1918 / 105 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 04 May 1918 18:00:01 GMT) scan diff

Abg. Dr. Rie ßer (ul): Die freie Wirtschafi ist weder nach meinem Gedanken noch nach den Ansichten meiner Freunde irgendwie ein Gegensatz zu dem Gemeinwohl. Andererseits ist aber auch der Staatssozialismus nicht identisch mit dem Gemeinwohl. Durch einen 56den Staatssozialismus und öde Iwangswirtschaft darf die freie Entwicklung nicht gehemmt werden. Herr Südekum hat selbst die Hoffnung auf unsern Sieg damit begründet, daß wir in unsern Massen mehr Persönlichkeite werte einfetzen wie unsere Gegner. Dasselbe gilt auch für den Wirt⸗ schaftskampf. Der Staatesozlalismus hat viele kleine und mittlere Betriebe vernichtet. Wie steht es mit der versprochenen Bundesrats. verordnung für die Uebergangswirtsckaft? Hier hat man allerdings bei der Textilindustrie versucht, einen Anfang zu machen. Aber bei dem Entwurf hat man den Rat der Interessenten und der Fach— leute zu wenig berücksichtigt. Die volle Freiheit von Industrie und Handel muß vorbehaltlich der notwendigen Kontrolle in der Ueber— gangswirtschaft sobald wie möglich wieder hergestellt werden. In— zwischen ist diese Aufgabe an das neue Reichswirtschaftsamt über gegangen, und ich habe das Vertrauen, daß auch der neue Staats⸗ sekretaͤt auf dem Stan punkt des Senators Sthamer steht. Aber es scheinen doch erhebliche Widerstände sich neuerdings geltend zu machen; in manchen Aeußerungen ist das Gegenteil der festen Richtlinien Sthamers, nämlich ein gewisses Hin⸗ und Herschwanken, bemerkbar. Es wird vor Ueberstürzung gewarnt; es wird als Aufgabe der Ueber— gangswirtschaft bezeichnet, den Konsum und die Produktion in wich— tigen Artikeln zu heben und hierfür die Kriegsgesellschaften, sinn= gemäß ausgebaut, zu übernehmen. Wir müssen darin die geeignete Form sehen, die baldige Beseitigung der Kriegsmwirtschaft und der Kriegsorganisationen möglichst lange zu verhindern. Ganz besonders unförmlich und unzweckmäßig ist die Uebergangsorganisation im Be⸗ reich der Textilindustrie. Man plant für diese in Berlin allein neun Wirtschaftsstellen, dazu Zweigwirtschaftsstellen an anderen Orten, dann eine Reichsstelle der Textilwirtschaft, Ausschüsse, Vertreter⸗ versammlungen und einen von diesen zu wählenden Ausschuß mit Unterausscküssen und Qrtsausschüssen. Daneben aber sollen die be⸗ stehenden Kriegsorganisationen weiter mit ihrem 60690 bis 7000 Köpfe starken Personal bestehen bleiben. Es liegt hier also eine Neberorganisation, eine Uebergangswirtschaft vor, die sachlich nicht gerechtfertigt ist. Dazu kommen Vete⸗ und Bestätigungs rechte des Kanzlers und seiner Kommissare in großem Umfange. In alledem ist lediglich ein Sieg des e ,,, Prinzips zu erblicken, J. dem Geschäftsbereich dieser Uebergangsorganisationen sollen doch aber auch die Rohstoffbeschaffung und die Preisfestfetzung gehören. Im ganzen ist es nicht ein Geist des Vert'auens auf die Vernunft und GCinsicht der Beteiligten, der aus diesem Entwurf spricht. In den Friedeneverträgen muß der Ausschluß des feindlichen Wirtschafts— krieges nach dem Kriege sichergestellt werden. Alls disponiblen Kräfte müssen entfesselt werden, um unsere Volkswirtschaft wieder auf zubauen. Der Staat, der am raschesten und gründlichsten die Kriegs— wirtschaft durch die freie Friedenswirtschaft ersetzt, wird im Frieden den Sieg davon tragen, auch wenn er den Krieg verloren hat; wer das nicht tut, wird unterliegen, auch wenn er den Krieg gewonnen hat. (Beifall bei den Nationalliberalen.)

Abg. Dr. Wild grube (dkons ): Wir begrüßen den neuen Staatssekretär und wünschen seiner Arbeit reichen Segen. Er ist der Träger eines großen Namens; ein großer Name legt Vemflichtungen auf. Das natürliche Arbeitsgebiet des neuen Herrn ist . so ausgedehnt und umfassend, daß man dessen Grenzen nicht weiter stecken, sondern sich hier gewisse Beschränkungen auferlegen sollte. Wir sympathisieren aber durchaus mit der Reso⸗ lution des Zentrums im Interesse des deutschen Mittelstandes. In jüngster Zeik sind viele Aufgaben dem Reichswirtschaftsamt unterstellt worden, die nicht zu seinem Bereich gehören. Die Herausgabe einer Reihe von Zeitschriften, die überwiegend das Ausland betreffen, gehört ins Auswärtige Amt, dem sonst eine wichtige Quelle seiner . mationen entzogen wird. Umgekehrt sollte das Reichswirtschaftsamt dem Auswärtigen Amt dauernd Bericht über den inländischen Markt und seine Verhältnisse erstatten. So kommen wir in ganz natürlichem Wege zu der n e daß für die Tätigkeit des An legende Umbildung des Auswärtigen Amtes teilweise die Voraus . ist. Das Auswärtige Amt hat für einen wirtschaftlich günf . , in erster Linie zu sorgen. Zu den Pionieren Pes

utschtums gehören in erster Linie die Auslandsdeutschen; sie sind durch den Krieg wirtschaftlich vernichtet, sie sind körperlich mißhandelt, sie sind zum Teil hingemordet worden. Bis heute hat eine Sühne gicht Platz greifen können; aber manches könnte 6 um ihr Vertrauen zu stärken und sie wirtschaftlich wieder aufzurichten. Ihre Forderungen an das feindliche Ausland mwüst⸗n grhilligt und erfüllt werden. Was ist zur Sicherung der deutschen Gläubiger in Rußlan bisher geschehen? Das Reichswirtschaftsamt wird zu 53 en haben für eine blühende deutsche Eisenindustrie. Die ist in Zukunft nicht denkbar, ohne daß wir uns das Erzbecken von i , n aneignen. Unterbrechungen links. Vizepräsident Dove ersucht den Redner, sich an die Sachè zu halten Diese Erweiterung der Eisenerzbezugs— quellen ist die einmütige Forderung der gesamten deutschen Eisen industrie. (Widerspruch links Unsere deutschen Eisenerzlager . in 50 60 Jahren erschöpft; da muß eine weitblickende deutsche Re⸗ ierung Vorsorge treffen. Das von Herrn Erzberger empfohlene Monopol hat nur die Fixigkeit, nicht aber die Richtigkeit für sich. Das Reich würde durch den llebergang der Cisenerzgrüben an das Reich unerträglich belastet werden. a n . Die er ge. Eisenerze sind geringwertig; die französischen wertvoller, die spanischen und schwedischen noch mehr. (Ruf links: Nehmen wir allesh Sie machen sich die Lösung dieser entsetzlich ernsten Probleme sehr leicht; ich arbeite hier, wie es unsere Pflicht ist, für das Feusche Volk. (Lachen links Auch der Textilindustrielle muß heute schon darauf Bedacht nehmen, wie er nach dem Kriege zu 3 kommt. (Zu den Soz.) Die Verstaatlichung der gesamten Volkswirtschaft führt das . Volk zu einer Wirtschaftsform zurück, die vor Jahrtausenden bestanden hat. Sie haben sich auf den neuesten Propheten, Herrn Walther Rathenau, berufen, über den aber Herr Dr. Maper gestern, Hert Geheimrat Rießer heute ein abfälliges Urteil gefällt haben, dem ich mich vollständig anschließe. Dr. Walther Rathengu ist der jeinzige Vorsitzende eines Aufsichtsrats, der sich den Titel Präsident beigelegt hat. (Heiterkeit links; Was hat denn der Herr Präsident für die Sozialisierung des Betriebes getan, dem er selbst vorsteht? ichts; er muß schreiben. Diesem phantasievollen, durch und durch unklaren Kopfe witd viel zu viel Aufmerksamkeit zugewendet; das macht, er hat eine gute presse Manchem seiner Gedanken kann man zustimmen, aber im Punkte der Sozialisierung . wir ihm scharf entgegen—⸗ treten. Seine Forderungen in diesem Punkte muten zum Teil un⸗ sinnig an. Zwangskartelle wirken verderbend, denn die Unlust der Beteiligten tötet den Willen, sich durchzusetzen. Das . der Volkswirtschaft sollte in Zukunft sein: ö und Selbstve waltung in Handel und Industrie! Soweit der Geist des Dr. Walther Rathenau in den Bureaus des Reichswirtschaftsamts umgeht, sollte ihn der Staatssekretär mit Pech und Schwefel ausbrennen. Der Deutsche Handelstag hat gegen die Sozialisierung eine einmütige Resolution beschlossen. Die Machtmittel, mit denen wir im Fiege durchgehalten haben, stammen aus der freien Wirtschaftsordnung, die wir unter dem wirtschaftlichen Schutz nach außen im Reiche vor dem Kriege gehabt haben. Wir möchten möglichst bald loskommen von der Kriegswirtschaft und von gewissen Beamten unter ihnen, die auf dem Amtssessel zu schärfsten Bürokraten wurden oder die empörendste Paschawirtsckaft getrieben haben. Die Buchverleger sind bei der Papierverteilung ungebührlich benachteiligt; wertvolle Werke können zurzeit nicht erscheinen, während die Schundliteratur nach wie vor in unsinnigen Mengen auf den Markt geworfen wird. Neue Auflagen unserer besten Schriftsteller können nicht mehr heraus⸗ gebracht werden, während der Schund ungehindert weiter erscheint. Die Kriegsgesellschaft beborzugt Ullstein und Mosse vor den Propinz- verlegern. Der so werkvolle Buchverlag darf nicht weiter stiefmütter⸗ lich behandelt werden; es wäre dankbar zu begrüßen, wenn der Staats⸗ sekretär hier seinen Einfluß geltend machte. Das Reichswirtschaftsamt sollte sich auch bei neuen Steuern darum kümmern, wie diese wirt⸗

schaftlich wirken. Möge sich der neue Staatssekretär von dem Geiste,

mtes eine grund⸗

96 Namenevetters leiken lassen, indem er die Freiheit der deutschen rbeit in Stadt und Land schützt und ihr pulsig rendes JYebensblut sicher⸗ stellt vor den Vampirbissen des Sozialismus.

Staatssekretär des Reichswirtschaftsamts Freiherr von Stein: *)

Vizepräsident Dr. Paasche erteilt hierauf das Wort dem Abgeordneten Jäckel (Ul. Soz.), befragt aber, bevor dieser das Wort nimmt, das Haus, ob die Beratung vertagt werden soll.

Die Vertagung wird abgelehnt. Darauf verzichten die Abgeordneten Jäckel und Hoch (Soz.) auf das Wort.

Vizepräsident Dr. Pa asche erklärt hierauf die Diskussion bei dem Titel „Staatssekretär“ für geschlossen.

Abgeordneter Carstens (fortschr. Volksp.) stellt zur Ge⸗ schäftsorbnung fest, daß er um das Wort nachgesucht hat und in die Rednerliste eingetragen worden ist. Nachdem der Präsident nochmals das Haus über die Vertagung be— fragt hat und diese wiederum abgelehnt worden ist, erhält das Wort

Abg. Carstens ffortscht. Volksp), der , die Frage der Kohlenversorgung und Kohlenbeschaffung eingeht, und ins— besondere auf die großen Schwierigkeiten hinweist, die ; aus der Transportschwierigkelt für Schleswig⸗Holstein ergeben haben. Es sei dort 1917 faktisch eine Unterbeliefe ung eingetreten. Die Organi⸗ sation und die Trantzportverhältnise müßten von Grund aus geändert werden. Die Belieferung von Holland und Skandinavien sei auf das Ceringste Maß eingeschränkt worden; sei hinsichtlich der Belieferung Desterreich⸗Ungarns dasselbe Prinzip befolgt worden? Bei dem Ver⸗ kauf der Kohle an Oesterteich würden ganz erheblich größere Gewinne erzielt als bei dem Export nach Holland und Schweden. Die Zeit der Uebergangswirtschaft lasse sich noch gar nicht übersehen; niemand wisse, wie lange der Krieg noch dauere. Es könne darüber also nur Theorie geredet werden. Die Beschlüsse der Pariser Wirtschaftskonferenz seien nicht leicht zu nehmen, aber komme keine Verständigung zustande, so müsse auch über die Beschlüsse das deuische Schwert das letzte Wort reden. Freier Verkehr und freier Güteraustausch mit der ganzen Welt müsse verlangt werden. Was über das Thema Mitteleuropa Dr. von Schulze⸗Gävernitz vorgetragen habe, sei nicht die Parteimeinung, 3 dern nur seine eigene rf gun gewesen. Die Forderung einer Or⸗ ganisation der Inkustrie in Verbänden unter staatlicher Kontrolle lehnt Redner ab. Die Partei sei für das freie Spiel der Kräfte; sie begegne sich da mit dem Gedankengang des Abgeordneten Rießer. Die fort⸗ schrittliche Volkspartei sei steis für die Freiheit des Handels, besonders für seine Ellbogenfreiheit eingetreten; sie sei Prinzipiell gegen jede Syndizierung und gegen jede Monopolisierung. Die Nationalliberalen hätten sich cher mik Ausnahme des Abg. Rießer für den Textilentwurf ausgesprochen und anerkannt, daß es ohne Monopolwirtschaft nicht geht. Dr. Rießer hat es abgelehnt, Verbesserungsanträge zu stellen. Dann ist es leicht zu kritisieren. Meine Freunde und ich werden in erster Linie bereit sein, . und Verkehr von jeder Fessel zu befreien. Bei der Stillegung der Betriebe hat man Handel und Industrie nicht gehört, unter linter re aber den Konkurrenten der stillzulegenden Betriebe den maßgebenden Einfluß eingeräumt. Bei der Entschädigung dieser stillgelegten Betriebe muß das Reich dafür forgen, daß Schädigungen vermieden werden. Die Besserung der Valuta ist von größter Be⸗ deutung. Wit sind damit einverstanden, daß sie auch durch Kohlenaus⸗ fuhr gefördert wird, unter der Voraussetzung, daß genügend Kohlen für den Bedarf unserer Industrie bleiben. Es muß unter allen Um⸗ ständen verhindert werden, daß infolge unserer schlechten Valuta das eindliche Ausland einen maßgebenden Einfluß auf unsere Industrie erlange oder daß Ausländer, auch Neutrale, die schlechte Valuta benutzen, um Grund und Boden in Deutschland zu erwerben. Ebensowenig darf dieser Umstand dazu führen, daß deutsche Kunstschätze ins Ausland wan⸗ dern. Je länger die Uebergangswirtschaft dauert, um so schwieriger werden die Verhältnisse. Es muß dafür gesorgt werden, daß die Rege⸗ lung des Arbeitsnachweises einheitlich und bald über das ganze Reich erfolgt, denn es kann nicht geduldet werden, daß die heimkehrenden Krieger eine längere Arbeitslosigkeit ohne ausreichende Unterstützung durchmachen müssen. Sie dürfen auch nicht dem wirtschaftlichen Clend , werden, und ich frage den Staatssekretär, ob die schon vor

tonaten von ihm angekündigten neuen Verhandlungen mit den Organi—

n der Angestellten endlich zu einem befriedigenden Ergebnis ge— ührt haben. Wir wünschen, daß für mönlickst viele Industrien die

Uebergangswirtschaft recht bald aufhört. Wenn auch der Kohlen- kommissar seine Befugnisse aufgeben muß, so wird das von der ganzen deutschen Industrie mit größter Freude begrüßt werden. Man muß auch einen gewissen Wagemut, ein gewisses. Vertrauen haben. Zum deutschen Handel und zur deutschen Induft rie darf man ein ganz ge⸗ waltiges Vertrauen haben. Wir muͤssen in diefer schweren 1 un⸗ eigennützig und einmütig i Wohle des Ganzen zusammenarbeiten. (Beifall b. d. fortschr. Volksp.)

Nach 614 Uhr wird die ,, auf Sonn⸗ ab end 2 Uhr vertagt. Vorher zweite und dritte Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend Aufhebung des § 153 der Gewerbeordnung.

) Die Rede, des Staalssckretärs des Reichswirtschaftsamts Freiherrn von Stein kann wegen verspäte ten Eingangs des Steno— gramms erst übermorgen im Wortlaut mitgeteilt werden.

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 141. Sitzung vom 3. Mai 1918, Vormittags 11 Uhr.

(Bericht von Wolffs Telegraphenbüro.)

Ueber den Beginn der Sitzung, in der die zweite Beratung des Gesetzentwurfs, ö die ahlen zum Hauseder Abgeordneten, sortgesetzt und zunächst über den 8 2 und die zu ihm gestellten Abänderungsanträge ver⸗ handelt wird, ist in der Nummer dieses Blattes be⸗ richtet worden.

Abg. Kanzaow (fortschr. Volkẽp): Ich bitte das Haus, unserm Antrag entsprechend die Nrn. 4, 5 und 7 zu straschen. Wir vermissen mit großem Bedauern Herrn von Zedlitz hier und wünschen ihm von Herzen baldige Gesundheit. Herr von Jedlitz war ein Gengral auf dem Gebiete der politischen Strategie und Taktik; den Herren Rewoldt und Lüdicke kann ich diesen Generals⸗ rang nicht zuerkennen. ,, lassen Herrn von Kar⸗ dorff nicht reden, aber die Konservativen lassen Herrn Heins reden. Herr Heins ist bedeutsam nur als eine symptomatische Erscheinung in der neueren Entwicklung der konservativen ft i Herr Heins ist bedauerlicherweise Vorstandsmitglied und Schriftführer des Cvangeli⸗ schen Bundes, aus den Reihen des Zentrums habe ich ähnliche Aeuße⸗ rungen nicht gehört, das Zentrum stellt sich auch hier auf den Boden des gleichen Wahlrechts. Wenn ö. Heins draußen gewesen ist und jetzt aus den Schützengräben, von den blutbedeckten Feldern im Westen urückkehrt, so weiß er, daß dort nicht bloß Gange ische und Katholische, . auch Juden dabei waren und ihr Bestes gegeben haben. Wenn Herr Heins ruft: Hinaus mit den Juden aus der Pohlttik, aus der Presse, aus der Wirtschaft, aus dem Wahltecht, so halte ich ihm nur die Be—⸗ rufung auf Walter Rathenau entgegen, der sich durch seine Ratschläge über die Organisation der Kriegswirtschaft den vorbehaltlosen Dank des Vaterlandes verdient hat, ich verweise auf unseren allseitig ge⸗ schätzten Kollegen Cassel. Hat man von jener Seite doch gewagt, den Kanzler von Bethmann Hollweg als fremdrassig hinzustellen. Auch ein Vorfahre des Grafen Hertling soll nicht ganz rassenre n gewesen sein! (Heiterkeit; Zu welchen Lächerlichkeiten kommen wir alf diese

Weise! Wenn Herr Heins die Regierung anklagt, sie habe mit diesen

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worden, und das Oberkommando hat als Zensurstelle ein Verbot er⸗ gehen lassen, diesen Mann anzugreif lich konservative Politsker Lagarde hat gesagt, das Deuischtum liegt nicht im Geblüte, jsondern im Gemüte. Es wird der Widerruf des Judenedikts von 1869 gefordert. Für eine solche „Erneuerung“ Deutschtums danke ich. Wilhelm von Humboldt hat ausgesprochen, für mich faßzt sich die ganze Judenfrage in vier Worte zusammen: „Gleiche Rechte, gleiche Pflichten!“

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von der iger n etwa an Straftate der Arbeitgeber, an dit Duellanten usw., sondern man denkt an Pressesünder, an die streikenden Arbeiter, am liebsten hätten die Herren rechts jeden vom Wahlrecht ausgeschlossen, der irgendeinmal mit 3 Monaten Gefängnis bestraft worden ist, gleichviel, ob die Straftat bereits gesühnt ist oder nicht, oder ob die Strafe durch Amnestie oder Begnadigung erlassen worden ist. Selbst die in den Akten gelöschten Straftaten sollen in den Wahlakten wiederkehren. ie laufenden Wählerlisten, welche die Kommissionsbeschlüsse fordern, hiernach nfach als schwarze Listen dar. Der schändlichste Mäßbra kann damit getrieben werden, denn über Geheimhaltung dieser Listen ist nirgends etwas gesagt. Damit wird eine dem preußischen Staate nicht zur Ehre gere chende Verwahrlosung in unsere öffentliche Sitt⸗ lichkeit hineingetragen. Alle diese Bestimmungen entstanden aus Rach⸗ sucht und parteipolitischem Geschäftshunger. Die Bestimmungen über über die Säumigkeit im Steuerzahlen werden gerade die Angehörigen des Mittelstandes treffen. Wir lehnen alle diese Vorschriften ab, besonders auch diejenige über die Wirkung der Armen- und Krankenunterstützung, welche gegen den für das Reichstagswahlrecht bestehenden gesetzlichen Zustand ganz bedeutend verschlechtert worden ist. Ein großer Teil der Kriegsindaliden wird schließlich Armenunterstützung erhalten, weil sie dauernd hilflos sind; diese Kriegsteilnehmer hätten doch vor dem Verlust des Wahlrechts geschützt werden müssen, daran hat aber die Kommissionsmehrheit nicht entfernt gedacht. Und das geschieht zu einer Zeit, wo man bestrebt ist, der Armenunterstützung den entehren⸗ den Charakter zu nehmen! Und nicht genug damit, auch die Ent⸗ rechtung soll später nur mit Zreidrittelmehrhert der beiden Häuser des Landtags beseitigt werden können. Der Abg. Heins hat seinen Antrag zurückgezogen, um ihn in verbesserter Form wieder einzu⸗ bringen. Nach dem Antrage müßte jeder seinen Stammbaum nach⸗ wesen. Das Haus wird jedenfalls die Bocksprünge des Turnvereins Heins nicht mitmachen. Wäe soll man eine derartige Abstammung nachweisen? (Zuruf des Abg. Adolf Hoffmann: Der Germane Dr. Arendt) Herr Heins sollte nachlesen, was der Freiherr von Stein über den pommerschen und mecklenburgischen Adel zu Ernst Moritz Arndt gesagt hat. Die Aufforderung, die Juden zu opfern, hätte an eine andere Stelle gerichtet werden müssen. Wenn gegen uns der unberechtigte Vorwurf erhoben wird, wir hätten während des Krieges kriegsverlängernd gewirkt, so erkläre ich, daß diejenigen, die den F 2 in der Kommissionsfassung annehmen wollen, eine viel größere Schuld auf sich laden. Sie wollen Haß in das deutsche Volk säen. Aber Macht soll hier vor Recht gehen. Ich schließe mit dem Wort: Hütei Euch! Preußen ist auf dem Wege, der Mörder der deutschen Freihein zu werden! (Zuruf: Pfuih

Abg. Cassel (fortschr. Volkép.): Auf die Verleumdungen des Herrn Heins will ich nicht näher eingehen. Die preußischen und deutschen Juden haben keine Veranlassung, sich irgendwie vor Herrn Heins und seinen Reden zu fürchten. Es wäre schade, seine Kraft an inen Gegner, wie es Herr Heins ist, zu verschwenden. Es ist nicht wahr, daß ich an den Kriegäminister herangetreten wäre, die konfes⸗ sionelle Statistik im Heere und in den Kriegsämtern nicht zu ver— öffentlichen. Der Kriegsminister hat vielmehr erklärt, daß in der jetzigen Zeit in dem Verhalten den jüdsschen Heerespflichtigen keinerlei Grundlage zu einer solchen Statistik gegeben sei. Es ist begreiflich, daß Herr Heins so etwas nicht erwähnt. Als der Krieg ausbrach, sind Tausende von Juden mit großer Begeisterung in den Krieg ge⸗ zogen. Tausende haben ihr Leben gelassen. Tausende sind verwunden und verstümmelt worden. Welche Empfindungen müssen alle diess haben, wenn von der Tribüne dieses Hauses solche Reden geführt werden können, wenn das Andenken so vieler Tausender gefallenen jüdischer Krieger so herabgesetzt wird. Welche Empfindung muß ber all denen auszelöst werden, die im Felde und in der Heimat alle Kraft für das Vaterland einsetzen. Sehet, er schläft und schlummert nicht, der Hüter Israels. Wir werden ruhig bleiben können, wenn uns keine andere Gefahr droht, als die Worte des Herrn Heins. Win haben im Krieg und Freden unsere verdammte Pflicht und Schuldig⸗ keit getan. Das taten wir aus Liebe zu unserem Vaterlande. Wir werden uns niemals die Liebe zu unserem deutschen und preußischen Vaterlande aus unserem Herzen reißen lassen.

Abg. Ströbel (U. Soz.): Die von Herrn Heins vertretenen Anschauungen werden von den Konservativen geteilt. Nur wagen es die Herren nicht, sich hier im Hause dazu zu bekennen. Die Verschlechterungen, mit denen die Kommission die Vor⸗ lage bedacht bat, werden hoffentlich Herrn Leinert und seiner Partei jede Neigung austreiben, für ein solches durch und durch reaktionäres Gesetz zu stimmen. Die Aberkennung des Wahl⸗ rechts für die Empfänger von Armenunterstützung würde ein Aus⸗ nahmerecht gegen die Arbeiter sein, vor allem auch gegen die Kriegs⸗ indaliden. Nach dem Kriege werden auch viele Angehörige des Mittel⸗ standes zur Inanspruchnahme der Armenunterstützung genötigt sein. Wenn diese Bestimmung im Gesetze bleibt, ist es für uns unannehm⸗ bar. Wir stimmen für den Antrag Braun, der sich gegen diese Be⸗ stimmungen wendet. Ebenso veiwerflich ist die Bestimmung, wonach mit Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte bestrafte Leute das Wahl⸗ recht verlieren sollen. Die Verbrecher sind doch nur ein Produkt der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Man will offenbar auch die poli⸗ tischen Verbrecher damit treffen. Wer die Wahrheit kennt und saget sie frei, der kommt in Berlin auf die Stadtvogtei!“ Das gilt auch für die Fälle Lichnowsky und Mühlon. Die zunehmende Unsittlichkeit ist das Esgebnis der plutokratischen Wirtschaft der herrschenden Klassen. Qurch den Krieg wird die Zahl der Verbrecher ungeheuer vermehrt? Wenn im Kriege Raub und Mordbrennerei spstematisch betrieben werden, dann darf man sich nicht wundern, daß auch zu Hause Mord und Totschlag herrscht. (Beifall bei den U. Soz.)

2 .

Abg. Boisly (nl); Den Antrag Heins lehnen meine Freunde einstimmig ab. Dem Kemmissionsantrage stimmen nir zu mit Ausnahme der Ziffer 3, wonach nicht wahl— kerechtigt sein soll, wer die bürgerlichen Ehrenrechte nicht be— izt. Diese Bestimmung ist überflüssig, weil dasselbe in der sefgenden Ziffer 4 gesagt ist. Der Abgeordnete Leinert ist im Jrrtum, enn er glaubt, daß nach Annahme der Kommissionsbeschlüsse die Rählerlisten zu schwarzen Listen werden. Abg. von Bonin⸗⸗ Stormarn sfreikons ; Der Abge⸗ ordnete Kanzow bedauerte, daß unser bisheriger Führer Freiherr pon Zedlitz und Herr von Kardorff in diesen Tagen nicht in unseren Reihen gewesen wären. Das könnte zu der Vermutung führen, daß er uns die Schuld daran zuschieben wollte, daß Herr ron Zedlitz nicht hier wäre. Aber Sie wissen alle, daß Herr von Zedlitz durch schwere Krankheit behindert ist. Herrn von Kardorff haben wir durchaus nicht überhaupt das Wort abschneiden, sondern ihm nur rerwehren wollen, als zweiter Redner der Fraktion in der General— kiskussion aufzutreten; es war unsere Absichk, ihn zu 8 3 sprechen zu lassen. Als dann in der , gegen unseren Widerspruch die S3 1 und 3 verbunden wurden, haben wir Herrn von Kardorff volle Fieiheit gelassen, zu einem anderen Paragraphen zu sprechen und seine Meinung auscinanderzusetzen. Herr von Kardorff glaubte aber, ei einem anderen Paragraphen nicht das sagen zu können, was er fagen wollte, er hat. die Konsequenz daraus gezogen, es wäre ihm unmöglich, als Mitglied der freikonserwativen Partei zu sprechen, und

müsse aus der Fraktion austreten, was er ja getan hat. Herrn Kanzow war es fraglich, ob zwei andere Mitglieder meiner Fraktion imstzande wären, Herrn von Zedlitz und die anderen Herren zu ersetzen. Es ist ungewöhnlich, im , m, derartige interne An⸗ kelegenheiten einer Fraktion zu behandeln. (-Sehr richtig! rechts) Ich bin aber fest überzeugt, daß das nicht böser Wille von Herrn Nanzow war und er uns nicht verletzen wollte. Wir haben aber die Abficht, unsere Angelegenheiten selber zu ordnen, unser Haus selber zu bestellen. Beifall.)

Darauf wird die Debatte geschlossen.

Abg. Heins bemerkt persönlich: Der Abg. Kanzow und die anderen Nedner haben mir nicht sachlich geantwortet, sondern mich persönlich verunglimpft, er hat sogar meinen Bildungsgang heran— gezogen. Das ist eine Lehrerfreundlichkeit. Herr Kanzow sollte leber vor seiner eigenen Tür kehren. Er nimmt seinen Freund Rathenau in Schutz, aber Rathenau hat doch 1,1 Million (Vize— präsident Dr. Lohmann erklärt dies für nicht persönlich) Die Angriffe des Herrn Cassel fallen auf ihn selber zurück. Es handelt sich nicht um meine konfessionelle Statistik über die jüdischen Aus— hebungen, sondern um das jüdische Element in den Kriegsämtern. Ich kann nicht zugeben, daß Herr Cassel in solchem Tone von mir spricht, er ist doch hier nicht Zionswächter (Stürmische Heiterkeit.) Herr Strobel suchte mich bei den Konservativen anzuschwärzen; das wird keinen Erfolg haben. Uebrigens geht es Herrn Ströbel nichts an, das sind innere fraktionelle Angelegenheiten. Alle die persönlichen, ge— hässigen Angriffe gegen mich beweisen das Gegenteil von dem, was sie beweisen sollen.

Abg. Ro senomw (Gortschr. Volksp.): Ich erhebe Widerspruch gegen die Ausführungen des Abg. Heins mit Bezug auf meine ver— storbenen Eltern. Ich strafe diese Aeußerungen mit Verachtung.

Vizepräsident Dr. Co hm ann: Ich sehe davon ab, auf diese Be⸗ merkung einzugehen, weil Sie sich in Erregung befunden haben, aber gehörig war sie nicht.

Abg. Cassel: Die persönlichen Urteile des Herrn Heins über mich haben für mich gar keine Bedeutung.

In der Abstimmung wird, nachdem der Antrag Heins zurückgezogen ist, nur die Nr. 3 abgelehnt, im übrigen wird z 2 unverändert in der Kommissionsfassung angenommen.

Der von der Kommission eingefügte 8 3f über die Wahl— pflicht bestimmt im wesentlichen: Jeder Wählen ist verpflichtet, sein Stimmrecht auszuüben. Von der Pflicht befreien ernste Krankheit, unaufschiebbare und wichtige Geschäfte, sonstige besondere Verhältnisse, die nach billigem Er— messen genügend entschuldigen. Wer ohne einen dieser Entschuldigungsgründe sein Stimmrecht nicht ausübt, hat ein Viertel des Jahresbetrages seiner Staatseinkommen— steuer, mindestens aber 5 S6 als Ordnungsstrafe zu zahlen. Der Wahlkommissar setzt die Ordnungsstrafe fest. Auf Be— schwerde dagegen entscheidet endgültig der Regierungspräsident.

Abg. Dr. Ludewig (nl,) beantragt, daß die Ordnungsstrafe bis zur Höhe eines Viertels des Jahresbetrages der Staatsein— kommensteuer“ betragen soll.

Die Abgg. Dr. Po rsch (Zentr.) u. Gen. beantragen den Zusatz, Faß die Ordnungsstrafe höchstens 200 „M betragen soll, und den Zusatz, bei ausreichender nachträglicher Entschuldigung kann die Strafe ganz

der teilweise aufgehoben werden.

Die Abgg. Krause⸗Waldenburg lfreikons.) u. Gen. beantragen den Zusatz „in besonderen Fällen kann die Strafe bis auf 3 A er— mäßigt werden“.

Die Abgg. Braun (Soz) u. Gen. beantragen folgenden Ausatz Die Wahlen finden an einem Sonn x oder Feiertzag statt. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, ihren Angestellten und Arbeitern die zur Ausübung ihrer Wahlpflicht erforderliche Zeit ohne Einbuße Ian Gehalt oder Lohn zu gewähren.

Abg. Dr. 33 * (Zentr.): Wir ändern unsern Antrag dahin, daß die Ordnungsstrafe unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse festgesetzt wird und mindestens 3 46, höchstenß 300 Js betragen soll. Die Kommission hat über die Regierungsvorlage hinaus die Wahlpflicht in das Wahl— gesetz hineingenommen und damit über ein theoretisch und praktisch außerordentlich umstrittenes Gebiet entschieden. Der Grundgedanke ter Wahlpflicht ist gesund, ihre praktische Wirkung zweifelhaft, ihre sesetzliche Festlegung schwierig. Wenn wir die . einführen, é wollen meine Freunde doch nicht so weil gehen wie die Kommission,

ie als Strafe unter Umständen ein Vierte des Jahressteuerbetrages estsetz. Wir halten es für notwendig, eine Höchststrafe festzusetzen nd sie angemessen zu begrenzen. Sonst könnten unter Umständen Eradezu drakonische Strafen berhängt werden. Die Festsetzung der trafen muß sich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit richten. Jir hätten sie am liebsten dem ordentlichen Gerichte übertragen, chmen aber davon Abstand, weil sonst die Gerichte noch mehr . astet würden. Wir beantragen weiter, an bei späterer ausreichender Entschuldigung die Strafe erkassen werden kann. Dem Antrag Braun konnen wir nicht zustimmen mit Rücksicht auf die Sonntagsheiligung.

Abg. Haenisch (Soz): Meine Freunde sind bereit, unter, der Voraussetzung gewisser Sicherungen der Wahspflicht ßuzustimmen. Wir zweifeln nicht daran, daß alle gegen uns perichteten Anschläge schließlich zu unserem Heile ausschlagen üüsen. Im Interesse meiner Partei könnte ich die gestrigen geschlüsse begrüßen, denn sie treiben Wasser auf unsere Mühlen. Sehr richtigi bei den Sozialdemokraten) Wenn ich sie trotzdem be— Fauere, so tue ich das als guter Preuße, der aus diesen Beschlüssen hweres Unheil für sein Vaterland befürchten muß. Die in der hommission für die Wahlpflicht von einem konservativen Abgeord— neten gegehene Begründung, daß sonst das neue radikale Wahlrecht weite Kreise von der Ausübung des Wahlrechts abschrecken würde, it durchaus unzutreffend. Je demokratischer ein Wahlrächt ist, um so sebhaftgt ist die Wahlbetelligung. (Sehr richtig! links) Es kann keine Rede dawon sein, daß die Vornahme der Wahlen am Sonntag e Sonntagsheiligung beeinträchtigt. Wenn die Sonntagsarbeit den Sonntag nicht entheiligt, dann tut das die Vornahme der Wahl och viel weniger. (Sehr richtig! links.) Ich hoffe, daß das Zentrum einen Widerstand gegen unseren Antrag deshalb ein ftellen wird. Leider inch der Zentrumsrednen nicht zu dem zweiten Teil unseres Antrags m dei, der die Unternehmer verpflichten will, den Arbeitern und

stellten die Zeit zur Ausübung der Wahl zu gewähren. Das soll Rtürlich auch für die Reichs- und Staalsbehörden gelten, soweit

9 . 66 9 . 2 ' eamte oder Arbeiter dieser Behörden als Wähler in Frage kommen.

In der Frage der Höhe der Strafe scheink uns der Zentrumsankrag

die beste Lösung zu bieten. 4 Abg. Dr. Krause-Waldenburg freikons ): Den ersten Absatz des Antrags Braun lehnen wir ab, aus denselben Gründen, die Dr. Bell anführt. Die Tendenz des zweiten Absatzes billigen wir, aber dieser Absatz ist übenflüssig, weil schon der 8 6ltz des BGB. das helbe besagt, was der Antrag erreichen will. Nach diefem 616 darf unter keinen Umständen ein Arbeitgeber einem Arbeiter oder Angestellten wegen der Ausübung der Wahñlpflicht Abzüge machen. Grundsätzlich wollen wir bei den Kommissionsbefchlüssen bleiben. Sie haben den Zweck, durch die Androhung der Strafe dis Fernhaltung don der Wahl zu verhindern. Wenn nach dem Zentrumsantrag Te Strafe begrenzt wird, so verfehlt sie für reiche Leute ihren Zw. Dasselbe gilt für den Antrag Dr. Ludewig. Unser Antrag will nur in ganz besonderen Ausnahmefällen die Möglichkeit schaffen, daß die Strafe auf 3 AS ermäßigt werden kann. Wir denken dabei an die— selben Fälle, die der zweste Teil des Jentrumzantrags im Auge hat, wenn nämlich eine ausreichende Entschuldigung für die Nichtbeteiligung an der Wahl vorgebracht werden kann. Wir sind für Aufrechterhaltung Fer Kommissionsbeschlüsse und bitten als Zusatz in erster Linie unseren Antrag anzunehmen, würden aber unter mständen auch dem zweiten Teil des Jentrumsantrages zuftimmen. Abg. Dr. Ludewig (nl): mission die Wahlpflicht angeregt. Man muß das Wahl— recht als eine politische Funktion ansehen. Mit der Fest— setzung einer Ordnungsstrafe für die Versaͤumnis der Wahlpflicht Lind. in anderen Ländern gute Erfahrungen gemacht worden, die Wahl—= weteiligung ist daburch stärker geworben. Die Regierung haf sich dem Gedanken der Wahlpflicht in der Kommission anfangs nicht be— sondeis freundlich gegenübergestellt, aber ihre Stellung hat dann ge— wechselt. Mein Antrag soll besonders die vermögenden Wähler treffen, die Vergnügungsreisen machen, um sich ihrer Wahlpflicht zu entziehen. Wir, wollen durch die Wahlpflicht den Prozentsatz der Nichtwähler berabdrücken, Es ist nicht richtig, daß die Pölitik den Charakter ver⸗ dirbt; sie eizieht vielmehr verständige Menschen. Der Antrag Braun ist in der Kommission abgelehnt worden, well der Sonntag nicht mit Frofanen Angelegenheiten belastet werden soll. Es gibt auch kennen Arbeitgeber, der nicht seinen Arbeitern die Zeit zum Wählen ge— währen würde. Wir lehnen deshalb den Ankrag Braun ab.

Minister des Innern Dr. Drews:

Ich möchte nur ganz kurz zu den vorliegenden Anträgen im Namen der Staatsregierung Stellung nehmen.

Was den Antrag Braun u. Gen. betrifft, so schließt sich die Staatsregierung den Ausführungen an, die der Herr Vorredner ge⸗ macht hat, und die gegen den Antrag sprechen.

Was die Wahlpflicht anlangt, so hat, wie der Herr Vorredner ausgeführt hat, die Staatsregierung in der Kommission eine etwas skeptische Stellung eingenommen, und diese Skepsis ist auch durch die Verhandlung in der Kommission nicht ganz beseitigt worden. Wir glauben, daß die Ausführung der Wahlpflicht zu vielen Unzuträglich— keiten und zu vieler Unzufriedenheit Anlaß geben wird, da es, wie die Erfahrungen aus den Ländern, in denen die Wahlpflicht eingeführt ist, beweisen, sehr schwer ist, in zutreffender Weise festzustellen, ob je mand aus entschuldbaren Gründen der Wahl fern geblieben ist, und es ebenso schwer ist, in gerechter und zutreffender Weise hierfür eine Strafe festzusetzen. Wie schwer das letztere ist, das zeigen ja die ver— schiedenen Anträge, die diesem Problem gerecht zu werden suchen, von denen ich das muß ich offen sagen so recht wirklich keinen einzigen befriedigend finde. Aber da von der großen Mehrheit des hohen Hauses die Einführung der Wahlpflicht gewünscht wird, ist die Re— gierung bereit, ihre Bedenken zurückzustellen und auf den Boden der Wahlpflicht zu treten. Sie glaubt aber unter allen Umständen bitten zu müssen, daß die Wahlpflicht resp. die Festsetzung der Strafen für Nichterfüllung der Wahspflicht nicht in der Weise zur Annahme ge— langt, wie es im Kommissionsantrag niedergelegt ist. Es ist in dem Kommissionsantrag zweifellos ein durchaus richtiges Prinzip. Wenn man die Strafe nicht hoch macht, dann nützt die Einführung der Wahlpflicht nicht. Die Strafe muß derartig hoch sein, daß für jeden, auch wenn er sich in guten pekuniären Verhältnissen befindet, ein ganz empfindliches Anpacken erfolgt, wenn er der Wahlpflicht nicht genügt. Es darf nicht die Empfindung aufkommen: was schadet es denn, ich bezahle so und so viel Mark und dann ist die Wahlpflicht abgegolten. Das Prinzip, die Strafe nach der Steuerleistung abzustufen, hat demgemäß an sich zweifellos recht viel für sich. Auf der anderen Seite aber bin ich nach wie vor der Auffassung, daß es doch ein ganz ge— waltiger Unterschied ist in dem Verschulden, daß sich jemand zuzieht, wenn er der Wahlpflicht nicht nachkommt, je nach den Umständen des einzelnen Falles. Bei demjenigen, der rund heraus erklärt: „das Ge— setz will, ich soll wählen; das paßt mir nicht, das tue ich nicht; ich gehe nicht zur Wahl“ wird es jeder als gerecht empfinden, wenn er zu ein Viertel der Steuer herangezogen wird. Nun besteht aber zwischen diesem ganz verhärteten Bösewicht auf der einen Seite und zwischen demjenigen, der einen nach dem Gesetz anzuerkennenden Entschuldi— gungsgrund zur Seite hat und deshalb berechtigterweise nicht zur Wahl kommt, auf der anderen Seite eine ganze Reihe von Zwischen— stufen, in denen das Vorliegen eines gesetzlichen Entschuldigungs— grundes trotz aller Billigkeitsgründe nicht anerkannt werden kann und demgemäß eine Bestrasung erfolgen muß, in denen aber andererseits zuzugeben ist, daß der Täter gewisse mildernde Umstände für sich hat, die ihm immerhin zweifelhaft erscheinen lassen konnten, ob er zur Wahl kommen müsse oder nicht. Insbesondere wird es sich hierbei um die Beurteilung der größeren oder geringeren Dringlichkeiten von Privatgeschäften, von Familienfeiern usw. handeln, die der betreffende Wähler subjektiv für einen vielleicht doch genügenden Entschuldigungs— grund hielt, die aber objektiv als solche nicht anerkannt werden und deshalb eine Freistellung von Strafe nicht herbeiführen können.

Setzt man, wie der Kommissionsantrag vorschlägt, für alle Fälle der Nichterfüllung der Wahlpflicht eine gleichmäßige absolute Strafe fest, so muß in allen diesen Fällen, wo culpa und dolus teilweise nur in sehr geringem Maße vorliegen, auf die gleiche eventuell recht hohe Strafe von einem Viertel der Einkommensteuer erkannt werden, während das allgemeine Rechtsgefühl dahin geht, daß in solchen Fällen, in denen zwar nicht zur Straffreiheit führende Entschuldi— gungs⸗, aber doch immerhin Milderungsgründe vorliegen, auch auf eine mildere Strafe erkannt werden soll. Die absolute Strafe wird nun einmal in sehr vielen Fällen als direkte Härte, als Ungerechtig—⸗ keit empfunden. Wenn man dieser im praktischen Leben gehegten Ab— neigung gegen eine absolute Strafe nicht Rechnung trägt, dann fürchte ich, wird die Abneigung gegen die Einführung der Wahspflicht sich derart breit machen im Lande, daß die Wahlpflicht selbst als etwas Hartes, Drückendes und Ungerechtes empfunden wird.

Nun sind die Bedenken, die in der Kommission zur Geltung ge— bracht worden sind, daß die Verwaltungsbeamten die Abstufung von Strafen nach billigem pflichtgemäßen Ermessen vornehmen sollen, an sich nicht unbegründet. Aber ich will namens der Verwaltung lieber

Ich habe in der Kom—

das damit verbundene Odium auf die Verwaltung nehmen, als daß in der Bevölkerung Unzufriedenbeit mit den gesetzlichen Bestimmungen entsteht. Deshalb möchte ich vermichen sehen, daß unter keinen Um⸗ ständen von der absolut bestimmten Strafe, dem vierten Tei kommensteuer, abgegangen werden darf. Meiner Meinung nach würde am besten allen Erwägungen und 2 Krause⸗ Waldenburg gerecht werden, der unter besonderen Umständen der Ver⸗ waltungsstelle die Möglichkeit ies f herunterzugehen. r R greifen. Sind

gegangen werden.

Antrag der

über den Kommissionsbeschlüssen noch den Vorzug verdienen, da dure sie verhindert wird, Wahlpflicht durch absolute abmessung außerordentlich unpopulär werden könnte.

bg. Eons.): Da die besonderen Verhältnisse nach, billigem Ermessen berücksichtigt werden sollen, so

, e anderen Anträge,!

rn ; *. . Meernung nach

Abg. von der Osten

entfällt das Bedenken, daß der Wahlkom⸗ missar den Verhältnissen nicht genügend Rechnung tragen kann. Je nadikaler das Wahlrecht ist, desto nötiger ist es, daß dem Wahl- recht eine Wahlpflicht gegenüber gestellt wird. Bei den preußischen Wahlen ist die Wahlbeteiligung bisher deshalb so gering, weil die Wähler meist mit einem sicheren Ausgang der Wahl rechnen können. In Zukunft werden wir aber immer schärfere Wahlkämpfe bekommen. ö ; . 3. ,, . 9 f )

Bei den Reichstagswahlen ist die Wahlbeteiligung eine gute, aber in Amerika die Wahlen sich in Formen ö

de *

. 1 Wir

bar. abe wir Bedenken, da aber die nationalliberale Partei entscheidenden Wert darauf legt und da der Antrag des Zentrums nicht völlig unseren Wünschen entspricht, weiden wir für den Antrag Ludewig stimmen, um die Sachs selbst nicht zu (gefährden.

Abg. Kanzow fortschr. Volksp.):; Meine Partei hat große Bedenken gegen die Einführung der Wahl⸗ pflicht und lehnt sie ab. Wo die Wahlpflicht bisher eingeführt wurde, hat man damit schlechte Erfahrungen gemacht. Den sozial⸗ demokratischen Antrag lehnen wir ab aus den von den Abgg. Dr. Krause und Ludewig angeführten Gründen. Wenn die Yer lch: dennoch eingeführt wird, dann werden wir dem Zentrumsantrag zu⸗ stimmen.

s 3f wird nach dem Antrage Ludewig und mit dem Zu sFatz nach dem Antrag Porsch wegen nachträglicher Auf— hebung der Strafe im übrigen in der Kommissionsfassung angenommen.

§s 10 bestimmt: Wählbar ist jeder Preuße, der 30 Jahre alt, seit wenigstens drei Jahren staatsangehörig und nicht von der Wahlberechtigung ausgeschlossen ist.

Die Abgg. Braun und Genossen beantragen folgende Fassung: Wählbar ist jeder Preuße, der 25 Jahre alt und nicht von der Wahlberechtigung ausgeschlossen ist.

Abg. Haenisch (Soz.) begründet kurz die Herabsetzung der Wählbarkeit auf 25 Jahre unter Hinweis, 3 einer der bekanntesten und tüchtigsten Reichstagsabgeordneten, Erzberger, schon mit 25 Jahren in den Reichstag gekommen ist.

Abg. Hirsch (Soz.): Die Vorlage enthält auch in der Kommissionsfassung eine wesentliche Verschlechte⸗ rung gegenüber dem früheren Zustand, indem jetzt die Wählbarkeit von einer dreijährigen preußischen Staatsangehörigkeit abhängig gemacht wird, was früher nicht der Fall war. Wenn Sie den . Braun nicht annehmen wollen, dann lehnen Sie wenigstens diese Verschlechterung ab.

Die Besprechung schließt.

Der Antrag Braun wird abgelehnt, ebenso der Antrag auf Streichung der Worte „seit wenigstens 3 Jahren staatsangehörig“.

s 10 wird in der Kommissionsfassung an⸗ genommen, ebenso ohne Debatte die 88 114413.

Zum 8 14 begründet

Abg. Dr. Lewin (ortschr. Volksp einen Antrag, wonac ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen werden soll: „Die Wahl is geheim.“ Weiter besagt der Antrag, daß die Stimmzettel mit keinen äußeren Kennzeichen versehen sein dürfen. Es ist Vorsorge dafür zu treffen, daß der Wähler seinen Stimmzettel unbeobachtet in einen Umschlag legen kann.

Ein Regierungskom missar erklärt, daß die vom Abgeord⸗ neten Dr. Lewin beantragten Sicherungen des Wahlgeheimnisses in der Wahlordnung niedergelegt werden sollen. Es ist wohl nicht nötig, diese Bestimmungen in das Wahlgesetz besonders aufzunehmen. Selbstverständlich wird die Regierung alle Sicherungen des Wahl—⸗ geheimnisses, wie sie bei der Reichstagswahl bestehen, auch für die Landtagswahl durchführen.

Abg. von Wenden (kons.): Meine Freunde halten es nicht für notwendig, die beantragten Vorschriften besonders in das Wahle . aufzunehmen. Wir werden in dieser Lesung gegen den Antrag ö men, ohne uns damit festlegen zu wollen.

Abg. Dr. Bell Gentr.: Die Bestimmung, daß die Wahl ge⸗ heim sein soll, halten wir für so bedeutsam, daß sie in das Wahl⸗ gese ausdrücklich aufgenommen werden muß. Gegen die übrigen Teile des Antrages, auf den wir nicht vorbereitet waren, werden wir in der zweiten Lesung stimmen, behalten uns aber unsere Stellung für die dritte Lesung vor.

Abg. Lüdicke (freikons ): Ich kann mich den Ausführungen des Abgeordneten von Wenden durchaus anschließen.

Abg. Hirsch (Soz.): Meine Freunde werden in vollem Um— fange für den Antrag Lewin stimmen.

Abg. Boisly nl. :. Wir stimmen jetzt gegen den Antrag, be⸗ halten Uns aber unsere Stellungnahme in der dritten Lesung vor.

Bei der Abstimmung über den Antrag Lewin wird der erste Satz „Die Wahl ist geheim“ einstimmig angenommen. Die übrigen Teile des Antrages werden abgelehnt. Im übrigen wird die Kommissionsfassung angenommen: „Abwesende können sich weder vertreten lassen noch sonst an der Wahl teil⸗ nehmen. Jeder Wähler muß so viele Stimmzettel abgeben, als ihm Stimmen zustehen.“

Die 55 15 —29 werden debattelos in der Kommissions⸗ fassung angenommen.

Zum 21 wird einstimmig ein Antrag des Abg. Dr. Meyer (Peine, nl.) angenommen, wonach über Strafe und Strafaufhebung bei der Ablehnung von Aemtern im Wahlvorstand und Wahlausschuß in den selbständigen Städten der Provinz Hannover der Bürgermeister zu ent— scheiden hat.

sz 24 enthält die Bestimmung über die Abgrenzung der Wahlbezirke. Die Kommission hat der Regierungs—= vorlage hinzugefügt, daß bei Abgrenzung der Wahlbezirke und Verteilung der Abgeordneten auf sie ihre Einwohnerzahl und Flächenausdehnung sowie ihre geschichtliche und wirtschaftliche Bedeutung berücksichtigt wird. Die jetzigen Wahlbezirke sollen bestehen bleiben. Eing Reihe von Wahlbezirken foll wegen ihrer Größe je zwei Abgeordnete erhalten. Wenn nach der letzten Volkszählung mehr als 250 000 Einwohner auf einen