1918 / 156 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 Jul 1918 18:00:01 GMT) scan diff

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das ernstliche Bestreben“, auch sie dem Dienste des Vaterlandes zu opfern, ist man noch nicht hinausgegangen. Die Denkmäler von künstlerischem Wert und historischer Bedeutung sind prozentual sehr gering; wir würden also reichlich Sparmetall aus den Denk mälern gewinnen. Die Provinzialkonservatoren scheinen mir nicht ünbefangen und unparteiisch genug für die Auswahl zu sein.

uch die Kriegerdenkmäler sollte man nicht ausnehmen. Auch därfen die allgemeinen Grundsätze über Enteignung und Entschä— digung nicht außer acht gelassen werden. Enteignung setzt volle, reich⸗ liche Entschädigung mit Einschluß eines angemessenen Gewinns vor— aus. Die Praxis der Bundesratsverordnung aber verträgt sich damit schlechterdings nicht. Es soll nur der Friedensgeldwert des Materials als Uebernahmepreis gelten; dafür ist aber heute kein Ersatz zu be— ckaffen. Es ist denn auch an den Reichstag eine bezügliche ö. der Hausbesitzerberbände gelangt. Begründete Be⸗ denken gegen das Verlangen der vollen Entschädigung lassen sich nicht geltend machen; ich verweise nur auf die Kriegslieferungen, wo eben— falls von Friedenspreisen keine Rede ist. Der Hauseigentümer, der dem Mittelstand angehört, wird mit den geringen Entschädigungen nicht einmal den minderwertigen Ersatz erwerben können.

Abg. Dr. Rießer (nl): Diese Ausführungen kann ich auch meinerseits nur unterschreiben. Der Verband deutscher Nord— eebäder hat an den Reichstag schon früher um ein Ent⸗ chädigungsgesetz petitioniert. Ein solches Gesetz ist aber bis jezt nicht vorgelegt worden. Die Zeit drängt, die Leute können sich nicht mehr helfen. Reich und Einzelstaaten scheinen sich um die Kompetenz zu streiten. Damit können aber die Bäder nicht vorwärts kommen. Wir haben ferner schon früher resolviert, daß bei der Anlage und dem Be— triebe von Werften keine Schwierigkeiten gemacht werden sollen; auch hier ist noch keine Abhilfe eingetreten. Was die Uebergangs⸗ wirtschaft angeht, wie sie durch die Textilverordnung eingeleitet worden ist, so ist letztere starker Kritik 6 gewesen. Das Schema dieser Verordnungen wird bleiben, und dieses Schema ef ei eine Unmenge neuer burenukratischer Einrichtungen; es ollen neun Reichswirtschaftsstellen bestehen, sämtlich mit dem Sitz in Perlin. Es, können auch Landesstellen eingerichtet werden, es können ihnen Geschäftsabteilungen selbständig angegliedert werden, Organe sind die Vertreterversammlungen und die Ausschüsse. Wie sollen bei einer solchen komplizierten Organisation auch noch Geschäfte gemacht werden? Verteilung und Prxeisfestsetzung gehören ur Kompetenz der Reichswirtschaftsstellen. Mit tiefer Sorge steht Induftrie und Handel diesen Plänen gegenüber, und ich erhebe meine warnende Stimme, damit auf diesem Wege nicht fortgegangen werde. Kann dabei überhaupt noch Schaffensfreude, Initiative sich ent⸗ falten? Obendrein sollen die bisherigen Kriegsgesellschaften einst⸗ weilen weiter bestehen. Da können Reibungen nicht ausbleiben. Es wird ein Chaos entstehen. Die Kriegsgesellschaften wollen wir ür die Uebergangswirtschaft nicht mehr haben. Es ist aber in Aus⸗ icht genommen, sie in den Ausschüssen maßgebend zu machen. Von der Selbstverwaltung bleibt nur sehr wenig übrig. Gibt man Handel und Industrie die freie Hand, so weit es möglich ist, so werden wir den schweren Kampf um den Wiederaufbau unserer Industrie und unseres Handels nicht bestehen. Eine gewisse Aufsicht ist ja nötig, aber eine solche Ueberfülle von staatssozialistischen Organisationen ist vam Nebel.

Geheimrat von Sim son: Die Verordnung hat die k einer erheblichen Mehrheit des Ausschusses für

ndel und Gewerbe gefunden. Gerade auf dem hier in Frage stehenden Gebiete ist die Erhaltung der vollen Freiheit nicht möglich. Aus dieser ersten Verordnung ist auch nicht der Schluß ziehen, daß nun auf allen Gebieten in gleicher Weise vorgegangen werden wird. Gewiß handelt es sich hier um eine sehr komplizierte Sache, aber eine so ungeheure Anzahl von Fällen, wie der Abgeordnete Rießer ausgerechnet hat, kommt nicht in Frage. Es handelt sich hier nur um eine Rahmenvberordnung. Vom Ausschluß des

ndels kann keine Rede sein. Wenn nicht eine Stelle da. ist, die über die Rohfstoffe verfügt, kann man stilliegende Betriebe nicht zum

Arheiten bringen. Die Verordnung statuiert tatsächlich nur die Be⸗

en vorbereitende Maßnahmen zu treffen; ob diese Stellen später⸗ hin materielle Befugnisse erhalten, ist noch durchaus nicht entschieden. Abg. Dr. Arendt (deutsche Fraktion; Auch ich bin dafür, wir so schnell wie möglich aus der Zwangs⸗ wirtschaft herauskommen. Nicht nur Handel, und Industrie, sondern auch die Landwirtschaft und die Gesamtbevölkerung sehnen die möglichst schnelle Rückkehr zur freien Bewegung herbei; die Erfah— rüngen des Krieges haben die Ueberzeugung von der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des Zwischenhandels wesentlich verstärkt. Die er— wähnten Erlasse der Stellvertretenden Generalkommandos in Miets— angelegenheiten stehen im, Widerspruch mit der Bundesrat verordnung vom 26. Juni 1917. Wir müssen mit aller Kraft dafür

; . einen leistungsfähigen Hausbesitzerstand zu erhalten. Sollen

Mietssteigerungen und Kündigungen während des Krieges dauernd aus— eschlossen werden, dann muß das Reich auch die Folgerungen ziehen, 9 Kündigung der Hypotheken, die Steigerung der Hypothekenzinsen zu untersagen, auch vorzuschreiben, daß die Kosten der Hausverwaltung nicht erhöht werden dürfen. Das allmähliche Steigen der Mieten entspricht ja nur der gesunkenen Kaufkraft des Geldes, da darf nicht einseitig zugunsten nur des einen Teiles eingegriffen werden. Eine halbamtliche Auslassung stellt es so dar, als ob der Hausbesitzer jetzt weniger Schulden zu machen brauche als bisher. Da wird einfach über⸗ sehen, daß, wie das Bauen, auch der Realkredit während des Krieges aufgehört hat. Entscheidend ist die Steigerung des Zins⸗ fußes: die hat eine Milliardenbelastung des Grundbesitzes zuwege gebracht. Hat man in den maßgebenden Kreisen eine Voxrstellung von der GCrregung, welche in allen Kreisen die Art der Aus⸗ führung der Sparmetallbeschlagnahme herbeigeführt, hat? Hat die Kriegsverwaltung sich schon in vollem Umfange in ihren Be— ständen nach Sparmetall umgesehen? Das geht doch selbstverständlich voran, bevor man in die Bestände der privaten Haushaltungen eingreift. Sekbst im Reichstage haben wir noch Standbilder, die wir ohne er⸗ hebliche Schädigung missen können, wie etwa die beiden im Dunklen stehenden Kaiserstandbilder im Vestibül. Aus allen öffentlichen Ge⸗ bäuden, den Ausdruck so weit wie irgend möglich gefaßt, muß zuvor das Sparmetall heraus, auch von den Verkehrsmitteln, den Eisenbahn⸗ wagen, muß es entfernt werden. In manchen Schlössern befindet sich noch Kupfer in großer Menge; die Auffassung, daß es in königlichen Schlössern keine Beschlagnahme gebe, entspricht gewiß nicht der Auf⸗— fassung der betreffenden fürstlichen Persönlichkeiten selbst, aber den Hofschranzen, den Lafaien, muß diese Auffassung vielleicht erst bei⸗ gebracht werden. Der angebotene Türklinken⸗ und, Fenstergriff⸗ ersatz ist außerordentlich minderwertig und häßlich. Das ganze Vorgehen des Reichswirtschaftsamts in dieser Frage ist be— dauerlich; man hätte die Durchführung, wie es früher beabsichtigt war, der Organisation des Hausbesitzes übertragen sollen. Die Entschädi⸗ gungen für die Hergabe von Kupfer sind auch sonst unbefriedigend aus— sefallen; manche Gemeinden haben dabej viele Tausende zugesetzt. Es ist doch auch ein Verteilungsplan notwendig. Die gesamte Haus— besitzorschaft will sich eine solche Beschlagnahme nicht gefallen lassen, wie sie in der Ausführung der Beschlagnahme und in der Unzuläng⸗ lichkeit der Entschädigung liegt. Eine einheitliche Kundgebung des RMkichstags wird hoffentlich die schwere Beunruhigung der beteiligten rreise zerstreuen. Oberst Koeth: Genau im Sinne des Antrages sub 1 sind die mnordnungen bereits ergangen. Es ist aber nicht möglich, einen so scharfen Schnitt zu machen, daß zuerst die öffentlichen Gebäude und dann w,, herankommen. Der Bedarf wind dann nicht gedeckt werden können. Die Bedarfsmengen sind zu groß. Ganz naturgemäß entstehen auch bei der Herausnahme aus den öffentlichen Gebäuden gtoße Schwierigkeiten. Ich hoffe, daß es auch hier im Reichstage gelingen wird, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Es wird jetzt jäufia auf die Eisenbahnen hingewiesen. Diesen haben wir ihre Sparmetalle belasfen, weil sie durchaus von ihrem eigenen Ma⸗ terial leben. Bei den Denkmälern können schätzungsweise 2500 Ton⸗

Ren herauskommen. Etwa ein Wochenbedarf, etwa so viel, wie wir

bisher aus den Blitzableikern bekom̃men haben. Es springk allein nicht viel dabei heraus, man zerstört dabei auch eine ganze Menge Ge— fühlswerte. Auch in den besetzten Gebieten wird alles getan, um das Sparmetall hereinzubekommen. Daß den Beteiligten kein Schaden erwächst, dafür ist bei der Auswechselung gesorgt. Jeder Haus . kann von uns einen durchaus brauchbaren Ersatz bekommen. Wenn die Kosten für den Ersatz höher sind als der Uebernahmepreis, so zahlt das Reich die Differenz. Jeder, der es will, kann auch unsere Ausbaukolonne bekommen, die den Ersatz mitbringt. Mehr können wir in dieser Richtung nicht tun. Wenn von einer „vollen Ent⸗ schädigung gesprochen wird, so geht diese Forderung zu weit. Ein Rechtsanspruch darauf besteht in keiner Weise. Wir sind durch das Gesetz gebunden und darüber hinaus kann auch das Reichsschieds⸗ gericht nicht gehen. Wir haben Durchschnittspreise genommen und sind schließlich auf sechs Mark gekommen. Auch das ist das Acht— fache des Friedensmetallwertes für eine Türklinke. Eine allgemeine Bewegung der Hausbesitzer gegen diesen Entschädigungssatz ist nicht eingetreten, sie wurde nur hervorgerufen durch eine aäußerst heftige Agitation der Hausbesitzervereine, die 20 Mark verlangen. Bei der Finanzlage des Reiches können wir diese Differenz nicht als einen Pappenstiel ansehen. Auch gibt es ja auf der Welt nicht nur Haus— besitzer. Sollte dieser Maßstab auf alle Enteignungen von Spar— metällen angewandt werden, so würde die Entschädigungspflicht in die Hunderte von Milliarden gehen. Versucht soll werden, ob für die Ab⸗ gabe der Ersatzklinken vielleicht ein billigerer Preis normiert werden kann. Die großen Verdienste, die die Fabrikanten derselben ein⸗ heimsen sollen, schweben doch etwas in der Luft. Einige gegen uns gerichtete Artikel haben den Sachverhalt geradezu verdreht und direkt einen verletzenden Charakter getragen.

Abg. Dr. Junck (nl): Die Textilperordnung wird Au das Grmächtigungsgesetz vom 4. August 1914 gegründet. . Ich verurteile nicht die Riesengesetzgebung des. Bundesrats, die aus diesem Gesetz entsprungen ist, aber die Textilverordnung bezieht sich ausdrücklich auch, auf die Friedenszeit, während jenes Gesetz nur eine Ermächtigung „während des Krieges“ statuiert. Ta hätte der Bundesrat doch mehr Zurückhaltung üben . Es bedarf eines neuen Ermächtigungsgesetzes, der Bundesrat ollte darüber mit dem Reichstag in Fühlung treten und eine gewisse Mitwirkung des Reichstages müßte gesichert werden Das Hilfs⸗ dienstgesetz weist ja hier auf einen Ausweg. Obwohl bei der Ver⸗ ordnung auch Herren aus dem freien Wirtschaftsleben mitgewirkt haben, zen wir es doch mit einer wahren Ausgeburt von Bureau⸗ kratie zu tun. (Lebhafte Zustimmung.) .

Geheimpat von Sim son: Die RMeichsleitung hat von jeher auf dem Standpunkt gestanden, daß auf Grund des Ermächtigungs— gesetzes auch Maßnahmen erlafsen werden können, welche auch über den Krieg hinaus Geltung haben. Im übrigen ist mit dem Reichs—⸗ tagsausschuß für Handel und Gewebe Fühlung genommen worden.

Abg. Do ve (fortschr. Volksp.) ; Bei so zweifelhaften Rechts⸗ fragen hätte der Bundesrat dech etwas mehr tun können als nur Fühlung mit einem Ausschuß des Hauses zu nehmen und dann eine solche Verordnung zu erlassen. Dr. Delbrück hat seiner zeit ausdrücklich konstatiert, daß er vor dieser Ermächtigung einen wahren Horror habe; und wir hätten gewiß damals eine andere ö. gewählt, wenn wir hätten voraussehen können, was aus dieser

rmächtigung für eine Flut von Verordnungen und wmirtschaftlichen Maßnahmen hervorgehen würde. Es ist dringend erforderlich, nicht nur die Interessenten und nicht nur einen Ausschuß zu Rate zu ziehen, sondern diese schwierige Materie durch die Gesetzgebung zu regeln. Eine der ärgsten Folgen dieses Krieges ist die Erschütterung des ge— samten Rechtsbewußtseins, die Unsicherheit des ganzen Rechtsgebietes; da . wir mit Entschiedenheit auf unseren ,, beharren. Den Antrag Astor, der zum Schutze des deutschen Einzelhandels die Einkaufsbereinigung und Warenbeschaffungsstellen des Einzelhandels als Großeinkäufer und für die Uebergangswirtschaft als Großeinführer vom Reichswirtschaftsamt anerkennt, beantrage ich, an den Ausschuß für . und Gewerbe zur näheren Prüfung zu verweisen, bg. Noske; . stimmen dem Gedanken eines besonderen Ermächtigungsgesetzes für die Uebergangszeit zu. Ueber den Grad der Reichskontrolle, die für diese Zeit not— wendig erscheinen könnte, werden wir uns heute noch nicht verständigen. Dem Wunsche, daß für die bedrängten Nord⸗ seebäder etwas geschehe, in, mir uns durchaus an. Wenn es auch zahlreichen Hausbesitzern während des Krieges reichlich schlecht ge— angen ist, so kann man ihnen doch nicht für Mietssteigerungen völlig reie . lassen. Ein Teil der . nützt den Wohnungs— ö. in unerhörter Weise zu Mietssteigerungen aus, treibt inen regelrechten Mietswucher. Die Notlage der Mieter darf nicht in dieser unverantwortlichen Weise ausgebeutet werden; es werden dadurch auch viele Kriegerfrauen und viele Kriegerwilwen betroffen. Die Be— schlagnahme von Sparmetall darf vor den Besitzen . hochgestell ter Herren nicht Halt machen. Die Türklinkenbeschlagnahme wird ja sehr unangenehm empfunden; die Hausbesitzer fordern eine „volle! Ent⸗ schäbigung. Der Stand der Reichsfinanzen darf aber nicht außer acht Rlassen werden; auch haben bereits seit Jahren tief einschneidende Eingriffe in die privaten Haushaltungen staltgefunden, deren Inhaber ich nicht einer Organisation wie die Hausbesitzer erfreuen. Den Antrag Arendt können wir hiernach nicht annehmen. Abg. Sosinski (Pole) erneuert die Forderung der der Achtstundenschicht für die Bergarbeiter in J Einen gesunden Bergarbeiterstand zu erhalten, sei Aufgabe des Reiches während des Krieges. Weiter fordert en das Einschreiten der Regierung gegen die Willkür, mit der die Arbeitgeber den Bergarbeitern gegenüber mit der Rentenkapital-Ab⸗ findung verfahren. Die Lehnverhältnisse der oberschlesischen Berg= arbeiter seien sehr wenig befriedigend; sie hätten gan, besonders auch unter den jetzigen Ernährungsverhältnissen zu leiden. Auch aus diesem Grunde sei die Einführung der Achtstundenschicht geboten. Die Schlichtungsausschüsse, wie sie das Hilfsdienstgesetz vorschreibe, würden von den Arbeitgebern, zum Beispiel von dem bekannten General— direktor Beigrat Hilger, einfach ignoriert.

Abg. Sachse (Soz): Nur in Oberschlesien ist, die achtstündige Schicht für den Bergbau noch nicht eingeführt, dort gibt es noch 10, 12. und selbst mehrstündige Schichten, abgesehen von den Ueberschichten. Die Kartoffelration ist dort schon lange auf 5 Pfund herabgesetzt. Gegen das Ruhrgebiet ist, der Lohnunterschied im Vergleich mit. Dberschlesien also nicht weniger als 3 A6. Es . aber auch, in Westfalen bei den jetzigen Löhnen nicht mehr. as Kriegsernährungsamt hat einen Teil der Schuld daran auf dem Gewissen; es ist unmöglich, als Schwerstarbeiter mit der verminderten Kartoffel, und Brotration aus= zukommen. Auch in Niederschlesien haben sie den Schlichtungs⸗ ausschuß wegen Lohnerhöhungen angerufen. Die Werke verweigern die Lohnerhöhungen trotz enormer Mehrüberschüsse; sie verlangen, daß zuvor die Kohlenpreise erhöht werden. Gegen die Bergarbeiter, die zur Organisgtion auffordern, geht man mit einem Redeverbot durch das Generalkommando vor. Da soll man sich nicht wundern, wenn es in Oberschlesien zu Streiks kommt. In Senftenberg ist der im Juni angerufene Schlichtungsausschuß noch jetzt, im Juli, nicht zusammengetreten. =

Abg. Dr. Rießer (nl): Nach den Vorgängen mit der Textil— verordnung werden wir uns das neue Ermächtigungsgesetz sehr genau ansehen müssen, nicht nur die Woll, sondern auch die Baumwoll industrie ist mit der Verordnung keineswegs einverstanden. Ich habe die Verordnung nicht lächerlich gemacht, sondern erklärt, daß die Ver—⸗ ordnung gar nicht ernst genug genommen werden kann.

Abg. Ast or bittet das Haus, nicht auf den Vorschlag des Abg. Dove einzugeben, sondern den Antrag Astor, betreffend den Schutz des deutschen Einzelhandels, anzunehmen. .

Damit schließt die Erörterung. Der Etat für das Reichswirtschaftsamt wird bewilligt. .

Gegen 8! Uhr wird die Fortsetzung oer Etatsberatung auf Freitag 2 Uhr vertagt. Vorher Anfragen. ,

Preußischer Landtag. Abgeardnetenhaus. 166. Sitzung vom 3. Juli, Nachmittags 2 Uhr. Nachtrag.

Die Rede, die bei der Beratung des Nachtra schrift über die Beseiti gun 1 e r 695 . in den vom feindlichen Einfall berührt?! Landesteilen der Minister des Innern Dr. Drew gehalten hat, lautete, wie folgt:

Meine Herren! Vorweg möchte ich konstatieren, daß trotz det mannigfachen Wünsche und Ausstellungen, die zu dem bisherigen Gan der Dinge von den Herren Vorrednern geäußert worden sind, im all. gemeinen aus allen Reden doch als Grundton hervorgeklungen hat die Anerkennung für das, was der preußische Staat für das oöstlichste Preußen in diesen schweren Zeiten tatsächlich geleistet hat. Es ist j das, was geleistet worden ist, zurückzuführen auf die hingebende Mit. arbeit der gesamten Bevölkerung Ostpreußens und der staatliche Beamten und kommunalen Beamten, die in Ostpreußen waren, auf 2. einen Seite, dann aber auch auf die Mitarbeit, die der preußische and tag der Königlichen Staatsregierung bei Ausarbeitung der Grundsähze die für die Entschädigung festgestellt worden sind, geleistet bat. Ih glaube, daß diese fachlich ausgezeichnete Mitwirkung des Landtags in wesentlichen mit darauf zurückzuführen ist, daß der Haus halt ausschuj seinerzeit an Ort und Stelle sich von dem Stand der Dinge, von den Bedürfnissen, die eine Abhilfe des gegenwärtigen Zustandes verlangten und von den Möglichkeiten der Abhilfe ein Bild gemacht hat, Mi ist durch den Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses der Wunsc mitgeteilt worden, daß der Haushaltsausschuß wieder gerne sich von dem Stand der Dinge und von den Möglichkeiten der weiteren Ab. hilfe in Ostpreußen Ende August an Ort und Stelle unterrichten möchte. Die Königliche Staatsregierung begrüßt diesen Wunsch und wird ihn gern erfüllen. Sie ist davon überzeugt, daß auch diese ge

meinsame Besichtigungsfahrt aufs neue dazu beitragen wird, die bor,

handenen Schäden, die Möglichkeiten der Abhilfe an Ort und Stell zu erkennen und im wechselseitigen Gedankenaustausch weiter zu fördern.

Es ist ja nun naturgemäß eine ganze Menge von Wünschen, wie

die Dinge anders und wie sie noch besser gemacht werden könnten, hervorgetreten und hier auch von den Herren Vorrednern zum Aus— druck gebracht worden. Ich möchte dabei eins bemerken: alle diese Wünsche und alle die Ausstellungen gehen nicht eigentlich auf die Grundsätze, welche wir bezüglich der zu leeistenden Entschädigung festgestellt haben, sondern sie beziehen sich auf Einzelheiten, an die man bei Feststellung der Grundsätze nicht gut gedacht haben konnte, weil die Notwendigkeiten, die dahinter standen, damals noch nicht so schatf zum Ausdruck gekommen waren, und sie beziehen sich auf Forderungen, welche erst durch die veränderten Verhältnisse seit Feststellung jener Grundsätze hervorgetreten und praktisch geworden sind.

Zu letzterer Kategorie rechne ich die Forderungen, die sich be= ziehen auf die Abänderung der Zuschlagsgrenzen, die für die Ent— schädigung insbesondere für llandwirtschaftliches Inventar, Vieh usw. seinerzeit aufgestellt worden waren. Es ist zweifellos richtig, daß seit den zwei Jahren, wo diese Grundsätze aufgestellt worden sind, die Preise aller dieser Dinge sich außerordentlich erhöht haben und daß infe he. dessen man den Leuten, die an solchen Sachen geschädigt worden sind und diese sich noch nicht wieder haben anschaffen können, wenn man sie wirklich schadles halten will, eine entsprechend höhere Entschädi= gung geben muß. Wir haben deshalb von seiten der Staatsregierung auch bereits im Einvernehmen mit dem Reich, an das wir ja in allen diesen Dingen noch dem bestehenden Reichsgesetz gebunden sind, eine Revision dieser Bestimmungen in Anregung gebracht, und ich glaube: wir werden da auf Grund der sachverständigen Aeußerungen, die wir aus DOstpreußen selbst bekommen haben, auch in nächster Zeit zu einem vernünftigen Resultat gelangen. Ich gebe weiter zu, daß nach dem jetzigen Modus die sogenannten Ganzabgebrannten aus der Grenz— zone, von der Herr von Plehwe gesprochen hat, nicht zu einer vollen Entschädigung kommen, denn die besonderen Verhältnisse, in denen sie in ihren Besitz wieder zurückgekehrt sind, haben sie zum Teil gegen ihren Willen genötigt, von der Vorentschädigung, die sie bekommen haben, schon einen Teil zu verbrauchen. Sie konnten sich nicht gleich die Dinge wieder beschaffen und kommen mit den Entschädigungen auf diese Weise nicht aus. Ich werde aber auch hier mit den Reiche= behörden in Verhandlungen eintreten und hoffe, daß ich zu einem ver= nünftigen und alle befriedigenden Resultat kommen werde.

Aehnlich liegen die Dinge zum Teil mit den nach Rußland Ver— schleppten, deren Entschädigung auch eine besondere Behandlung be— dingen wird. Man wird da vielleicht doch dem Gedanken näher treten müssen aber das ist nur meine persönliche Auffassung, da noch keine Zustimmung der beteiligten Ressorts vorliegt —, ob man nicht am besten für derartige außergewöhnliche Verhältnisse einen besonderen Dospositionsfonds einrichten muß (sehr richtigh, aus dem man billiger= weise diese Dinge ausgleicht. Ich werde sehen, ob ich etwas Derartiges erreichen kann.

Was die Frage um noch auf einige Einzelheiten zu sprechen zu kommen der Forderung des Verwendungsnachweises anlangt, so besteht da, glaube ich, im allgemeinen Einverständnis darüber. Grund= sätzlich ist die Forderung des Verwendungsnachweises richtig gerade im Interesse der Provinz. Wir müssen darauf sehen, daß die wirt= schaftlich schaffenden Werte, die zerstört sind, auch wiederhergestell werden einschließlich des Iwentars, das eben mit zur wirtschaftlichen Produktion gehört. Mc gebe aber zu, daß in einzelnen Fällen die Anwendung dieses Prinzips in starrer Weise zu Härten führen kann. Wir haben aber jetzt schon die Möglichkeit, daß ich glaube vom

Oberpräsidenten von dem Verwendungsnachweis dispensiert werden

kann, und ich glaube: wir alle haben zu Herrn von Batocki, dem be— währten Oberpräsidenten der Provinz, unter dessen Amtsführung das Entschädigungsverfahren inauguriert worden ist, das Vertrauen, da er hier in allen geeigneten Fällen auch richtig eingreifen wird. Von meiner Seite aus wird er jedenfalls in dieser Richtung stets unter— stützt werden. Die Frage einer Entschädigung an die Tommunalverbände für die Abnutzung der Chausseen unterliegt gegenwärtig der Entschei= dung der dazu berufenen Feststellungsbehörden, die durch das Reich gesetz eingerichtet sind. Ich möchte daher, da es sich hier um einen schwebenden Rechtsstreit handelt, augenblicklich keine Stellung iu

gad nehmen. Ich hoffe aber, daß den Kommunalverbänden ge⸗ polen erden mird. J .

nhrber den Grundfatz. daß ei tem Wicheraufbau im Streife wischen Schönheit und Nützlichkeit die Nützlichkeit in erster Linie

36. Hsichtigt werden muß, und daß, wenn es eben dringend ist, das,

was nützlich ist, geschaffen wird und Diskussionen über die Schön⸗

heitẽftage zurückgestellt werden, sind wir, glaube ich, einer Mei⸗ ang. Wir werden auch auf unsere Behörden in der Richtung stets mritken. Wenn man aber mit dem Nützlichen zugleich etwas Echönes schaffen kann, glaube ich, sind wir alle einig, daß es ge— chen muß (Sehr richtig!

Das Verfahren, das nach dem Reichsgesetz für die Feststellungen ron Schäden unter 1500 4 zugelassen ist, hat sich außerordentlich bewährt. Hätten wir das nicht gehabt, so würden wir mit der end— giltigen Schadensfeststellung in einer ganz außerordentlich großen

ahl von Fällen noch rückständig sein. Persönlich bin ich der Auf—

fassung, daß es richtig wäre, wenn man die Schadensgrenze weiter herauffeßen würde. Dazu muß ich aber mit dem Reiche verhandeln, da eine Abänderung der reichsgesetzlichen Bestimmungen erforderlich wird. Ich will aber sehen, ob ich die Zustimmung der reichsgesetzlichen Faktoren dazu erlangen kann, die Grenze heraufzusetzen. Das würde für die raschere Erledigung der Dinge jedenfalls praktisch sein.

Was die Frage der Heranziehung der ostpreußischen Feuerver⸗ sicherungdfozietät zu den Entschädigungskosten anlangt, so gehen die Meinungen; wie bereits hervorgehoben worden ist, über diejenige Summe, die aus Mitteln der Sozietät aufgewendet oder eingeschossen

perden soll, augenblicklich auseinander. Sollten die Sozietäten die

gesamte Versicherungssumme, die fällig geworden ist, bezahlen, so würden sie bankrott sein; darüber ist kein Zweifel. Andererseits muß sie ebenso wie Nie privaten Feuerversicherungsgesellschaften in gewissem Umfange zur Deckung des Schadens herangezogen werden. Nun ist es nicht Preußen, sondern das Reich, das hier das letzte Wort zu sprechen hat. Denn das Reich, das die im Reichsgesetz festgesetzte Entschädigung zu tragen hat, erwirbt auf der andern Seite alle An— sprüche, die dem Geschädigten gegen Dritte zustehen, und die Tätig⸗ keit, die Preußen hier entfaltet, ist die, einen vernünftigen Ausgleich zwiscken der Dstpreußischen Feuersozietät und dem Reich herbeizu— führen. Nun kann man es dem Reich nicht übelnehmen, daß es auch in gewissen Umfange seine finanziellen Interessen gewahrt sehen will. Es macht eine Aufwendung von über einer Milliarde aus Reichs⸗

mitteln, und das ist eine erhebliche Summe, und die Reichsfinanz—⸗

behörden sind deshalb verpflichtet, auch da mit den Geldern des

geiches pfleglich umzugehen. Auf der andern Seite muß der Grund⸗

sötz durchgehalten sein, daß die dauernde Leistungsfähigkeit der Ost⸗ preußischen Feuersezietät in keiner Weise in Frage gestellt wird. Sehr richtig! Die Ostpreußische Feuersozietät muß nicht nur ihre gesetzlichen Reserven behalten, die sie absolut nötig hat, sondern sie muß in dem als wirklich gut und solide fundierten Unternehmen noch einen Teil von, ich will mal sagen, freier Reserve über die gesetzliche Reserpe hinaus behalten, weil zweifellos in der Folgezeit eine erheb⸗ lich verstärkte Aufwendung in mancher Beziehung an die Feuer⸗

sojietät herantreten wird. Darüber, meine Herren, wie weit die jetzt

bet das Maß der gesetzlichen Reserven hinausgehenden freien Re⸗ serven der Feuersozietät durch diese Leistungen in Anspruüch genom⸗

*in werden sollen, schweben nun noch Verhandlungen zwischen der Faerscßieldt und den Reich, bei denen ich speziell als Alufsichts.

kchörde über die Feuersozietät vermittelnd einzugreifen mich bestrebe. Ich hoffe, daß wir in absehbarer Zeit zu einem vernünftigen Aus⸗ gleich kommen werden. Ich kann betonen, daß ich dafür garantiere, daß die dauernde Leistungsfähigkeit der Ostpreußischen Feuersozietät

mmer allen Umständen aufrechterhalten wird. Dann sind noch mannigfache Klagen zutage getreten, insbesondere

darüber, daß der Aufbau in den Städten nicht schnell genug ginge.

Ja, meine Herren, das ist richtig. Das sind aber Dinge, die wir leider nicht ändern können. Wir sind durch den Krieg an die be⸗ schtänkken materiellen Mittel, insbesondere der Rohstoffe, gebunden, die uns für allerlei wirtschaftliche Zwecke zur Verfügung stehen. Sie alle wissen, daß auf alle verfügbaren Rohstoffe die erste Hypothek das Heer, die Armee hat, und das ist absolut in der Ordnung. Was für die Unterbringung der Truppen, für Munitionserzeugung und für alles, was das Heer braucht, angefordert wird, muß vorgehen; das ist unsere Lebensbedingung. Die bürgerliche Welt lebt gewissermaßen don den Abfällen, die bei diesem Riesenbedarf des Heeres übrig bleiben, une was gerade an Baustoffen übrig bleibt, ist nur sehr gering. Die Grundsätze, nach denen die vorhandenen Baustoffe nun auf Dstpreußen entfallen und es bekommt natürlich mehr als andere Brovinzen für die gewöhnlichen bürgerlichen Bedürfnisse sind die, daß wir in erster Linie die Baulichkeiten herstellen, die für die Fort— führung der Wärtschaft, für die Produktion absolut notwendig sind. Wenn Sie sich die Zahlen der Ställe und Scheunen ansehen, die wieder erbaut worden sind, im Vergleich zur Zahl der Wohnhäuser, so wird Ihnen ohne weiteres klar sein, in welchem Maße dieses Prin⸗ zy befolgt wird. Ich glaube, auch die Bevölkerung ist mit dieser derteilung der Dinge an sich vollkommen zufrieden; denn sie sieht ein, daß die Grundlage der wirtschaftlichen Wiederherstellung Ost⸗ preußens die Wiederherstellung der Wirtschaft, als solcher ist, der Mensch mit seinem Wohnungsbedürfnis muß sich fügen und wohl der übel eine Zeitlang unterzukommen suchen. Wir werden nach

. Maßgabe der vorhandenen Baumaterialien nach Kräften fortfahren,

ken Wiederaufbau durchzuführen; aber wir sind beschränkt durch das, was wir zur Verfügung haben. Ich kann versichern, daß gerade für Ostpreußen der Herr Kriegsminister, der über die Rohstoffe die letzte Entscheidung hat, ein außerordentlich wohlwollendes Herz hat. Die Frage der Kohlenversorgung von Ostpreußen liegt auf einem ähnlichen Felde. Die Wünsche nach der Zufuhr von Kohlen sind überall kolossal. Es ist selbstverständlich, daß um jede 100 Waggons Kohlen, die einer gerade gern haben möchte, die er braucht und die er nicht kriegt, ein gewisses Unbehagen entsteht; jeder meint, die bo Waggons Kohlen müßten sich doch irgendwo noch zusammen⸗ dringen lassen. Es sind aber an unendlich vielen Stellen je 100

aggons, die gewünscht werden, so daß da die Befriedigung aller Wünsche außerordentlich schwierig ist. Ich habe mich mit dem Reichs— kohlenkomnissar auch noch besonders in dieser Hinsicht in Verbin—

blick leider nicht sagen.

dung gesetzt; in wieweit dies Erfolg haben wird, kann ich im Augen⸗

ĩ Was die Bemerkung über die Sachverständigen und die Mit⸗ flieder, die in den Aueschüssen arbeiten, anlangt, so glaube ich mich da—

mit in erster Linie auf das Urteil des Oberpräsidenten und der Re— gierungspräfidenten verlassen zu müssen, die die batreffenden Aus- schußmitglieder vorgeschlagen aben. Es ist felbstwerständlich schwer, die Ausschüsse, die ja ein großes Mitgliederpersonal erfordern, in richtiger Wiese zu besetzen. Sie müssen berücksichtigen, daß für die höheren Instanzen gesetzlich alle diejenigen ausgeschlossen sind, die überhaupt geschädigt sind. Wenn deshalb an einzelnen Stellen auch in der ersten Instanz Nichtgeschädigte in erster Linie herangezogen worden sind, wenn sich ein Mitglied des Kreisausschusses, das gerade nicht geschädigt worden ist, zum Mitglied eines derartigen Aus— schusses bestellt worden ist, so kann man darüber zweifelhaft sein, ob es richtiger ist, ein solches Kreisausschußmitglied zu nehmen, oder einen Herrn, der überhaupt nicht im Kreise eingesessen ist. Denn die übrigen Leute, die für die Mitwirkung im Kreise in Betracht kämen, sind vielleicht Geschädigte, die nicht in Frage kommen. Man kann zweifelhaft sein, was besser ist; ich stebe auf dem Standpunkt: wenn

mir von seiten der örtlichen Behörde allgemeines Zutrauen zu den

Persönlichkeiten wie ich wohl konstatieren darf die da vor— geschlagen sind, kundgegeben wird, so ist es richtig, daß man sich mit den Vorschlägen auch einverstanden erklärt. Wenn von einzelnen Be— teiligten behauptet worden ist, Sachverständige hätten in der Oeffent— lichkeit nicht in richtiger Weise, vielleicht sogar unter Verletzung der ihnen obliegenden Amtsverschwiegenheit über Interna gesprochen, fo perwerfe ich das in jeder Beziehung, und wenn mir derartige Fälle im einzelnen mitgeteilt werden, so werde ich selbstverständlich für die Entfernung von Persönlichkeiten, die sich in ihren Stellen in miß— bräuchlicher Weise betätigen, sorgen. Aber bei alledem bleibt, wie, glaube ich, der letzte Herr Vorredner gesagt hat, das Wichtigste bei der Betätigung aller dieser Ausschüsse der Geist, in dem die Mit⸗ glieder dieser Ausschüsse und alle diejenigen, die überhaupt mit dem ganzen Entschädigungéverfahren beschäftigt sind, arbeiten. Dieser Geist darf und soll kein kleinlicher sein, und es ist Aufgabe der Zentral⸗ behörden und der höheren Provinzialbehörden, dafür zu sorgen, daß nur in einem großzügigen Geiste, so, wie das Entschädigungsverfahren vom preußischen Könige und vom Landtage gewollt ist, verfahren

wird. Und ich glaube, da haben wir alle das feste Vertrauen ins

besondere zum Obemspräsidenten von Batocki, der der Vater dieser ganzen Dinge ist, die da jetzt geworden sind, daß er dafür sorgen wird, daß ein kleinlicher Geist, der mit dem Wollen des preußischen Staates, für seine Provinzen Entschädigung zu schaffen, in' Wider— spruch steht, unter allen Umständen unterdrückt wird,

Was die Tätigkeit der Reichskommissare betrifft, so möchte ich mich, da ich einerseits für Preußen meine Zuständigkeit wahren, andererseits dem Reiche seine Zuständigkeit belassen möchte, eines Urteils über die Reichskommissare enthalten. Wenn über die Tätig— keit der Reichskommissare Beschwerden vorhanden sein sollten, so ist die zuständige Stelle das Reichsamt des Innern. Ebenso wie ich sehr lebhaft dagegen protestieren würde, wenn eine Reichsstelle über die Amtsführung preußischer Behörden urteilen würde, ebenso würde das Reich verlangen können, daß ich mich jeder Kritik enthalte.

Die Ausstellungen an Einzelheiten, die hier gemacht worden sind, alle die Wünsche, die vorgetragen worden sind, ändern nichts an dem Urteil, daß die Hilfsaktion für Ostpreußen ein großes gewaltiges Werk, ein Ruhmesblatt in der Geschichte des preußischen Staates ist. In keinem Staate der Welt, wo der Krieg über die Fluren gegangen ist, ist bisher für den geschädigten Landesteil eine so große einheit⸗ liche, gründliche und systematische Hilfsaktion durch den Staat, die von dem Grundsatz ausgeht: Suum cuiquèe! eingeleitet worden. Es ist das auch ein Beweis von dem Geist, der im Preußentum steckt, dem Geist der Gerechtigkeit und dem Geist der Ordnung, dem Geist der Organisation, der unseren Feinden so unverständlich ist und den sie mit dem allgemeinen Verlegenheitsnamen des Militarismus be—

zeichnen. Wie dieser Geist der Ordnung, der Straffheit, der Organi⸗

sation gesiegt hat auf den Schlachtfeldern, so hat er hier in Ost— preußen auch schon seine Früchte getragen in den Werken des Friedens. Wir wissen, daß es mit dieser Hilfsaktion des preußischen Staates für Ostpreußen nicht zu Ende sein wird, sondern daß noch mannigfache Maßnahmen nötig sein werden, um Ostpreußen, das nun mal von Natur in gewisser Beziehung stiefmütterlich bedacht worden ist durch seine geographische Lage, in erster Linie zu helfen, damit es Schritt halten kann mit den übrigen Landesteilen in unserem preußischen Vaterlande.

Im Frieden sind bereits derartige Pläne aufgetaucht, die aller⸗ hand großzüge Ideen verfolgt, wie Elektrisierung der Provinz, Verbindung ihrer Wasserstraßen, Verbesserung der Handelsbeziehun— gen und was sonst noch in Betracht kommt, und es wird auch nach dem Willen unseres Königs im Frieden die Aufgabe des Staates sein, weiter die bessernde Hand anzulegen. Es ist das der tiefere Sinn eines großen Gemeinwesens, daß die wirtschaftlich besser— gestellten und finanziell mehr begünstigten Landesteile helfend ein— treten müssen für die Landesteile, denen die Natur so manche Gunst versagt hat. Es ist, sagen wir mal, die sittliche Rechtfertigung eines großen Gemeinwesens, einzutreten der eine für den anderen ohne Unterschied des Vermögens, und der preußische Staat wird es sich zur Ehre anrechnen, diese höchsten staatlichen Aufgaben auch in Zu— kunft weiter in Ostpreußen zu fördern.

167. Sitzung vom 4. Juli, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphenbüro. Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer

dieses Blattes berichtet worden.

Nachdem der Präsident Dr. Graf von Schwerin dem ver⸗ storbenen Kaiser der Gzmanen Mehmed V. einen Nachruf ge⸗ widmet hat, tritt das Haus in die Tagesordnung ein, auf der zunächst die fünfte Beratung des Gesetzentwurzs über die Abänderung der Verfassung (Wahl reform) steht. Es handelt sich heute um die zweite Ab⸗ fun über die vom Hause am 12. Juni gefaßten Be⸗ chlüsse. ;

Bei der allgemeinen Erörterung spricht

Abg. Ströbel (U. Soz.) sich unter größter Unruhe des Hauses für das gleiche Wahlrecht aus und meint, daß auch Tas Herrenhaus das gleiche Wahlrecht hohnlachend ablehnen wird. Die Regierung wird aber durch den Volkssturm gezwungen werden, das Abgeordnetenhaus aufzulösen. Dann wird das gleiche Wahlrecht unaufhaltsam sein. Mit allen den Einschränkungen der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses ist das gleiche Wahlrecht nicht einen

Pfifferling wert. Es kommt nach diesen Beschlüssen nur ein Schein⸗

Farlament heraus, das vom Herrenhause abhängig ist. Wenn dies⸗ Beschlüsse nicht beseitigt werden, ist das gleiche Wahlrecht nichts ah der e Schwindel und dessen Beratungen bee, , . voh⸗ tischeg Rupvenspiel. Wir verlangen auch eine gerechte Wahlkreis einteilung und wir verlangen, daß das ganze Herrenhaus in den Orkus verschwindet.

Abg. Hue (Soz): Wir haben unsere Stellung oft genug dar⸗ ,,. drängen auf eine schnelle Entscheidung zurch die underzügliche Auflösung des Hauses. Wir verlangen das gleiche Wahlrecht ohne jede Cinschränkung. Man hat verfucht, sogenannte Arbeiterstimmen zu konstruieren, es ist aber ein Irrtum, daß die Arbeiter und An⸗ gestellten sich mit dem Kompromißantrag Heydebrand Lohmann-⸗Lüdicke-

agen abgefunden hätten. Die Arbeiterstimmen, die sich dafür erklärt

zaben, sind die der gelben Werkvereine. Es ist ganz r n . daß auch nur eine nennenswerte Zahl von Arbeitern mit diesen Be⸗ schlüssen zufrieden sein könnte. Daß nichts ae, ommen ist, daß wir jetzt vor einem Nichts stehen, ist das dienst der um Heydebrand, um Lohmann und der Gegner des gleichen Wahl⸗ rechts im Zentrum. Was hier geboten wird, ist eine brutale Ver⸗ höhnung der Arbeiterklasse. Die Zusgtzstimmen für alle 59 jährigen und für alles, was nicht Arbeiter ist, entrechten gerade die über⸗ große Mehrheit aller Arbeiter und Angestellten. Das arbeitende Volk wird den Feinden des gleichen Wahlrechts die Antwort auf diesen blutigen Hohn nicht schuldig bleiben. Nicht minder ist die Bedingung des zweijährigen Wohnsitzes für das Recht zu wählen eine Mundtotmachung von vielen Hunderttausenden von preußischen Staatsbürgern und vor allem der großen Massen der Kriegsteil⸗ nehmer, die dadurch jedes Wahlrechtes auf Jahre hinaus n . werden. Man soll sich nicht wundern, wenn aus dieser Art Erfüllung eines Königlichen Versprechens das getäuschte Volk seine Konsequenzen zieht. Ist es doch schon so weit, daß die Organe der Vaterlandspartei die Ausführung dieses Versprechens als Vandes⸗ verrat qualifizieren. Nicht nur, daß man die Arbeiter dem Wucher, der schamlosen , preisgibt, man krönt das Werk damit, daß man ihre politische . verewigt. Das Volk wird damit ejner Belastungsprobe ausgesetzt, die es nicht ertragen will und kann. Dieses Haus, das ein so großes Sündenregister aufzuweisen hat, konnte seine volksfeindliche Wirksamkeit nicht würdiger ab⸗ schließen als mit diesem sich selbst überschlagenden Wahlrechtsgesetz Es kann so nicht weiter gehen, das Volk hat Mittel in der Hand, um die Gewährung seines Naturrechtes zu erzwingen. Wehe der Regierung, die die Zeichen der Zeit nicht erkennt.

Damit schließt die allgemeine Besprechung. . Auf Antrag Porsch (Zentr) wird hierauf über jeden der drei ,, nach den Beschlüssen vom 12. Juni en bloc abgestimmt. Der Gesetzentwurf 2 die Wahlen zum Abgeordnetenhause wird mit derselben Mehrheit wie am 12. Juni wiederum angenommen, ebenso die Vorlage, betreffend

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die Zusammensetzung des Herrenhauses, und der Gesetzentwurf, betreffend die Verfassungsänderungen. Hierauf erfolgt die Gejamtahstimmung über die drei Gesetze; sie erfolgt mit der gleichen Mehrheit. Die drei Gesetze gehen nunmehr an das Herrenhaus. . Sierauf wird die Beratung des Antrags Dr. Heß über die Handhabung der Sammlung von ge⸗— tragenen Kleidern fortgesetzt. Abg. Leine rt Soz.): Die Abgg Dr. Heß und Conradt, die ich schüßend vor den Kleiderschrank der Begüterlen stellen, haben keine Ahnung von der Not der Arbeiter, die außer der erforderlichen Kleidung der notwendigen Nahrung entbehren und heute keine Kartoffeln haben. Die Anzüge müssen beschafft werden, sonst steht im Winter die Arbeit still. Wenn die Zwangsabgabe erforderlich wird, dann muß fie durch bie Reichsbekleidungsstelle für das ganze Reich angeordnet werden. Die Reichsbekleidungsstelle muß die Verantwortung selbst übernebmen und sie cht auf die Gemeinden abwälzen. Es wird nur das Entbehrliche verlangt, und trotzdem die große Erregung. Die Altkleiderabgabe wird zu einer politischen Angelegenhei re., es wird damit dee Rede Kühlmanns in Verbindung gebraäckt. Sie zum Jentrumz Fürder es am liebsten sehen, wenn Herr von Küblmann an eine Mt— kleiderstelle abgeliefert würde. (Heiterkeit. Gerade weil der Krieg so ö . ist der Appell an die Opferwilligkeit der Begüterten be⸗ rech igt.

Abg. Wenke ortschr. Volksp): Die Bestandsaufnahme muß sich nicht nur auf Anh ie sondern auch auf vorhan⸗ dend Tuchstoffe erstrecken. Als Entschädigung sollten ange messene Preise gezahlt werden. Wenn der Krieg noch lange dauert, dann werden wir zu einer zwangswe sen Kleiderabgabe kommen müssen. Aus den Beständen der Militärverwaltung könnte eine große Zahl von Artzügen hergestellt werden. Wir erwarten, daß die Begüterten heran= gezogen und die minder Wohlhabenden geschont werden.

Abg. Kraus . (freikons.) : Ich stimme dem Ver⸗ treter der Reichsbekleidungsstelle darin bei, daß es sich hier nicht um eine soziale Frage, sondern um eine Kriegsnot— wendigkeit handelt. Den in der Kriegswirtschaft beschäftigten Arbeitern muß die erforderliche Kleidung beschafft werden, insbe⸗ sondere müssen die landwirtschaftlichen Arbeiter bedacht werden. Wir stimmen dem Antrag Heß im wesentlichen zu.

Abg. Paul Hoffmann (U. Soz.) begründet den An—⸗ trag Hofer (U. Sox), wonach bei einer eventuellen zwangs— weisen Kleiderablieferung diejenigen Personen befreit sein sollen, deren Jahreseinkommen unter 7000 S beträgt.

Abg. Dr. Gottschalk-Solingen (nl): Ein Abgabezwang ist bisher nicht angeordnet. Der Antrag Heß geht aber davon aus, daß (in solcher Zwang bereits eingeführt ist. Die Ausführung des Antrags könnte also erst in Frage kommen, wenn der Abgabezwang notwendig wird.

Abg. Conradt (kons): Auch meine Freunde treten für die Beschaffung von Kleidern für die Arbeiter ein. Deshalb lege ich Verwahrung dagegen ein, wenn Abg. Leinert gesagt hat, wir stellten uns vor die Kleiderschränke der Besitzenden. .

Ein Vertreter der Reichsbekleidungs stelle: Die Klagen darüber, daß die Differenz zwischen Ankaufs⸗ und Verkaufspreisen zu hoch sei, sind unbegründet. Alle Fälle und Be⸗ schwerden darüber die wir untersucht haben, haben ein negatives Re⸗ sultat ergeben. Die Zusicherung, r; derjenige, der freiwillig einen Anzug abgibt, von einer späteren Zwangsabgabe befreit sein soll, wird loyal eingehalten werden. Ich wiederhole, was ich gestern ge⸗ sagt habe, daß von einer zwangsweisen Abgabe und von einer Beschlag⸗ nahme nicht die Rede sein kann. Freilich kann ich über spätere Notwen⸗

ateiten jetzt keine bindenden Erklärungen abgeben. Ich kann nicht sagen, was geschehen wird, wenn die freiwillige Abgabe nicht den ge⸗ wuͤnschten Erfolg hat. Wir hoffen, daß eine zwangsmäßige Abgabe von Bekleidungsstücken nicht notwendig sein wird. Man hat den Optimismus des Präsidenten der Reichsbekleidungsstelle kritisiert, der offen ausgesprochen hat, daß es möglich sein wird, aus Zellulose Er—= satzstoff zur Herstellung von Kleidung zu gewinnen. Ich bin von der Kriegsrohstoffgesellschakt ermächtigt, zu erklären, daß dieser Optimis⸗ mus durchaus berechtigt ist. Die Kriegsrohstoffgesellschaft ist fich be⸗ wußt, daß dieser Erklärung Taten folgen werden und daß es in nicht allzuferner Zeit gelingen wird, durch Gewinnung von Ersatzstoffen die dringenden Bedürfnisse der Bevölkerung nicht nur für die künftige Dauer des Krieges, sondern auch für die Uebergangszest sicher zu stellen. (Beifall.) Abg. Dr. Heß Zentr) begründet einen Zusatzantrag zu seinem Hauptantrag, wonach die weitere Ausführung 3 ordnung über die Abgabe von Kleidern so lange ausgesetzt werden soll, bis den Kommunalverbänden den C in e nr. des Hauptantrages entsprechende Grundsätze über die Samm⸗ lung von der Reichsbekleidungsstelle an die Hand gegeben worden sind.