1918 / 51 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 28 Feb 1918 18:00:01 GMT) scan diff

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könne. Nach den amtlichen Feststellungen des Herrn Ministers des Innern war diese Zahl zu hoch gegriffen; nach diesen amtlichen Fest⸗ stellungen haben zurzeit des Höhepunkts des Streiks nicht mehr als 180 000 Arbeiter gefeiert. (Hört, hört! rechts. Zurufe von den Sozialdemokraten.) Die weitaus größte Zahl der deutschen Arbeiter— schaft ist also der Arbeit treu geblieben.

Nun trat der Zwischenfall ein, dem der Herr Abgeordnete Scheidemann eine solch besondere Bedeutung beimißt. Der „Vor— wärts“ hat in seiner Nummer vom 29. alle die Forderungen auf— gestellt, die auch in den Flugblättern mehr oder weniger vorkommen, die aber bei der schnellen Vergeßlichkeit unserer Zeit verdienen, noch einmal vorgelesen zu werden:

1. Schleunige Herbeiführung des Friedens ohne Annexion, ohne Kriegsentschädigung, auf Grund des Selbstbestimmungsrechts der Völker, entsprechend den Ausführungsbestimmungen, die dafür von den russischen Volksbeauftragten in Brest⸗Litowsk formuliert wurden.

(Hört, hört! rechts.)

2. Zuziehung von Arbeitervertretern aller Länder zu den Friedensverhandlungen.

Besonders für Deutschland wird gefordert:

3. Ausgiebigere Nahrungsversorgung durch Erfassung der Lebensmittelbestände in den Produktionsbetrieben wie in den Handelslagern zwecks gleichmäßiger Zuführung an alle Bevölke—⸗ rungskreise.

4. Der Belagerungszustand ist sofort aufzuheben. Das Ver⸗ einsrecht tritt vollständig wieder in Kraft, ebenso das Recht der freien Meinungsäußerung in der Presse und in Versammlungen.

5. Die Militarisierung der Betriebe ist gleichfalls aufzuheben.

6. Alle wegen politischer Handlungen Verurteilte und Ver— haftete sind sofort frei zu lassen.

7. Durchgreifende Demokratisierung der gesamten Volkseinrich⸗ tungen in Deutschland, und zwar zunächst die Einführung des all— gemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts für alle Männer und Frauen im Alter von mehr als 20 Jahren für den preußischen Landtag.

Meine Herren, ich war gerade mit der Lektüre des „Vorwärts“ fertig, als ich die Nachricht vom Reichsamt des Innern erhielt, daß der Herr Scheidemann mit noch einem anderen Herrn der sozialdemo⸗ kratischen Fraktion und einer Vertretung der streikenden Arbeiter— schaft mich zu sprechen wünschte. Ich habe Herrn Scheidemann tele— phonisch erwidern lassen, ich stünde ihm und den anderen Abgeord⸗ neten gern zur Verfügung, müßte es aber ablehnen, mit den Ver— tretern der streikenden Arbeiterschaft über diese hochpolitische Frage in Verbindung zu treten. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten. Sehr richtig! rechts Ich ging dann zur Reichskanzlei. Dort wurde ich von Herrn Scheidemann persönlich ans Telephon gebeten. Herr Scheidemann wiederholte seine Bitte. Ich blieb bei meiner Stellungnahme und bat Herrn Scheidemann, die Arbeiter nicht mit nach dem Reichsamt des Innern zu bringen, um ihnen und mir die peinliche Situation zu ersparen, daß ich dort einen Empfang der ausständigen Arbeiter ablehnen müsse. Darauf bat Herr Scheide mann mich persönlich, um 12 Uhr zu seiner Verfügung zu stehen. Ich sagte zu. Herr Scheidemann brachte den Herrn Abgeordneten Haase und gegen meine Bitte zwei Vertreter der ausstandigen Arbeiter mit. Die Legitimation dieser Arbeiter wurde dem Ministerialdirektor Dammann im Reichsamt des Innern dahin erklärt, daß die Arbeiter als Mitglieder des Aktionsausschusses kämen, der eine Vertretung des ausständischen Arbeiterrats darstelle. (Hört, hört! rechts.) Der Ministerialdirektor Dammann hat dann die Abgeordneten gebeten, allein bei mir einzutreten. Das wurde abgelehnt. Auch ein Versuch meinerseits, mindestens zunächst einen oder den anderen Abgeordneten allein zu sprechen, fand nicht die Billigung der Herren, weil sie sich nicht von den Arbeitern trennen wollten. So fand die Besprechung nicht statt. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.)

Aus diesem Vorgange sind mir mannigfache Anklagen auch am heutigen Tage erwachsen. Das muß sich jeder im öffentlichen Leben stehende Man gefallen lassen. Aber über manche Beweggründe, die mir in die Schuhe geschoben worden sind, habe ich, offen gestanden, lachen müssen: bureaukratische, zopfige, formalistische Engherzigkeit! Meine Herren, Bureaukratismus gehört wirklich zu den wenigen Fehlern, die ich nicht besitze. (Heiterkeit. Ich habe in meiner früheren Stellung xr⸗mal mit Arbeitern, Gewerkschaftlern und sonstigen Arbeiterführern verhandelt und versucht, mich in ihre Gedanken und Sorgen hineinzuleben und ihre Sorgen auf wirtschaftlichem Gebiete abzustellen, und wenn in einer sozialdemokratischen Zeitung stand, ich hätte anscheinend auf dem Wege von Cöln nach Berlin das bißchen Verstand verloren, so geht das so schnell vielleicht doch nicht. (Heiter⸗ keit Wenn ich noch vor sechs Monaten ein nrechtschaffener Ober⸗ bürgermeister“ war, der sich gern mit den Arbeitern unterhielt, dann sind diese sechs Monate doch eine zu kurze Frist, um die Anschauung vollständig zu wandeln. So stark pfeift der Ostwind nicht in Berlin (Sehr gut! und Heiterkeit, namentlich nicht für jemand, der vom Rhein stammt.

Aber, meine Herren, diesmal handelte es sich bei den Arbeitern nicht um wirtschaftliche, sondern um hochpolitische Fragen (Sehr richtig! bei den Unabhängigen Sozialdemok raͤten, und diesmal handelte es sich auf meiner Seite um die Vertretung des Reichs— kanzlers. Wenn da von mir gefordert wird, daß ich solche Fragen mit ausständigen Arbeitern aus einzelnen VIetrieben einer einzelnen Stadt verhandeln soll, so halte ich das für eine vollständige und ge— fährliche Begriffsberwirrung. Was heute den Arbeitern eines Be— triebes in Berlin recht wäre, wäre morgen den Arbeitern eines Be— triebes in Hamburg, Danzig oder Leipzig billig. Auf welchen Weg würde die Reichsleitung gedrängt, wenn sie über Fragen, die vor das Forum des Reichstages gehören, mit den jeweilig ausständigen Ar— beitern einzelner Betriebe verhandeln sollte? Das wäre ja geradezu

die Atomisierung des politischen Lebens in den wichtigsten Fragen, und ich kann es nicht recht verstehen, daß von einem Parlamentarier ein derartiger Wunsch vorgetragen wird, der in seiner Erfüllung auf die Dauer, namentlich wenn es sich um Unterredungen in so erregter Zeit handelt, die Kompetenz des Reichstags völlig bedrohen müßte. Der erste Schritt auf einer solchen Bahn ist der folgenschwerste, und darum habe ich ihn abgelehnt. Wenn nun in der Arbeiterschaft der falsche Glaube geweckt worden ist, ich halte es überhaupt unter meiner Würde, mit Arbeitern zu verhandeln, so trage ich an diesem Eindruck nicht die Schuld.

Der zweite Abgeordnets, der mich besuchen wollte, war Herr Haase. Auch er wollte sich nicht von den Arbeitern trennen, obwohl

er doch aus einem Vorgang des vorigen Jahres wissen mußte, daß es für die Reichsleitung nicht möglich sei, mit ausständigen Arbeitern in Verhandlung zu treten. Auch bei dem Streik im Jahre 1917 hat Herr Abgeordneter Haase den damaligen Reichskanzler zusammen mit ausständigen Arbeitern zu sprechen gewünscht. Auch der damalige Reichskanzler hat dies abgelehnt. Herr Haase hat allein mit dem Reichskanzler verhandelt, während den mitgekommenen Arbeitern von dem damaligen Unterstaatssekretär Wahnschaffe die Unmöglichkeit eines Empfanges durch den Reichskanzler eröffnet wurde. Herr Ab⸗ geordneter Haase wußte daher, wie der Vorgang verlaufen würde, wenn nicht die Regierung unter dem Druck der Verhältnisse ihre Haltung völlig änderte. Ja, meine Herren, war es nicht überhaupt ein Druck, unter den die Herren Abgeordneten der sozialdemokrati⸗ schen Partei mich zu stellen suchten? Die Regierung sollte gezwungen werden, mit den ausständigen Arbeitern zu verhandeln, sie sollte unter das kaudinische Joch gebracht werden. Einem solchen Druck kann nur der sich fügen, der Nachgiebigkeit in allen Situationen für die Quintessenz der Regierungsweisheit hält (Sehr richtig! rechts), und diesen Glauben mache ich mir nicht zu eigen. Meine Herren, ich habe gesagt: die bolschewistische Welle ist es, die uns diesen Streik gebracht, die manche Köpfe auch in Deutschland verwirrt hat. (Zuruf bei den Sozialdemokraten. Wie hat die bolschewistische Welle in ihrer Hei— mat, in Rußland gewirkt? Auch da darf ich vielleicht einige Worte kurz zitieren:

Die Wehrkraft des großen Reiches ist vernichtet. Die Zu⸗ stände im Innern sind derartig, daß sie alle Schrecknisse früherer Revolutionen in den Schatten stellen. Die Zerrüttung im Lande hat den Höhepunkt erreicht. Es ist einfach unmöglich, sich vorzu— stellen, wie das ganze Leben in Rußland aus allen Angeln gehoben worden ist. Hunger und Kälte, fast kein Eisenbahn- und Post— verkehr, furchtbare Willkür, Drangsalierungen und Peinigungen, das Aufhören jedes organisatorischen Elementes im wirtschaftlichen und öffentlichen Kreislauf! Diese unverhüllte Anarchie, die die engstirnigen Phantasten des verbohrten Bolschewismus die Ver— wirklichung des Sozialismus nennen, macht die Kriegführung zur Unmöglichkeit. Dazu noch der Zustand der Armee, der für niemand mehr ein Geheimnis bildet. Bezahlte Agenten, die bös— willigsten Landesverräter konnten keine größere Desorganisation des ganzen Staates verursachen als diese Ideologen und Propheten des Bürgerkrieges.

Meine Herren, diese Schilderung ist ein Zitat aus dem „Vor— wärts“. (Heiterkeit und Hört, hört! rechts) Vor dieser Sorte Völkerfrieden das Vaterland zu bewahren, ist Pflicht der Regierung. (Bravo! rechts) Wenn ich seinerzeit im Hauptausschuß gesagt habe, daß die Regierung sich ihrer Pflicht der Aufrechterhaltung der öffent— lichen Ruhe und Ordnung bewußt bleibe, so gilt dieses Wort nicht nur für gestern, sondern auch für heute und morgen. (Lebhaftes Bravo.)

Und nun, meine Herren, hat zu meiner großen Freude der „Vorwärts“ und heute auch der Abgeordnete Scheidemann in seinen Ausführungen einen dicken Strich zwischen den Bolschewisten und der alten Sozialdemokratie und den freien Gewerkschaften gezogen. Meine Herren, ich freue mich dieses Trennungsstriches und hoffe, dieser Trennungsstrich wird dazu beitragen, daß nicht wieder deutsche Köpfe sich verwirren lassen von den Ween, die so unsägliches Unheil in dem Lande ihres Ursprungs angerichtet haben. (Hört, hört! rechts.)

Meine Herren, Herr Scheidemann hat ein Wort gesagt, das ich unterschreibe: daß in dieser aufgeregten Zeit jedes Wort eines Staatsmannes drei und vierfach überlegt werden muß. (Zuruf) Ich meine, ich hätte das aus den Worten des Abgeordneten Scheide⸗ mann herausgehört; wenn er es nicht gesagt haben sollte, ist es von anderer Seite gefallen. Ich stehe überhaupt unter dem Eindruck, wir würden uns hier im Hause und draußen im Lande besser vertragen, wenn wir uns nicht immer mit Schlagworten wie Annexions- und Hungerfrieden befehden wollten (ebhafte Zustimmung. Zurufe), Worte, meine Herren, unter denen jeder sich etwas anderes denkt, die nichts klären, die nur verbittern, und daß wir uns auch besser berstehen würden, wenn wir mindestens den Versuch machten, unsere jetzt vier Jahre lang durch den Krieg bedrohten Nerven besser im Zaume zu halten. (Sehr guth Ich habe das hier versucht, meine Herren. Ich habe nur Tatsachen angeführt, die sich beweisen lassen, und auf manche Vermutung verzichtet, die nahe liegt. Meine Herren, ich habe auf manches Wort des Herrn Abgeordneten Scheidemann nicht erwidert. Solche scharfen Worte stehen auch in meinem Lexikon; aber ich brauche sie nicht, solange ich nicht die Hoffnung aufgebe, daß ihre Vermeidung dazu beiträgt, unsere Reihen geschlossen zu halten. (Lebhaftes Bravo.)

Meine Herren, wie ist denn heutzutage die Lage. Im Osten wird über den Frieden verhandelt. Ein Teil ist errungen. Vor unserem Heerbann, der auszog, nicht um der Eroberung willen, sondern um deutsche Ordnung zu schaffen in den gequälten Provinzen, bricht der Rest der russischen Wehrmacht zusammen wie ein Kartenhaus. Im Westen steht unerschütterlich unsere Front, und kaum ein Feind wird hoffen, sie noch einmal durchbrechen zu können. Wir sind nahe dem Ziele, meine Herren, und um so näher, je fester und einiger wir zusammenstehen. (Lebhafter Beifall Wenn jetzt als Folge dieses gewaltigen Krieges neue Gedanken mit Ungestüm nach Ge— staltung ringen, so gebe ich persönlich den Glauben nicht auf ich hege ihn fest daß das deutsche Vaterland, die Wiege der Sozial— politik und die Heimat so manch großen freiheitlichen und menschen— freundlichen Gedankens, trotz allen Gärens und Brausens in sich die Kraft trägt, auch diese neuen Aufgaben nach deutscher Art auf wohlüberlegtem und friedlichem Wege zu lösen. (Stürmischer Beifall.)

185. Sitzung vom 27. Februar 1918, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphen⸗Büro.)

Am JBundesratstische: der Stellvertreter des Reichs⸗ kanzlers, Wirklicher Geheimer Rat von Payer die Staats⸗ minister, Staatssekretär des Reichsschatzamts Graf von Rocdern und Staatssekretär des Innern Wallra f, fer⸗ ner der Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Siif

Erster Vizepräsident Dr. Paasche eröffnet die Sitzung um 1114 Uhr..

Seine Majestät der König von Württemberg hat für das Glückwunschtelegramm des Reichstags zur Voll⸗— endung seines 70. Geburtstages seinen Dank ah, isch aus⸗

esprochen. Auch . die Beileidskundgehung güs Anlaß des blebens des Großherzogs von Mecklenburg⸗Strelitz ist dem Reichstage der Dank des Großherzogs von Mecklenburg⸗ Schwerin telegraphisch ausgedrückt worden.,

Ents. rechend dem̃ einstimmĩgen Vörschlag Fer Geschaf a. . ordnungskommission wird die vom Kriegsgericht in Bremen

nachgesuchte Genehmigung zur Strafverfolgung des Abg Henke wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zum Vergehen gegen des Belagerungszustandsgesetz ohne Debatte versagt .

Darauf setzt das Haus die erste Lesung des Reichs-

haushaltsetats für 1918 und der Novelle zum Kriegs- ,, fort. Abg, Dr. Wie mer (ortschr. Vollsp): Der Verlauf der bis. herigen Debatte hat ergeben, daß die Politik der Regierun; n auf eine Mehrheit des Deutschen Reichstags stüßt.,. D

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stellt einen Fortschritt auf der Bahn der parlamentarischen En

bon dem Zussche mitgeteilten Friedensbedingungen sind wir vorbehalt, lich der Nachprüfung des Friedensvertrages ebenfalls einverstanden. Namens meiner ostpreußischsn Freunde spreche ich den Wunsch aus

der Beziehungen zu Rußland. Sie teilen jedoch nicht die Auffassung,

Friedensvertrag läßt ein dauerndes Einvernehmen mit Rußland er— hoffen. Erebderungsabsichten liegen uns durchaus fern, da die Stärke der deutschen Positien im Festhalten am Gedanken eg BVerteidigungskrieges liegt. Wir Hilligen die Ausführungen des Kanzlers über Belgien. Alle Parteien sind damit einen. standen, daß wir es nickt behalten wollen. Herr von Heydebrand machte freilich Ausführungen. die zwar nicht einer Annektion des Wort reden, die aber dahin gingen. daß wir Belgien einc, r* schaftlich und militärisch in det Hand behalten müßten. Damit werden wir unserem Ziel allerdings nicht näherkomnien. Für jetzt genügt zur Wahrung der , . Interessen, daß Belgien nicht weiter der Tummelplatz feindlicher Machenschaften wird. Unser jetziges Ver⸗ halten soll im Gegensatz zur Bismarckschen Auffassung sieh r der es derstanden habe, die militärischen Erfolge auch politisch auszuwerten

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Aber er war Sz auch, der sich oft und bitter beklagte, daß ihm von militärischer Seite Schwierigkeiten erwuchsen. Auch wir sind mit dem 5 der Meinung, daß die pier Punkte der Wilson— schen Erklärung eine geeignete Grundlage zur Erörterung über den Weltfrieden bilden können. Die vier Sätze enthalten allerdings allgemeine theoretische Forderungen, aber niemand kann verkennen, daß darin Wahrheiten enthalten sind, die die Grundlage bilden können zum Neuaufbau für den Tempel eines Friedens, der die Inschrift: Gerechtigkeit, Freiheit und Friede trägt. In einem ähnlichen Sinne hat sich ja erst kürzlich in einer Unterredung Prinz Max von Faden

ausgesprochen. Der Kanzler schloß mit dem Hinweis, daß die Welt

einer Zeit größter Schicksalsentscheidungen entgegensehe. Die Welt weiß, was das bedeutet. Das deutsche Volk wünscht aus ganzem Herzen, daß neues Blutvergießen vermieden wird. Wollen jedoch 'die Feinde den Kampf fortsetzen, dann werden sie von neuem erfahren, daß die deutsche, Kraft ungebrochen ist. Auch in der inneren Politik finden die Erklärungen vom Regierungstisch, wie sie Herr von Payer darlggte, die Mehrheit dieses Hauses. (Beifall Die Erklärung, daß die konservative Partei nicht dazu gehört, begrüßen wir mit Fleude (Sehr wahr! links) Aber die konservative Partei hat 6; allen aus⸗ geschaltet. Die Ausführungen des Herrn von Heydebrand haben übrigens die Berechtigung der Darlegungen des Herrn von Payer er— wiesen. Wo liegt der Grund zu der Erbitterung, wo liegt die Heraus, forderung, von der man in konservativen Kreisen spricht? Se wind in Worten erblickt, die nicht gesprochen worden sind. Der Kanzler hat gestern, dazu einiges gesagt, und ö. Ausführungen zeigen, daß ein Gegensatz zwischen Kanzler und Vizekanzler nicht besteht. Verlangt etwa Herr von Heydebrand, daß ein' Minister vor der Rechten Halt macht, wenn Erscheinungen herborgetreten sind, um gegen die Anschauung von rechts Stellung zu nehmen? Ich hofß die Zeit ist vorbei, wo vom Regierungstisch alles hingenommen worden ist, was von rechts kam. Die rechtsstehenden Parteien haben im Lande eine Agitation getrieben, die sich schwer versündigt gegen die Einheit und Geschlossenhelt unseres Volkes. Ich denke dabei vor allem an die Agitgtion der Vaterlandspartei. (Hustimmung links. Unruhe und Zurufe rechts) Sie hat die Fackel der Zwietracht ins Land geworfen (Sehr gut! links) und sich bemüht, Mißtrauen zu säen zrüschen Volk und Volksvertreter. (Zuruf rechts: Sehr schmerz⸗ lich für Sie) Großadmiral von Tirpitz hat in Köln wieder den Vor— wurf aufgenommen, daß bei der Einleitung des Ü-⸗Vootkrieges Rebler vom. Reiche tag und von der Regierung begangen feien. Wenn das richtig wäre, dann trägt doch Admiral von Tirpitz selbst die Schuld. Ihm muß man dann zurufen: tua culpa, tua maxima culpa! (Lebhafte Zustimmung links. Widerspruch rechts) Wenn man in den alldeutschen Presse die Kritik der Rede des Vizekanzlers liest, so ist man wirklich im Zweifel, ob von der äußersten Linken oder bon der äußersten Rechten mehr gesündigt wird gegen den Burgfrieden und die Einheit des Vaterlandes. (Minutenlanger Lärm Und erregte Zu⸗ rufe von rechts: Das ist unerhört! Glocke des Präsidenten. Vizepräsident Dr. Pagsche: Der Reichskanzler hat uns gestern ermahnt, auf die Wiederherstellung des Burgfriedens hinzuwirken. Ich bitte doch, eine Verschärfung der Gegensätze möglichst zu vermeiden.

Abg. Dr. Wie, m er (fortfahrend); Die Voraussetzung für die Aif— rechterhaltung der Einigkeit ist doch, daß auch von der rechten Seite alles vermieden wird, was den Burgfrieden gefährden könnte. Damit ist, es nicht vereinbar, wenn Herr von Slbenburg in Danzig sagt Tox bopuli, vox Rindvieh“. (Hört, hört! links 3 Oder wenn er sagt, daß der Reichstag mit seiner „niederträchtigen Friedensresolution, der Armee in den Rücken gefallen wäre. Der Reichstag kann nicht beleidigt werden durch so ein Wort aus dem Munde eines Manneb, der die Gründe der Reichstagsentschließung ebensowenig einschätzen kann, wie die Tragweite seiner eigenen Wor le. (Sehr gut]! links) Die Konservativen werden doch wohl nicht im Ernst das unglückselig. Wort verteidigen von dem Kanzler, der nichts taugt, wenn nicht auf ihn e g, wird, und wenn er nicht wieder schießt. Das Spielen mit dem Bürgerkrieg ist eine so bodenlose Leichtfertigkeit, daß sie nicht scharf genug berurteilt werden kann. Lebhafte Zustimmung links) Der Vñjzekanzler ist berechtigt, solchen Ausführungen i gen n , Wenn die Rechte sich über die Zusammenstellung mit der äußersten Linken beklagt, so ist, doch daran zu erinnern, wie oft bei den Ab— stimmungen hier die äußerste Rechte und die äußerste Linke dieselbe Stellung eingenommen haben. (Sehr wahr! links, Herr von Heyde— brand sagt, der Vizekanzler habe eine Parteirede gehalten. Herr von Payer ist auch nicht als Bureaukrat, sondern als Vertreter einer politischen Anschauung in die Regierung eingetreten. Das Vertrauen der konserpativen Minderheit würde er nur dann haben, wenn er konservative Politik macht, und das tut er nicht, (Schr ut! links) Die ganze Erregung der Rechten, ist. die entladung des Zornesausbruchs darüber, daß die Herren Rie Fkonservative Politik erfolglos werden, die Herrschaft des Junkertums wanken sehen. en gut! links. Lachen rechte) Wir, freuen uns des neuen Kurses und hoffen. daß er (ute Erfolge zeitigen wird. Im neuen Etat sind die Kriegssteuern ehr dorsichtig veränschlagt. Bie Kohlensteuer wird vielleicht das Doppelte des eingesetzten Betrages bringen. Es ist ,, daß de Etat nicht eher fertiggeftellt wird, als bis die Ent cheidung über din neuen Steuern getroffen ist. Die Sicherheit des Zinsendienstes mi durch Erschließng euer Steuerqusllen schon während des, , 9 ert werden. Die Systemlofigkeil der Reichsfinanzpolitik wir 3durch freilich verstärkt. Bei der Neuordnung der eiche ina net wirz der Steuerpartikularizmus der Ginzelstagten die Segel shreige⸗ müssen. Grundsatz muß sein: zuerst das Reich! (Bravo links) . Lage der Beamten, besonders der mittleren und unteren Henn fen gf ö im Kriege schwer gelitten haben, erfordert die ernsteste Aufmen gn sa. der Regierung und der Volksvertretung. (Sehr üichtig Auch f

Erhaltung von. Mittelstand, Handwerk und Gerrerbe müssen alle Kräfte iingesetzt werden. Wir erwarten, daß sich bei Ter Regierung keine maßgebende Stelle für eine wirtschaftliche Methode finden wird die die Ausschaltung des gewerblichen Mittelstandes in sich schiicßt (Sehr richtig) Vie Erfahrungen mit den Kriegs esellschaflen haben geöeigt, daß die igenwirtschaft die unerlaßkick Grund lage unserer Voltswirtschaft sein muß. Wir wollen sobald als möglich heraus aus der Zwangsjacke Ter Kriegswirtschaft. (Beifall ne, ‚Tiefgebende Mißstimmung über Eingriffe Und? Meß ri! der Landwirt⸗

ie der Kriegswirtschaft hat fich auch kat: demächtigt; aus allen ihren Teilen ind Klagen und Besckwwerden auch zu uns gedrungen. Gerade der land— wirtsckafitzte Kctriehk mit seiner ausgeprägten Eigenart wird von cier schablenentatten Handhabung der Kriegsbestimmungen selbstver— ständ ich am stärkften getroffen. Dabei wird? nicht mit gleichem Maße enessen; man nackt Unterschiede zwischen Grundbesitz und bäuerlichem Beiltz so bei de: Krltdiaung der Reklamationen, bei der Verteilung

pon Sastat und Vungernmizteln., dei der Zuteilung der Druschprämien uw. Vas muß natürlick in den Kreisen des K einbesitzes erbittern. Vier muß Remeduz eintreten. Es muß ferner alles getan werden, um der städtischen. Bevölkerung das Durchhalten zu ermöglichen. Einen erheblichen Teil zut Erringung der bisherigen Erfolge in diesem Weltkrieg het auch unsere? Ardeiterschaft beigetragen. Umso bedauerlicher war die Erichermung des letzten Strerks. Wir können durchaus anerkennen. deßz unter den Beschwerden des Abgeordneten Scheidemann eine Reibe durckaus ber rcht'gter Forde— rungen sich befinden, so diejenige über dis ungererde Zuteilung der Lebensmittel; aber war der Streik das richtig? Mittel: amn die Ab— stellung zu erreichen? Da sind wir anderer Auffassung ais der NRedner der Sozialdemokratie. Der Streik hat nach unserc? Mernung

aus schädlich gewirkt; die Feinde set f ; r

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ruhen in Deutschland. Wir haben Verständnis für die Ver *ngründe, welche die Leitung seiner Partei veranlaßte, in den Streck einzu. greifen, aber richtig war dieses Vorgehen nicht. Wir peęrurteilen guf

reichung politischer Ziele Ar Arbeitseinstellung gegriffen wird, umfo— mehr, als von den üblen Folgen auch Arbeiter betroffen worden sind, r Hirsch⸗Dunckersche Vereinsmitglieder mögen mitgestreikt haben, aber wohl nur, weil sis nicht anders konnten, weil sie mitmachen mußten, weil die Maschinen stillgeleat waren. Die Gewährung von Streikunterstützungen aus Gewerk— vereinskassen ist abgelehnt worden, auch der Vorgang in Hamburg, auf. den gestern Herr Scheidemann anspielte, spricht, soweil sich bis jetzt erkennen läßt, nicht dagegen. Es ist aber ein törichtes Gerede, 6 der Streik die politische Ünreife der Arbeikerschaft erwicsen habe. An den Ausschreitungen waren fast nur halbwächsige Bürschen und junge Mädchen beteiligt. Diese bedauerlichen Begleiterscheimungen sprechen nicht gegen die Notwendigkeit der baldigen Durchführung PHlitischer Reformen. Wir freuen uns der bestimmten Erklärung des Vizekanzlers über die Aussichten der Wahlreform in Preußen. Wir hoffen mit ihm, daß sie auch bald kommen wird. Der Unmut des Herrn von Heydebrand ergoß sich über den „Württemberger“ von Payer. Verr von Payer . hier nicht als Württemberger, sondern als Preuße, und preußische Angelegenheiten sind auch deutsche Angelegen⸗ heiten. Die gesetzgeberischen Aufgaben, die der Reichstag und die der— bündeten Regierungen zu leisten haben, werden wesentlich beeinflußt durch die Politik in dem führenden Bundesstaat Preußen; hier eine Einheitlichkeit herbeizuführen, ist eine der wesentlichen Aufgaben der Reichs- und preußiscken Staatsleitung. Die Forderung der Reform bes preußischen Wahlrechts war längst überfällig. Nicht Toten⸗ giber der. Monarchie, sondern Totengräber der konserpativen Vorherrschaft in Preußen werden diejenigen Staatsmänner sein, die die Feußische Wahlreform auf ihre Fahnen Leschrieben haben. Auch die Ordnung der staatsrechtlichen Verhältnisse in Elsaß ⸗Lothringen muß beschleunigt werden, wir hoffen, daß die Entscheidung im Sinne der Autonomie fallen wird. Zur Mitarbeit und zur Unterstützung auf dem Gebiete der inneren Politik sind wir natürlich einer Regierung gegenüber, die unser Vertrauen verdient, bereit. Wir sehen es nicht als eine Schatten eite sondern als Vorzug und Fortschritt an, wenn die Reden , , er der Regierungsbertreter im Einklange stehen mit der Mehrheit der Volksvertretung. Wir freuen uns des Vor⸗ handenseins einer Mehrheit die sich über die Durchführung eines Pro— gramms verständigt hat, Wir wirken an der Durchführung mit, in der Ueberzeugung, daß die Demokratie, der freiheitliche Ausbau unserer Staatseinrichtung die Kraft von Staat und Volk erhöht, und uns auch den Frieden und die Versöhnung mit den Völkern bringen wird, die uns heute noch feindlich entgegenstehen. (Beifall bei der Volkspartei.)

Abg. Dr. Stresemann (nl): Der bevorstehende Friedens⸗ schluß mit Rußland bedeutet die Niederkämpfung, des mili⸗ tärisch stärksten Gegners, der gegen uns in diesen. Welt⸗ krieg eingetreten ist. Uns Mitlebenden kommt wpielleicht, die Größe dieses Erfolges nicht voll zum Bewußtsein. Wenn lediglich die Zahl entscheidend gewesen wäre, dann müßte man es schon als eine ewaltige Tat des deutschen Volkes bezeichnen, wenn es ihm gegenüber er Uebermacht überhaupt nur gelungen wäre, seine Grenzen zu schützen. Die gewaltigen Errungenschaften in den letzten Wochen werden uns, wie ich hoffe, dem Weltfrieden, näherbringen. Mit, dem bevor⸗ stehenden Friedensschluß auch mit Rumänien beginnt die Liquidierung des Krieges auch auf dem Balkan. Damit wird auch Bulgariens Schicksal entschieden werden. Die einheitlichen Bestrebungen unserer tapferen bulgarischen Verbündeten nähern sich damit ihrer Erfüllung. Kebhafter Beifall) Für diese Bestrebungen einer einheitlichen Zu—⸗ sammenfassung aller Bulgaren ist das bulgarische Volk, bewußt in diesen Krieg eingetreten. Wenn es dieses Ziel erreicht hat, dann stohen ihm noch andere große Aufgaben bebor, um das Groß— bulgarien der Zukunft wirkschaftlich und kulturell zu vertiefen. Wir zweifeln nicht, daß ihm dies unter der Leitung seiner hervorragenden Staatsmänner und seines genialen Königs, dessen Geburtstag wir heute mit unseren besten Wünschen begleiten (leb— hafter Beifall), gelingen wird. Jedenfalls beglüiten unsere Wünsche unsere tapferen. Bundesgnossen und seine Führer auf diesem Gebiete. (Eebhaften Beifall) Daß im Norden von unseren Truppen Dor— pat und Reval und Schitomir im Süden so schnell. erreicht werden konnten, steht ohnegleichen in der Geschichte da. Die Leistung wird um , größer, wenn wir. daran denken, daß sie von einer Truppe aus⸗ geführt worden ist, an die schon sonst so große Anforderungen gestellt waren, und die auch nicht aus den jüngsten Jahrgängen bestangen. Trotzdem gelang es ihr, täglich siebzig Kilometer zurückzulegen. Leb⸗ haftes hörk! hört! und Beifall) Da können wir, wenn wir auch die Kühnheit und die Unternehmungslust Seiner Majestät Schiff „Wolf mit seinem Führer und seiner Mannschaft mit heranziehen, sagen: den deutschen Soldaten macht uns niemand, nach. (Lebhafter Beifall.) Es zeigt sich hier überall, daß es der Geist ist, der sich den Kömer baut, und daß dieser Geist des deutschen Heeres das ersetzt, was ihm zahlenmäßig fehlt. Ich bin überzeugt, daß die Schritte unserer vor⸗ marschierenden Truppen beflügelt worden sind von dem Bewußtsein, Menschen zu Hilfe zu kommen. Die Berichte, die aus Estland und Livland einlaufen, übertreffen leider alles, was uns vorher von dort mitgeteilt worden ist. Ueberall fand man nackte Leichen, die ohne Justiz hingemordet worden sind; Eltern hatte man verschlepvt und die Kinder ohne Nahrung zurückgelassen. Wenige Tage hätten genügt, um auch das noch zu vernichten, was zu vernichten gewesen wäre. Wie tief niederdrückend ist es da, wenn man, im, Dentschen Reichs tage hören mußte, diese . seien in Berlin gemgcht worden. (Lebhafté Pfuirufe Wir begrüßen die Forderung der Ne gierung in bezug guf die politischen Gefangenen. Wir möchten die Regierung bitten, jetzt wo die militärischen Operationen erledigt sind, und die Verhandkungen in Brest-Litowsk beginnen, möglichst an erster Stelle der Tagesordnung zu verlangen, dem weiteren Morden dieser bolschewistischen Scharen Einhalt zu tun und die politischen Ge— sangenen zurückzugeben. Die Friedensbedingungen bringen wirtschaft⸗ lich für die künftigen Handelsbeziehungen zu Rußland bessere Be⸗ dingungen als die ersteren. Meiner Meinung nach geht 36 aber nicht an, Livland und Kurland von den ührigen baltischen Provinzen so zu trennen, Das Baltikum ist ein einheitliches Gebilde, das nicht so zerrissen nlerden darf. (Sehr richtig). Graf Hertling sprach davon,

daß ir K Sta nd ivsland vceflne s daß wir mit den sich in Estland und Livland enhwickelnden unab— hängigen Staatsgebilden in Frieden und Freundschaft zu leben

hoffen. Meiner Meinung nach sind aber Per völlig unabhängige

Staatsgebilde unmoglich. (Zeh: richtig! bei den Nationalliberalen und rechts.) Sie müssen Anschluß suchen und können zwische— Staats⸗— olessen kein. Einzelleben führen. Wir heffen, daß sie diese Anlehnung bei uns suchen und finden werden. X tiche atz ung wird dort lange bleiben müssen, damit nicht die Anarchie der kehrt, die wir eben bekämpft baben. Es ist ausgeführt worden, daß damit stußland vom Meere al hni t fann a de durch Genüge geschehen, daß ? und Windau Freihäfen für seine Ausfuhr gibt. Ich wi n erinnern, daß ja unser größtes deutsches Industricdtbiet auch den Weg über Häfen nehmen muß, die nicht unter deutscker Staatäoberbohsit stehen. Im übrigen sind die letzten Wochen lehrreich gewesen für die Frage, velches Tie beste Methode ist, um zum Frieden zu kommen. Ras Herrn Scheidemann hätten wir durch unseren Vormarsch im Ssten uns wieder neue Feinde in der Welt geschaffen. Einige Herren der

Unabhängigen Sozialdemokraten meinken, daß wir vom Haß der ganzen Welt verfolgt werden, und daß dieser sich auch schon auf COester reich erstreckt. Es ist mir bekannt, daß ein Mitglied der tschechischen sozialdemoknatischen Partei erklärt hat, Deutschland marschiert, wir protestieren. Bas war in den ersten Tagen. Als man dann aber las, wieviel Lebensmittel wir erbeutet hätten, hat sich sehr bald anscheinen? die Stimmung geändert. Die Neue freie Presse“ erklärte, daß die öffentliche Meinung sehr zwie⸗ pältig darüber dächte, ob es ratsam gewesen sei, Deutschland allein den Vormarsch in der Ukraine zu überlassen. Zu dieser Uebereinkunft mit Oesterreich über das Vorgehen haben allein taktische Erwägungen geführt und nicht eine Lockerung des Bündnisgedankens. Es ist nicht einsusehen, daß diejenigen Taten des deutschen Heeres, die in der ilkrasne erst, den Brotfrieden des Grafen Czernin fundierten, dazu ibrrn könnten, Haß gegen Dentschland zu säen. (Sehr richtigh

z Dies'winen haken nicht recht behalten, die sagten, das deutsche Veik werde keine Sympathie für einen neuen Vormarsch im Ssten haben. Das deutsche Volk hat festere Nerven, als manche seiner Politiker und Staatsmänner glauben. (Sehr richtig Wenn die Verhandlungen in Brest fortgedauert hätten, säßen wir heute noch dort mit Herrn Tietzlt, der Vormatsch hat uns aber in wenigen Tagen den Frieden aebracht. (Sehr richtig) Darum soll man sich nicht in den Wan aen, als wenn die Friedensrefolution des Reichstags oder die Vegntwertung der Papstnots mit dem Bekenntnis zu einem Frieden obne ektionen und Entschädigungen uns den Frie— den im Osten verschafft baben. Es war die ungebrochene deutsche Heereskraft! (Lebh. Zustimmung. Nngesickts der Tatsache würde ich ein neues Friedensangebot als vom Uebel anseben. Auch gegen die Einladung des Reichskanzlers an die belgische enierunz vade ih Lrerrnten. Der Abg. Trimborn bezog sich auf die Forniulierung der Papstnorz übe: die belgische Frage. Da heißt es aber,. Belgien müste bergestellt wer⸗ den, völlig unabhängig gegen wen auch immer. Das wäre Rock nearmsaer als der theoretische Status quo vor dem Kriege, denn der unter sagte Belgien jedes . oder Offensiv⸗Bündnis 4e er Deursch- land. Der Reichskanzler hat die Formulierung ja anders gefaßt Und auch Abg. Trimborn erblickt wohl in den Worten der Panfstarre nu; eine andere Jormulierung für den Begriff der vollständigen Neutrali⸗ tät. (Abg. Trimborn stlmmt zu) Mein Hauptbedenken richtet sic gegen die Herqusnahme der belgischen Frage aus dem Gesamtkompler der Friedensfrage. Wenn auch eine Annektion Belgiens nicht beabsichtigt ist, so haben wir noch in Belgien das wichtigste Faustpfand gegen England. Geben wir aber Belgien von vornherein heraus, so werden uns die Verhandlungen mit der ziemlich einflußlosen Regierung in Le Havre nicht Tavor schützen, daß England nach wie vor die Herausgabe der deutschen Kolonien verweigert und uns wirtschaftlich von der Welt abzusperren versucht. Die Erfahrungen, die wir mit. der Vorwegnahme der polnischen Frage gemacht haben, reizen doch nicht dazu an, auf diesem Wege fortzü— chreiten. Eebhafte Zustimmung) Wenn Abg. Scheidemann gestern . die Flamenfrage ginge uns nichts an, so erinnere ich daran, daß die Reichskanzler Bethmann Hollweg und Michaelis dem Führer der Flamenbewegung ganz bestimmte Zusagen gemacht hahen. Dieses Versprechen hat auch der jetzige Reichskanzler nicht zurück genommen. Wer so viel Wert darauf legt, daß wir nicht vom Haß der Welt verfolgt werden, darf auch feierliche Versprechungen Deutsch— lands nicht mit einer Handbewegung beiseite schieben. Lebhafte Zu⸗ stimmung;). In der rumänischen Frage kann ich wohl ohne Wider— spruch feststellen, daß diese Staat eine Rücksichtnahme unsererseits nicht verdient. (Lebhafter Beifall.) Hier hat eine verrottete Gesell— schaft korrupter Politiker das Land ins Verderben gestürzt. (Abg. Landsberg Soz.): Sie dergessen den König) Nein, ich weise im Gegenteil darauf hin, daß der verstorbene König Carol der einzige war, der mit Peter Carp uns die Treue halten wollte, aber im, Staatsrat mit seiner Meinung allein blieb. Diesem König haben wir noch im Tode für seine Treue zu danken (Beifall), andererseits haben wir aber nicht die geringste Rücksicht auf den zu nehmen, der als sein Nachfolger die Treue gebrochen hat. (Lebhafte Zustimmung,) Er hat sein Erbe vertan und wird selber mit seinem Volke sich darüber auseinandersetzen müssen, ob er noch diejenige Autorität besitzt, um auf dem Throne Rumäniens bleiben zu können. Wir denken dankbar der Männer, die wie Peter Carp, Beldiman u. a. Deutschland die Treue wielten, aber sie konnten ihre Politik nicht durchsetzen. Dasselbe NRumã⸗ nien, das uns den Dolch in dem Augenblick in den Rücken zu stoßen versuchtze als es uns matt genug glaubte, hat sich in seinen Gefangenen— lagern Greuel gegen die deutschen Kriegsgefangenen zuschulden kommen lassen, wie sie bei keinem unserer anderen Feinde zu verzeichnen waren. Fast drei Viertel unserer Gefangenen sind dortz durch Hunger und andere Greuel zugrunde gegangen. (Hört, hört!) Ich frage, h wir das hinnehmen wollen, oder ob zunächst nicht die rumänische Regierung derpflichtet ist, für dizienigen, Die sie hinhungern ließ, eine angemessene Sühne zu leisten. (Lebhafte Zustimmung) Bei künftigen Friedens— verträgen müßte guch die Sicherung unserer Auslandsforde— rungen, die Entschädigung der deutschen Kaufleute anders gelöst werden dadurch, daß wir die Rechtsbehelfe wieder herstellen. Schon im Frieden findet nicht jeder Deutsche sein Recht im Auslande. Sehr richtig) Wir können uns Rumänien gegenüber nicht gehunden fühlen, von einer Entschädigung überhaupt Abstand zu nehmen. G nau heute vor einem Jahre sagte der damalige Abg. Dr. Spahn im Reichs⸗ age: „Wir sind von unseren Gegnern üherfallen worden. Was der Tod uns geraubt hat, kann uns nicht zurückgegeben werden, aber was an Vermögenswerten uns genommen ist, das . von den Ux⸗ hebern dieses Ueberfalls zurückgegeben werden rück

M. * Arc

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ichtslos und in olidarischer, Haftung. (Hört, hört! rechts Gerade in ger files l ghabt liegt eine reale Garantie für, die Er⸗ haltung eines dauernden Friedens, die Besetzung wird eien. bis zu dem Moment, wo die Entschädigung gezahlt ist. (Lebhafte Zu— stimmung und hört, hört-⸗Rufe rechts. Was hat sich denn seit dem 27. Tebrugr 1917 geändert, was uns veranlassen sollte, den Tamals von Dr. Spahn unter Zustimmung seiner Freunde vertretenen Stand⸗ punkt nicht mehr aufrecht zu erhalten? (Sehr guth, Der Abg. Scheidemann hat mir gegenüber sehr energisch bestritten, daß er gesagt habe, jeder solle seine Last allein tragen. Er stehe lediglich auf dem Stankpunkt, daß nicht wegen der Erlangung einer Kriegsent⸗ schädigung der Krieg verlängert werden solle, so daß die Kriegskosten die Entschädigung wieder aufzehren würden. Wenn wir aber sonst eine Kriegsentschädigung, erlangen könnten, so dürften wir nicht so dumm sein, sie auszuschlagen. (Hört, hörth Soll denn alles das, was schon vor der Kriegserklärung Rumäniens dieses Land unter rücksichtsloser Ausnutzung unseret Notlage skrupellos uns abgenommen hat, neben Ten Ire fem allein vom deutschen Volke aufgebracht werden? Wir wollen doch nicht in Steuern ersticken, nur um den Grundsatz zu wahren, daß einem ruchlofen Feind keine Entschädigung ab- genommen werden soll. (Lebhafte Zustimmung). Die von mir vorgeschlagene Haltung widerspricht auch keineswegs der

Friedensentschließung des Reichstags. Abg. Fehrenbach sagte im

Jahre 1917, das Ziel dieser Resolution sei ein ehrenvoller Friede noch im Jahre 1917. Wenn unsere Feinde den nicht wollen, so gäben sie uns die Freiheit der Entschließung wieder. (Hört, hört! Imeifelle⸗ haben wir also diese Freiheit der Entschließung wieder, und ich bitte

gierung, davon Rumänien gegenüber Gebrauch zu machen,

ndem sie ihrerseits Kumänien die Rechnung dafür aufmacht, was uns

die Regi e

l dieses verbrecherische Abenteuer der rumänischen Regierung gefestet bat. (Beifall. Die Kriegsentschädigung braucht natürlich nicht. in arem Gelde zu bestehen, sie kann ebensogut in der Form von Wirt schaftsperträgen erfolgen. (Sehr richtig! Auf die Frage unserer kolonien wird vielfach zu Unrecht nicht genügend Wert gelegt. Welche bohe Bedeutung die deutschen Kolonien haben, sehen wir aus der Rede, die das Mitglied des englischen Kriegskabinctts Sn

gehalten hat. Er verweist auf den alten Cecil Rhodesschen Plan

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der Cap —Cairo-Verbindung, der durch die Existenz von Deut D : ö. . . Sstafrika gehindert werde. Auch mit Rücksicht auf die englischen ö 49

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sei die Vernichtung des deutschen Kolonialreiches not

wendig. Das sind also die ethischen Ziele, jür die England kämpft. Wir begrüßen auch von dieser Stelle dankbar unsere feren Kämpfer, die jetzt in Portugiesisch Ostafrika stehen.

ten wir von vornher etwas großzügiger für unsere Kolonien gesorgt, so wären wir überhaupt nicht in die Lage gekommen, ganzes Kolonialreich verlieren zu müssen; das hat das rühmliche Bei⸗ spiel Teutsch‚Ostafrikas gezeigt, und das ist uns indirekt auch durch die Daily Chronicle“ bestätigt worden. Die Londoner Be

schlüsse der sozialistischen und der Arbeiterkonferenz erheben 3 36 . . e,, . X 5 ) ö , 864 zie Forderung eines selbständigen Polens bis zum Meere, die

13 . 5 2 K v Füirko; ie Terre. Loslösung Arabiens und. Mecsopotamiens von der Türkei, die Forde rung eines Referendums in Elsaß-Lothringen! Wenn also auch däe

gegnerischen Sozialisten noch bei diesen Kriegszielen stehen, wo stehen dann die gegnerischen Regierungen, und wie kann man glauben, dort Entgegenkommen für allgemeine Friedensverhandlungen zu finden. Der Frickensschluß mit Rußland könnte für unfere Feinde cin Beispiel dafür sein, daß keine Ewigkeit zurückbringt, was von der Minute aus— gejchlagen wurde; es ist ein großer Unterschied zwischen unseren ersten und zweiten Friedensbedingungen: von. Brest-Litowsk. Vielleicht lernen auch unsere anderen Gegner von dem russischen Friedensschluß. Zur inneren Politik übergehend, möchte ich zuvörderst betonen, daß die Thronfolge in Mecklenburg-Strelitz nicht auf den in Tussischen Diensten und auf der Seite unserer Gegner stehenden Herzog Karl Michael übergehen darf, daß das für uns ein unerträglicher Ge— danke ist (lebhafte Zustimmung bei den Nationalliberalem), daß eventuell von Reichs wegen gesetzlich dagegen Vorsorge getroffen werden muß. Das Arbeitskammergesetz sollte schon die Ausführung bon Angestelltenkammern vorsehen. Die Wohnungsfürsorge olle pon seiten des Reiches durch Hergabe erheblicher Mittel ge⸗ terre Wie steht die Regierung zu der zroßen Frage der Schaffung don Kri eimstätten? Die beschämenden Zustände von 487 ;

5 5 y rsJ Mg 5 . K iir 5äG-— * U, wie sie namentlich i. Bern drrmals zutage traten, dürfen nickt

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wiederkehren. Eine gute Bevölkerungspolitik muß das verhüten. Ein gutes Gesetz zur Läsung dieser wichtigen Aufgabe at uns not und wird hoffentlich bald vorgelegt werden. Der Reichstag hat vor zebn Mnaten eine Denischrift über die Vereinigung des Deurschen Eisen— Irtnwesens verlangt; was ist in dieser Beziehung geschehen? Die creinbeitlichung unserer gesamten Verkehrspolitik ist für Deulschland dringendes Bedürfnis. In England und Amerika ist diese Vei—

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6 einberlichung en langst erfelst. In Deutschland disponieren die einzelstaatlichen Verwaltungen noch mann ganz gegen⸗ einander. Die Frage des Wahlrechts in Preußen hat Herr bon Paper als eine deutsche Frage bezeichaert. Es ist daruber lebhal Centttien Teteen Sch tree de gurken nr ck, dag n der Grörtgrüng die Frage ien Reickstag für Prenpen etwas Un— würdiges Lingt; im Gegenteis, dire Ererterung beweist nur die Be—

deutung der führenden Stellung Preußens un Reich. Die deutsche und die preufische Polistk sind voneinander nicht zu trennen; darum ist auck der Veigleich mit den süddeutschen Staaten unzutxefez 7. Lin klat en'zec 2er spruch zwischen pteußzischer und Reichspolitit ift auf die Dzue: *: zu ertragen. Seit 1851 ist ein, ganz gesondertes pꝛeußiscke? S: aisleben neben dem deutschen Reichsleben nicht mehr möslick. Tease alten Gegensätze ringen noch jetzt miteinander. Aber die (öesckct n hat für ein Deutsckes Reich unter Preußens Führung entscheder. Dann darf man es auch nicht sritisieren, wenn hüer die preutzsch Wahlrechtsfrage ausgiebig dis⸗ kutiert wid. Ich habe am 27. März Herrn von Bethmann zuge rufen, er möge sich auf diesem Gebiete die Initiative nicht aus der Hand nehmen lassen. Das preußische Wahlrecht hätte längst fallen müssen; ein unberechtigter Machteinfluß darf nicht zu⸗ lange aufrecht erhalten werden. Je länger notwendige Formen ver⸗ zögert werden, um so radikaler fallen sie aus, hat der Vizepräsident des preußischen Stgatsministeriums Dr. Friedberg mit Recht Ce agt. Wir sehen diese Reformen als eine Staatsnotwendigkeit an. Man wirft uns vor, wir arbeiten damit der Demokintisierung vor. Ich fürchte allerdings eine sehr weitgehende Demokrati— sisrung, wenn jent das gleiche Wahlrecht, scheitern sollte. Wird die Wahlrechtsfrage im negativen Sinne entschieden, dann wird sie Mittelpunkt heftiger Kämpfe im Reichstag werden. Die nächsten Wahlen werden lediglich ganz unter diesem Gesichtspunkte geführt werden. Der führende Bundesstaat kommt um diese Frage nicht herum. Später wird es jedoch nicht möglich sein, die nötigen Kautelen gegen eine allzu große Demokratisierung zu schaffen. Mit einer sozialdemokratischen Mehrheit wird ja vielleicht im. Abgeordnetenhause nicht leicht zu arbeiten sein. Aber es war dies auch mit 144 Kon— servativen unter der Führung des Herrn von Heydebrand nicht immer leicht. (Sehr richtig Wir erinnern nur an den Mittellandkangk und daran, wie schwer es war, ein Königswort einzulbsen, wenn die ausschlaggebende Partei nicht wollte. Ich bin überzeugt, daß eine führende Regierung mit führenden Köpfen auch mit einem schwierigen Parlamente fertig werden wird. Eine willenlose Regierung versagt auch da, wo sie das Volk hinter sich hat. Man muß sich klar sein, was auf dem Spiele steht. Wenn wir außenpolitisch das erreichen wollen, was zur Sicherung unserer Zukunft nötig ist, müssen wir innerlich bis zum letzten Tage zusammenhalten. Ich bin übrigens der Ansicht, daß eine, wenn auch kleine Mehrheit im preußischen Abgeordnetenhause die Regierungsvorlage nicht scheitern lassen wird. Die nationalliberale Reichstagsfraktion steht beinahe ein- mütig auf dem Standpunkt, daß die Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen eine Notwendigkeit ist. (Beifall links) Es war vielleicht von Herrn von Payer nicht ganz glücklich, daß er bei dem Streik die Wahlrechtsfrage miterwähnte, so daß man hätte annehmen können, als wenn die Erregung über die Wahlrechts verhandlungen irgendwie ein mildernder Umstand sein könnte. Er wies mit vollem Recht auf! den Irrtum hin, durch diesen Streik etwa die Wahlrechtsfrage zu fördern. Ich teile jedoch die Auffassung, daß es vollkommen, unrichtig ist, die letzten Streikvor ange so zu bewerten, als hätte sich darin die Unreife des deutschen Volkes dokumentiert. In Berlin hat zwar ein großer Teil der Arbeiter gestreikt, aber auch hier gilt der Satz, daß Berlin nicht Deutschland ist. Für uns ist die Stimmung in einer kleinen Provinzialstadt ebenso wichtig wie in einer Großstadt, weil sie weniger unter der Wirkung einer Massensuggestion steht. In Berlin haben, wie der Staatssekretär mitteilte, im höchsten Stadium des Streikes 189 005 Arbeiter gestreikt. Selbst wenn es mehr gewesen wäre, so handelte es sich immer nur um einen ganz geringen Teil der deutschen Arbeiter- schaft. Die nicht auf sozialdemokratischem Boden stehenden Arbeiter- berbände Deutschlands haben sich nicht an dem Streik beteiligt. Herr Scheidemann legt zwar Wert darauf, daß in Berlin auch Huh anderer Gewerkschaften gestreikt hätten. Herr Scheidemann hat aker selbst bekundet, daß sozialistische Arbeiter ihm erklärt hätten, sie hätten am Streik teilgenommen, mit dem sie eigentlich nichts zu tun haben wollten, weil sie terrorisiert worden wären. Da können ja auch andere Arbeiter mitgerissen worden sein. Die nichtsozialistische Arbeiter⸗ schaft lehnt in ihrer Gemeinschaftlichkeik einen solchen Streik wenigstens ab. Wie kann man aber davon sprechen, daß es kindisch wäre, bei diesem Streik ausländischen Einfluß zu sehen. Herr von Kühlmann hat doch wiederholt erklärt, daß die Verzögerung in