1919 / 126 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Jun 1919 18:00:01 GMT) scan diff

nahezubringen, die für die Rechtsberatung von besonderer dee , n. j

Bisher sind in der Sammlung sieben Hefte erschienen. Ein Merk— blatt des Verbandes über „Elnwirkungen des Krieges auf Rechts—⸗ verhältnisse' liegt in vierter Auflage vor. Außerdem hat der Ver— band zwei weitere Merkblätter über Fragen der Kriegsfürsorge hergusgegeben: „Militärrenten und die Renten aus der sozialpolitischen Gesetzgebung“ und „Kapitalabfindungen an Stelle von Kriegsversor⸗ gung“. Der Verhand und die ibm angeschlossenen Stellen haben weiterhin eine vielseitige Tätigkeit im Dienste der Kriegsfürsorge ent faltet. Das preußische Kriegsministerium hat in einem Erlasse vom 12. Februar 1917 auf die besondere Wichtigkeit der Rechtsberatung in den Lazaretten hingewiesen. Um sie sicherzustellen, ift zwischen dem Verbande der Rechtkauskunftsstellen und dem Hauptausschusse für Kriegsbeschädigtensürsorge eine Vereinbarung getroffen worden: danach hat der Reichsgusschuß für die Kriegsbeschädigtenfürsorge die ihm angeschlossenen Hauptfürsorgeorganisationen aufgefordert, sich der bestehenden Rechtsaustunsts inrichtungen für die Beratung und den Rechtsschutz der Kriegebeschädigten in weitgehendem Maße zu hbedienzn, während die rgane der Kriegsbeschädigtensürsorge, die Aufgabe haben, die erste Verbindung zwischen den Kriegsbeschädigten und der geeigneten Rechtsauskfunftestelle herzustellen, der die weitere Bean beitung des Einzelfalls zu überlassen ist. Auf Aufforderung des Verbandes hat bereits eine Reihe von Rechtesauskunfisstellen Sprech⸗ stunden in den Lazaretten eingerichtet. .

Auch eine erfolgreiche Vergleichstätigkeit haben die Rechteauskunftsstellen entsaltet; sie erstreckte sich in erster Linie auf die Beilegung von Streitigkeiten aus Abzahlungeverträgen und auf die Mitwirkung bei der Tätigkeit der Miet- und Hypotheken— einigungsämter. Der Verband hat den Gemeinden die Bei— behaltung dieser Einrichtungen nach dem Kriege empfohlen. Die auf Ausdehnung des Güteverfahrens gerichteten Bestrebungen des Verband haben eine bedeutsame praktische Anwendung in der von der Stadiwewaltung Bielefeld im Jahre 1915 geschaffenen Sühnevermittlungsstelle für Privatklagestreitigkeiten und in dem von der gleichen Stadtverwaltung errichteten Schiedsgerichte für bürgerliche Rechtsstreitigke it en erfahren. Die Sühne— vermitilungestelle sucht mit Hilfe einer Anzahl von Sühnevermittlern, die sich ihr freiwillig zur Verfügung gestellt haben, Privattlagen auf schiedlichoem Wege beizulegen, auch dann, wenn das Gericht bereits angerufen ist. Das Schietegericht setzt sich zusammen aus einem Versitzenden, der die Befähigung zum Röchteramte haben muß, und zwei Beisitzern, die für jede Sache besonders aus einer Beisitzerliste gewählt, werden. Die Aufnahme in die Liste erfolgt auf Vorschlag der porkandenen Berufspertretungen.

Die dem Verband angegliederte Zentralstelle zur Be— kämpfung der Schwindelfirmen bat auch im Berichts. jahre eine umfassende Tätigkeit entwickelt, indem sie sich die Be— ämpfung von Warenfälschungen, Darlehneschwindel, Kurpfuscherei, betrügerischen Angeboten ven Heimarbeit und Nebenarbeit und onst gen schwindelbaften Angeboten angelegen sein ließ, die in der Kriegswirtschaft besonders üppig wucherten.

Literatur.

Von der bekannten, im Verlag von Quelle und Meyer in Leipzig erscheinenden Sammlung „Wissenschaft und Bildung“ liegt eine Reh he ron Bändchen in zweiter, durchgesehener Auflage vor. Das Nervensystem und die Schädlichleiten des läglichen Lebens behandelt (im Bd. 19) der Universitätsprofessor Dr. Haul Schu st er. Von den nervösen Veranlagungen und Belassungen ausgehend, bespricht er die schädlichen Einflüsse der Ueber— reizung, der falschen Ernährung, der durch Genußmittel dem Körper zugeführten Gifte (Alkohol, Tabak) und gewisser Arzneistoffe. Ein weiterer Abschnitt ist der Bedeutung von Verletzungen und Unfällen für das Nervensyslem gewidmet. Im zweiten Teil der knappen, volkstümlichen Darstellung werden die seelischen Einflüsse behandelt und die den verschiedenen Berufsarten innewohnenden Gefahren für das Nervenspstem sowie int— besondere die Erscheinungen der Hysterie, Neurasthenie und Hypochondrie dargelegt. Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit den Gefahren, die den Nerven aus körperlicher und geistiger Ueberanstrengung emwachsen. Den Schluß bilden Ausführungen über die Schädigungen des Großstadtlebens und einer jalschen Kindererziehung. Das 41. Bändchen enthält eine Be— schreibung von Mozarts Leben und Schaffen von Professor Dr. Freiherr von der Pfordten. Der Verfasser fußt bei seiner Darstellung auf der gewissenhaften deutschen Forschung, namentlich auf der Otto Jahns. Ihre Ergebnisse hat er übeisichtlich und unter Ausscheidung alles Nebensaͤchlichen dargestelll und so eine warmherzige Schilderung von Mozarts Lebensgang und Lebenswerk geboten, die wohl gerignet ist, den großen Messter wieder weiteren Kreisen nahezubringen, denen seine hohe, freudenspendende Kunst durch die Zeitströmungen entrückt zu werden droht. Unter dem Titel Häimmelstunde hat der Univeisitäteprofessor Dr. Adolf Marcuse im 106. Bändchen eine Reihe von Vorträgen zusammen— gefaßt, die er im Auftrage des Berliner Vereins für volkstümliche Dochschulkurse s. Z3. über Fragen der Astronomie gehalten hatte. Er will keine populäre Himmelsfunde“ im eigentlichen Sinne, sondern Anregungen bieten, um die Ergebnisse und Lehien der erhabenen Wissenschaft in möglichst weiten Kreijen verbreiten zu helfen. Der Leser findet nach einer knappen Geschichte der Astronomie einführende Kapitel über die Statistik und Dynamik des Universums. Sodann werden die Sonne und die einzelnen Planeten nach ihrer Eigenart und ihren Wechselbeziehungen behandelt. Kapitel über Kometen, Meteore und Sternschnuppen und über das noch rätselhafte Tier— kreislichkt schließen die interessanten Darlegungen. Anziehend und Uhrreich ist auch die Darstellung der Kultur des alten Aegyyptens, die der Professor Dr. F. W. von Bissing im 1271. Bändchen bietet. Der Leser gewinnt aus der knappen Dar— stellung, in der alle Ergebnisse der Forschung rerwerlet sind, ein anschauliches Bild von dem öffentlschen und privaten Leben im alten Pharaonenreich, nicht minder von seiner Literatur und Wissenschaft; von seinem Kunst- und zeligiösen Leben. Zahlreiche gute Abbildungen unterstützen den Text. Das 125. von dem Professor Dr. Adolf Fre v verjaßte Bändchen ist Schweizer Dichtern“ gewidmet. Der Ve fasser will keinen Führer durch die schweizerische Literatur bieten, auch nicht über Einzelheiten Auskunft geben. Vielmehr beabsichtigt er, im wesentlichen nur ven den Dich— lern zu handeln, die unter den Gebildeten noch lebendig sind oder ihnen jnhalt ich irgendwie noch nahegebracht werden önnen. Von diesem Man ist er nur ein mal abgewichen, als er ein Bild von dem lgerarischen Zürich im 18. Jabrhundert eniwarf. Der Schweipunkt der Darstellung liegt auf dem 19. Jahrhundert, in dessen Mitte die schweizerische Dichtung in Gottflied Killer und C. F. Meyer ihre höchste Blüte erlebte. Der Verfasser war wie kein zweiter berufen, diese Absichten Turchzuführen. Mit einer tiefen Kenntnis des Stoffes verbinden er die Fähigkeit klarer Darstellung und feinsirniger Charakterisierung, die bei der gleich treff lichen Kennzeichnung so verschiedener Dichterpersön— lichkeiten wie Jeremias Gotthelf, Keller, Meyer und Leuthold glänzend zutage tritt. Von einer Darstellung der zeitgenössischen heimatlichen Dichtung hat Frey Abstand genommen, obwohl es ihn, wie er im Vorwort gesteht, „sehr leckte, über einige von ihnen das Wort zu ergreifen“. Viele Leser werden diesen freiwilligen Verzicht bedauern, denn sicher hätte Frev auch über die schweizerischen Dichter der Gegenwart, die manche bedeutsame, eigenartige Persönlichkeit auf— weisen, Treffliches zu sagen gewußt. Jedes der vorerwähnten Bändchen der Sammlung kostet in Pappe gebunden 1,ů50 „16.

Verkehrs iesen.

Vom 1. Juli ab werden bei samtlichen Postaustalten des Reichspostgebiets Freimarken zur Erinnerung an die

Deutsche Nationalversammlung 1919 mit den Wert⸗ ngaben 10, 15 und 25 3 ausgegeben. Es wenden zunäͤchst

an jeden Käufer von jedem Werte nur kleinere Mengen, später

sobald ein genügender Porrat gedruckt ist unbeschränkte

Mengen abgegeben. Die Herstellung einer Postkarte zu 10 5 zur Erinnerung an die Nationalversammlung ist in Vorbereitung.

Aus dem unbesetzten Deutschland können an Buchbändler in der französischen Befatzungszone lausschließlich Elsaß-Lothringen und Bräckenkopfgebiet von Kehl die nachbezeichneten Bücher usw. als Drucksache versandt werden: Schul⸗ und Wörterbücher, wissenschaftliche und künstlerische Werke der Maihematik, Medizin, Technik. Industrie, Kunstkritik,

Musik (Partituren) usw. ohne Rücksicht auf die Zeit der Veröffentlichung; ferner alle vor dem 1. August 1914 veröffentlichten Werle der klassischen deutschen und aus—

ländischen Literatur, Romane, Gedichte, Theaterstücke. Später ver— öffentiichte Werke der letzteren Arten dürfen nur mit besonderer Genehmigung der interalliierten Wirtschafte kommission eingeführt werden. Die Umschläge, welche die Drucksachen enthalten, müfsen an den Bürgermeister des Ortes, wo der Buchhändler sein Geschäft hat, gerichtet werden. Die Einfuhr von periodisch erscheinenden politi— schen, wissenschaftlichen, industriellen, kaufmännischen und beruflichen Zeirschriften bleibt untersagt.

Theater und Musik.

Opernhaus.

Im Oxrernhaus gab es gestern eine Neucinstudierung der »Zauherflötze', die sich im großen und ganzen in dem gleichen glanzvollen Ausstattungtzrahmen abspielte, den man aus der Zeit vor dem Kriege kennt. Die Aufführung stand unler der Leitung des Kapell— meisters Urack, der die Schönheiten der Mozartschen Partitur zwar mit aller Sauherkeit und Genauigkeit zur Geltung kommen, aber doch in mancher Schwerfälligkeit der Zeitmaße und zu gleichmäßiger Abtönung der Klangwirtungen erkennen ließ. daß er es in der Beherischung des großen Arparats der Oper noch nicht jzur Meisterschaft gebiacht hat. An Stelle Paul Knüpfers sang gestern Herr van de Sande zum ersten Mal den Sarastro. Er stellte ihn ernst und wüidig dar, bisitzt aber stimmlich nicht alle Eigenschaften, die hier vonnöten sind. Vor allem entbehrt sein Organ der dunklen Färbung und der Klang— gewalt in der Tiese, die hier unerläßlich sind, auch liegt seine Sprechkunst noch im argen. Von edlen Maßen, sowohl gesanglich wie darstellerisch, war Herrn Hutts Tamino, dem in Frau Dux eine nahezu ideale Pamina zur Seite stand. Die Königin der Nacht wurde von Frau Schulteß⸗Hansen als Gast gesungen. Sie verfügt über eine recht ansehnliche Kehlfertigkeit bei ziemlich unbe— deutender Stimme. Frisch, humorvoll und musikalisch sicher, wie immer, war Herrn Bronsgeests Papageypo, anmutig und reizvoll Fräulein Eschers Papagena. Eine Leistung von größter Vornehmheit bot ferner Herr Schlutznus als Sprecher. Mit Anerkennung zu erwähnen waren noch Herrn Henkes drastischer und beweglicher Monostatos sowie die vor— treff lichen Terzette der diei Tomen: Frau Hafgren-Waag, Frau Denera und Frau von Scheele⸗Müller, und der diei Knaben: Frau Marherr, Fräulein Schultze und Fräulein Mancke. Alles in allem war die Aufführung gut, man hat aber hier schon weit bessere erlebt.

Kammerspiele des Deutschen Theaters.

Im Kammerspielhause wurde gestern die Sommerspielzeit mit dem fünfaktigen Schauspiel „Gisersucht“ von Artzibaschew, dem Verfasser des kurz vor dem Kriege vielgenannten Romans Ssanin“, eiöff net. Es ist nichts weniger als ein Meisterwerk, denn es baut sich nicht nach ingend einer Regel der Entwicklung oder Steigerung auf, sondern wiederholt in jedem Akt den gleichen Gegenstand ohne nennene⸗ werte Abwandlung und Abwechslung. Dieser Gegenstand ist die angeborene Eefallsucht des Weibes, an zwei abschreckenden Beispielen dargestellt und erläutert. Das eine Beispiel ist der Fall des alten, schwachen trunksüchtigen Ssemion Ssemjonowitsch, der sich durch seine junge, leichtfertige dritte Frau ohne Widerstand zum Habnrei machen la das, jweite der Fall des jüngeren Ssergei Petrowitsch, dessen Frau Jelena zwar keiner Untreue schuldig ist, aber durch ihre maßlose Eitelteit und Verlogenheit es dahin bringt, daß der Gatte sie fuͤr schuldig halten muß und sie zuletzt in einem Anfall blindwütender Eifersucht erwürgt. Es bedurfte keiner fünf gedehnten Akte mit immer wiederkehrenden Wiederholungen gleichartiger Szenen, um zu piesem Ziele zu gelangen. Auch der Dialog, der manches Geistvolle enihält, ist auf die Dauer nicht fesselnd genug, um eine solche Breite zu rechtfertigen. Sogar die schillernde Kunst Leopoldine Konstantins, die als Darstellerin verführe— rischer Fiauen hier wie in Wien berühmt geworden ist, ver⸗— mochte über diesen Fehler des Stückeü nicht hinwegzutäuschen. Die Zuschauer bliehen kalt, und der Beifall nach den Aktschlüssen war recht matt, obwohl außer Frau Konstantin auch andere tüchtige Künstler am Werke waren, vor allem Ernst Stahl-Nachbaur von der Volksbühne, der den Ssergei Petrowitsch in vornehmer an Kavßler gemahnenden Art spielte, ferner John Gottowi als der hedauernswerte Ssemoen Ssemjonowitsch und Marga—⸗ eie Christians als dessen leichtfertige Frau. Auch Hermann Thimig, Gustav Czimeg, Ernst Wendt, Paul Graetz und Bernhard Goetzke boten in den anderen größeren und kleineren Rollen gute Leistungen.

Im Oypernhagse beginnt Lucy Kieselhausen am Sonnabend ihr zunächst nur tür wenige Abende berechnetes Gastsxiel, und zwar im Rahmen der ‚„Tanzbilder“, die das einheimische Ballettpersonal in neuer Folge darbieten. Lucy Kieselhgusen wird u. a. „Die sterbende Rose“, Musik von Ed. Grieg, »Papillons“ Musik von Schumann, und in Begleitung ihres Partners Fritz Eckert vom hiesigen Ballett „Dimmy⸗Dommy“ anzen. Evy Peter tanzt einen Walzer von Clemens Schmal— stich und mit Herrn Wtorczyt. zusammen: Neckerei', Musik von L. Delibes, Melanie Lucia einen Maurischen Tanz. In einem Ballabile Nymphen“ sind die Damen Berghoff, Geisel mit den Herren Müller und Zorn beschäftigt. Die choreo— graphische Leitung hat Alex Hoffmann, die musikalische Dr. Besl. Morgen, Donnerstag, wird Margarete‘ mit den Damen bon Granfelt, von Scheele Müller, Marherr und den Herren Hutt, Bohnen, Schlusnus und Habich in den Hauptrollen gegeben. Musi—⸗ kalischer Leiter ist Or. Kail Besl. Anfang 7 Uhr.

Im Schauspielhause wird morgen „Coriolan‘ in der bekannten Besetzung unter Dr. R. Brucks Spielleitung aufgeführt.

Anfang 7 Uhr. Mannigfaltiges.

Ein Transport von Südwestafrikanern, der, ab— gesehen von einer Anzahl Privatpersonen, vorwiegend aus Regierungs— und Polizeibeamten nebst Angehörigen besteht, wird, wie ‚W. T. B.“ mitteilt, heute in Rotterdam erwartet. Der Transport

Ueber Paßangelegenheiten veibreitet W. T. B.“ folgende Mitteilungen: Paßzwang besteht für das Reichsgebiet außer Bayern und Württemberg nicht mehr. Es genügt jeder sonstige Ausweis, wie: polizeiliche An⸗ und Abmeldungen, Steuer— quittung, Standesamtsurkunde, gerichtliche Vorladung, Anstellungs⸗ urkunde, Legitimationskarte u. . Zur Vermeidung eigener Bemühungen und entbehrlicher Wege und Versaͤumnisse k wie zur Entlastung der stark üͤberbürdeten Paßstellen wird deshalb dringend geraten, für Inlandreisen, augschließlich der Reisen nach den be— setzten Gebieten in Ost und West sowie nach Bayern und Württem— berg, auf einen 1ö6rmlichen Paß zu verzichten. Päffe

werden im übrigen für Personen im Alter von über 12 Jahren unter

folgenden Voraussetzungen erteilt: Zu Inlandreisen ist die Be⸗ schaffung einer Paßvorbescheiniguna des Polizeireviers der Wohnung und zweier vom Polizeirevier beglaubigter, nicht aufgezogener von vorn und obne Kopfbedeckung aufgenommener Lichthilder aus an, sowie für Relsende, die noch nicht Frei Monate am Orte wohnen, eine Unbedenklich⸗ keitsbescheinigung der Polizeibehörde des letzten Wohnsitzes erforderlich. Dieselben Voraussetzungen gelten für Reisende nach dem Aus⸗= lande, außerdem eine Unbedenklichkeitsbescheinigung von Besit⸗ steueramt Berlin. Jüdenstr. 58-60, bei männlichen Reisenden zwischen 17 und 45 Jahren, auch den aus dem Heeresdienst ausge= schiedenen Dienstuntauglichen, Militärurlaub mit Angabe des Reise⸗ ziels und der Ürlaubsdauer von dem zuständigen Bezirkskommando oder der zuständigen Ersatzbehörde, schriftliche Unterlagen, die den Zweck der Neise als unabweislich notwendig und dringend ausreichend und einwandfrei dartun, für Reisen zu Kurzwecken kreisärztliche Zeugnisse, für Geschäftsreisen Empfehlung der Handelskammer, sofern der Reisende oder des Unter— nehmeng, bei dem er tätig ist, Mitglied der Handelskammer ißt, sonst ein anderweitiger, tunlichst amtlich beglaubigter Nachweis.

Reisende unter 21. Jahren bedürfen einer beglaubigten Erlaubnis ihres gesetzlichen Vertreters, Heeresangehörige, des

Urlaubscheins ihres Truppenteils und minderjährige Mädchen der Zuftfimmung der Zentrale zur Bekämpfung des Mädchenhandels. Zum Einkauf von Lebens⸗, Genuß⸗ und Futtermitteln sowie Sämerelen muß die Paßabteilung des Beauftragten des General. intendanten des Feldheeres, Berlin W. 8, Friedrichstrafße 78 1V, zum Einkauf von Zigarren und Rauchtabak die Tabaksverwertungs⸗ gesellschat in Bremen, Kaiserstraße 32, zum Einkauf von Zigaretten und Zigarettentabak die Zigarettenverteilungsstelle in Dresden schriftlich Zustimmug erteilen. Auch Kinder unter 12 Jahren bedürfen eines Pafses, wenn das Reiseziel in Dänemark liegt. Da nach dem Auslande außer den deutschen Sichtvermerken noch Sichtvermerke der ausländischen Vertretungen nötig sind, diese aber bäufig mehrere Wochen oder Mongte in Anspruch nehmen, empfiehlt es sich, beizeiten die Paßanträge einzureichen. Für Reisen nach der Schweiz ist ein polilisches Führungszeugnis zu beschaffen, das der schweizerischen Paßstelle eingereicht wird. Für Reisen nach den besetzten Gebieten gelten besondere Bestim mungen.

Schneidemühl, 2. Juni. (LB. T. B.) Heute nachmittag besuchten mehrere Vertreter hervorragender englischer, amerikanischer und neutraler Zeitungen die Stadt Schneidemübl, die nach den Friedensbedingüngen dem polnischen Staate zufallen soll. Wie ein Lauffener hatte sich die Nachricht von dem Eintreffen der ausländischen Pressevertreter in der Stadt ver⸗

breitet. 14 bis 15tausend deut sche Männer und Frauen strömten dem Rathaus zu, in welchem die städtischen Behörden die Pressevertreter empfangen hatten.

und nahmen auf dem Neuen Märkte Aufstellung. Nachdem der Oberbürgermeister Dr. Krguse vom Balkon des Rathauses in eindrucksbollen Worten auf den Ernst der Stunze hingewiesen batte, bekannte die vessammelte Menge ihr Deut schtum und schwur feierlichst mit, erhobener Rechten, niemals von Deutschland lassen zu wollen. Der Eindruck dieser machtvollen Kundgebung war gewaltig. Alle ausländischen Pressevertreter konnten sich ihr nicht entziehen. Niemand könnte es verstehen, daß eine Stadt wie Schneidemühl, in der nord westlichen Ecke der Provinz Posen gelegen und nur von zwel vD Polen bewohnt, dem polnischen Staate zufallen solle. Völkische Gesichtspunkte können hier sicher nicht maßgebend sein.

London, 3. Juni. (W. T. B) Dem „Algemeen Handel- lad“ zufolge wurde im englischen Unterhaus mitgeteilt, daß die Zahl der Arbeit slosen in Eng land über, eine Million beträgt. Die Zahl der arbeitslosen Kriegsteilnehmer beträgt 408 00. ar e der.

Valence sur Rhön, 3. Juni. (W. T. B.) Laut einer Havasmeldung wurden bis gestern 83 Tote geborgen, die bei dem Brand des Kinematographentheaters umgekommen sind. Man schätzt die Zahl der Opfer auf 110 bis 120.

Washington, 3. Juni. (W. T. B.) . Nach einer Reuter⸗ meldung erplodierte eine Söllenmaschine vor dem Hau se des Generalanwalts. Das Haus wurde beschädigt. Einer der Attentäter wurde dabei getötet. Die Bewohner des Hauses blieben unverletzt. Auch aus anderen Stägten werden Bombenansch läge gegen hervorragende amerikanische Persönlichkeiten gemeldet. Unglücksfälle haben sich jedoch nicht ereignet. In Washington werden die Wohnungen der Kabinettsmitglieder und hervorragender Persönlichkeiten der Regierung von der Polizei sorgfältig bewacht. Ein Flugzettel, der in der Nähe des Schauplatzes einer der Missetasen aufgefunden wurde, trug die Unterschrift „Die anarchistischen Kämpfer“.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Theater.

OHnernhaus. (Unter den Linden) Donnerstag: 142. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Dienst- und Freiplaͤtze sind aufgehoben. Margarete. Qver in fünf Akten von Charles Gounod. Text nach Goethes „Faust?', bon Jules Barbier und Michel Carré. Mußikalische Leitung: Dr. Carl Besl. Spielleitung: Karl Holy. Ballettleitung: Emil Graeb. Anfang 7 Uhr.

Schansnielhuus. (Am Gendarmenmarkt.) Donnerst.: 154. Dauer. bezugsvorstellung. Dienst und Freiplätze sind aufgehoben. Coriolan. Historisches Drama in fünf Ausßügen (ic Verwandlungen) von Willlam Shakespeare. Spielleitung: Dr. Reinhard Bruck.

Anfang 7 Uhr.

Freitag: Opernhaus. 143. Dauerbezugsvorstellung. Dienst.« und Freiplätze sind aufgehoben. Die Meistersinger von Nürn—⸗ berg. Oper in drei Akten von Nichard Wagner. Anfang 6 Uhr.

Schauspielhaus. 155. Dauerbezugsvorstellung. Dienst. und Freiplätze sind aufgehoben. Sonuenfinsternis. Tragödie in fünf 36. von Arno Holz. Spielleitung: Albert Palty. Anfang

8 hr. ;

Familiennach richten.

Gestorben: Freifrau Margarethe von Cramm, geb. von Tschirschlh und Bögendorff (Königsberg i. Mr).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenbura.

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Vorsteher der Geschäftastelle, J 8 9 He r 4 U 6 t in 3

Verlag der Geschaftestell. J. V. Rey he ) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalz. . Berlin, Wilhelmst raße i

Sechs Beilagen leinschließlich Vörlenbeilage , Und Grste, Zweite und Dritte Zen fral· Handels renister⸗ Beilage B

1286.

r

X

Erste Beilage

Amtliches.

Breußen. Bekanntmachung.

.

k ö

Berlin, den 28. Mai 1919.

ede. Seren, ö 3. ir. Spender Spenden Anerbieten Bemerkungen CG. Für Invalide und Hinterbliebene. 1ẽä Eine alte Zehlendorferin .... w , ür eibli ; 2 Perschiederẽ Cisenßahner in Grobns? 2 , ö bod . I 3 Haupimann d. Res. Dr. Georg Meyer in Nienburg a. W. .... 412320 6 . desgleichen.

Dazu laut Bekanntmachung vom 24. April 1919. .

3Zusam men stellung. 4703, 30 8 846 987,18 S.,

S0 gz. = 4

. . 98 J

SGi mẽe

Dles bringe ich mit dem Ausdrucke des Daukes zur

. Shl ho0 48 öffentlichen Kenntnis.

S0 930,

Der Kriegsminister. Reinhardt.

Aichtamtliches.

Prenfzische Landes verfammlung.

209. Sitzung vom 3. Juni 1919. (Bericht von „Wolffs Telegraphenbüro“ .) Am Regierungstisch die Minister Haenisch, Dr. Südekum und Braun.

Auf der Tagesordnung stehen zunächst kleine An⸗— fragen.

Auf eine Anfrage des Abgeordneten Dr. Schloß— mann (Dem) erklärt der

Minister für Volksbildung, Kunst und Wissenschaft Haenisch: Ich habe auf diese Anfrage folgendes zu antworten: Die Schulver— waltung ist von der Notwendigkeit überzeugt, daß geistig und körper— lich geeigneten Mädchen der für Begabte vorgesehene Aufstieg nach örtlücher und finanzieller Möglichkeit erleichtert werden muß. Sie hat schon jetzt Mädchen an solchen Orten, wo keine höheren Lehr— anstalten für die weibliche Jugend vorhanden sind, die Aufnahme in höhere Knabenschulen gestattet. Dabei ist sie von dem Grundsatz aus— Cegangen, daß für die Mädchen in erster Linäe die für das weib— liche Geschlecht bestehenden Bildungsanstalten in Frage kommen, deren Lehrpläne und Einrichtungen auf den köwperlicken und geistigen Ent— wicklungsgang der Mädchen besonder? Rücksicht nehmen.

Dementsprechend ergeben sich für den Besuch höherer Lehranstalten für die männliche Jugend durch Mädchen folgende Möglichkeiten:

1) Da, wo Lyzeen oder voll entwickelte höhere Mädchenschulen vorhanden sind, haben die Mädchen erst diese durchzumachen, ehe sie in eine ihrer Vorbildung entsprechende Knabenschule eintreten.

27) Studienanstalten und Oberlyzeen erschließen den Mädchen den Zugang zur Universität. Wo disse vorhanden sind, und so lange sie noch Platz haben, werden die Mädchen an diese verwiesen.

3) Da jedoch, wo keine höheren Lehranstalten für die weibliche Jugend zur Verfügung stehen kann der Zutritt geistig und körperlich geeigneter Mädchen in Klassen der höheren Knabenschulen gröffnet werden.

4) Auch zum Besuch der dem Ministerium für Handel und Gewerbe unterstellten Fachschulen werden Mädchen zugelassen, wenn sie den Aufnahmebedingungem entsprechen, insbesondere die vor— geschriebene praktische Tätigkeit nochguweisen vermögen.

Weiterzugehen ist aus den verschiedensten Gründen zu⸗— nächst nicht wohl angängig. Würde den Mädcken überall.ę die Wahl gelassen, so würde wenigstens zur Zeit ihr Zudrang zu den

Wut eine Beschwerde des Abgeordneten Blank Zentr.) über die Weiterführung des Mittelland kanals ohne Befragung der Landesvqrsammlung erklärt

AUnterstaatssekretär Peters, daß die Reichsregierung alle Landes— Hagierungen aufgefordert habe, Nobaandsarbeiten in Angriff zu nehmen. Da nun als übereinstimmender Wansch des Hauses die Weiterführung des Mittellandekagnals angenommen werden Fönne, habe die Staat? regierung diese Arbeiten beginnen lassen, und ver bei dem Stück zwiscken Hannover und Peine, das Gpeifellos in Frage kommen werde. Kine endgültige Vorlage werde der Landesbersammlung zugehen. Die Mãne seien in Arbeit, aber noch nicht abgeschloffen.

Auf eine Anfrage des Abgeordneten Dallmer (D. Nat)

erwidert

Ministerialdirektor Meist er, Haß die Regierung bemüht gewesen sei, eine möglichst weitgehende Einstellung von Kriegsbeschädigten bei Staatehehörzen herbeizuführen. Eiae Reihe von Verordnungen sei zu diesem Zwecke erlassen worden. Aauf eine Anfrage des Acheordneten Dr. Rosenfeld (U. Soz.) über die komm uwmalen Arbeiterräte er— widert

Ministerialdirektor Meiste r: Eine Kontrolle der neugewählten

Geneindevertretungen und Stadtoervrdnetenversammlungen durch ein anderes Organ muß als mit den Griezesätzen der Demokratie in Wider— sprüch stehend abgelehnt werden. ((Felächter der Ü. Sor) Die Ge—⸗ meindevertretungen haben selbst die Kontrolle über den Gemelndevor⸗ stand auszuührn und unter iegen ihrenseits nur der Kontrolle der Wähser⸗ schaft. (Beifall Deshalb haben die emeindevertretungen als Trägerin

8

der Selbstvermwaltung selbständig darüber zu entscheiden, ob ihnen die Tontrolle des Arbeirerrates noch erforderlich erscheint. Der Aufsichts⸗ bohörde steht eine Einwirkung auf die Gemeindevertretungen nicht zu.

Da nach einem Notgesetz Neuwahlen der unbesoldeten Mitglieder des Gzæmeindevorstandes und der Magistrate bis zum 1. August erfolgen sollen, ist die Befürchtung, es könnte an einer demoktatifchen Kontrolle der Gemeindevertretungen irgend xo fehlen, beseitigt. (Beifall.)

Abg. Lichtenst ein (ü. Soz) führt in einer kleinen Anfrage Beschwerde, weil angeblich Wolffs Telegraphenbüra ständig unrichtige Nachrichten über die Tätigkeit des Kreisarbeiterrates in Hindenburg verbreitet habe.

Ministerig direktor Meister ewidert, daß es sich nach den Mit⸗ teilungen der Direktion nicht um wiederholte Fälle, sondern um die Zurückweisung einer Berichtigung des Arbeiterrgtes handle, die sich Legen eine Mitteilung der Pressestelle des Staatskommissars für Dherschlesien richtete. Die Berichtigung wurde nicht gebracht, weil sie den preßgesetzlichen Bestimmungen nicht entsprochen habe. Der Staatsregierung steht, so erklärt der Ministerialdirektor, eine Nach— prüfung dieser Frage nicht zu. Sie ist im übrigen der Meinung, daß jeder Fälschung der öffentlichen Meinung natürlich entgegenzutreten ist, daß das Preßgesetz aber hierzu ausreichende Handhabe bietet.

Auf die Anfrage der Abgeordneten Frau John (u. Soz.) über die Wählbarkeit von Frauen in die Magistrate erwidert

ein Regierungsvertrze ter, daß die über die Neuwahl der Gemeinderertretungen ergangene Verordnung das Wahlrecht der Frauen in die Magistrate nicht berührt habe. Zur . dieses Zustandes bedürfe es eines Gesetzes, für das die Vorbereitungen bereits in n genommen seien. .

Abg. Witz ke (. Soz) wünscht die Aufhebung der für die Schiffe im Mittellandkanal angeordneten Herabsęetz ung der Bemannungsziffer, um der Arbeitslosigkeit in der Binnen chiffahrt entgegenzuwirken.

Ein Regierungsvertreter erklärt, daß die betreffenden Maßnahmen nach der Demobilmachung schrittweise aufgehoben und die früheren Bestimmungen wieder in Kraft gesetzt worden seien. Die Kanalverwaltung in Münster und die Weser⸗Strom⸗Bauvewaltung seien angewiesen, Ausnahmen von den Bemannungsborschriften nur noch in besonders dringlichen Fällen zuzulassen, bezw. die bereits er. teilte Erlaubnis überall da, wo nicht Notfälle vorliegen, wieder zu rück= zuziehen.

Eine Anfrage der Demokraten bezieht sich auf die Bi dung eines thüringen unter Einbeziehung preußisch Gebietsteile.

Unterstaatssekretär Göhre: Bei der Besprechung vom 28. Mpril haben die thüringischen Vertreter die Ginbeziehung preußischer Gebiets— teile als Vorbedingung für die Bildung dieses Staates bezeichnet. Die Regierung steht nicht auf diesem Standpunkte. Sie verhält sich, wenn die Bevölkerung es wünscht, nicht grundsätzlich ablehnend dagegen, sie würde auch den Austausch der beiderseitigen Enklaven für erwägens⸗ wert halten. Sie hält aber die Bildung eines Großthüringens auch ohne Einbeziehung preußischer Gebietsteile für möglich. Der Grund satz des Selbstbestimmungsrechtes ist hier nicht anwendbar, da er sich nur auf außenpolitische Verhältnisse bezieht -Eine Aenderung wäre nur mit Zustimmung des preußschen Staates und seiner Volkevertretung und nicht ohne vorherige Anhörung der betroffenen Landesteile möglich. Einstweilen ist nur der Austausch des beiderseitigen Materials ver⸗ einbart, Beschlüsse sind nicht gefaßt, Zusagen nicht gemacht worden. Für die weiteren Verhandlungen, wobei Preußen den thüringischen Staaten die Initiative zu überlassen gedenkt, ist aus den beleiligten Ministerien ein Ausschuß gebildet worden. l

Der Abgeordnete Garnich (D. V.) bringt in einer An—⸗ frage das unberechtigte Tragen von Militär uniformen zur Sprache und fragt die Regierung, was ge⸗ schehen solle, um diesem Mißbrauch zu steuern und dadurch die immer mehr schwindende Achtung vor der gesetzmäßigen mili⸗ tärischen Macht wieder zu heben.

Ein Regierung svpertreter grwidert, daß die Regierung die,

Notwendigkeit der Abstellung dieser Mißstände anerkannt und das Kriegsminjsterium Ermittlungen darüber eingeleitet habe, die aber noch nicht zum Abschluß gelangt seien.

Zur ersten Beratung steht dann der Gesetzent wurf, betreffend die Gemeindeeinkommenbesteuerung im Rechnungsjahre 1919.

Finanznünister Dr. Südek um: Meine Damen und Herren! Mit allen Parteien dieses hohen Hauses ist die Staatsregierung in dem Bestreben einig, jede nur denkbare Maßnahme zu ergreifen, um die Lebenslage der durch den Krieg und seine Folgeerscheinungen schwergeprüften Bevölkerung und namentlich der breiten Massen der Bevölkerung nach Möglichkeit zu erleichtern. Dieser Absicht dient auch der Gesetzentwurf, den ich dem hohen Hause namens der Staats⸗ regierung vorzulegen die Ehre habe. Ich will ihm nur wenige Worte der Begründung mit auf den Weg weben.

Anträge zur Entlastung der niederen und zur höheren Belastung der höheren Einkommen in der Gemeindebesteuerung sind im Frühjahr 1919 scwohl mehrfach von den Gemeinden wie auch vom Deutschen Städtetag gestellt worden. Alle diese Anträge waren auf eine dauernde Aenderung des Kommunalabgabengesetzes abgestellt, ebenso

1⸗ selbständigen Staates Groß⸗ e r

wie auch die in diesem Hause eingebrachten Anträge der Abgeordneten Gräf und Genossen, Adolph Hoffmann und Genossen und noch einiges andere. Einem solchen Wunsche nach einer dauernden Aenderung des Kommunalabgabengesetzes konnte die Staatsregierung aus Gründen, die ich mir bei Einbringung des Etzats schon Ihnen datzulegen er laubt habe, nicht Folge geben, namentlich deshalb, weil nicht feststand und auch noch nicht feststeht, in welchem Maße daz Reich auf die Ein= kommensteuer der Einzelstaaten deren Sätze ja in Preußen durch die Novelle, die bei der Verabschiedung des Notetats beschlossen worden ist, ganz erheblich für die höheren Einkommen erhöht worden sind zurückgreifen würde. Immer wiederholte Versuche, hie Reichs.; finanzverwaltung zur Vorlegung eines umfassenden Finanzhrogramms zu veranlassen, haben lange Zeit hindurch keinen Erfölg gehabt, sie konnten auch vielleicht nach Lage der Dinge keinen Exfelg haben. Auch jetzt noch sckweben die Verhandlungen darüber, wenngleich sie durch die Initiative der preußischen Finanzwertraltung und dank Cem verständnispvollen Eingehen des Reichsfinanzministers Dr. Dernburg auf unfere Anregungen neuerdings in erheblich raschexen Fluß ge kommen sind. K.

Im Laufe der Beratung der erwähnten Anträge Gräf. Adolp Hoffmann, Lüdicke ufw. durch den Gemeindecsschuß bieses hohen Deuses überzeugten fich die Vertreter der Parteien davon, daß eins allgemeine Aenderung des Kommunalchbgabengesetzes zurzeit micht in Frage kommen könne und schränkten ihre Wünsche nunmehr auf das Jahr 1919 ein, indem sie auch zugleich den materiellen Umfang diesen Wünsche nicht unerheblich herabminderten. ,

Nun sprechen gegen eine Regelung auch nur für das Jahr 1919 zweifellos ernste Bedenken. Steuergesetze soll man überhaupt nicht, wenn es irgendwie angeht, auf ein Jahr machen, weil dadurch jeder Steuer die wohltätige Wirkung des Ausgleichs über eine lange Zeit⸗ spanne naturgemäß genommen wird. Es ist ferner infolge der fort geschrittenen Zeit technmisch nicht leicht möglich, in den Gemeinden die Besteuerung, die bereits feste Formen angenommen hat, nochmals umzuändern. Und endlich das streife ich nur mit einem Wort kommen für uns auch die Friedensbedingungen in Betracht, deren eine Klausel ja dahin geht, daß in Deutschland niemand leichter besteuert werden darf als in einer Reihe von feindlichen Ländern, wobei zu er⸗ wägen ist, daß namentlich auf dem Gebiete der Kommunalbesteuerung in England im Einkommen weit tiefer stehende Volksschickten durch die Mietsteuer und eine Reihe von Realsteuern mehr belastet werden, als es in Preußen selbst bei der Aufrechterhaltung eines Existenz- minimums von nur 9800 M tatsächlich der Fall ist.

Wenn die Regierung sich trotzdem bestimmen ließ, ein Notgesetz für 1919 vorzulegen, so geschah es einmal, weil im Laufe der Be—⸗ ratungen sämtliche Parteien diefes hohen Hauses den Wunsch zu er— kennen gegeben haben und die Staatsregierung als ausführendes Organ des souberänen Willens der Volksvertretung diesem Wunsche nach Möglichkeit nachkommen zu müssen glaubt, und weil ferner nicht zu verkennen ist, daß sich gerade in den letztetz Monaten die Teuerung und die Notlage der niederen Klassen verschätft und die Hoffnungen auf baldige Wiederkehr günstigerer wirtschäfllicher Verhältnisse infolge der Haltung unserer Feinde und infolge der inneren Unruhen stark vermindert haben. Und endlich kann man wohl auch annehmen, daß, wie immmer sich auch die Arbeiten an dem Gesetz über eine Besteuerung des Einkemmens durch das Reich gestalten mögen, praktisch in diesem Jahr eine Reichseinkemmensteuer nicht mehr erhoben werden kann. Dedurch haben wir ein wenig freie Hand gewonnen und wollen diese Möglichkeit nicht ungenutzt vorübergehen lassen. .

So habe ich denn dem hohen Hause den Entwurf eines Notgesetzes für das Jahr 1919, Abänderung des Kommunalabgabengesetzes be= treffend, vorgelegt und bin bei der Fassung dieses Entwurfes von folgenden Hauptgesichtspunkten ausgegangen. Grstenz sollte verhindert werden und ich glaube damit auch die Zustimmung aller Parteien dieses hohen Hauses zu finden daß die Gemeinden das Recht, die höheren Einkommen stärker zur Steuer heranzuziehen, jetzt dazu be⸗ nutzen würden, um nachträglich den ja in den allermeisten Fällen bereits feststehenden Einkommensbedarf zu eihöhen, sei eß, um neue Ausgaben zu decken, sei es, um andere Steuern, z. B. die Realsteuern, dagegen abzumildern. Deshalb wurde dem einzigen Paragraphen des Gesehes die Regelvorschrift des Abs. 2 beigefügt und dort die Solz. Form gewählt, um den Gemeindebeschluß der Nachpßrüfüng des Ver⸗ waltungsrichters zu entziehen und so bei einer vielleicht nicht ganz stimmenden Abgleichung der Erleichterüng in den unterén Stufen gegenüber der Belastung in den oberen Stufen die Möglichteit einer 66 don unangenehmen und höchst schwierigen Prozessen ausgzm. schalten.

nr, .

ö 6 8

*. .

.

ö

,

rr,

ö

.

.

, , .

3