1919 / 163 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 22 Jul 1919 18:00:01 GMT) scan diff

sprechen. (Große Unruhe bei den Unabhängigen Sozialdemokralen) Herr Leid hat von der Einwohnerwehr gesprochen, und er bat Deutschland bei der Entente denunziert, daß sie in Gestalt der Ein— wohncrwehr eine vorkappte Armee unterhalte und die Friedensbedin—⸗ gungen nicht erfülle. (Rufe rechts: Pfuih Herr Leid als freiwilliger Anwalt der Feinde des Deutschen Reiches (stürmisches Bravo rechts und im Zentrum. Lachen bei den Unabhängigen Sozialdemokraten), Herr Leid, der über Spitzel spricht, als Spitzel und Denunziant gegen unser Vaterland) (Stürmische Entrüstungsrufe rechts und im Zen⸗ trum. Widerspruch bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) Ich vertraue darauf, bei der Kommission der Entente mehr Gerecktigkeit und Anerkennung der Wahrheit zu finden, als bei den Herren von der Gesinnung des Herrn Leid, denn die ganze Behauptung ist eine faust— dicke Unwahrheit. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum. Zurufe von den Uncbhängigen Sozialdemokraten: Auf dem Gebiete sind Sie zu Hause Ich habe nicht die Absicht, mich mit Leuten Ihrer Art herumzuschimpfen, aber wenn Sie gefälligst einmal lesen wollen, mit welchen Schimpfworten Herr Leid mich gestern abend bedacht hat (Zürufe won den Unckhängigen Sezialk᷑emokraten: Mit vollem Recht! Rufe rechts: Pfui! Anhaltende große Unruhe. Der Minister setzt sich. Glocke des Präsidenten.)

Die Wahrhéit ist, daß die Einwohncrwehren absolut keine mili— tärische, sondern eine rein bürgerliche Einrichtung sind. Sie sind nicht einmal eine Einrichtung der Polizei, sondern sie sind Bildungen, die dem Selbstschutz der Bebölkerung gegen Plünderungen und Gewalt— taten dienen sollen. Das kann jeder, der sich einigermaßen um dir Bildung der Eimpohnerwehren gekümmert hat und die Bestimmungen kennt, wissen. Ich werde den Herren von der Ententekommission, wenn sie, veranlaßt durch die Rede des Herin Leid, von mir Rechenschaft fordern, eine Rechenschaft, die sich leider bei der unglücklichen Lage des Vaterlandes geben muß, wenn mich meine eigenen Volksgenossen, hätte ich beinahe gesagt, dazu zwingen. Ich werde der Eniente zeigen, was die Einwohnerwehren fünd, und dann werde ich Recht bekommen. Daß ich bei Ihnen kein Recht und keine Wahrheit finde, weiß ich. .

Jetzt komme ich zu der Frage der Reorganisation der Polizei. Auch hier hat Herr Leid eine Denunziation ausgesprochen. Er hat die Entente mit den Fingern darauf gewiesen, daß wir die Friedensbedingungen durch die Reorganisatlon der Polizei über— schritten. Auch das ist eine Unwahrheit. Ich lege Verwahrung dagegen ein, daß Herr Leid uns bei der Entente fälschlich denunziert. Es ist ganz selbstverständlich, daß bei der Bildung der Polizeimann⸗ schaft, die hier in Berlin stattfindet, die Zahl der zulässigen Polizei beamten nicht überschritten wird. Soviel weiß ich auch von den Friedensbedingungen. Das erste, worauf ich hingewiesen habe, war, daß nicht mehr Leute eingestellt werden dürfen, als nach den Friedens⸗ bedingungen uns gestattet ist. Ich kann nichts dafür, daß die Friedens bedingungen so sind, ich werde mich aber selbstverftändlich danach richten. Aber die Herren, die uns dabei in den Rücken fallen und die Geschäfte unserer Feinde besorgen, gebe ich dem Urteil unseres Volkes preis. (Sehr gut! rechts und im Zentrum. Zuruf von den Unab⸗ hängigen Sozialdemokraten: Wie im alten Preußen!) Ja, es ist der größte Fehler des alten Preußens gewesen, daß es Leue wie Herin Adolph Hoffmann herangezogen hat und nicht mit ihm hat fertig wer⸗ können. Wir werden mit ihm fertig werden. (Zwischenrufe links.)

Was wir durch die Reorganisation der Polizei ge⸗ schaffen haben, dient keinem anderen Zweck als der öffentlichen Sicherheit. Es kann sich niemand darüber täuschen, und es ist auch schon Gegenstand der Besprechung im Ausschuß dieses Hohen Hauses, wenn ich nicht irre, auch im Plenum gewesen, daß das Verbrechertum in dem letzten halben Jahre in einer Weise an Zahl gewarhsen und an Art gefährlicher geworden ist, daß außerordentliche und ftarke und neue Mittel dagegen angewendet werden müssen. (Sehr gut!)

Hier in Berlin hat man neulich bei einem Einbruch zwei Kerle erschossen, die Mitglieder einer der großen Einbrecher-⸗ und Näuber⸗ banden waren, die sich in Oberschlesien gebildet haben und die von dort aus ganz Deutschland durch reisende Emissäre unsicher machen. Diese Spitzbuben hängen sich ja zum großen Teil ein politisches Mäntelchen um.

Herr Leid at gesagt, die Reorganisation der Polizei wäre die Bildung einer Organisation gegen den Bolschewismus. es wäre eine politische Mannschaft, die da gebildet wird. Wenn im Namen der Politik Verbrechen begangen werden, dann ist es unsere Pflicht, auch diese zu bekämpfen (sehr richtigen, und wenn Einbrecher und Geld⸗ schrankknacker erklären, sie wären politische Idealisten (große Heiter⸗ keit Zwischenrufe), dann werden wir sie doch als Geldschrankknacker und als Einbrecher behandeln. (Anhaltende Zwischenrufe. Glocke des Präsidenten.)

Yerr Leid ist dann auf den Geheimfonds gekommen. Ich habe im Ausschuß so ausführlich über diesen Fonds gesprochen, daß ich glaube, bei der vorgerückten Stunde, und da ja auch die Zahl der Herren, die damals dabei waren, schon ziemlich groß war, jetzt dies nicht alles noch einmal wiederholen zu sollen. (Zwischentufe links. Zuruf: Im Ausschuß haben die Unabhängigen regelmäßig geschwänzt!) Heute sind sie ja wesend, und ich will ihnen noch ein Vergnügen machen. Herr Leid hat davon gesprochen, ein solcher Fonds wäre ein Fonds der politischen Polizei zu Zwecken der Korruption. (Zwischenrufe links.) Hier liegt mir ein interessantes Schriftstück vor. Es lautet folgender— maßen:

25 000 Mark, in Worten: fünfundzwanzigtausend Mark, sind mir in Gemäßheit des Erlasses vom 29. Mai 1908, OC 7669, zur Bestreitung von Aus⸗— gaben zu Zwecken der politischen Polizei für die Zeit vom 1. Januar bis Ende März 1919 aus der Bureaukasse des Ministeriums des Innern gezahlt worden, worüber ich hiermit quittiere.

Berlin, den 1. Januar 1919. Der Polizeipräsident. . Eichhorn. (Hört, hört! Große Heiterkeit.) .

Meine Herren, ich bitte Sie: gestatten Sie mir, fortzufahren. Sie werden finden, daß die Geschichte noch viel lustiger ist, als Sie bisher geahnt haben. Herr Eichborn hat nämlich diese Quittung an dem Tage ausgeschmr chen, wo er bereits wußte, daß er seines Amtes entsetzt werden würde. (Hört, hört! Unmittelbar bevor er aus dem Polizeipräsidium hinausging, schickte er die Quittung zu dem damaligen Minister des Innern Hirsch und forderte die 235 000 S6 vorschußweise kür den ganzen Monat, (Große Heiterkeit) So wie auch andere Leute.

Nun aber, das Lustigste bei der ganzen Sache komm noch, und das wird Sie alle, die Sie auch an die Interessen unserer Steuerzahler denken, einigermaßen beruhigen. Herr Eichhorn hat nämlich das Geld nicht gekriegt (Heiterkeit. , sondern es ist Ehm ebenso wie Herrn Ledebour und Herrn Liebknecht ergangen, als sie den Befehl, sofort das Kriegsministerium gu räumen, unterzeichnet won der neuen Regierung, der Besatzung des Kriegsministeriums auf Verlangen aushändigten. Weder haben sie das Kriegsministerium bekommen, noch hat Eichhorn das Geld gekriegt. Wir haben bloß die Quittung und das Dokument in unsern Händen. (Hesterkeit. Zurufe bei den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten. Große Unruhe. Gloße des Präsidenten.)

Ich freue mich, meine Damen und Herren, daß ich in dieser ernsten und schweren Zeit in der Lage bin, Ihnen auch einmal etwas Lustiges mitzuteilen. Reingefallener als die Herren mit dieser Quittung kann niemand sein. (Sehr gut! Hurufe bei den Unabhängigen Sozial— demokraten) Hier ist die Quitzjung in Photographie. Ich lege sie auf den Tisch des Hauses. Hier ist das Original, das ich aber nicht gern aus den Händen gebe. (Sehr gut!) Auf die Quittung hat Herr Minister Hirsch geschrieben: „Die Auszahlung ist auf meine Veran— lassung unterblieben. (Bravo! Die Quittung haben wir hier, und die Oberrechnungskammer wird sich dawon überzeugen, daß wir nun nicht etwa auf Grund der Quittung die 25 099 MM erhoben haben. Solche Witze überlassen wir andern Leuten. Ich habe diesen Zusatz nur deshalb gemacht, weil die Herren sich eben erlaubten zu rufen, wo das Geld geblieben wäre. Nun, in der Kasse! Wir tragen keine Gelder weg, die uns nicht zustehen. (Große Heiterkeit und Zwischenruse. Glocke des Präsidenten.) .

Herr Leid ist auf die Prozesse zu sprechen gekommen und hat sich mit einem Aufwand von Kraftausdrücken dabei über mich ausgelassen. Ich habe, als ich hier über den Prozeß Ledebour sprach, erklärt, daß Zeugenaussagen vorlägen, wonach der Herr Ledebour bei der Besetzung des Vorwärtsgebäudes beteiligt gewesen wäre, namentlich eine auf— reizende Rede gehalten hätte, nach der die Leute in das Vorwärts— gebärde gezogen mären, daß Ledebour der Revolutions regierung angehört habe, wie sie sich nannte, die ein Manifest erlassen hat und sich in den Besitz des Kriegsministeriums und anderer öffentlichen Gebäude zu setzen versuchte. Die Kundgebung dieser Regierung war unterzeichnet:

Cebknecht, Ledebour, Scholze, Von dem Schriftstück, das in unseren

Händen ist, war die Unterschrist des Herrn Liebknecht eigenhändig, und daneben stand „zugleich für Ledebour“, während ursprünglich die drei Namen mit der Schreibmaschine getippt waren.

In dem Prozeß hat zwar Herr Ledebour bestritten, daß er von der Herstellung dieses Schriftstückes etwas gewußt hätte, aber er hat doch so viel zugeben müssen, daß, wenn er es gewußt hätte, er auch se ne Unterschrift dazu gegeben hätte. Demnach steht doch die Tatfache fest, daß er zu dieser Regierung gehört hat, die die damalige Regierung stürzen wollte. (Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Ist das ein Verbrechen? Was haben Sie denn gemacht?) Auf mich komme ich zu sprechen, warten Sie nur ab! Es kommt eines nach dem anderen. Die Verhandlungen würden unendlich viel kürzer sein, wenn sie abwarteten, was ich sage, und dann brüllten. (Heiterkeit Die

Zeugen haben auch in dem Prozeß ausgesagt, daß Herr Ledebour eine

Rede am Rathaus vom Balkon gehalten hat. Die Zeugen haben aber nach längerer Zeit zum Teil nicht mehr genau gewußt, was gesagt wurde. Einige haben Herrn Ledebour, wo die Waffen ausgeteilt wurden, gesehen, andere haben ihn nicht gesehen. . ;

Herr Ledebour ist freigesprechen worden. Nun gut, soll er sich freuen, daß er freigesprochen worden ist. Aber Anlaß war genug da, die Anklage zu erheben. Es waren genügend Zeugenaussagen da, um mich sit veranlassen, das wörtlich zu sagen, was ich erklärt habe. .

Dann komme ich auf den Prozeß gegen den Roten Soldatenbund. Höer sind die Angaben, die Herr Leid gemacht hat, besonders unglück— lich. Aus dem Prozeß geht folgendes heivor: Das Gericht ist der Auffassung der Anklage darin gefolgt, daß der Rote Soldatenbund als eine Unterabteilung des Spartakusbundes anzusehen ist (hört, hörth, mit der Aufgabe, den Grundstock für eine in Deutschland zu errichtende Rote Garde zu bilden, mi deren Hilfe die beabsichtigte bolschewistische Revolution durchzuführen wäre. (Hört, hört!! Das Gericht aber hat im Gegensatz zu der Auffassung der Staatsanwaltschaft erklärt, es könne nicht feststellen, daß der Zweck und die Verfassung des Roten Soldatenbundes vor der Staatsregierung geheim gehalten werden selle. Der Fall lag so: Der Rote Soldatenbund bezweckte die Bildung einer Armee zum gewaltsamen Siurz der Regierung. Wenn damals schon eine Veorfassung bestanden hätte, so würde nach den Feststellungen die Verurteilung wegen Hochverrats absolut begründet gewesen sein. Es bestand aber keine Verfassung, und infolgedessen hat man sich auf die Anklage wegen Geheimbundes beschränkt. Ich muß sagen, ich kann der Auffassung des Gerichtes nicht folgen (Heiterkeit), daß deswegen, weil dieser Rote Soldatenbund ein Flugblatt erlassen hat, er kein Geheimbund gewesen wäre. (Zuruf links: Süie unterschlagen ja wieder die Hauptsache!! Es kommt darauf an, daß der eigentliche Zweck (Zurufe links. Gegenrufe von rechts. Andauernde lebhafte Unruhe. Glocke des Präsidenten) Sie können mich „Verbrecher“ inennen so viel Sie wollen, ich habe nicht für die parlamentarische Ordnung hier zu sorgen, und berühren können mich Ihre Angriffe nicht. (ebhafte Zurufe von links) Also sagen Sie, was Sie wollen.

Doch, doch, ich habe verstanden: „Auf dieser Seite sitzen die meisten Verbrecher!“ Aber ich möchte gern mal weitersprechen. (Andauernde große Unruhe. Lebhafte Zurufe) Aus den Feststellungen des Urteils geht eben nur hervor, daß das Flugblatt und auch das, was sonst in die Oeffentlichkeit trat, die Existenz dieses Roten Soldaterbundes der Oeffentlichkeit bekannt machte, so daß man sagen kann: das Bestehen des Noten Soldatenbundes ist nicht vor den Behörden geheim gehalten worden. Aber der eigentliche Zweck und

die Verfassung diefes Roten Soldatenbundes ging weder aus dem Flugblatt noch aus den Versammlungen hervor; diese Dinge sind nach

meiner Meinung vor der Behörde geheim gehalten worden, und des⸗

halb lag der Tatbestand des Geheimbundes vor. Jedenfalls habe ich“

nach dem mir vorliegenden Material Anlaß genug gehabt, das an—

zunehmen, und ich muß sagen, ich freue mich noch heute, daß ich diese (Hört, bört! links) Denn sie (Sehr richtig!«“

Verhaftung habe vornehmen lassen. hat uns ror sehr unangenehmen Greignissen behütet. bei den Sozialdemokraten Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß diese plötzliche Verhaftung gewirkt hat wie der Blitz im Tauben⸗ schlag: daß die geplante Aktion sich 14 Tage verschoben hat. Das hat viel Blut gespart., (Jehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

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Und wenn es wahr sein flag, daß unler denen, die angeklanl warkn. sich auch noch einige Leute befanden, die unschuldig waren, so ist daz umermeidlich. Bei Razzien an Orten, wo sich Verbrecher ansammeln,

passiert es jedesmal, daß ein paar Unschuldige mit ergriffen werden.

Darüber muß man sich nicht aufhalten. Es geschieht aber leider auch jedesmal, daß die schlimmsten Verbrecher entwischen. (Sehr richtig! Heiterkeit; Die wissen sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. (Zurufe links) Darum, meine Damen und Herten, brauchen wir eine ordentliche, gut organisierte, tatkräftige Polizei. (Sehr richtig! rechts) Dieser Polizei gelingt es nun doch manchmal auch, einen von denen zu erwischen, die sich immer dünne machen, die, wenn es kritisch zu werden anfängt (Heiterkeit), nachdem sie andere vor die Gewehre und Minenwerfer unserer tapferen Truppen hingetrieben haben, selber im Augenblick der Gefahr veorduften. (Sehr richtigh Und so haben wir denn wirklich den Herrn Pieck erwischt Bravo, und bei dem Herrn Pieck haben wir eine Menge interessanten Ma— kerials gefunden. Gurufe links) Ein Eingriffzin die Vorunter— suchung? Ich habe gar keine Bedenken, der Oeffentlichkeit das mitzuteilen, was dokumentarisch belegt ist. Hier habe ich ein Flug—= blatt und eine angepappte Rechnung, die sich bei Herrn Pieck gefunden hat. Das Flugblatt lautet: „Achtung, Bauer, Swartakus kommt!“ Die Rechnung aber lautet: An 100 060 Flugzetteln 100 16. So— viel Geld haben die Herren für ihre verbrecherische Agitation! Wo kommt das Geld her? Meine Herren, wir wissen es ja ganz genau, daß das feindliche Ausland es liefert (lebhafte Zurufe bei den Unab— hängen Sozialdemokraten), soweit es nicht etwa aut geknackten Geld⸗ schränken stammen mag. (Große Heiterkeit erneute lebhafte Zu— rufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten)

Das Flugblatt, meine sehr geehrten Hetren, ist in seinem Inhalt nicht ohne Interesse. Es richtet sich an die Bauern. Das Flugblatt geht von einer Organisation aus, die uns bezichtigt, daß wir nur Nenn— Sozialisten wären, die uns den wirklichen So zualismug lehren will. Und was steht in dem Flugblatt an die Bauern?

Die Kriegäwirtschaft mit ihren vielen Tausenden: von Vorschriften,

Verordnungen, mit ihrem harten Zwang hat deine Vorräte ein—

gefordert. ö (GHört, hört) ö K

Der Kommunalverband und der Landjäger haben dir deine Frucht

fast vom Felde fortgenommen. Weggenemmen gegen billigen Preis,

den du verdeppeln mußtest, wenn du Saatgut einkauftest. (Hört, hört!) t

Der Kommunalverband holte dein junges Rind für 700 Mark, unk

du warst gezwungen, einen Ersatz für deine Wirtschaft mi

1800 Mark zu bezahlen. ; (Hört, hört!)

Der Landjäger guckte jeder alten Henne ins Nest, ob du alle Giet

pünkilich abgeliefert hättest ..... . Spartakus will, daß dir die

Augen aufgehen, Bauer, ehe sie dir übergehen. Und nun kommt das Schönste . Er kommt zu dir, um dir zu geben, nicht, um dir zu nehmen. Stürmische Heiterkeit. Andauernde lebhafte Zütufe zwischen den Parteien.)

Das, was ich da vorgelesen habe, wird nichk allen unbekannt klingen. Es ennnert stark an das, was wir in agrarischen Blättern zu lesen pflegen (sehr richtig! bei den Sozzaldemokraten), an daß, was wir in den Aeußerungen, in den Papieren des Pommerschen Landbundes gefunden haben. Man hat sich neulich bei einem anderen Thema gegen die Haussuchung beim Poꝛamerschen Landbund erklärt. Für diese Haussuchuig habe ich die Verantwortung; ich selbst habe sie veranlaßt. Ich hatte einen Anhalt dafür, daß der Pommersche Landbund in gesetzwidriger Weise sich in den Besitz von Waffen ju setzen schien, und so war es meine Pflicht, solchem staatsgefährlichen Beginnen nachzuforschen. Es hat sich ja nun glücklicherwerse heraus C'stellt, daß der Brief, in dem höchst gehes mnispoll von Spaten fit Moorkultur geredet war, während jedes Kind natürlich sehen konnte, daß Waffen gemeint waren, eine große Kinderei gewesen ist (hört, hört! rechts), eine große Lächerlichkeit, aber im Erfolg! Gemein war es nicht gut. Aber Verschaoörer, die so kindisch Verschwörum spielen, vermögen mir nicht besondert zu imponieren. Indessen wem ich von solchen Dingen höre, so habe ich die Pflicht, einzugreifen Ich gulde nicht, daß sich eine Kémpftrupoe des Spartakusbundet bildet, ich werde aber auch das Entgegengesetzle nicht dulden (Abg. Stöcker: Das sind aber ine Vabrecher, Herr Minister! Ich weiß nicht, wer mir zugerufen hat, aber diese Gewehr, die gar nicht existieren, die haben noch keinen totgeschossen, die Ce wehre des Spartakucbundes haben (ber viele, viele Hunderte von unseren tapferen Soldaten ums Leben gebracht. Darum sind dal Verbrecher, (-Sehr richtig) Um solche Machenschaften zu unter, drücken um ihnen schon von vornherein . begegnen, brauche it einen Fonds und eine Organijation zur Beis npfung des Verbrecher tums und brauche Cine georn ete und starke polizei.

Der Herr Abgeordnete Leidig hat mimt und meinen Freunden da sittliche Recht, uns. der weiteren Tiegolution entgegenzuwerfen bestritten, m. H. die Prage ist ernst genug, ich will sie einmal mit ein paar Worten berühsten. Wir haben unser sikkliches Recht in November hergeleitet aus dem Recht der Tatsachenl, und wir leite unser sittliches Recht heute aus den selben her; nicht Paragraphen sin es, auf die ich mich berufen will, srndern auf die Pflicht will ich hin weisen, die wir im November hats en, und auf die Pflicht, die wir jeh haben, unser Vaterland zu erhalten und es arieder zu einem neuen g sunden Leben zu bringen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten

In welcher Lage waren wir im Non mber 19185 Guruf rechte

Mein geehrter Herr, auch den tatkräf tigste Minister konnte nichts tu im Augenblick dieses fürcterlichen Zu sam menbruches wo allem, worauf sich Ordnung und ragelmäßiger Gang der politisch Geschäfte stützen konnte. Vergessen Sie nicht: der Kaiser war in Ausland geflohen, der Sarnzler legte; sein Amt nmeder und übertrug mit Zustimmung des abgereisten Kaisers dem Herrn Präsidente Ebert. Die Massen waren ervegt, ungeduldig, wochenlang hatte ma sie hingezogen, hatte, man ihrer berarhtigten Fr rderung nach Abdankun des Kaisers immer, eine neue Zöge Jung entges engesetztf. Man hat, ni so oft, sich nicht enschließen könnzn, zur ric igen Zeit das Notwendiß zu tun. Die tassen waren dabei ohne ü heres politisches Ziel, st waren in Gefahr, jeder Verlocku ag zur Go valttat, zur Unordnung, einer vollständigen Zerstörung ausge liefert zu werden.

(lll Ei] IFortsetzung in der gneign del Ee n , n

chen Reichsanzeiger nnd

Zweite Beitrage Bren zi

Berlin, Dienstag, den 22. Juli

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage)

In dieser Lage haben meine Freunde die Zügel des Staates in bie Hand genommen in dieser Lage sind sie freilich an Behörden her⸗ angetreten und haben gesagt: räumen Sie uns diese Plätze ein, wir werden jetzt die Regierung führen. Paragraphen hatten sie nicht auf ihrer Seite, aber das Lebensbedürfnis unserer Nation und die Zu— kunft unseres ganzen Volkes, die gaben Brief und Siegel für ihre Handlungsweise. Eebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Und danach handle ich auch heute; ich lege gar keinen Wert darauf, daß uns inzwischen eine provisorische Verfassung auch die for— melle Legitimation gegeben hat; über diese Dinge will ich mit Herrn Abgeordneten Leidig deshalb nicht streiten, weil er die Frage nach der moralischen Legitimation aufgeworfen hat. Aber das moralische Recht ist eben deshalb auf unserer Seite, weil, wenn wir diesem wüsten zerstörerischen Treiben, diesen auf Lügen und auf Verführungen gestützten Agitatiohen nicht entgegentreten, unser Volk zugrunde geht. Denn was ist es denn anders als lügenhäfte Verführungen, wenn Spartakus zum Bauern kommt, dort mit der Miene eines alten Agrariers über die Zwangswirtschaft wettert und verspricht, er werde ihm alles mögliche geben. Wollen Sie ihm Eier in das Nest der Henne hineinlegen?! (Heiterkeit, Diese auf Lüge und Verführung gegründete Politik müssen wir bekämpfen, weil sonst unser ganzes Volk zugrunde geht. (Sehr richtigh

Wir haben damals nach den Tatsachen gehandelt. Wir haben nicht gefragt: wer ist schuld? Die Menschen, die in jenen Tagen nichts Gescheiteres zu tun wußten, als zu behaupten, man müßte Akten stu— bieren, um festzustellen, wer an dem Zusammenbruch schuld hätte, sind mir lächerlich, sind mir verbrecherisch vorgekommen. Wir mußten etwas tun und meine Freunde haben etwas getan. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten, Wo wäre denn damals der Staat hin⸗ gekommen, wenn nicht Anhänger der sozialdemokratischen Partei sich auf den Bock des Wagens gesetzt und mit fester Hand die Zügel geführt hätten? (Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Ich weiß, daß der Wagen hin und her geschleudert hat, ich weiß, daß er noch heute über Stock und Stein holpert; ich weiß, daß das keine glatte, schöne Fahrt auf Schienenwegen ist. Dafür sind wir nun mal eben in einer Zeit des Erdbebens, wo rechts und links die Gebäude, ja die Berge ein— gestürzt sind und Holzstämme und Ziegelsteine über dem Wege liegen. Aber wir müssen nun einmal alle Mittel anwenden, die notwendig sind, um unserem Volke einen neuen Weg zu neuem Leben zu eröffnen. Da müssen die Hindernisse weggeräumt werden, und wir werden sie wegräumen! (Allgemeiner, lebhafter Beifall) Hierfür bitte ich um bie Unterstützung von allen Seiten.

Es ist doch ein krankhafter Zustand, in dem sich unser Volk be⸗ findet, daß in einer Zeit, wo wir alle wissen, daß wir nicht arbeiten können, wenn wir keine Kohlen haben, daß wir nicht leben können, wenn unser Feld keine Frucht trägt, daß wir die Verpflichtungen, die wir gegenüber dem Auslande übernommen haben, nicht erfüllen können, wenn nicht unsere Industrie, unser Handel in Gang kommt —, daß wir uns in einer solchen Zeit in inneren Kämpfen, in nutzlosen Partei⸗ streitigkeiten verzehren, anstatt gemeinsam zu arbeiten. (Lebhafter Beifall.)

Für diese gemeinsame Arbeit den Boden zu schaffen, das sieht die Regierung als ihre Verpflichtung an, und das sehe ich als die meine an. Diesen Weg werde ich weiter gehen. Ich habe mich nicht dessen zu schämen, was ich getan habe, nach keiner Seite. Wenn ich hier an— gegriffen worden bin, weil nicht jeder Prozeß so läuft, wie mir an⸗ genehmer wäre (lebhaftes Hört, hört! bei den Unabhängigen Sozial— demokraten), so bin ich eben als alter Rechtsanwalt daran gewöhnt, daß die Prozesse eben mal anders gehen. (Bravol rechts) Aber ich lasse mich nicht entmutigen, wenn auch mal eine Sache schief geht, sondern ich sahre auf dem Wege der Arbeit fort. Ich werde nicht das Vertrauen des Herrn Hoffmann erreichen. (Sehr gut! und Bravo! links und rechts.) Aber ich bitte die übrigen deutschen Männer und Frauen, die gleich mir das Vaterland in Frieden und in Arbeit und in Ordnung und in Gesittung zurückführen wollen, mich beim Kampfe gegen das Ver— brechertum, der mir als Polizeiminister obliegt, zu unterstützen.

Ich bitte Sie auch, mich bei meinn Bemühungen zu unterstützen, unsere innere Verwaltung in eine neue Form zu gießen, dem Leben der Gegenwart mehr anzupassen, als das bei der alten der Fall war. Ich hoffe, daß es mir vergönnt sein wird, mich mit den Parteien über die bielen einzelnen Streitfragen, die die Verwaltungsreform naturgemäß mit sich bringt, zu verständigen. Je einiger sich das deutsche Volk in dem Augenblick befindet, wo es sein Haus neu einrichten soll, desto besser wird die Zukunft, die es in diesem Hause findet. (Sehr richtig) Diejenigen, die glauben, sie hätten jetzt die Aufgabe, dem neu— gebauten und neuerrichteten Haus fortwährend wieder die Fenster einzuschmeißen, werden wor der Weltgeschichte schließlich als solche da⸗ stehen, die eben Fenster einzuschmeißen pflegen. . J

Ich bin nur auf einige der Punkte eingegangen. Ich bitte Sie, mir zu erlassen, weiteres hier zu sagen. Was uns alle leiten soll und was mich leitet, das ist die Liebe zu unserm Volk. Das swingt mich aber, noch auf einen anderen Punkt einzugehen. herr Abg. Leidig hat gerügt, es wäre von der Regierung diesen hohen Hause nicht mitgeteilt worden, daß eine große Zahl ich glaube 8 Millionen sagte der Herr Preußen künftig und in kürzester Zeit vom Vaterlande los— kErissen werden würde. Meine Damen und Herren, den Fri eden hat nicht die preußische Regierung geschlossen; die preußische Regierung hat, was in ihrer Macht stand, ss zum letzten Moment getan, um die Reichsregierung dabon zu über⸗ zeugen, daß die Abreißung von den Ländern nördlich des Njemen, daß die drohende Abreißung von Masuren, von Oberschllesien und Teilen don Mittelschlesien, won großen Teilen der Provinzen Posen und

zestpreußen ein fürchterliches, für uns nicht zu ertragendes Unrecht bedeutet. (Zuruf) Gewiß, Aachen, Malmedy, Sie können im Westen noch mehr nennen. Wir haben es der Regierung des Reiches kesagt und wir haben bei der Regierung des Reiches kein verschlossenes

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Ohr gefunden. Wenn der Friede schließlich so geschlossen worden ist, wie wir alle ihn nicht gewünscht hätten, sind eben die Tatsachen stärker gewesen als die Wünsche. Lass uns den Streit über den Frieden, eb er so hätte geschlossen Es gibt genug Streitpunkte uns, und dieser ist nun von allen unfruchtbaren der unfruchtbarste, denn der Streit ändert an den Dingen gar nichts mehr. Das aber können unsere Brüder in den Gebieten, die durch ein unerbittliches übermächtiges Geschick von uns abgerissen werden, glauben: daß wir hier im Lande, ob Regierung oder Volk, ihrer mit treuer Liebe und mit bestem Vertrauen gedenken, daß wir tun werden, was nur irgend möglich ist, im Wege von Ver— wardlungen ihr Los zu lindern, ihnen auf diplomatischem Wege die Sicherheit der nationalen Eigenart ihrer Sprache, ihres Rechtes zu verschaffen, worauf sie einen Anspruch haben wie alle andern Völker nach den Prinzipien, welche angeblich diesem Frieden zugrunde liegen sollen. (Sehr guth Wir werden sie nicht im ss

en, en Sie werden sollen, begraben.

n wir Korr noch zwischen

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Stiche lassen, so gut es in unseret Macht steht. Können wir sie auch nicht vor dem Schick— sal schützen, durch den Feind won uns abgerissen zu werden: von unserem Herzen werden sie nicht abgerissen (Bravo!! und wir haben das feste Vertrauen zu den deutschen Frauen und deutschen Männern, die unter Feindes Joch geraten, daß sie ähre deutsche Kultur, ihre deutsche Gesinnung nicht vergessen weiden, daß so, wie unser Blick nach ihnen gerichtet bleibt, so ihr Herz an uns hängen wird, daß sie ihr Vaterland nicht verlieren, auch unter der fremden Herrschaft nicht. Deutschland hat schon schwere Zeiten der Fremdherrschaft durchgemacht und ist immer wieder zu sich selbst, zu eigener Stärke gekommen, hat die los— gerissenen Teile im Laufe der Geschichte sich immer wieder angegliedert kraft des starken deutschen Geistes und der Liebe des Volkes zu seinem Volkstum, die unauslöschlich gewesen sind. Was die Völker, was die Volksteile verbindet, ist das Geistesleben und das Vertrauen eines Volksgenossen auf den andern. Jetzt, wo hier ein demokratischer Frei⸗ staat geschaffen ist, in dem jeder Deutsche dem anderen gleich ist, in dem wir uns alle nur als Deutsche, nur als Volksgenossen ansehen, in dem es keine bevorrechteten Klassen, keine Unterdrücker mehr geben. soll, werden die, die unter fremdem Joche das Los der Ungerechtigkeit tragen müssen, erst recht mit Sehnsucht und Liebe zu uns zurückschauen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und Deutschen Demokraten.) Je mehr wir bei uns im Innern Ruhe und Ordnung, Arbeit und gegenseitige Liebe und Achtung schaffen, je mehr wir dieser wüsten Un— ordnung und dieser selbstmörderischen Zerstörung Herr werden (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und Deutschen Demokraten), um so inniger werden die von uns abgesprengten Volksteile an uns hängen. (Sehr richtig Und es müßte schlimm zugehen, wenn nicht im Laufe der Zeit das, was zusammengehört, sich wieder zusammenfinden sollte (Bravoh, wenn nicht die deutsche Treue stärker wäre als die Gewalt und die Hinterlist der Feinde. Darum bitte ich die, denen dieses traurige Schicksal droht, nicht zu glauben, daß wir sie vergessen, und ich bitte sie, uns nicht zu vergessen. (Bravo) Deutsch bleibt deutsch, und das deutsche Volk, ob auch polnische und, was weiß ich, was für welche Grenzen durch sein Gebiet durchgeführt werden, bleibt e in Volk, ein Körper, eine Seele. (Lebhafter Beifall bei den Sozial⸗ demokraten und Deutschen⸗ Demokraten Dieses Vertrauen habe ich, und ich sehe aus Ihren Worten, daß Sie es auch haben.

Und so grüße ich die, die von uns weggerissen werden, nicht mit dem Gruß des Abschieds, sondern mit dem Gruß: Auf Wiedersehen! (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten und Deutschen Demo⸗ kraten.) . . :

De ster reich.

Das Begleitschreiben des Präsidenlen Clemenceau, das vorgestern mit dem Friedensvertrag dem Staats— kanzler Renner überreicht wurde, lautet dem „Wiener Tele⸗ graphen⸗Korrespondenzbüro“ zufolge:

err Präsident!

Ich habe die Ehre, Eurer Exzellenz im Namen des Obersten Rates der alliierten und assoziterten Mächte den endgültigen Text der Friedensbedingungen zu überreichen. Bei der Ausarbeitung dieses Endterxtes wurde den vperschiedenen Bemerkungen, die die österreichische Delegation vorgebracht hat, Rechnung getragen. Es wird daher nicht einzeln auf jede dieser Noten geantwortet. In der Beilage finden Eure Exzellenz ein Memorandum, das alle Er— klärungen enthält. Der Oberste Rat hat überdies entschieden, daß der österreichischen Regierung eine Frist von 10 Tagen, vom Augen⸗ blick der Ueberreichung des vorliegenden Vertrages an gerechnet, zugestanden wird, um schriftliche Bemerkungen über die Gesamt⸗ heit des Friedensvertrages einzureichen.

Wollen Sie usw. Clemenc au.

Das „Korresondenzbüro“ teilt über den Hauptinhalt des Friedensvertrags folgendes mit: Wiedergutmachungen. Welche Summen und in welchen Fristen wir binnen 30 Jahren zu zahlen haben, wird die im Vertrag mit Deutschland eingesetzte Reparationskommission bestimmen. Sie wird zunächst eine annehmbare Summe jeststellen, die wir in den Jahren 1919 bis 1921 in Gold, Waren, Schiffen, Wertpapieren oder anderen Gütern, zu erlegen hahen. Von diesen Erlägen werden zuerst die Kosten der Okfu⸗ pationstruppen, dann die Nahrungsmittel und Rohstoffe be⸗ zahlt, deren Bezug uns die alllierten Großmächte gestatten. Die Kommission wird dann bestimmen, in welchem Betrage wir Goldhons zu erlegen haben. Die Kommission mird dafür Sorge tragen, daß die Steuerbelastung bei uns nicht niedriger ist, als in ein'm der an der Kommisston teilnehmenden Staaten. Sie wird auf die wirtschaftliche und finanzielle Lage, Deutsch-Oesternrichs und auf die Verringerung seiner Zahlungsfähigkeit Rücksicht nähmen, solange sich die Lage Deutsch⸗Oenerreichs nicht ändert. Wir haben alle Seefchiffe abzutreten, die Kriegserluste an Flußschiffen zu ersetzen, doch nicht über 20 v. H. des Schiff parkes vom Novemhzer 1918. Wir haben Tjere, Maschinen und andere Gegenstände zu ersetzen, wobei darauf Rücksicht zu nehmen ist, daß unsere indust lelle Tätigkeit nicht desorganisiert wird. Insbesondere sollen keinem Unternehmen mehr als 0 v. H; seiner Einrichtung eno mmen werden. Vorläufig sind 6000 Milchkübe, 2000 Stück ungvieh, 109 Stiere, 3000 Kälber, 2000 Stück Zugvieh, 2000 Zug—⸗ Herde, 1990 Schafe und 1000 Mutterschweine zu liefern, die zwischen Italien, Serblen und Rumänien geteilt werden. Wir sollen ferner elnen zu bestimmenden Teil der in Deutsch⸗Oesterreich zum Verkauf bereiten Vorräte an Möbeln liefern. Für 5 Jahre wird den alliierten

und assozlierten Regierungen eine Option auf den Bezug von Hol Fisen und Magnesit zu den. Intandißpreisen eingerdumt. Di⸗ Mengen sind unter Berücksichtigung der früheren Produktion der Nonarchie und des auf Deutsch⸗Oesterreich entfallenden Teiles der Produtttonsstatten von der Wiederherstellungskommission zu bestimmen. Fine Kommission von drei Rechtsgelehrten wird unterfuchen, ob eine Reihe besonders genannter Bilder und Sammlungsobjekte nicht unrecht. mäßig aus Italien weggebracht wurde, und zwar insbesondere italienische lr uwelen, die Madonna von Sarto, vier Bilder van Corregio, die Biblia Vulgata, das Ereviarium Romanum und das G tfizinrmn Echtas Virginis.

Fi n an zielle Best im mungen. Für die aus dem Friedens⸗ dertrag entspringenden Verpflichtungen wird eine erste Hypothek auf das Staatseigentum und die Staatteinnahmen gelegt. Inwieweit für, die Bezahlung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen eine Priorität vor den Wiederherfiell ngskosten eingeräumt wird, werden die Großmächte bestimmen. Ye hypothezierten Staats schulden werden unter die Staaten aufgeteilt, weiche Gebiete der Monarch'e übernehmen. Die Wiederherstellunge kommission wird bestimmen, welcher Teil dieser Schulden den übernommenen Gisenbahnen und dem anderen übernommenen Staatscigentum entfyricht. Die nichthypothezierten Vorkregsschulden werden von der Wiederherstellungs kommission nach der Beteiligung der einzelnen Gebiet? an denjenigen Staats⸗ einnahmen der Jahre 15911 –-19.3 verteilt werden, welche die 9 Ils gerechten NHlaßstab der Leist ange fahigkeit dieser

ebiete ansieht. Die Kriegsanleihen werden gestempelt. anderen Staaten, mit Ausnahme Deutsch⸗Oesterreichs, haben feine Ven pflichtung gegen die Inhaber der auf ihrem Gebiet befindlichen Kriegsanleihen, aber diese Staaten und ihre Staatsangehötigen haben auch keinen Anspruch gegen Deutsch⸗Oesterreich. Die in früheren Ausland besindlichen Kriegsanleihen verpflichten nur Deutsch Oesterreich. Jeder Staat behält das Staatseigentum, dag sich auf seinem Gebiet befindet. Was die anderen Staaten mit Ausnahme Deuisch-Oesterreichs auf diese Weise erhalten., wird zu ihren Lasten auf das Wiederherstellungskonto Deutsch⸗Oesterreichs gebucht, wobei, die von den anderen Staaten übernommenen Schulden, soweit sie den von ihnen für dieses Staatseigentum gemachten Aufwendungen entsprechen, abgerechnet werden. Dagegen gehen das Vermögen pon Ländern, Gemeinden Schulen und Spitälern, und ferner die Wälder des ehemaligen Königreiches Polen obne Zahlung auf die neu n Staaten über. Eine Vommission der betriligten Staaten wird sich über alle fi an iellen Fragen verständigen, die durch die Auflösung der Monarchie und durch die im Friedensvertrag entbaltene Reorganifatson der Staats- schulden und des Geloweseng notwendig werden. Insbefondere werden die Verei barungen, betreffend Banken, Versicherungsgesellschaften, Sparkassen, Postsparkasse, Pfandbrief; und Hypothekenanstalten, zu treffen sein.

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. ' sein. Wenn keine Einigung erzielt wird oder eine der betei- ligten Regierungen eine ungerechte Behandlung ihrer Staatsangehörigen beklagt, wird die Wiederherstellungskommission ein Schiedsgericht bestimmen, dessen Eatscheidung inappellabel ist.

Banknoten. Innerhalb zweier Monate haben alle Suak— zessionsstaaten die auf ihrem Gebiete befindlichen Noten abzustembeln und sie innerhalb 12 Monaten durch ihr eigenes Geld zu ersetzen. Die aus dem Verkerr gezogenen Noten find der Wiederherstellungs. kommission zu übergeben. Die Oesterreich-Ungarische Bank sst sofort zu liquidieren. Die am 18. Juni 1919 im Auslande befindlichen Noten übernehmen Deutsch⸗Oesterreich und Ungarn allein. Jeder einzelne Staat bezahlt die auf seinem Gebiete befindlichen Scheide⸗ münzen. Zipil. und Militärpensionisten des alten österrerchischen Kaiserstaates, die au/ Grund diese Vertrags die Staats angehörigfeit eines anderen Staates als Deatsch-Oesterreich erwerben oder erwerben werden, hauen aus den Litel ihrer Pension gegen die deutsch-5ger— reichsche Reg erung leinen Anspruch. 6

Verkehr. Aenderungen des ersten Entwurfs: Streichung des Konkurrenzverbots, Teilnahme an der Konferen; zur Festsetzung des neuen Donauregimez, Internationalisierung des Rhein. Main Donau— Kanals und Streichung der allgemein gehaltenen V pflichtung zur Duldung von Bahnbauten, ferner Einbeziehung der March und der

haya in das internationale Donauregime. Die neuen Grenzbahn— höfe zwischen Deutsch-Oesterreich und den benachbarten alltt rten und assoziterten Stgaten sowie die Betriebsführung zwischen den Grenz · bahnhöfen soll durch eine Vereinbarung Unter den beteiligten Bahnverwaltungen festgesetzt werden. Ermangelung dieses Einverständnisses wird von den alliterten und assoziterten Mächten eine sachverstaͤndige Kommission bestimmt werd n, in der Deutsch⸗ O sterreich vertreten sein wird. Wenn die Privat ahnen der fraheren österreichisch⸗ ungarischen Monarchie mehrere Staategebtete berühren, oll die adininistrative und technische Reorganisation diefer Netze durch eine Vereinbarung zwischen den Geseuschaften und den beteiligten Staaten durchgeführt werden. Wenn kein Einverständnis zuftande kommt sowie auch im Falle von Streitigkeiten über den Rückkauf, entschidet ein Schiedsrichter, der vom Rate des Völkerbundes be— zeichnet wird. Dieser Schiedarichter kann im Falle der Südbahn fo⸗ wohl von der gesellschaftlichen Verwaltun, wie auch den Prioritären angerufen werden. Den Bau der Reschen⸗ und Predilbahn kann Italien fünf Jahre nach Inkrafttreten des Frledenevertrages von unz verlangen. Italien wird die Kosten zahlen, es wird aber ein vom Völkerbund zu bestimmender Schiedsrichter entscheiden, welchen Teil der Kosten wir an Italien refundieren müssen. Der tschechische Korridor von Preßburg gegen Fiume ist in zwei Linien geteilt; Die eine von Preßburg über Bedenburg, also über deutsch⸗österreichisches Territorium nach Pragerhof, die andere durchaus auf ungarischem Gebiet nach Pragerhof. Es ist ein neuer Artikel aufgenommen worden über die Freiheit des Transits für den Telegramm und Telephonverkehr nach Analogie der Grundsätze für die Freiheit des Transits beim Eisenbahn⸗, Schiffs⸗ und Postverkehr. .

Die militärischen Bestimmungen verpflichten Deutsch⸗Oesterreich zur Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und zur Bildung eines Berufsheeres auf Grund freiwilliger Verpflichtung mit dem Höchststand von 30 009 Mann einschließlich der Offiziere und Depots. Innerhalb dieses Höchststandes wird eine ge riffe Frei= heit in der Organisation zugestanden, indem nicht die Zabl und Art der höheren Einheiten, sondern nur deren Zufammensetzung vorgeschrieben werden. Die Höchstzahl der Offiziere wird mit 1hoo, jene, der Unteroffiziere mit 2006 festgesetzt. Die Dienstzeit soll wenigstens 20 Jahre für Offiziere und 12 für Unteroffiziere betragen. Die Herabsetzung der deutsch-österreichischen Streitkräfte soll binnen drei Monaten nach Unterzeichnung des Vertrags durchgeführt sein. Innerhalb dieser Frist soll auch alles überzählige Kriegsmaterial ab— geliefert und die Fabrikation solchen Materials auf eine staatliche Fabrik beschränkt sein. Im einzelnen enthalten die militärischen Bestimmungen ähnliche Einschränkungen wie der Deutschland auf⸗— erlegte Vertrag.

An wirtschaftlichen Klauseln des ersten Teiles der Friedensbedingungen wurde nur wenig geändert. Die zahlreichen überzeugend begründeten Einwendungen sind bisber insoweit berück— sichtigt, als die Frist abgekürzt wurde, für welche die Bestimmungen des Friedensvertrages über Zollordnung, Zölle und Zollbeschränkungen gelten sollen (statt 5 Jahre 3 Jahre), und die Liquidation der deutsch-oͤsterreichschen Vermögen durch die Nationalstagten aufgehoben wurde. Im Abschnitt über die Schulden wurde die Entscheidung des gemischten Schiedsgerichts als endgültig und für die Parteien rechtz· verbindlich erkläit.

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