1918 / 102 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 May 1918 18:00:01 GMT) scan diff

Fiaheellen. Melng Freunde erkennen Hie sahficen Brgnße Seh An. trages Spee an. Sie erkennen und würdigen den hohen Patrjofismus, der aus einen Worten . Ein Teil meiner Freunde wird dafür elntrkten. Die Mehrhelt ,, steht aber auf em anderen Standpunkte. Sie meinen, daß, nachdem nun einmal bese Vorlage eingebracht und monatelang verhandelt worden ist, es

uns ein. Pflicht ist, jetzt auch die, Konfequenzen zu ziehen. Wir sind entschlossen, gegen den Antrag zu stimmen Bitepräͤstdent des Staats ministeriums Dr. Friedber 8: Der Herr Abgeordnete Dr. von- Heydebrand hat, wenn auch in milderer Form, den Vorwurf des Herrn Abgeordneten Lüdicke sich zu eigen gemacht und ihn wieder aufgenommen. (Sehr richtig! links. Widerspruch rechts) Wenn ich mich ausführlich dazu äußern sollte, so würde das meines Erachtens nicht in eine Geschãfts⸗ otdnungs debatte gehören, sendern in eine Diskussion, die wir wohl in der ausgiebigsten Weise noch haben werden. Vorläufig wollte ich nur sagen, doß dieser Vorwurf sich sehr eigentümlich ausnimmt in dem Munde eines Abgeordneten, den seinerseits die schwere Schuld dafür trifft, daß jahrelang diese Reform in diesem hohen Hause verhindert worden ist. (Großer Lärm rechts) Natürlich, meine Herren, ist es ein Ausdruck Ihres Gerechtigkeitsgefühls, daß die Königliche Staatsregierung angegriffen wird in den schwersten Formen, daß sie das auf sich nehmen poll, daß sie sich aber nicht verteidigen soll. So schwach ist aber die Regierung Seiner Majestät des Königs noch nicht, daß sie sich gegen schwere Angriffe nicht einmal verteidigt. (Hroße Unruhe rechts.) Ich sage also, es trifft diejenigen die Schuld, welche es dahin gebracht haben, daß die Resorm in eine Zeit hinein— fällt, die an und für sich nicht fo besonders geeignet ist.

Abg. Ad. Hoffmann. (U. Soz): Ich muß dem Grafen Spee abbitten, was ich vorhin ißt habe. Niemand pat nach außen für das Wahlrecht des Volkes so gewirkt wie beute Graf Spee wider Willen. Besser kann das Volk gar nicht auf diese Dinge aufmerksam gemacht werden. Die Rechte hat hier ge— ig wie man die Regierung behandeln muß, wenn sie einem nnicht zu Wlllen ist. Wir werden dankbare Schüler sein. Allerdings weht draußen ein anderer Wind, und der Sturm wird Ihre Mehrheit für alle Zeiten wegfegen.

Abg. Dr. Graf Spee (Hentr.): Mein Antrag wird ab— elehnt werden, das ist bedauerlich, aber es ist festgestellt,

es aus, taktischen Gründen geschehen wird. (Sehr richtig rechts) Glauben Sie, ich hätte Erfolg gehabt, wenn 9. vorher die Regierung davon verständigt hätte? Heiterkeit. IJ wollte die Stellungnahme des Hauses über diesen ir, herber⸗ führen. Der Abg. ö bezeichnet den Antrag als bedauerlich. Das ist Äuffassungssache. Ich habe gestern den Antrag in der Fraktion angekündigt, und Herr, Porsch hat nur gesagt, daß ich ihn für meine Person zu vertreten hätte. Daß die 6 zachnicke und Lohmann mir die Schuld in die Schuhe schieben ür die unerhörten Ausfälle des Herrn Hoffmann, geht zu weit. Wohin sollte es führen, wenn An⸗ träge nicht gestellt werden dürfen, weil Herr 8 Ausfälle

macht. (Sehr richtig! Sehr gut! rechts) Diese Vorwürfe weife ich in eigenem Namen und im Interesse des Hauses entschieden zurück. (Beifall rechts. Auf die persznlichen Ausführungen des Herrn ih, mann einzugehen, fällt mir nicht im Traume ein. Wenn man sachli nicht weiter kann, fängt man persönlich an. Ich bin Kommandant des Stabes einer Dibision, also in ö Stellung. Sie mögen über mich herfallen, mich ö aber man sollte mit dem Urteil warten, bis der stenographische Bericht meiner Rede vorliegt. tg Ad. . mann: Die Rede an der Front anschlagen lassen) Der ntschluß zu em Anttage ist mir nicht leicht geworden, aber ich, hätte mir mern lebelang Vorwürfe gemacht, wenn 6 nicht in diesem Augenblick eingebracht hätte. (Beifall rechts Wenn ich auch hier allein stehe, s⸗ Fir die Zustimmung im Volke über kurz oder lang nicht gugbleibsn. (Sehr richtig! . Es kann sich auch so entwigeeln, daß Parteien dieseß Hauses oder des Herrenhauses, ja selbst die Reglerung, auf den Antrag zurückkommen. (Sehr richtig! rechts.) K Abg. Dr. Pachni cke. (Volksp): Da der . ab⸗ gelehnt werden, wird, lohnt es nicht mehr, den trag auf, namentliche ir tin ng aufrecht zu erhalten. Muf Lechs: Warum denn nicht! Vie paar Stimmen, die dagegen sind, sind nicht so piel wert. Wir hatten die namentliche n , be⸗ Mtragt, um jeden einzelnen vor die Frage zu stellen. bg. Kreth . Wir e nicht so ängsthich wie Sie) Dann stellen Sie doch elbst Den Antrag auf namentliche Abstimmung. Die Vorfage ist nicht Schuld, sondern Verdienst . und ker rler Schärfe in die Diskussion haben Sie selbst hineingebracht. Graf Spee mußte wissen, daß auf diese Herausforderung geantwortet werden würde. (Ruf rechts: Herausforderung? Lärm.) Je leidenschaftlicher Sie sich jetzt verhalten, um fo mehr Xweisen Sie, daß es sich für Sie um die ie, , nnn Ihres Parteibesitzstandes handelt. (Lärm rechts) Dutch den Wahlkampf wird aber Ihre Mehrheit zertrümmert werden. (Cärm rechts. Abg. Freth: Auf sozialdemokratischen Krücken!)

Abg. Hoffmann: Auch ich ziehe den Antrag auf namentliche . zurück. Wenn Sie sich blamieren wollen, können Sie es se un.

ö Dr. von Heydebrand (Cen Nachdem erklärt wor⸗ a

den ist, daß wir selbst die Klarheit bei der Abstimmung herbeiführen könnten, nehme ich den . auf namentliche Abstimmung namens meiner Freunde auf. (Beifall rechts.)

g zulãssig n. ;

die

der .

stimmung beschlossen, die Ent= scheidung über den Antrag Windthorst auf sechs Monate zu vertagen. Aus den sechs Monaten ist freilich eine längere Zeit bis heute geworden. ( Heiterkeit.)

Pröäsident Dr. Graf von Schwerin-⸗Löwitz stellt die Zu⸗ stimmung des Hauses zur Vornflahme einer namentlichen Abstim⸗ mung fest.

Die namentliche Abstimmung ergibt die Able nung des Antrags. des, Abgeordneten Graf Spee mit 333 gegen 6h Stimmen bei einer Stimmenthaltung. Die Minderheit besteht nur aus Mitgliedern der konservat wen Fraktion.

Abg. Graf Spee Gentr) erklärt unter großer Heiterkeit, daß er leider zu spät gekommen sei und infolgedessen nicht für feinen eigenen Antrag habe stimmen können.

9. ö wird in die sachliche Beratung der Sg 1 bis 3 der Wahl rechtsvorlage eingetreten.

Berichterstatter Dr. Bell (Zentr.): Je ausführlicher und erschöpfender die schriftlichen Berichte sind, um so kürzer kann ich die mündliche Berichterstattung gestalten. Ich Däsreifs auf die beiden von mir erstatte len Berichte, Kren erster die ah gemeing Ausspracke üker die drei Gesetzentwitrfe wiedergibt, während sich der Meite über den G etzen wurf, betreffend die Wahlen um Aber orb neten aufe aucspricht. Die allgemeine Aussprache über die drei Gesetzentmürfe nahm fünf Sitzungen in ÄUnspruch. Den Hauyt⸗ EeKenstand der Erörterungen bllecte das aleiche Wahlrecht, wobel desfen

.

Il nf und Gegner Unter zusfühekher Varle gung Fer zefchiht= lichen Entwicklung des Wahlrechts in Prenßen sowie in den übrigen dentschen Bundesstaaten und im Auslande e n, , entgegen · ges'tzten Auffassungen eingehend darlegten. In Verbinbung mit den uf Lie, Cegen wärtigen Berhältnisse zugespitzten Crörlerungen wurhen die. . einer Einführung n, Wahlrechts für Preußen an Hand des beigebrachten 1 Materials ausführlich, be⸗ handelt. Von Gegnern des gleichen Wahlrechts wurden Aenderungs vorschläge gerichtet auf ein stäͤndisches und ein Mehꝛstimmem wa hl recht angekündigt und befürwortet, von anderer Seite wisnde gegenüber der

dilalisierung des Abgeorrnetenhauses die beftimmie Crmartung gus= e, . daß die vorgeschlagenen Sicherungen zum Schutze der Ver— sassung, insbe ondere für Kirche und Schuls, ferner zur Verstärkung der Hudgetrechte der Ersten Kammer Und zur Festlegung der Wahl kreiseinteilung angenommen und Aenderungen des geltenden Rechts Uustandes unter eine erschwerende Zweidrittelmehrheit gestellt würden. Von besonderem Interesse darf folgende Gruppierung ber Wahl rechte fach, den, Gesicht Punkten gleiches Wahlrecht“, „Piuralhaßl rec? und Wahlreform sein: J. Gleiches Wahlrecht sohnẽ Pluralstimmen) gilt 3. in folgenden deutschen Staaten; in samtlichen fübbeutfchen Staaten mit inschluß von Elsaß-Lothringen, in drei mitteldeutschen Staaten, dagegen in keinem nord deutfchen Stagt, insbesondere in keiner der republikanisch regierten Hanfestädte Hamburg, Lübeck und Bremen; b. in außerdeutschen Stagten: 1g Monarchien, S Republiken, alt in Ter weit überriegenden Mehrzahl aller mongrchisch oder re— publikanisch regierten Staaten. II. Plurgfstimmrecht gilt in vier deut⸗ schen Staaten und in Belgien. III. Die Wahlreform hat in den außer— deutschen Staaten fast durchweg das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht, in den deutschen Staaten in Süddeu tschland, das allge⸗ meine, gleiche direkte und geheime Wahlrecht, in Mittel, und Nord= reutschland überwiegend das geheime und direkte Wahlrecht gebracht. Tine antide mokratische Reform hat stattgefunden nur in Hamburg und Sachsen. Die erste Lefung des Gefetzenwurfs hat sichen Sitzungen Ransprucht, außer vier umfangreichen Sitzungen zweier Unteraus⸗ Süsse, dagegen beanspruchte die reite Lefüng nur eine Sitzung. Den Ichwerpunkt der Erörterungen bildete der das gleiche, Wahlrecht be⸗ k 8 3. Der hierzu eingebrachte Antrag auf Einführung eines kehrstimmenwahlrechts in Verbindung mit be rufsständischen Wahlen wurde später zurückgezogen, dagegen wurde, unter Ablehnung des Re⸗ gierungsborschlages, der Antran auf Einführung eines Mehrstim men— wahlrechts derart, daß jeder Wähler eine Grundftimme bal und se eine im n n, erhält auf Grund des Lebensalters und der Zahl der erwachtenen Kinder, des Vermögens, des Einkommens, der selbst⸗ ständigen Erwerbstätigkeit und der angenommen, und zwar in erster Lesung mit 20 gegen 15. in zweiter besung mit 19 gegen 16 Stimmen. Die Anträge ih, der Verhältniswahl f: bestimmte Berke fanden keine Mehrheit. Dagegen wurde die direkte und geheinte Wahl nach dem Regie rungen fwurf beschlossen. Au ßer⸗ dem richtet sich ein Mehrheitsbeschluß über den Rahmen des Gesetz⸗ entwurfs hinaus auf Einführung der Wahhpflicht unter Festsetzung LEstimmter Ordnungsstrafen und Einführung ständiger . In der zweiten Lesung hat der Ausschuß die Beschlüsse erster Lefung durchweg beibehalten und nur Aenderungen vorgenommen: 1) den 2a ju 6 der Kriegsteil nehmer einzufügen, im 5 2 für be— timmte 6 eitsstrafen und ,, einen zeitweiligen Aus— Hhluß von der Wahlberechtigung festzülegen, Z im' 5 3 d Mehr— stimmen auszudehnen auf Bewährung im öffentlichen Dienst.

Ministerpräsident Dr. Graf von Hertling:

Meine Herren! Die Vergänge der heutigen Sitzung könnten ja gewisse Zweifel erregen, ob wir noch zu einer Verständigung über die uns jetzt beschäftigende Materie gelangen werden. Aber, meine Herren, gerade diese Vorgänge und die lebhafte Erregung, die sich heute kundgab, haben doch gezeigt, wie stark auf allen Seiten dieses hohen Hauses das Gefühl der Verantwortlichkeit ist, mit dem Sie der heutigen Enischeidung entgegengehen. Dieses Gefühl der Ver⸗ antwortung, meine Herren, das ich auf allen Seiten gleich hoch ein⸗ schätze, das ich nicht erst wachzurufen brauche, sondern voraussetzen darf, gibt mir die Hoffnung, daß es doch noch möglich sein wird, zu einer Verständigung zu gelangen (Bravo linkch, daß es doch noch g⸗ lich sein wird, einen Weg zu finden, der die jetzt so weit auseinandergehenden Meinungsverschieden⸗ heiten zu einer Einheit zasammenfaßt. (Bravo links.)

Meine Herren, daß der Artikels in der Fassung, die Ihte Kom missionihm gegeben hat, für die Staats⸗ regierung nicht annehmbar ist, werden Sie sich zweifellos nach den wiederholt abgegebenen Erklärungen der Staatsregierung selbst gesagt haben (Brawol links), und auch der gewiß gut gemeinte Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Lohmann, der aus dem Kommissionsantrage verschiedene Schärfen beseitigt, kann nicht zum Ziele führen; denn dieser Antrag nimmt dem Ge— setze nicht den plutokratischen Charakter, den wir schlechterdings ver⸗ meiden wollen. Meine Herren, ein plutokratisches Wahlrecht ist un⸗ wirksam, oder aber es geht über das Ziel weit hinaus und verschärft die vorhandenen Gegensätze, statt eine Milderung herbeizuführen. (Sehr richtig! links) Ein plutokratisches Wahlrecht, das die politi⸗ schen Rechte nach dem Maß von Vermögen und Einkommen bemißt, sei dies nun direkt oder indirekt, ist heute in unserem Volke nicht mehr möglich (Sehr richtig! links) angesichts der unausgesetzten Ver⸗ schiebungen in den finanziellen, in den wirtschaftlichen Verhältnissen, angesichts auch des Grades politischer Bildung in unserem Volke. Auf ein plutokratisches Wahlrecht kann sich die Regierung deshalb nicht einlassen. .

Es kann sich also nur um das allgemeine gleiche Wahlrecht in vernünftigen Grenzen handeln, wie sie bereits durch die Vorlage selbst angedeutet sind. Meine Herren, d as gleiche Wahlrecht muß grundsätzlich fest gehalten werden. Die Zusage ist gegeben, die Zusage muß eingelöst werden. Und, meine Herren, ich bitte, das zu beachten, daß in allen modernen Staaten das politische und soziale Leben auf dieses Ziel eingestellt ist, daß dieses Ziel eines gleichen Wahlrechts in einer großen Reihe der modernen Staaten bereits erreicht ist, in manchen Staaten weit hin— ausgehend über das, was der Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf vor⸗ geschlagen hat. (Sehr richtig! links) Es ist auf die Dauer nicht möglich, meine Herren, daß sich Preußen dieser tiefgehenden Bewegung entzieht, daß in Preußen allein dieses gleiche Wahlrecht dauernd aus⸗ geschlossen sein soll. (Sehr richtig! links)

Meine Herren, es ist ja auch möglich, gewisse Siche⸗ rungen vorzunehmen, die befürchteten, allzu weitgehenden rädikalen Zolgen, die aus dem allgemeinen gleichen Wahlrecht sich er⸗ geben könnten, zu beseitigen. In der Gesetzesborlage selbst sind be— reits derartige Sicherungen angeregt; andere sind an anderen Stellen wohl noch möglich. Es sind, wie ich höre, Anträge in Vorbereitung, die weitere Sicherungen dieser Art noch einführen wollen (Hört, hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten), die Regierung wird diese Anregungenmit allem Ernst und allem Wohl—⸗ wollen prüfen. Denn selbstverständlich ist die Regierung, die sich dafür eingesetzt hat, das gleiche Wahlrecht zur Durchführung zu bringen, zu gleicher Zeit fest. entschlossen, dafür zu sortzen, daß die be⸗

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ausge sprochenen Befürchtung einer für PHieußen verhängnichollen Ra=

einführen, so werden die Bundesstgaten im ganzen

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fůrch teren schädlichen Wirkungen dieses gleichen Wahlrechts möglichst derhütet werden. (guruf rechts) Ich zweifle nicht, daß dieses Ziel erreicht werden kann. ö J Meine Herren, es ist ja doch überaus wünschengwert, daß wir jetzt und daß wir bald zu einer Entschei dung komm en. (Sehr richtig) Das öffentliche Leben, wenn es auch nicht immer in die Erscheinung tritt, dreht sich zurzeit im Bewußtsein fast des ganzen Volkes um die Frage des gleichen Wahlrechts. (Lebhafter Wider⸗ sptuch rechts. Zustimmung links. Meine Herren, die Ansichten darüber können ja verschieden sein, das bezweifle ich nicht; aber ich kann nur sagen, daß ich mich bemüht habe, bis in die letzte Zeit hinein, möglichst Fühlung zu nehmen und mir die Stimmung der verschiedenen Volkskreise zur Kenntnis zu bringen; da ist mir immer wieder ent-“ gegengetreten: die Frage des gleichen Wahlrechts muß zur Entscheidung gebracht werden. (Sehr richtig! links) Meine Herren, es ist ja auch heute schon wiederholt darauf hingewiesen worden, wie notwendig es ist, in unserem Volke die große Einmütigkeit zu erhalten, die es dem ungeheuren Weltkriege gegenüber bis dahin bewiesen hat (Sehr richtigh, und unser Volk ist ja wahrhaft bewunderswert in dem ein— mütigen Zusammenstehen. Ich glaube, es wird ein weiterer Schritt zur Stärkung und Steigerung dieser Einmütigkeit sein, wenn Sie von allzuweitgehenden Gegensätzen in dieser Frage jetzt zurücktreten wollten.

Meine Herren, die Sache liegt jetzt so: jetzt sind wir noch in der Lage, die Zusage, die gegeben worden ist, und die eingelsst werden muß, einzulösen, ohne schwere Erschütterungen befürchten zu müssen. Jetzt kann diese Zusage noch eingelöst werden, indem zu gleicher Zeit, wie ich schon sagte, diejenigen Sicherungen gegeben werden, die im Interesse eines ruhigen, stetigen Fortschweitens des Staatslebens not- wendig sind. Das, was wir jetzt geben können, das müssen wir diel⸗ leicht, wenn es heute abgelehnt wird, in einiger Zeit unter schweren Erschütterungen des Volkslebens deren Gefahren wir gar nicht übersehen können uns abringen lassen. (Hört, hörth

Meine Herren, das gleiche Wahlrecht kommt: es kommt, wenn nicht heute, so doch in absehbarer Zeit. (Sehr richtig! links) Es kommt entweder ohne Erschütte⸗ rungen, oder es kommt nach schweren inneren Kämpfen. Und darum lautet die Frage jetzt: wie wollen Sie sich dazu stellen? wollen Sie nicht jetzt die Hand zu einer Verständigung reichen, die uns dazu führen kann, schwere Erschütterungen zu vermeiden, und Sicherungen jetzt noch vorzunehmen, die mögliche schädliche Wirkungen in der Zu— kunft abwenden? ober wollen Sie die Verantwortung auf sich nehmen

für die gefährlichen Folgen, welche die Ablehnung nach sich ziehen würde, ohne doch das von Ihnen erwünschte Ziel zu erreichen? (Leb⸗ hafter Beifall links)

Abg. Dr. von Heydebrand öons); Den Wunsch mach einer Verständigung teilen wir auch. Al auf dem Wege, den der Herr Ministerpräsident gewiesen hat, ist eine Verständigung nicht möglich. Wenn selbst der Antrag der nationalliberalen Parte zie Zustimmung der Regierung nicht findet, so kann das Ziel der Verständigung nicht erreicht werden, sondern nur dann, wenn wir einfach die Regierungsvorlage annehmen. (Sehr richtig! rechts) Das aber können wir nicht machen. Wenn gesagt wird, daß das gleiche Wahl. recht allseitig im Volke verlangt wird und man sich dieser Forderung nicht entziehen kann, so mache ich darauf aufmerksam, daß ein gro

Teil unseres Volkes jetzt überhaupt nicht in der Heimat ist. Die libe⸗ ralen Zeitungen sind dafür nicht maßgebend. Die Konserbativen haben in dez Kommission mit allem Fleiß mitgearbestet, um die Vorlage fo zu gestalten, wie wir sie annehmen können. Wir sind davon überzeugt. 9 unser gegenwärtiges . reformbedürftig ist, und ich war des⸗ halb eigenlich erstaunt, als der stell vertretende i fig , ent sagte daß wir die Reform verhindern. Zwischenrufe links) Vielleicht habe

den stellpertretenden Ministerprzasidenten nicht ganz richtig verstanden;

ä war so erregt, Ich hahe sonst von einem Minister staatsmaͤnnische Ruhe erwartet. Heiterkeit rechts) Er ist ja aber erst seit kurzer Zeit stellvertretender Ministerpräsidenl. Die konserdative Fraktion hat bei dem ersten Wahlgesetz von 1966 mit voller Einmütigkeit mitgewirkt, und wir haben auch die Vorlage von 1910 . mit der Regierung verahschiedet; wenn sie nicht zustande kam, so lag das am Herrenhaufe⸗ wofür wir nicht verantwortlich gemacht werden, können, Wir haben getan was wir konnten. Wir waren im vergangenen Jahre bereit, mit den Parteien eine Vorlage auszuarbeiten, die eine loyale Verwirklichung der Osterhotschaft sein würde. Das kann man doch nicht als Verhinde⸗ rung ansehen. Wir haben die Reformbedürftigkeit des Wahlrechts immer anerkannt. e n ,,. In dem gegenwärtigen Wahl recht sind manche tkechnischen Ein elheiten ungeeignet; das mwissen wir auch. Aber das Wahl recht sollen Sie uns mal zeigen, das keine Inkon⸗ sensitäten it, Die Signatur des jetzigen Wahlrechts st der Einfluß des Mittelstandes. (Widerspruch links. Das gleiche Wahlrecht bedeute den Einfluß der unterschiedslosen Masse, der Landarbeiter wie der städtischen. Ist es wirklich zu J. daß man das gleiche ö in Preußen fordert? Es giht Leute, die behaupten, daß das glei Wahlrecht im Reiche sich außerordentlich bewährt habe; ich wilk dar—= über nicht richten, ich bin ja selbst ein Produkt diefes gleichen Wahl, rechtz. Aber die Verhältnisse im Reiche sind doch anderg. Gerade weil wir im Reiche das gleiche Wahlrecht haben, ist es eine naturgemäße . daß man den Bundetzstaaten ihr Cigentuͤmlichkeiten 36 Sehr richtig! ð rechts) Wenn wir jetzt in. Preußen das gleiche Wahlrecht tgaten im ganzen Reiche auch dazu ge= fungen das gleiche Wahlrecht ist nicht richtig für ein gesundes e , ches Staatsleben. Wenn die Kriegsereignisse das gleiche Wahlre fordern, dann müßte man warten, wie die Feldgrauen selbst darüber denken. Das ist ein Widerspruch, den wir nicht berftehen. Im Heere ibtées auch keine Gleichheit, sonst könnten wir keine Sffizsere haben. ohin würden. wir sonst mit unserem Heere kommen? Ich habe den Erlaß des Königs dahin verstanden, daß eine Vorlage über das Mahl recht eingebracht werden soll., Aber ich habe nicht gehört, daß der König wünsche oder hefehle, daß wir uns unserer verfassungsmäßigen Freiheit, darüber zu befinden, begeben sollen. Ich möchte wissen, ob der König richtig darüber informiert war, daß im vorigen ommer vor dem 11. Juni eing Einigung aller Parteien über das Wahlrecht möglich war. Auf, unsere Anfrage danach in der Kommission ist keine Antwort er⸗ folgt. Vas war vor dem J1. ö (Beifall rechts)] Bei dem gleichen Wahlrecht werden wir im Hause etwa 130 Sozialdemokraten, eine sehr starke Linfe und eine sehr starke polnische Fraktion haben. Auch bei den anderen Parteien wird nicht alles beim alten bleiben. Die Mittel- ständler werden verschwinden. (Widerspruch links) Wird denn das Wahlrecht nicht von Einfluß auf die Zusammensetzung des Hauses sein? (Ruf links:; Das wollen wir ja) Die Leute mit einem guten Sprecha⸗ nismus und Agitatianskraft werden guf den Schild erhoben werden. Das Haus wird nicht bloß zahlenmäßig, sondern auch innerlich ein anderes werden. Preußen ist von der Autorität getragen, Wir haben ein gewaltiges Beamtenheer voll Disziplin und Unterordnung. Auch Rrauf wird die Zusammensetzung des Haufes einwirken. (Ruf links: Das ist eine Beleidigung der Reichtbenmten. Ins Reich gehört die Sache hin, wir reden her. (Ruf links: Vorläufig Die direkte Be⸗ steuerung wollen Sie der besitzlosen, unterschiedslofen Masse überant⸗ worten. (UAbg. Hoffmann: Im Schitzengraben find sie gleich berechtigt und können für die Besftzenden verbtuten ) Wie Weil m. ollen die Steuern bestimmen, die BVesitzenden follen sie bezahlen. Man bescwichtigt uns, daß eg nicht so schlimm werden wird, aber Gegen. gründe hat man nichl. Mit dem gleichen Wahlrecht haben Sie in inf Jahren die rote Mehrheit, auch in den Kommunen. Bie radi⸗ kale Richtung wird sehr viel wegnebnen von dem, was wir

auc Sie anßeren Berren Beßenken.

zenn wir gleiche Wahlrecht im Staate bahen. dann haben r in fün das gleiche Wahlrecht auch in den Gemeinden. ffe b. d. Soz.; Hoffenllich Dann werden die Herren auf der

o sie bleiben. (Sehr gut! rechts) Die Linke wird bei

sem Hause eine Verstärkung erfahren,

d Richtung . und kultureller Be⸗

6

Volksschul Richtung die O nicht

auch

lieb, wenn der Mini würde.

er

. da

n, daß es der bürgerlichen Gesell⸗=

Schicht . ihrem Rechte kommt und

e. Im sen der menschlichen Gesell⸗

Gleichheit, ondern nur ein organisches Zu⸗

ammenfassen von Mitgliedern, die zueinander gehören. Wir haben deshalb in den Gedanken des gleichen Wahl rechts hineinge tragen Be⸗ dingungen des Besitzes, des Alters, der Steuerleistung, der Bildung

und haben damit den Gedanken vertreten, keinem ein Ucbergewicht aber allen ein Recht zu gewähnwen. Meinen politischen Freunden ist as sehr schwer geworden, auf manches Althergebrachte zu verzichten, wit haben uns aber dem angeschlossen, was die Kommfffion nieder gelegt hat, weil nur auf diesem Wege eine Mehrheit zusammen— Ceschlofsen werden konnte und weil wir glaubten, daß es im Inter- . des Landes wäre, eine so wichtige Vorlage mit ne gt großer ehrheit zu beschließen. Damit haben wir eine patriolische Pflicht orfůllt. ö wir hier stehen und reden, tobt in Flandern eine Schlacht, wie sie die Weltgeschichte noch nicht gesehen hat. Tausende allen draußen und während dieser Zeit sind wir verurteilt, hier eine . schwere Entscheidung zu treffen, die leider den Keim zum Un— ftieden in sich trägt. Es handelt sich um das wichtigste Staats⸗ undgesetz, das seik dem Bestehen der preußischen Verfaffung über⸗ 6 vorgekommen ist. Da hleibt uns nichts anderes übrig, als daß wir Hand anlegen müssen. Was kann es da ausmachen, wenn von Verteilen oder Nachteilen persönlicher Art die Rede ist oder von Vorteilen oder Nachteilen für die Partei, oder wenn man hört, es wird dieser oder jener Minister fallen oder daß man dieses Haus aufsösen will. Wir stehen an dieser Stelle im Begriff, ein Gesetz zu beschließen, welches für die Geschicke Preußens für lange Zeit von entscheidender Bedeutung sein wird. In einer solchen Situation gibt es für uns nichts anderes als unsere heilige Ueberzeugung. Der wollen wir folgen und wir scheuen ung nicht, auch hinauszutreten vor dag Land, vor unsere Wähler und das zu rechtfertigen, was wir beschlossen haben. Cebh. sich wiederholender Beifall rechts) Vizepräsident des Staatsministeriums Dr. Friedberg:

Meine Herren! Herr Abgeordneter Dr. von Heydebrand ist davon ausgegangen, daß eine Verständigung nach den Worten des Herrn Ministerpräsidenten wohl nur dann zu finden sei, wenn alle Parteien auf den Boden des gleichen Wahlrechts treten. Ja, meine Herren, wenn Sie die Dinge so auffassen, dann hat er, glaube ich, vollständig recht. Daß die Königliche Staatsregierung an der Forderung des aleichen Wahlrechts unbedingt festhält, hat sie stets erklärt, und das hat sie noch eben durch den Mund des Herrn Ministerpräsidenten zum Ausdruck gebracht. (Bravo! links) Nichts destoweniger hat aber der Herr Ministerpräsident in seiner Rede schon darauf hin⸗ gewiesen, daß auf anderem Wege eine Verständigung sehr wohl möglich sei, indem mit dem gleichen Wahlrecht sehr gut gewisse ver= fassungsmäßige Kautelen verbunden werden können (Zurufe), die einige an sich unerwünschte Folgen des gleichen Wahlrechts abzuschwächen geeignet sind. (Hört, hört! links. Ich bedaure außerordentlich, daß die konservative Partei aber gerade diesen Weg für ungangbar erklärt hat. Denn alle Versuche, die nach der Richtung hin in der Kommission gemacht worden sind, sind von den Vertretern der konserwatipen Partei nicht angenommen worden, und sie haben sogar ihren prin— zipiellen Widerspruch dagegen zum Ausdruck gebracht.

Herr Abgeordneter Dr. von Heydebrand ist dann zurückgegangen auf die Vorkommnisse, die vor der Diskussion stattgefunden haben. Er hat mir Mangel an Ruhe vorgeworfen, und ich will ihm zugeben, daß ich vielleicht mit einiger Erregung gesprochen hahe. Wenn er mir aber gestattet, ein Lessingsches Wort zu variieren, so möchte ich sagen: wer bei gewissen Dingen sein Temperament nicht verliert, der hat überhaupt keins zu verlieren. (Sehr richtig! links Wenn man in dieser schweren Weise angegriffen wird, wie es seitens des Verrn Abgeordneten Lüdicke geschehen ist, wenn dann was mich persönlich außerordentlich betrübt hat dieser Vorwurf von Herrn Abgeordneten Dr. von Heydebrand noch unterstrichen worden ist, und wenn ein Minister zu einer Erwiderung kaum zugelassen wird, da— durch, daß man ihm das Wort durch lärmende Kundgebungen ab⸗ zuschneiden sucht (Sehr richtig! linké), ja, dann ist die Erregung be— greiflich. (Zuruf Meine Herren, das können Sie wohl meiner eigenen Beurteilung überlassen. (Zurufe) Ich stand zufällig an der Rednertribüne (Zurufe) und habe von dort aus gesprochen. Der verehrte Herr Präsident hat mir nicht als Abgeordneten das Wort erteilt, sondern als Vizepräsidenten des Staatsministeriums. Das ist wirklich ein Einwand, auf den ich nicht gefaßt gewesen bin, und der, wie ich zugeben will, eines gewissen Humors nicht entbehrt. Ich hoffe, daß es möglich sein wird, in Zukunft derartige Vorkommnisse zu vermeiden, erstens dadurch, daß ein langjähriger Abgeordneter wie Herr Dr. Lüdicke sich in der Form mäßigt, und daß mir, wenn ich in die Lage komme, die Königliche Staatsregierung vertreten zu müssen, das Wort nicht durch solche Kundgebungen abgeschnitten wind.

. ö

Meine Herren, Herr Abgeorbneler Dr von Heydeb rand hat sich dann dagegen gewandt, daß ich in meinen Ausführungen von vorhin davnn gesprochen habe, daß die Wahlrechts reform hier im Dause lange Zeit verhindert worden sei. Ich glaube, der Gedanke, den ich zum Ausdruck gebracht habe, ist kein neuer gewesen, und ich erinnere nur an die Rede meines verehrten Freundes Herrn Dr. Lohmann, der mit Ihnen ja in der Wahlrechtsfrage durchaus zusammengeht, worin ausdrücklich ausgeführt worden ist, worauf die Verzögerung, die die Reform hier gefunden hat, zurückzuführen ist. Ich wollte auf diese Vorgänge nicht zurückkommen; daran lag mir sehr wenig. Ich wollte nur sagen, daß, wenn rechtzeitig damals die Reformvorlage zustande gekommen wäre, sie nicht in eine Zeit hineingekommen wäre wie die jetzige und daß sie. dann vielleicht einen weniger überstürzten Charakter angenommen hätte. Ich meine also, die Verantwortung,

uf die die Königliche Staatsregierung dabei treffen könnte, ist jeden—

falls die geringere als die, die bei denen liegt, die glaubten, daß es richtig sei, die Sache so weit hinauszuschieben.

Herr Abgeordneter Dr. ven Heydebrand hat dann eine Frage an mich gerichtet, deren Beantwortung ich sehr gern übernehme. (Zuruf) Er hat gemeint, die Frage sei schon in der Kommission gestellt worden. Mir ist das nicht erinnerlich. Aber das ist gleich⸗ gültig, ob sie heute oder früher gestellt worden ist. Ich bin durchaus bereit, sie zu beantworten, und ich hoffe dann, daß damit die Sache ein für allemal erledigt ist. Herr von Heydebrand hat die Frage aufgeworfen, ob der Träger der Krone von den damaligen Ministern denn um die handelt es sich ja darüber unterrichtet worden sei, daß ein Kompromiß im Gange sei, das von den ausschlaggebenden Parteien hier im Hause gebilligt werde, und daß wahrscheinlich ohne alle Schwierigkeiten Annahme gefunden haben würde. Ich kann die Frage mit ja beantworten. (Hört, hört! links Der Träger der Krone ist selbstwerstäöndlich in den Beratungen, die dem Erlaß der Botschaft vom 11. Juli vorangingen, unterrichtet worden, und zwar in ausführlicher Weise. (Hört, hört! links.)

Der Abgeordnete Dr. von Heydebrand ist dann auf das Verhältnis der Minister zur Krone zurückgekommen. Ich bedaure das außer⸗ ordentlich, weil ich mit ihm der Ansicht bin, daß das ein Thema ist, das wirklich nicht allzu oft berührt werden sollte. Er hat schon eine dahin gehende Frage in der Kommission aufgeworfen. Ich habe bei derschiedenen Gelegenheiten selbstverständlich mich darauf berufen müssen, daß durch die Botschaft vom 11. Jilli den Ministern eine bestimmte Direktive gegeben worden ist, wie sie die Vorlage aufstellen sollen, und auch eine bestimmte Direktive dahin, in welchem Zeitpunkt sie sie aufstellen sollen. Daß man dadurch den Träger der Krone un— gebührlich in den Vordergrund schiebt, kann ich aber nicht als zutreffend anerkennen. Sehr richtig! links) Daß im übrigen die Minister sich nicht hinter die Krone, sondern sich vor die Krone stellen, das beweist gerade (zurufe) auch tun, meine Herren (Widerspruch rechts), das beweist gerade der Umstand, der mir vielleicht im gewissem Sinne zum Vorwurf gemacht wird und auf den ich noch zurückkomme, nämlich, daß ich bereit gewesen bin, eine Verantwortung zu über⸗ nehmen, die für mich eine ganz außerordentlich schwierige war und, wie viele Reden hier im Hause und wie viele Artikel in der Presse beweisen, mitunter auch für mich eine äußerst peinliche ist. Das beweist, glaube ich, daß ich bereit gewesen bin, vor meinen König und nicht hinter meinen König zu treten. (Bravo! links) Im übrigen mag ja das Ver— hältnis zwischen den Ministern und der Krone sehr verschieden auf⸗ gefaßt werden. Herr von Heydebrand hat heute seine Stellung dazu bekundet. Ich muß sagen, daß sich meine Auffassung mit der seinigen im wesentlichen deckt. Die konstitutionelle Rechtslage wird aber von einem höheren Beurteiler als Herrn von Heydebrand, einem höheren Staatsmann, nämlich von Fürst Bismarck in einer ganz andern Weise aufgefaßt. Fürst Bismarck hat in einer Rede, die er am 24. Januar 1882 im Reichstage gehalten hat, ausgeführt:

Deshalb sollten wir, glaube ich, die Königliche Aktion, die

lebendige Wechselbeziehung zwischen dem Könige und dem Volke, wie sie in Preußen immer gewesen ist und nie zum Schaden der Monarchie

gereicht, nicht anrühren. Der Herr Vorredner ich glaube, die Ausführungen sind gegen Windthorst gerichtet hat keine preußischen Jugendeindrücke, wenn er glaubt, daß der direkte Verkehr mit dem Volke und seiner Vertretung dem Ansehen der 8 Monarchie schaden könnte; unsere Monarchen gewinnen bei näherer

Berührung treten. . Und er sagte an einer andern Stelle;

Sobald von dem Könige die Rede ist, müssen die Herren ganz awere Glacshandschuhe anziehen, wenn sie die Regierung in dem Maße herunterreißen wollen, wie es geschehen ist. Die politische Brunnendergiftung, möchte ich sagen, ist gar nicht möglich, wenn all die Verdächtigungen, deren die Regierung geziehen wird, nicht den unglücklichen Reichskanzler, sondern den König von Preußen, den Deutschen Kaiser treffen. Da wütde man gar nicht den Mut haben, diesen Unsinn in die Welt zu schicken.

Das ist eine durchaus andere Auffassung, die ich mir nicht zu eigen mache, weil ich auf dem Boden des konstitutionellen Staatt⸗ rechts stehe, wonach der König, möglichst nur durch die Minister gedeckt, in die Oeffentlichkeit treten soll. Aber es ist eine Auffassung, über die Sie gewiß nicht mit Stillschweigen hinweggehen können.

Nun ist der Abgeordnete von Heydebrand auf die verschiedenen Bedenken zurückgekommen, die mit der Einführung des gleichen Wahlrechts verbunden sind und die, wie ich glaube, schon ausführlich erörtert worden sind. Da er trotzdem bemängelt hat, daß klare Ant⸗ wort nicht gegeben sei, so bin ich auch wohl genötigt, noch einmal auf einige dieser Punkte näher einzugehen, ohne irgendwie die Absicht zu haben, das, was richtig daran ist, abschwächen zu wollen.

Meine Herren, die Ostmarkenfrage. Es ist richtig, daß die Einführung des gleichen Wahlrechts wahrscheinlich die Folge haben wird, daß die polnische Fraktion stärker in den Parlamenten vertreten sein wird, als bisher. Es wird zweitens die Folge die sein, daß die Zusammensetzung des Hauses eine andere wird, und daß damit eine Polenpolitik, wie wir sie bisher getrieben haben, wesentlich erschwert wird. (Hört, hört! rechts) Ja, meine Herren, hören Sie weiter! Es wird nun gefragt, welche Abwehrmittel dagegen zu treffen sind, oder welche Abschwächungsmittel Guruf) —, ja, meine Herren, müssen wir denn die Frage allein beantworten, muß sich die Frage nicht ebenso gut Herr von Heydebrand beantworten, der das Plural⸗ wahlrecht einführen will, bei dem die Verhältnisse ganz ebenso liegen? (Widerspruch rechts) Ich möchte behaupten, sie liegen beim

Pluralwahlrecht noch üngünstigei für die S8st—

Bekanntschaft, je mehr sie heraustreten und mit dem Volke in engere

marken als bei ver Ein führung der gleichen Wad k recht s. (Widerspruch rechts) Beispielsweise wird die Selbstäm digkeitsstimme in den Ostmarken viel stärker zum Aucdruck kommen als in irgend einer anderen Gegend unseres Vaterlandes, bei der außerordentlichen Zersplitterung des Bodens in kleine Bauern schaften, bei dem nationalpolitischen Einfluß, namentlich der polnischen An⸗ siedlungsgesellschaften. Darin liegt eine wesentliche Gefahr. Herr von Heydebrand scheint das zu bestreiten; er sieht die Dinge anders an. Das kann ich aber sagen: ein wesentlicher Unter⸗ schied fowohl für den Ausfall der Wahlen, wie für die Zusammensetzung die ses Hauses wird durch die Einführung des Pluralwahlrechts nach keiner Richtung hin eintreten. Da möchte ich an einen Vorfall erinnern, den ich neulich im Herrenhause mit erlebt habe. Als dort der Herr Minister des Innern dieselben Ausführungen machte wie ich eben, da rief ihm ein Herrenhausmitglied entgegen: das Pluralwahlrecht wollen wir aus diesem Grunde auch nicht. Sehen Sie, Herr von Heydebrand, das war konsequent, aber Sie sind nicht konsequent. (Zuruf) Nein, die richtige Konsequenz wäre die Beibehaltung des Drei— klassenwahlrecht s. Erneuter Zuruf Nun, meine Herren, ich meine aber: es ist doch Aufgabe eines Staatsmannes, wenn er solchen Möglichkeiten entgegensieht, auch noch etwas weiter zu denken, sich noch die andern Wege klar zu machen, auf denen eine Fortsetzung einer guten Ostmarkenpolitik möglich ist. Diese Mittel und Wege zu finden, wird die Aufgabe der Königlichen Staatsregierung sein (Zuruf), und sie hofft sie zu lösen, auch im Eiwernehmen mit der Mehrheit dieses hohen Hauses. Ich hoffe, daß Sie (nach vechte) nns mit Rat und Tat zur Seite stehen werden, und ich hoffe, daß auch von Ihnen Anregungen an uns kommen werden. Ich habe allerdings in dieser Beziehung, daß uns eine solche Unterstützung zuteil werden wird, augenblicklich wenig Hoffnung. Ich will Ihnen auch sagen: warum? Ich habe im Herrenhause neulich eine ganze Reihe von Reden mit angehört, die ein reiches Material für die Beurteilung dieser Frage bieten. Alle Herren Redner waren sich darin einig, daß die Ostmarkenpolitik der Regierung eine verfehlte sei. Jeder hat infolgedessen scharfe Angriffe gegen die Regierung gerichtet. Wem ich mir aber diese Reden in Ruhe nochmals durchlese, dann finde ich, daß von den Herren Rednern jeder uns ein ganz anderes Reyept empfiehlt, und so uns eine ganz andere Lösung der Frage vorschlägt. Es scheinen also auch innerhalb der politischen Parteien die Ansichten darüber, was in der Polenpolitik in Zukunft gemacht werden soll, noch recht weit auseinander zu gehen.

Dann ist Herr von Heydebrand dazu übergegangen, von dem autoritativen Charakter unseres Staatsbaues zu sprechen, von der Ordnung und Ueberordnung, z. B. innerhalb des Beoamtentums, und er glaubte, daß auch dieser autoritative Charakter des Staates bei der Einführung des gleichen Wahlrechts verloren gehen wird. (Sehr richtig! rechts) Ich möchte mir dagegen doch die Einwendung ge⸗ statten, daß die Monarchie mir die festeste Grundlage zu sein scheint für die Aufrechterhaltung des bisherigen staatlichen Chanakters in unserm engeven Vaterlande. Wenn das nicht so wäre oder wenn man bag nicht annehmen sollte, so würde das doch dadurch widerlegt werden, daß auch in Süddeutschland die Parlamente auf breitem Wahlrecht aufgebaut sind, und daß dort auch nicht alles drunter und drüber geht. Bei aller Verehrung, bei aller Hochachtung für die Eigenart unseres preußischen Staatswesens, die ich als Altpreuße im vollen Maße besitze (3Zurufe rechts), kann man sich nicht dem Hochmut hingeben, daß der preußische Staat turmhoch dastehe gegenüber anderen Staaten, die schließlich ebenso gut verwaltet werden wie der preußische. Vielleicht bin ich mehr Altpreuße wie viele der Herren hier, ich bin mitten in der Monarchie hier in Berlin geboren, meine Familie ift seit Generationen in Berlin angesessen; also ich glaube mich mit gutem Recht als Altpreuße bezeichnen zu können. Aber das soll gar kein geographisches Merkmal sein, sondern es kommt auf die Ge— sinnung an, und meiner Gesinnung nach bin ich Altpreuße vom Scheitel bis zur Sohle. Also warum soll, wenn in anderen Staaten die staatliche Autorität unter dem gleichen Wahlrecht nicht verloren gegangen ist, das gerade in Preußen der Fall sein? Das scheinen Argumente zu sein, die über das Ziel hinausschießen. l

Der Herr Abgeordnete von Heydebrand ist dann auf eine andere Folge eingegangen, nämlich auf die Ausgestaltung des Gemeinde- wahlrecht s. Wie in der Kommission diese Frage in der Erörte⸗ rung einen breiten Raum eingenommen hat, so wird sie auch hier wohl noch vielfach berührt werden. Ich kann nur wiederholen, was von dem Herrn Minister des Innern und von mir in bezug auf diese Frage geäußert worden ist. Die heutige Staatsregierung steht unbedingt nicht auf dem Standpunkt, daß das Gemeindewa hl⸗ recht auf das gleiche Wahlrecht basiert werden soll. Allerdings sagt Herr von Heydebrand: aber es ist die notwendige Folge. Das ist ein Raisonnement, das kann sein, kann nicht sein. Ich könnte Ihnen entgegenhalten, daß auf dem sozialdemokratischen Parteitage in Mannheim der Abgeordnete Bebel geäußert hat, daß ihrer ganzen Konstruktion nach Staat und Gemeinde zwei ganz verschiedene Körper. schaften seien, und daß deshalb auch in ihrer Verfassung diese beiden Körperschaften nicht über einen Kamm geschoren werden können. Also selbst ein sozialdemokratischer Führer war nicht der Ansicht, daß mit Naturnotwendigkeit das eintreten müsse, was Herr von Heyde brand voraussieht. Es wird hierbei natürlich auf die Festigkeit der be⸗ treffenden Regierung ankommen. (Zurufe) Sie haben ja gesehen, daß derschiedene Wahlsysteme neben dem Reichstagswahlsystem 50 Jahre lang bestanden haben; nun mag die Zeit gekommen sein, wo das nicht mehr aufrecht zu erhalten ist. Ob das mit dem Gemeindewahl. recht in späterer Zeit ebenso gehen wird, kann niemand wissen, können wir alle nicht wissen. Wahrscheinlich werden wir auch nicht mehr mitreden, wenn die Dinge so weit gediehen sind, daß diese Frage entschieden wird. Aber ich kann doch nicht daran vorübergehen, daß gerade das gleiche Wahlrecht in den Kommunen sogar aus den Kreisen der Rechten hier Fürsprache gefunden hat. Ich erinnere mich, daß in der Kommission von Seiten der freikonservativen Mitglieder der Antrag eingebracht worden ist, die Regierung möge mit möglichster Be⸗ schleunigung für die Gemeinden das gleiche Wahl recht einführen. (Sehr richtig) Was aus diesem Antrage geworden ist, ist mir nicht mehr erinnerlich. Ich weiß nicht, ob über ihn abgestimmt ist oder ob er stillschweigend unter den Tisch gefallen ist; jedenfalls ist er, so viel ich weiß, im Kommissionsbericht nicht mehr erwähnt. Ich würde nun geneigt sein und das werden wohl ver.