der Deutsche Nationalverband hat an Stelle zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses gewählten

lr. Groß den Abgeordneten Dobernig einstimmig zum Ob⸗ ann gewählt.

Grosbbritannien und Irland.

Lord Devonport ist vom Amte eines Lebens mittel⸗ trolleurs aus Gesundheitsrücksichten zurückgetreten.

In einer Versammlung des Gewerkschafts— rbandes der Schiffs bauarbeiter wurde die Rege— ng des Schiffsver kehrs in England seitens der egierung einer scharfen Kritik unterzogen. Der „Times“ zu⸗ ge sagte Benn Fillet:

Die Stauung in den Häfen sel ein Skandal. Eine ganje Flotte 4 Schiffen werde infolge der Ungeschicklichkeit der Beamten cphgöenlang aufgehalten. Es seien Schiff- in See gegangen, die ulen ge bon Tonnen weniger Fracht mitnahmen, als' sie hätten en können, und das in einer Zeit, in der das Land vor einer angersnot stehe. In ühberfüllten Häfen seien Schiffe wochenlang gen geblieben, während die benachbarten Häfen er gewesen seien d Tausende von Personen keine Arbeit gehabt hätten. In vielen llen selen Waien Hunderte von Meilen mit der Eisenbahn im nde hin⸗ und hergesch ckt worden, obwohl sich in unmittelbarer Nähe äfen befanden uad Schiffe zur Verfügung standen.

Frankreich.

Der Senat hat das von der Kammer beschlossene Ge etz nehmigt, durch das außergewöhnliche J,, . er fünfzigprozentigen Steuer belegt werden.

Die beiden Parteien des Senats Union R 6publi⸗

a ine und Gauche Démocratigue haben dem „Progres

ö Lyon“ zufolge in getrennten Sitzungen beschlossen, die durch

e geplante zwischenstaatliche Besprechung in Stockholm

schaffene Lage einer neuen Prüfung zu unterziehen. Es

rde eine Aberdnung von je vier Mitgliedern ernannt, die

n dem Ministerpräsidenten Aufklärungen über die allgemeine

ge, besonders bezüglich der Stockholmer Besprechung, ein⸗ kTRrdern soll. :

Die Deputiertenkammer beendete gestern die Be—

atung der Interyellationen, betreffend die ,

ersorgung. Wie, „W. T. B.“ meldet, verwarf sie die

on der Regierung nicht angenommene einfache Tagesordnung

. gen 165 . und nahm darauf folgende von

rung gebilligte Ta

fee g 9 gte Tagesordnung durch Hand

E Kammer gebt im Vertrauen zur Regierung, le

kinheit, Zusammerarbeit und die prakt iche ö

btedenen Zweige der Ginährung, namen tlich darch Hinzu niebung

achmaͤnnischer Sachverstaͤndiger sichern, und dim Eirährnn gZmntnistet

allgemeine Vollmacht und den Einfluß verschafft, die nötig fär seine Amtsführung sind, zur Tagetordnung über.

NRus;zland.

Die provisorische Regierung veröffentlicht eine Be— kanntmachung, wonach auf Vorschlag des finnischen Senats alle finnischen Staatsbürger, die wegen Vergehen oder Verbrechen, die vor dem 20. März 1915 begangen worden sind, verurteilt wurden, ganz oder teilweise begnadigt werden. ö

Die provisorische Regierung hat ferner, wie die „St. Petersburger Telegraphenagentur“ meldet, grundsätzlich Anträge des finnischen Landtags angenommen, die nachstehende Punkte betreffen:

I) Das Recht dis Landtags, sich über die Gesetzmäßigkeit der von den Mitgliedern der Regierung getroffenen Verfügungen aus— zusprechen und über das Veifahren bei der Prüfung der betreffenden

ragen.

ö a3 Aenderung des Wortlauts gewisser Artikel der Landtagz—⸗ ordnung vom 20. Juli 1916 über das Recht des Landtags, an vie Mitglieder der Reglerung Fragen zu richten und von thnen Er— klärungen zu fordern, wie auch über das Recht der Teilnahme der Mitglieder der Regierung an den Sitzungen und Erörterungen des Landtags.

3) Das Gesetz über die Israeliten in Finnland.

4) Das Gesetz über den Obersten Gerschtshof.

5) Das Gesetz über den Obersten Verwaltangegerichtshof.

6) Das Gesetz zur Einschraͤnkung des Alkoholperbrauchs.

77 Vas Gesetz über die Alkoholerzeugung.

8) Das Gesetz über Getränke aus Malz.

9) Vas Gesetz über den Verkauf von Naturwein.

10) Die Erlaubnis zur Stintfischeret während der Schonzeit.

Der Unterausschuß des Geschäftsführenden Ausschusses des Arbeiter- und Soldatenrats zur Vorbereitung einer in ter— nationalen Konferenz hat, obiger Quelle zufolge, in seiner ersten Sitzung am 28. Mai Stockholm zum Tagungsort hestimmt, falls keine Einwendung dagegen gemacht wird; als Zeitpunkt der Zusammenkunft schlägt der Unterausschuß die Zeit zwischem dem 15. und 30. Juli neuen Stils vor, falls das Holländische Bureau und der Berner Ausschuß dem zustimmen.

Lyoner Blätter melden aus St. Petersburg, daß der Ausschuß zur Vorbereitung der verfassunggebenden Versammlung am 7. Juni im Marinepalast seine Sitzungen beginnen werde. = Der Verpflegungsminister Plechanow hat auf dem Kongreß der Frontvertreier eine Rede gehalten, in der er die wirtschaftliche Lage erörterte. Er stellte laut Meldung des W. T. B.“ fest, daß ein Getreidemonopol bis jetzt nicht durch⸗ führbar sei, da die Organisation sehr verwickelt sei und viel Zeit beanspruche, besonders in den Gemeinden und Dörfern. Die Getreidezufuhren seien wieder bedeutender geworden, aber noch weit entfernt vom normalen Bedarf. Die Bevölkerung würde wahrscheinlich eine noch größere Getreidekrise durch⸗ machen müssen. Selbst bei Durchführung eines Getreide⸗ monopols würde sich die Lage nicht bessern, weil die Bauern dem Papiergeld keinen Wert beilegten. Rußland stehe vor einer Katastrophe, wenn nicht die Bevölkerung, namentlich die ländliche, Opfer zu bringen wisse.

Epanien.

Einer Havasmeldung zufolge hat die Regierung die Be⸗ schlagnahme einer Ladung argentinischen Weizens an Bord des Schiffes „Rosario“, die über Cette für die Schweiz bestimmt war, verfügt. Das spanische Kabinett be⸗ gründet den Beschluß mit dem Recht, über Ladungen zur Deckung nationaler Bedürfnisse zu verfügen.

Niederlande.

Nach einer Meldung der „Niederländischen Telegraphen⸗ Agentur“ sind die Dampfer „Antenor“ und „Elve“ der Niederländischen Schiffahrtsgesellschaft Gzeaan von der eng— lischen Regierung requiriert worden. Die beiden Kapitäne und die Besatzungen sind nach Holland zurückgekehrt.

Belgien.

Der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in Begleitung des Staats— sekretärs des Innern, Staattministers Dr. Helfferich zu kurzem Aufenthalt in Brüssel eingetroffen, um sich mit dem kürzlich ernannten Generalgouverneur von Falkenhausen zu besprechen.

Dänemark.

Die geheime Sitzung des Reichstags dauerte gestern von 101 ½ bis 1215, Uhr. Nachdem der Minister des Aeußern eine Reihe von Mitteilungen gemacht hatte, wurden Anfragen durch den Minister des Aeußern und den Minister des Innern be⸗ antwortet. Der Präsident des Folkething dankte schließlich dem Minister des Aeußern für die gemachten Mitteilungen und sprach den Wunsch aus, die begonnene skandinavische Zu⸗ sammenarbeit möge glücklich fortgesetzt werden.

Amerika.

Nach einem von Reuter verbreiteten Telegramm aus Presidio in Texas haben Truppen des Generals Villa den Ort Ojinaga in Mexiko, unmittelbar an der amerikanischen Grenze, überfallen. Die Garnison ist unter Zurücklassung der Waffen nach Texas geflüchtet. Auch Frauen und Kinder haben in großen Scharen die Flucht ergriffen. Zollbeamte von Ojinaga, die in Presidio angekommen sind, eilen mit, daß Villa den Angriff selbst leitete. Seine Truppen halten die finn besetzt. Sein Hauptquartier liegt 20 Meilen östlich von

zresidio.

Kriegsnachrichten.

Berlin, 31. Mai, Abends. (B. T. B.) Keine größeren Kampfhandlungen.

Wie in den letzten Tagen fanden auch am 30. Mai nur örtliche Kampfhandlungen siatt. Man kann somit behaupten, daß die Entente die Ziele, die sie sich mit der Fühjahrsoffensive gesteckt hat, nach zweimonatlichen Kämpfen nicht erreicht hat. Wenn sie eine Entscheidung beabsichtigt, so kann die Entente diese nur von einer neuen Einheitsoffensive im Sommer er— warten, deren Anfänge sich berelts durch verschiedene Anzeichen und eine erhöhte Kampftätigkeit an der Ostfront verraten.

Am 30. Mai war das feindliche Störungsfener troß schlechter Sicht im Wytschaete⸗ Bogen und nordwestlich Lille lebhaft, um sich in den aufllärenden Abendstunden zu großer Heftigkeit zu steigern.

An der Arrasfront war Nachmittags bei Gewitter und Regen die Artillerietätigkeit im allgemeinen mäßig. Bei den beiden gemeldeten englischen Angriffen südlich der Scarpe am Abend und um Mitternacht blieb eine Anzahl von Gefangenen in unserer Hand.

Im Raume von St. Quentin wurden Unternehmungen einer feindlichen Offizierspatrouille westlich der Straße Apri⸗ court Trescault sowie einer starken Patrouille bei Hannecourt zurückgewiesen und Gefangene eingebracht. Zu den im gestrigen Heeresbericht gemeldeten erfolgreichen Stoßtrupp—⸗ unternehmen südwestlich von Quentin ist hinzuzufügen, daß unsere Stoßtrupps das feindliche Sperrfeuer durchbrachen, ein feindliches Grabenstück östlich Le Pire Aller in breiter Aus⸗ dehnung zur Verbesserung unserer Stellung einnahmen und es, durch Artillerie und Minenfeuer gut unterstützt, gegen mehr⸗ fache feindliche Angriffe hielten. Der Gegner erlitt erhebliche blutige Verluste.

Im Raume von Verdun war die Artillerietätigkeit besonders am Abend und in der Nacht lebhaft. Starkes Feuer lag besonders in der Gegend der Höhe 304 auf dem Westufer der Maas. Durch eine Feuerwelle erstickte unsere Artillerie den gegnerischen Versuch, Drahthindernisse vor unserer Front fortzurdumen. Durch Vernichtungsfeuer auf die vorderen 6 lichen Gräben wurde jeder feindliche Angriffsversuch unterbunden.

An der Ostfront war das Artilleriefeuer hesonders bei Smorgon und am Stochod lebhaft. Vorfühlende russische Patrouillen wurden verjagt. Zur Vergeltung für feindlichen Bombenabwurf auf Bogdanow wurde der Bahnhof Horodzki mit Bomben belegt. An einigen Stellen der rumänischen Front lebte die beiderseitige Artillerietätigkeit auf Am Nachmittage beschoß die feindliche Artillerie ohne jede Wirkung die Stellung bei Tulcea und Prislova. Zur Vergeltung wurde der Bahnhof Galatz beschossen.

An der mazedonischen Front war das Artilleriefeuer stellenweise am 30. Mai lebhafter. Am frühen Morgen des 31. Mai stieß eine Patrouille eines deutschen Infanterie⸗ regiments in den feindlichen Graben vor, säuberte ihn in 200 Meter Breite und machte Gefangene. Westlich Vardar unternahm eine bulaarische Patrouille einen erfolgreichen Vor⸗ stoß bei Alcak⸗Mah. Von der dort stehenden venizelistischen Feldwache fielen 10 Mann im Nahkampf, 5 Mann wurden gefangen genommen und Beute an Schnelladegewehren, Hand⸗ granatenwerfern, Gewehren und Handgranaten eingebracht. Nördlich Alcak⸗Mah wurde schwache feindliche Infanterie ab⸗ gewiesen.

Großes Hauptquartier, 1. Juni. (W. T. B.)

Westlicher Kriegsschauplatz. Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht.

Im Dünengelände an der Küste, im Ypern-Bogen und vornehmlich im Wytschaete⸗Abschnitt nahm gestern abend der Artilleriekampf große Heftigkeit an.

Mit zusammengefaßter , bereitete der Fenn an mehreren Stellen starke Erkundungsstöße vor, die überall im Nahkampf zurückgeschlagen wurden.

Auch vom La Bassse⸗-Kanal bis auf das Südufer der Scarpe erreichte die Feuertätigkeit wieder große Stärke. Hier brachen die Engländer zu Erkundungen bei Hulluch, Cherisy und Fontaine vor; sie wurden abgewiesen.

Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. An der Aisne-Front nnd in der Champagne ist die Gefechtslage unverändert.

Gestern morgen fielen bei einem Unternehmen am Hoch— Berg südöstlich von Na uroy 60 Franzosen in unsere Hand. Heeresgruppe Herzog Albrecht.

Nichts Besonderes.

Oestlicher Kriegsschauplatz. Bei Smorgon, Baranowitschi, Brody und an der Bahn 3loczow Ta rnopol überschritt die Feuertätigkeit das bis vor kurzem übliche Maß.

Mazedonische Front.

Bulgarische Vorposten brachten durch Feuer feindliche Vorstöße auf dem rechten Vardar-Ufer und südwestlich des Dojran-Sees zum Scheitern.

Gestern verloren die Gegner 4 Flugzeuge und 3 Fessel⸗ ballone durch Luftangriff unserer Flieger. Der Erste Generalquartiermeister. Ludendorff.

Oesterreichisch-ungarischer Bericht. Wien, 31. Mai. (W. T. B.) Amtlich wird verlautbart: Oestlicher und südöstlicher Kriegsschauplatz. Unverändert. Italienischer Kriegsschauplatz. Am Isonzo gestern tagsüber nur Artilleriekämpfe. In der Nacht wurden bei San Giovanni südöstlich von Mon⸗

falcone zwei italienische Vorstöße abgewiesen. Der Chef des Generalstabes.

Bulgarischer Bericht.

Sofia, 30. Mai. (W. T. B.) Amtlicher Heeresbericht vom 30. Mai.

Mazedonische Front: Vom Ohrida-See bis zur Struma schwache Artillerietätigkeit, die sich zeitweise im Cerna-Bo gen und östlich von der Cerna zum Trommelfeuer steigerte. Unsere Stellung westlich vom Dojran-See wurde durch heftigeres Artilleriefeuer beschossen. Feindliche Erkundungs⸗ abtellungen veisuchten in der Moglenagegend vorzugehen, wurden aber durch Feuer vertrieben. An der unteren Struma war die Artillerietätigkeit lebhafter. Im nördlichen Teil der Ebene von Serresg erreichte das Artilleriefeuer gegen Abend große Heftigkeit.

Rumänische Front. Bei Tul ea vereinzeltes Artillerle⸗

und Gewehrfeuer.