1919 / 97 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 Apr 1919 18:00:01 GMT) scan diff

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zu Deutschland zu enischetden.

Die Delegation muß sede Möglichfeit haben, mit der deutschen Regierung in Verbindung zu stehen und um zweckdienlich und rasch zu arbeiten.

Die verschiedenen Sachverständigen müssen mit jeder statistischen

Information versehen sein, die sich auf den von ihnen vertretenen Industrie⸗ und Handelszweig bezieht und die notwendig ist, um den alliierten Regierungen zu gestaiten, die Lebensmittsel- und Rohstoff— lieferung an Deutschland in Angriff zu nehmen (proceder). Die deutsche Regierung wird ersucht, die Namen der Delegierten und den mutmaßlichen Tag ihrer Ankunft mitzuteilen. gez. Nu dant.“

Der Reichsminister Erzberger ließ nach Spaa folgende Antwortnote ühermitteln: . Ersuche, morgen General Nudant mitzuteilen, daß die deutsche Friedensdelegation dem in der Depesche von Herrn Clemenceau ge— äußerten Wunsche entsprechend bereits 25 Delegierte auf wirtschaft⸗ lichem und industriellem Gebiet umfaßt Näheres wird die dentsche Friedensdelegation mündlich mitteilen. Sollte eine ergänzende Kom— . notwendig sein, so würde diese schnellstens nach Verjailles ab reisen.

Die schwarzen Listen sind vom 29. April ab auf— gehohen. Der Vorsitzende der britischen Mission hat, dem „Wolffschen Telegrapheubüro“ zufolge, am 27. April der der deuischen Maffenstillstan de kommission in Spaa folgende Note überreicht:

Ich bin beauftragt, Ihnen mitzuteilen, daß die alltierten und assozite ten Regierungen beschlessen hahen, noch Mitternacht vom 25. zum 29. Aprtl alle schwarsen Listen von Firmen und Personen, die sie veröffentlicht orer zusammengestellt haben, zurückzuziehen und alle Verbote (dis ilities) in bezug auf Handel und Handels—⸗ verbindungen mit Firmen oder Personen solcher Listen außer Kraft treten zu lassen.

Die alliierten und assoziierten Negierungen behalten sich das

Recht vor, alle oder einige selcher schwalzen Liften wieder einzuführen,

falls sich dies als notwendig ergeben sollte. Haking.

Der Reich swirtschaftsminsster hat, wie „Wolffs Telegrophenbüro“ meldet, mit seiner Vertretung bei den Friedensverhandlungen in Versailles den bayerischen Staatsrat von Meinel und Herrn Richard Merton aus Frankfurt a. M. hetraut. Die beiden Herren hahen sich gestern nachmittag, begleitet vom bayerischen Bezirlzamtmann Dr. Feldhauer, nach Versailles begeben. Die Vertretzng des Reiche wirtschaftsministeriums in der Friedens kommission in Berlin werden nach wie vor Geheimrat von Flotow und Regierungsrat Fellinger wahrnehmen.

Aus Anlaß der hevorstehenden Frieden sverhandlungen hat gestern in Mälheim (Ruhr) eine große Massenver⸗ sammlung stattgefunden, in der nach Ansprachen der Ab⸗ geordneten Dr. Most, Dr. Deerberg, Dr. Jordan, Jaecker und Allekotte laut Meldung des „Wohlffschen Telegraphenbßros“ in feierlicher Einmütigkeit nachstehende Entschließung zur An⸗ nahme gelangte, die der Reichsregierung und der National⸗ versammlung telegraphisch übermittelt wurde:

Auf d s änßerste beunrubigt durch die sich immer mehr ver— dichtenden Gerüchte über einen von unseren Feinden geplanten Ge— waltflieden haben sich beute viele Tausende von Männern und Frauen in Mülbeim zusammengefunden zu einer gewaltigen Kundgebung. Einem Frieden der Schmach, einem Frieden der Selbstpernichtung werden wir uns niemals beugen. Das ist der einmütige hart ent— schlossene Wille aller Bevslkerungsschichten, aller Berufe. Unsere Friedensdelegierten dürfen nicht mit einem Vertrage heimkehren, der uns deutschen Landes beraubt, unser Volk, statt es in seiner Gesamtheit zu einen, noch weiter zerstückeln und für unabsebbare Zeiten zu wirtschaftlichen Sklaven herabdrücken würde. Unsere Feinde mögen es sich gesagt sein lassen. Bildet euch nicht ein, ihr könntet auf die Dauer eines Friedeng froh werden, der das Selbst⸗ bestimmungsrecht der Völker mit Füßen tritt, der aller Menschlichkeit und Gerechtigkeit, wie auch jeder politischen Weisheit Hobn spricht. Solcher Verblendung furchtbare Saat müßte in kuner Frist aufschießen zu grauenbaftem Verderben der gesamten Kulturwelt. Darum rufen wir den Führern unserer Gegner in letzter Stunde noch einmal warnend zu: „Haltet Euer beim Abschluß des Waffen⸗ stillstandes g'gebenes Wort and schafft einen Daverfrieden des Rechts und der Verständigung auf der Grundlage der Wilsonschen Punkte!“ Zugleich verlangen wir im Namen der Menschlichkeit sofortige voll⸗ ständige Aufhebung der Blockade und sofortige Freigabe unserer Gefangenen.

Zivilpersonen altelsässischer oder altlothrin⸗ gischer Abstammung, die nach Elsaß-Lothringen zurückzukehren wünschen, bedürfen hierzu, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mitteilt, keiner Gerehmigung der deutschen Behörden. Sie wenden sich am zweckmäßigsten an den Dele⸗ gierten Koch in Frankfurt am Main (Scharnhorststraße 50) der mit der Rückbringung der Elsaß⸗Lothringer befaßt ist. Die fran⸗ zösischen Bebörden fordern vor der Einreise nach Elsaß⸗Lothringen die Ablegung einer etwa dreimöchigen Quarantänezeit in Sammellagern von Rastatt bezw Griesheim. Dort wird freie Unterbringung und Verpflegung gewährt. Alielsässische eder altlothriogische Abstammung im Sinne dieser Ausführungen liegt nur dann vor, wenn die betreffenden Personen oder ihre Eltern vor 1870 Feanzosen waren.

Entlassene elsaß⸗lothringische Soldaten gelten nicht als nen sie werden von ihren Truppenteilen in Matsch gesetzt.

Das „Wolffsche Telegrayhenbüro“ berichtet unter dem 28. April über die Lage an der Oüfront:

Während an der posenschen Süd- nnd Ostfront die Kampftätigfeit sich in den gemöhnlichen Grenzen hielt, herrschte im Netzeabschnitt sehr rege Gefechtstätigkeit Verschiedentliche stärkere polnische Vorstöße an der dortigen Front wurden abgemiesen. Stadt und Umgegend von Nakel lagen erneut unter polnischem Feuer. Außer blutigen Verlusten ist erheblicher Sachschaden zu beklagen. Nach eingegangenen Meldungen ist in dieser Gegend mit einer Fort⸗— setzung der pornischen Angriffstätigleit zu rechnen.

Vayern.

Die Nachricht der Prosse, daß das militärische Unter⸗ nehmen gegen München vom Reichawehrminister Noske geleitet wird, ist dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge unrichtig.

Die „Nürnberger Zeiting“ vom gestrigen Tage meldet

zur Lage in München u. a: ; Die Mitglfeber es Vollzugsrats Toller und Klingelhsser haben

ihte Posten in der Militäroberleitung niedergelegt und Männer sein

schaftlichen Heziehnngen der allijerten urd affozkterten Negierungen Amt als Boltgbeauftragter der Finarzen. Die Finanzverhält- nisse der Räterepublit sind katastrephal. Um den in den

Staattkassen und Banten herschenden Mangel an Zablunggmitteln abzuhelfen, ist die Verfügung ergangen, daß jämtliche Tageseinnahmen der greßen Be riebe, wie Fabriten, Kaufhäufer, Theater, Kinog, Casds und Wirtschaften, täglich durch die Betriebsräte im Beisein der Be— sitzer bei den Banten einzuzahlen sind. Außerdem sind sämtliche Wohnungs⸗ und Pachtzinsen vom J. bis 16. Mai anf das Konto nor M 9 n air: u BHT N ISskBerahlitr . eb te einer Bank einzuzahlen. Vorgusbezahlung von Gehältern ist strengstens verboten. Die Schätzung der Roten Armee auf 50 060 Mann ist strark übertrieben. Von den mehr als 30 000 Arbeitslosen haben sich nur 20600 zur Roten Armee gemeldet. An Mehl und Kunsthonig sind reichliche Bestände vorhanden, dech fehlt eg an Fleisch. Die Einwehnerschaft Münchens ist lediglich auf Mehl angewiesen. Die Beniebe sind genötigt, infolge Kohlenmangels die weitere Erzeugung einzustellen. Dadurch werden wieder 10000 Arbeiter brotlos. Der Finanzminister hat erklärt, daß in der kurzen Spanne der Räterepublick vom Staat mehr Geld ver— auegabt worden sei, als von den anderen Regierungen. Er ist mit den Russen in Streit geraten, weil er sich weigerte, die Schlüssel zu den Safes auszuliefern. Die Russen wollten die dort liegenden Ju— welen und Wertpapiere beschlaanahmen. Da die Notenpresse von der Regierung Hoffmann in Sicherheit gebracht worden ist, versucht die Regierung die Herstellung ven Noten auf photographischem Wege. Die Zeitungen erscheinen heute wieder, die bürgerlichen unter Vorzensur. Die Buchdrucker haben sämtlich erklärt, sie würden sämtlich die Arbeit einstellen, wenn den bürgerlichen Blättern das Eischeinen nicht gestattet würde. Große Sersatton rief die Mit— teilung eines Polizeibeamten hervor, daß im Paßamt Formulare für Auslandepässe gestoblen worden sejen. Die Auslandépässe bat das Revolusionstribunal für seine Mitglieder gefordert und der Volljugg⸗ ausschuß hat unter schweren Drohungen die Auslieferung der Pässe verlangt. ;

Das Ministerium Hoffmann verhängte über das rechts— rheinische Bayern das Standrecht.

Hamburg.

An der gestrigen Börse hielt das Mitglied der Handeltz⸗ kammer Heye eine Ansprache, nach der eine Entschließung angenommen wunde, in der es laut Meldung des „Wolffschen Telegrophenhüros“ u a. heißt:

Die Hamburger Kaufmannschaft fordert entschieden, daß bei den jetzt beginnenden Friedens verhand!lungen streng an der Grundlage sestgebalten wird, wie sie durch die Annahme der 14 Wilsonschen Punkte sowie der Grundsätze in seinen späteren An⸗ sprachen geschaffen ist. Auf das nachdrücklichste muß die Kaufmann schaft gegen eine willkürliche Lotztrennung oder Einverleibung solcher Gebietgteile Einspruch erheben, die nicht nur in wirtschaftlicher Be— jiehung eng und unlöslich mit Deutschland verbunden sind. Elsaß— dothringen, das Saargebtet, Nordschleswig und die dentsche Ostmark, sie bilden zusammen mit dem übrigen Deutschland einen einheitlichen Organismus.

In der gleichen Weise sordert die Hamburgische Kauf⸗ mannschaft sofortige Freigahe der Kriegsgefangenen, Freiheit der Meere, Gleichberechtigung des deutschen Handels und Zurückgabe unserer Kolonien, unserer in Feindeshand befind— lichen Vermögen, unserer Schiffe und Kabel.

Bremen.

„Bögt manns Telegraphisches Büro“ meldet, daß die von den Blättern gemeldete Festnahme der überwiegenden Mehr— zahl der Mitglieder des Roten Soldatenbundes Bremens, der die Absicht hatte, die gegenwärtige Regierung zu stürzen, sich nach Erkundigungen an maßgebender Stelle bestätigt.

COesterreich.

Eine Konferenz im deutsch-⸗österreichischen Staats⸗ amte für Heerwesen beriet in Anwesenheit der Ver⸗ treter aller Landegbefehlahaber und aller Landee soldaten⸗ räte auch die Frage des von der Entente verlangten Abbaues der Volkswehr. Der Staattz sekretär für das Heerwesen Deutsch verwieg, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, auf das Eintreffen einer äußerst entgegenkommenden Note der italienischen Militärmission vom 26. April, in der den politischen und wirtschoftlichen Notwendigkeiten Deulsch— Oesterreichs in verständnisvoller Weise Rechnung getragen werde. Der Staate sekretär empfahl dringend, dem Verlangen der Enterte nach Abbau der Volkswehr in zeitlichen und zahlenmäßigen Grenzen zu entsprechen. Die Kanferenz beriet sodann über die Frage der künftigen Milizverfassung.

Ungarn.

Meldungen des „Ungarischen Korrespondenzbüros“ über die militärische Lage besagen:

Die rumänischen Vortruppen haben am 26. d. M. Bekesesaba erreicht und sind in die Nähe von Puetpoekladany ge— langt. Die ungarischen Truppen wurden zurückgenommen. Der vom Süden her gegen die Theißbrücken von Csap gerichtete Angriff wurde zurückgeschlagen.

n 27. April besetzten die Serben Mako und Nagvlak. Die Rumänen sind in Richtung Oroshaza, Szarvas und Gyo mia vor⸗ gedrungen und haben Kaha, Balmaz eujvaris, Hajdz-Nanas und Nyiregyhaza besetzt. Die Tbeißbrücke bei Csap wurde von den Ru— mänen gesprengt. Unsere Nachbuttruppen gelangten am 27. bloß mit feindlichen Reiterpatrouillen in Berührung. Ein von den Tschechen am 26. nördlich von Banrove durchgefübrter Teilangriff wurde von unseren Truppen mit Gegenangriff zurückgeschlagen.

Großbritannien und Irland.

Der Text des Völkerbundsvertrgges ist gestern nachmittag bekannt gegeben worden. Dem „Neuterschen Büro“ zufolge werden neben den 32 , Mitgliedern noch weitere 13 Staaten, darunter die Niederlande, aufgefordert, dem Völkerbunde beizutreten. Der Haupspunkt des Völker⸗ bund vertrages ist der, daß eine Nation, die unter Mißachtung des Vertrages ihre Zuflucht zum Kriege nimmt ipso facto als eine Nation angesehen wird, die eine Kriegshanslung gegen alle Mitglieder begangen hat.

Frankreich.

Nach dem von der „Agence Havas“ verbreiteten diplo⸗ matischen Lagebericht vom 28. d. M. hielten die drei Re⸗ gierungschefs und die Minister des Auswärtigen der vier Großmächte gestern keine Sitzungen ab. Der Redaltions⸗ eusschuß arbeilkete indes den ganzen Sonntag über. Der Worilaut des Vorfrieden s vertrages wird heute fertig⸗ gestellt werden. Es hleibt nur noch die Figutschou⸗ ö offen; vorangsichlich werden die drei Stagte⸗ männer am Diengtag eine endgültige Entscheidung treffen. Die militärischen und maritimen Bestimmungen sind his auf wanige von untergeordneter Reden mng festgelegt. Ueber den Kaiser Wllhelmkanal ist noch keine Ginigung erzielt.

Der Dreierrat hat ferner noch die Luxemburger Zollfrage, die Fage der Zukunft der deutschen Kabel und die Frage der deutschen Kriegsgefangenen und deutschen Arbeiter zu regeln. Die Sonden kom mnsssion wird heute über letztere ihre zusammen⸗ fossenden Arbeiten vorlegen. Tie ührigen Fragen sind lämtlich gelöst und werden in endgültige Fassung gebracht. Die Be⸗ stimmungen über die deutschen Grenzen mit Einschluß der Bestimmungen über das Schicksal des linken Rheinufers sind fertiggestellt. In den Kreisen der Konserenz ist man der An⸗ sicht, daß der Text am Freitag, spätestens Sonnabend, der deutschen Delegation übergeben werden konn. Am vorher⸗— gehenden Tage wird der Text in einer geheimen Vollsitzung den Vertretern der Al alliierten und assoziierten Mächte zur Kenntnis gebracht. Italien.

Am Sonntag vormittag fand in Röm eine Kundgebung für die Regierung statt, an der zahlreiche Parlamentarier und Vertreter der Gemeindebehörden teilnahmen. Wie die Agenzia Stefani“ berichtet, erntete der Deputierte des Nationalrats von Fume, der die Uebernahme der Gewalt durch die italienischen Behörden mitteilie, ungeheuren Beifall. Es wurden Hochsufe auf Fiume, den König, Orlando und Sonnino ausgebracht. Alle Redner enthoten den demokratischen Völkern Amerikas, Fankreichs und Englands, die mit IJlalien einig seien, ihre Güße. Der Bürgermeister von Ram, Fürst Colonna, ver⸗ sicherte die unerschütterliche Entschlossenheit Jialiens in bezug auf Fiume und Talmatien. Die Versammlung erklärte sich schlitßlich in einer Enischließung mit der italienischen Delegation solidarisch.

Nieberlande.

Die Internationale sozialistische Konferenz in Amsterdam beriet am 265 Ap il die Frage, welcher Standpunkt zun Völkerbundentwurf der Pariser Konferenz einge⸗ nommen werden soll. Es wurde ein Ausschuß ernannt, um die Ansicht der Konferenz schriftlich niederzulegen Hierauf berichtete Arthur Henderson über die von der Pariser

Konferenz entworfene internationale Arbeiter-Charta.

Laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ wird eine ständige Untersuchung über die Aibeitsbedingungen abgehalten werden. Ein daucnmndes Selretariat unter Aufsicht eines von den Abordnungen der , . Länder ernannten Ausschusses ist errichtet worden. Jede Abordnung wird aus vier Mitgliedern bestehen, nämlich aus iwei Vertretern der Regierung, einem Vertreter der Arbeitgeber und einem Vertreter der organisierten Arbeiter. Die Regierung der Ver— einigten Staaten hat mit den Vorbereitungen zu der im Oktober in Washington abzuhaltenden ersten internationalen Konferenz begonnen. Der organisitrende Ausschuß besteht aus Vertretern Englands, Italiens, Japans, Belgiens und der Schweiz. Auf der Tagesordnung der Konferenz steht der Achtstundentag, die Arbeitslosigkeite frage, die Frage der Frauen, und Kinderarbeit sowie der Ausbau der Berner Verträge von 1906. ͤ Am Nachmittag befaßte sich die Konferenz mit Gebiets⸗ ragen.

Die Konferenz sprach sich für die Unabhängigkeit von Livland, , und Estland aus. Sie forderte sär Deutsch-Oesterreich das Recht, sich an Deutschland anzuschließen. Ferner forderte sie für alle deutschen Teile des früheren Oesterreichg das Recht, sich über die Frage, zu welchem Staat sie gehören wollen, auszu prechen. Die Konferenz legte feiner gegen das Eindringen fremder Truppen in Ungarn Verwahrung ein und sprach sich gegen das Recht der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ungarns auß. Sie forderte, daß man in Paris nicht über das Los ker einzelnen Teile Ungarns entscheiden soll, ehe eine Polksabstimmung unter Aufsicht von neutralen Ländern abgehalten worden ist. In einer Entschließung wurde gegen die Massenmorde in Armenien ECin⸗ spruch erhoben und Schadenpergütung verlangt. Peroni (Italien) legte nachdrücklich gegen eine Angliederung von Tirol an Italien Ver⸗ wahrung, ein. Die italienischen Sozialisten könnten eine Gewalt— politik nicht billigen. Die anderen Gebieisfragen werden morgen ver handelt werden, ebenso die Entschließungen über den Völkerbund und die über den Entwurf der Satzungen der neuen Internationale.

In der Sitzung der Konferenz am 27. April unterbreitete Henderson den Entwurf einer Entschließung bezüglich des BVölkerbundes, in der ber Enttäuschung Ausdruck gegeben wird, die der Entwurf der Friedenskonferenz hervorgerufen hat, und die Forderung der Abrüstung wiederholt wird.

Toelstra erklärte, er finde diese Entschließung zu schwach. Die sozialistischen Parleien müßten von der Friedens konferenz fordern, daß sie nicht ausschließlich einen Bund einiger Völker ins Leben ruft. Auch Renaudel fand den Wortlaut der Enischließung verschwommen und forderte entschlossenere Darlegung der sozialistischen Ziele. Er agte⸗ man müsse sich konkreter mit der gesamten Ahrüstung zu Wasser und zu Lande befassen und fordern, daß eine sozialistische Delegation vom Rat der Vier empfangen werde. Wibaut trat dafür ein, daß in die Ent⸗

schließung auch das Arbeiterrecht aufgenommen werde. Der australische Minister Ryan fagte, für die Errichtung des Völker⸗ bundes sei es noswendig, daß alle Völker ihre Ansicht darüber äußerten, und damit die Regierungen auch im Namen ihrer Völker sprechen könnten, müßte das allgemeine Wahlrecht überall eingeführt werden. Er sei der Ansicht, daß man überall die Diensspflicht ahbschaffen und Berufsheere ausstellen müsse. Ryan gab die Gr⸗ klärung ab, daß der in das in Bern aufgestellte Arbeiterrecht auf⸗ genommene Grundsatz der Einwanderunasfreiheit wegen der furcht⸗ baren Konkurrenz, die die farbigen Rassen den weißen Arbeitern machten, für ibn unannehmbar sei. Der argentinische Delegierte Ju stöo unteibreitete ein Amendement zum Antrag Henderson, in dem gefordert wird, daß die jnternationale Autorität Richtlinien für die allmähliche Abschaffung der gesetzlichen Maßnahmen, die für den Freihandel ein Hindernis bilden, ausarbeite. Justo trat sür den Grundsatz des Freihandel ein und rief Ryan zu: „Mit Ihrer Politik des Schutzes der weißen Arbeiter bereiten Sie einen künftigen Krieg mit China und Japan vor.“ Der argentinische Delegierte Tomaso erklärte sich als Gegner der Berufsheere und sagle, die Rede Ryans habe be⸗ wiesen, daß die Völker sich mit dem müllitärischen Problem befassen müssen. Er schlage eine Sonderkommission vor, die alle Vorsckhläͤge und Verbesserungsanträge untersuchen soll. Die Kommission wurde ernannt. Sie setzt sich zusammen aus: Wibaut, Stuart Dunnieg, Renaudel und Longuet.

Die Konferenz nahm einen Antrag an, daß Palästina ein unabhängiger Staat und als solcher Mitglied des Völker⸗ bundes werden soll. Ferner wurde eine Entschließung an⸗ genommen, in der von der Pariser Konferenz gefordert wird, die Unabhängigkeit Sstlands anzuerkennen.

In der gestrigen Nachmittagssitzung der Konferenz wurde von Macdonald, Longuet und Haase eine Entschließun eingebracht, in der über das Saargebiet erklärt wird, ö die offene oder verhüllte Annexion dieses Gebiets dem Wilson⸗ schen Grundsätzen widerspreche und , werden müsse, daß aber der Gitrag der Bergwerke bis zur Wieder herstellung des zugefügten Schadens Frankreich zugute kommen müsse.

Der Teyt der Entschließung wird noch näher formuliert werden Denderson begründete zen Vorschlag des Büros, daß der nächst Kongreß erst am 4. Februar stallfinden soll, um auch we

utfernten Ländern eine sorgfällige Vorbereitung auf diesen

Hongreß zu ermöglichen. Darüber fand eine ausführliche Er⸗ kleiung statt. Die Konferenz vahm zum Schluß ihrer Be⸗ un gn folgende Entschließung über den Völker⸗ und an:

Die Konferenz nimmt zur Kenntnis, daß die Völker seitens der lierten Regierung mit einem Vertrag bekannt gemacht worden sind, r den ersten Keim für eine methodische Organisation der Herr⸗ haft eines dauernden Friedens enthält., und sie stellt fest, daß die sortführung einer von den Anbeitersorderungen inspirierten inter⸗ stionalen Arbeiterschutzgebung die Grundlage zu einer wirtschaft⸗ schen Verständigung zwischen den Nationen vorbereitet. Die Kon⸗ enz ist jedoch der Meinung, daß ein Völkerbund nur dann seinen syeck erfüllt, wenn er 1) von Anfang an auf der Grundlage gleicher ssichten und Rechte alle unabhängigen Völker in sich vereinigt, E die Verpflichtungen des Vertrages übernehmen und deren pelegationen von ihren Volksvertretungen gewählt sind, wenn er über eine internationale Autorität verfügt, die sauf nagt ist, sowohl den eingegangenen Verpflichtungen in hug auf den Friedensbertrag wie der Tätigkeit des Völker⸗ undes Geltung zu verschaffen. Diese Autorität übernimmt die Ver⸗ sichtung, wirtschaftliche Beziehungen herbeizuführen, die allmählich r Unterbindung aller gesetzlichen Hindernisse des internationalen undels, der Weltproduktion und der Weltverteilung führen, wenn er Maßnahmen für ein Verbot weiterer Rüstungen, r die progressive Herabsetzung der gegenwärtigen Rüstungen d eine Kontrolle der noch gestatteten Munitionsfabrikation nsieht und wenn er baldigst auf eine völlige Abrüstung zu ßasser und zu Lande hinarbeitet. Bis diese Abrüstung verwirklicht müssen die Armeen, deren Bildugg wegen der interna tionalen ge notwendig sein würde, sowohl bezüglich der Effektipstärke se des Rekrutierungssystemg der Kontrolle des Völkerbundes unter— lt werden, um jede Gefahr für die Demokratie hintanzuhalten, hwenn sich alle Nationen, gut denen sich der Völkerbund zusammensetzt, lnahmslos dazu verpflichten werden, alle Streitigkeiten vorzulegen, uf die der Völkerbund Anwendung finden kann, und wenn die sationen sich verpflichten, das Urtell des Bundes anzuerkennen nd in keinem Falle zum Kriege ihre Zuflucht zu nehmen, wenn er, um diesen Zweck zu erreichen, die Methode röffentlichen Diplomatie annimmt, wie sie beispielsweise kürzlich Billon in seiner Erklärung im Streitfalle zwischen Italien und in Südslaven angewandt hat, und die die Gewähr dafür bieten sirde, daß die Forderungen der veischiedenen Staaten für jeden mjelnen Fall entschieden werden, um dadurch allein die Beständigkeit Friedens zu sichern. Diese Bedingungen sind gegenwärtig von n alliierten Regierungen nicht ersuͤllt worden. Die Konferenz helliert schon jetzt an die Tatkraft der Arbeiter aller Länder, um die Organisatton eines Völkerbundes zur Sicherung eines dauer— ften Friedens zu wirken.

Ferner wurde folgende Entschließung angenommen:

Die in Amsterdam tagende Konferenz, die die sozialistische und eiterbewegung von 2tz Nationen vertritt, erklärt ihre Ent⸗ öossenheit, den Kampf für einen Frieden auf⸗ nehmen, der nicht im Widerspruch mit den Punkten Wilsons steht, da er die einzige Grundlage r ein dauerndes Einvernehmen der friedliebenden Demo⸗ ftien zu bilden geeignet ist. Die Konferenz ist der Meinung, ß die durch die Beschlüsse der Pariser Konferenz geschaffene Beun⸗ ligung die Permanenz des Vollzugsausschusses (Branting, mnderson, Huytzmans) und der Mitglieder des Attions⸗ schusses (Renaudel, Longuet, Macdonald, Stuart Bunning) 6 unvermeidlich erweist, bis die Friedenspräliminarien sterzeichnet sind. Die Konferenz beauftragt diese Delegierten, e Zusammenkunft mit den vier leitenden Männern der lüerten, die in hervorragender Weise an der Ausarbeitung der siedenspräliminarien beteiligt waren, zu verlangen. Bei dieser sammenkunst, die durch die Vertretung und die jüngsten svischenfälle bei der Erörterung über den Frleden gerechtfertigt ist, ßissen die Vertreter der Internationale darauf bestehen, daß he Lösung herbeigeführt werde, die sich mit den Berner und mnsterdamer Beschlüssen deckt. Die Konferenz erwartet, daß die ter der Regierungen sich einem derartig formulierten Verlangen Echt werden entziehen können, da dieses Verlangen den unwiderleg⸗ schen Beweis liefert, daß die Arbeitergruppe der ganzen Welt daran ptwirken will, einen gerechten und dauerhaften Frieden herbeizuführen, äß sie an allen in diesem Sinne gemachten Vorschlägen tätigen An⸗ l nimmt und nur solche anzunehmen gewillt ist. Die Konferenz t den Regierungen die Verantwortung für alle aus einer etwaigen Teigerung sich ergebenden Folgen überlassen.

Schweiz.

Der Bundesrat hielt vorgestern eine außerordentliche

tzung ab und bat den Bundespräsidenten, sich sofort nach sri6 zu begeben, um einige Fragen zu behandeln, die den bölkerbund betteffen. ;

Der Schweizerischen Depeschenagentur zufolge, ist der kundes präsident Ador gestern nach Paris abgereist.

Statistik und Volkswirtschaft.

der Einfluß des Weltkrieges auf den Familien- haushalt in Bayern. In den Heften 1 und 4 vom 50. Jahrgang der „Zeitschrift des swerischen Statistischen Landesamts“ sind Untersuchungen über die kEbenshaltung baverischer . während des Krieges heröffentlicht, U denen Monatsaufichreibungen von 31 sowie ganz- und mehrjährig Führte Wirtschastsbücher von 6 Haushaltungen das Material ge hldet haben. Von, besonderem Interesse sind die Betrachtungen der hehrjährigen, sich allerdings nur auf die Zeit von Anfang 1914 bis Ende 1916 erstreckenden Wirtschaftsrechnungen unter dem Gesichts— unkt, inwieweit sie bereits jenen tiefgreifenden Einfluß erkennen bssen, den der Wellkrieg in der langen Dauer seines Verlaufs auf len k ausgeübt hat. on den sechs Familien, deren Jahregeinnahmen und ausgaben angeftellt werden, weisen während der Dauer ihrer Aufzeichnungen ö eine Sieigerung, elne dagegen eine Minderung ihrer Ein⸗ ahmen beim Veigleich mit denen des ersten Berichts jahres auf. In Familie J, die unler ihnen das höchste Einkommen bezieht, erhöht h die Gesamteinnghme von 1913 bis iols um 1062 6 oder a vH, von 456 auf 51 M, in Familie IJ, von 1814 bis ibiß um 255 . oder 18.4 vH, von 1435 auf L'öz M6, in Familie 11 nnerhalb derselben drei Jahre um 1242 oder san vH, von Ell auf 3063 M, hier hauptsächlich infolge höherer Einkünfte einer izjährigen Tochter und eines 14 jährigen Sohnes, worin bereits die urch die Kriegsverhältnisse so außerordentlich günstig gewordene erdienstmöglichkeit der Jugendlichen zum Ausdruck kommt., In aushaltung IV, deren Vorstand im Herbst 1914 zum Militär ein- erufen worden ist, verursacht der Krieg eine Minderung der Ein— ahmen um 168 ½ oder 12, is vd, von 1338 auf 1220 A; in nmilie V steigt das Einkommen um 443 ½ oder 27, vy, von og auf 2035 A, in Familie V um 290 oder 23 vy, un 1224 auf 15 1l4 A4. Den erhöhten Einnahmen stehen aber auch durchweg erhöhte lu gg aben gegenüber; auch die Familie, deren Ginkommen fich ich den Krieg dermindert hat, weist eine Zunahme ihrer Gesamtz= ufwendungen auf. So steigerten sich innerhalb der Berichtszeit e Auzgaben in Familie J von 4455 auf Hab „6, mithin um 0 M oder 1716 vy, 9 Familie )J von 1435 auf 1665 Æ, d. i. n 230 ½ oder 165 vH, in Familie 111 von 1503 auf 2576 4, ale um 1373 M oder lin vh, in Familie 17 von 11560 auf

1223 M, mithin um 73 oder 6,30 vo, in Familie V von 1651 auf 2005 , somit um 454 oder 29,330 vH, in Familie VI von 1202 auf 1466 *, de i. um 264 4 oder 21 vH. Am stärksten haben demnach absolut und perhälinismäßig die Aufwendungen in Familie 1II zugenommen, eben da, wo auch die Einnahmen sich durch das plötzlich gestiegene Einkommen der beiden Kinder uin 1242 oder 68 se v vermehrten; der Grund liegt zum größten Teil in der sehr starken Erhöhung der Ausgaben für die Ernährung als Folge einer vermittels der gestiegenen Einnahmen wesentlich verbesserten Lebenshaltung. Die geringste Steigerung der Ausgaben mit 73 M. oder 6, zo vH ergibt sich für Familie 1V; sie wäre wohl größer, wenn der Haushaltungsvorstand, der im Garnisondienst stand, für Kleidung, Wäsche und Schuhe Ausgaben hätte machen müssen. Bei den übrigen Familien weist die Ausgabevermehrung einen etwas gleich— mäßigeren Verlauf auf; sie bewegt sich zwischen 16, und 29 30 vH.

Das eben gewonnene Bild von der Zunahme der Aufwendungen in den einzelnen Familien perschiebt sich nicht unwesentlich, wenn man die Steigerung nicht für die Familie, sondern in Berück— sichtigung der jeweiligen Familienverhbrauchsstärke jür eine Kon sumeinheit (Verbrauchsstärke eines erwachsenen Mannes) be⸗ rechnet. Es erfolgt dangch während der Berichtszeit eine Erhöhung der Ausgabeß in Familie J! von 994 auf 1324 , mithin um 330 Æ oder 3420 vᷣh, in Familie III von 393 auf 719 M, d. i. um 326 ½ oder 83,13 vH, in Famtlie 17 von 619 auf 659 , also um 40 t oder z vH., in Familie V von 427 auf 520 , mithin um 93 oder 21,63 BH., in Familie VI von 366 auf 383 , alipo um 17 M oder 468 vS§y. In Familie 11 hingegen ist eine Minderung der Ausgaben gegenüber dem ersten Berichtejahre um 1 4ẽ oder 0, vH., von 684 auf 583 , für die Konsumeinheit zu verzeichnen. Stellt man zur Beantwortung der Frage, inwieweit die rechnungführenden Familien mit ihrem Einkommen auch ihr Auskommen fanden, die gesamten Einnahmen und die gesamten Aus⸗ gaben der Haushalte einander gegenüber, so ergibt sich, daß keine der Familen passiv bilanziert. Jie bei sämilichen Familien innerhalb der Berichtszeit festgestellte Gesamtausgabenerhöhunngz ist in erster Linie auf dse durch die Kriegsteuerung veranlaßte, fast durchweg nicht unbeträchtliche Steigerung der Aufwendungen für die Ernährung zurückzuführen. In Familie JL erhöhen sich die Jahresausgaben für Nahrungs« und Genußmittel von 1913 bis 1916 um 518 S oder 2 vH, für die Konsumeinheit um 178 S oder 50sc vy, in Familie 11 von 1914 bis 1916 um 141 6 oder 1946 vH, für die Konsumeinheit um 9 S oder Z, is vH, in Familie II, die die stärkste Zunahme der Aufwendungen für die Ernährung aufweist, um 1012 oder 112,5 vH, für die Konsumheit um 243 ½ oder 1063,58 vH hier nicht allein infolge der durch den Krieg veranlaßten Teuerung aller Lebensmittel, sondern auch infolge der plötzlichen Einkommens⸗ mehrung und der damit verbundenen verbesserten Lebenshaltung; in Familie 1V steigen die Ernährungsausgaben um 128 ½ oder 20 a1 vH, für die Konsumeinheit um 68 n oder gleichfalls 20, vH, in Familie V um 459 K oder 56e vH, für die Konsumeinheit um 105 4 oder 470 vH, in Familie VI um 216 s oder 28,60 vY, für die Konsumeinheinheit um 24 M oder 10 vH. Der Anteil der Ernährungsausgaben an den Gesamtausgaben erhöht sich in Familie J von 352 auf 39 vH, in Familie 11 von 49 33 auf Ho vy, in Familie 111 von 5g auf 6643 vp, in Familie 1V von 54s auf Hl, vH, in Familie Y von 5223 auf 63,30 vH und in Familie VI von 629 auf 6636 vH.

Ueber das Verhältnis der Aufwendungen für die Ernährung zu den gesamten Ausgaben eines amilienhaushalts hat seinerzeit Ernst Engel das bekannte Hesetz aufgestellt, daß, je kleiner das Einkommen, desto größer der Anteil der Ausgaben für die Ernährung ist. G. Laspeyres gab jenem Gesetz die Form: „Mit wachsendem Einkommen steigen die Ausgaben für Nahrung absolut und fallen relativ. Mit der Ein⸗ schränkung, daß das Gesetz auf das Einkommen für die Konsumeinheit und auf die Nahrungsausgaben für die Konsumeinheit, nicht aber auf Einkommen und Nahrungsmittelausgaben für die Familie zu be⸗ ziehen ist, hat es bisher meist volle Bestätigung gefunden. In den Wirtschaftsbüchern der sechs Berichtsfamilien jedoch ist ihm diese Be⸗ stätigung versagt geblieben. Obwohl in fünf Familien das auf die Konsumeinheit entfallende Einkommen sich im Laufe der Berichtsjahre zum Teil nicht unbeträchtlich erhöhte, trat doch keine Minderung der Ernährungsausgaben in ihrem anteiligen Ver⸗ hältnis zu den Gesamtausgaben ein. Die Ernährungsausgaben stiegen absolut und relativ. In einer Familie (1) verminderte sich das auf die Konsumeinheit entfallende Einkommen. Gemäß der Umkehrung des Engelschen Gesetzes sollte nun bei sinkenden Ein⸗— nahmen der absolute Betrag der Ausgaben für die Ernährung eben⸗ falls sich vermindern, ihr Anteil an den Gesamtaufwendungen aber sich erhöhen. Das letztere war der Fall, das erstere nicht; anstatt zu fallen, stiegen die Ausgaben für die Ernährung der absoluten Summ nach. Als Ursache dieser Durchkreuzung des Engelschen Gesetzes muß der Krieg und die durch ihn bewirkte Teuerung aller Nahrungsmittel angesehen werden, die die Berichtsfamilien zwang, auf Kosten der Befriedigung anderer Bedürfnisse einen * (cend größeren Anteil der Ausgaben zur Beschaffung der no. eee gen Lebensmittel zu ver⸗ wenden.

Zur Arbeiterbewegung.

Im Ruhrgebiet waren, wie „W. T. B.“ berichtet, in den gestrigen Frühschichten 12396 Bergarbeiter ausständig gegen 44 658 am Sonnahend. Es wurde auf allen Zechen gearbeitet. In der Mittagsschicht ging die Zahl der fehlenden Bergleute auf 6735 (gegen 30 814 am Sonnabend) zurück. Im Essener Revier feierte auf den für die Gasversorgung wichtigen Schächten „Mathias Stinnes“ und „Ver. Velheim“ noch etwa die Hälfte der Belegschaft. Auf 211 von etwa 240 Schächten wurde gestern voll gearbeitet.

Zur neuen Generglausstandsbewegung in Ober- schlesien teilt W. T. B. zufolge die Pressestelle des Staatz kommissariats für Oberschlesten folgendes mit: Die Gruben- und Hütten betrieb e arbeiten bis auf die Gruben um Königshütte, die vom elektrischen Strom abhängig sind. Die Belegschast der Heinitzgrube übermittelte dem Bergarbeiterverband ähnliche Forderungen wie die Belegschaft des , . 1denen sie folgende Forderungen hinzufügte: „Stillegung der an⸗ gefangenen Arbeiten über und unter Tage, Stillegung des Kesselhauses und der maschinellen Betriebe, Einstellung der Koblen⸗ 3 vom Bestande. Bildung einer Grubenwehr, Absetzung des Generalbevollmächtigten Bergrats Kahler, eines Fahrsteigers und eines Steigerg. Sturz der Regierung Ebert ⸗Scheidemann.“ Eg ist sicher festgestellt, fügt die Pressestelle des Staatskommissariats hinzu, daß der sogenannte Aktion sausschuß dieser neuerlichen ober⸗ schlesischen Bewegung der Kriegsarbeiterrat von Hinden⸗ burg ist, der nur aus Unabhängigen Sozialisten und nationalen Polen besteht und dessen Fuhrer der Unabhängige Soziglist Rechtsanwalt Lichtenstein ist. Die Belegschaft des Geyrgschachtes der Berginspettion Zaborze hielt eine Versammlung ab, die den Anschluß an den Generalausstand beschloß. Eine Abordnung über⸗ gab dem Betriebsführer folgende Forderungen: 1) Ersetzung des Grenzschutzes durch eine Arbeitermiliz. 2) Aufhebung des Belage—⸗ rungszustandeg 3) Freilassung der politischen Gefangenen. 4) Versamm- lung und Redefreiheit. 5) Sechsstündige Arbeitszeit. 6) Bezahlung der Streikschichten. 7) Erfassung der Lebengmittel durch die A. und S. -Räte. 8) , Oberschlesien. Seit gestern mittag hat sich die Lage in berschlesien wieder ver⸗ schlechtert In Gleiwitz ruht jede Arbeit. Die Gleiwitzer Kohlengruben und Hüttenwerke, ferner die son⸗ 1, industriellen Anlagen liegen still. In r m ist der größte Teil ae in Die oberschlesischen Zeitungen konnten gestern nur im kleinen Umfange erscheinen, teilweise gar nicht.

Der Ausstand bein oberschlesischen Elektrijität⸗ werk Zentrale EChorzow ist gestern abend gegen 6 Ukr beendet worden. Durch diese Zentrale werden die Städte Beuthen, Kattuwißz und Königshütte mit eleftrischer Kraft vermorgt. In der Zentrale Zaborze dauerte der Ausstand noch an, Gleiwitz und Hindenburg waren daber noch strrmlotz. Es musite deswegen gestern auf einzelnen Gruben der Betrieb wegen Strem- beschrantung eingestellt werden.

In Stettin traten, wie, W. T. B. berichtet, als Ein spruch⸗ kundgebung gegen die blutigen Vorgänge am Sonntag die Arbeiter der größeren in du striellen Werke gesten vormittag in den Aus tand. In geschlossenen Zügen marschierten sie nach dem Platz auf der Haten⸗— Terraffe, wo un 11 Uhr wohl gegen 10 000 Arbeiter, darunter auch sehr viele Frauen, versammelt waren. Drei Redner der Unabhängigen hielten an verschiedenen Siellen Ansprachen, in denen sie die Vorgänge heleuchteten und behgupteten, die Soldaten seien von Offizieren angestiftet worden, die Volks ver⸗ sammlung zu sprengen. Sse verlangten ferner Bestrafung der Sol⸗ daten, Untersuchung gegen die Offiziere des Detäch ments Pönsgen, dem die Soldaten angebsren, Beerdigung der Opfer auf Staats fossen, Absetzung des Arhbeiterrats und seine Neuwahl auf anderer Grundlage, Bildung einer Sicherheitswehr aus Stettiner Arbeitern und ihre Unterstellung unter den Arbeiterrgt, Unterlassung der Bildung von Truxppenkörpern und Mitbeaufsichtigung pon Heeresgut durch Volksbeauftragte. Diese Forderungen sollten alsbald dem Arbeiterrat vorgetragen werden, der sie an die Behörden weiterzugeben habe. Zu diesem Zwecke zogen die Kund⸗ gebenden vor das Regie rungsgebäude, wo mit dem Arbeiten rat gesprochen werden sollte. Um 4 Uhr Nachmittags sollte eine Ver trauensmännersitzung und um 6 Uhr eine zweite Vollsversammlung auf demselben Piatz abgehalten werden. Bis zur Erfüllung der Forderungen sollte der Kundgebungtzausstand andauern. Abends fand auf dem großen Sportplatz an der Hakenterrass. wieder eine Versamm lung der ausständigen Arbeiterschaft Stettins statt. Mehrere Redner erstaiteten Bericht über die inzwischen mit den Behörden geführten Verhandlungen. Danach seten die schon gemeldeten Forderungen ausnahmslos zugestanden worden. Die Unterfuchung gegen das Offizierkerps des De tachements Pöngsgen werde auf den Führer der Truppe Hauptmann Pönsgen selbst ausgedehnt. Der General von Stockhausen habe sich auf Erfordern der Unterhändler wegen einer von ihm verfaßten, angeblich irreführenden Darstellung über den Soldatenputsch der Unterfuchungshaft unterworfen. Der Kundgebungsausstand war damit beendet.

Verkehrs we sen.

Die Generaldirektion der Staatseisenbahn teilt mit: Wegen FKohlenmangels ruht am Donnerstag, den J. Mai, und am Sonntag, den 4. Moi, der Personen⸗ verkehr auf sämtlichen württember gischen Staatsbahnen. Am 2, 3. und 5. Mai verkehren die Personenzüge wie sonst.

Ven jetzt an sind Postpakete ohne Wertangobe nech Finn land bis zum Gewicht von 5 kg zur Annahme wieder zugelassen. Nähere Auskunft erteiltn die Postanstalten.

Der Briefverkehr mit Italien ist wieder eröffnet. Zu⸗ gelassen sind auf Gefahr des Absenders gewöhnliche und ein— geschriebene Briefe, Postkarten, Drucksachen, Geschäfitpapiere und Warenproben.

Theater und Musik.

Im Opernhause wird morgen, Mittwoch, „Don Juan“, mit den Damen Kemp, von Granfelt, Artst de Padilla und den Herren Bronsgeest, Knüpfer, Hutt, Stock und Hahich besetzt, unter der Leitung von Dr. Richard Strauß aufgefübrt. Anfang 7 Uhr.

Im Schauspielhause gehen morgen „Die Kreuzelschreiber“ in

bekannter Besetzung in Szene. Spielleiter ist Albert Patry. Anfang 7 Uhr. . Die am 1. Mai ausfallenden Varstellungen: „Meistersinger̃ in Qpernhause (ä197. Vorstellung) und Wilbelm Tell! im Schauspielbhause (120. Vorstellung), werden in die nächste Woche verlegt, und zwar beide auf Mittwoch, den 7. Mai. Die im Vor⸗ verkauf bereits verkauften Eintrittskarten bebalten ihre Gültig— keit. Sie können guch an der Opernhaus. bezw. Schau— spielhauskasse gegen Rückjahlung des Kassenpreises juzüglich des amtlichen Aufgeldes, und jwar spätestens bis zum Beginn der genannten Vorstellungen am 7. Mai, zurückgegeben werden. Eine spätere Zurücknahme ist auggeschlofssen. Für Dauerbezieher fallen die genannten Vorstellungen (107. in! Opernhause und 120. im Schausptethause) auß. Die Beträge für diese Vorstellungen werden bei Ausgabe der Dauerbezugskarten für den nächsten Monat in Anrechnung gebracht.

Mannigfaltiges.

Der Reichs wehrminister verordnet:

1) Der Polizeipräsident von Berlin ist am 1. Mai d. J. berechtigt, auf Antrag öffentliche Versammlungen nicht nur in geschlossenen Räumen, sondern auch unter freiem Himmel und den geschlossenen An, und Abmarsch zu oder von diesen Ver— sammlungen zu genehmigen. ;

2) Im übrigen bleiben die Bestimmungen des Belagerungs-⸗ zustandes maßgeblich. . (W. T. B.)

Die Kohlenstelle Groß Berlin bat unter dem 25. April folgendes Rundschreiben an den Kohlen bande! gerichtet:

Auf Grund der Bekanntznachung des Kohlenverbandes vom 4. April 1919 wird bekanntgegeben, daß die in der Bekanntmachung des Kohlenverbandes Groß Berlin über Festsetzung von Koks und Brikettpreisen vom 5. Februar 199 festgesetzten Preise für Koks aller Sorten mit Rücksicht auf den 60 prozentigen Ausschlag zu den bisher

geltenden Frachtsätzen mit Wirkung rom 1. April erhöht werden

dürfen um einen Zuschlag, der jedoch 40 3 je Zentner nicht äber steigen darf. ö

Vor der Räumung des besetzten Gebietes in Rumänien wurde ein Geldtransport mit etwa 500 Millionen Lei, d. h. neue Noten der Banca Generala von Rumänien nach der ö zurückgebracht; der Transport traf am 7. Nopember in Berlin ein. Infolge der autbrechenden Mevolutien war es den maß— gebenden Stellen nicht möglich, diese Leinoten in der er- wünschten Weise sicher aufzubewahren; sie mußten vielmehr, als im Juliusturm kein Platz war, jzunächst in der Zitadelle in 5 unter Bewachung gelagert werden, da eine Unter⸗ bringung in Berlin in jenen Tagen ausgeschlossen war. Während der sich entwickelnden Rebolution börte die Wewachung auf und es erfolgten mehrfache Einbrüche in die Zitadelle. Man kann von großem Glück sprechen, daß die 500 Millionen Lei in dieser unsicheren Zeit von unsauberen Elementen nicht verschleypt werden sind. Dem im Anfang Januar neu ernannten Kommandanten. Oberfeuerwerker 96 jst ei zu verdanken, daß dag Geld dem Stagt fast ganz er= , lich. Häugler fand bei Uebernahme seines Amtes gelegent- UÜich einer Revsston der Jitapellenräume die Kisten mit dem e, ö , mer vr. Die Tür zu diesem Jimmer owie eine RKiste waren e die jedoch sogleich ordnungßgem ,. en wunden. Cine c. wu che sofort eingesetzt. Bie maß- gebenden Berliner ellen fanden infolge der damaligen