1919 / 118 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 May 1919 18:00:01 GMT) scan diff

meinden nach empfehlenden Ausführungen des Abg. Dr. Abderhalden (Dem) zu, nachdem der Minister für Volks⸗ wohlfahrt Stegerwald erklärt hat:

Die preußische Regierung steht diesem Antrage ebenfalls freund⸗ lich gegenüber. Allerdings bestehen noch einige Schwierig— keiten deshalb, weil eine Anzahl von Plätzen, die sich dazu eignen, zur Kleingartenbestellung hergegeben worden sind. So⸗ bald wir abzr über die größten Ernährungsschwierigkeiten hinweg sind, werden auch die hier bestehenden Schwierigkeiten sich beheben lass Im übrigen geschieht gegenwärtig auf diesem Gebiet schon viel. Es laufen fast tagtäglich diesbezügliche Anträge von den Gemeinden ein, und soweit die Mittel jetzt schon dem Kultus— minssterium, das ja seither für diese Aufgabe

m , Ne zuständig ist, zur Ver⸗ 5j eh,, . fön s. . fügung stehen, ist diesen Anträgen schon stattgege

ben worden.

lassen.

Auf weitere Einzelheiten will ich heute nicht eingehen im Hinblick as, was ich gestern ausgeführt habe. Sobald die Abteilung für im Ministerium für Volkswohlfahrt in der Bildung begriffen ist, gebildet sein wird, und sobald über die Einzel⸗ heiten des Arbeitsprogramms Klarheit besteht, werde ich weiter darauf zurückkommen.

Alsdann setzt das Haus die erste Beratung über die Forderung der Ausgaben für das neuzuerrichtende Mi⸗ nisterium für Volkswohlfahrt fort.

Abg. Held. (D. Vp) wendet sich gegen die Bestrebungen der welfischen Partei, die auf Gründung eines selbständigen hanno— verschen Staates gerichtet sind. Die Verhältnisse in Hannover würden dadurch nur schlechter werden.

n. 8 ndsursorge, die

Minister des Innren Heine: Ich kann von den verschiedenen Punkten, die hier aus Anlaß der Beratung des Ministeriums für Volkswohlfahrt erörtert worden sind, nur einige berühren. Die preußische Regierung hätte erwartet, daß sich in dieser Zeit der tiefsten Not unseres Vaterlandes alle Deutschen zusammenfänden, ohne Unter⸗ schied der Herkunft, des Glaubens, der Partei, ohne Unterschied der Provinzen, und einmütig zusammenhielten, um das Schlimmste, die Zerstückelung unseres Vaterlandes, von uns abzuwenden. (Sehr richtig! Zuruf von den Unabh. Sozialdem.: Unter dem Belagerungszustand!) Herr Hoffmann, ich habe es Ihnen neulich schon gesagt, als ich das letzte Mal die Ehre hatte, an dieser Stelle zu sprechen: ich antworte nicht mehr auf Sie und Ihre Zwischenrufe. Cebhaftes Sehr richtig! Abgeordneter Adolph Hoffmann: Ich habe gar nichts gesagt) Es ist eine Eischeinung, vor der jeder Deutsche mit tiefster Trauer und, ich fage es ganz offen, auf die Gefahr hin, daß es mir einer der Herren, die hier vorhin Zwischenruse machten, übelnimmt, mit Beschämung gestehen muß, daß es Männer in Deutschland gibt, die eine solche Zeit des Unglücks des Vaterlandes benutzen, um ihre erbärmlichen Partei= interessen oder lokalen Wünsche zu vertreten (lebhaftes Sehr richtig und Bravo), die dem Vaterlande jetzt in den Rücken fallen oder ihm den Rücken kehren wollen (sehr richtigh, die dem Feinde zu Füßen

fallen und ihm sagen: wir sind die schlechten Leute, wir verdienen, noch viel mehr gestraft zu werden, oder die sich an den Feind wenden, bittend flahend, durch seine Gnade Sondenworteile herauszuschlagen

sehr richtigh, di

dieser Richtung dafür verantwortlich machen es wagen, Herrn Leinert zu beauftragen, er möge in Versailles, d. h. beim Feinde, für die Herstellung eines selbständ gen Hannovers wirken, wo sich immer

egenheit dazu bietet. (Hört, hört) Das heißt, Herr Leinert

ontente die Bereitwilligkeit Hannovers erklären, sich von dem ßen loszusagen. (Pfuirufe) Mit welcher Absicht dies zes nicht aus reinem Idealismus geschieht, sieht man aus dem Hinweis, der von derselben Seite erfolgte: dem selbständigen Hanncder würde England Kohlen und Erze und alles mögliche liefern und ihm seine Erzeugnisse abkaufen usp. Während also wir andern Deutschen hungern und leiden sollen nach dem Willen der Entente, hofft man, daß sich das von der Entente begünstigte Hannover in einem blühenden Zustande befinden werde.

Die Form, wie man das zu erreichen hofft, ist auch nicht ohne Andeutung geblieben, wenn in einer welfischen Versammlung ein Redner gesagt hat: bei Langensalza seien 2000 Hannoveraner ge⸗ fallen, es könnte noch einmal 2000 und mehr kosten, um die Ziele Hannovers zu erreichen. (Hört, hörth- Wer mit solchem Feuer zu splelen wagt, der mag sich sagen, daß sich die Entrüstung des gesamten noch fest und deutsch denkenden Teils unseres Volkes gegen seine Bestrebungen wenden wird. (Sehr richtigh

Meine Damen und Herren, ich sehe auch dies an als ein Zeichen des Kriegsirrsinns, der entstanden ist. (Sehr gut) Es ist eine patho⸗ logische Erscheinung, wenn Deutsche in dieser Zeit der Not sich von den Deutschen lossagen wollen. Es ist begreiflich, daß in einem Volk, dem man die Möglichkeit des Handelns, des Arbeitens nehmen will, die Menschen auf verworrene, vage, verbrecherische Hoffnungen ge— taten und sich so zu befriedigen suchen. gehörigen unseres Landes warnen; ich bitte sie: spielen Se nicht mit diesem Gedanken, denn die können doch immer nur dazu führen, daß der Feind erst recht glaubt, er hätte uns in Händen. Alle Versu.hẽ, die die Reichsregierung jetzt macht, um die Friedensbedingungen zu mildern, um uns einen Frieden der Gerechtigkeit zu verschaffen, einen Frieden, der es uns ermöglicht, geschehenes Unheil wieder gut zu machen, alle diese Bestrebungen werden durchkreuzt, wenn wir nicht der Entente Einigkeit zeigen. (Sehr richtig) Wer jetzt von Sepa—⸗ rationszielen redet, der fördert die Feinde Deutschlands, der fördert die Unterdrückung unseres Vaterlandes, die Vernichtung unseres Volke die das Ziel dieser Friedensbedingungen der Entente ist.

Und darum noch einmal: ich bitte jeden, der noch einen Funken von deutschem Gefühl hat, von diesem Beginnen, von diesen Ver⸗ hetzungen abzulassen. Unterstützen Sie die Reichsregierung in ihrem Bestreben, indem Sie hier den Feinden zeigen, daß wir ein einiges deutsches Volk sind, das sich nicht beim Feinde Gnade erbetteln, sondern das sein Recht haben will. (Bravo) Die preußische Re⸗ gierung weiß, daß es nur ein geringer Teil des hannoverschen Volkes ist, der sich auf solche Irrwege locken und drängen läßt. Insbesondere

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1

kann ich sagen, daß meine näheren Freunde, meine sozialdemokratischen

Aber ich Hann nur alle An⸗

.

Parteigenossen, diesen Bestrebungen mit Entschiedenheit entgegen⸗ J g

treten. (Sehr richtig! bei den So) Und nun gebe ich den

Anhängern der alten welfischen Bestrebungen, denen, deren Herzen noch

an der Zeit vor 50 Jahren, an dem Hannover des Königs Georg

hängen, denen gebe ich die Frage auf: was dient wohl hier der neuen

Zeit: das Empfinden des lebendigen, jungen, arbeitenden Volkes

J

.

oder die kleinlichen Beftrebungen veralteter Herren oder von Wühlern, die persönliche Vorteile haben wollen? Ich bitte dies Haus, das

1 Vertrauen zu haben, daß die Regierung alles tun will, um Versuchen, gewaltsam unser Unglück noch zu vergrößern, mit Entschiedenheit ent— gegenzutreten. (Bravo! Auf der anderen Seite kann die Regierung

Ihnen vetsichern, daß sie die volle Absicht hat, bei der Reform der inneren Veiwaltung auch den Provinzen, den einzelnen Teilen des Landes, eine weitgehende Selbstverwaltung zu gewähren, so daß alles, was wirklich an Besonderheiten konsewiert und weiter gebildet zu werden verdient, auch zu seinem Recht kommen kann. Denn schließlich ist es doch nicht Aufgabe der Selbstverwaltung und der völkischen Selbständigkeit, jede alte Verschrobenheit und Sonderheit zu bewahren, sondern diese Sonderheiten der einzelnen Volksteile und »stämme sollen ihrer besonderen Kultur dienen, sollen ein einiges Geistesleben ermöglichen, und dazu wird die Selbstverwaltung ihnen die volle Gelegenheit geben. Aber freilich, das eine wird man von jedem Deutschen verlangen dürfen, daß ihm das große Vaterland eben auch über seinem kleinen steht; denn Ihr alle, seid Hannoberaner oder

Schlesier oder was Ihr seid, doch nur, wenn Ihr Deutsche seid,

und das wollen wir bleiben. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Bie st er. (Welfe): Dieser Vorstoß ist weiter nichts als ein abgekartetes 994 Die deutsche Volkspartei hat sich in Han— nover betätigt, weil das ihre letzte Hoffnung ist und sie im übrigen Deutschland keinen Anhang haf. Wir werden weiterkämpfen, wir kämpfen solange bis von Hannover die schwarz-weißen Fahnen her— f Preußen und gegen

untergeholt . wir kämpfen weiter trotz Preußen! (Große Unruhe und Pfuirufe.)

Die Nachtragsforderung, betreffend das Ministerium für Volkswohlfahrt, wird dem Haushaltsausschuß überwiesen.

Die Regierung sucht unterm 9. April die Genehmigung der Notverordnung vom 30. September 1918 über die Ver— längerung der Amtsdauer der Handelskammermitglieder durch die Landesversammlung als die Rechtsnachfolgerin der Kam— mern des bisherigen preußischen Landtags nach.

Abg. Stöcker (1. Soz) will die Genehmigung vertagt wissen. Das Handelskammergesetz sei erzreaktionär; es kenne noch das Drei— klassenwahlrecht und eine 8 jährige Wahlperiode. Während des ganzen Krieges hätten Neuwahlen nicht stattgefunden. Seine Fraktion beantrage, die Vorlage abzulehnen und Hie Regierung zu ersuchen, binnen vier Wochen ein anderes Wahlgefetz für die Handelskammern vorzulegen.

Abg. Lüd em gann. (Soz.): Die Annahme dieses Antrages würde nur das Wahlverfahren ändern, aber die Handelskammern 'in ihrer bisherigen Gestaltung und mit ihrem bisherigen Aufgaben— kreise unverändert weiter bestehen lassen. Das entspricht nicht der heutigen Zeit. Es muß untersucht werden, wie man die Angestellten und Arbeiter an der Wirksamkeit der Hanzelskammern beteiligen kann, in welcher Weise den Arbeiterräten ein Einflußnahme zuge⸗ standen werden kann, in welchen ö ein paritätisches ö wirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei den Angelegenheiten des Berufes zu ermöglichen wäre. Erst dann könnte man über ein neues bah wen reden.

Abg. Dr. Hager Gentr) beantragt, die anze Angelegen⸗ heit zem Ausschussz für Handel und Gewerbe zu in, .,

Abg. Dr. Leidig D. Vp.) ist für Annahme der Vorlage und für Verweisung des Antrags der Unabhängigen Sozialdemokraten an den Ausschuß.

Nachdem noch die Abgg. Hammer (D. Nat.) und Dr. Friedberg (Dem) sich' für die Vorberatung der ganzen Angelegenheit in dem Handelsausschuß erklärt haben, wird demgemäß beschlossen.

Die Uebersicht über die Fortschritte der Kultipierung und Besiede lung der domänen⸗ fiskalischen Hochmoore wird dem Ausschuß für Sied⸗ lungsfragen überwiesen.

Das Verzeichnis der von der Staatsregie⸗ rung seit dem 9p. November 19138 erlassenen und verkündeten Verordnungen wird den ver— schiedenen Ausschüssen des Hauses, die für die betreffenden Fragen zuständig sind, überwiesen.

Die Ausführungsbestim mungen zur Verord— nung vom 3. November . betreffend die Erhöhung der Gissenbahnfahrkosten bei Dienstreisen der Offiziere und Mannschaften der Land- gendarmerie, werden genehmigt.

Dann folgt die Beratung mehrerer Anträ ge betreffs Erhöhung der Bezüge der Altpensionäre und Rentenempfänger.

Abg. Dallmer (D. Nat.) befürwortet den Antrag seiner Partei, die Reg erung zu ersuchen, die besonders schwere Notlage der Altpensionäre, Witwen und Rentenempfänger unverzüglich durch ge⸗ eignete Maßnahmen zu befeitigen. Er meint, daß die Notlage der Altpensionäre usw. so bekannt sei, daß darüher kein Wort mehr zu verlieren sei, und beantragt die Ueberweisung des Antrags an den Haus— haltsgusschuß.

Abg. Christange (. der Reichsregierung dahin zu wirken,

Soz.) empfiehlt seinen Antrag, bei daß 1) die Teuerungszulagen der

Bezieher von Invaljden. und Hinterbliebenenrenten erhöht, 'die Zu—

lagen zu den Unfallrenten schbn bel einer 50 8 igen Rente erhöht

werden und 3) der ungeheuren Notlage der Rentenbezieher infolge der

Teuerung dadurch etwas gesteuert wird, daß ihnen der Satz von minde⸗ stens einer Jahresrente als Entschuldung schnellstens gewährt wird. Er befürwortet den Antrag damit, daß die Rentenbezieher mit ihren bis⸗ herigen Renten nicht in der Vage seien, sich die notwendigen Lebens⸗ mittel zu kaufen. Die Reichsregierung habe die Notlage auch schon durch Teuerungszulagen anerkannt, aber die unerhörte Teuerung habe diese Verbesserung wieder vollkommen illusorisch gemacht.

Abg. Riedel Charlottenburg (Dem) begründet die Anträge seiner Partei, den Altpensionären der Pensionskasse für die Arbeiter der preußisch⸗hessischen Eisenbahngemeinschaft wegen der Leistungsunfähig⸗ keit dieser Kasse eine Teuerungsbeihilfe aus staatlichen Mitteln zu ge—⸗ währen sowie im Staatengusschuß dahin zu wirken, daß baldigst ein Entwurf zur Reform der Reichsversicherung ausgearbeitet wird, welcher insbesondere berücksichtigt: a. die anderweitige Feststellung des Jahres— arbeitz verdienstes bei Berechnung der Unfallrente, b. die Erweiterung der Alters⸗ und Invaliditätspersicherung bis zu einem dersicherungs⸗ pflichtigen Einkommen von 500 Mark, e. die Errichtung von Ver— sicherungsämtern für die Arbeiter der Staatsbetriebe, d. die Einbe— ziehung der Erwerbslosenversicherung. Der Redner führt aus, daß verschiedene Minister schon früher Teuerungebeihilfen für die A' pensionäre zugesagt hätten, daß diese Zufagen aber nur unvollkommen einge ät worden seien. Die Pensionskasse der Eisenbahnarbeiter habe im Kriege eine Unterbilanz von 50 bis 60 Millionen erfahren und könze deshalb aus eigenen Mitteln die Fürsorge für die Altpensionäre nicht verbessern. Für die Staatskasse sei es gleich, ob sie das Defizit übernehme oder direkte Beihilfen den Pensiondren gewähre. Mi einer Durchschnittspension von 60 Mark monatlich könnten die Altpensionäre ihr Dasein nicht fristen, und manche hätten sogar nur Pensionen von 28 bis 40 Mark (Hört! hört). Die Verweisung auf den Unter stützungsfonds erbittere die Leute nur, da dabei polizeiliche Rach— forschungen nach ihrem Leumund angestellt würden. Der Antrag Fhristgnge, dem seine Partei zustimme, beseitige nur eine augenblick. ice Notlage, aber die Ursache der Notlage sei auf die unzureichende Rentenberechnung der Reichwersickerunsordnung zurüchu führen. Eine Reform der Reichsversicherung müsse allerdings noch dielmehr umfassen,

. 2. . . . = 5 1 HeęJ P. al- PpILILS veFre rt . insbesondere müsse auch bei der Invaliditätsversickerung eins ge 11181 12 * 14

g eine n rente festgesetzt werden, damit jeder Versicherte bei einem . tente i n. r 2 nn , imm Alter invalidlsiert werden kann, ohne daß ein ärztlicheß Guta— ö ö sagen dürfe, oh er noch etwas derdsenen könn. Die Ausdehnen

j üsse demnächst durch die Zusammenfassung der J

es möglich werden, daß wir. unsere eigene Soziasversicherung auth

uMlen 11 * 1 unmoglich

ohne daß es uns dutch die Commission de Réparation . . terstützenden Ausführungen nd J

Nach kurzen unterstützenden Ausführungen der Mh Hars (garn. Brandenburg Soz.), Dr. Mo un hauer (D. V.) und Werner (D. Nat.) werden di Anträge dem Staatshaushaltsausschuß überwiesen.

Ein Antrag der Abgg. Dr. F riedberg (Dem) und Genossen auf Räumung der Schulen und anderer öffentlicher Gebäude von Truppen wird vom

Abg. Dominikus (Dem) zur Annahme empfohlen.

Abg., Lu kassowitz (DeNatl) weist darauf hin, daß in dn Stephanstraße in Berlin in einer Schule geschlechtskranke Solkath untergebracht seien, während in einem anderen Teil noch Unterrith K er (Dem) führte darüber Beschwerde, daß in Mandebun ebenfalls die Schulen mit geschlechte kranken Soldaten belegt seien.

Major von dem Be rgh erklärt, daß die Truppen aufgesorden worden sind, die Schulgebäude zu, räumen. Anträge der Gemeinden inn dieser Hinsicht werden nach Möglichkeit derforgt werden. (Unmht und Zurufe: Was heißt das?)

Nach weiteren Ausführungen der Abgg. Gettwaly Zentr.), Leid (l. Soz.), Müller⸗-Breslau (Soz) um Hollmann (D. V.) wird der Antrag angenommen.

Es folgt die erste Beratung des Geseßentwurfz über die Aufhebung der Orts schulinspel,— tionen. Danach erlischt mit dem Inkrafttreten diesetz G. setzes die Amtsbefugnis der bisherigen Lokalschulinspektoren. Die Schulaufsichtsbehörden sind befugt, die bisher den Lokul, schulinspektoren obliegenden Geschäfte anderweit auf Behörden oder einzelne Fachleute zu übertragen.

Minister für Wissenschaft, Kunst und Volkebildung Haenisch: Meine Damen und Herren! Mit Rüchsicht auf die außerordentlit weit vorgeschrittene Zeit, mit Rücksicht auf die allgemeine Geschäftz lage des Hauses, insbesondere aber mit Rücksicht auf die ernste al. gemein⸗politische Situation, die uns zwingt, alle unsere nationalen Kräfte zusammenzufassen und alles zurückzustellen, was die inner, politischen Gegensätze verschärfen könnte, will ich mich auf ganz wen ge Worte der Einführung beschränken. Ich darf das um so mehr, a wir uns an dieser Stelle erst vor wenigen Wochen, am 11. und 12. April, ausgiebig mit der gleichen Materie beschäftigt haben, un als ich damals den Standpunkt der Regierung näher dargelegt habe Ich habe bei dieser Gelegenheit die Gründe auseinandergesetzt, ö formellen und mehr noch die zwingenden allgemein⸗politischen Gründe, die die Regierung im Januar veranlaßt haben, den Novemberetlaß über die Beseitigung der Ortsschulaufsicht vorläufig außer Kraft zu setzen und die ganze Materie der jetzt erfolgenden allgemeinen gesth lichen Regelung vorzubehalten. Ich habe damals auch die gegen wärtig Lage geschildert. Ich habe auf Grund der amtlichen Berichte der Regierungspräsidenten ausgeführt, daß in ungefähr zwei Dritteln des preußischen Staates der Novembererlaß über die Beseit um der Ortsschulaufsicht tatsächlich durchgeführt worden ist. Der jehige Gesetzentwurf will nun eine endgültige allgemeine Regelung schaffen, durch ihn soll die Ortsschulaufsicht ein für allemal zu Gwbe getragen werden.

Die Ortsschulaufsicht gehört, wie so viele andere Organe unsertt Staates, zu den Einrichtungen, die zweifellos zu ihrer Zeit ihr Gutes gehabt haben, die zweifellos sehr viel Brauchbares und Wertholtt gewirkt haben, deren Zeit inzwischen aber abgelaufen ist, und die im Laufe der Entwicklung aus einem fördernden zu einem hindernden Element, die überflüssig, um nicht zu sagen: zu einem Hemmschuh geworden sind. In früheren Tagen, als die Verkehrsoenhältnisse noh sehr schwierig waren, als es für den Kreisaufsichtsbeamten wegen der mangelnden Eisenbahnverbindungen vielfach schwer war, in die ent fernt liegenden Orte seines Bezirks zu kommen, da hatte zweifello: die Ortsschulaufsicht ihre Berechtigung; man konnte sie nicht en behren. Es kommt hinzu, daß vor Jahrzehnten auch die allgemine fachliche und methodische Ausbildung der Lehrer noch viel zu wünschen übrig ließ, so daß es angebracht sein mochte, daß sie ständig wut einen Ortsschulinspektor beaufsichtigt wurden. Diese beiden Gründe sind heute hinfällig geworden. Heute heben erstens die Verkehrsverhältnisse eine Gestaltung angenommen, die es einem Kreisschulinspektor ermöglicht, auch in entfernte Orte eine Bezirks zu kommen, und zwejtens ist die sachliche und me hci Ausbildung der Lehrer im allgemeinen so gut geworden, daß sie eine

um so mehr, wenn der Ortsschulinspektor kein Fachmann is. Weite Lehrerkreise, und zwar aller politäschen Rich.

Jahren mit Recht als eine Art Herabsetzung ihres Berufes empfunden wenn sie ständig durch Nichtfachleute in ihrem Beruf beaussichtit wurden. Dieser Herabwürdigung soll nun der vorliegende Entwun ein Ende machen. , Bisher ist die Ortsschulaussicht im wesentlichen durch Geist, liche ausgeübt worden. Das soll nun aufhören. Ich möchte aber die Periode der geistlichen Ortsschulaufsicht, um diesen nicht gin zutreffenden, aber allgemein gebräuchlichen Ausdruck zu gebrauchen

28 ; S nicht vorübergehen lassen, ohne ausdrücklich auch won dieser Stils

auch die Geistlichen so viel man auch vom fachlich-piädagogist

großen und ganzen ihr Amt mit gutem Willen, Treue und mit ö gebung ausgeübt haben, und ich möchte nicht versäumen, auch . dieser Stelle aus namens der Unterrichtsverwaltung den iet ihrem Amte scheidenden bisherigen Ortsschulaufsichtsbeamten un et Dank für ihre Tätigkeit auszusprechen.

Meine Herren, es wird nun notwendig bleiben, zwar gewi err überall, wohl aber in einer Reihe von Einzelfällen (Ubgeor . Abolph Hoffmann: Das Manuskript hat wohl der Zentrumẽmann⸗ h gearbeitet? Heiterkeit) Meine Herren, ich möchte mich 36 r Gründen, die ich Ihnen vorhin angedeutet habe, für die , . Hoffmann kein Verständnis zu haben scheint, heute in keine ih innerpolitische Diskussionen einlassen, , und ich möchte dem Hause heute selbst das Vergnügen einer P thon

5 nitzt

,. h . itn Hoffmann Haenisch vorenthalten. Ich meine die allgemeine &

sein, daß die Geistlichen nicht mehr in der Lage sein werden, diese

ständige fachliche Beaufsichtigung am Orte selbst entbehren können,

tungen und aller Bekenntnisse, haben es schon sef

n , n. ; 5 g ud J aus hervorzuheben, daß die bisherigen Ortsschulaufsichtsbeamten I 1

. , , n. mn Standpunkt aus an ihrer Tätigkeit auszusetzen haben mag

umseres Vaterlandes ist zu ern st (sehr richtig! uns derartiger Späße heute leisten könnten.

Meine Herren, ich wollte also sagen: wenn auch die Ortẽschul⸗

inpekt on durch den vorliegenden Gesetzentwurf im allgemeinen be⸗ sätigt werden soll, so wird es doch immerhin noch eine Reihe don Finktionen geben, die am Orte selbst ausgeübt weden müssen. Ich erinnere da z. B. an die Erteilung eines ganz kurzen Urlaubs von In bis grei Tagen an die Lehrpersonen und an ähnliches, Dinge also, mit denen nicht in jedem Cinzelfalle der Krersschulinspektor be⸗ helligt werden kann. Aber auch diese Funktionen sollen künftig selbst⸗ verständlich nicht mehr durch Laien, sondern aus schließlich durch Fachleute ausgeübt werden. Ich denke daran, hierfür entweder bie lokalen Schulbehörden oder einzelne geeignete Personen, ältere Lehrer, Rektoren usw., in Anspruch zu nehmen.

Meine Herven, mit der Aufhebung der Orntsschulinspek ton, wie wir sie jetzt dem Hause vorschlagen, tritt gewissermaßen automatisch eine star ke Vermehrung der Geschäfte der Kreisschul⸗ inspektoren ein. Die Kreisschulinspektoren werden es, nachdem die Ortsschulinspektoren fortgefallen sein werden, natürlich nötig haben, in weit größerem Umfange als bisher die einzelnen Schulen und die einzelnen Schulorte ihres Bezirkes aufzusuchen, um die erforderliche Fühlung mit der Lehrerschaft, die wünschenswerte Fühlung auch mit den Eltern, mit der ganzen Bevölkerung ihres Bezirkes aufrecht zu erhalten. Auch der schriftliche Verkehr der Kreisschulinspektoren wird sich gegen den heutigen Stand selbstverständlich nicht unwesentlich erhöhen. Unter diesen Umständen werden die bisherigen Dienst⸗ aufwandsentschädigungen für die öreisschulinspektoren nicht mehr aus— reichen, um zu den früheren auch noch die neuen Kosten zu begleichen. Es werden deshalb die für die Kosten der Ortsschulinspektion unter Kapitel 121, Titel 129 a und b des Staatshaushaltsplanes im ganzen ausgeworfenen 50 000 Mark im wesentlichen zur Verstärkung der Dienstaufwandtentschädigung der Kreieschulinspektoren Verwe ndung finden müssen. Ein Teil dieses Betrages word allerdings auch für die Personen zurückgestellt werden müssen, von denen ich eben sprach: die einen Teil derjenigen Funktionen auszuüben haben werden, die bisher den Ortsschulinspektoren zustanden, also den älteren Lehrern, Rektoren usw.

Mein Herren, eine weitere Folge der Aufhebung der Ortsschul— inspektionen wird die sein, daß auch die nebenamtliche Wahr— nehmung der Kreisschulinspektionen durch Nichtfachleute, wie wir sie heute noch vielfach haben, künftig nicht mehr bestehen bleiben kann. Auch die nebenamtliche Kreisschulinspektion, die bis heute im wesentlichen in den Händen von Geistlichen gelegen hat, wird künftig don der Regierung durchweg in die Hände von Fach— leuten gelegt werden. Meine Herren, die Steigerung der Aufgaben auch der nebenamtlichen Kreisschulinspektoren wird so groß

rechts), als daß wir

ganze Arbeit im Nebenamte auszuführen. Die Regierung wird natur— gemäß in erster Linie bestrebt sein, überall hauptamtliche Kreisschul⸗ inspektoren einzusetzen. Wo das aber infolge der traurigen Finanzlage des Staates trotz der Bemühungen der Unterrichtsverwaltung nicht möglich sein sollte, werden auch diese Funktionen der nebenamtlichen Kreisschulinspektion in Zukunft durchweg von Fachleuten ausgeübt werden. Einer besonderen gesetzlichen Grmächtigung dazu bedarf es nicht, denn nach den Bestimmungen des Schulunterhaltungs— gesetzes vom 11. März 1872 läßt sich eine derartige neue Regelung im Verwaltungswege durchführen.

Meine Herren, ich will mich zunächst auf diese ganz kurzen Be— merkungen beschränken. Alles weitere will ich den Verhandlungen im Ausschuß, die ja, wenn ich roht unterrichtet bin, bereits in den aller— nächsten Tagen beginnen sollen, vorbehalten. Da werden wir uns aus- führlich aussprechen können.

An der schnellen Verabschiedung des Ihnen von der Re— gierung vorgelegten Gesetzentwurfs ist wohl nicht zu zweifeln, nachdem in der von mit bereits erwähnten Aprildebatte zu meiner großen Freude auch die Herren von der rechten Seite des Hauses durch den Mund des Herrn Abgeordneten Herrmann sich nicht nur rückhaltlos auf den Boden der Beseitigung der Ortsschul— inspektionen gestellt haben, sondern selbst einen derartigen Antrag hier eingebracht haben, und nachdem auch das Zentrum durch den Mund des Abgeordneten Kamp Erklärungen abgegeben hat, die zum mindesten will ich mal sagen es nicht ausgeschlossen erscheinen lassen, daß wir uns auch mit dieser Partei in der Frage, die uns heute beschäftigt, irgend wie einigen können.

Meine Damen und Herren, wenn wir diesen Gesetzentwurf so schnell wie möglich annehmen, dann erfüllen wir, wie ich vorhin schon andeutete, einen alten und berechtigten Wunsch der

weitesten Kreise der Lehrerschaft ohne Rücksicht auf ihre politische Gesinnung oder ihre konfessionelle Stellung. Wit erfüllen dann auch zugleich einen alten und be⸗ techtigten Wunsch weiter Kreise des preußischen und des deutschen Volkes, und. wir führen zugleich die Förderung unseres Schul⸗ lebens, in der ich eine der wichtigsten Aufgaben für den ganzen Wieder⸗ auftau unseres nationalen Lebens erbficke, ein gut Stück vorwärts.

Abg. Baumeister (Soz) wird während seiner Rede, die er abliest wiederholt von rechts Und aus dem Jentrum mit Lachen und Jurufen Nicht i. Weiter lesen!“ unterbrochen. Er fihrt aus: Die Volksschullehrerschaft hat aufgeatmet, als der Erlaß det Kultus ministers erging, und hat seine einstweilige Zurückziehung aufs äußerste bedauert“ Mit der ufhebung zer Orksschulaufsicht Rirdssie von einer unerträglich gewordenen Feffel befreit, die nur

reiz, hicht. für die höhere Lehrerschaft beftanz. Der Geistliche seine Autorität, wenn ihm nicht auch die Schule unter⸗ worfen war, wenn nicht auch die Volksschullehrerschaft zu ihm in nem Hörigkeitsverhältnis stand. Auch politisch fuchte der Gelftliche den Lehrer. zu unterjochen. Von dieser Vormundschaft muß man die Schule endisch erlösen. Das Jenkrum muß zugeben, daß Uch Tie katholische Lehrerschaft größtenteils damit unzufrieden ist. fan Interesse ber freien Entwicklung bes Lehrerstandes in den Volks . im . des Wegfalls aller Liebesdienerei fordern wir

die restlofe lufhebung der nebenamtlichen Ortsschulinspektion in der Form; wir wohnen auch, daß das 6. gon zum 1. Juli, t isst zum J. Dktober in Kraft tritt., Die Schüle muß eine zranstältung des Staates fein; dieser Grundfatz müß endlich zur

urgführung gelangen. bg. * nf . Zentr.): Dem Danke des Ministers an die etlichen D hel n r n schließt sich das Zentrum an. Gegen Hotzerung, daß die Schule autschließlich in die Obhut des Staates 9 erheben wir Einsprüch. Neben dem Staat haben irche gan n Intzressen an der Schule. Lärm Vie oz) Zur Lone habe ich folgende Erklärung abzugeben; d e Henttumsftat tion hat schon seit langem ihr Giwverständnis mit 9. Vese ligung der geistlichen Ortsschulaufsicht und mit der Cin⸗

.

geprüft. Er nimmt mit Interesse Notiz von

jührung er Fachaufsicht erklärt, aber immer unter der Bedingung, Faß. dann der Einfluß der Kirche auf die gesamte religiös sitiliche Erziehung der Jugend anderweit iche ten werden müßte. Das ist auch heute noch die unerläßliche Voraussetzung für unsere Zu⸗ stimmung zu eme porliegenden Gesetzentwurf. Es unterliegt Für uns keinem Zweifel, die Frage einer folchen anderweitigen Sicherstellung des Einflüssez der Kirche auf die Jugenderziehung nn innigsten Zusammenhange mit der ganzen Frage der Schulreform steht. Wir haben Veranlaffung, schon ke dieser Gelegenheit folgendes festzustellen: Die Zentrumspartei steht rückhaltslos auf dem Boden r kon essionellen Schule; deshalb hat sie vor dem Eintritt in die e in. dier sowit der sozigldemokratischen und demokratischen Irrer, gegenuber die folgende Erklärung abgegeben; „Wir halten grundsätzlich an, der konfessionellen Volksschule * fest. Trotzdem sind wir angesichts der Not der Zeit uns des Vaterlandes bereit, uns unter Aufrechterhaltung unserer Parteigrundsätze an der Regierung zu, beteiligen. Bis zur endgültigen Regelung durch ein Schulgesetz müssen wir uns damit abfinden, daß, wenn die Schulgemeinden in ihrer Mehrheit es verlangen, die Gemeinschaftsfchule? (Simultan⸗ schule) eingeführt wird, unter der Bedingung, daß der wahlfreie konfessionelle Religionsunterricht in ihr erhalten bleibt.“ Die Be— zeichnung des Religionsunterrichts als mwahlfrei. bedeutet nur, daß Schüler nicht gegen den ausdrücklich erklärten Willen der Erziehungs⸗ berechtigten durch staatliche Zwangsmittel zum Befuche des Religions- unterrichts angehalten werden dürfen. Die Jentrumsfraktion? wird alle Gesetzesvorlagen bekämpfen, die den Elsern oder deren Stell⸗ vertretern das Recht und die Möglichkeit beschränken, ihre Kinder in Schulen zu schicken, in denen sie nach ihren religiösen Ueber— zzugungen erzogen und unterrichtet werden. Die Vertreter der Zentrumsfraktion haben dies bei den Verhandlungen über die Regie⸗ unge hildung den Vertretern der Regierung sowie der sozlaldemo— kratischen Mehrheitspartei und der demokratischen Partei unzwei— deutig erklärt. Was Hen porliegenden Gesetzentwurf angeht, so werden wir im Ausschuß versuchen, dem Gesetz eine für uns annehm⸗ bare Fassung 9 geben, und behalten uns unsere endgültige Stellung—⸗ nahme dor. Ich beantrage die Verweisung der Vorlage an die auf 27 Mitglieder zu berstärkende Unterrichtskommission. Hierauf wird die Beratung nach 5 Uhr auf Dientztag, 12 Uhr, vertagt. (Außerdem Beantwortung von förmlichen Anfragen.) .

Desterreich.

Die deutsch⸗österreichische Friedensdeleaation richtete heute an das Sekretariat des Friedenskongresses in Paris eine Verbalnote, worin auf die in Kärnten neu enthrannten Kämpfe hingewiesen wird. In der Note heißt es dem „Wolffschen Telearaphenbüro“ zufolge:

Die deutsch öͤfterreichische Friedensdelegation hält es für ihre Pflicht, die Anfmerksamkeit der Großmächte auf die Tatsache zu lenken, daß im Jentrum Furopas sich blutige Kämpfe vollziehen, die, Leben und Gxistenz eines friedlichen Volkes gefahrden. Diesen Gewaltakten könnte durch eine einfache Erklärung der Großmächte an Deutich,Oesterreich sowie an! die südslavis e Regierung und jene Personen, die deren Macht in Laibach ausüben, ein Ende gemacht werden. Um die Erwägungen zur Geltung zu hringen, ldie für ihre Vorschläge maßgebend seien, ersucht die deutsch õͤsterreichische Fxiedensdelegation das Sekretariat des Friedent⸗ kongresses, die Zustimmung des Kongresses erwirken zu wollen, damit der Staatskanzler und zwei Mitglieder der Delegation bei einer für die nächsten Tage festzusetzen den Zusammenkunft die entscheidenden Tatsachen den zu diesem Zweck entfendeten Vertretern der Großmächte darlegen können.

Großbritannien und Irland.

Der Minister für Indien Monta gu erklärte, dem ‚„Nieuwen Notterdamschen Courant zufolge, im Un terbaus die Unruhen in Afghani stan seien eine Folge der in der gesamten mohammedanischen Welt infolge) der Niederlage der Türkei herrschenden Mißstimmung und der bolschewistischen Werbetätig— keit. Die britische Regierung habe die Absicht, für den Einfall in das Gebiet der Völker, die unter ihrem Schutz stehen, strenge und gerechte Strafe zu fordern.

Die englischen Blätter vom 21. d. M. veröffentlichen eine Kundgebung des Nationalen Friedens mates (Vational Peace Council), in der der Friedensvertrag vermorfen wird, weil er dem republikanischen und revolutionären Deutsch⸗ land eine Behandlung zuteil werden läßt, wie sie einem mili⸗ lärischen Hohenzollern⸗Deutschland gegenüber nicht schlimmer hätte sein können, und dies tratz der vielen Erklärungen wäh— rend des Krieges, daß die Alliierten nicht gegen das deutsche Volk kämpften, sondern gegen eine militaristische und imperia⸗ listische preußische Tyrannei. Der Friedensvertrag müßte als Jostrument für eine dauernde Regelung von jedem Demo⸗ kraten, Pazifisten und Internationalisten zurückgewlesen werden.

Frankreich.

Die vom Präsidenten der Friedenskonferenz Clemenceau an die deutsche Friedensdelegation gerichtete Antwort auf die deutsche Note bezüglich des Völkerbundes lautet nach dem „Homme libre“ folgendermaßen:

Herr Präsident!

Der Autschuß der alliierten und assoziierten Mächte, welcher be⸗ stimmt ist, die Vorschläge der deutschen Regierung bezüglich der Ge⸗ sellschaft der Nationen zu prüfen, hat diese Vorschläge aufmerksam

. ss den in diesem Entwurfe enthaltenen Stipulationen und ist der Ansicht, daß sie nutzbringend in allgemeiner Weise, in dem Augenblick werden erörtert werden können, in welchem die Gesellschaft endgültig gebildet sein wird. Er beschränkt sich somit für den Augenblick darauf, die Aufmerksamkeit auf eine gewisse Zahl besonderer Punkte, welche in dem Entwurf an⸗

geführt sind, zu lenken.

Er beehrt sich zu bemerken, daß die Vorschläge der deutschen Regierung Gegenstände behandeln, welche vom Ausschuß der Gefell, schaft der Nationen lange erörtert wurden. Aber er ist im allgemeinen der Ansicht. daß die in dem Pakt enthaltenen Vorschläge viel praktijcher und im Hinblick auf die Erreichung der Ziele der Gesell⸗= schaft besser festgesetzt sind, als diejenigen der deusschen Regierung. Er stellt übrigens mit Befriedigung. fest, daß die deutsche Regierung der Bildung einer Gesellschaft geneigt ist, welche gegründet ist zur Erhaltung des auf die Durchführung allgemeiner Grundsätze der Demokratie begründeten Friedens. Er teilt die en Gesichtspunkt, ist aber nicht der Ansicht, daß alle im deutschen Entwurf enthaltenen besonderen Vorschläge praktisch Vorteile zu diesem Zweck darstellen.

Er unteibreitet nachstehende. Bemerkungen über gewisse von der deutschen Regierung vorgebrachten Vorf vläge:

1) Wag die Errichtung eines Büros für getrennte

internationale Vermittlung Gz 16 bis 18 und 62 des

deutschen Entwurfs) anlangt, so ist er nicht der Ansicht, daß irgend⸗ eine gemäß dem deutschen Entwurf bezeichnete Körperschaft von Ver- mittlern tatsächlich die notwendige Autorität besitzen könnte, um inter- nationgle Konflikte zu regeln oder den Weltfrieden zu erhalten. Diese Funktionen werden dem Rate, wie er in dem Pakt konstituiert ist, jukommen. Er ist gleichzeitig dem Gedanken geneigt, daß ein System von unparteilichen Aussöhnungsausschüssen in vielen Fällen das am meisten angebrachte und wirksamste Mittel im Hinblick auf eine Präliminaruntersuchung und, wenn dies möglich waͤre, auf die Regelung der dem Schiedzverfahren nicht unterworfenen Konflikte bilden kann, er hebt hervor, daß es im Patte nichts gibt, was sich

einer Verwendung derartiger Ausschässe widersetzt, und er hofft sogar, daß u. jedesmal gebildet werden, wenn sie einem nütz lichen Ziel ent⸗ sprechen werden.

2) Die Vorschläge

der deutschen Regierung bezüglich der Zu⸗—

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sammensetzung, der Rechtsprechung „lünd der. Reziprozität des stän digen internationalen Gerichtshofes (§5 14, 19 ind 2 rgfältig geprüft und werden einer eingehenden

in dem Augen⸗ * h

Errichtung eines

* 21 ** Paktes vor⸗

so Prüfung des Rates der Gesellschaft der Nationen l. vorgelegt werden, wo er den Entwurf zur ständigen Gerichtshofes entsprechend Artikel 14 des bereiten wird.

3) Der Ausschuß der Gesellschaft der Nationen hat den Grund— satz des obligatorischen Schtedsoerfahrens (35 30 bis 33) bereits ge⸗ prüft und beschlossen, daß seine allgemein? Einführung in der vor, geschlagenen Form augenblicklich nicht zu verwirklichen ist. Immer hin bemerkt er, daß er den obligatorischen Rückgriff auf Minel zur friedlichen Regelung aller internationalen Konflitte vorgesehen hat. und ex glaubt, daß die Bildung eines ständigen Gerichtshofes viel dazu beitragen wird, die Entwicklung des Grundsatzes eines Schieds⸗ verfahrens zu stärken. .

4) Er ist der Mehrzahl der in den Ss5 44 bis H3z des Entwur— der deutschen Regierung gemachten Vorschläge bezüglich der Transit= und Verkehrsfreiheit und der wirt schaft licht n“ umd tom⸗ merziellen Beziehungen zwischen den verschiedenen Völkern günstig. Im übrigen hebt er heivor, daß allgemeine Abmachungen über diese Frage in der Art der von der deut chen Re— gierung vorgeschlagenen von den alltierten und affoztierten Mächten bereits geprüft sind, und daß sie zur angebrachten Zeit der Gesellschaft der Nationen werden unterbreiter weiden.

5) Was den Vorschlag anlangt, den zuwiderhandelnden Staat alle Kosten und Schäden welche den Mitgliedern der Ge⸗ sellschait durch Verstoß gegen den Pakt verursacht wurden, bejahlen zu lassen (3 65), erkennen die allilerten und assoziierten Staaten im allgemeinen an, daß der von der deutschen Regierung aufgestellte

Grund at, welcher wohl allgemein durchzuführen ist, wohl begründet ist. Indessen hat der Ausschuß derartig Vertrauen, daß diese Maß⸗

nahme von der Gesellschaft für den unglücklichen Fall eines Ver— stoßes gegen den Pakt tatsächlich angenommen werden wird, so daß er es nicht für notwendig hält, die Dipositionen des Pakles in diesem Sinne zu ändern.

6) Der Ausschuß nimmt mit

ö Befriedigung von der Tatsache Kenntnis, daß die deutsche .

8 Regierung der Entwaffnung günstig ist. (65 40 bis 42.) Er hebt diesbezüglich hervor, daß der Pakt die Vorberertung und den Vorschlag von Projekten, betreffend eine inter- nationale Entwaffnung, an die Mitglseder der Gesellschaft vorsieht. Er ist jedoch der Ansicht, daß der auf die gegen den Pakt veiste ßenden Staaten ausgeübte seibfttätige wirtschaftliche Druck, welcher im Ar= tikel 16 des besagten Paktes vorgesehen ist, und welchem gegebenen fall eine internationale militärische oder matitime Aktion folgen würde, schneller und wirksamer sem muß, als die dem Entwurfe der deutschen Regierung enthaltenen Vorschläͤge.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, die Versicherung meiner aut— gezeichneten Hochachtung. Clemenceau.

Der Vierer rat erörterte dem „Temps“ zufolge gestern vormittag die militärischen Bedingungen, welche in den Friedensvertrag mit Oesterreich aufgenommen werden sollen und die Frage der 6 sterreichischen Kriegsgefangenen. In den Fragen der kei und der Adria sind die Unter⸗ handlungen nicht vorangekommen.

In der Deputierten kammer tierten Lafont und Paul Meun ier die Regierung darüber, ob und wann sie die Amnestie zu erlassen gedenke.

Namens der Regierung erklärte der Justizminister Nail, Zeitungs⸗ nachrichten zufolge, die Regierung verlange sofortige Vertagung der

interpellierten die Depu⸗

Interpellation. Der Augenblick der Amnestie fei noch nicht ge⸗ tommen. Wenn Deutschland nicht unterzeichne, müßten die französi⸗

schen Truppen sofort wieder ins Feld geben. Man dürfe die Disziplin der französischen Armee von einer Million Mann, die unter Umständen gegen Deutschland vormarschieren müsse, durch keinerlei verfrühte Maßnahmen schwäͤchen. Die Ausführungen Nails wurden

pon den Sozialisten durch scharfe Zwischenrufe unterbrochen. Lafont begründete sodann die Notwendigkeit der Amnestie. Mehrere

Deputierte unterstützten die Fordernng Lafonts, unter anderen Maren ‚. der wenigstens eine beschränkte Amnestie forderte, und erklärte, seitdem er die Bedingungen des Friedens vertrags kenne, besitze die Regierung sein Vertrauen nicht mehr. Sogar Augagneur, der stets zur Regierung gehalten hat, beschwor die Regierung, wenigsten zu erklären, wann fie die Amnestie zu erlassen gedenke. Ber Beifall, welcher den Interpellanten zuerst von der Linken gespendet wurde, begann auch vom Zentrum zu er⸗ schallen. Wie . Deuyre' berichtet, erklärte Rai! endlich nachdem er ich telegraphisch mit Clemenceau in Verbindung gesetzt hatte, die . werde nach der Friedensunterzeichnung die Amnestie erlassen.

. Haushaltsausschuß der Kammer derweigerte der Ministerpräsident Cle menczau nach einer Mitteilung des „Matin“ die Bekanntgabe des Friedensvertrag sent—⸗ wurftz, um die der Ausschuß nachgesucht hatte da er Grund⸗ lagen für die Ausgestaltung des Staatshaus halls besitzen müsse. Der Haushaltunge ausschuß verwarf den Antrag des Finanz⸗ ministers Klotz, die prob so rischen Haushaltszwölftel für die letzten sechs Monate des Jahres 1919 irtzt und gleichzeitig zu bewilligen, während eit Kriegsaushruch stets nur die Haus halttz⸗ zwölftel für drei Monate bewilllat worden waren, mit der Be⸗ grünhung, es werde ja auf diese Weise unmöglich, innerhalb der nächsten Monate die Kontrolle über den Haushalt aue⸗ juüben. Es sei heute noch ungbsehbar, wie hoch öer Haus⸗ haltsbedarf für die letzten drei Monate dieses Jahres sein werde. Die von Klotz geforderten Kredite beliefen sich auf 12 948 000 000 Fr. Nusland.

Laut Meldung des „Wolffschen Telegraphenbsros“ aut Murman haben nach dem englischen Heeresbericht die britischen und serbischen Streitkräfte am 730. Mai die Ruassen aus ihrer Hauptstellung nördlich Med wjejagora vertrieben und ihnen schwere Verluste zugefügt. Auch italienische Truppen waren am Kampfe beteiligt. Die Versolgung des Feindes wird fortgesetzt.

Italien. Nach dem „Secolo“ wendet sich die republikanische Partei in einer Entschließung gegen die in Paris .

wandte Geheim diplomatle und bedauert die harten, Deutsch land auferlegten Bedingungen. Deutschland könne die berechtigten Entschãdigungsansprůche nur erfüllen, wenn seine Einrichtungen unangetastet blieben. Eine Lahm⸗ legung Deutschlands bedeute die Vernichtung der Reichtümer

ganz Europas. Niederlande.

Das Blatt „Het Volk“ veröffentlicht den Wortlaut eines den verschiedenen Sektionen der Internationale zugesandten Einspruchs der englischen unabhängigen Arbeiter ', gegen die Friedensbedingungen. Der Einspruch autet:

Die Parteileitung der unabhängigen Arbeiter Bedingungen des Friedensvertragez, der mit Unre führt, und den die Alliierten der deutschen Republit

artei weist die t diesen Namen vorgelegt haben,

au das energischste zurück. Diefe Bedingungen tun den Grundlagen