1919 / 81 p. 18 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 08 Apr 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Die Arbeiter- und Soldatenräte des II. Arm ee⸗ lkarpz haben mit vier Fünftel⸗Mehrheit sich gegen die R und für die Freiheit der Prefse ausgesprochen.

Zu den Erklärungen, wonach sich verschledene bayerische Städte der Raterepublit . haben, wird a. oben⸗ ßendnnten Büro non berufener Stelle mitgeteilt, daß es sich hier keinesfalls um Kundgebungen des Volkswillens handelt,

sondern nur um propagandistische eigenmächtige Aeußerungen örtlicher Arbei ern . 396 ö

Die „Korrespondenz Hoffmann“ meldet amtlich, daß der Volksbeauftragte für auswärtige Angelegenheiten an, den bayerischen Gesandten der Räterepublik De. von Preger in Berlin folgendes Schreiben gerichtet hat:

!. Da das opus Frimum neos non ultimum des Herrn Preuß über die deutsche Verxfassung für Bayern niemals bindendes Hesetz werden kann, weil ich die durch bayerisches Blut bei Wörth und ,, ö a. nicht preisgeben darf, er⸗ uche ich Sie, unverzüglich dem Grafen Brockdorff-⸗Rantzau Ihr Aoschiedsgesuch einzureichen. t 1 .

Der revolutignäre Zentralrat der Räterepublik

Bayern' erläßt zur Beruhigung an die Münchener Be— völkerung einen Aufruß, in bem es dem „Wolffschen Tele⸗ graphenbüro“ zufolge unter anderem heißt: . Niemand denkt daran, Eure Sparkassenguthaben anzutasten. Für den Schutz der Stadt München wird ausgiebig gesorgt. Wer plündert, wird. erschossen. Mit strengsten Strafen? durch das Re— polut jonstrihunal belegt, wer gegenrevolutionäre Umtriebe anzeitelt, her Druckschriften verbreitet, auf denen die für Abfassung und Druck Verantwortlichen ich nicht nennen, wer Gerüchte verbreitet, die die, zffentli he. Sicherheit gefährden, wer zu einer Form des Bürgerstreiks auffordert oder sich derart daran beteiligt, daß Gesundheit und Wohl der arbeitenden. Bevölkerung bedroht sind. Wir haben den sicheren Nachweit, daß die massenhaft ver⸗ breiteten anonymen Flughlätter, in denen schamlose Judenhetze ge— triehen wird, und deren Ergebnis sein könnte und sein soll, daß es zu schweren Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung kommt, aus Norddeutschland hergeschickt worden sind. Wir haben Frieden j der Hepölkerung und werden ihn behalten, wenn wir in unserer Arbeit für den Aufbau der neuen Geselschaft nicht durch verantwor- tungslole Elemente gestört werden.

Der revolutjonäre Zentralrat veröffentlich obiger Quelle zufolge nachstehende Anordnung über bie Soziali⸗ sierung der Presse:

Um die Sozialisierung der Presse sofort beginnen zu können, wird die gesomte Presse Bayerns unter gesellschaftliche Wirtschafts— aufsicht gestellt. Die gesamte Verwaltung und Betriebsführung untersteht auch in wirtschaftlicher Beziehung der öffentlichen Aus— sicht. Die Aufsicht üben sofort Betriebsräte aus. Um der soziali—= ,, . . zu verschaffen und e e endlich

ahrhaft freie Meinungsäußerung zu ermöglichen lgen um⸗ gehend Einzelbestimmungen. ern 6. ,,.

Nach einer weiteren Verordnung des revolutionären Zentral⸗ rats wird allgemeine Sonntagasruhe auch für die Pre se angeordnet. Die Lebensmittelgeschäfte bleiben von der Anordrung ausgenommen. Ferner werden, um die So ziali— sierung vorjubereiten, alle Uniernehm ungen unter gefell⸗ schaftliche Aufsicht gestellt. Alle Betriebe haben unge⸗ stört weiterzugehen. Alle leitenden Persönlichkeiten, Direktoren, Ingenieure hahen dle Arbeit fortzusetzen. Die Aussicht der Geschäfts gebarun und der Geldbewegung wird durch BetriebaräItè oder. Arbeiter⸗ und Angestelltenausschüsse er— möglicht. Auch sämttiche Bergwerke werden zum Zweck der Sozlalssieruig unter gesellschaftliche Kontrolle gestellt. Die bffentliche Aufsicht obliegt dem Zentralwirtschaftzamt im Benehmen mit dem Arbeiterkontrollrak, dem Bergarbeiler= rat, dem Slaatskommissat für Demobllm achung, der

staatlichen Bergwerksverwaltung und den sonst beteiligten Stellen.

Der in Nürnberg für gestern beabsichtigte General— streik ist nicht völlig gelungen. In einigen Fabriken legten die Arbeiter die Arbeit nieder und begaben sich zu einer auf den Vormittag nach der Jusel Schütt einberufenen Vers ammlung unter . Himmel. Ein Redner teilte mit, daß die Fürther Garnison auf dem Boden der Räte⸗ republik stehe und berelt sei, falls das dritte Armeekorps mit Weffengemalt gegen das Proletariat vorgehen sollte, sich be⸗ waffaet hinter dag Proletariat zu stellen. In geschlossenem Zuge zogen die Versammlungsieilnehmer dann nach dem Heneralkommando; dort zerstreute sich nach einer Ansprache die Menge.

Württemberg.

Eine von dem württembergischen Staatspräsidenten Bl os, dem badischen Ministerpräsidenten Geiß und dem hessischen Ministerpräsibenten Ulrich veröffentlichte Erklärung be— sagt dem „Welffschen Telegraphenbüro“ zufolge: „Die Re—

lerungen von Württemberg, Baden und Hessen ehen das Ministerium Hoffmann nach wie vor als die alleinige rechtmäßige Regierung des Volksz— staates Bayern an.“

Nach dem amtllchen Bericht ist Stuttgart voll— sländig ruhig. Die Arbeit ist in den meisten Hen ben wieder aufgenommen.

Oesterreich.

Das sozlalistische Blatt Prapo Lidu“ meldet. daß nach Nachrichten vom Lande die Jahrgänge 1887 bis 1897 zum so⸗ fortigen Dienslantritt einberufen werden. Da die Leute nach der langen Kriegszeit nicht einrücken wollten, sei ihnen mit dem Gericht und der gewaltsamen Abführung gedroht worden. Ganze Gegenden . durch dieses Vorgehen beunruhigt. Das Blatt fordert die soforlige Einstellung dieser neuen Mo bilisierung. .

Groszbritannien und Irland.

Im Unterhaus erklärte der Unterstaatssek etär Harms— wor ih in Erwiderung auf eine Anfrage über die Lage in Aegypten, wie „Reuter“ meldet, der General Allenby habe eine ,, erlassen, daß die Ordnung größtenteils wiederhergestellt sei. Es verlauie, daß ein Ministerium in der Bildung begriffen sei und daß eine Abordnung von

Aegyptern entsprechend einer schon zweimal von der brilischen

Regierung erlassenen Einladung England einen Besuch abstatten werde. Die Wohnung sgesetzvorlage, die umfassende Pläne in der Wohnungsfrage sowie die Ausrottung der schmutzigen Stadtviertel im ganzen Lande vorsieht, wurde in sweiter Lesung einstimmig angen ommen.

Frankreich.

Der Präsident Poincaré hat auf einen Bericht Clemenceaus hin die gegen Cottin verhängte Todesstrafe in eine zehnjährige Zuchthausstrafe um gewandelt.

Laut Meldung des „Echo de Paris“ ist Genf endgültig zum Sitz des Völkerbundes bestimmt worden.

Nach dem diplomatischen Situationsbericht vom; 7. April setzten die mit der Abfassung des künftigen Statutes für das Saarbecken beauftragten Finanzsachverständigen der Sonderkommission ihre Arbeiten fort. Am Nachmittag trat der Viererrat im Arbeits immer Lloyd Georges zusammen. Der Oberst House vertrat den Präsidenten Wilson.

Die Kommission, die zur Untersuchung der Frage der internationalen Gebiete, Häfen, Wasserwege und Eisenbahnen eingesetzt war, hat, dem Reuterschen Büro zufolge, ihren Bericht fär hie Friedenskonferenz beendet, der die Verfügungen und Einschränkungen behandelt, welche nach den Vorschlägen der Kommission den Verbindungswegen in den feindlichen Ländern auferlegt werden sollen, um den neu gegründeten Staaten in Mitteleuropa den Zugang zur See, freie Durchfuhr und freien Verkehr durch Deutschland und Oester⸗ reich zu sichern. Die Vorschläge bezüglich des Rheines enthalten den Beitritt Frankreichs und der Schweiz sowie einiger nicht an dem Flusse gelegener Staaten zu der be— stehenden Mannheimer Konvention zwischen Deutschland und Holland. Der Bericht empfiehlt ferner, daß Deutschland im Friedens vertrage die Verpflichtung auferlegt werde, die freie Zone im Hamburger Hafen und in anderen Häfen unein⸗ geschränkt beslehen zu lassen

In einem gestern bei der chinesischen Abordnung auf der Friedens konferenz telegraphisch aus Peking einge⸗ troffenen Kommuniqué besteht die chinesische republikanische Regierung auf der Aufhebung der 21 Forderungen Japans. Das Kommuniqusè verlangt der Agence Havas“ zufolge einleitend sür China die Freiheit, seine eigenen Angelegenheiten regeln zu dürfen, weil China überzeugt ist, daß nur auf diesem Wege ein dauerhafter Friede und dauerhaftes Glück im östlichen Asien Eingang finden und die bedauerlichen Wirkungen der letzten 25 Jahre der Geschichte Chinas ausgelöscht werden können. Nach einer ausführlichen Darlegung der politischen und historischen Gründe für die Rechtmäßigkeit der Ansprüche erklärt die chinesische Regierung zum Schluß, daß China jetzt die Abschaffung oder Abänderung aller mit Japan im Jahre 1915 abgeschlossenen Vereinbarungen und Verträge verlange, weil ihr Inhalt unvereinbar sei mit den Grundsätzen, auf denen der Völkerbund sich aufbaue.

Schweiz.

Wie die „Baseler Nochrichten“ mitteilen, hat der Schweizer Bundesrat dem früheren König von Bayern auf Ansuchen gestattet, mit kleiner Begleitung in Zizers bei Chur Wohnung zu nehmen.

Afrika.

Nach einer amtlichen Hevasmeldung aus Kairo wurde in der Gegend von Sint die Ordnung durch 16 unter dem Befehl des Generals Ruddlestone vorgehende mobile Kolannen wiederhergestellt.

Nr. 29 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium, der öffentlichen Aibeiten am 5. April 1919, hat folgenden Inhalt: Amtliches; Erlaß vom 15. März 1919, betr. Fürsorge für den gewerblichen Mittelstand.

Dienstnachtichten. Nichtamtliches: Staatsminister Hoff. Die neue Postschalterhalls in Freiburg im Breisgau. Gleisanlngen

mit Drehscheiben und Schlebebühnen vor Maschinenhäusern. Die Baukunst des klassischen Altertunitz.— Vermischtes: Wettbewerhe für Entwürfe für einen Parkfriedhof ünd für Wohnungsbauten der Ge— meinde Berlin-Grunewald und zum Bau einer Stadthalle in Erfurt. Beschäftigungslos gewordene Techniker des Wasser⸗ und Straßen baufaches aus Elsaß⸗Lothringen und den duich Polen besetzten Ge⸗ bieten. Energie oder Arbeit vermögen? Buͤcherschau.

Theater und Musik.

Im Opernhau se, wird morgen, Donnerstag, Carmen“, mit den Damen Leisner, Escher, Sax, Birkenström und den Herren Jadlowker, Bachmann, Habich, Henke, Sommer hbesetzt, aufgeführt.

Den Escamillo singt erstmalig Herr Schwarz. Musfkalischet Leiter

ist der Generalmustkdirektor Leo Blech. Anfang 7 Uhr. Im Schauspielhause wird morgen „Othello“ in der be⸗ , mn gegeben. Spielleiter ist Dr. Reinhard Bruck. nfang .

Mannigfaltiges.

Der Minister des Innern hat am 7. d. M. an die Regierungspräsidenten folgendes Schreiben gerichtet:

Die bisherige Handhabung der Bestimmungen über die äußere Heilighaltung der Sonn- und Feiertage entspricht nicht mehr dem heutigen Empfinden. Wenn es auch nicht geboten erscheint, die auf diesem Gebiete geltenden Polizeiverordnungen jetzt allgemein abzuändern, zumal Dringenderes zu tun ist, so erscheint doch ihre freiere, dem modernen Zeitgeist mehr entsprechende Aus⸗ legung und Handhabung am Platze. Insbesondere ist meinerseits nichts dagegen einzuwenden, wenn am Karfreitag das Bühnenweih⸗— festspiel ‚Parsifal! von Richard Wagner, das Fuchssche Christusdrama oder andere Aufführungen dieser Art stattfinden. Im übrigen aber werden Theaterstücke an diesem Tage zu unterbleiben haben, schon mit Rücksicht auf die Wünsche der Bühnenangehörigen, für die der Karfreitag neben dem Bußtage der hergebrachte Ruhetag ist. Ich ersuche ergebenst, hiernach gelegentlich der bevorstehenden Feiertage zu verfahren und die Interessenten entsprechend zu verständigen. Dabei stelle ich die Entscheidung darüber, ob die Verständigung zweckmäßigerweise im Wege der öffentlichen Bekanntmachung oder durch unmittelbare Benachrichtigung der Theaterunternehmer und Konzertgeber zu geschehen hat, in das dortseitige Ermessen. (W. T. B.)

Im Anschluß an das Verbot jeglicher . rottungen und Demonstrationen in erlin teilt W. T. B.“ mit, . die Viertel der Potsdamer Straße, Prinz i if, immerstraße, Leipziger Straße und das ganze Gebiet zwischen diesen Straßen bis zur Spree, ferner das von der Spree durchsogene Gebiet zwischen Königsplatz und Schloß und schließlich das Gebiet des Alexanderplatzes durch besondere Ab sperrungs⸗ maßregeln gesichert werden.

Rückkehr deutscher Schwerverwundeter. Die belgische Reglerung hatte, wie bereits mitgeteilt, deut schen

Lazanettzügen die Fahrt nach Belgien erlaubt, um die in belgischer 6 efangenschaft weilenden 6b schwerverwundeten und schwerkranken Krieger sowie 250 Mann Sanitätspersonal heim⸗ zubefördern. Die Züge sind, wie W. T. B.“ meldet, inzwischen nach Belgien gefahren und treffen am 8. und 9. April mit den Frei⸗ gegebenen in Cöln ein. Der erste Transport der von den Amerikanern freigegebenen 3000 deut schen Schwerver⸗ wundeten und Schwerkranken ist heute über Koblenz nach

Lim burg abgegangen.

Die Inspektion der Gefangenenlager im Be⸗ reiche des 11I. Armeekorps in Berlin, Genthiner Straße 32, Hof rechts 1 Tri, gebraucht zur Bewachung von Kriegs⸗ gefangenen im Lager Havelberg noch Wach mannschaften der Jahrgänge von 1870 —= 1880. Neben Verpflegung wird Löhnung von täglich 1 M und 4 4 Zulage täglich gewährt. Feldwebel, Unter= offiziere erhalten die Loöhnung ihres Dlenstgrades und die gleiche Zulage. Mllitärkleidung und Entlassungspapiere sind mitzubringen. Meldungen werden von 9—12. April 1919 von 9 11 Uhr entgegengenommen.

Das Deutsche Stadion im Grunewald wird am Karfreitag seine Pforten öffnen. Es finden Radrennen des Gaues 20, ein Fußballspiel der Ligamannschaften des. Berliner Ballspieltlubs gegen den Verein für Bewegungsspiele⸗Pankow und J waldlauf des Verbandes Berliner Athletikvereine statt. Beginn der Radrennen um 3,30, des Fußballspielt um 4,153 und des Waldlaufs um H, 00 Uhr Nachmittags, Die Preise der Plätze betragen 1 und 2 6 (Loge).

Rotterdam, 8. April. (W. T. B.) Dem Wunsche der deutschen Regierung entsprechend ist heute auf Veranlassung des Ver⸗ treters der deutschen Regierung in Rotterdam der erste Ueber- seedampfer mit Mehl, Bohnen, Fetten und Milch, zusammen etwa 8000 Tonnen, nach Bremerhaven beordert worden. Es werden ferner in nächster Zeit in Hamburg und anderen deutschen Häfen, aus Amerika kommend, 35 000 Tonnen Getreide, Mehl und Fette erwartet. r /

Aeronautisches Observatorinm. Lindenberg, Kreis Bees kow. 8. April 1919. Drachenaufstieg von 14 bis 44 Vorm.

! Relative Wind Seehöhe Luftdruck Temperatur 0 dert Cin h. h el j ekund. J oben unten oo Richtung Meter 122 743,7 4,853y 86 ONO 5—7 döß I]15 117 3 SS ing 1000 669 5,7 80 SOz O 9 1500 629 0,5 75 SO 9 2000 591 2,9 70 SO 8 2500 555 4, 45 SOzS 8 3000 520 7,9 45 SOz S 8 3500 488 —10,9 45 SOz S 7 4000 457 —12,9 45 SOz S 7

Heiter. Bodeninversion von 480 auf 13,50 in 300 m, Inversion von 290 auf —1, 90 zwischen 2000 und 2150 m.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage)

Theater.

Gyernhaus. (Unter den Linden Donnerstag: 219. Karten⸗ reservesatz. Der Dauerbezug, die ständig vorbehaltenen sowie die Dienst!⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Carmen. Oper in vier Akten von Georges Bizet. Text von Henry Meilhae und Ludovie Halévy nach einer Novelle des Prosper Merimée. (Unter entsprechender Kürzung mit Rücksicht auf die neue Polizei⸗ stunde) Musikalische Leitung: Generalmusikdirektor Leo Blech. e ne Karl Holy. Ballettleitung: Emil Graeb. Anfang

1.

Schauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Donnerst.: 100. Dauer- bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Othello,

der Mohr von Venedig. Trauerspiel in fünf Aufzügen von Shakespeare. Spielleitung: Dr. Reinhard Bruck. Anfang r.

7 Uh

ö. Opernhaus. 91. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und . sind aufgehoben. Josef in Egypten. Oper in drei Akten von C. N. Méhul. Rezitative und Neubearbeitung von Max Zenger. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaugß. 101. Dauerbezugsvorstellung. Dienst und e i, sind aufgehoben. Die Judasglocke, Schauspiel in vier . von Hans Knobloch. Spielleitung: Albert Patry. Anfang

t.

Familiennachrichten.

Verlobt: Frl. Angelika von Sydow mit Hrn. Oberleutnant Leberecht von Viebahn (Münster i. W. Werneuchen, Kr. Lands⸗ berg a. W.). Fiau Editha von Puttkamer, geb. Gräfin von Hake, mit Hrn. Regierungsrat Jesko von Puttkamer (Düsseldorf Berlin). Frl. Gudrun Hahn mit Hrn. Oberleutnant Horst Brausewetter (Charlottenburg Wilmersdorf). Frl. Melitta von Schultzendorff mit Hrn. Rittergutsbesitzer Hermann Möhring (Beeskow Krügersdorff).

Verehelicht: Hr. Hauptmann Fritz von Steuben mit Frl. Hertha Schulz⸗Borkowski (Berlin). Hr. Regierungsrat Conrad von Wedemeyer mit Frl. Bellita Günther (Berlin⸗Wilmersdorf).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Busso von Wedel (Piesdorf bei Belleben). Eine Tochter: Hrn. Graf von der Schulen burg (Burgscheidungen).

Gestorben: Hr. Major a. D. Kurt von Arnim (Hoppegarten).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. r nnn, den he,, Der Vorsteher der Geschäftsstelle ö echnungsrat Mengering in Berlin. ; Verlag der Geschäftsstelle ( Mengering in Berlin. 1

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagganstalt,

3 Berlin, Wilhelmstraße 32. 1 Acht Beilagen . . Ginschließlich Börsenbeilageh 11

w.

Erste Beilage

zun Beutschen Reichsanzeiger ud Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Mitt wach. den 9. April

Nichtamtliches.

Gestern begannen im Sißzungssaale des ehemaligen SHerrenhauses die Verhandlingen des zweiten Kon⸗ resses der Arbeiter⸗, Soldaten⸗ und Hauernräte ; ö über die die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ e et:

Der Vorsitzende des Zentralrats, Oberbürgermeister Leinert⸗ Hannover, eröffnete um 10 Uhr Vormittags die Sitzung mit elner längeren Begrüßungsansprache, in der er ü. a. ausführte: Namens des Zentralrats heiße ich Sie alle herzlichst willkommen. Ihnen . eine schwere und ernste Arbeit bevor. Noch befinden wir uns mitten in der Revolution, gewaltige geistige Kämpfe werden in uns erem Volke ausgefochten. Noch ringen Grundsätze und Anschauungen der einzelnen Parfeiep um Anerkennung und Herrschaft. Bei Schluß des ersten Nätekongresses lag die Zutunft Deutschlands noch völlig im Dunkeln. Auch jetzt ist die Zukunkt des deutschen Volkes noch nicht geklärt. Aber die Umrisse der Gestaltung des deutschen Volkes heben sich bereits ab. Der Redner gab der Hoffnung Ausdruck, daß die an die Nationalversammlung geknüpften Erwartungen erfüllt würden und damit Beruhigung dem deutschen Volke gebracht werde, und fuhr dann fort: Der jweite Rätekongreß tritt zu einer Zeit zu⸗ k da der Friede in Aussicht steht. Die Ziele unserer Gegner aufen darauf hinaus, das deutsche Volk zu unterdrücken. Wir aber wollen als freies Volk unter freien Völtern Mitglied der großen Völkergemeinschaft werden. Die Revolution ist nicht gemacht worden, damit das deutsche Volk seine Unterdrücker wechselt und an Stelle der Junker die imperialistischen Eroberer fremder Völker treien. (Beifall. Schwere Bedingungen sind dem deutschen Volke bereits durch den Waffenstillstand auferlegt worden, und durch die Annahme dieser Bedingungen ist Deutschland schon bis an die Grenze des Entgegenkommens gegangen. Mehr ist nicht ertragbar. Wenn die Regierungen der Entente glauben, das deutsche Volk müsse erniedrigt werden, und wenn sie glauben, dieses Ziel erreichen zu können, so werden sie sich in dem deutschen Volk getäuscht haben. Wir wollen kein Herrenvolk sein, aber unsere Kultur soll der ganzen Welt zugute kommen. Wir wollen auch kein Sklavenvolk sein, das für fremde Nationen Fronarbeit zu leisten hat. Der militärische Sieg über Deutschland gibt der Emente kein Recht, gegen das deutsche Volk eine Erpressetvolltik zu treiben. (Sehr richtig) Haß und Nache sind die Folgen einer solchen Politit, das möge sich die Entente auch von diesem Kongreß gesagt sein lassen. Der zweite Rätekongreß tagt zu einer Zeit da auch im Innern des Neichs schwere Kämpfe vor sich gehen. Vielfach sind an die Stelle der geistigen Waffen Maschinengewehre getreten, Generalstreit und Demonstrationsstreik sind noch im gegenwärtigen Augenblick zur Durchsetzung politischer Forderungen an der Tagesordnung. Vergewaltigungen einer Mehrheit durch eine Minderheit sind noch nicht erledigt. (Hört, hört! bei den Unabhängigen. Die Demotratie hat sich bei uns noch nicht durchgesetzt, die Achtung vor der Ansicht anderer ist noch nicht Gemeingut des deutschen Volkes geworden. Die fortwährenden Un— ruhsin haben das ganze deutsche Volk nervös gemacht und aufgewühlt. Die Erfahrungen des Krieges aber sollten jeden Einzelnen veran⸗ lassen, als Ziel im Auge zu behalten, mehr als bisher Achtung vor dem Leben und der Gesundheit des anderen zu haben. (Sehr richig! und Zuruf: „Noßke!“ Wir wollen hoffen, daß der Kongreß die Grundfätze der Menschlichkeit wieder zur Geltung bringt. Das deutsche Volk steht vor einem Abgrund, wenn die Vernunft nicht stegt. In dieser Beziehung stehen den Delegierten außerordentlich schwere Aufgaben bebor, und ich wünsche von ganzem Herzen, daß der Kongreß zum Segen des ganzen deutschen Volkes verlaufen möge. Hierauf erklärte Leinert im Namen des Zentralrats den zweiten Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrätekongreß für eröffnet.

Namens der österreichischen Sozialdemokratie sprach dann Hoffmann-⸗Wien, der für die an den Reichsvollzugsrat der österreichischen Arbeiter- und Soldatenräte ergangene Einladung dankte und der Versicherung Ausdruck gab, daß die österreichischen Sozialdemokraten in dem Bewußtsein ihrer Stäammesbrüderschaft das größte Interesse der Tagung des Rätekongresses entgegenbrächten. Die österreichischen Genossen werden sich gern die Erfahrungen dieser Tagung zunutze machen, und er hoffe, daß der zweite Rätekongreß auch den österreichischen Genossen zum Wohle dienen werde.

Dann begrüßte der Kultusminister Haenisch namens der preußi⸗ schen Staatsregierung den Kongreß. Der Minister sagte u. a.: Die preußijsche Regierung ist fest davon durchdrungen, daß in der schwersten Zeit unseres Landes, in der Uebergangszeit vom Zusammenbruch der alten bis zum Aufbau einer neuen Ordnung die Arbeiter- und Soldatenräte dem Lande überaus wertvolle Dienste geleistet haben, trotz zahlreicher Mißariffe und Irrtümer, die aber vielleicht in so bewegter Zeit gar nicht vermeidbar waren. Die preußische Regierung ist weiter der Meinung, daß heute die Rolle der Arbeiter- und Soldatenräte noch nicht ausgespielt ist. (Bravo!) So sehr wir in der preußischen Regierung gute Demokraten sind, so sind wir doch andererseits einmütig der Ueberzeugung, daß auch die Arbeiter- und Soldatenräte in künftiger Zeit werivolle und nützliche Arbeit für die arbeitenden Klassen und für das gesamte deussche Volk leisten werden. Ich denke dabei besonders an das große Gebiet der Durch⸗ führung der sozialpolitischen Gesetzgebung, auf dem die Arbeiterräte zweifellos viel Gutes leisten werden. In voller Uebereinstimmung mit den Anschauungen der Reichsregierung ist auch die preußische Regierung entschlossen, in gemeinsamer Arbeit mit der verfassung⸗ gebenden Landesversammlung den Arbeiterräten in der preußischen Verfassung und Gesetzgebung die Stelle einzuräumen, die ihnen gebührt. Der Minister schloß mit einem besonderen Dank an den Zentralrat für dessen bisherige schwierige Arbeit.

Es erfolgte sodann die Bildung des Büroß. Auf Vorschlag des Mehrheitssozlalisten Schimmel⸗Stuttgart wurden ein Versitzender, zwei Stellvertreter und acht Schriftführer entsprechend der Stärke der Parteien gewählt, und zwar als erster Vorsitzender Hauschild⸗CGassel, als stellvertretende Voisitzende Richard Müller⸗ Berlin von der U. S. P. und Schröder⸗München (Soldatenfraktion).

. Hauschi!ld verlas darauf die Fraktionsstärken. Danach haben die S. P. D. 138 Mitglieder, die U. S. P. D. und 9 Oesterreicher, die Soldatenfraktson 21, die Demokraten 12, die Deutsche Volkspartei 1, die Deutschnationale 1, die Christliche Volkspartet 1, der Bauernbund 4, die Kommunisten 1, und 1 Mit⸗ glied ist parteilos. .

Bevor man in die Tagesordnung eintrat, stellte die U. S. P. den Antrag, folgende zwei Telegram me abzusenden:

„An die Räterepublik Ungarn. Der zweite Rätekongreß zu Berlin sendet der Räterepublik Ungarn biüderliche Grüße.“

„An die Räterepublik Bayern. Der zweite Rätekongreß zu Berlin sendet der Räterepublik Bayern brüderliche Grüße. Er hofft, daß die Räterepublik ihre harten Widerstände überwinden wird und daß bald der Umschwung der Verhältnisse in Deutschland sein Werk vollende.“

Um dieses zweite Telegramm entspann sich eine recht bewegte Aussprache. Als erster ergriff Hermann Müller (Soz.) das Woit, um gegen die Absendung der beiden Telegramme zu protestieren. Er

120i.

führte aus: Wenn wir die beiden Telegramme so abgehen lassen, wie die U. S. P. es wünscht, so legen wir den Kongreß bereits auf das Rätesystem fest. Wenn die U. S. P. ihre Meinungen durchsetzt, fo können die Telegramme ja später abgesandt werden. Vorläufig muß der Antrag zurückgestellt werden. Dr. Ro senf eld (l. Soz.) bemerkte: Müller erklärt, daß wir den Kongreß auf das Rätespstem festlegen wollen. Wir bekennen uns offen zum Rätesystem. Sie müssen doch auch ein Ob⸗ siegen des Rätegedankens in Bayern anerkennen. Der Süddeutsche Gautag hat sich für die Räterepuhlit ausgesprochen. (Juruf aus der Versamm⸗ lung: „Das ist nicht wahr. Wir sind hier.) Flügel (Demokrat) erklärte, daß die demokratische Fraktion die Absendung der Tele⸗ gramme ablehnen müsse. Eine Zustimmung zu der ikser m; der Depeschen würde ein Abweichen von den demokratischen Prinzipien bedeuten. Cohen⸗Reuß machte dann den Vorschlag, daß man das Telegramm an die, ungarische Räterepublik, absenden möge, da es einen Gruß für das ungarische Proletariat bedeute. Schließlich verlas Stolt (Soldatenfraktion) einen Antrag, nach welchem das Telegramm an die bayerische Räterepublik folgenden Wortlaut erhalten soll: ‚Der zweite Nätetongreß entsendet der Räte⸗ republik Bayern brüderliche Grüße.“ Bei der Abstimmung wurde das Telegramm an die ungarische Republik zur Ab— sendung angenommen. Dagegen wurde die Beschlußfassung über die Absendung des Telegramms an Bayern vertagt.

Eine, längere Dehatte entfesselte der Antrag der U. S. P.: „Der Rätekongreß möge beschließen, daß seine Mitglieder immun sind und Ledebour sofort aus der Haft zu entlassen ist.. Den Antrag begründete Rechtsanwalt Dr. Rosen⸗ feld, Berlin. Er betonte, daß der Antrag eigentlich nur etwas Selbst⸗ verständliches verlange. Man möge zu dem Rätekongreß stehen, wie man wolle, jedenfalls werde man doch zugeben müssen, daß dem Kongreß weitgehende Befugnisse zuständen, wodurch es gerechtfertigt erscheine, daß seine Mitglieder das Recht der Immunität haben. Der Redner der sozialistischen Mehrheit sfraktron gab die Erklärung ab, daß seine Parteigenossen dem Antrage nicht zustimmen könnten. Ledebour habe doch zweifellos den Versuch gemacht, die Regierung mit Gewalt zu stürzen. Die demokratische Fraktion ließ durch ihren Vorsitzenden, Lehrer Flügel -Berlin, eine Erklärung abgeben, wonach die Demokraten den Rätekongreß als ein aus revo⸗ lutionärem Recht hervorgegangenes Parlament ansehen und daher für die Immunität der Mitglieder dieses Parlaments stimmen werden. Bravo) Die Immunität könne sich aber nur auf die Mitalieder des Kongresses und auf Handlungen beziehen, die sie während des Kongresses begehen. Auf Handlungen, die vor dem Kongieß begangen sind und unter das Strafgesetz fallen, könne sich die Immunität natürlich nicht erstrecken. Nach weiterer längerer Aussprache wurde schließlich der Antrag der Unabhängigen, der Rätekongreß möge beschließen, daß die Teilnehmer an dem Rätekongreß immun sind, angenom inen. Sodann wurde über den Zusatzantrag der Unabhängigen abgestimmt, gegen den die Demokraten Stellung genommen hatten, und der lautefe: „Ledebour ist sofort aus der Haft zu entlassen.“ Zunächst stellte der Vor⸗ sitzende fest, daß dieser Zusatzantrag mit Mehrheit von der Versamm⸗ lung abgelehnt sei. Dann aber verlangte Dr. Geyer von der U S. P. namentliche Auszählung. Auf Vorschlag des Vorsitzenden Hauschiid einigte man sich auf Auszählung der Stimmen, und diese ergab 109 Stimmen für den Zujatzantrag und 82 gegen ihn.

Nachdem eine Mandatsprüfungskommission eingesetzt worden war, erhielt Lein ert das Wert zum Bericht über die Tätigkeit des Zentralrates. Er führte aus. Dem Kongreß ist keine günstige Prognose gestellt worden. Es ist bemängelt worden, daß durch den Zentralrat ein Wahlsystem aufgestellt worden ist, das eine rätefeindliche Mehrheit ergiht. Viesen Vorwurf muß ich zurückweisen. Zuruf: Ausreden gelten nicht! Sie (zu den Unabhängigen gewen— det) sind der Ansicht, daß nur die Durchführung Ihrer Probleme der Revolution nützen könne. Die erste Tätigkeit des Zentralrates war der Ausführung der Bestimmungen über die Kommandogewalt gewidmet. Das war immerhin recht schwierig, weil sich gegen unsere Arbeiten nickt nur Offiziere und Reaktionäre, sondern auch ein großer Teil der Truppen selbst wandte. Die heraus⸗ n, , Bestimmungen tonnten nur für das Heimatsheer Beltung haben, nicht aber für das Feldheer. Man muß aner⸗ kennen, daß auch in einer Revolutiongarmee Manneszucht und Dis— zivlm notwendig sind. Das wird der barerischen Räterepublik, wenn sie zuftande kommt, ebenso bewußt werden, wie es die russische Räte⸗ republik erfahren hat. Die russische Armee hält heute unter ihren Offizieren und Soldaten strengste Manneszucht. Wenn eine Re—⸗ gierung sich Macht verschaffen will, so muß sie sich auf das Heer verlassen tönnen. Es ist Jogar Pflicht der Regierung, in gewissen Fällen von dieser Macht Gebrauch zu machen. Die politische Ent— wicklung in Berlin war keine ruhige. Durch die Unruhen waren der Zentralrat und die 2 in ihrer Arbeit vielfach behindert. Der aus Mehrheitssozialisten bestehende Zentralrat stellte sich hinter dle Negierung. Das war notwendig. Denn tat er das nicht, so war die Regierung sofort beseitigt. Leinert griff dann die Unabhängigen wegen ihres Augtrittes aus der Regierung hart an und bemerkte: Der Zentralrat ist so angegriffen und herabgewürdigt worden, wie keine aus den Arbeitertreisen hervorgegangene Institution. (Hurufe: „Mit Recht!“ Nein, nicht mit Recht. Denn man hat nicht mit geistigen Mitteln oder mit Waffen des Anstandes gegen uns gekämpft. Die Unabhängigen sind immer weiter zu den Kommunisten abgedrängt worden. Der Zentralrat hatte nicht die Absicht, die Unabhängigen aus der Regierung zu verdrängen. Die Unabhängigen waren nicht zum Kampfe gezwungen, aber * wollten eine Verantwortung nicht in der Regierung mitübernehmen. (Der frühere Volksbeauftragte Barth, der auf der Tribüne sitzt, ruft in den Saal hinab: „Sollten sie vielleicht die Verantwortung für die Blutbäder mitübernehmen?“ Der Vorsitzende teilt mit, daß er bet einem nochmaligen der⸗ artigen Anlaß von seinem Hausrecht Gebrauch machen werde.) Leinert fuhr fort; Die Unabhängigen standen früher ebenso wie die Mehr— heitssozialisten auf dem Standpunkt, daß die Nationalversammlung notwendig sei. Wollten doch selbst Liebknecht und Rosa Luxemburg an ihr teilnehmen. Erst jetzt wollen die Unabhängigen das Räte⸗ system einführen. (Zuruf: „Wir lernen eben aus der Revolution!“) Deshalb kämpft man auch, auf Ihrer Seite gegen den Zentralrat, der seine Tätigkeit der Nationalversammlung zur Verfügung stellte. QObmohl eine feindselige Stimmung gegen die Mehrbeitssozialisten ebenso wie gegen den Zentralrat festzustellen ist, ist dieser Kongreß ja doch guf Veranlassung des . zusammengetreten. Im weiteren Verlauf seiner Rede be ,. sich Leinert eingehend mit den wiederholten Angriffen der „Frelheit“ gegen die Regierung, unter der angeblich die Arbeiter so verächtlich behandelt worden seien, wie niemals vorher unter dem alten Regime (sehr richtig! bei den Unabhängigen). Das entspreche nicht den Tatsachen. Eine Regierung, die so gehandelt hätte, hätte der Zentralrat auch nicht fünf Minuten auf dem Posten gelassen. Tatsache sei aber, daß doch die ,, Mehrheit des Volkes hinter dieser Regierung stehe, über deren Abberufung auch nur das ganze Volk zu enticheiden habe. Jede Regierung bedürfe aber einer gewissen Gewalt, die allerdings nur gegen Gewalt angewendet werden solle. Aber haben denn, fuhr der Nedner fort, auch die Sxpartatisten und Unabhängigen entgegen ihren früheren offiziellen Erklärungen in den Orten, die sie in ihre Ge— walt gebracht haben, nicht stets zuerst den Belagerungszustand ver

hängt? Und auch die neue Räͤteregierung in Bayern hat ja sofort zu ihrem Schutz eins, rote Armes. gebildet. (Zuruf bei den Un⸗ abhängigen: Aber keine weiße Garde.) Auch die Regierung hat keine weiße Garde gebildet. (Lachen bei den Unabhängigen.) Sie ist bielmehr bestrebt, Einwohnerwehren ins Leben zu rufen und in diese die organisierten. Arbeiter hinein zu bekommen. Die Be⸗ schimpfung derjenigen, die Ruhe und Ordnung geschaffen haben, muß auf das schäͤrfste zurückgewiesen werden. Diejenigen, die nun Ruhe und Ordnung genießen, sind diesen Truppen ja jedenfalls zu größtem Danke perpflichtet. Leinert wies dann eingehend und nachdrücklich zarauf hin, daß die Regierung Gewalt immer erst dann angewendet habe, wenn sie angegriffen worden sei, oder wenn Gewalttaken zum Ausbruch gekommen seien. Den Unabhängigen gab er in diesem Zu— sammenhang den dringenden Rat, endgüllig und entschieden von enen Elementen abzurücken, die zum Teil die Unruhen hervorgerufen 'aben, um zu plündern und zu stehlen, und etwas mehr auf versön—⸗ lichen Anstand zu geben. Denn es verbiete schon die Moral, als Ver⸗ teidiger jenes Gesindels aufzutreten. (Lirm bei den Unabhängigen.) Die Berliner Truppen, die sich angeblich alle hinter die damalige Regierung Ebert⸗Haase gestellt, hätten aber versagt, als sie gebraucht werden feien; denn es habe dann stets ein langes Diskutieren ge— geben, indem die Soldaten immer nur den Regierungevertretern, deren Anschauung ihnen politisch am meisten zusagte, zur Verfügung stehen wollten. Zur Bekämpfung offener Gewalt habe der Zentralrat der Regierung außerordentliche Vollmachten gegeben., wozu er die Pflicht und das Recht gehabt. Wie hätte auch die Regierung anders der Unruhen Herr werden sollen? (Zuruf: Durch Bildung einer roten Garde. Im weiteren wandte sich der Redner gegen die von den Unabhängigen gegen die ö geführte Hetze. Eine Regie⸗ tung, die ez sich ohne weiteres gefallen ließe, daß ihre Truppen so maßlos beschimpft werden, würde damit nur erreichen, daß ihr diese Truppen davonlaufen. Das wollten die Unabhängigen allerdings auch nur. Leinert beschäftigte sich dann eingehend mit den Streiks, die er auf das entschiedenste verurteilte, da sie geeignet seien, das ganze deutsche Volt in unbeschreibliches Elend zu treiben. Er appellierte auf das dringlichsie an das Verantwoktungsgefühl der Arbeiter und gab dem WBunsche Ausdruck, daß der Kongreß auch dazu beitragen möge, das Verantwortungsgefühl zu steigern. Leider habe auch der jetzige Kongreß der Anlaß zu einem neuen Generalstreik sein sollen. E, Spitzen, woher wissen Sie es? Bewelse!“! Das könne nicht bestritten werden. Wenn aber das behauptet werde, der Zentralrat habe sich eines Lockspitzels bedient, so sei das eine niederträchtige Verleumdung. Zum Schluß betonte Leinert, daß auch der Zentralrat der Ueber= zeugung sei, daß die A. und S.⸗Räte bestehen bleiben und ihre Spitze in einem Zentralrat erhalten müßten, der mit in der Landesver⸗ fassung verankerten Befugnissen auszustatten sei. Bis zum Inkraft⸗ treten dieser höchsten Instanz aber werde auf diesem Kongreß ein Zentralrat zu wahlen sein. Der Redner schloß mit dem Ausdruck der Ueberzeugung, daß die Mitglieder des Zentralrats unter den schwierigen Umständen, unter denen sie wirken mußten, in jeder Be—⸗ ziehung ihre Schuldigkeit getan haben.

Nach der Rede Leinerts trat eine Mittagspause ein. Kurz nach 3 Uhr eröffnete der Vorsitzende wieder die Sitzung und brachte die inzwischen eingelaufenen Begruüͤßungstelegramme zur Verlefung. Als erster Diskufsionsredner ergriff Richard Müller (Unabb.) das Wort: Der Vorsitzende des Zentralrats, Nichard Leinert, hat schwere Angriffe gegen die Unabhängigen gerichtet. Der Zentralrat war als höchste Instanz der A. und Se⸗Räte dazu berufen, die Früchte der Revolution zu sichern. Wir haben nicht viel von seiner Tätigkeit erwartet. Der erste Rätekongreß hat den Zentralrat in Wirklichkeit zur vollkommenen Ohnmacht verurteilt. Heute, nach vier Monaten, ist auf dem Gebiet der Sozialisierung noch nichts ge⸗ schehen, und die sieben Hamburger Punkte sind vollkommen unter den Tisch gefallen. Im weiteren Verlauf seiner Rede warf Richard Müller dem Zentralrat eine schwächliche Haltung in bezug auf die Sozialisierung vor und bemerkte: Das abeitende Volk will ein sozialisiertes Staatswesen errichtet haben, und dieser Forderung hat der Zentralrat nicht nachgegeben. Ihm allein muß die heutige wirt⸗ schaftliche Anarchie zur Last gelegt werden, da das Volk sich um die Früchte seiner langjährigen Kämpfe betrogen sieht. Heute gibt man Spartakus und den Unabhängigen allein die Schuld, und doch würden ihnen nicht Millionen folgen, wenn alle Forderungen des Proletariatz, an deren Spitze die Sozialisierung steht, erfüllt würden. Immer von neuem werden die Flammen emporschlagen, die nicht mit Kanonen gelöscht werden können. (Sehr gut) Der eiste Rätekongreß bat die sieben Hamburger Punkfe angenommen, tür deren Durchführung die Re⸗ . verantwortlich ist. Der Beschluß über die Regelung der

ommandogewalt wurde von der Obersten Heerezleitung hinter⸗ trieben. Heute erhebt die Militärkaste stärker denn je ihr Haupt, und der neu erstandene Militarismus wird uns die gesamte Welt zum Feinde machen (Beifall, ebenso, wie er im Innern sein verhängnisvolles Spiel treibt. (Große Unruhe.) Müller ging dann auf den Abbau der republikanischen Soldatenwehr ein, in der so viele Familienväter in dieser Zelt der großen Arbeits—⸗ losigkeit eine Zuflucht gesucht hätten, die der Not wieder in die Arme getrieben würden. Der Ausbruch der Kämpfe sei auf ein Mißverständnis zwischen der republikanischen Soldatenwehr und den Freswilligenkorps zurückzuführen. Die Vollsmarinedivision habe den Auftrag gehabt, den Alexanderplatz vom Gesindel zu säubern. und dabei ge von anderen Truppen auf sie geschossen worden. So sei der Kampf ausgebrochen, der anfänglich mit der ö nichts zu tun gehabt habe. Die Unabhängigen könnten die Verantwortung über das Verhalten der Regierung nicht mehr weiter übernehmen und seien deshalb ausgeschieden. (Lebhafte Unruhe, Zustimmung bei den Unabhängigen.)

Gegen 5 Uhr machte der Kultusminister Haenisch dem Kongreß die Mitteilung, daß er mit dem Justizminister über die Freilassung Ledebours verhandelt habe, daß dieser aber einer Erörterung über die Freilassung nur nähertreten könne, wenn ein schriftlicher Antrag seitens des Kongresses eingereicht würde. Diese Ablehnung bewirkte eine ungeheure r, . in der Versammlung, und in einer lebhaften Geschäftsordnungsdebatte kennzeichnete Dr. Rosenfeld dieses Verhalten als eine Verhöhnung des Kongresses.

Kaliski (Mehrheitssoz) gelßelte mit scharfen Worten die Spaltung, des deutschen Volles, die auch jetzt wieder während der gegenwärtigen Unruhen ihr unheilvolles Spiel getrieben habe. Er forderte die Fraktionen auf, sich endlich einmal einmütig zusammen⸗ zuschließen. Ein Volksheer habe die Regierung bisher nichl aufbauen können. Sie habe es nicht einmal verstanden, ein einziges Regiment zusammenzubringen. Die Demokratie habe sich eine ungeheure Schma aufgeladen, als sie durch die Waffenstillstands bedingungen die alten Grenzen aufgegeben. (Qebhafter 3 Die nächste Aufgabe unserer Regierung müsse die Schaffung eines Volksheeres und eines verläßlichen DOffizierkérpz sejn. Die allgemeine Dienstpflicht sei die Grundlage

jedes gedeihlichen Stagtes. Ven der wirtschaftlichen Tätigkeit

der Regierung ist der Redner wenig üherzengt. Aber noch weniger traut er in dieser Hinsicht der Fraktion der Unabbängigen zu. Er fäbrt jort; Mit der Hungerlegende unter der Arberletrichaft muß endlich aufgeräumt werden: denn wer durch sinnlose Streiks die Wirischaft ruiniert, trägt auch seinerseits zur Verschlimme: ung des