. Italien.
Nach dem „Avanti“ ist der auf den 27. bis 30. Juli nach Rom einberufene nationale Sozialistenkongreß von dem Präfekten von Rom verbaten worden. Der Par teisekrelär Bombacci erhob sofort gegen die Verfügung Einspruch.
Griechenland.
Laut Meldung der „Agence Hellénique“ sind durch König⸗ liches Dekret mit Rücksicht auf die herrschenden Zustände und die Valksabstimmurg die griechischen Gemeindewahlen, die nach dem Gesetz Mitte Juli erfolgen sollten, auf unbe⸗— stimmte Zeit vertagt worden.
Rumänien.
Das Jassyer Regierungsblatt‚„Jaschul“ veröffentlicht Ent—⸗ hüllung en, die beweisen, daß die frühere Regierung Hratianu und ihre verbündeten Kriegstreiber unter Hinweg⸗ setzung über alle verfassungs mäßigen Faktocen den Krieg aus eigener Machtvollkommenheit herbeiführten. Die Kriegs—⸗ erklärung Rumäniens an Oesterreich⸗Ungarn wurde lange vor dem 27. August 1916 abgefaßt und befand sich wenige Tage später in den Händen des rumänischen Ge⸗ sandten in Wien mit der Weisung, sie am A August Abends am Ballplatz zu übergeben Die Beschlüsse des Kronrats vom 27. August maren zwei Wochen früher von der Regierung Hratiann zusammen mit Anhängern des Krieges gegen die Mittelmächte festgestellt worhen. Hierin liegt die Hauptschuld der früheren Regierung Bratianu, die keinerlei Recht hatte, eine Kriegserklärung zu machen, zu der nach der rumänischen Verfassung weder der König noch die Regierung, sondern einzig und allein die Nation durch ihre gesetzliche Vertretung im Parlament berechtigt war. Diese schwere Ver⸗ fassungsverletzung wurde Rumänien zum Verhängnis und die Schuldigen müssen solidarisch zu wirklicher tatsächlicher Ent⸗ schädigung an das Land verurteilt werden, das sie moralisch und materiell ungeheuer schädigten.
Ukraine.
Der Hetman hat das Gesetz über die Errichtung eines Senats in Kiew als höchster Gerichts- und Ver— waltungsbehörde der Ukraine bestätigt.
— Der erste Schritt zur Bildung einer ukrainischen Armee ist durch die Veröffentlichung eines Erlasses des Hetmans getan. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, wird darin hefohlen, auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht zunächst 50090 Rekruten für eine in Kiew in der Formierung begriffene Division aus der Zahl der im Jahre 1899 Geborenen auszu— heben. Der Minister des Innern wird für jeden Kreis die Anzahl der zu siellenden Rekruten steststellen. Freiwillige im Alter von 18— 25 Jahren dürfen zugelassen werden. Die Dienstzeit der Infanterie und Ärtillerie beträgt zwei Jahre, sonst diei Jahre. Die Aushebung hat am 31. Juli zu er— folgen.
Amerika.
Das amerikanische Staatsdepartement meldet dem „Reuterschen Büro“ zufolge, daß Honduras am 19. Juli Deutschland den Krieg erklärt habe. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen erfolgte am 18. Mai.
Asien.
In Tibet ist es nach einer Meldung der „Times“ zum Aufstand gegen die Chinesen gekommen. Da die Zentral— regierung nicht imsiande war, die Truppen an der Grenze genügend stark zu halten, konnten diese den Vormarsch der Tibetaner nicht aufhalten. Man hat eine Vereinbarung über einen Waffenstillstand getroffen.
— Die „Times“ melden aus Tokio vom 17. Juli, daß die Sitzungen des Kabinetts und des dipomatischen Beirat den ganzen Tag fortgesetzt wurden. Man erwartet die Einberufung des Landtags zu einer außerordentlichen Sitzung. Die Regierung hat der Presse verboten, Berichte über die Trupynenbewegungen sowie auf diese bezügliche Nach⸗ richten zu veröffentlichen.
Rriegsnachrichten.
Berlin, 2. Juli, Abends. (W. T. B.)
An vielen Stellen der Schlachtfront zwischen Aisne und Marne Ruhe. Oertliche Kämpfe ahh . Ourcg.
Der große, die Entscheidung suchende Kampf Fochs hat au
am vierten Schlachttag mit einem i eh für ö. Ententegeneralissimus geendet. An der ganzen Hauptangriffs⸗ front von der Aisne bis zur Marne verhluteten sich aufs, neue die frischen Divisionen des Feindes, ohne irgendwelchen Vorteil erringen zu können. Wo der Gegner infolge rücksichtsloser Anhäufung seiner Massen auf engem Raum in unsere Linien eindringen konnte, wurde er sofort wieder geworfen. So mußten die über die Straße Soissons— Chateau-Thierry vorgestoßenen feindlichen Kraͤfie nach unserem erfolgreichen Gegenangriff im deutschen Verfolgung sfeuer wieder über die Straße zurückweichen. dn den Brennpunkten des Kampfes, wie bei Villemontolre und Tigny, waren die feindlichen Blutopfer besonders schwer. Weder der Einsatz zahlreicher Tankgeschwader noch die Vernebelung des Kampffeldes noch die Massenverschwendung seiner Kräfte konnte den Feind seinem Ziel näherbringen. ährend in den großen Offensiven dieses Jahres die Deuischen bei geringen Ver— lusten in wenigen Tagen 60 - 80 kn im Angriff durchschritten und die feindlichen Armeen oft zur überstürzten Flucht zwangen, hat General Foch kärglichen Anfangserfolges wegen viele Hunderttausende eingesetzt, ohne auch nur im Enhkferntesten aͤhnliche Erfolge, geschweige denn die erstrebte entscheidung er— ringen zu können. Nach übereinstimmenden Meldungen unferer Truppen sind die blutigen Verluste der Feinde außergewöhnlich hoch. Dies wird auch durch die Aussagen der von uns ein— gebrachten Gefangenen in vollem Umfang bestätigt.
Großes Hauptquartier, 23. Juli. (W. T. B.)
Westlicher Krieasschauylatz. Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht.
Englische Abteilungen stießen an vielen Stellen der Front gegen unsere Linien vor., Sie wurden ab gewiesen. Die Ariillerietätigkeit lebte am Abend wieder auf.
Heeresgruppe Deutscher Fronprinz.
An den Kampffronten trat zeitweilig Ruhe ein—
Südlich der Aisne hat der Feind infolge schwerer Verluste seine Angriffe gestern nicht erneuert, Auch der Artilleriekampf hat hier an Stärke nachaelassen Beiderseits des Ourcg und zwischen Oureg und Marne führte der Feind fost in allen Abschnitten heftige Teilangriffe. Sie wuiden abgewigsen; südlich des Ourcq brachte sie unser Gegenstoß zum Scheitern. Fe ind⸗ liche Abteilungen, die beiderseits von Jaulgonne in unsere Vorpostenstellungen an der Marne eindrangen, wurden im Gegenangriff an den Fluß zurückgeworfen. Oertliche Kämpfe südwestlich und östlich von Reims. .
Gestern wurden 52 feindliche Flugzeuge und 4 Fessel⸗
ballone abgeschossen. . Leutnant Loewenhardt errang seinen 42. und 43.,
Leutnanl Billik seinen 26., Leutnant Bolle seinen 25. und Leutnant Pippard seinen 20. und 21. Luftsieg. Der Erste Gen erolquartiermeister. Ludendorff.
Oesterreichisch⸗ ungarischer Bericht.
Wien, 22. Juli. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet:
An der italienischen Front keine besonderen Ereianisse.
9 Albanien nahm vor drei Tagen der Feind nörblich von Berat und im oberen Devolital seine Angriffe wieder auf. Von örtlichen Schwankungen aba sehen, gelang es ihm nirgends Vorteile zu erringen. Die Kämpfe dauern an.
Zwischen dem Semeniknie und dem Meere drangen unsere Erkundungsabteilungen an mehreren Stellen in die
italienischen Linien ein. Der Chef des Generalstabes
Bulgarischer Bericht.
Sofia 21. Juli. (W. T. H.) Amtlicher Bericht. Mazedonische Front: Auf beiden Seiten die ge⸗— wöhnliche Artillerietätigkeit. Weslich des Ohridasees drangen unsere Erkundungstrupps in feindliche Gräben ein und brachten verschiedenes Kriegsgerät zurück. In der Moglenagegend murde eine feindliche Patrouille Hurch Fuer vertrieben. Westlich des Wardar setzte unsere Ar!illerie feind⸗ liche Munitionslager in Brand. Sühlich Liu mnitza wurden starke Explosionen im Strumatal beobachtet. Südlich von
Serres für uns günstig verlaufene Patrouillengefechte.
Türkischer Bericht
Konstantinopel, 21. Juli. (W. T. B) Generalstabs— bericht.
Palästinafront: Abgesehen von vereinzelten Artlllerie— kämpfen herrscht Ruhe. Bei Maan wurde eine starke Auf— klärungsabteilung von uns vermriehen.
Auf den übrigen Fronten nichts von Belang.
Der Krieg zur See.
Berlin, 22. Juli. (W. T. B.) Der amerikanische Truppentransportdampfer Leviafhan“ ((feüherer Dampfer der Hamburg Amerika⸗Llne „Vaterland“, 54 282 Br. RT.) ist am 20. Juli an der Nordküste Irlands versenkt worden.
Der Chef des Admiralstabes der Marine.
Berlin, 22. Juli. (W. T. B) Durch unsere im Sperrgebiet des Mittelmeeres operterenden U-Boote wurden drei wertvolle Dampfer und ein Segler von rund 19000 Bruttoregistertonnen versenkt.
Der Chef des Admiralstabes der Marine.
Wohlfahrtspflege.
Lehrgang, für Wohnungsaufsicht und Wohnungs— pflege. Gemäß Artikel 6 § 1 des am 1. April d. J. in Krajt getretenen Preußischen Wohnungsgesetzes ist zur Durchführung der Wohnungsaufsicht, die durch das Gesetz ausdrücklich als eine Gemeinde— angelegenheit erklärt wire, für Gemeinden mit mehr als 109000 Ein— wohnern ein Wohnungsamt zu errichten. Zur Durchführung der Wohnungsaufsicht sind eine oder mehrere für diesen besonderen Zweck geeignete Personen einzustellen. Für Gemeinden von mehr als 0 G00 bis 100 909 Einwohnern kann durch Anordnung der Aussichis— behörde die Errichtung eines den vorstehenden Bestimmungen entsprechenden Wohnungsamts, für Gemeinden von mehr als 10 000 bis 5 009 Einwohnern die Anstellung besonderer sachkundiger beamteter Wohnungsaufseher vorgeschrieben werden. Durch diese Be— stimmungen des Gesetzes ist bei den Gemeindeverwaltungen und ihren leitenden Beamten der Wunsch nach einer allgemeinen Anweisung über die bei der Errichtung von Wohnungsämtern und bei der Durch führung der Wohnungsgussicht grundlegenden Fragen rege geworden. Andereiseits wird der Bedarf an vorgebildeten Wohnungsaufsichts— beamten und mit der Wohnungspflege sich befassenden Persoͤnlichkeiten eine Steigerung erfahren, für die eine geeigneke Einführung in den neuen Aufgabenkreis dringendes Bedürfnis ist. Um diesem Bedürfnis entgegenzukommen, beabsichtigt die Zentral— stel le für Voltswohlfahrt im Einvernehmen mit dem Freußischen Stagtskommissar für das Wohnungswesen in der ersten Qktoberwoche d. J. in Berlin einen Lehrgang für! Wohnungsaufsicht und Wohnungspflegse zu ver⸗ anstalten. Der vorläufige Plan un aft einen allgemeinen Teil mit Vorträgen über die gegenwärtigen Zustände im Wohnungswesen und ihre Rückwirkung auf die Allgemeinheit, über die Entwicklung des e,, mit den ihm innewohnenden Schäden, die Mittel zur Verbesserung der. Wohnungsverhältnisse und die Forderungen der Uebergangswirtschaft sowie einen besonderen Teil, der Vorträge über die geser lichen und verwaltungörechtlichen Grundlagen der Wohnungsaufsicht in den einzelnen Bundesstaaten,
über ihre Einrichtung im einzelnen, über die eigentliche Ausübu
der Wohnungsaufsicht und Wohnungspflege, . ,, weis usw. vorsieht. An die Vorträge werden sich Vorführungen in den Groß Berliner Wohnungsämtern und Besichtigungen guter, von der gemeinnützigen Bautätigkeit erstellter sowie mangelhafter Woh. nungen anschließen. Der ausführliche Plan des LehrgangsZs wird väter veröffentlicht werden. Anmeldungen nimmt ' schon jetzt die Geschäftsstelle der Zentralstelle, Berlin W., Augsburgerftraße 6, entgegen. ;
l
Kunst und Wissenschaft.
In der letzten Sitzung der Anth ropologische sch at teilte der Vorsitzende Prof. Dr. Schuchardt im Dr. Minden der Geisellschaft 3000 * gestiftet habe wendet werden sollen, aus dem Bestand an Klischees geschichtlichen Atlas herzustellen, der hauptsaͤchlich die La Brandenburger Kultur umfassen soll.
Ueber die Auffindung. der Guayaki in d wäldern Paraguays berichtete Herr Rag yntzhuk?! 1 Jaguarazapäa am Alto-⸗Paranäéß. Das Vorhanden seim aus Stammes war schon zur Zeit der Herrschaft der Jefuiten ö die aber vergeblich versuchten, an jenen heranzukommen. Cg ae . leicht erklärlich, da dieser Stamm in den undurchdrin lh e isss wäldern Paraguays wohnt. 1893 wurde vom La , eine Forschungsreise zu den Guayaki unternommen; eg . dieser aber nur, ein Skelett und einige volic u t hl Sachen zu erlangen. Seit 1908 versuchte Mayntzhusen 9 Stamm in den Urwäldern aufzusuchen, aber erst bei Fer 7. R n im Jahre 1910 glückte es ihm, durch vorsichtiges De dle lt: eines Lagers einer Frau, zweier Kinder und eines Mannes habhaft werden. Durch diese lernte Mayntzhusen die Sprache des ann. kennen und auf einer neuen Reise, an der auch die Kinder tern n gelang es ihm, dadurch, daß er die Guavaki in ihrer eigenen Eyre anredete, zu ihnen in freundschaftliche Beziehungen zu treten, so 6 er allmählich 50 von ihnen auf seinen Gütern an tern konnte. Hier veisuchte er, sie langsam zu einer hh ern Zivilisation zu erziehen unter rhaltung ihrer alten Sitten. Sie haben die Freiheit zu gehen oder zu bleiben. er selbst war ihr Lehrer in der Feldarbeit, in der Handhabung de; Mähmaschine und wird von dem gutmütigen Völkchen ale ihr großer Pavg bezeichnet. Als er, um am jetzigen Kriege teilzunehmen nach Deutschland reiste, begleiteten den „Hunnen“ die Segen wünsche der Guayaki. Wie primitiv die Verhältnisse bei diesem Stamme sind, dessen Kopfzahl Mayntzhusen auf 1590 schätzt, beweist der Umstand, daß ihnen die Metalle fehlen, ihnen die Webe— technik, Bekleidung, Acker- und Hüttenbau unbekannt sind und noch Menschenfresserei bei ihnen vorkommt. Mit Steinäxten fällen sie Bäume, um das Palmmark zu erlangen, auch Honig und Larben eines bestimmten Käfers bilden eine Lieblingsspeise der Guapaßz. Den Körper bestreichen sie mit einer schwarzen Masse aus Wachs und Kohle. Als Schmuck dienen ihnen Schnüre aus Zähnen der erlegten Tiere. Mit einer besonderen Art des Schmuckez werden die Männer bekleidet, wenn sie einen Zweikampf auskämpfen. Dieser folgt immer erst auf eine Derausforderung und endet nicht mit der Tötung des Gegners, sondern ez genügt, wenn einer auf den Boden geworfen wird. Ein hinter— listiger Angriff ist bei ihnen verpönt. Sie sind äußerst kinderlieb und gemütvoll. Wenn trotzdem die alten Leute totgeschlagen und die Säuglinge mit der toten Mutter beerdigt werden, so legt das der Zwang der Verhältnisse nahe, weil jene sonst bei den Wanderungen im Urwald dem Hungertode verfallen würden. Die Menschenfresseie ist durch den Fleischhunger hervorgerufen, wird aber nur von ein— zelnen Männern ausgeübt. Die Rache folgt aber auf dem Fuße, indem sie von kräftigen Männern zum Zweikampf ge— sordert und ordentlich gezüchtiat werden. Der Jäger genießt selbst nichts von dem rohen Fleisch des von ihm erlegten Wildes; er begnügt sich mit der Ehre und mit der Brühe, die die Verwandten von dem Fleisch kochen. Krankheiten, besonders solche, die von Schmerzen begleitet sind, werden durch Massage bekämpft, fieberhafte Krankheiten durch Saugen des Körpers, also eine Art Biersche Stauung. Die Sprache ist eine dürftige Einsilbensprache. Die Vokale haben in nasaler oder gutturaler Aussprache ver— schiedene Bedeutung. Auch die Nachsilben sind als besonderer Begriff noch erkennbar. Zablen sind den Guavaki unbekannt. Musikinstrumente fehlen gänzlich, böchstens tlopfen sie im Takt an einen hohlen Baum Der Gesang ist sehr dürftig. Rhythmus ist wohl vorhanden, aber keine Melodie. Bei Frauen ist der Gesang höher entwickelt, sie kennen die Oktave. Als Familienverband be— steht neben der Einehe auch Vielweiberei. Wenn mehrere Kinder vorhanden sind, bittet die Frau den Mann, noch eine Frau hinzuzunehmen, da ihr das Schleppen der Kinder auf den Wanderungen zu viel wird. Ehebruch ist äußerst selten. Daz Schlagen der Frau ist Ghescheidungsgrund. Die Kinder werden mich dem Tiere benannt, das die Mutter zuletzt vor der Entbindung gegesen hat. Die Mythologie ist sehr einfach. Die Guayaki nehmen an, deß sie früher jenseits eines großen Wassers gewohnt haben und von dort von einem Jaguar vertrieben wurden, der dann zwar in einer Falle gefangen wurde, aber nun unter der Erde ihnen noch Schaden zu— zufügen vermag. Deshalb wird bei den Stammesfeierlichkeiten, die z. B. bei Eintritt der geschiechtlichen Reife der Kinder veranstaltet werden, geflüstert, um die Aufmerksamkeit des Jaguars abzulenken.
n Gese
Mannigfaltiges.
Bern, 22. Juli. (W. T. B.) Wie die Agence Hellénique“ aus dem Haag meldet, berichten die englischen Blätter, daß ein großer Brand gewaltige Mengen Kriegsmaterigl und Heereslieferungen im Hafen Piräus vernichtet habe. Der Schaden soll mehrere Millionen Pfund Sterling betragen.
Würzburg, 22. Juli. (W. T. B.) Am Sonntag überfuhr der Durchgangsgüterzug 1923 das auf Halt stehende Ein— fahrtssignal der Station Laufach. Der Packwagen wurde zer— trümmert. Die Wagenwärter Kiswald und Preuß sowie Lokomotib—, führer Geupp von Aschaffenburg sind schwer, der Zugführer und eine Bremserin leicht verletzt. Der Betrieb wurde aufrechterhalten.
KFown o, 22. Jult. W. T. B.) Die Schließung der Tierärztlichen Hochschule in Dorpat als russischet Einrichtung hat. Anlaß. zu Mißverständnissen gegeben. Wie nl „BaltischLitauischen Mitteilungen“ erfahren, besteht nicht die Absicht, die Hochschule eingehen zu lassen, vielmehr ist vom Armeeober, kommando die Wied reröffnung der Tierärztlichen Hochschule für das kommende Winterhalbjahr beantragt, und es ist anzunehmen, daß dem Antrag stattgegeben wird. Die Kliniken der Hochschule sind über— haupt nicht geschlossen worden, sondern arbeiten fort.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
— ———
Familiennachrichten.
Verlobt: Frl. Hellen von Fock mit Hrn. Leutnant d. R. Justinian
Frhr. von Günderode, Majorat Saggar.
Gestorben: Hr. en ,, 3. D. e ur v. Schmidt. Friedenau, — Hr. Königl. Kämmerer, Major a. D. Graf Maximiliqh pon DrechlelDeuffstetten. Tegernsee. — Hr. Major Paul von . schetd Berlin. — Frau Margarete Freifrau von Wrangel, geb⸗ von Alvensleben, Bad Blankenburg.
me.
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburb⸗ Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftestelle J. V.: Rechnungsrat Reyher in Berlin. Verlag der Geschäftsstelle (J. V. Reyhemn in Berlin. Druck der Norddeutschen Buschdrucherei und Verlagsanstalt. Berlin, Wilhel mstraße 32.
Fünf Beilagen leinschließlich Warenzeichenbellage Nr. 57]
Erste Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiget und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
121.
Berlin, Dienstag, den 23. Juli
1 ——
Parlamentarische Nachrichten.
Mitglied des preußischen Herrenhauses, General— . eh. „Wirklicher Oberkonsistorialrat Dr. Jo⸗ Hesekiel ist, wie ‚W. T. B.“ meldet, vorgestern
u im 83. Lebensjahre in Wernigerode verschieden.
Dem Abgeordnetenhause ist der nachstehende Ent⸗ uf eines Jugendfürsorgegesetzes nebst Begründung
n: ; . 1. Jugendämter.
81. Zur Förderung der Jugendfürsorge ist von jedem Stadt- und am Landkreis ein Jugendamt zu errichten. Die kreisan ehörigen anden mit mehr als 10 000, Einwohnern sowie die selbstäͤndigen hte der Probinz Hannoher 3 27 Abs. 1 der Kreisordnung für provinz Hannover vom 6. tai 1884 . Gesetzsamml. S. 181) befugt, mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde besondere Jugend⸗
gin zu errichten. . ; Das Jugendamt ist zugleich Gemeindewaisenrat. 83 Das Jugendamt ist ferner berufen: . darüber zu wachen, daß den gefährdeten Minderjährigen der nerliche Schutz gewährt und deren Verwahrlosung entgegen— lt wird, ; . . in Berüfspormundschaften über uneheliche Kinder einzurichten
.
6 und die Fürsorge für diese tunlichst schon vor der Geburt zu nehmen, 2. 1. ö ; 6. bei Einleitung und Ausführung der Fürsorgeerziehung mit— mien (3 21), ( J in die Pflege der Haltekinder zu beaufsichtigen (6 22 a . 5 die Justizbehörden bei der Strafrechtspflege gegenüber Minder— ien zu unterstützen. s. die freie Liebestätigkeit in der Jugendfürsorge anzuregen sowie enen planmäßigen . und ein zweckentsprechendes Ineinander⸗ nn der gesamten Säuglings-, Kleinkinder- und Schulkinderfürsorge hiuarbeiten, ö die staatlichen, Schul⸗ und Kommunalbehörden bei den ihnen f durch Gesetz oder Verwaltungsvorschriften zugewiesenen oder sa ihnen übernommenen Aufgaben zu unterstützen, die die Fürsorge die Jugend in körperlicher, geistiger und sittlicher Hinsicht be—
ffen. fi Erfüllung dieser Aufgaben, sowie auf dem weiteren Gebiete ugendfürsorge hat das Jugendamt mit den diesem Zwecke dienenden hinen und Veranstaltungen unter Wahrung von deren Selbstäͤndig— . jusammenzuwirken. 56
Die Verfassung des Jugendamt regeln die Kreise oder Ge— susden vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen.
4
In den Landkreisen ist der Landrat als Vorsitzender des Kreis— ulskuses Vorsitzender des Jugendamts. Der ständige Vertreter mf wird aus den Mitgliedern des Jugendamts von diesem
illt. .
ö § 6.
dem Kreisjugendamte gehören als Mitglieder kraft ihres Amtes an:
der Kreisschul inspektor,
Udet Kreisarzt, ꝛ . .
pF ein von dem Regierungspräsidenten im Einvernehmen mit
der kirchlichen Oberbehörde für die Dauer von drei Jahren zu bestimmender Geistlicher der evangelischen Landeskirchen und der katholischen Kirche.
Eind im Bezirte des Jugendamts mehrere Kreisschulinspektoren n Kreisärzte angestellt, so bestimmt die diesen vorgesetzte Dienst⸗ käötde, wer von ihnen Mitglied des Jugendamts ist.
§ 7.
Als ehrenamtliche Mitglieder werden in das Kreisjugendamt von n streistage auf die Dauer von drei Jahren in der Regel nicht cht als 12 in der Jugendfürsorge erfahrene und bewährte Männer Frauen berufen, unter ihnen Aerzte, Lehrer, Geistliche und Ver— nr der der Jugendfürsorge dienenden Vereine sowie der in dem fine des Jugendamts befonders vertretenen Berufsstände. .
Der Berufung in das Jugendamt steht nicht entgegen, daß die ill zu einem kommunalen Amt durch ein Amt oder das Geschlecht nceschlossen ist.
88. . In den Stadtkreisen sowie in den Gemeinden, die ein besonderes dtendamt errichten, wird das Jugendamt nach den Gemeinde- nrusungsgesetzen gebildet; die in dem Sz 6 genannten Personen nen, die im 8 7 genannten Personen sollen dem Jugendamt an⸗ kiöten neben dem Kreisschulinspektor kann ein Beamter der Ge⸗ nindeschulerwallung, neben dem Kreisarzt ein von der Gemeinde hhestellter Arzt berufen werden.
Die Bestimmung des 57 Abs. 2 findet Anwendnng.
2
8 9. d Als Jugendamt kann auch die erforderlichenfalls nach § 8 zu mirkende Schuldeputation oder eine der allgemeinen Fürsorge oder chlfahrtepflege dienende Einrichtung bestellt werden, sofern ihre fsammensetzung den S5 6 und 7 genügt.
10. dr Jugendamt kann für einzelne seiner Aufgaben besondere He errichten und in diese Vermreter von anderen Vexanstal⸗ wen oder Vereinen berufen, die denselben oder ähnlichen Zwecken . Es kann alle oder einzelne Aufgaben, insbesondere die Ge⸗ mite des Gemeindewaisenrats für örtlich abzugrenzende Teile seines ks besonderen Äbteilungen oder einzelnen Perfonen übertragen.
9 ö § 11 ., Unterstüͤtzung des Jugendamts sowie des Berufsvormunds 1 Personen, die dazu bereit sind, auch Frauen, insbesondere ne enn, Fürsorgerinnen, Hebammen u. a., als Waisenpfleger 3 ih bestellen. Die Waisenpflegerinnen haben vorzugs⸗ 6 w *. der Sorge für die Person der im Kindegalter stehenden und ant lichen Minderjährigen sowie bei der Aufficht über die Halte— n mitzuwirken. . nn . Auswahl der Waisenpfleger ist auf das religiöse Be— . der Minderjährigen runlichst Rücksicht zu nehmen. o sofn geeignete Verelne im Bezirt des Jugendamts vorhanden, en auch sie für die pflegerische Arbeit herangezogen werden.
Der Berufebormund ist a zungen des Jugendamts regel⸗ hißig zuzuziehen. zu der tz 9 9
D . 5 13. ae Vermundschaftsgericht it zu den Sitzungen des Jugendamts amm nen und muß in diesen gehört werden. Auf Einladung des He schaftsgerichts hat das! Jugendamt einen Vertreter zu Be—
ll 1 Auf Erfüchen des Vormundschaftsgerichts hat
zu erteilen und Gutachten zu erstatten.
2. Berufspormundschaft. § 14.
Der Vorstand einer unter staatlicher Verwaltung oder Aufsicht stehenden Erziehungs- oder Verpflegungsanstalt oder ein von ihm be— zeichneter Angestellter der Anstalt kann auf Antrag des Vorstandes vor den nach 5 1776 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als Vormünder berufenen Personen zum Vormund der Minderjährigen bestellt werden, die in der Anstalt nicht nur vorübergehend untergebracht sind (An— staltsvormund).
Das gleiche gilt für Zöglinge, die unter der Aufsicht des Vor— standes der Anstalt in einer von ihm ausgewählten Familie erzogen werden.
515.
Das Jugendamt hat einem oder mehreren ehrenamtlichen Mit— gliedern oder Beamten die Fürsorge für die unehelichen Kinder zu Übertragen; das Mitglied oder der Beamte, dem die Fürsorge über⸗ tragen ist, hat die Rechte und Pflichten eines Vormundes über die nnehelichen Minderjährigen, die unter seiner Aufsicht in einer von ihm ausgewählten Familie oder Anstalt oder in der mütterlichen Familie erzogen oder verpflegt werden (Amtsvormund).
Die Rechte und Pflichten des Amtsvormunds bestehen nur, solange das Vormundschaftsgericht nicht einen anderen Vormund be— stellt hat. Der Amtsbormund behält die Rechte und Pflichten des Vormunds auch nach der Beendigung der Erziehung oder Verpflegung bis zur Volljährigkeit des Mündels; er kann die Weiterführung der Vormundschast durch Anzeige an das Vormunbschaftsgericht ablehnen.
Der Amtsvormund hat den Eintritt der Amtsvormundschaft dem Vormundschaftsgericht anzuzeigen; mit dem Eintritt der Amts⸗ vormundschast endigt das Amt eines früheren Vormunds.
Die Standesbeamten haben dem zuständigen Amtsvormund von der Geburt eines unehelichen Kindes unverzüglich Anzeige zu erstatten.
5 16.
Durch Statut einer Gemeinde oder eines weiteren Kommunal— verbandes können Beamten dieser Verwaltungen alle oder einzelne Rechte und Pflichten des Vormundes für die ehelichen Minderjährigen übertragen werden, die unter Aufsicht der Beamten in einer von diesem ausgewählten Familie oder Anstalt erzogen oder verpflegt werden (Amtsvormund). Für Gutsbezirke kann der Kreisausschuß entsprechende statutarische Vorschriften erlassen.
Die Bestimmungen des § 15 Abs. 2 und 3 finden Anwendung.
3
Das Vormundschaftsgericht kann im Einvernehmen mit dem Ge⸗ meindevorstande (Gutsvorstand) oder mit dem Vorstande eines weiteren Kommunalverbandes einen Beamten dieser Verwaltungen vor den nach S 1776 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als Vormünder berufenen Personen zum Vormunde für die ehelichen Minderjährigen bestellen, die unter der Aufsicht des Beamten in einer von ihm ausgewählten Familie oder Anstalt erzogen oder verpflegt werden (Sammelvormund).
S§ 18.
Neben dem Berufsvormund (Anstaltsvormund, Amtsvormund, Sammelvormund) ist ein Gegenvormund nicht zu bestellen; dem Be⸗ rufsvormund stehen die nach 3 1852 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetz⸗ buchs zulässigen Befreiuungen zu.
Wenn ÜUmstände eintreten, die die Bestellung eines anderen Vor— munds an Stelle des Berufsvormunds im Interesse des Mündels ge⸗ boten erscheinen lassen, hat das Jugendamt dies dem Vormundschafts— gericht unverzüglich anzuzeigen.
Auch sonst kann das Jugendamt im Einvernehmen mit einer der Jugendfürsorge dienenden Vereinigung oder Veranstaltung in den ge⸗— eigneten Fällen dem Vormundschaftsgerichte an Stelle des Berufs— vormunds für die Führung einer oder mehrerer Vormundschaften Personen vorschlagen, die dafür besonders vorgebildet oder befähigt und bereit sind, die Vormundschaft unter Mitwirkung der Ver—
einigung oder Veranstaltung zu führen (organisierte Einzelvor— mundschaft). 2
Bei der Auswahl der Familie oder Anstalt ist auf das religiöse Bekenntnis des Minderjährigen tunlichst Rücksicht zu nehmen. Wird ein Mündel in einer Anstalt, die nicht seinem Bekenntnis angehört, oder, solange er schulpflichtig ist, in einer solchen Familie unter— gebracht, so hat der Berufspormund das Vormundschastsgericht hiervon unverzüglich zu benachrichtigen.
S§ 20.
Berufsvormünder haben sich untereinander, die Behörden den Berufsvormündern bei den ihnen obliegenden Verreichtungen Beistand zu leisten.
3. Aenderungen des Gesetzes über die Fürsorge— erziehung Minderjähriger. 5 81. ; Die §§ 4 und 5 des Gesetzes über die Fürsorgeerziehung Minder⸗ jähriger vom 2. Juli 1900 (Gesetzsamml. S. 284) erhalten folgende
Fassung: 984
Das Vormundschaftsgericht beschließt von Amts wegen oder auf Antrag. Zur Stellung des Antrages sind die Jugendämter berechtigt und verpflichtet. ö. . .
Vor der Beschlußfassung soll das Vormundschaftsgericht, soweit dies ohne erhebliche Schwierigkeit geschehen kann, die Eltern, den gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen, und in allen Fällen den zuftaͤndigen Geistlichen und den Leiter oder Lehrer der Schule, welche der Minderjährige besucht, hören. Von der Anhörung der Geistlichen und Lehrer kann abgesehen werden, wenn sich aus dem Antrage des Jugendamts deren Anhörung ergibt. Ertolgt die Beschlußfassung nicht auf Antrag, so hat das Vormundschaftsgericht zuvor auch dem Jugendamt Gelegenheit zu einer Aeußerung zu geben.
Der Beschluß ist dem gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen, diesem selbst, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat, dem Jugend— amt und dem verpflichteten Kommunalverbande (3 14) zuzustellen.
Gegen den Beschluß steht den im Absatz 3 Gengnnten die so— fortige Beschwerde zu, dem gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen oder diesem selbst jedoch nur dann, wenn der Beschluß auf Unter⸗ bringung zur Fürsorgeerziehung lautet. Die Beschwerde hat auf⸗ schiebende Wirkung. 50
Bei Gefahr im Verzuge kann das Vormundschaftsgericht eine
vorläufige Unterbringung des Minderjährigen anordnen. Das Jugend⸗ amt des Aufenthaltsorts hat in diesem Falle für die Unterbringung des Minderjährigen in einer Anstalt oder in einer geeigneten Familie u sorgen. ; ö ice, durch die vorläufige Unterbringung erwachsenden Kosten fallen, sofern die Ueberweisung zur Fürsorgeerziehung demnächst end⸗ gültig angeordnet wird, dem verpflichteten Kommunalverbande (814), andernfalls demjenigen zur Last, der das Jugendamt errichtet hat. Das Jugendamt hat in allen Fällen die durch die vorläufige Unter⸗ bringung entstehenden Kosten vorzuschießen.
Streitigkeiten über die Angemessenheit der dem Erstattungs— pflichtigen in Rechnung gestellten Vorschüsse des Jugendamts ent⸗ scheidet der Bezirksausschuß im Beschlußversahren. Der Beschluß des
Bezirksausschusses ist endgültig.
4. Haltekinderwesen. § 22. Wer fremde, noch nicht 7 Jahre alte Kinder
a) unehelicher Geburt gegen Entgelt oder ohne Entgelt,
b) ehelicher Geburt gegen Entgelt, (Haltekinder) in Kost und Pflege nehmen will, bedarf dazu der vor—⸗ herigen Erlaubnis des Jugendamts, in dessen Bezirk er seinen Wohnsitz hat.
Als Kind ehelicher Geburt im Sinne dieser Vorschrift gilt auch ein uneheliches Kind, das gemäß 8 1706 Absatz ? des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Namen des Ehemanns der Mutter führt.
5 23.
Die Erlaubnis wird grunosätzlich nur an weibliche Personen (Haltefrauen) und nur für höchstens zwei Kinder erteilt. Ausnahmen sind zulässig. Wird die Erlaubnis männlichen Personen erteilt, so finden die Vorschriften dieses Gesetzes auf sie Anwendung.
Die Erlaubnis kann an Bedingungen geknüpft werden.
Der Minister des Innern erläßt Vorschriften über die Voraus— setzungen, unter denen die Erlaubnis zu erteilen ist.
§ 24. Die Erlaubnis erlischt a) bei jedem Wohnungswechsel der Haltefrau, b) wenn seit Abgabe des letzten Haltekindes oder seit der Er— teilung der Erlaubnis, ohne daß inzwischen ein Haltekind aufgenommen worden ist, ein Jahr vergangen ist.
. 3 29.
Die Erlaubnis kann widerrufen werden, wenn das geistige oder
leibliche Wohl des Kindes durch die Unterbringung gefährdet erscheint.
§ 26.
Gegen die Versagung oder den Widerruf der Erlaubnis ist nur die Beschwerde bei dem Regierungspräsidenten — in Berlin bei dem Oberpräsidenten — zulässig; diese entscheiden endgültig.
Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
§ 27.
Die Haltefrau hat unbeschadet der sonst gesetzlich oder polizeilich vorgeschriebenen Anzeigen die Aufnahme und die Abgabe eines Halte⸗ kindes innerhalb drei Tagen, den Tod eines Haltekindes unverzüg— lich, spätestens an dem darauf folgenden Tage dem Jugendamt anzu⸗ zeigen. Die Beerdigung der Leiche eines Haltekindes darf nur mit Er— laubnis des für den Sterbeort zuständigen Jugendamts erfolgen.
Der Minister des Innern bestimmt den Inhalt der hier vor— geschriebenen Anzeigen.
8 28.
Die vom Jugendamt mit der Aufsicht über die Pflege der Halte⸗ kinder beauftragten Personen sind berechtigt, jederzeit die Wohnung der Haltefrau zu besichtigen und zu verlangen, daß ihnen über die Verhältnisse des Kindes, insbesondere über dessen Unterbringung, Er— nährung und Pflege Auskunft erteilt wird, sowie, daß das Kind ihnen oder einem von ihnen zu bezeichnenden Arzte zur Prüfung seines Ge⸗ sundheitszustandes vorgeführt wird.
§ 29.
Die Vorschrift des 8 28 findet entsprechende Anwendung auf un—⸗ eheliche Kinder im Alter bis zu? Jahren, die bei ihrer Mutter zur Pflege unterbracht sind. 299
Die Vorschriften der 55 22 bis 29 finden leine Anwendung auf Haltekinder (5 22), die in einer öffentlichen oder in einer privaten, auf dem Gebiete der Kinderfürsorge bewährten Anstalt erzogen oder verpflegt werden oder von einer öffentlichen Behörde unter ihrer Auf⸗ sicht in Familienpflege gegeben sind.
Das Jugendamt entscheidet, ob eine private Anstalt als auf dem Gebiete der Kinderfürsorge bewährt anzusehen ist. Die Entscheidung ist widerruflich. .
Auf Haltekinder (3 22), die bei ihren Großeltern untergebracht werden, finden nur die 58 27 und 28 dieses Gesetzes entsprechende Anwendung.
8§ 31.
Wer ein Haltekind ohne die vorgeschriebene Erlaubnis in Kost und Pflege nimmt, oder nach Erlöschen oder Widerruf der Erlaubnis in Köst und Pflege behält oder von den in der Erlaubnis festgesetzten Bedingungen abweicht, wird mit Geldftrafe bis zu 1000 „ oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft.
Die gleiche Strafe trifft denjenigen, der in den nach 5 27 vor⸗ geschriebenen Anzeigen wissentlich unrichtige Angaben macht.
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Wer der in 527 vorgeschriebenen Anzeigepflicht nicht nachkommt, oder wer die Leiche eines Haltekindes ohne die in S 27 vorge⸗ schriebene Erlaubnis beerdigt, wird mit Geldstrafe bis zu 190 A oder mit Haft bestraft.
5. Unterstützung hilfsbedürftiger Minderjähriger. § 33.
Bei hilfsbedürftigen Minderjährigen können die verpflichteten Armenverbände auch Aufwendungen für die Erziehung und die Vor— bildung zu einem Berufe machen.
5 34.
Verpflichtet zur Unterstützung eines hilfsbedürftigen unehelichen Minderjährigen ist der Landarmenverband — in der Provinz Ost— preußen der Landarmenverband der Provinz —, in dessen Bezirk der uneheliche Minderjährige seinen Unterstützungswohnsitz hat.
35.
Der Landarmenverband übt seine Unterstützungstätigkeit mit Hilfe der Jugendämter aus. Die Jugendämter haben als Beauftragte des Landarmenverbandes die Hilfsbedürftigkeit sowie den Umfang der er— forderlichen Unterstützung vorläufig festzustellen und dem Landarmen⸗ verband unverzüglich mitzuteilen. Soweit erforderlich, haben die Jugendämter die Unterstützung vorläufig zu bewirken. Der Land⸗ armenverband kann den Jugendämtern für diese Zwecke Mittel bereit⸗ stellen.
§ 36.
Der endgültig verpflichtete Landarmenverband ist berechtigt, sofern es sich nicht um ein landarmes Kind handelt, vorbehaltlich ander⸗ weitiger Vereinbarung Ersatz von 23 seiner Kosten von dem Orts⸗ armenverband des Unterstützungswohnsitzes des unehelichen Minder⸗ jährigen zu verlangen. Die Erstattung erfolgt durch Vermittlung des Kreises, welchem dieser Ortsarmenverband angehört; der Kreis ist verpflichtet, dem Ortsarmenverband die Hälfte der von letzterem aufzubringenden Kosten als Beihilfe ö. gewähren.
Die Befugnis des Landarmenverbandes, die Erstattung der Kosten der ihm obliegenden Unterstützung von den aus anderen als armen⸗ rechtlichlichen Titeln Verpflichteten nach 5 62 des Gesetzes über den n, ,, vom 30. Mai 1908 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 381) zu fordern, bleibt unberührt.
6. Ausführungs- und Uebergangsbestimmungen.
§ 37. Die Minister des Innern, der Justiz sowie der geistlichen und
Unterrichtsangelegenheiten sind mit der Ausführung dieses Gesetzes be— auftragt.
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