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Bekanntmachung.
Auf Grund der S§ 1 und 2 der Bundesratsverordnung vom 23. September 1915, betr. Fernhaltung , . Personen vom Handel (RGB. S. 603), und der Ausführungsbestimmungen bierju vom 27. September 1915 wird dem Metzgermeister Bern«⸗ hard Gchterbruck, wohnhaft in Sterkrade⸗Holten, Kirchstraße 17, der Handel mit Vieh und Fleisch- und Wurstwaren sowie jede mittelbare oder unmittelbare Be⸗ teiligung an einem solchen Handel für das Gebiet des Deutichen Reichs untersag t. — Die durch das Verfahren enkstandenen baren Auslagen, insbesondere auch die Kosten der Bekanntmachung fallen dem Betroffenen zur Last.
Sterkrade, den 8. April 1919. Die Polizelverwaltung. J. V.: Der Beigeordnete Dr. Heuser.
Nichtamtliches.
Deutsches Re mich.
Preußen. Berlin, 11. April 1919.
In der vorgestern unter dem Vorsitz des Reichsministers des Innern Preuß abgehaltenen Vollsttzung des Staaten⸗ ausschusses wurde, wie „Wolffs Telegrophenbüro“ meldet, der Einbringung des Entwurfs eines Gesetzes über die Er⸗ mächtigung der Reichsregierung zum Erlasse von Verord⸗ nungen an die verfassungagebende deutsche Nationalversamm⸗ lung zugestimmt Ferner wurden Gesuche in ärztlichen und Apotheker⸗Diepensationssachen erledigt und dem Vorschlage der Reichs versicherungeanstalt für Angestellte bezüglich der An⸗ stellung von höheren Beamten der Ansialt zugestimmt
In der gestrigen Vollsitzung des Staatenausschusses unter dem Vorsitz des Reichsministers Dr. Preuß wurde der Ein⸗ bringung des Entwurfs eines Gesetzes über Aenderung des Gesetzes über den Absatz von Kalisalzen und des Entwurfs eines Gesetzes für Festlegung des 1 Moi als Nationalfesttages n, mne, n deutsche Nationalversammlung zu⸗ gestimmt.
Die vereinigten Ausschüsse des Staatenausschusses für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr sowie der Ausschuß für Zoll- und Steuerwesen hielten heute Sltzungen.
Das preußische Staatsministerium hat laut Mel— . des „Wolffschen Telegraphenbüros“ folgenden Beschluß gefaßt:
Die Preußische Regierung sieht wie die Regierungen von Württemberg, Baden und Hessen das Ministerium Hoffmann als die allein rechtmäßige Regierung Bayerns an.
Im „Armee⸗Verordnungsblatt“ befindet sich nachstehende Bekanntmachung des Kriegsministeriums:
Wie bekannt geworden, befinden sich noch viele Dienstakten, wie Krankenbücher jeglicher Art, Totenbücher, Krankenblätter, Verwaltungs⸗ akten und sonstige Bücher von Sonitätsformationen des deut— schen Feld ⸗ und Besatzungsheeres in Händen von entlassenen ,,,, und Pripatpersonen. Ihre Abgabe ist wohl igher aus Unkenntnis der bestehenden Bestimmungen unterblieben. Sie sind aber für die Geschäftsführung der in Betracht kommenden Heeresdienststellen unersetzlich. Die in Frage kommenden Personen werden deshalb ersucht, alle in ihren Händen befindlichen Akten be— zeichneter Art alsbald, soweit erforderlich durch Vermittlung der nächsten Heeresdienststelle, an das „Hauptkrankenhuchlager des Kriegs⸗ ministeriums, Berlin W. 66 (Wilhelmstr. 92/93)“ abzugeben, das für die Weitergabe an die zuständige Stelle sorgen wird.
Nachdem der Gedanke eines Handels monopols . Stickstoff im Reichstag auf Woderstand gestoßen war, st, laut Mitteilung des „Wolffschen Telegraphenbüros“, unter 3 des Reiche schatzamts ein Synditat sämtlicher
rzeuger von Stickstoff in Deutschland ins Leben gerufen worden. Das Reich, das große Mittel in den Stickstoffwerken investiert hat, hat sich einen maßgebenden Einfluß auf die Leitung des Syndikats und die Gestaltung der Preise gesichert. Auße dem besteht die Absicht, nehen⸗ her noch eine Vereinigung der Verbraucher zu gründen. Ob⸗ wohl die gesetzlichen Aufgaben der Nationalversammlung mit dieser Syndikatsgründung nichts zu tun haben, hat die Regierung Wert darauf gelegt, den Vertrag der National⸗ veisammlung vorzulegen. Die Prüsung des Vertrages hat her Ausschuß für Volkswirischaft übernommen. Die Ver⸗ handlungen haben heute begonnen und werden am Freitag ,, werden. Die Vertreter der Parteien haben sich sher zustimmend geäußert.
Die gestrige Mitgliederversammlung der „Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ nahm Stellung zu den von der Reichsregierung in Aussicht gestellten Maßnahmen der Einführung von Betriebsräten, Bezirks⸗ wirtschafts räten und eines Zentralwirtschaftsrats. Laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ kam überein⸗ stimmend zum Ausdruck, daß die Einführung von Betriebsräten und ihre Augstattung mit den in Aussicht genommenen weit⸗ , . Befugnissen einen tiefen Eingriff in das Selbst⸗
estimmungsrecht und die Verantwortungspflicht des Unter⸗ nehmers bedeuten, dessen Ausschaltung eine Schädigung der Betriebe und der gesamten Jadustrie zur unausbleiblichen Folge haben würde. Die Industrie müsse deshalb die Ver⸗ antwortung für diese Maßnahmen der Regierung allein üher⸗ lassen. Ebensowenig könne sie Wirtschaftsgebilden, die sich micht auf dem Unsergrunde freiwilliger Zusammenarbeit aufbauen, eine ersprießliche Wirksamkeit zue kennen, und vermöge eine Not⸗ wendigkeit für solche Gebilde, möge man sie, Räte“ oder, Kammern“ nennen, um so weniger anzuerkennen, als die auf freier Willens⸗ entechließung von Unternehmern und Arbeitern beruhenden Ar⸗ beitsgemeinschaften schon jetzt in freiwilliger Zu⸗ sammensrbeit die Aufgaben zu lösen erfolareich bestrebt seien, die den von der Regierung geplanten Organen zugewiesen werden sollen. Mit der Durchführung ihrer Pläne würde die Regierung der „Arbeitsgemeinschafi“ ihre wesentlichen Auf— gaben entziehen und ihr somit den Lebedsnerv abschneiden.
Die Versammlung nahm sodann einen Bericht über die im Virfolg des Novemberabkommens mit den Gewerkschaften und A gestelltenverbänden getätigten kollektiven Vereinbarungen und Tarifverträge entgegen, aus dem hervorging, daß die Forderungen der Arbeitnehmer häufig so weit über das Maß
truppen in Königsbeig
des für das Gedeihen der Unternehmungen und der Industrle Zulässigen hinausgehen, daß an eine Ertragswirtschaft und eine Wettbewerbs fãh ig lei nicht mehr gedacht werden kann. Trotzdem haben die Arbeitgeber vielfach unter dem Zwange der Verhältnisse und selbst unter dem Drucke äußerer Gewalt diesen weitgehenden Forderungen nachgeben müssen.
Aus dem Geschäftsbericht, den der Geschäftsführer der Vereinigung, Dr. Tänzler, erstattete, ging hervor, daß die Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände namentlich seit der durch die Revolution geschaffenen Lage einen außerordent⸗ lichen Zuwachs erfahren hat, so daß die in den Betrieben ihrer Mitglieder beschäftigten Arbeiter die Zahl von drei Millionen schon jetzt überschritten haben. Der Geschäftsbericht betont, daß die deutschen Arbeitgeberverhände sich auch in Zukunft ihre Geltung sichern werden und daß ihre Mitarbeit zur Wiederaufrichtung unserer am Boden liegenden Wirtschasft gar nicht entbehrt werden kann.
Uber die gestrige Sitzung des zweiten Kongresses der Arbeiter-, Soldaten⸗ und Bauernräte Deutschlands berichtet die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ ;
Der Vorsitzende Hauschild, der die Sitzung um 916 Uhr eröffnete, verlas ein Schreiben der Strafkammer VI! des Landgerichts 1 Berlin in der Haftentlassungssache Ledebour. In dem Schreiben wird mitgeteist, daß die Strafkammer auf ihrem Beschluß vom 5. d. Mts. der die Haftentlassung ablehnt, besteben bleibt. Das Gericht stellt anheim, die Verteidiger des Angeschuldigten zu veranlassen, gegen den die Haftentlassung ablehnenden Beschluß Beschwerde einzulegen. Von den Unabhängigen wurde diese Mit⸗ teilung mit Unruhe aufgenommen. Auf Vorschlag von Dr. Rosen“ feld wurde eine aus je einem Mitgliede der Fraktionen bestehende Kommission gewählt, die die Haftentlassung Ledebours betreiben soll.
Dann erstattete Bock von der Soldatenfraktion den Bericht der Kommission, die für die Erledigung des Falles Brandes eingesetzt worden war. Bock teilte mit, daß Reichswehrminister Noske eine größtmög iche Beschleunigung der Prüfung des Falles angeordnet und zugesagt habe, daß, falls das Material nicht allzu belastend sei, die Haftentlassung noch heute erfolgen solle..
Dann nahm der Minister des Reichsernährungsamts Schmidt zu einer Erklärung im Namen der Reichsregierung das Wort. In dieser Erklärung wird zum Ausdruck gebracht, wie sich die Regierung zu dem Streik im Ruhrrevier und zu den Forderungen der Bergarbeiter stellt. Die Regierung, so heißt es in der Erklärung, hat sich wiederholt bemüht, mit den Vertretern der Bergarbeiter eine Verständigung herbeizuführen. Sie hat sich ferner, um die Kohlenförderung zu heben, dazu entschlossen, überall da wo die vollen Schichtstunden geleistet werden, besondere Zu— wendungen an Lebensmitteln zu gewähren. Diese Maßnahmen der Regierung sind auch von den Bergarbeitern als unter den gen gebenen Verhältnissen zufriedenstellend bezeichnet worden. Dagegen lehnt die Regierung es ab, über die allgemeinen volitische— Forderungen der Bergarbeiter Vereinbarungen zu treffen. (Hört, hört! bei den Unabhängigen.)
Nach einigen geschäftlichen Mitteilungen wurde die Aussprache über den ersten Punkt der Tagesordnung „Bericht des Zentralrats“ fortgesetzt. Als erster Redner sprach Parteisetretär Seemann (S. P. D.). Er schloß sich mit bemerkenswertem Nachdruck den gestrigen Ausführungen des Reichsministers Wissell über die unheilvollen Folgen des politischen Streike an und erklärte, daß, wenn diese Streits andauern, noch im Laufe dieses Jahres Hunderttausende und aber Hundert⸗ tausende Menschen zugrunde gehen werden. Der Redner polemisierte mit großer Schärfe gegen die Haltung der Unabhängigen bei diesem Streik, insbesondere gegen die Ausführung von Braß⸗Remscheid. Der Redner kritisierte vor allem das Durcheinander der Räte in Deutsch⸗ land. Dem Zentralrat warf er vor, daß dieser seine Schuldigkeit nicht voll getan habe. Dann fuhr er fort: Das, was jetzt in Ost⸗ preußen unter dem Grenzschutz steckt, kann nicht die Grundlage unserer Reichswehr bilden. (Zuruf: Hört! hört!) Alle diese Truppen haben sich anwerben lassen aus Gründen der guten Verpflegung, der hohen Ent— lohnung und werden zusammengehalten durch die Anhänglichkeit und Treue zu ihren alten, in dem Weltkriege erprobten Fübrern. Diese Truppen haben keine politischen Ziele und folgen ihren Führern blindlings. (Zuruf: Sehr gut!) Ihre Führer können allen und jeden Gebrauch von ihnen machen und sich unbedingt auf ihre Treue verlassen. Nachdem man in Ostpreußen die Arheiter, und Soldaten⸗ räte ihrer Macht allmählich entkleidet hat, erhebt sich täglich frecher das Haupt der Reaktion. (Zuruf: Unerhört. — Große Unruhe.) Täglich erheben die Landräte maßlosere Forderungen und suchen die ihnen Beigeordneten auf alle Weise zu schikanieren und sich ihren Anordnungen zu entziehen. Die Hauptschuld daran, daß es so weit gekommen ist, trägt die Uneinigkeit des Proletariats. (Zuruf: Sehr richtig Wenn wir nicht verzweifeln wollen, so müssen wir die Kräfte aller Proletarier Deutschlands zusammenfassen (Bravo!) und ein Aktionsprogramm aufstellen, das allen berechtigten Wünschen Rechnung trägt. Nur so wird sich eine Einigung zum Nutzen aller Sozialisten finden lassen. (Lebhafter Beifall.)
Darauf ergriff ein Vertreter der Reichsregierung, Direktor Kühler, das Wort: Die Reichsregierung hielt es mit Mücksicht auf friedlichen Verlauf der Waffenstillstandsverbandlungen nicht für angezeigt, mit der Sowjet-Regierung zu verhandeln, umsomehr. da fi Nachrichten erhalten hatte, daß die Bolschewisten—⸗ armeen, die auf Ostpreußen im Anmarsch begriffen waren, aus den Vorräten des Landes leben mußten und keinen geordneten Nachschub von Lebensmilteln hatten. Ferner war es sehr zweifelhaft, ob diese Armeen der von der Moskauer Regierung ausgegebenen Parole auch folgen würden. Der Beschwerde, daß wir nach Ostpreußen nicht genügend Grenzschutztruppen gesandt hätten, müssen wir entgegen halten, daß es ja gerade die Unabhängigen waren, die, um ein Beispiel anzuführen., in Braunschweig und anderen Städten die Weibung unterbanden. Die Regierung steht auf dem Standpunkt, daß sie es auf keinen Fall zu Feindseligkeiten gegen die Sowjet⸗ truppen kommen lassen will. Sie hegt den dringenden Wunsch, so bald wie möglich Truppen aus dem besetzten Gebiet zurückzuziehen und die russischen Gefangenen in ihre Heimat zurückzusenden. (Huruf: „Warum hat sie es nicht schon früher getan?“) Die Entente hat ausdrücklich in ihren Noten ein Zurücksenden der russijchen Gefangenen verboten, da sie fürchtet, daß dadurch nur die Bolschewistenarmeen verstärkt weiden. Wir wollen mit der russischen Regierung in Fieundschaft leben, nur müssen wir ver⸗ langen, daß sie sich nicht in unsere inneren Verhältnisse einmischt. (Zuruf: „Aber wir können es tun!“ Von den Behauptungen, des Genossen Seemann bezüglich der Übergriffe der Regierungs⸗ mag ja manches, wahr“ sein, aber ebenso wahr ist es, daß große Mengen von jungen Burschen, durch Kommunisten und Unabhängige verhktzt, anfingen, Läden zu plündern. (Große Unruhe.) Der Generalstreik ist nicht, wie behauptet wird, auf die Erbitterung der Berliner Arbeiter zurück zuführen, sondern auf die durch Flugblätter und andere Mittel systematisch betriebene Agitation der Spartakusleute und Kom— munisten. Tppisch dafür ist, wie der Streik zum Ausbruch kam. Die Vollversammlung der Arbeiterräte nahm das Recht für sich in Anspruch, den Streik allein zu beschließen; erst nachher fanden Abstimmungen statt, die unter dem schon egen Beschluß des Generalstreiks natürlich einen ganz anderen Ausgang fanden. So konnten ja auch z. B. die Buchdrucker nur zum Sirelk gezwungen werden durch die Drohung der Stillegung der Gas und Elettrizitäts- werke. Aber die „Freihen“ sollte weiter erscheinen. (Lachen rechts und Widerspruch links. Lebhaste Unruhe.) Regen Sie sich doch nicht jo auf, denn Sie, die Unabhängigen, haben ja erst durch Ihre
Fraktion den Antrag gestellt, die Gas⸗ und Elektrizitätszufuhr zu
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während dieser Szene verhältnismäßig rubig, so daß den Tribünen zugerufen wurde: „Mehr Courage, mehr Mut!“) — Der Minister Schmidt fährt Empfindlichkeit, die Sie jetzt eben j. haben, läßt sich nicht in
erdächtigungen, die Sie oft
unterbinden. Ihre Schuld ist es gewiß nicht gewesen, wenn der Streik so schnell zusammenbrach. (Zuruf: ‚Das wissen Sie wohl durch Spitzel?) Am Montag, ehe der Generalstreik beschlossen wurde und ehe noch Regierungssoldaten in Berlin waren (Widerspruch linke), wurden schon am Alexanderplatz Geschäfte geplündert und im Norden der Stadt Polizeireviere gestürmt. Damit die Stadt nicht vollständig in die Hände der Plünterer fiel, ließ der Reichswehrminister die Truppen einmarschieren. (Große Ünruhe links.) Ja, Sie (zu den Unabhängigen gewandt) decken ja immer über die Taten des Mobs den Mantel der Nächstenliebe. Die Unabhängigen haben nichts getan, um den Generalstreik zu unterbinden. sondern sie haben ihn geschürt und künstlich hervorgerufen. Die Schuld daran fällt also allein Ihnen zu. (Lebhafter Beifall rechts.)
Bei der weiteren Besprechung des Geschäftsberichts verteidigte Scho; (Soldatenfraktson) die Soldaten räte, die ihre Existenz⸗ berechtigung in jeder Beziehung nachgewiesen hätten, und stellte folgende Forderungen auf: Gleichstellung der Wach⸗ und Arbeitsfommandos mit den Freikorps in den Verpflegungssätzen, gleiche Behandlung der Lajza rettkranken und der Kranken der Freikorps, Neuregelung des Ver— sorgungsmesens, Besserstellung der Kriegsperletzten bis zu ihrer At⸗ findung, Beschleunigung der Lieferung künstlicher Gliedmaßen und Erhöhung des Servicegeldes.
Eine längere Geschäftsordnungsaussprache schloß sich an eine Mitteilung Geyers (l. S. P.) an, wonach ein Mitglied des Zentral⸗ rats die Außerung getan hahen solle, daß die beiden Vertreter der Arbeiterräte Petersburg und Moskau aus dem Saale gewiesen werden sollten, weil einer der Herren bei einer Rede einen Zwischenruf gemacht habe. Der Vorsitzende teilte hierzu mit, daß die Mandats—⸗ prüfungskommission inzwischen festgestellt habe, daß die beiden ru ssischen LKerren kein Mandat als Vertreter der zussischen. Sowjet-Republik zum Rätekongreß haben. Hierauf gab für die S. P. D. Schim mel die Erklärung ab, daß, nachdem erwiesen sei, daß die heiden Herren keinen Auftrag zur Vertretung der russischen Republik besitzen, die sozialdemokratijche Mehnheitsfraktion diese beiden Herren nicht mehr als Vertreter Rußlands anerkenne. Die demokratische Fraktion schloß sich dieser Erklärung an, und die Versammlung stimmte, obwohl Brgß (IJ. S. P.) erklärt hatte, daß den beiden russischen Genossen die Mandatsausweise beim Überschreiten der Grenze abgenommen worden seien, der Erklärung der S. P. D. zu, so daß also die beiden russiichen Arbeiterratsmitglieder nicht mehr als Gäste in den Reihen
der Delegierten verweilen durften, sondern auf die Tribünen ver—⸗ wiesen wurden.
In der weiteren Aussprache äußerte Weinbrenner (Demokrat): Dieser Kongreß ist nicht ein wirkliches Bild des werktätigen Volkes. Ich . Sie, wo sind die Vertreter der christlichen Gewerkschaften Westfalens und Westpreußens? Wenn wir für Sie, Herr Brühler, nicht gestimmt hätten, so säßen Sie nicht als Ver— treter des Wuppertales in diesem Kongreß, und es ist traurig, daß Sie die Verhandlungen dieses Kongresses auf das Niveau einer Volksversammlung herabzudrücken suchen. (Brühler in großer C). regung: „Wir sprechen uns am besten außerhalb dieses Hauses!“ Es ist viel leichter, eine alte, wohlfundierte Wirtschaftsordnung zu zerschlagen, als ein neues System, das allen Anforderungen entspricht, aufzubauen. Das Schlagwort der Sozialjsierung kann uns nicht irte darin machen, daß von der anderen Seite mehr geleistet worden wäre, wenn wir sie ruhig hätten gewähren lassen. Ich kann ver— stehen, wenn Sie die Noske-Truppen gern los sein mächten. Wohl muß zugegeben werden, daß ihr Verhalten nicht immer ganz ein⸗ wandsfrei gewesen ist; aber darf man denn einen ganzen Stand für die Taten einzelner verantwortlich machen? Das ist ungerecht.
Meyer, Mitglied des Zentraisrates bemerkte: Mit der Entlassung der gesamten Armee sollte gleichzeitig der Aufbau eines Volksheeres begonnen werden. Aber wir fanden (zu den Unabhängigen gewandt) bei Ihnen nicht die nötige Gegenliebe, und so mußten wir zur Bildung von Freiwilligenverbänden schreiten, an deren Aufstellung allein Sie die Schuld tragen. Ebenso sind die ganzen Unruhen der letzten Zeit auf Ihr Konto zu setzen. Als Ledebour damals frei⸗ gelassen worden war, eilte er sofort nach dem Schloßplatz und hetzte die Massen durch allbekannte Schlagworte wie „Bluthunde“, zu ÜUn⸗ ruhen auf. (Zurufe: Hat er nicht recht gehabt?“. Wir im Zentralrat müssen den Vorwurf ablehnen, daß wir eine hinterlistige und ver= räterische Polilik getrieben hätten. Oft sind die Soldatenräte auch weit hinaus über die Grenzen ihrer Machtbefugnis gegangen ö. . z. B. auf die Ernährung oft einen unheilvollen Einfluß ausgeübt.
Reichsernährungsminister Schmidt erklärte: Wenn die Gewalt⸗ taten, die mit Ihrer Zustimmung (gegen die Unabhängigen gewandt) von den Spartakisten verübt worden sind, jetzt so hingestellt wercen, als ob sie, von der Regierung provoziert oder gar hervorgerusen worden wären, so ist das eine ungeheure Verdrehung des Tatbestandes. Haben doch die Spartakisten lange vor Eingreifen der Regierung im Norden der Stadt 32 Polizeibüros gestürmt und besetzt, und hätte die Regierung nicht schnell eingegriffen, so wäre Berlin bald in den Händen der Aufrührer gewesen. Von Ihnen wird Gemalt an⸗ gewendet, und wenn wir solche dagegen setzen, so wird ein ungeheures Geschrei erhoben und uns gesagt, wir sollten verhandeln. Der große Gegensatz in allen unseren Bestrebungen ist allein darin zu suchen, daß Ihnen, vollkommen der Grundsatz jeder Demokratie abgeht. Richten Sie die Herrschaft irgendeiner Klasse, auf, so kann sie nur mit Gewalt aufrecht erhalten werden. (Zuruf: »Noste!) Und wenn wir uns gegen diese Gewalt wenden, so ziehen wir uns Ihren Haß zu. Ja, wir und das Bürger tum haben zu wenig Courage gezeigt, und immer wieder muß ich, meinen Parteigenossen zurufen: endlich mit dem Terror einer tleinen Minderheit aufzurjumen und mehr Mut zu zeigen. (Große Unruhe bei den Unabhängigen.) Wir führen jetzt nicht mehr einen Kampf gegen den Kapitalismus, sondern wir führen einen Kampf gegen Lie Auflösung jeder Demokratie. Schlimmeres Elend und größeren Jammer, als jemals der Krieg verursacht hat, haben Sie durch Ihre sinnlosen Hetzereien hervorgerufen. Und noch nie ist mehr gelogen und mehr betrogen worden als von Ihrer Gesell⸗ schaft. 6c. Erregung bemächtigt sich der Unabhängigen, und in dem zunehmenden Lärm gehen die folgenden Sätze des Redner unter. Die Unabhängigen verlassen ihre Plätze und suchen durch Toben und Geschrei eine Fortsetzung der Rede unmöglich zu machen, und auch der Glocke des Vorsitzenden gelingt es nicht, die hoch⸗ gehenden Wogen der Erregung zu dämpfen und eine Fortsetzung der Verhandlungen zu ermöglichen. Immer wieder ertönen, als Minister Schmidt fortfahren will, die 3 „Aufhören!“, „Runter mit dem Kerl!“, „Wort entziehen!“ ie Unabhängigen wollen, als endlich doch Ruhe eingetreten ist, den Saal demonstrativ verlassen, kehren aber an der Tür doch wieder um, da dieser Enischluß von der rechten Seite mit ungeheuerem Jubel und Beifalls—⸗ klatschen begrüßt wurde. Die Mehrpheitssozialisten ,,. sich ihnen von
schließlich fort: Die große
Einklang bringen mit den schmählichen der Regierung unterzuschieben suchten. (Zuruf: Wir sagten aber nie die Unwahrheit!“ Weiter lebhafte Unruhe. Der Vorsitzende bittet schließlich, um einen Fortgang der , . zu ermöglichen, die Kongießleilnchmer sich auf ihre Plätze zu begeben und ruhig auch die Redner der Gegenpartei anzuhören. Sie entrüsten sich darüber, daß ein Soldat den anderen ermordet. Wo aber bleiht Ihre Entrüstung, menn in Halle Offiziere in hestialischer Weise mißhandelt und dann nachher ertränkt werden? (Lebhafte Unruhe.) Die große Masse der Vevölkerung steht heute noch geichlossen hin ker uns und ist von dem Willen beseelt, uns in unserem Bestreben, Ruhe und Ordnung wieder berzustellen, zu unterstützen. (Beifall und Bravorufe, Zuruse von den Unabhängigen: „Immer seste druff!“
Loos (Demokrat) bemerkte: Wir könnten uns ja eigentlich
freuen, über die Streitigkeiten und Unstimmigkeiten, die im Lager der
. Sozialdemokraten herrschen. Aber wir tun es nicht um des Burg⸗
friedens willen. In Ihren Reihen (nach links) gibt es viele Leute, die vor dem 9. November noch nichts von den Unabhängigen gewußt haben. (Minutenlanger Beifall. Sehr gut! Brayorufe,.)
Kohl vom Zentralrat äußerte, gegen die Unabhängigen gewandt: So schlimm, wie Sie ihn hinstellen ist der Erlaß über die Kommando⸗ gewalt nicht. Es kommt nur auf seine Ausführung an. Wir sehen einer Einigung des gesamten Proletariats enigegen. Aber diese läßt sich nicht eher durchführen als bis Sie nicht einen dicken Trennungsstrich zwischen sich und dem Terrorismus gezogen haben. (Zuruf: „Nicht eher, als Sie nicht von dem Kapitalismus abgehen! Ziehen Sie diesen Trennungsstrich nach links (Zuruf: „Und Ihr nach rechts!“), so können wir auf gedeihlicher Grundlage zum Besten des Mroletariats fortarbeiten. Nach längeren Ausführungen Geyers (U. S. P.) er⸗ flärte Schimmel (S. P. D.): Die ö. über Rätesystem und Sozialisierung steht noch immer bevor. Diese Fragen sind wichtiger als das leere Stroh, das hier gedroschen wird. Ich beantrage daher Schluß der Debatte. — Der Antrag wurde angenommen.
Der nächste Redner, Braß (U. S. P.), verteidigte sich gegen die vom Minister Schmidt erhobenen Vorwürfe, daß er, Braß, die Streiks nur geschürt habe, anstatt zur Vernunft zu mahnen. Er verteidigte sich ferner gegen die Aeußerungen Direktor Kühlers, die 4 . Braß' Beziehungen zu dem Generalstreik in Berlin ge⸗ macht hat.
Der Vorsitzende machte die Mitteilung, daß die Fraktionen sich über den weiteren Verlauf der Verhandlungen geeinigt haben. Der Kongreß solle zunächst den Bericht der Mandatsprüfungs⸗ kommission anhören und sodann in die Beratungen über die zum k und zu Militärfragen eingebrachten Anträge ein⸗ treten.
Den Bericht der Mandatsprüfungskommission er⸗ staltete Pee tz⸗Nürnberg. Die Kommission habe 273 Mandate ge⸗ prüft, von diesen 260 für gültig, 9 für ungültig erklärt, bei 4 Man⸗ daten empfehle die Prüfungskommission Anerkennung durch den Kongreß. Es handle sich um Vertreter aus Crefeld, wo infolge der feindlichen Besetzung keine ordnungsmäßigen Wahlen stattfinden konnten. Nach längerer Debatte wurden 9 Mandate für ungültig erklärt, dagegen die Crefelder Vertreter zugelassen.
Der Vorsitzende machte dann die Mitteilung, daß seitens des Ministers Erzberger ein Schreiben eingelaufen ist, in dem Erzberger zu einigen Erklärungen, die seitens verschiedener Fraktionsführer in der Debatte über die Waffenstillstandskommission abgegeben wurden, Stellung nimmt. Das Schreiben wird vervielfältigt und den Kon⸗ greßmitgliedern vorgelegt werden.
Gegen 4 Uhr trat Schluß der Sitzung ein.
Der Präsident des Reichs bürgerrats Dr. Wessel richtet folgenden Aufruf an die deutschen Staatsbürger:
Das rote Feuer des russischen Bolschewismus fand in München die erste deutsche Herdstätte. Es soll durch rück/ichts⸗ lose Gewalt einer machtsüchtigen Minderheit dem deutschen Volke die Räterepublik nach russischem Muster auf⸗ gezwungen und durch Freiheitsberaubung und Todbedrohung ihre schrankenlose Diktatur aufgerichtet und gefestigt weiden. Gelingt der Plan, von Bayern aus über Mitteldeuischland bis zum rheinisch⸗ westfälischen Industriegebiet die verheerende Brunst sich weiterzünden zu Lessen, so bedeutet das Knechtschaft und Elend des Einzelnen wie des gesamten Volkes. .
Hunger und Not, Lahmlegung jeder wirklich produktiven Arbest, völlige volkswirtschaftliche Zerrüttung und Ab- hängigkeit Deutschlands vom Ausland für alle Zukunft werden die Folgen der Verpflanzung des hirnverbrannten russischen Ideologentums sein. . . .
Wie die vernünftig und ruhig denkende Arbeiterschaft nicht ge⸗ willt ist, das Vaterland der Anarchie und dem Dauerelend auszuliefern, so fordert der Ernst der Stunde ißt vom gesamten Bürgertum die Bekundung eines gleichen Abwehrwillens und die Bereitschaft, ihn durch entschiedene Tat zu beweisen. r
Der Reuchtzbürgerrar hat in einmütiger Geschlossenheit in seiner Berliner Tagung am 30. März d. Is. die Machisucht einer vor keiner Gewalt zurückscheuenden Minderheit sür unerträglich er⸗ klaͤt und den entschlossenen Willen bekundet, ihr mit allen Mitteln, auch denen des bürgerlichen Abwehrstreiks und, wenn es not ist, unter Führung der Reichsregierung, selbst mit den Waffen in der Hand zu begegnen. Wo nur das Mittel des Ab⸗ wehrstreiks bereits angewandt ist, hat es einem einmütigen Bürgertum * Erfolg erzwungen, wie in Halle, Stuttgart, Leipzig, Gotha,
reiz u. a. m.
Voraussetzung aber ist die Einigkeit über alle parteipolitische Zerklüftung hinaus in geschloss'ner Abwehrfront gegen den Radikaltsmus, der den obersten Grundsatz der Demokratie mit Füßen tritt: Gleiches Recht für alle. .
Die Bürgerräte wollen alle Trennungsunterschiede für diese Or⸗
anisierung des Selbstschutzes überbrücken helfen. Nur zielbewußte Kinn rg wn erzwingt den Sieg ⸗
Deshalb gründet, wo sie noch nicht bestehen, sogleich ürger⸗ räte unter Heranziehung und Mitwirkung aller Stände und Berufe in ihren führenden Persönlichkeiten Sie wollen und sollen weiter gegenüber einer einseitigen Legalisierung der Arbeiterräte dem Bürger⸗ tum unbedingt die ihm durchaus gebührenden gleichen Gerechtsamen ersichern. Verlangt Auskunft und Unterstützung beim Reichsbürgerrat Berlin NW 7 (Charlottenstraße 44,45).
Sorgt, daß die örtlichen Parteileitungen in dieser Stunde der Gefahr als einige Vertreter des gesamten Bürgertums über alle Parteiunterschlede hinweg sich bezeugen und zusammenfinden! Schließt die Reihen mit der deurschen Landwirtschaft, damit Stadt und Land einig sind zum Schutz des Vaterlandes und seiner Zukunft! Der Wotte waren es wahrhaftig genug! Nur Taten bannen die ,, und erzwingen den Sieg! Bereit sein ist alles!
Bahern.
Die „Korrespondenz Hoffmann“ meldet, daß laut Beschluß des prooisorischen revolutionären Zentralrates sämtliche in Bayern befindliche Kriegsgefangenen sofort auf freien Fuß zu setzen sind. Der russische Kommunist Axel⸗ rod, der in Ebenhausen einige Zeit interniert war, wurde be⸗ reits vor einigen Tagen in Freiheit gesetzt. Zum Volts—⸗ beauftragten für Militärwesen wurde Reichhart, Mätglied des Vollzugsausschusses des Landessoldatenrates, erngunt. Nach
Mitieilung des Zentralrates begann gestern die Bewaffnung des Proletariats. Wie „Wolffs Telegraphen büro“ meldet, sollen noch einem
beim 3. A- eingelaufenen Telegramm aus München die Kommunjsten die bisherige Regierung der Unab⸗
hängigen gestürzt und die Gewalt an sich gerissen haben. Eine Bestätigung dieser Meldung liegt nicht vor. Das Militär stehe auf seiten der Regierung Hoffmann. Der giößte Teil der Münchner Bevölkerung warte nur auf einen Anstoß von außen. Die wirischaftliche Lage Münchens habe sich ver—⸗ schlimmert.
Die Garnisonen Neu Ulm, Dillingen und Neuburg sowie auch Nord⸗ und Westschwaben stehen hinter der Regierung Hoffmann. Nach Blättermeldungen wurde in der gestrigen Sitzung des A. und S. Rates in n nh die Räte⸗ republik mit Mehrheit abgelehnt und die Räteregierung in Am berg gestürzt. Jan Reg , , wurde gestern mit 13 gegen 5 Stimmen der Entschluß, die Räterepublik einzuführen,
Sachsen.
Nach Mitteilungen, welche die Regierung aus zuverlässiger Quelle erhalten hat, sind Spartakisten im sächsischen Kohlenrepier eifrig dabei, die Bergleute nicht nur zum Streik aufzufordern, sondern unter Anwendung oder Androhung von Gewalt die Werke siillzulegen. Laut Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ hat sich die Regierung deshalb gezwungen gesehen, zum Schutze der Schächte und der Arbeiter Truppen in das Kohlengebiet zu entsenden, um der be⸗ absichtigten Zerstöruug der Gruben rechtzeitig vorzubeugen. Die Arbeiter selbst haben die Regierung um Schutz vor dem Terror der Spartakisten gebeten.
Die Streikenden haben in einer vorgestern abend ab⸗ aehaltenen Versammlung den Generalstreik beschlossen. Der Streik, der ursprünglich wegen unzureichender Ernährung eingeleitet war, nimmt immer mehr politischen Charakter an, als dessen Urheber Zwickauer Kommunisten anzusehen sind. In einem gestern vormittag veranstalteten großen Demonstrationsumzug wurden Plakate mitgeführt, welche zum Anschluß an die Sonjetregierung in Rußland und Ungarn auffordern. Die Mehrheitssozialisten in Zwickau verhalten sich nach wie vor ablehnend zu dem Generalstreik. Die Bergarbeiter sind mit Ausnahme der der Wilhelmsschächte und eines Teils der Schächte des Erzagebirgischen Steinkohlen⸗ Aktien⸗Vereins nicht angefahren. Arbeitswillige werden an der Arbeit verhindert. Die nach Dresden entsandte Abordnung, die vom Wirtschastsminister eine erhöhte Lebensmittelzuweisung verlangen sollte, ist unverrichteter Sache wieder zurückgekehrt. Bis jetzt ist die Ruhe nirgends gestört.
Braunschweig.
Der A.⸗ und S.⸗Rat hat laut Meldung des Wolffschen Telegraphenbüros“ an die Landesversamm lung folgendes Schreiben gerichtet:
Der Vollzugörat des Landesarbeiterrates im Freistaate Braun⸗ schweig stellt der Landesversammlung folgende Anträge und ersucht, dieselben sosort zu beschließen: Aufhebung der vorläufigen Verfassung und Verabschiedung der vom Arbeiter⸗ und Soldatenrat zuerst einge⸗ brachten Verfassung. Sofortige Vorbereitung der Sozialisierung durch Einsetzung der Betriebsräte in sämtlichen industriellen Unternehmungen. Grundlegende Aenderungen im Ernährungswesen. Ferner ersuchen wir die Landesversammlung, folgende Forderungen der Arbeiterschaft des Freistaates Braunschweig mit zu unterstützen. Sofortiger Rück⸗ tritt der Reichsregierung, Abschaffung sämtlicher Freiwilligenkorps, Schaffung eines Volksheeres nach den Grundsätzen des Erfurter Pro— gramms. Abschluß eines Bündnisses mit der russischen Räterepublik.
Eine Beratung dieses Antrags hat in der gestrigen Sitzung der Landesversammlung noch nicht stattgefunden.
Der Generalstreik in Braunschweig dauerte gestern an. In einer Versammlung auf dem Schloßplatz wurden ver⸗ schiedene Reden gegen Scheidemann⸗Noske und für den Kommu⸗ nismus gehalten. Darauf zogen die Teilnehmer im Demon⸗ strationszuge durch die Stadt.
Neuß.
Der Vollzugsrat des Votksstaats Reuß hat nach einer Meldung des „Wolffschen Telegraphenbüros“ einen Antrag Kahnt (U. S.) und Genossen angenommen, der reichsgesetzliche Maßnahmen fordert, die die Einzelstaaten ermächtigen, Ein⸗ griffe in den Privatbesitz der Fürstenhäuser an Grund und Boden und dessen Ueberführung in den allgemeinen Besitz ohne Entschädigung vorzunehmen.
Bremen.
Die bremische Nationalversamm lung wählte gestern, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, die vor⸗ läufige Regierung, die aus einem 18 Mitglieder zählenden Senatskollegium besteht. Zehn der neuen Senatoren gehören der mehrheitessozialistischen Partei an, acht wurden von der demokratischen Fraktion vorgeschlagen und ge⸗ hören bis auf einen dem früheren Senat an. Bei den sieben früheren Senatoren war für ihre Neuwahl nicht die Zugehörigkeit zur demokratischen Partei, sondern in erster Linie ihre Sachkunde ausschlaggebend. Die Unabhängigen und Kommunisten waren der Sitzung ferngeblieben. Die unabhängige Fraktion hat beschlossen, nicht eher wieder an der parlamentarischen Tätigkeit teilzunehmen, bis der seit dem 4. Februar über Bremen verhängte Belagerungszustand aufgehoben ist.
Oesterreich.
Die Mitglieder der provisorischen Regierung von Deutsch-⸗Böhmen Hartl, Dr. Herold, Schaefer und Seliger hahen an den Präsidenten Wil son ein Telegramm r Feet in dem es dem „Wiener Korrespondenzbäro“ zufolge
eißt:
Sehr beunruhigt durch die Berichte, die in der europäischen ry veröffentlicht sind, dahingehend, daß das Recht der Selbst⸗ m m n der deutschen Bevölkerung von Böhmen, Mähren und Oesterreichisch,Schlesien versagt werden soll, bitten die Mitglieder der die bürgerlichen und soziglistischen Parteien ,, provisorischen Regierung von Deutsch⸗ Böhmen im Namen des Volkes, daß ihre Vertreter zur Friedens⸗ konferenz zugelassen werden. Sie bitten ferner darum, daß in den genannten Gebieten eine Volksabstimmung unter dem 966 und der Kontrolle der assoziierten Mächte ihre ge h Zukunft ent⸗ scheide. Die willkürliche Unterwerfung unter fremde Herrschaft würde sich für den zukünftigen Frieden Europas als höchst gefährlich erweisen. Dreieinhalb Millionen Deutsche werden sich niemals der tschecho⸗
slowakischen Fremdherrschaft unterwerfen.
Das Telegramm schließt mit dem Ausdruck der Ueber⸗ zeugung, daß der Präsident Wilson die gerechte deutsch⸗
böhmische Sache unterstützen werde.
Großbritannien und Irland.
Im Unterhaus erklärte der Staatssekretär für auz⸗ wärtige Angelegenheiten Shortt im Verlanfe der Eiörterung über die angebliche Eröffnung von Friedens verhandlungen durch Lenin dem „Reuterschen Büro“ zufolge: In England befänden sich Agenten der Bolschewisten, die man schwer fassen könne, die aber sorgfältig übeiwacht, würden. Groß⸗ britannien sei durchaus bereit, mit einer rechtmäßigen stabilen Re⸗ gierung, die Rußland vertrete, zu verhandeln. Wenn es sich jedoch um eine Rotte blutdürstiger Mörder handle, sei man berechtigt zu erklären, daß man mit diesen Menschen nicht verhandeln wolle. Er werde dem Peemierminister Lloyd George die einmütige Ansicht des . daß mit Lenin nicht verhandelt werden solle, übermitteln.
wieder aufgehoben.
Frankreich.
Nach dem diplomgtischen Situationsbericht hat der Viererrat vorgestern die von dem Redaktions aunschuß vor⸗ bereitete Formel für das Statut des Saarbeckens geprüft und in ihrer Gesamtheit angenommen. Diese Formel gibt Frankreich politssche und administratie Garantien, die keine Mißdeutung zulassen. Heute will der Viererrat die Prüfung der Frage der Wiedergutmachung wieder aufnehmen und den Bericht besprechen, der durch die Finanzsachverständigen auf folgender Grundlage festgesetzt wurde: 16
I) Sofortige Zahlung von 25 Milliarden Entschädigung durch Deutschland, zahlbar in Gold, in Rohmaterialien und in Guthaben
im Ausland. 2) Zeichnung eines Gutscheins durch Deutschland, welcher die
einstweilige Forderung der Alliierten auf 150 Milliarden anerkennt. 3) Zahlung von Jahresrenten ab 1919, die jedes Jahr fest= zusetzen find, die aber nicht niedriger sein dürfen als ein im Vertrage vorgesehener Mindestbetrag. . Die amerikanischen Mitglieder der Kommission, die sich mit der Frage der Perantwortlichkeit für den Krieg befaßt, widersetzen sich, dem „Algemeen Handelsblad“ zufolge, ener gisch der Anficht, daß der frühere Deutsche Kaiser in seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt strafrechtlich vergntwor t⸗ lich ist, und daß sie überzeugt sind, daß die Bestrafung des Kaisers nur der Wiebderherstellung der Monarchie in Deutsch— land förderlich sein könnte. Der Präsident Wilson scheint ebenfalls im Rate der Vier in dieser Frage eine enischieden ablehnende Haltung eingenommen zu haben.
— Auf eine schriftliche Anfrage des Präsidenten der Haushalts kommission, in welcher Form die Friedens⸗ präliminarien der Kammer vorgelegt werden würden, antwortete der Ministerpräsident Elemenceau der „Agence Havas“ zufolge; . 2 Er werde sich den verfassungsmäßigen Vorschriften anpassen. Diese Verträge seien erst endgültig, wenn sie von beiden Kammern angenommen seien. Keinerlei. Abtretung, Auttausch eder Hinzu⸗ fügung von Gebieten könne ohne einen gesetzlichen Erlaß erfolgen. Dle Friedenspräliminarien bildeten ein einheitliches Ganzes. Es könne keine Rede fein, die einzelnen Klaufe ln Sonderkom missionen zu über⸗ weisen, bevor der ganze Entwurf vorliege.
Rußland.
Die letzten Nachrichten aus Nordrußland bestätigen, dem „Reuterschen Büro“ zufolge, daß die Bolschewisten die Absicht haben, im Frühjahr eine allgemeine Offen sive zu unternehmen, die mit einem Aufstand im Rücken der alltierten Streitkräfte gepaart gehen soll. Ein Komplott zu einem Aufstand, der am 23. März in Murmansk ausbrechen sollte, wurde vom General Maynard rechtzeitig entdeckt und die Bewegung unterdrückt. ;
Die „Times“ meldet aus Omsk, daß eine bolschew isti⸗ sche Verschwörung entdeckt worden ist, die über die Fabriken und Bahnen ganz Sibiriens verzweiat war. Hunderte von Verhaftungen haben stattgefunden, und Millionen von Rubeln sind beschlagnahmt worden. Aus den vorgefundenen Doku⸗ menten ist ersichtlich, daß die Organisation von Moskau aus geleitet wurde. Das Ziel der Verschwörung war die Besitz—⸗ ergreifsung der Bahnlinien.
Niederlande.
Tem „Haager Korrespondenzbüro“ zufolge ist der Advokat Byleveld zum Marinemmnister ernannt worden.
Belgien.
Die Kammer hat den Gesetzentwurf über die Wahl⸗ e form einstimmig angenommen.
Schweiz.
Der Bundesrat genehmigte, wie „Wolffs Telegraphen⸗ büro“ meldet, das am 25. März in Paris unter⸗ zeichnete schweizerisch⸗französische Wirtschaftsabkom⸗ mens, wonach sich die französische Regierung verpflichtet, der Schweiz monatlich 60 000 Tonnen Kohle aus den in Elsaß⸗Lothringen und im Saarbecken gelegenen Gruben zu liefern zu einem Durchschnittepreise von 120 Schweizer Franken frei Schweizer Grenze. Frankreich erteilt ferner die Ausfuhrbewilligung für die von der Schweiz in
Lolhringen gekauften Mengen Eisen und Stahl. Weiter liefert Frankreich gewisse Mengen Kalisalze, Thomas⸗ schlacke, Algierphoszphat, Benzin und Sämereien. Unter
Vorbehalt des eigenen Bedarfs liefert die Schweiz eiwg 25 000 Stück Zuchtvieh, davon 5000 Stück sofort, den Rest 1 Laufe des Jahres. Die Schweiz erhält das Recht, die
aren abzuholen und zu diesem Zweck täglich eine ge⸗ wisse Zahl Leerzüge nach Cette, Marseille und Nizja zu senden sowie durchschnitilich zwei Züge nach Bordeaux. Flir den Import der Waxen stellt Frankreich der Schwe außer Cette soweit wie möglich auch den Hafen von Marseille zur Verfügung. Die bisherigen französischen Einfuhrkontingente werden von 25 Millionen auf 26 Millionen Franken monatlich erhöht. Der von der Schweiz am 29. September 1917 an Frank⸗ relch gewährte Kredit von 375 Millionen Franken kann verlängert werden. Die ,, . wird zum Ankauf von im Besitz der französischen Regierung befindlichen schweizerischen Werttiteln in Höhe von rund 175 Millionen ermächtigt. Endlich kann sich Frankreich von der schweizerischen Finanz⸗ aktien gesellschaft in Luzern einen neuen Kredit einräumen lassen bis zum höchsten Betrage von 95 382900 Franken ent⸗ sprechend dem Gegenwert der ,, , . Dleser Kredit soll nur benutzt merden, wenn Frankreich über keine andern Guthaben in Schweizer Franken zur Deckung der
r 1919. *
Afrika.
Nach dem „Reuterschen Büro“ meldet der General Allenby aus Uegypten, daß am 9. April ein neues Ministerium al ist, dessen Präsident der frühere Minister Husseln Ruschdi Pascha ist. Drei frühere Mintster gehören dem Kabinett gleichfalls an. Allenby be⸗ richtet, daß das Ministerium gut aufgenommen wurde. Der „Bally Mail“ vom 9. April zufolge, 1 neuerdings größere ünruhen in Kairo ausgebrochen, die zu Blutvergießen führten. Der Präsident der agyptischen Staatsbahn soll er⸗ mordet worden sein.
Die Ausführungen Shortt fanden großen Beifall.
Lieferungen , , verfügt. Das Abkommen läuft big Ende Dezembe . ) . .