1919 / 83 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 Apr 1919 18:00:01 GMT) scan diff

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Artikel l.

In der Uebeisichtstafel zu der Bekanntmachung Nr. Ch. J. 113. 16 RA., beneffend Bestandserhebung und Beschlag— nahme von Chemikalien und ibre Behandlung, vom 1. März 18916 fällt die Klasse d fort.

Artikel II. Diese Bekanntmachung tritt am 8. April 1919 in Kraft. Berlin, den 8. April 1919. Reichsministerium für wirtschaftliche Demobilmachung. J. A.: Wolffhügel.

a,

Außer den in der Bekanntmachung vom 15. März 1919 (Nr. 63 des Deuischen Reichs anzeigers und Preußischen Staats— anzeigers für 1919) namhaft gemachten Versuchsanstalten und öffentlichen Handelschemiker sind noch für dos Rechnungsjahr 1919 zur Ausführung von Kalisalz— analysen gemäß den Vorschriften unter 2 B der Bekannt— machung vom 28. Juni 1911, betreffend Bestimmungen zur Ausführung des Gesetz's über den Absatz von Kalisalzen Reichs-Gesetzbl. S. 2656 —, zugelassen worden:

Versuchsanstalten: Landwirtschaftliche Kontrollstatien der Landwirtsckafts kammer sür die

Provinz Brandenburg in Berlin NW. 40 Kronprinzenufer 4, Landwirt chaftliche Kreisversuchestatien für den Regierungsbezuk Unier— franken nnd Aschaffenburg in Wützburg.

Handelschemiker: ü phil. Hubert Pfeiffer in Dortmund, Märkischestraße 92, angestellt für den Bezirk der Handelskammer zu Dortmund,

Dr. Adolf Wendel in Magdeburg, Dr. Ono Wendel in Magdeburg,

angestellt für den Bezirk der Handelskammer zu Magdeburg, Dr. pbil. Kurt Brauer in Cassel Opeinstraße 3,

angestellt für den Bezirk der Handelskammer zu Cassel, Dr. vbil. Richard Weiß in Bremen, Laboratoriumshaus Birken— straße 14,

ernannt durch den Senat der freien Hansestadt Bremen. Dle Befugnis dieser Versuchsanstalten und öffentlichen Handelschemiker zur Aue führung von Kalisalzanoalysen im Sinne der eingangs erwähnten Vorschriften ersireckt sich auf 6 ente Reichsgebiet und ist rückwirkend vom 1. April

ab.

Berlm, den 9. April 1919. Dr Reiche wirtschafis minister. J. V.! W. von Moellendoiff.

Dr.

Bekanntmachung.

Gemäß S8 2 des Reichsgesetzes über die Eirsiegelung von

Schriften, Drucksachen, Werspapieren und Zohlunasmitteln beim Grenzübertritt nach dem Aueland vom 1 März 1919 Reichsgesetzblatt S 265) ist für den Bertich des Frtistaats Schaumburg⸗-Lͤppe dos Veranlaaungsamt (Besitzsteueramt) zu Stadthagen als zuständige Stelle für die Einsiegeluüng bestellt worden.

Bückeburg. den 5. Anil 1919.

Schaumburg⸗-Lippische Landesregierung. Bömers. Lorenz.

Die von heute ab zur Ausaabe gelangende Nummer 76 des Reichs⸗Gesetzhlatts enthält unter: Nr. 6798 eine Bekanntmachung über Brennstoffhöchsspreise, vom 7. April 1919. Berlin W. 9, den 9. April 1919.

Postzeitungsamt. Krüer.

Preußen.

Die Preußische Regierung hat den Regierungsrat Große in Liegnitz zum Oberregierungsrat ernonnt. Ihm ist die Leitung der Kuchen- und Schulabteilung bei der Regierung in Liegnitz übertragen worden.

Bir lei hn ng

Auf Grund des Artikels 2 des Wohnungsgesetzes vom 28. März 1918 (GS. S. 23 ff) wird hiermit die Ent⸗ eignung der in der eingereichten Handzeichnung vom Januar 1919 rot angelegten Fläche von eiwa 25 m Größe aus der Parzele Gemeinde Cöln Flur 53 Nr. i640 96 durch die gemeinnützige Kaugenossenschaft, E. G. m. b. H. in Cöln zum Kleinwohnungsbau für zulässig erklärt.

Berlin, den 15. Februar 1919.

Preußische Regierung. In Vertretung: Der Staatskommissar für das Wohnungswesen. Scheidt.

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Bei dem Ministerium für Handel und Gewerbe sind der expedierende Sekretar und Registrator Stabenow und der erpedierende Sekretär und Kalkulator Heiber als Geheime Registratoren angestellt worden.

Ministerium des Innern.

Der Kreiswundarzt a. D, Sanitätsrat Dr. Moritz Maher aus Simmein, ist zum Kreisarzt in Meisenheim er— nannt worden.

Friedrich⸗-Wilhelms-Universität.

Bekanntmachung.

Die Immatrikulationen bei der hiesigen Universität für das kommende Semmersemester beginnen am 23. April und schließen mit dem 14. Mai d. J.

ien der immatrikuliert zu werden wünscht, hat sich zuvor bei dem Pförtner der Universität mit einer Zulafsungskarte zu ver— sehen. Ort und Stunde der Immatrikulation wird bei dieser Gelegenheit mitgeteilt werden.

A; Behuft der Immatrikulation baben abzugeben, und zwar sämtliche Zeugnisse im Original:

1) Die Studierenden, welche die Universitätsstudien erst

beginnen: . a. Angehörige des Deutschen Reichs: dasjenige Reife— zeugnis einer höheren Lehranstalt, welches für die Zulassung zu den ihrem Studienfach entsprechenden Berufsprüfungen in ihrem Heimatstaate vorgeschrieben ist. Genügt nach den bestehenden Bestimmungen für ein Berufsstudium (Phar⸗ mazie) der Nachweis der Reife für die Prima einer neun— stufigen höheren Lehranstalt, so reicht das auch für die

Hung en gn aus.

Gesuch

b. Ausländer: ein an den Herrn Minister für

scwie einen Lebenslauf. Persönlich abzugeben an den Universitätssektetär (Zimmer 21) his zum 15. April d. J.

2) Die Studierenden, welche von einer anderen Universität kommen: die zu 1 geforderten Zeugnisse und ein Abgangszeugnis jeder der früher besuchten Universitäten.

3) Von jedem sind serner sorgfältig ausgefüllte Personalkarten mit den Zeugnissen abzugeben. Vordrucke sind bei dem Pförtner zu haben.

B. Sonstige männliche Angehörige des Deutschen Reichs, welche ein Reifezeugnis nicht erworben, jedoch wenigstens dasjenige Maß der Schulbildung erreicht haben, welches für die Er— langung der Berechtigung zum einjährig freiwilligen Militärdienst vor— geschrieben ist, können mit besonderer Erlaubnis der unterzeichneten Kommission vier Semester immatrikuliert und bei der philosophischen Fakultät eingetragen werden. Die Gesuche sind unter Beifügung der Zeugnisse persönlich an den Universitätssekretär (Zimmer Nr. 21) abzugeben. Formulare dazu können bei dem Ober pedell in Empfang genommen werden. Reichsinländerinnen bedürfen in dusem Fall, der Genehmigung des Herrn Ministers für Wissenschaft, Kunst und Voltsbildung. Nur Frauen die das Schlußt— zeugnis eines Lnzenms besitzen und der Landwirtschafl nachweislich wenigstens zwei Jahre pPrakti'ch tätig gewesen sind, brauchen diese Genehmigung nicht nachzusuchen.

Berlin, den 8. April 1919.

Die Immatrikulationstommission der Friedrich⸗Wilbelms-Universität.

Seeberg. Wollenberg.

aus

in 11 51 111

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 19 der Preußischen Gesetzsammlung enthält unter:

Nr. 11752 das Gesetz über Abänderung des Gesetzes, betreffend die Umlegung von Grundstücken in Cöln, vom

28 Juli 1911 (Gesezsamml. S. I60), vom 25. März 1915. Berlin W. 9, den 9. April 1919. Gesetzsammlungsamt.

Krüer.

Aichtamtliches.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 10. April 1919.

Der Königlich Schwedische Gesandte Freiherr von Essen hat Berlin verlassen. Während seiner Abweienheit führt der Legationsrat Daniel sson die Geschäfle der Gesandtschast.

Gemäß dem Trierer Abkommen vom 16. Januar 1919 hatte die deutsche Regierung am 1. Februar 1919 eine Verordnung, beneffend die Rückgabe von französischen und belgischen requirierten Maschinen und Be— trieb seinrichtungen, erlassen. Da die Allierten erklärten, diese Verordnung enispreche nicht voll dem oben genannten Abkommen, fanden tünzlich Verhandlungen über ihre Ab⸗— änderung statt. Diese führten zu der in Nr. 70 des Reichs⸗ gesetzblatts bekanntgegebenen neuen Verordnung, in der eine allgemeine Beschlagnahme der in Deutschland befindlichen französischen und belgischen Maschinen und Betriebseinrichtungen ausgesprochen wurde. Zu der Veröffentlichung der neuen ab— geänderten Verordnung hatte sich aber die deutsche Regierung nur unter der Bedingung hereit erklärt, daß innerhalb 24 Stunden, nachdem das Inkrafttreten des neuen Erlasses der Interalliierten Waffenstillstandskommission mitgeteilt worden sei, die Alliierten die schrifilihe Erklärung abgeben, daß die deutschen Inhaber des feindlichen Materials nicht verfolgt oder in Haft gehalten würden. Diese Bedingung ist am 8. April durch eine Note des Vorsitzenden der interalliierten Kommission in Spaa erfüllt worden, in der es heißt:

Nachdem der Vorsitzende der Interalliierten Waffenstillstands—⸗ kommission die Anzeige bon dem am 29. März 1919 erfolgten In— krafttreten des deutschen in Nr. 70 des Reichsgesetzblattes von 1919 veröffentlichten Dekretes über die Rückerstattung der aus Frankreich und Belgien fortgenommenen Maschinen erhalten hat, gibt er im Namen der allnerten und assoziierten Regierungen folgende Er— klärung ab:

Gerichtlich verfolgt oder in Haft oder Gefängnis behalten werden weder deuische Inhaber französischen oder belgischen Materials, wenn sie ordnungsgemäß aus den gesetzlichen oder rerordnungs— mäßigen, von der deutschen Regierung vorgeichriebenen Maßnahmen Nutzen gezogen haben, noch die deuischen Agenten, die ordnungs— gemäß die geietzlichen oder verordnungsmäßiaen durch die deutsche Reg erung vorgeschriebenen Maßnahmen ausgeführt haben.“

Die Verhandlungen der deutschen Finanz— delegation im Schlosse de Villette mit den Finanz— delegierten der alliierten und assoziierten Reagie— rungen baben sich weiter auf technische Fragen beschränkt. Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, wurden bislang die Verwertung der von der deutschen Regierung beschlagnahmten ausländischen Wertpapiere, die Regelung der schwebenden teil— weise fälligen Valutaverpflichtungen Deutschlands gegenüber den neutralen Ländern, die Hinterlegung weiteren Goldes für die Zwecke der Lebensmitteleinfuhr und die Verwertung größerer deutscher Auslands unternehmungen erörtert. . Den Alliierten und Assoziierten wurde der deutsche Standpunkt über die Regelung der dentschen Ausfuhr und das System der schwarzen Listen wiederholt im einzelnen dargelegt. Die Ver— handlungen werden vorauesichtlich nicht vor Ende dieser Woche wieder aufgenommen, da der Obeiste Wirtschafterat in Paris Stellung zu den verschiedenen Fragen nehmen muß und die alliierten und assoziserten Finanzdelegierten außerdem in dieser Woche start durch ihre Tätigkeit bei den Friedens vorbereitungen in Anspruch genommen sind. Demgemäß sind zwei Mitglieder der deutschen Delegation zur mündlichen Berichterstattung zurück⸗ gereist, um im Laufe dieser Woche wieder nach Schloß de Villette zurũckzukehren.

Der deutsche Entwurf von Bestimmungen für, den Friedens ver ga ü ber in ternaticuales, Arbeiter- recht st, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mitteilf, nunmehr enisprechend dem im Reichsarbeusamt aus gearbeueten Pro⸗ gramm fertigges ellt worden, um von den deuischen Vei—⸗ feiern bei den Friedens verhandlungen vorgelegt zu werden. Inzwischen sind bekanntlich in Bein auf dem Sozialinen⸗ kongreß und der Gewerksckafte konferenz Beschluüͤsse für eine internationale Regelung des Aibeiterrechts angenommen worden, die im allgemeinen mit dem deutschen Programm übereinstimmen. Sollte bei den rie dens verhan d ungen der Wunsch laut werden, diese Beschlüsse den Verhandlungen zu⸗ grunde zu legen, so würde von deutscher Seite voraussichtlich

nich's dagegen eingewendet werden.

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Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ von zufländiger Seite ersährt, ha die Heng bayerische Gesandtschaft eine Auf⸗ forderung aus München, dem Grafen Brockdorff⸗Rantzau ihr „Abschiedsgesuch“ einzureichen, überhaupt nicht en halten. Selbst wenn ein solches Ansinnen an sie gestellt worden sein sollte, denke sie nicht daran zurückzutreten, da sie die Münchener Räteregierung nicht anerkennt.

Der Neichswehrminister Noske hat laut Meldung des „Wo ffschen Telegrephenbüros“ folgenden Befehl an die Truppen der Abteilung Lüttwitz gerichtet: ö In den legten Tagen werden die mir unterstellten Fieiwilligen⸗ trurpen von radikaler Seite in ganz besenders unerhörter Weile, ge— sckmäht. Die Reichsregierung verurteilt diese verbrechernyche Tätig keit ibrer Gegner aufs schaͤrffte und gibt den Truppen hieimit die bestimmteste Garantie, daß sie durch die der Neichs tegierung ge⸗ leisteten Dienste in keiner Weise in ihren stagtsbůrgerlichen Rechten geschmälert werden. Insbesondere wird die Reichsregierung zu ver— bindern wissen, daß der den Freiwilligenverbänden von gegnerischer Semnge mehrjach angedrohte Bopkätt witsam wird. .

Ich benutze diese Gelegenheit, den Freiwilligentruppen für ihre treuen Dirnste erneut den Dank der Nehrung zum Ausdruck ju

bringen.

Das „Wolffsche Telegraphenbüro“ meldet unter dem 9. April über die Lage an der Ostfront: ö.

An der Po sener Front lag Iduny und Umgebung wieder unter polnischem Artilleriefeuer. .

Dort sowie bei Kempen. und füdlich Kolmar, ferner bei Mar gonin, bet Schleue 11 südlich Nakel, im Potulitzer Forst. westlich Biomberg, und bei Oppock, südlich Thorn, mußten polnische Vor= stöße abgewehrt werden. . ö

h ** Polen beschossen die Ostbabn westlich Nakel mit Artillerie. Unter Bruch der Demarkationslinie nahmen sie bei Podanin (südlich Kolmar) eine unserer Feldwachen in Stärke von 8 Mann gefangen.

Ueber die gestrige Sitzung des zweiten Kongresses der Arbeiter-, Soldaten⸗ und Bauernräte Deutsch— lands berichtet die Deutsche Allgemeine Zitung“u ?.

Der Vonsitzende Hauschild verlas zunächst ein bom preußischen Justizminister eingelaufenes Schreiben, in dem mitgeteilt wad, daß die Haftentlassung Ledebours nur durch das zuständige Gericht erfolgen könne, daß aber der Minister von einer Weitergabe des Haftent⸗ lassungsgesuches an das Gericht Abstand genommen habe weil als einziger Grund die vermeintliche Immunität angegeben sei. Diese Immunität könne nach dem Gesetz nicht als begründet anerkannt werden. Dr. Rosenfeld ersuchte den Vorstand. das zuständige Gericht zu einer sosortigen Erklärung auf das auch dem Gericht zugegangene Haftentlassungsersuchen des Kongresses zu veranlassen Der Vor— sitzende stellte darauf das Einverständnis der Versammlung dahin fest, daß der zuständige Untersuchungsrichter nochmals sofort durch ein Schreiben zu unverzüglicher Erklärung zu dem Haftentlassungsgesuch ersucht werden soll.

Es wurde dann ein Dringlichkeitsantrag auf Haft— entlassung des zweiten Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldaten⸗ tats Magdeburg, Brandes, und zweier Mitglieder des Magde— burger Korps⸗Soldatenrats eingebracht. Die Versammlung erkannte mit großer Mehrheit die Dringlichkeit dieses Antrages an. In seiner Begründung des Antrags gab Bock-Magdeburg (Unabh.) einen Ueberblick über die zum größten Teil in der Presse schon bekannten Vorgänge in Magdeburg und betonte, daß keinerlei berechtigte Gründe für die Verhaftung Brandes vorhanden gewesen seien. Namens der S. P. D.(Fraktion sprach Delegierter Kümmel das lebhafteste Bedauern über die Magdeburger Vorgänge aus. So einfach lägen die Dinge aber für die Mehrheitssozialisten doch nicht, wie sie der Vorredner geschildert habe. Es sei doch schwer oder gar unmöglich, zu diesen Vorgängen hier Stellung zu nehmen, ohne ein einwandfreies Material in der Hand zu haben. Den Mehrheits⸗ sozialisten sei es daher unmöglich, zu dem Antrage jetzt Stellung zu nehmen. Sie erwarteten aber mit Bestimmtheit von der Regierung, daß diese schleunigst in eine gründliche Prüfung über die Gründe der Verhaftung eintrete und, falls Ungerechtigketten vorgekommen sein sollten, diese unverzüglich wieter gut mache. (Unrube bei den Unab— bängigen) Auch der Redner der demokratischen Fraktien, Kunze Birnbaum, bedauerte im Namen seiner Parteifreunde die Magde burger Vorgänge auf das lebhafteste, erklärte aber, aus rechtlichen Gründen dem Antrege nicht jzustimmen zu können. Die Vorgänge lägen doch hier keineswegs so tlar zutage, daß man sich ein sicheres Urteil bilden könne. Hermann Müller (Zentialran) bemerkte: Die Magdeburger Vorgänge sind sachlich bedauerlich aber wir wissen nicht, ob das bier vorgetragene Material auch tatlächlich einwandfrei ist. (Zuruf von den Unabhängigen: „Fragen Sie Ihre Spitzel!“ Ich derbitle mir ein für allemal eine derartige unerhörte Beleidigung. Der Zentralrat braucht kein Spitzelmaterial.! Ich halte es füt un— verantwortlich wenn der Kongreß über die Magdeburger Vorgänge ein Urteil fällt. Rosenfeld hat auf die Autorität der Kongreß— beschlässe aufmerksam gemacht. Wenn Sie auf Grund des bier Ver— gebrachten Ihre Beschlüsse so leichtfertig fassen, dürfen Sie sich nicht wundern. wenn Ihre Beschlüsse keine Autorität haben. (Unruhe bei den Unabbängigen. Nach weiterer Besprechung stellte Dr. Rosen⸗ feld-Berlin den Antrag, der Kongteß möge eine aus Mitgliedern aller Fraktionen gebildete Kommission zu Noske schicken, die ihm das Magdeburger Material vorlegen und jofort eine Prüfung der An— gelegenheit veranlassen soll. Dieser Antrag wurde mit großer Mehr— heit angenommen.

Zu außerordentlich stürmischen Verhandlungen, die teilweise ver—

iönlichen Charatter annahmen, kam es bei der Lussprache über einen

Antzag, bett,. ken. Genera streik im RNuhrre vier. Von der

U. S. P. D. lief solgender Dringlichkeitsantrag ein: „Heute mittag um 12 Urr tritt der Generalstreik im Ruhrrevier in ein sehr ernstes Stadium. Falls die Forderungen der Berg⸗ leute durch die Megierung nicht erfüllt sind, sollen die Rotstandk— arbeiten eingestellt werden. Ver Kongreß fordert die Jegierung u sofortiger Stellungnahme in dieser so außerordentlich gefährdeten Lage aut.“

Im Auftrage der . erklärte der Minister des Reichsernäb⸗ zungsamts Schmidt: Reichsarbeitsminister Bauer hat sich nach dem , . begeben, um dort mit den Streikenden zu verhandeln. Die Sache ruht an und für sich in guten Händen. Ich bedaure das Vorgehen der Bergarbeiter vom Standpunkt der Grnahrungpolitit. Ich glaube, daß

infolte ihrer Haltung unsere gesamte Leber mittelversorgung und die deutsche Wirtsch it überhaupt in höchster Gefahr sind. Die Haupt⸗ sorderungen der streikenden Bergarheiter sind ja nicht wirtschatfucher, sondern vielmehr volttüjcher Art. Es ist doch einfach unmöglich, daß eine Regierung. gerate in der jetzigen Lage, durch derartige Gewalt— mittel gejwungen werden soll, in dieser oder jener Frage einen be— stimmten Standpunkt einzunehmen. Es sind von der Regierung für die Streikenden Einrichtungen geschaffen worden. Aber diefe sind ja gar nicht in Anspruch genommen worden. Das diskreditiert uns im Auslande ungeheuer. Es ist leicht möglich, daß man uns die Lebens-

mittelzufuhr unterbindet. Ich appelliere an den Kongreß, daß er nicht diesem Bergarbeiterausstande seine Sympathie ausdrückt, hinter

dem nichts steht, als eine kleine Klasse und der Terror. Vorsitzender Hausxchi!d schlug vor, die Angelegenheit zurück—

zustellen, bis eine Aeußerung der Reichsregierung vorliegt. Cohen⸗ Reuß (Zentralrat) bemerkte: Wir pollen uns nicht in den Streik

der Bergarbeiter einmischen. Wenn es Tatsache ist, daß die Arbeiter die Notstandsarbeiten einstellen und die Gruben fo ersaufen, dann haben wir allerdings die Pflicht, zu handeln. Wir müssen an die Bergarbejterschaft appellieren, Deutschland vor dem riesenhaften Un— glück zu bewahren, das ein Ersaufen der Schächte bedeutet. (Zurufe bei den Unabhängigen: Weshalb!) Davon können Sie sich nicht ausschließen Ich schlage vor, daß der Kongreß folgendes Telegramm, das der Zentralrat voischlägt, abschickt; . Der zweite Rätekongreß appelliert an die Streikenden, unter allen Umständen die Notstandsarbeiten auszuführen, das deutsche Volk vor Unglück zu bewabren, das durch Ersaufen der Schächte eintritt. Wir können von hier aus nicht lagen, ob die Bergleute im Recht, die Regierunz im Unrecht ist. Wir enthalten uns so jeder Stellungnahme. Ist es denn erhört, wenn man liest, daß die Lebensmittelschißse, die in Deutschland an— kommen, nicht bunkern können? Wer hat den Mut, diesen Beschluß abzulehnen? Kaliski (Soz.) ertlärte im Namen seiner Fraktion, daß sie dieser Resolution selbstverständlich heitreie. Richard

Müller (41. Soz.) führte aus, daß sich die Frage der Schuld

an den Zuständen im Rubrrevier hier nicht klären lasse. Jeden falls lägen die Dinge so, daß von der Regierung ein sofortiges Eingreifen gefocdert werden müsse. Es gehe nicht an, daß die Re⸗ gierung nicht auch nachgebe. Gebe sie nicht nach, dann würden die Zechen eben ersaufen. Deshalb ist es, fuhr der Redner sort, unsere Pflicht in dieser ernsten Stunde, von der Regierung eine Er— klaͤrung darüber zu verlangen, wie sie fich den Vorgängen im Ruhr— gebiet gegenüberstelle. Selbstverständlich stehen auch wir auf dem

Standpunkt, daß die Zechen umer keinen Umständen eisaufen dütfen.

des Zentralrats mit folgendem Zusa

die Entichließung mit großer Mehrheit angenommen.

Denn das bedeutet den Untergang des deuischen Volkes. Richard Müller emprahl, sowohl die Resolution des Zentralrats wie auch den Antrag der Ü. S. P. einstimmig anzunebmen. Kaliski (Soz.) regte an, jede weitere Erörterung bis zum Vorliegen der verlangten Reegierungserklänung zurückzustellen, und, beantragte Schließung der Aussprache. Die Versammlung beschloß mit Meh rheit deingemäß.

Der Vorsitzende brachte nunmehr die Entschließung ; der U. S. P. ein: Der Kongreß wird die Reichsregierung sosort ersuchen, die berechtigten Forderungen der Bergarbeiter zu erfüllen.“ In dieser Form wurde Hinterher

wurde jedoch die Abstimmung sowohl von den Demokraten wie von den Mehrheitssozialisten bemängelt. Kalisti (Soz.) bean⸗

tragte nochmalige Abstimmung, da die eiste geschäftsord— nungswidrig gewesen sei. Es sei nicht zulässig gewesen, über zwei

verschiedene Anträge gemeinsam abzustimmen. Es gehe auch nicht an, alle Forderungen der Bergarbeiter als berechtigt zu erklären, wie es

der Wortlaut des Zufatzes tut, da z. B. nach seiner Ueberzeugung die Forderung einer Verkürzung der Arbeitszeit von 73 auf 6 Stunden

I. bei gleichzeitiger Lohnerhöhung um 25 vH eine Forderung sei, die jeden gewerkschaftlich organisterten Arbeiter mit Scham

erfüllen

miüsse. Für die Demokraten erklärte Lehrer Flügel, daß die Demo⸗

kraten zwar bereit seien, für die Erfullung berechtigter Forderungen einzutreten, eine Beschlußfassung könne aber erst dann erfolgen, wenn Einigkeit darüber erzielt sei, welche Forderungen als berechtigt

anerkannt werden. Es tam infolge dieses Einspruchs gegen die

erfolgte Abstimmung zu einer sehr lebhaften Geschäftsordnungs—

debatte, in der u. a. der Vorsitzende die Erklärung abgab, daß er die Entschließung mit dem Zusatz in dem Glauben zur Arstimmung gebracht habe, daß zwischen den Antragstellern eine Verständigung

aus dem Grunde, weil gegenwärti

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logische Folge die sei . . die berechtigten Forderungen der Bergarbeiter erfüllen werde. sprach sich gegen den Zusatzantrag in der angenommenen Fassung

erfolgt sei. Der Präsident der preußischen Landesversanmlung Leiner t bezeichnete ebenfalls die Atstimmung als nicht ordnungs— mäßig. Sie müsse wiederholt werden. Er sprach sich für eine Ablehnung des Zusatzantrags aus, weil dessen Wortlaut zu agitatorischen Zwecken benutzt werden könnte, und zweitens der Arbeitsminister Bauer den Bergarbeitern verhandle und die daß die Regierung auf Grund dieser Ver—⸗

im Ruhrgebiet mit

Auch ein Redner der Christlichen Volkspartei

us, indem er darauf hinwies, daß die Forderungen der Bergarbeiter

. durchaus nicht einheitlich, sondern nach den örtlichen Verhältnissen

ganz verschieden seien. Das Mitglied des Zentralrats Cohen⸗

Reuß lehnte ebenfalls die Fassung des bereits angenommenen Zusatz⸗

aSnntrags ab und schlug vor, den Zusatzantrag so zu formulieren, daß zum Ausdruck gebracht wird, die Regierung solle berechtigte Forde—⸗ rungen erfüllen.

Nunmehr wurde ein Antrag auf Schließung der

Geschäftsordnungsdebatte angenommen.

Auft uf an

In der weiteren Aussprache über die Entschließung, betr. den die Bergarbeiter des Ruhrreviers,

die Zechen nicht ersaufen zu lassen, gab für die Fraktion der

Unabhängigen Dr. Rosenfeld Berlin die Erklärung ab, daß

feine Fraktion alles versucht habe um eine möglichst einmütige Ent—

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schließung zustande zu bringen.

t Nach den Einwendungen gegen die Abstimmung stelle sich die Fraktion der Ü. S. 9 auf den formellen tandpunkt, daß die erfolgte Abstimmung zu Recht bestehe. Wolle

die Mehrbeit die Abstimmung wiederholen, dann müßte sie die Auf—

hebung der ersten Abstimmung beschließen. worauf dann geschäftt⸗ ordnungsmäßig über die vorliegenden Anträge abzustimmen sei. Von

. den Rechtssozialisten wurde darauf ein Antrag auf Aufhebung der ersten Abstimmung gestellt, der angenommen wurde.

Bei der nun folgenden zweiten Ab stim mung wurde der

Antrag der U. S. P. ab gelehnt und der Zu satz antrag

der S. P D. in folgendem Wortlaut einstimmig an ge no m men: Von der Reichsregierung wird erwartet, daß berechtigte Forderungen

der Bergarbeiter erfüllt werden. Mit diefem Zusatzantrage wurde

dann die Entichließung des Zentralrats einstimmig angenommen.

In der Nachmittagssitzung nahm als erster Redner Gohen⸗

Reuß daz Work ' zn folgender Giklärung; Richard Müllers berühmte

Mißverständnisfe stellen wohluͤberlegte Pläne zum Sturze der Hie⸗

zuheben.

Waffengewalt stürzen möchte. ö alte System durch Gewalt vertrieben, aber man muß uns auch das Recht zugestehen, daß, wenn wir angegriffen werden, wir uns dagegen wehren

nn sich birgt?

gierung dar. Ich selbst habe den Kampf um die Reichskanzlei mit— gemacht und gesehen, wie die Unabhängigen bewaffnete Anhänger in großen Scharen zusammengezogen hatten, um die Reglerung aus—⸗ Gegen diese Angriffe mußten wir uns natürlich wehren. Das werden auch Sie, Genossen von der Unabhängigen Partei, uns zubilligen. (Große Unruhe. Zuruf: ‚Man muß Angriffe aber nicht provozieren! Im November stand das ganze Proletariat hinter der Negierung, die es heute, durch gewissenlose Demagogen aufgereizt, mit Wohl haben auch wir im November das

dürfen. Glauben Sie etwa, daß wir uns ganz den Gefahren ver— schließen, die General Lüttwitz, auf den wir uns allein stützen können, Leinert hat das klassische Dokument, das von Lieb— knecht und drei anderen Genossen in Maschinenschrift unterschrieben ist, in dem von uns die Uebergabe des Kriegsministeriums gefoidert wird, erwähnt. Und da redet man immer noch von Mißverständ⸗ nissen, wo man doch einem großzügig angelegten Plan gegen übersteht. Die Schwierigkeiten der Regierung sind so groß, daß auch Sie (jz den Unabhängigen gewandt), wenn Sie jur Herr-

schaft kommen, unmöglich sosert alle Forderungen Ihrer Anbänger werden erfüllen können, die durch eine 0 jährige Agitation aufs schlimmste verbetzt worden sind. (Zuruf: „Unerhört“, „Sie haben auch umgelernt!“ Wohl babe ich umgelernt waß auch einem Zu— lernen gleichkommt. Hätlen Sie Ihre Genofsen in den Zentralrat berufen, so wären die Kämpfe mit den Maschinengewehren Üüberflüssig geworden. Wir wissen, daß unsere Hlifskräfle von reaktionären Offizigren bedient und uns gefährlich werden könnten. (Zuruf: Aha!) Die Nosleschen Truppen haben im Januar nicht eingegriffen, sondern nur Potsdamer und Lübbener Garde. Und dann rage ich Sie, Genossen von der U. S. P., ob wir es waren, die den „Vorwärts“, das Ullstein⸗ und Mossehaus besetzt haben? Noekes Garde hat erst im März eingegriffen, als man auf dem Alexanderplatz hereits viele Läden gepündert hatte und die Straßen— kämpfe schon mehrere Tote gelostet batten. Es war nicht ein Kampf zwischen zwei Soltbatengruppen, sondern ein Putsch, der die Regierung stürzen sollte. In einer Sitzung während der Unruhen wurde gesagt., daß Flugblätter aufgefunden worden seien, die zum Sturz der Regierung aufforderten und die die Räteregierung ausriefen. (Zuruf: „Es konnte aber keines beigebracht werden!“); Spartakus sowie die Unabhängigen haben diese Tatsache natürlich begrüßt. Wohl wollen wir anertennen, daß die Massen nicht mehr in der Hand ihrer Führer sich hefinden. (3üruf: Sie dürsen nicht provoziert werden.“ Wir haben heute über die Kohlenarbeiter— srage gesprochen, aber, Genossen von den Unabhängigen, zeigen Sie mir einmal, wo Sie die Aufforderung an die Kohlenarbeiter ergehen ließen, den Streik beizulegen. Sie müssen es aber bald tun, sonst gehen wir zugrunde. Einen Widerspruch birgt die Resolution des ersten Rätekongresses in sich, inxem sie von der Sozialisierung der dazu reifen Betriebe spricht. Diese Be— triebe kann man aber nur verstaatlichen. In Rußland hat man ganz ewas anderes gemacht, als man es vorher versprach. Und Lenin sagt selbst, daß er von dem Prinzip, das er vorher verkündete, bald abgewichen sei. Lenin verleidint selbst den Akkordlobn. Wo hat einer von Ihnen jemals den Mut gehabt, eine Klinge für den Akkordlohn zu schlagen 3 Lenin verlangt auch von seinen Anhängern eine Disziplin, die in Deutschland kein Mensch zu fordern wagen würde. Wenn Sie einen Personenwechsel in der Regierung verlangen, so beneiden wir leinen um diese Erbschast. Auf dem Gebiet der auswärtigen Politit haben wir alle Sünden der alten Regierung munter fortgesetzt. Keiner wird von der Mission des Reiche ministers Erzberger erbaut sein. Wenn man intensir das Material der Waffenstillsiandt verhandlung durcharbeitet, so ergibt sich die überraschende Tatsache, daß der Marschall Foch oft genug in entgegenkommender Weise unseren Wünschen Rechnung getragen hat. Bekommt Frankreich von uns keine Enischädigung, so ist es eigentlich der Geschlagene, denn es hat dieselben Verluste wie wir und ein zerstörtes Produktionsgebiet. Sein Anspruch auf das Saargebiet, der übrigens von keiner offiziellen Persönlichkeit erhoben worden ist, bedeutet weiter nichts, als die Sicherung der Saarkohle. Fühlt bei diesem Erzberger-Skandal nicht ein jeder, als ob wir dabei zugrunde gehen müßten? Hatte man nicht bei der Ablieferung der landwirtschaftlichen Maschinen die Empfindung, als wenn wir ver— hungern müßten? Und so hat Herr Erzberger dies alles nur so schlimm hingestellt, um sich mit dem Schein der Gloriole zu um— geben und um günstigere Bedingungen für Deutschland herauszuschlagen. Zuruf: „Werft ihn doch raus!“ Wer hat die Blockade gegen uns verhängt? Wer will uns nicht unsere Kolonien zurückgeben? Nicht Frankreich, sondern England und Amerika. Die Franzosen tun nichts anderes als eine Sicherheitspolitik treiben. Ein klarer Verzicht auf Elsaß-Lothringen wird der Angelpunkt einer zukünftigen Ver— ständigungspolitik sein müssen. Im Völkerbund wird Deutschland dieselbe Stellung einnehmen wie Frankreich. Aus allen diesen Gründen bitte ich Sie, die Entschließung Kaliskis einmütig an— zunehmen. (Lebhafter, anhaltender Beifall.

Inzwischen sind zwei Vertreter des Petersburger Arbeiterrats erschienen, und die Versammlung erteilt ihnen die Erlaubnis, als Gäste den Verhandlungen zu folgen.

Darauf ergriff Braß (J. Soz.) das Wort: Sie alle haben die Vorbereitungen der Noske⸗Gardé da drgußen gesehen und die Flugblätter gelesen, die das Volk in eine Pogromstimmung hinein⸗ pressen wollen. Ich weiß nicht, ob Herr Noske in Wuklichkeit dem Interesse der Arbeiter dient. Dann ist es auch nicht wahr, daß eine augenblickliche Mehrheit hinter der jetzigen Regierung steht. Wir haben neue Männer bekommen, die mit allen Methoden regieren; weshalb allein in steigendem Maße die Erregung in der Atbeiterschaft? Glaubt die Regierung, durch ihre Weiße Garde den Sozialismus retten zu können? Nein, sie wird allein dadurch der Totengräber ihrer Politik. (Zuruf: Sehr richtig) Daß die Regierung mit Spitzeln arbeitet, hat Herr von Gerlach, der ja selbst der Regierung angehört hat, in der „Welt am Montag“ bestätigt. Wie die Regierung arbeitet, zeigt auch ein Voifall bei Krupp in Essen. Die dortige Arbeiterschaft hatte sich geschlossen am Streik nicht beteiligt. Als sie aber feststellte, daß in einer Anzahl Kisten, die in den Betri böräumen standen, Hand ranaten und Munition enthalten waren, trat sie entschlossen in den treik ein. Die Unterbringung der Munition bei Krupp ist nichts anderes als die planmäßige Vorbereitung der Gegenrevolution. (Zuruf Leinerts: Haben Sie denn keine Maschinengewehre gehabt? Gewiß haben wir Maschinengewehre gehabt, sonst würden Sie, Herr Leinert, nicht hier sitzen. Zu Unruhen ist es überall erst dann gekommen, als die hiegierungstruppen ein. rückten. Im Gegensatz zu Kalieki, der die Gleichgewichtspolitik propagiert, stehen wir Unabhängigen auf dem Standpunkt, daß unsere auswärtige Politik von der Interessengemeinschaft des internationalen Proletariats diktiert sein muß. Wir müssen also mit den Nachbarn in Westen und Osten möglichst schnell in freundschaftliches Ver— hältnis kommen, müssen die Beziehungen zu Rußland aufnehmen und sofort die Tätigkeit unserer Freiwilligentruppen im Osten einstellen. Das muß der Kongreß aussprechen. Das Bestreben, das aus den Reden Kaliskis und Cohens herausklang, einen Boden für gemeinsame Arbeit des revolutionären Proletariats zu finden, begrüßen wir Unab⸗ hängigen lebhaft. (Beifall bei den Unabhängigen.)

Ez gab dann eine fast halbstündige Geschäftsordnungsdebatte darüber, ob der Meichsminister Wissell! der sich zum Wort gemeldet hatte, sprechen dürfe. Der Vorsitzende Richard Müller stellte fest, daß die Geschäftsordnung insofern eine Lücke enthalte, als sie keine Bestimmungen darüber habe, in welcher Reihenfolge Regierungs⸗ vertreter zu Worte kommen sollen. Bei der Abstimmung wurde ein Antrag der Rechtssozialisten, den die Demokraten unterstützten, an⸗ genommen, wonach den Vertretern der Regierung jederzeit das Woit zur Sache zu erteilen ist. Ein Antrag der i me gn, die Regie⸗ rungsmitglieder genau so zu behandeln wie die Mitglieder des Zentralrats, wurde gegen die Stimmen der Unabhängigen abgelehnt. Mit dem gleichen Stimmenverhältnis wurde den Regierungsvertretern unbeschränkte Redezeit zugebilligt.

Nunmehr nahm der Reichsminister Wissell das Wort. Er wandte sich zunächst gegen Cohen, um die Unterstellung zurück⸗ zuweisen, Erzberger habe Verhandlungen mit der Entene so dar— zustellen gesucht, um nachher möglichst zu glänzen. Diese An⸗ schauung sei in jeder Beziehung unzutreffend. Wenn Braß das Bestreben zu gemeinsamer Arbeit begrüßt habe, so seien seine eigenen Ausführungen nicht dazu angetan, bei den Unabhängigen auf eine solche Absicht schließen zu lassen. Wenn die Unab— hängigen der Ueberzeugung seien, daß die Regierung. „Lockspitzelei' treibe, ein Vorwurf, den er mit aller Entschiedenheit zurückweisen müsse, so sei allerdings die Möglichteit eines Zusammenarbeitens nicht gegeben. Wissell führte weiter aus: Wir wissen genau, daß in Deutschland der iussische Rubel gerollt hat. Die Ausführungen Braß' sind ganz dazu angetan, die schon ohnehin große Erregung im Lande von neuem zu schüren. Wenn die Unabhängigen die sofortige Soziglisierung fordern und behaupten, die Regierung lasse es in dieser Beziehung an gutem Willen und an der ä Entschlossenheit fehlen, so ist dem entgegenzuhalten, daß Ihnen (zu den Unabhängigen gewendet) die sofortige Sozialisierung doch nur

ein Schlagwort bedeutet, von dem Sie nicht iecht wissen, was kahinter st'eckt. Was wollen Sie dnn heute sozialisicren? as ganze deutsche Wntschaftsleben ist ein Schutthaufen, eine Steinwüste (Braß ruft: Die Sie geschaffen haben!, und an diesem Trümmerfelde haben die

Unabhängigen ein gut Teil Miischuld. (Umuhe bei den Un abhängigen.) Ueher diese Schuld wird einmal die Geschichte

urteilen. Mit tiefem Bedauern muß ich feststellen, daß die Lebens⸗ mitteischiffe mit Ballast ausfahren mußten, weil unsere Volkewirt⸗ schaft nicht über die Güter verfügte, mit denen wir die eingeführten Lebensmittel bezablen müssen. Jeder Tag des Streits führt dazu, daß die Arbeiter geradezu das Brot in den Boden lreten, das zur Ernährung so bitter noiwendig ist. Ein Gefühl der grenzenlofen Ueberschätzung der eigenen Kraft, des eigenen Könnens har die Arbeiter erfaßt, und Sie (zu den Ünabhängigen) haben das ins Unermeßliche gesteigerte Bewußtsein großgezogen. Wo haben Sie den Arbeitern je gesagt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen? (Breß: Üeberall) Sie sehen jeden Streik als das einzige Mittel an, das zur Gesundung der Verhältnisse führen soll. (Braß: Das haben Ihnen Ihre Spitzel erzählt!) 5 auf, dem Kongreß muß einmal den Aibeitein mit aller zutlichkeit gesagt werden, wie es in Wirklichkeit mit unserer Volts— wimtschaft steht. Es muß ihnen gesagt werden, daß wir nur einen ganz kümmerlichen Rest der Volkswirtschaft aufrecht erhalten können. Wir sehen uns jetzt vor die Notwendigkeit gestellt, von klein auf aufzubauen, und als Bausteine haben wir nur unsere Arbeitskraft und die Rohstoffe, die wir noch jetzt vom Ausland bekommen sollen. Da wir überdies Belgien und Nordfrankreich wieder aufbauen müssen, so bedarf es doppelter, ja dreifacher Anspannung unserer Athettekraft. Auch die Beschaffung von Rohstoffen aus dem Ausland bereitet uns ungeheuere Schwierigkeiten, da wir bei dem Auslande eine Schulder⸗ last haben, die doppelt so hoch ist, wie die Summe, für die wir sonst vom Auslande Waren in einem Jahre eingeführt haben. In einer Zeit, in der wir mit den Nahrungsmitteln nicht bis zur nächsten Ernte reichen, gilt es, mit allen 1 und Fibern zu schaffen. Und in diesem Augen⸗ lick wird von der linken Seite fein Wort gegen die Seits gesagt, die von taumelnden Arbeitern inszeniert werden, die sich der Tragweite ihres Tuns nicht bewußt sind. Da wir nicht genügend Kohlen und kein Kalt zur Ausfuhr haben, so mässen wir mit barem Gelde bejahlen, wodurch wiederum unser Kredit zum Sinken gebracht wird. Bei dem gegenwärtigen außerordentlich ungünstigen Stande der deutschen Valuta im Austande kann uns nur Arbeit und immer wieder Arbeit helfen. (Stürmischer Beifall bei der Mehrheit, Bravorufen und Händeklatschen.) Dann irat gegen 61 Uhr Schluß der Tagung ein.

/ Berichtigungen zum Steuerkurszettel befinden sich in der Ersten Beilage unter „Handel und Gewerbe“.

Braunschweig.

Auf Jeschluß des Aktionsausschusses der Betriebs ausschüsse und der Vertrauensmänner der Arbeiter ist gestern vormütag, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, die reoolutionare Arbeiterschaft Braunschweigs in den politischen General— streik eingetreten. Es gelte den Kampf gegen den Kapitalismus und den Militarismus und die Rettung der Revolution. Nach 8 Uhr Abends darf niemand mehr ohne Auswels des revolutio— nären Aktionsgusschusses auf der Straße sein, ausgenommen Aerzte usp. Vor den Hanken sind Volkawehrposten aufgestellt. Auch der Eisenbahnverkehr ist vollkommen sillgelegt.

Eine Abteilung der Braunschweiger Volkswehr hat vor— gestern, wie das „Helmstedter Kreisblatt“ berichtet, die öffent— lichen Gebäuße in Helmstedt besetzt. Zwei Volks⸗ kommissare aus Braunschweig sind gestern zu Ver handlungen in Helmstedt eingttroffen. Der Bürgermeister ist vorlaufig vom Amt suspendiert worden. Gestern abend wurde in einer großen Volks versammlung der Generalstreik proklamiert, der heute

früh einsetzen soll. Sessen.

In der Volkskammer teilie gestern der Ministerpräsident Ulrich laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ mit, daß die Landwirte im Kreise Bensheim in den Aus⸗ stand getreten seien und daß vorgestern zu dem angesttzten Viehauftrieb nicht ein einziges Stück angetrieben worden sei. Die Stimmung, die dadurch in der Beoölterung erzeugt worden sei, sei geradezu gefährlich. In Arbeiterkreisen herrsche große Erregung gegen die Landwirte, und es seien Gewaltmaßregeln zu befürchten. Die Folgen tönne niemand übersehen. An⸗ geblich soll sich der Streik gegen den Viehhandelsverband richten.

ö Bei der Beratung des Hauptvoranschlags führte der Finanzminister Henrich aus:

Ams dem Jahre 1918 seien 21 Millionen ungedeckt, die Preußen als Anteil Hessens am Defizit der Eisenbahn beanspruche. Für 1919 werde dieser Zuschuß auf nicht ganz eine Million“ geschätzt. Die Regierung lehne diejen Zuschuß bestimmt ab. Sie habe weder schriftlich noch mündlich in Berlin Zweifel über diese Stellungnahme gelassen. Hessen sei mit dem Uebergang der Eisenbahn auf das lech einverstanden, lehne es aber ab, daß die Abfindung auf der Grundlage des gegenwärtigen Eisenbahnvertrags mit Preußen eifolge. Die Regierung könne nicht zugeben, daß Preußen mit einer sieben— prozentigen und Hessen mit einer vierprozentigen Rente in die Reichs⸗ gemeinschaft übergehe.

Parlamentarische Nachrichten.

Der deutschen Nationalversammlung ist, nie „W. T. B.“ aus Weimar berichtet, folgender Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ausbildung von Kriegs⸗ teilneh mern zum Nichteramte, zugegangen:

§ 1. Zwischensemester werden an allen deutschen Universitäten zu den ordentlichen Studienhalbjahren eingerichtet werden sowie gleichwertige Universitätskurse, die an anderen Stellen veranstaltet werden und den Kriegsteilnehmern von der Landeszentria bebörde als volle Halbjahre auf das dreijährige Studium der Rechiewissenschaft (Sz 2 Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angerechnet werden.

5 2. Die Landeszentralbehörde kann für einen Kriegsteilnehmer den dreijährigen Vorbereitungsdienst zwischen der ersten und zweiten juristischen Prüfung (5 2 Absatz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzet) um höchstens ein Jabr abkürzen. Die Kürzung darf nicht erfolgen, soweit das dreijährige Rechtsstudium des Kriegsteilnehmers durch Anrechnung von Zwischensemestern oder Univeisitätskursen abgekürzt worden ist.

§3. Von den Ermächtigungen (85 1, 2) darf die Landeszentral— behörde nur ohh Gebrauch machen, wie es zum Ausgleich einer durch die Teilnahme am Kriege verursachten Verzögerung der Aus— bildung erforderlich ist.

4. Die Landeszentralbehörde bestimmt, wer als Kriegkteil— nehmer anzusehen ist und was als Teilnahme am Kriege angesehen werden kann.

Der Teilnahme an dem gegenwärtigen Kriege kann der Dienst bei anerkannten Verbänden freiwilliger Truppen zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung oder des Grenzschutzes sowie der vaterländische Hilfedienst gleichgestellt werden. Die Vorschrift des Abfatzes 1 4 entsprechend.