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. At Eimber b (Soz.): Ich habe den Generalstieik mit allen ma n bekämpft und bin derwegen aufs schwerste beschimpft worten. Man bat gegen die Mehrheussozialdemokraten in unerhörter Weise e gt. Das Ziel des Streiks ist die Errichtung einer westdeutschen ein munistischen Republik. (Hört, hört!! Solche Verrücktheiten machen wir nicht mit. Beim ersten Streik haben die Mülheimer Spartakisten 400 Bewaffnete nach Essen geschickt, die dann auf alle Zechen verteilt wurden und die Arbeitswilligen an der Arbeit verhindert haben. (Höit, bört! So tam der Streit zustande. Eine verrückte politisch· Minderheit will die Bergarbeiter zum Streik zwingen. Diese Sicherheitswehren sind Unsicherheitswehren. Die Unabhängigen waren mit dem Einzug der Freiwilligen in Düsseldorf einverstanden, weil das die einzige Reitung war. Die Bergarbeiter stehen sehr schlecht da. Sie hahen nichts zu essen und nichts anzuziehen, und nun ver— hindern die Unabhängigen noch, daß Leben mittel hereinkommen.
(Stürmische Zustimmung. — Lärm der U. Soz.) Die Lebensmittel⸗ schiffe müssen mit Sand statt Kohlen wieder wegfahren. Jeder
wirkliche Sozialdemokrat muß dafür sorgen, daß endlich Rube ein⸗ zieht. Der Sechsstundentag ist berechtigt, aber im Augenblick nicht durchführbar. Wenn der allgemeine Wahnsinn, der sich hier und dort jeigt, um sich gr ist, dann sind wir am Ende. Die vernünftigen Leute wüssen sich endlich aufraffen. Die Regierung sollte alles tun, um Lebensmittel zur Verteilung zu bringen. Wir vertrauen ihr, daß sit ihre Pflicht tun wird. .
Abg Dr. Jordan (Dem): Der Bergarbeiter will arbeiten, er kann aber nicht. Ig dem besetzten Geb et hat jede Slagtsordnung aufgehört, der Rhein ist unsere Grenze geworden, vom Westen kommt nichts mehr an Lebensmitteln herüber. Der Bergaibeiter muß die
Gewißheit haben, daß ihm gegen die Untuhestifter Schutz atwährt wird, dann wird er auch wieder arbeiten. Die. Hilfe kann garnicht rasch genug kommen. Die Negierung hat keine dringendere Pflicht als die, den Berg⸗
arbeitern auf das Nachdrücklichste zu zeigen, daß sie ber it ist, ihnen Schutz zu gewähren. Unser Volk ist ruhig und arbeitswillig. Wird der Schutz gewährt und die Versorgung verbessert, dann ist die schlimmste Gefahr für unser Ruhrkohlengebiet vorbei. Mit der Ge— währung der ausländischen Lebensmitte auch an die Kinder, die Schwangeren und die stillenden Mütter sind wir selbstverständlich einverstanden. . .
Von den U Soz. geht ein Antrag ein, der Ergänzung des Zentzumsantrags eine andere Fassung zu geben, nach der für die Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung im Ruhr⸗ gähiet die soforlige Zurückziehung der Regierungstruppen, die Beseiligung der absoluten Kommankogewalt, die Beseitigung der Klassenjustiz die Vorlegung eines Gesetzes über Geschworenen gerichte, die Gewährleistung der politischen Mit— . äte im Reich, Staat und Gemeinde gefordert werden.
Der Staatsktommissar für Lebensmittelver⸗ sorgung eitlärt, daß die vorliegenden Anträge des Zentrums und der Dt. Volkspartei durchaus auch im Sinne der Regiecung liegen. Die Einfuhr von Speck und Feit solle nicht nur an die Berg- und Hütten- und andere Schwerarbeiter in Form von Zulagen abgegeben werden, sondern zunächst an die Gesamtbevölterung der Industrie⸗ gemeinden und aller Städte mit über 50 009 Einwohnern. Voraus— jetzung sei daß nicht durch Streiks die Arbeit ruhe; diese Bedingung sei uns von der Entente einfach auferlegt worden. Es sollten 120 Gramm Speck pro Kopf und Weche verteilt werden, außerdem 530 Gramm Schmalz daneben als Kopfrate für die Bergarbeiter bie vom Handelemmister angegebenen Sätze. Man werde alles auf⸗ bieten, um sobald wie möglich diese Zusätze und Zuschlagsrationen auch der gesamlen übrigen Bevölkerong nach Möglichkeit zuzuwenden,
Abg. Martin (D. Nat.: Die Blockade hat geradezu ver⸗ heerend im deutschen Volke gewirkt. S00 900 Menschen sind bercits Hungers gestorben. In eimer früher in sehr günstigen Verpflegungs⸗ verbältnissen befindlichen Industriestadt des Ruhrgebiets müssen 10 bes 1209 der Bevölkerung durch Sonderlebensmittelzulagen er⸗ halten werden. Auch für die Städte unter 50 00 Einwohnern und für die Landgemeinden im Ruhrrevier muß unbedingt ausreichend
gesorgt werden. Die Tatsache der Unterernährung dient gewissen politischen Führern als Mittel,. um für sich etwas herauszubolen. Der Regierung ist die Bekämpfung
ter Streikfs mit Fett und sonstigen Zulagen auf das dringendste ans Herz gelegt, dann würden wir auch Kohlen bekommen und Dentschland wird vom Untergange zu erretten sein. Brot und Friede ist nur zu erlangen, wenn die Bergarbeiter endlich dem Ruf ihrer Führer folgen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Redner empfiehlt ferner, das Siegerland bei der Belieferung mit Zulagen nicht zu ver— essen und solcke auch den land un, sorstwitrtschafilichen Arbeitern . ganz besonders den stillenden Müttern zuzuweisen. In manchen Gemeinden sei der Rückgang der Geburten bereits um 60, die Säug— lingesterblichkeit sogar um 0 O gestiegen.
Abg. Ob uch (U. Soz.): Die zum Antrag des Zentrums von allen anderen Parteien gemeinsam heute beantragte Ergänzung hebt eigentlich den Zentrumsaatrag wieder auf.. Sie bedeuten nichis anderes, als eine Kampfansage gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, die aus wirtschaftlicher Not in die Arbeitseinstellungen hmein— getrieben worden ist. (Ruf rechts: Hineingehetzth Damit wird kerat ern eine Errresserpolitik getrieben; man will streikenden Arbeitern durch die weitere Sperrung der Lebensmittel heikommen! Man scheint auch im neuen Deutschland der Arbeiterklasse das Streikrecht stieitig machen zu wollen. Der Arbeiter steht heute nicht mehr in Unterordnung, sondern leichgeordnet in der deutscheu sozialistischen Nepublik dem Unternehmer gegenüber. Es ist unglaublich, heute noch vom Regierungstisch Erklärungen hören zu müssen, aus denen hervor— geht, daß der streikende Arbeiter durch Hunger gestrast werden soll. Hinter die Entente zieht sich die Regierung immer zurück, wenn ihr die Verantwortung jür gewisse Vorkommnisse schwietig wird. Auch als im besetzten Gebiet die Arbeiterräte auf— elöst wurden, sollte die Entente das verlangt hahen. Aber die Entente kümmert sich gar nicht darum und jene Angaben trasen nicht ju. Daher hahen wir begrlüntetes Mißtrauen zu einer Regierung, die ihre Zaslucht bei der Entente sucht. Nicht die Lebensmittelnot allein hat die Streikowegung erzeugt; auch die Unterdrückung der freien Meinungkäußerung, vor allem aber der Umstand. daß man den Arbeitern zwar die schleunige Sozialisierung der Bergwerke versprach, aber nicht durchgeführt hat. Das hat die getäuschten und ausge⸗ hungerten Bergarbeiter schließlich um volitischen Streik gedrängt. (Lebhafter und andauernder Widerspruch auf der rechten Seite; wiederholte Rufe: Hetze! Hetzer! Sie Hetzer De Neuner—⸗ kommission, die man hätte begrüßen sollen, ist hier als eine berüchtigte bejeichnet worden. Mit Lebensmittelsperre, mit Regierungsttuppen, mit Gewaltmaßregeln, mit Klassenjustiz werden Sie niemals Ruhe in das Streitgebiet hineinbekommen, die ist nür auf dem Wege unseres Anttags zu erreichen. Sonst haben Sie es zu verantworten, wenn schlisßlich das Deutsche Reich durch die Streits zugzunde geht. (Stürmischer Widerspruch rechts) Sie bringen ja durch Ihr ab— lehnendes Verhalten die Arbeiter in die Zwangslage, im Streik zu verharren.
Frau Kähler (Soz.): Ich habe Ihnen folgende Mitteilung zu machen: Die Fauen in der Verfassunggebenden Preußischen Landes⸗ versammlung sprechen ihre Befriedigung aus über die Kundgebung des Internationalen Frauenverbandes auf dem Trafalgarplatz in London sigunsten der Aufhebung der Hungeiblockade gegenüber Deutschland. Möge es gelingen, die grausame Hungerblockade endlich zu beseitigen. (Lebhafter Beifall.)
Damit schließt die Besprechung. Die Anträge Brust und 66 werden angenommen mit der Ergänzung, daß dle Zölagen auch Kindern, Schwangeren, stillenden Muttern sowie Land⸗ und Forstarbeitern zugute kommen.
Hierauf wird bie am Fretlag abgebrochene Aussprache über die Schulanträge sortgesetzt
Abg. Ka mp (Gentt.): Dem Antrag auf einseitige Aufhebung der gestlichen Volksschule können wir nicht zustimmen, wenn nicht auf der anderen Seite der berechtigte Einfluß der Kirche auf die Schule sestgelegt wird. Wir halten unentwegt fest an dein kontessionellen Charakter der Volksschule. Der Kultusminister wird seinen Wunsch, daß die von ihm angekündigte Vorlage auf Einführung der fach— männischen Kreirschulaufsicht hier einmütige Annahme finde, sihr bald erfüllt sehen, wenn er den gegebenen Weg geht, vorher mit den zu— ständigen lirchlichen Behörden zu einer Verständigung zu kommen. (Bra o! im Zentrum) Dem Antiag auf Hebung der Verhältnisse der Lehrer, Veiminderüng der Klassensrequenz usib. stimmen wir zu. (Bravo! im Zentrum.)
Minister für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung Haenisch: Ich stelle zunächst mit Genugtuung fest, daß auch der Herr Vor— redner sich in so erfreulich entschiedener Weise grundsätzlich für die fachmännischer Schulaufsicht auf allen Stufen des Schulbetriebes und für die Beseitigung der Ortsschulaufsicht auf der ganzen Linie aus— gesprochen hat. Aber auch hier muß ich wieder das hervorheben, was ich gestern schon einem Herrn konsewativen Abgeordneten gegenüber mir zu sagen erlaubte. (Zuruf: Deutschnational) — Deutschnational! Ein anderes Firmenschild, aber derselbe Laden! (Widerspruch) Na also, schön! Dann muß ich das wiederholen, was ich nicht dem Herrn konservativen Abgeordneten, sondern dem Herrn deutsch— nationalen Abgeordneten gegenüber, dem Herrn Abgeordneten Herrmann Fredersdorf) gegenüber, sagte: es wäre außerordentlich er— freulich gewesen, und wir wären ein gutes Stück weiter, wenn die Herren von der Deutschnationalen Partei und die Herren von der Christlichen Volkspartei — das ist wohl jetzt der Name. — Guruf: Zentrum! — Zentrum, na desto besser, Sie sind in die se m Hause also wenigstens Ihrem alten Namen treu geblieben! Namen sind ja übrigens Schall und Rauch, es kommt auf das Wesen der Sache an. Ich wollte sagen: wir wären ein gut Teill weiter, wenn die Herren von der Rechten und der Mitte diese ihre Liebe für die allgemeine fachmännische Kreisschulaufsicht nicht nur jetzt, sondern auch schon lange vor der Revolution praktisch betätigt hätten. (Zuruf rechts: Ist ja geschehen, 1908 — Meine Herren, Sie haben diese Liebe für die fachmännische Schulaufsicht früher doch jedenfalls nicht in die Tat um— gesetzt! Guruf rechts: Konnten wir nicht) Die Macht dazu haben Sie in diesem Hause doch wahrhaftig viele Jahrzehnte schon gehabt. (Zu= ruf im Zentrum: Wir nicht) — Sie alle miteinander, die Rechte und das Zentrum gemeinsam, haben in diesem Hause doch über eine gewaltige Mehrheit verfügt! (Zuruf: Wissen Sie nicht, daß das Zen— trum hier ausgeschaltet gewesen ist?) Nein, das weiß ich wahrhaftig nicht! Meine Herren, hätten die Rechte und das Zentrum damals mit der gleichen Entschiedenheit wie heute für die Beseitigung der Orteschulaussicht und die Einführung der fachmännischen Kreisschul— inspektion gekämpft, dann brauchten wir diese ganze Debatte heute nicht mehr zu führen. (Sehr richtigh
Meine Herren, was den von seinem Standpunkt aus nicht nur begreiflichen, sondern auch berechtigten Wunsch des Herrn Vorredners betrifft, der Kirche den von ihr gewünschten Einfluß auf die religiöse Erziehung der Kinder zu sichern (Zurufe im Zentrum: Nicht nur Wunsch, Bedingungh, so würde dieser Wunsch (GZurufe im Zentrum: Bedingung) — der Wunsch des Herrn Vorredners (leb⸗ hafte Zurufe im Zentrum: Bedingungh — meine Herren, Sie müssen mir schon gestatten, daß ich meine Rede so stilisiere, wie ich es für richtig halte — so würde dieser Wunsch zweifellos am wirksamsten er⸗ füllt werden, wenn Sie sich endlich sowohl auf der Rechten wie in der Mitte des Hauses entschließen würden, der alten sozialdemokratischen Forderung zuzustimmen, die verlangt, daß der Religionsunterricht im engeren Sinne, also der eigentliche Glaubensunterricht, überhaupt aus der Schule herausgenommen Aha! im Zentrum) und auecschließlich zur Sache der Kirchengemeinschaft selbst gemacht wird. (Sehr richtig! links. Lebhafte Zurufe und Unruhe im Zentrum.)
Dann, meine Herren, würde die Kirche jeden von ihr gewünschten Einsluß auf die religiöse Erziehung der Kinder haben können, und es wäre damit ganz gweifellos in letzter Linie auch den Interessen der Kerche selbst am Eesten gedient. (Zuruf im Zentrum: Und die Schule würde verarmen) Daß ich nicht so banausisch bin, überhaupt jeden christlichen Einfluß aus der Schulerziehung verbannen zu wollen, habe ich doch wahrhaftig oft genug gesagt. Hier rede ich ja nur won dem Glaubensunterricht im engeren Sinne. — Aber diese prinzi⸗ piell beste Lösung, von der ich jetzt eben als Parteimann sprach — ich durfte das wohl einmal tun — kommt für mich als Minister in diesem Augenblick ja nicht in Frage. Wie die Dinge jetzt liegen,
haben sich ja die Mehrheitẽparteien, wie Sie alle wissem, auf das
vom Herrn Ministerpräsidenten am 25. März hier vorgetragene Re— gierungeprogramm geeinigt, und dieses Regienungeprogramm ist selbstverständlich auch für mich und meine Amtsführung maßgebend.
Es heißt darin wörtlich: .
Die öffentliche staatliche Schule steht über den politschen Par— teien und religiösen Bekenntnissen. In allen Schulen ist Lehrern und Schülern der Grundsatz unbedingter politischer und religiöser Duldsamkeit gewährleistet.
Bis zur endgültigen Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche sowie der Stellung von Schule und Kirche zueinarder ist der Religionéunterricht in allen Schulen für Lehrer und Schüler wahlfrei. Die Entscheidung über die Teilnahme an ihm haben bis zum Eintritt des réligionsmündigen Alters die Eltern zu treffen, danach die Schüler selbst. Lehrer und Schüler dürfen außerhalb des Religionsunterrichts zu keinerlei Religioncübungen gezwungen werden. Das bestahende Recht des Staates, allein das Recht der Schulaufsicht auszuüben, wird aufrechterhalten und restlos durch—⸗
*. geführt. ⸗
Meine Herren, auf dicesem Boden haben sich die drei Mehrheits— parteien geeinigt. (Widenspruch im Zentrum. — Hört, hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten. — Zuruf des Abgeordneten Adolph Hoffmann: Konrad, da bist du wieder reingefallen) Innerhalb dieses Rahmens (andauernde Unruhe im Zentrum — Glocke des Präsidenten) innerhalb dieses Rahmens, meine Herren, werden selbstwerständlich die Wünsche des Herrn Vorredners von der Regierung mit dem ganzen ihnen gebührenden Ernst geprüft werden. Es sitzen ja auch Vertreter des Zentrum s in der Regierung; es sitzt ja auch in meinem eignen Ministerium ein Vertrauensmann Ihrer Partei. Sie dürfen also über— zeugt sein, daß, soweit die Grenzen des hier mit Ihrer Zustimmung aufgestellten Regierunge programms es zulassen, den berechtigten Wünschen auch Ihrer Partei Rechnung getragen wird.
Meine Herren, im übrigen will ich mich bei der Geschäftslage des Hauses auf die vom Herrn Vorredner angeschnittene grundsätzliche
kein nationalliberalgesinnter Lehrer gemaßregelt worden; den Fall
Frege der Roncfessix s- Ul Sümmil lälhsshälle nicht Eiielasst lz. G8 liz l de eine endlose Debatte werden, und ich glaube, wie ich das auch schon gestern andeutete, derartige grundsätzliche Debatten führen wir dach Hesser beim Knrliusetat. (Sehr xichtigh . .
Meine Damen und Herren, ich darf mich dann also mit einigen
Worten noch zu den Autführungen wenden, die gestern am Schlust
ber Sitzung der letzte Redner, Hett Klein szehn bott der un bhän t get. Sozialkemtktätte, getnäckt hat. An ssich, meltie Darn undd Hertel, ztätt ant bie Cöede des Hectit Abgäottdneten Klein shihn recht erfreulick, denn sie lieferte den Befveis, daß es auch in der un— abhängigen Sozialdemokratie Redner gibt, mit denen man über schul⸗
politische Fragen in dutchaus sachlicher und höslicher Weise debattieren
kann, ohne daß die Diskussion sofort in ein übles persönliches Gezänt ausartet. (Zurufe rechts: Nehmen Sie sich ein Beispiel daran) — Ich bin immer höflich. (Zuruf rechts; Davon haben wir nichts ge— merkt) — Von meiner Höflichkeit? Ich wüßte nicht, daß ich auch nur mit einer Wendung unhöflich gewesen wäre. Ich würde das dann jedenfalls selbst am meisten bedauern. Im übrigen glaube ich, die Herren, die länger im Hause sind, werden wissen, daß ich im allge— meinen wirklich ein leidlich höflicher und umgänglicher Mensch bin.
Meine Damen und Herren, in der Sache muß ich aber doch den Ausführungen des Herrn Abg. Kleinspehn widersprechen. Et hat mir und der Staatsregierung zum Vowmvurf gemacht, daß die vor— läufige Zurücknahme des Erlasses vom 27. November über die Auf⸗ hebung der geistlichen Ortsschulinspektion — Sie verzeihen, daß ich den nicht gang zutreffenden Ausdruck der Künze wegen wieder ge— brauche — und die Zurückstellung der ganzen Materie bis zur end. gültigen gesetzlichen Regelung, die ja nun unmittelbar bevorsteht, er⸗
folgt ssei aus Feigheit, aus Angst vor der katholischen Kirche, aus
Angst vor dem Zentrum. Das ist nicht richtig. (Zuruf bei der Unab⸗ hängigen Sozialdemokratischen Partei: Doch richtig) — Nein, es ist nicht richtig! Ich habe Ihnen gestern an der Hand der amt= lichen Berichte der Herren Regierungepräsidenten nachgewiesen, daß in reichlich zwei Dritteln des preußischen Staatsgebietes der Enlaß vom 27. November, über dessen materiellen Inhalt zwischen meinem damaligen Kollegen, dem Herrn Kultusminister a. D. Hoffmann, um mir, wie ich gestern schon sagte, gar keine Meinungsverschiedenheit bestand, durchgeführt worden ist. (Abg. Adolf Hoffmann: Bei den anderen Erlassen auch nicht! Da sind sie immer später gekommen) — Ich will mich heute mit dem Herrn Abgeordneten Hoffmann nicht unterhalten. Wir werden uns gewiß noch einmal sehr gründlich aus— sprechen; an mir soll es dann wahrhaftig nicht fehlen. Aber heute will ich mich auf Einzelheiten nicht einlassen. Die Zurücknahme dieses Erlasses ist keineswegs aus Angst vor der katholis chen Kirche oder aus Angst vor dem Zentrum erfolgt. Der Erlaß ist vielmehr, wie ich gestern nachzuweisen mir erlaubte, in gwei Dritteln det preußischen Staatsgebietes durchgeführt. Wenn wir in dem letzten Drittel, besonders in den besetzten Gebieten im Osten und im Westen, die Durchführung dieses Erlasses nicht erzwungen haben, wenn wir auf seine Durchsetzung mit Zwangsmaßnahmen verzichtet haben, so haben uns dazu ausschließlich ernste Rücksichten allgemein politischer Natur genötigt. Die Regierung im allgemeinen und ich im besonderen konnten bei der allgemeinen politischen Situation, wie sie im Dezember und Januar bestand, unter keinen Umständen die Verantwortung dafür übernehmen, daß zu all' den gewaltigen außerpolitischen und innenpolitischen Schwierigkeiten, unter denen unser Land damals litt, auch noch ein neuer großer Kultur—
kam pf entfacht worden wäre. Und diese Gefahr war gegeben, wenn
wir auf diesem Gebiete, wo vielfach feinste Gewissensfragen hinein= spielen, mit brutalem Zwang durchgegriffen hätten., urufe im Zentrum) Wir konnten auch nicht die Verantwortung dafür übernehmen, daß durch die Aufrechterhal tung dieses Erlasses die Loß—⸗ reißungsbestrebungen im Osten und We sten zum Schaden des Landes gefördert wurden. (Zuürufe im Zentrum.) Der materièlle Inhalt des Erlasses soll jetzt ja Gesetz werden, und mit dem materiellen Inhalt des Erlasses und seinem Kernstück sind Sie auch selbst einderstanden. (Zurufe: O neinh ;
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz offen, es ist mir immerhin noch sehr viel lieber, daß mir von der äußersten Linken, vielleicht sogar auch aus den Reihen meiner eigenen Parteifreunde gelegentlich einmal der Vorwurf gemacht wird, ich sei schwächlich ge, wesen und ich sei zurückgewichen, als daß ich, bloß um auf meinem Schein zu bestehen, das Land, das Volk in die allerschwerste Gefahr hineinbringe. Das wäre einfach gewissenlos gewesen.
Zurufe) Es lagen zweifellos derartige schwere Gefahren vor. Sc
viel über diese Materie.
Der kürzlich von einem andern Redner der unabhängigen Sozial, demokratie erhobene Vorwurf, ich hätte aus rein persönlicher Rücksichten, um mich bei den Herren vom Zentrum lieb Kind zu machen Geiterkeit, der Aufhebung des Erlasses über die geistliche Ortsschulinspektion zugestimmt; dieser Vorwurf, daß mich bei meinem politischen Verhalten in den letzten Monaten nicht sachliche Gründe, sondern persönliche Rücksichten geleitet hätten, steht auf einem so tiefen Niveau, daß ich darauf wohl mit keiner Silbe zu antworten brauche. .
Herr Abgeoidneter Kleinspehn Beklagte sich dann bitter darüber, daß immer noch in einzelnen Fällen sozialdemokratischoder freiheitlich gesinnte Lehrer von ihren unmittel—
baren Vorgesetzten gemaßregelt und schikaniert
würden. Sobald mir derartige Klagen in der Presse zu Ohren gekommen sind, habe ich, wie Ihnen bekannt ist, einen scharfen Erlaß herausgegeben, in dem die Lehrer aufgefordert worden sind, ohne Inne— haltung des Dienstweges derartige Klagen direkt beim Ministerium anzubringen, und ich möchte auch von dieser Stelle aus aussprechen, daß ganz selbstverständlich allen sozialdemokratisch, allen freiheitlich gesinnten Lehrern unbedingter Schutz gegen irgend— welche Schikanierungen und Maßregeln durch ihre unmittelbaren Vorgesetzten zugesichert wird. (Bravol bei den Sozialdemokraten. Zuruf: Umgekehrt — Von mir aus ist wegen seiner politischen Gesinnung noch kein konservatiyer,
möchte ich erst einmal sehen. Wir stehen auf dem Standpunkt un, bedingter Gewissens⸗ und Meinungsfreiheit für alle Beamten, auch für die Lehrer. Das ist ganz selbstverständlich, das haben wir feier, lichst ausgesprochen. Aber, meine Herren, daß nun aber umgekehrt
(Gortsetzung in der Zwelten Beilage.)
zun Deutschen Reichs
, SG.
Zweite etlage
r 9
anzeiger und Preußischen Stantsanzeiger.
Berlin, Montag, den 14 April
4319.
.
(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)
unter der neuen Regierung Lehrer ihrer so zialdemokratischen Gesinnung wegen von untergeordneten Organen schikaniert und ge— maßregelt werden, wie es in einzelnen Fällen vorgekommen zu sein scheint, das geht mir denn doch über die Hutschnur, wird selbst⸗ verständ lich unter keinen Umständen geduldet werden. (Bravo! bei den Sozialdemok vaten.)
Herr Abgeordneter Kleinspehn hat einen besonderen Fall aus Nordhausen vorgebracht. Ich habe sofort nach seiner Rede gestern abend veranlaßt, daß dieser Fall sßchleunigst auf das gründ⸗ lichste untersucht wird, und wenn der Fall mit diesem Schul⸗ aufsichtsbeamten sich in der Tat so abgespielt hat, wie es Herr Ab— geordneter Kleinspehn darstellte, dann dürfen Sie überzeugt sein, daß dieser Herr die längste Zeit Schulaufsichtsbeamter gewesen ist. (Bravo! bei den Sozialdemokraten Dann würde gezeigt werden, daß sich die Regierung von solchen Herren nicht auf der Nase herum⸗ tanzen läßt. Gurufe rechts Aber ich sagte doch eben schon, daß von einer Maßregelung konservativer Lehrer ihrer Gesinnung wegen nicht im entferntesten die Rede sein kann.
Ein paar Worte bin ich noch Herrn Abgeordneten Herrmann Friedersdorf) auf die persönliche Bemerkung schuldig, die er am Schluß der gestrigen Sitzung machte. Herr Abgeordneter Herrmann erwähnte in dieser persönlichen Bemerkung mit vollem Recht, daß er nicht erst heute und gestern, sondern bereits vor der Re⸗ volution sich lebhaft der materiellen Interessen seiner Standes— genossen angenommen habe. Das bestätige ich Herrn Abgeordneten Herrmann sehr gern; ich weiß genau, mit welchem Eifer und welcher Sachkunde er in der Frage der Lehrerbesoldung hier im Hause immer wieder aufgetreten ist, wenn ich auch in Einzelheiten nicht immer seine Auffassung geteilt habe. Ich selbst habe mehrfach mit Herrn Herrmann in den betreffenden Kommissionen zusammengearbeitet und kann daher seine Rührigkeit aus eigener Erfahrung bestätigen. Aber davon habe ich ja gestern in meinen kritischen Bemerkungen zu der Rede des Herrn Abgeordneten Herrmann gar nicht gesprochen. Was ich bei meinen Ausführungen gestern im Auge hatte, das war etwas ganz anderes, das waren nicht seine Wünsche und Beschwerden in der Frage der Lehrrerbesoldung, es waren vielmehr seine all⸗ gemeinen schulpolitischen Ausführungen. Und da muß ich durchaus bei dem stehen bleiben, was ich gestern gesagt habe. Was Herr Abgeordneter Herrmann gestern in so scharfen Aus— führungen über die Ueberfüllung der Schulklassen, über den Jammer der Lehrerwohnungen, über die Reformbedürftigkeit der Schulaufsicht, über die dringende Notwendigkeit, unsere Volksbildung im allge— meinen auf eine weit höhere Stufe zu heben, ausgeführt hat, das haben wir vor der Revolution von der rechten Seite dieses Hauses nicht gehört. (Sehr richtig! links) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß dabei bleiben: alle diese Dinge las man vor Tische auf Ihrer Seite doch sehr viel anders. Erst die Re⸗— volution hat Sie nach dieser Richtung hin scharf⸗ sichtig gemacht. Guruf rechts: Wir leben nicht von der Ver— gangenheit wie Sie) — O nein, die Herren irren sich sehr; wir sind nicht die Partei der Vergangenheit; dem Sozialismus gehört — das sage ich trotz mancher trüben Erfahrungen dieser Tage — nicht nur die Getzenwart sondern auch die Zukunft. Gustimmung bei den Sozialdemokraten — Lachen rechts) und Säüe vertreten die Ver— gangenheit.
Aber es ist nicht meine Absicht, mich auf allgemein politische
Erörterungen einzulassen. Ich möchte nur wiederholen: Wenn Sie zu der Zeit, als Ihre Vertrauensleute hier an disser Stelle standen, wo ich heute stehe, und als wir Sozialdemokraten noch das kleine Oppositionshäuflein dort drüben än der Ecke waren Zuruf rechts: Parteiredeh, wenn Sie damals schon ebenso energisch wie gestern für die Schulreform, für die Herabsetzung der Schüler— zahl usw. eingetreten wären, dann wären wir heute ein gut Stück weiter. Eebhafte Zustimmung links) Nichts wäre im Interesse des Volkes und seiner Schule erwünschter gewesen, als wenn Sie dieses warme Herz für die Hebung der Volksschule und der Volkebildung nicht erst jetzt, sondern schon wor Jahren und Jahrzehnten entdeckt hätten. Es war mir psychologisch sehr in— teressant, wie es wirklich erst der Uebergang zur Opposition gewesen ist, wie es erst die Notwendigkeit für Sie war, „das bittere Brot der Minderheit zu essen“, wie sich Graf Westarp mal im Reichstage ausgedrückt hat, wie erst diese Umwandlung Ihrer Stellung Sie scharssichtig für so viele Mißstände in unserm Staatsleben und be— sonders auch in unserm Schulwesen gemacht hat. Aber dabei muß ich doch das eine hervorheben: Damals, als Sie an der Macht waren, wäre es Ihnen wahrhaftig sehr viel leichter gewesen, grundlegende Reformen auf dem Gebiete des Schulwesens durchzuführen, als uns das heute möglich ist. Denn damals schwammen wir im Goldez damals hatten wir für solche Zwecke, wenn Sie es nur hätten ausgeben wollen, Geld in Hülle und Fülle. Heute aber sind wir ein armes, ein verarmtes Volk geworden — Rufe rechts: Dank der Revolution) nein, nicht dank der Revolution, sondern dank des Krieges sind wir arm geworden. (Lebhafte Zustimmung links.) Und schließlich war ja auch die Revolution nur das legitime Kind des Weltkrieges. Aber, ich will heute auf Schuldfragen und ähnliche Dinge nicht näher eingehen; solche Rekriminationen können wir uns heute wirklich nicht leisten, wo wir alle Volkskräfte zum Wieder- aufbau zusammenfassen müssen. (Rufe rechts: Parteirede! Schluß! — Ruf links: Ruheh Aber daß wir dank der Revolution ein armes Volk geworden seien und nicht dank des Krieges, das, meine Herren, werden Sie ernst!lich selbst nicht behaupten können. Der furchtbare Krieg ist es gewesen, der uns in dieses namenlose finanzielle Elend gestürzt hat.
Aber sei dem, wie ihm wolle: trotz der jammewollen finanziellen Vage unseres Staates ist die gesamte Regierung und ist auch der Herr Finangminister den Meinung, vaß
Cn
e 6 uch unter den heutigen Verhältnissen gar keine bessser werberde Kapitalsanlage für unser Volk geben kann, als wenn wir möglichst viel Geld in die Volksbildung und besonders in die Volks— s chuhe hineinstecken. (Zustimmung links) Das Geld, das wir für Volkebildungs⸗ und Volkeschulzwecke aufwenden, das trägt Zinsen hundert⸗ und tausendfältig. In diesem Sinne werden wir auf der Grundlage des vorhin von mir wieder angezogenen Regie— rungsprogramms auf das eifrigste an den Ausbau unseres Schulwesens, speziell des Volksschulwesens, herangehen. Wir sehen in der Hebung des Volksschulwesens die erste und wichtigste Vorbedingung auch für den von uns allen so heiß ersehnten neuen politischen und wirtschaft— lichen Aufstieg unseres Landes. Vom deutschen Geiste, von der deutschen Kultur, von der deutschen Schule muß der Wieder— aufbau, muß die Genesung unsers Volkskörpers ausgehen. Davon sind wir überzeugt, und für diese große Aufgabe erwarten wir die tätige Mithilfe aller Parteien dieses Hauses von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken. Wenn wir und wenn Sie, meins verehrten Damen und Herren, mit uns in diesem Sinne arbeiten, wenn wir von unten auf, von der Basis her, unser Volksbildungswesen heben, dann muß und wird, nicht im Sinne eines öden Kampfes um die Weltherrschaft, sondern im Sinne des großen kulturellen Wettstreites der Nationen, das Wort zur Wahrheit werden, daß Deutschland in der Welt und daß in Deutschland Preußen vorangeht! (Bravoh
Abg. Te gder (D. V): Wit stehen durchaus auf dem Boden des Antrags der Deutschnatienalen, sowohl hinsichtlich der Aufhebung der geistlichen Ortsschulaufsicht als auch der Hehung der Volksschule und des Volksschullehrerstandes, und wir unternützen alle in letzterer Beziehung gemachten. Vorschläge. Der Staat, der im Niedergang begriffen ist, bat sich zuerst und vor allem um sein Schulwesen zu bekümmern. Ueberfüllte Klassen giht es nicht nur auf dem Lande, sondern auch besonders in den Industriestädten. Durch die Teilung der Klassen wird es ermöglicht, den brotlos gewordenen jungen Lehrern und Lehrerinnen wieder Anstellung zu gewähren. Im Etat sind nur 18 neue Stellen für Kreisschulinspektoren vorgesehen; damit
kommen wir nicht weiter, wenn mit der Fachaufsicht ernst gemacht werden soll.
Abg. Ad. Hoffmann (U. Soz): Einen Fortschritt hat Herr Haänisch schon gemacht, er hat heute bereits zweimal das Wort Revolution ausgesprochen, ohne blaß zu werden. (Heiterkeit. ) Wenn heute die Aufhebung der geistlichen Schulinspektion plötzlich auf allen Seiten Anerkennung sindet, so wird es um so mehr klar, wie gemacht seinerzeit der Sturm gegen den Erlaß des Ministeriums bei der Wahlbewegung war. Die Schulinspektion ist durch Gesetz ein⸗ geführt, die Üebertragung der Aufsicht auf die Geistlichen aber ist ein Akt des Kultusministeriums, ergo hat der Kultus— minister auch das Recht, diese Uebertragung wieder aufzuheben. Auch ohne die Zurücknahme des Erlasses hätte das Zenttum dieselbe Agitation veranstaltet, aber sie ist ihm natürlich durch das Zurück- weichen des Ministers sehr erleichtert worden; ist der Feind im Weichen begriffen, so geht man eben feste diauf. Jetzt haben die Verren vom Zentrum dem Kultusmmister ja einen Kurator in der Person des Herrn Wildermann bestellt, und zum Schluß wird es heißen: Kontad, gehe in ein Kloster! (Stürmische Heiterkeit auf allen Seiten des Hauses.)
Vizepräsident Frentzel: Es ist in diesem Hause nicht üblich, die Minister bei ihren Vornamen zu nennen. (Erneute Heiterkeit.)
Die Schulanträge werden darauf einem Ausschuß über⸗
wiesen. . Anträge beschästigen sich mit den Verhält⸗ nissen in den besetzten Gebieten.
Abg. Esser (Zentr.) beantragt, die Orte in den besetzten Gebieten bei den Teuerungszulagen in eine höhere Klasse zu versetzen.
Minister für Volkswohlfahrt Stegerwald: Meine Damen und Herren! Wie ich persönlich zu den Verhältnissen der Be— völkerung in den besetzten Gebieten stehe, darüber habe ich mich bereits in Weimar im einzelnen ausgelassen. Auch die preußische Staattzregierung nimmt an der Bedrückung der Bevölkerung in den besetzten Gebieten lebhaften Anteil. Was sie zur Erleichterung der Verhältnisse dort beitragen kann, wird geschehen.
In den letzten Tagen hat sich eine Sitzung des Staats— ministeriums eingehend mit diesen Verhältnissen beschäftigt und nach Mitteln gesonnen, wie Erleichterungen insbesondere im Westen der besetzten Gebiete geschaffen werden können.
Zur materiellen Selte der Angelegenheit habe ich namens der Staatsregierung folgende Erklärung abzugeben:
Zur Ausführung des Reichsgesetzes vom 2. März d. J. über die Vergütung von Leistungen für die feindlichen Heere im besetzten Reichsgebiet wird in den nächsten Tagen eine Verordnung des Staatenausschusses ergeben. Nach Maßgabe dieser Verordnung ist beabsichtigt, die Regierungepräsidenten als Feststellungsbehörden zu be⸗ stellen. Mit der eigentlichen Arbeit werden aber die Ortsbehörden betraut, so daß es sich bei der Tätigkeit des Regierungspräsidenten nur um den formellen Feststellungsbescheid handelt. Den Orts- behörden sollen möglichste Freiheiten in bezug auf die Bildung von Gutachterkommissionen gelassen werden.
(Bravo!)
Mit Rücksicht auf die großen Lasten der Gemeinden in den besetzten Gebieten ist seitens der Reichsfinanzverwaltung ein recht erheblicher Fonds zur Verfügung gestellt worden, aus dem aus— schließlich an die Lieferung verbände der besetzten Gebiete Abschlags— zahlungen auf die Reichsfamilienmindestunterstützungen gewährt werden. Auf diese Weise haben in den letzten beiden Monaten die Lieferungsverbände in den besetzten Gebieten bereits über 60 Millionen Malk zugeführt erhalten. Soweit es sich bei den Lieferungsberbänden um Landkreise handelt, wird ihnen bei Zablung die Veipflichtung auferlegt, die Summen restlos an die Gemeinden des Kreises zu verteilen nach Maßgabe ihrer . durch feind⸗ liche Einquartierung und Requisitionen. Die Kreise erfüllen diese Verpflichtung meistens in der Art, daß sie den kreisangehörigen Gemeinden Darlehen zu 5 vo anbieten. Die Gemeinden werden durch diese Darleben nicht belastet, da das Reich die Anerkenntnis
schlossen.
ersten Tage des auf die Leistung folgenden Monats ab bis zum Tage der Zahlung aus der Reichskasse verzinst. Bravo!)
Nach den Bestimmungen des Reichsgesetzes gehen aber die An⸗ sprüche desjenigen, der die Leistung aus seinem Vermögen bewirkt hat, insoweit bereits eine Bezahlung seitens einer öffentlichen Körperschaft bewirkt worden ist, auf diese über. Die Gemeinden sind also für ihre Zinsverpflichtungen vollkommen gedeckt.
Der dem Ministerium des Innern zur Verfügung stebende Fonds ist letzhin von der Reichsfinanzverwaltung wieder aufgefüllt worden, so daß mit diesen Abschlagszahlungen weiter fortgefahren werden kann. Da die Gemeinden im unbesetzten Gebiet an diesen Abschlagszahlungen nicht teilnehmen, kommt es auf dasselbe hinaus, als wenn den Gemeinden im besetzten Gebiet Vorschüsse auf die feindlichen Requisitionen gezahlt worden wären. Der von uns ge— wählte Zahlungsmodus beruht lediglich auf gewissen Rücksichten, die durch die besonderen Verhältnisse der Verwaltung unter seind⸗ licher Kontrolle geboten erschienen.
(Bravo!)
Abg. Neumann (D. natl.) fordert für die Hinterbliebenen von Mitgliedern der Bürgerwehren staatliche Fürsorge.
Abg. Rörup (Hentr.) fordert Erhöhung der Teuerungszulagen im besetzten Gebiet.
Die Anträge werden dem Haushaltungsausschuß über⸗ wiesen. Ebenso werden Anträge über Teuerunaszulagen für Privatangestellte, über Enischädigungen für Untuheschäden, über die Notlage der jungen Lehrer, über die Beschäftigung der Kriegsbeschäbigten, üher Sonderbesteuerung der höheren Einkommen, über die Betriebsräte im Bergbau, über eine Neuordnung des Lehrerbidungsswesens, über die Räumung der . von Truppen usw. an die verschiedenen Ausschüsse verteilt.
Ein Antrag Hoffmann (U. Soz) fordert die Ver⸗ wendung der Gebäude des Hauses Hohenzollern zu Wohlfahrtszwecken ;
Abg. Br Rosenfeld (J. Soz): Die Wohnungsnot ist se groß, daß auch diese Räume nicht leerstehen dürfen.
Abg. Hergt (D. nat.) bittet, den Antrag erst im Ausschuß ju prüfen. ⸗
Der Antrag wird mit den Stimmen der Sozialdemokraten und der Demokraten angenommen.
Ein Antrag Hoffmann (U. Soz) fordert, den 1. Mai und den 9. November zu gesetzlichen Feiertagen zu rr hr enn,
Abg. Dr. Weyl (d. Soz.): Das Kabinett in Weimar schlägt bereits vor, den J. Mai zum gesetzlichen Feiertag zu erklären. Trotzdem ist es nicht sicher, ob dieser Antrag angenommen wird. Die preufische Landesversammlung sollte sich daher dafür erklären, ebenso wie die sächsische Volkskammer es getan hat.
Abg. Bartels (Soz.) stimmt für den Antrag und fordert Ausdehnung auf das ganze Reich.
Abg. Rippel (D. Nat.) erklärt sich dagegen. Preußen sei ein Jammerial erster Ordnung geworden. Alles sei zertrümmert worden, da sein keine Zeit, Feste zu feiern. .
Abg. Dr. Weyl (U. Soz.): Nachdem Sie uns immer gezwungen haben, den 2. September und 27. Januar zu feiern, ollen der 1. Mai und der 9. November nun als neue Feiertage gelten.
Abg. Held (D. V.): Wir danken für diese neuen Feiertage.
Die Abstimmung muß im Hammelsprung erfolgen. Für den Antrag, betreffend den 1. Mai, stimmen nur die beiden sozialdemokratischen Fraktionen. Das Haus ist außerordentlich schwach besetzt, da infolge der Länge der Sitzung zahlreiche Abgeordnete schon den Sitzungssaal verlassen haben. Der Antrag wird mit 114 gegen 112 Stimmen abgelehnt. (Hände⸗ klatschen rechts, großer Lärm bei den Soz. Rufe: Pyrrhussiegl Wir feiern doch den 1. Mai!)
Darauf wird über den Antrag abgestimmt, den 9. No= vember zum gesetzlichen Feiertag zu erklären Dafür stimmen wieder nur die beiden sozialdemokratischen Gruppen. Es muß abermals Hammelsprung stattfinden. Die Abgeordneten stürmen auß dem Saal, durch die „Nein“ Tür kehren aber nur wenige zurück Es stellt sich bald heraus, daß die Rechte das Zentrum und ein Teil der Demokraten sich der Abstimmung enthalten. Nach mehreren Aufforderungen des Präsidenten, die Wahlhandlung zu beschleunigen, wird diese schließlich ge⸗
Präsident Le inert stellt fest, daß sich nur 128 Abgeordnete an der Abstimmung beteiligt haben, und zwar haben 115 Ab⸗ geordnete für den Antrag und 11 gegen ihn gestimmt. Das Haus ist also beschlußunfähig. Präsident Leinert beraumt die nächste Sitzung auf Dienstag, den 6. Mai, Nachmittags 2 Uhr, an (Aattäge). Schluß 6 Uhr.
Bayern.
Nach einer von „Wolffs Telegraphenbüro“ verbreiteten Meldung des 1. Armeekorps aus München ist die Räte⸗ regierung durch die Garnison gestünzt worden. Eine Wiederherstellung kommt nicht mehr in Frage. Wie weiter gemeldet wird, ist der Minister des Aeußern der Räte⸗ regierung Dr. Lipp in eine Irrenanstalt gebracht. Dr. Lewien soll flüchül sein. Die Spitzen der Räeregierunn, im ganzen 16Personen, unter ihnen Landauer, Wagner und Mühsa m, sind verhaftet worden.
Die bayerische Regierung hai folgende Proklamation an das hayerische Volk erlassen:
Die Münchener Garnison ha die Gewaltherrschaft in München weggesegt. Das Kartenhaus der landfremden Eindrigglinge ist zusammengestürzt. München und ganz Bayern atmet erleichert auf. Die Gewalt der rechtmäßigen Regierung Hoffmann hat sich mit elementarer Kraft durchgesetzt und sich nun auch in München wieder⸗ hergestellt. Als Vertreter der Regierung ist mit weitgehenden Vollmachten der Abgeordnete Vogel aus Fürih nach München ent⸗ sandt. Seinen Wehungen ist bis auf weiteres unbedingt Folge zu leisten. Er vereinigt in sich die gesamte Zivil und Möilltärvoll⸗ zugsgewalt in München. Alle hisberigen Verordnungen der Räte⸗
für Kriegsleistungen an den Feind auch seinerseits mit 5 vo vom
regierung sind außer Wirksamkeit gesezßt. Bayern! Falter treu zur
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