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Die „Deutsche Zeitung“ hat am 10. Juli in diesem Zusammen— bang geschrieben: ‚Wir bedauern, daß man die Schweine, die sich hier in Berlin als Sieger zeigen und von denen sicher keiner an der Front war und die Faust eines deutschen Soldaten gespürt hat, nicht sämtlich totgeschlagen hat. Diese Aeußerung eines agrarischen Mohlings finde ich geradezu unerhört, und ich habe keine Lust, für eine solche Rohheit mich vor dem Ausland zu entschuldigen. Außerdem wollte ich die Sache einmal so deutlich nennen wie möglich. Meine Rede soll nichts als Fürsorge für das Ausland gewesen sein! Soll ich etwa als Minister des Auswärtigen hier eine Rede halten wie Graf Westarp auf dem deutschnationalen Parteitag? (Heiterkeit) Sie war geradezu auf die Eroberung der uns entrissenen Gebiete ein— gestellt und selbst Graf Westarp mußte zugeben, daß die jetzt lebende Generation sie nicht erleben werde. So kann ein Minister des Aus— wärtigen in der Lage, in der wir sind, nicht sprechen. Ich würde mir sonst wie eine komische Figur vorkommen. Meine Politik muß auf Erhaltung des Deutschtums im Auslande eingestellt sein. Dieses soll begreifen lernen, daß wir Deutschen ein friedliches Volk sind. (ebh. Beifall) Ich bin entgegen der Behauptung meiner Gegner dem Völkerbund nicht nachgelaufen. Ich habe ausdrücklich festgestellt, daß dieser Völkerbund ein Bund der Kabinette, und zwar ein Bund der Kriegskabinette ist. Ich habe allerdings an die Völker appelliert, für eine bessere Ausgestaltung des Völkerbundes zu wirken: denn darin erblicke ich die einzige Hoffnung auf die notwendige Revision des Ver— trages. (Lebh. Zustimmung in der Mitte und links) Was soll man mit solchen Wendungen anfangen wie die, meine Rede sei „bar jeden reglen Inhalts“, sei „hinderlich für die Betätigung des Deutschtums“.o Was heißt überhaupt Realpolitik treiben? Wer weiß, wie in unferer Lage Realpolitik getrieben werden kann, der möge Vorschläge machen. Ich bin gern bereit, sie zu befolgen. Selbst ein Bismarck hätte sich in dieser Lage vor außerordentlichen Schwierigkeiten gesehen. (Lebh. Zu— stimmung.) Herr Graefe hat den Vorwurf erhoben, wir zerstörten das Werk Bismarcks. (Sehr richtig! rechts) Das Werk Bismarcks ist durch die Politik der letzten 25 bis 36 Jahre in Gefahr geraten. Darüber mögen Sie sich aus dem dritten Bande von Bismarcks „Ge— danken und Erinnerungen“ Aufklärung holen. (Lebh. Zustimmung.) Bismarck hätte es vor allem niemals dahin kommen lassen, daß sich Generale so in die Politik eingemischt hätten, wie es in diesem Kriege geschehen ist. Lesen Sie nur, was er über die Fallensteller geschrieben hat. Dabei hatte er mit Männern zu tun, die weit über Ludendorff standen. (Andauernde lebh. Zustimmung.,) Wie dieser die Kräfte Deutschlands von Finnland bis Mesopotamien verzettelt und zersplittert hat, so darf kein wahrer Feldherr handeln. Cebh. Beifall. Ludendorff: ist neben Tirpitz der größte Verderber gewesen! (Andauernder lebh. Beifall in der Mitte und links, der sich verstärkt, als die Deutsch— nationalen fortgesetzt Pfui! rufen. Diese Rufe werden auch noch fort— gesetzt, nachdem Präsident Fehrenbach sie für unzulässig erklärt hat.)
Hoffentlich erhalte ich mir Ihre Angriffe (zur Rechten). Sie können
nur nützlich für mich sein! Für unter meiner Würde halte ich es, die Anspielungen des Abg. von Graefe wie „Gesinnungstüchtigkeit“ und „Futterkrippe“ zu beantworten. (Fortgesetzte Zurufe des Abg. von Graefe.) Feststellen will ich nur, daß ich mich noch nie um ein Amt beworben habe, sondern nech stets hineingeschoben wurde. Ich habe mich auch nicht zu dem Amt eines Ministers des Aeußern gedrängt. Ich habe diesen Posten angenommen, weil ich weiß, daß ich einigen politiscken Personalkredit im Auslande babe. Ich werde meine Politik entsprechend meiner Programmrede weiterführen, solange ich das Vertrauen der Mehrbeit dieses Hauses hinter mir weiß. (An— haltender Beifall in der Mitte und links.)
Abg. Sch ultz⸗ Bromberg (D. V.): Die Waffenverteilung auf, dem Lande ist notwendig gewesen, um Schutz gegen Raub und lünderung zu schaffen. (Unruhe bei den Sozialdemokraten). Man ann doch die auf Verlangen der Regierung aufgestellten Einwohner⸗ wehren nicht ohne Waffen lassen. (Erneute Unruhe). Weshalb wandte sich der Landwirtschaftsminister nicht auch gegen den Land— arbeiterverband! Wir vermissen bei dieser Regierung die Objektivität, hie wir bei der früheren geschätzt haben. (Andauerndes Gelächter.) Der Kaiser hat in Deutschland wie im Auslande als Friedenskaiser gegolten. (Lebhafter Beifall bei den Deutschnationalens. Die Ent— hüllungen Erzbergers über das durch den Papst vermittelte englische Friedensangebot sind ergänzungsbedürftig, wenn die reine Wahrheit inn werden soll. Vermutlich liegt kein eigentliches englisches Friedensangebot, sondern nur die Antwort Englands auf die Friedens— note des Papstes vor. (Lebhafte Zustimmung rechts Darin war nach den von Erzberger nicht mitgeteilten Bemerkungen der Michaeli— schen Antwort ein Versuch enthalten, Deutschland die Schuld am Kriege gufzuladen. Das konnten wir uns nicht zumuten laffen. (Ceb— hafter Beifall) Erzbergers Ausführungen über die Friedensangebote stehen in schärfstem Widerspruch mit den bestimmten Erklärungen der feindlichen Staatsmänner, daß niemals ein Friedensangebot Deutsch—⸗ lands erfolgt ist. Lebhafte Zustimmung rechts,. Die Behauptung Erzbergers, daß die Antwort vier Wochen verzögert worden sei, ist schon auf die Tatsache zusammengeschrumpft, daß nur ein Zeitraum von 19 Tagen in Frage kommt, für eine Entscheidung von so ausschlag—
gebender Bedeutung eine verhältnismäßig kurze Spanne Zeit. Wes— halb hat Erzberger nicht schon damals offenherzig gespröchen, wenn er wußte, daß das Vaterland in Gefahr war? Wir haben doch von allen diesen Dingen nichts gewußt. Weshalb hat Erzberger nicht damals seine große polissche Macht für die Klärung der Dinge ein—⸗ gesetzt? (Andauernder Lärm links, Beifall rechts Nach dem durch das Wolff'sche Büro veröffentlichten Bericht über eine damalige Aus—= schußsitzung hat sich Herr Erzberger, der allein Kenntnis von allen diesen Dingen hatte, ausdrücklich hinter die Regierung gestellt. (Hört! Hört Was hat Herr Erzberger darauf zu antworten? Was sagt er ferner zu den gestrigen Mitteilungen der Hamburger Nachrichten? Erzberger hat hier bestritten, daß Graf Ezernin ihn veranlaßt habe, nach, Wien zu kommen, um Nechenschaft abzulegen. Graf Czernin schreibt in einem Briefe: „Erzberger hat seinerzeit Kenntnis von meinem Bericht erhalten und die schwersten Indiskretionen begangen. Er kam nach Wien, von mir zitiert, um mir Rechenschaft über fein Vorgehen abzulegen. Er war damals ganz vernichtet“ (Hört! Hört! Große Bewegung.) Wir wußten von nichts, haben also keine Ver= antwortung, aber Herr Erzberger hatte die Fäden in der Hand, hatte Kenntnis von den Dingen und tat damals nichts. Er ist zuletzt hefugt, andern Vorwürfe zu machen. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Ein ungeheuerlicher Vorwurf ist es, daß die Vaterlandspartei zur Verhinderung des Friedensschlusses gegründet sei. (Sehr richtig! links.. Ist Herrn Erzberger entfallen, daß eine große Anzahl führender Mitglieder des Zentrums Mitglieder der Vaterlandspartei waren, sind ihm nicht die Demokraten bekannt, die Mitglieder und Anhänger der Vaterlandspartei waren? Bis in die Reihen der Sozialdemokraten hat die Vaterlandspartei Anhänger gehabt. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten. Die Vaterlandspartei wollte dem Baterlande in der Seelennot eine moralische Stütze geben und den Siegeswillen aufrecht erhalten. Wenn die Persönlichkeit des Grafen Westarp hineingezogen ist, so kann ich auch auf die Führer der Demokraten, Müller-Meiningen, Heckscher und Wiemer, hinweisen. Es kommt aber darauf an, alle Verdunkelungen und Verschleierungen zu ungunsten der geschichtlichen Wahrheit auszuräumen. (Lebhafte Zustimmung Techts. Ironische Rufe links; Sehr richtigly Sie (zu den Sozialdemokraten werden wohl schon heute im stillen Käm— merlein in sich geh nd die uns bedauern. Gärm und erregte Meine
Herren, schämen
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Ministerpräsident Bauer: Ich halle nicht, wie Herr Haase behauptet, einen gesetzlichen Arbeitegwang angekündigt, sondern aus— drücklich erklärt, die Regierung denke nicht daran, mit Zwangsmaß⸗ nahmen vorzugehen, wie die Sowjetregierung in Rußland und Ungarn. Ich erwarte, daß Herr Haase diesen Bericht in der „Freiheit“ richtig⸗ stellt. Herr Haase meint, der österrcichische Stantesekretär Otto Bauer sem ein vollblütiger Sozialdemokrat, während ich alle sozialistischen Grumsätze verleugne. Deutschland ihat aber für die Demokratisierun und den Sozialismus bisher mehr geleistet als Oesterreich. Die Vor— lage über die Betriebsräte wird noch in dieser Woche dem Reichstage zugehen, und auf dem Gebiete der Scezialisierung ist in Deutschland auch mehr geleistet als in Oesterreich. Die Behauptung des Abge⸗ ordneten Schultz, die Regierung habe durch die Zulassung politische Streiks das jetzige Elend herbeigeführt, verkennt Ursache und Wirkung. Die Streiks in diesem Ausmaß sind die Folge der ver— brecherischen Politik der herrschenden Klassen bis zur Revolution. Der politische und wirtschaf iche Zusammenbruch ist eine Folge Ihrer . rechts) Politik. (Sehr wahr! bei den Scgialdemokraten.) Daß ttzige Regierung Sclidarität mit der alten Regierung an den Tag e, das könnte Herrn Schultz gefallen. Aber er vergißt, daß zwischen er alten Regierung umd uns eine Revolution liegt und der völlige virtschaftliche und politische Zusammenbruch des deutschen Volkes; für ie Sünde des alten Regimes Verantwortung zu übernehmen, muß ie neue Regierung ablehnen. Sie würde sonst Selbstmord begehen. Der Abgeordnete Schultz nennt den früheren Kaiser einen Friedens— aiser. Ich habe dessen Person immer außer Betracht gelassen. Sie täten gut, ebenso zu handeln: wenn wir uns dgrüber quseinander— setzen wollten, dann würde der von Ihnen so sehr geliebte deutsche Kaiser sehr schlecht abschneiden. Wir wollen aber dieses Material ruhig dem Staatsgerichtéhof unterbreiten und dessen Urteil nicht vor— greifen. Dann wird sich zeigen, daß auch der frühere deutsche Kaiser nicht so ganz unschuldig an dem Erhbeben ist. (Zwischenruf des Ab⸗ geordneten Mumm) Heyr Mumm, Sie sind immer furchtbar vor— eilig. Wir wollen nicht vorgreifen, beim Staatsgerichtshof wird vielleicht ein etwas ungünstigeres Urteil herauskommen, als Sie e. warten. Maßvoller kann man sich nicht ausdrücken. Die Aus⸗ führungen des Herrn von Graefe sind durch den Verlauf der Debatte schon in Das rechte Licht gerückt. Wenn er die Aesicht gehabt hat, das Signal zu einer siegreichen Apposition zu geben, so hat er sich in schnéllem Tempo totgesiegt. (Beifall links.) Er sprach don einer scheinbar republikanischen Mehrheit in diesem Hause. Wenn er dann beabsichtigt hat, unsere Republik lediglich als eine durchsichtige Verkleidung des alten Kaisertums hänzustellen, so erkläre ich demgegenüber: Eine Rückkehr der Monarchie ist für alle Zeit ausgeschlossen. (Rufe rechts: Abwarten) Es ist eine Täuschunng,
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wenn er behauptet, in der Republik würden die Regierungsposten nach Parteigesichtspunkten verteilt. Früher war das so. (Widerspruch und Rufe rechts: Leider nicht! Jetzt kommt nur der an die Spitze, der sich bewährt hat und wer das Vertrauen des Volkes besitzt. (Gelächter rechts Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß Sie (nach rechts) uns immer unsere Vergangenheit vorwerfen. Wir sind stolz auf diese Vergangenheit (Beifall links) und wir lachen über den Dünkel und den Hochmut, mit dem Sie über uns aburteilen wollen. (Beifall links.) Der Abgeordnete von Schultz (Zuruf und Heiterkeit) hat gemeint, unsere Gegner hätten uns nach dem Friedensangebot von 1916 so unverschämte Forderungen gestellt, daß daran jede Möglichkeit eines Verständigungs⸗ friedens gescheitert wäre. Das ist nicht richtig. Die Fogländer haben allerdings weitgehende Forderungen aufgestellt, aber sie haben immer wieder ihre Berejtwilligkeit, zu einer Verständigung erklärt, sohald Deutschlend einmal seine Kriegsziele wirklich klar umschrieben bekanntgeben würde. Das hat aber die deuische Regierung stets ab⸗ gelehnt oder wenigstens vermieden. (Sehr richtig! links. Nun ver— sucht die Deutschnationgle Volkspartei schon seit Wochen der Reichsregierung und den Mehrheitsparteien die Schuld an dem Zusammenbruch zuzuschieben. Unter dem Druck dieser Tägen— kampagne hat Reichsminister Erzberger am Sonnabend den ceheimen Notenwechsel bekanntgegeben. Darauf sind inzwischen schon Erklärungen des früheren Reichskanzlers Michaelis und des Generals Ludendorff erschienen. Gegenüber diesen beiden Erklärungen, die an sich ganz unschuldig aussehen und die es fast als rätselhaft erscheinen lassen, warum unsere Bereitwälligkeit zur Wiederherstellung Belgiens, die Herr von Kühlmann als die unbe— dingte Voraussetzung jeder Friedensanbahnung bezeichnet hatte, nicht ausgesprochen worden ist, gebe ich Ihnen zwei Nöederschriften aus jenen Tagen bekannt. Die eine rom 12. September 1917, also vom Tage nach dem Kronrat xon Herrn Michaelis an den Herrn General— feldmarschall von Hindenburg gerichtet; die zweite vom 15. September 1917, die Antwort Hindenburgs enthaltend. der eine Denkschrift Ludendorffs beiliegt. Wenn Sie diese beiden Schriftstücke zur Kennt— nis genommen haben, werden Sie rerstehen, warum auf eine prözise Anfrage bezüglich der Wiederherstellung Belgiens keine präzise Ant— wort erfolgen konnte. Herr Michaelis schreibt unter dem 12. Septem⸗ ber 1917 an Hindenburg: Nach Abschluß der gestrigen Verhandlungen unter Vorsitz Seiner Majestät des Kaisers drängt es mich, Ihnen und dem General, Ludendorff den Dank dafür auszusprechen, daß Sie beide in so weitsichtiger Weise und weitab vom einseitigen Stand— punkt militärischer Gesichtspunkte mich darin unterstützt haben, maß⸗ volle Kriegsziele für den Kall zu umhrenzen, daß wir bald, etwa im Herbst ober Frühjahr, zu Friedensverhandlungen kommen. Ich nehme als Forderungen der Obersten Heeresleitung, an denen unbedingt nach Ihrer Meinung festgehalten werden muß in unsere Verhandlungspläne auf, daß Sie beide zum Schutze unserer westlichen Industrie in erster Linie Lüttich und ein Sicherungegelände fordern. Daß Sie eide von dem wirklichen engen wirtschaftlichen Anschluß Belgiens einen Zustand erheffen, der den Belgiern in Zukunft aus rein egoistischen wärtschaftlichen Gründen ausgeschlossen ersckeinen lassen wird, mit uns in kriegerische Differenzen zu geraten, so doß daber, wenn für Belgien alles getan werde, was zur Sicherung des wirt— schaftlichen Anschlusses von uns gefordert wird was natürlich mehnere Jahre von den erstem Frieder sverhandlungen ah dauern würde — die militärische Sicherung fortfallen kann; Lüttich 2c. würde daher nur als Sicherheitsfaktor oder f gefordert
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auf Zeit werden. An Eure Exzellenz habe ich nun die dringende Bitte, daß, wenn die zu eiwartenden Besucher ins Hauptguartier kommen, die einer einseitig annektionistischen Richtung angebören lich selbst habe z. B. dem Grafen Westarp zureden lassen, einmal nach Oesterreich zu fahren) und döe von den großen Zusammenhängen bei den Bundesgenoffen wenig wissen und deshalb noch immer geneigt sind, einen Frieden be— züglich Belgiens auf der angedeuteten Grundlage als einen faulen anzusehen, ihnen, bon Ihrer, Auffassung Kenntnis zu geben, damit die erttemen Wünsche eingedämmt werden. Man muß den Leuten vorhalten, was die Feinde mit uns vorhatten und was wir erreichten: statt Vernichtung und Länderraub im Westen intakte Grenzen und die gesicherte Aussicht der Nutzung der Rohstoffe in den beseßzten Ge— bieten, günstige Wirischafts⸗ und Verkehrsentwicklung auf Eisen— bohnen und Wasserstraßen. Vorzugsvläke im Hafen von Antwerpen, Einfluß auf die deutschorientierte flämische Bevölkerung, Auferlegung zum Selhsttragen der von uns den Nachbarn zugefügten schweren Schäden, Ausschaltung des — englischen Einflusses an der Küste Flanderns und Nordfrankreichs und die Forderung des Rückerwerbes unserer Kolonien als Ausalenchbscbiekt. Ich habe darauf die Antwort Hindenburgs vom 15. September: „Ich werde Eurer Exzellenz Wunsch entsprechend helfen, um führende Männer über unsere Absichten mit Belgien aufzuklären, über die zwischen den maßgebenden Faktoren nunmehr für den Fall Klarheit besteht, daß wir in diesem Jahre einen Frieden erhalten. Ich ver— hehle mir nicht, daß in der Marine und in weiten patriotischen Kreisen ein Verzicht auf die flandrische Küste als ein schwerer Schlag empfunden wird, der nur dann gemildert wird, wenn die auch von Eurer Exzellenz der Marine zugestandenen Kompensationen zur Tat werden. Ich sehe mit General Ludendorff diese Kompensationen in Stützpunkten in, und außerhalb unseres Kolonialxeiches. Zu zwei Punkten darf ich noch einfügen: Die wirtschaftliche Angliederung
hafte Zustimmung links.)
Belgiens an Deutschland wird ohne einen Druck auf Belgien auch nach Friedensschluß nicht gehen. Hierzu wird eine mehrjährige Okku— pation dienen, die aus militärischen Gründen auch nötig werden wird, wenn England und Amerika Frankreich räumen. Ueber die mehr— jährige Skkupation hinaus muß die deutsche Stellung in Lüttich wirken. Sie hat als Hauptzweck den unmittelbaren militärischen Schutz des niederrheinisch-westfälischen Industriegebietes. Nur wenn wir in Lüttich als Besitzer unbeschränkte Herren der Lage sind und bleiben, können wir die erforderlichen militärischen und Verwaltungs⸗ maßnahmen treffen. Ich vermag mir daher nicht zu denken, daß wir in irgend einer absehbaren und vertragsmäßig festgesetzten Zeit aus Lüttich herausgehen könnten,“ — (mit erhobener Stimme) und das nennt Michaelis schmachpolle Kriegsziele. (Widerspruch rechts, unge— stümer Lärm links. Rufe: und Ludendorff wußte nichts) Weiter heißt es in dem Schreiben: Die Auferlegung zum Selbsttragen der von uns den Nachbarn zugefügten schweren Schäden wird schwerlich von irgend jemand als ein betonenswerter Gewinn aufgefaßt werden. Die schweren Schäden, die wir den Nachbarn zugefügt haben, sind eine unvermeidliche Notwendigkeit des Krieges gewesen. Das Zu— geständnis, daß Entschädigungen dafür in Frage kommen könnten, darf bei unserer militärischen Lage nicht vorausgesetzt werden. Wir dürfen auch dem Ausland gegenüber das nicht verlautbaren. Soweit ich unsere Psyche kenne, glaube ich bezweifeln zu können, daß in der Tat⸗ sache, daß der Feind uns zerstückeln wollte und nicht erxeichte, als irgend ein Trost für ein etwaiges Nichterreichen unserer Ziele anzu⸗ sehen ist. General Ludendorff hat in der anliegenden Denkschrift seine Aecußerungen in Berlin zusammengefaßt und in Bezug auf Longwy⸗ Briey auf Landwirtschaft und Ueberseehgndel erweitert. Die Denk— schrift deckt sich mit meiner eigenen Auffassung vollständig. Und schließlich die entscheidende Stelle aus der Ludendorffschen Denkschrift, die eine eigenartige Beleuchtung für die im Kronrat gefundene Formel über Belgien ergibt. „Um so dringender ist die unversehrte Erhaltung des niederrheinisch⸗westfälischen Industriegebietes. Was die flandrische Küste für Luftangriffe auf England für dieses Land ist, das ist dis Maaslinie bei Lüttich in noch erhöhtem Maße für das Industrie⸗ gebiet. Wir müssen das Gebiet zu beiden Seiter der Maas und süd— wärts bis St. Vith fest in der Hand behalten. Daher sehe ich nur in der Einverleibung durch das Deutsche Reich das Mittel, dies zu erreichen. Ob es ein anderes Mittel gibt, muß ich dahingestellt sein lassen. Vorläufig scheint es mir noch nicht gefunden. Der Besitz der Maaslinie allein genügt nicht, um dem Industriegebiet die erforder— liche Sicherheit zu geben. Wir müssen ein englisch⸗belgisch⸗französisches Heer noch weiter zurückschieben. Das kann nur dadurch geschehen, daß Belgien wirtschaftlich an uns, so eng geschlossen wird, daß es auch seinen politischen Anschluß an uns sucht. Der wirtschaftliche Anschluß wird ohne starken militärischen Druck — längere Okku— pation — und ohne Besitzergreifung von Lüttich nicht ins Werk zu setzen. sein. Die Neutralität Belgiens ist ein Faktum, mit den praktisch nicht gerechnet werden darf.“ Aus diesen Schrift— stücken ergibt sich, daß bezüglich Belgiens keine befriedigende Antwort gegeben wurde. Keine neutrale Macht der Welt hätte angesichts der wachsenden Teilnahme Amerikas einen so völlig unzureichenden Vorschlag über Belgien weitergegeben. Es hieß zu jener Zeit, da es einen vollen Verständigungsfrieden nicht geben könne, müsse man den Krieg gewinnen oder verlieren. Ich Verzichte auf weitere Schlußfolgerungen. Wer stand nun hinter de Vaterlandsnartei und liefere ihr die reichen Mittel für annektionistiscks Raserei? Wie Fakire tanzten sie um das Volk und trieben es in ihrer Verblendung in den Untergang. (Zuruse rechtzf. Abgeordneter Traub: Schauspieler! Tosender Lärm links. Rufe: Politische Schurken! Vaterlandsverräter! Der Präsident läutet, nur ab= gerissene Worte des Redners dringen durch.) Das deutsche Volk wird Sie zur Rechenschaft zieben! (Erneute wilde Zuruse links. Ver— brecherbandel, Traub! Andauernde stürmische Bewegung.) Ich frage, wo kamen die Msttel her? (Erneuter großer Lärm) Von dem feudalen Adel und der Schwerindustrie, der Schwerindustrie, die lange Jahre eine wahnsinnige Propaganda sür ihre Annektionen getrieben hat. Eines lernen wir aus diesem Kriege nämlich: daß ein Volk sich nicht besser schützt gegen die Wöederbolung solcher Dinge, als wenn es die reichen Errerbequellen, die die Großindustrie besitzt, in den Besitz der Allgemeinheit überführt. (Stürmischer Beifall links. Andauernde große Unruhe.) Ich beabsichtigte nicht, Neues zu sagen (Zuruf: Nee! Große Heiterkeit, hier Oel ins Feuer zu gießen. Wir wollen ein unparteiisches Gericht. Neéch diesen wenigen Proben aber sollen Sie sich (nach rechts) gesagtz sein lassen: wir sind zu jedem Fampfe bereit, Wir haben nichts zu vertuschen, wir wollen nicht, daß das neue Deutschland mit den alten Schulden belastet wird. Gegen die Agitation, ob sie von rechts oder von links gefördert wird, gibt es
nur ein Gebot (Zuruf: Arbeit! Große Heiterkeit, die auf der Linken
zu stürmischer Entrüstung wird. Der Präsident läutet, während ein tosender Lärm ausbricht) Bei Fhren Klassengenossen, da gibt es Existenzen genug, die arbeiten sollten. (Neuer großer Lärm.) Wir wollen Reichter, um der Gerechtigkeit freien Lauf zu lassen. Der Staatsgerichtshof wird über Schuld und Unschuld am deutschen Volke entscheiden. (Stürmischer Beifall links. Zischen rechts.) Vizepräsident Haußmann: Der Ministerpräsident hat von der Gewisserlesigkeit des Aboeordneten von Graefe gesprochen. Dieser Ausdruck verstößt gegen die Ordnung des Hauses. Ich bitte, ihn nicht zu wiederholen. (Heiterkeit und Beifall.) . Meichsfinanzminister Erzberger: Nach den Ausführungen des Ministerpräsidenten könnte man sich jedes weitere Wort, nachdem Sie die Kenntnis der gusschlaggebenden Dokumente erhalten haben, schenken. Sie haben eine Vervollständigung des Bildes der untilgbaren Schuld gegeben, die am deutschen Volk verübt worden ist. Gebhafte Zu⸗ stimmung. Widerspruch rechts.) Alle Angriffe und Kundgebungen gegen meine Rede sind nur zu Ausgangspunkten neuer Bestätigungen meiner Ausführungen geworden. Diese sind nicht in einer einzigen Zeile entkräftet worden. Wer wie der Abgeordnete Schultz die welt⸗ geschichtliche Bedeutung des Briefes des Nuntius Pacelli vom 13. August nicht anerkennt, wer, wie er, die belgische Frage nicht als die Kernfrage ansehen will, mit dem ist politisch überhaupt nicht zu verhandeln. (Cebhafter Beifall links. Widerspruch rechts. Deutsch— land ist der Wunsch Englands und Frankreichs nach Aufklärung üben die belgische Frage bekannt geworden. In dem Brief des Nuntius Pacelli war klar zum Ausdruck gebracht, daß eine versöhnliche Antwort die Friedensverhandlumngen erleichtern würde. Die Voraussetzungen für ihre Anbahnung waren erstens eine bestimmte Erklärung Deutsch⸗ lands über seine Kriegsziele, zweitens eine bestimmte Erklärung über Belgien. Der Brief ist am 13. August abgegangen. Warum er erst am H. September eingetroffen ist, weiß ich nicht. Die Antwort erfolgte am 24. September. Das sind nahezu vier Wochen. (Dis Ausführungen des Ministers werden auf der rechten Seite ständig durch Zurufe unterbrochen.) Die paar Tage ändern am Kern der Sache gar nichts. Eebhafte Zustimmung links.) Sie Gur Rechten) ver— suchen jetzt noch eine Verschiebung des Streitpunktes wegen Ihres schlechten Gewissens. (Großer Lärm rechts. Andguernder Beifa links) Von Ihnen ist jeder Gedanke eines Verständigungsfriedeng systematisch bekämpft. Gegen alle Personen, die sich in den Dienst des Verständigungsfriedens gestellt haben, arbeiteten sie in einer Art und Weise, die in der politischen Geschichte der letzten hundert Jahre unerhört ist. (Widerspruch rechts. Lebh. Beifall links) Was ent—
hielt nun die Antwort über Belgien? Angeblich wollte man noch nicht
in der Lage sein, darüber eine Erklärung zu geben. Diese Erklärung ist aber niemals gegeben worden. Das steht aktenmäßig fest. (Großer Lärm rechts) Damit scheiterte der Fortgang der angebahnten Fühlung— nahmz. Der Blutkampf ging weiter. (Lebh. Bewegung.) In Deutsch⸗ land hat man dann scharf zu machen versucht gegen die Friedensidee mit dem Hinweis, wie oft haben wir den Frieden angeboten? Die Gegner haben aber nicht einmal die Friedensnote des Papstes beant⸗ wortet, So hetzten sie gegen die Friedensidee. Warum aber hatte das Ausland nicht auf die Papstnote geantwortet? Weil seind Zwischenfrage unbefriedigt erledigt, war. (Große Unruhe rechts. Keb— Die offizielle, Papstnote war selbstöerständ⸗= lich erst ergangen nach vorheriger Fühlungnahme mit den beiden
Mächten, Und zwar als die Friedensresolution des Reichstags bereits Horlag. Diese hat ihre volle Wirkung getan. Sie hat nicht zum ziele geführt wegen der Stellungnahme der Obersten Heeresleitung, der R gierung, er Vaterlandspartei und der Parteien der Rechten. Cebhafter Beifall links) Konnte es für den Staalsmann an' der Spitze Deutschlands irgend eine günstigere diplomatifche Situation Kren als die zu Ende August?
zor, Guruf rechts: Kriegslist! die sich deckte mit der offiziellen Stellungnahme der Regierung, der Parlamentsmehrheit und der un— seheuren Mehrheit des deutschen Volkes. Die Regierung hatte sich fach außen öffentlich festgelegt im Sinne der Antwort.“ iese groß- Glance wurde nicht ausgenützt. Wer trägt die Schuld an Diesem voll⸗ ständigen Fiasko aller Friedenevorarbeit? Graf Westarp namens der Konservatipen, die rechtsstehende Presse und die rechtsftehenden Par⸗ ten, die Vaterlandspartei! (Andauernde große Unruhe rechts. Leb⸗ hefter Beifall links Mein Angriff bleibt bestehen, ich nehme kein Wort daben zurück. (Zuruf rechks: auch Zentrumsabgeordnete haben gegen Jie Friedensresolution gestimmt) Jawohl! Es ist ein öffent— sctes Geheimnis, daß sieben Mitglieder der Zentrumsfraktion gegen die Friedensresolutian gestimmt haben. Ist aber einer wiedergewählt der aufgestellt? Sie sind vom Willen des Volkes hinwegg fegt!
Die Instanzen, die an der unmöglichen Antwort mitgewirkt haben,“
tifft ein ungeheures Verschulden. Luzendorff telegraphierte ani b. Oktober 1917 an Heiff rich, daß hinsichtlich Belgiens vollendele datsachen geschaffeen werden sollten. Man mutete Belgien noch viel limmeres zu als nur eine Annexion. Diese wäre für Belgien mit Rechten hinsichtlich der Vertretung im Reichstage und der Verwaltung bebunden gewesen. Diese wollte man Belgien aber nickt einmal zu⸗ getehen. Helfferich antwortete damals Ludendorff, daß er seine Auf— ssung über die rechtzeitige Schaffung von vollendeten Tatsachen hin= icht: ich Belgiens teile. Nun erzählt dennoch Helfferich in der heutigen „Kreuz zeitung. von einem Kronrat in der gleichen Zeit, der die bedin= pungslose Wied erherstellung der Souveraͤnität Belgiens beschlossen hätte. Cebhafte Bewegung) Jeder hat damals etwas anderes ge⸗ hn. Eine konfusexe Regierung wie die vom Septeniber 1917 st eben garnicht denkbar. (Ändaumrnde Unruhe rechts. Große Bepegung links) Hier steht man vor unlösbaren. Wider— prüchken. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und inks.) Wir wurden damals fast fußällig gebeten, auf unserm Verlangen fach einer Erklärung über Belgien nicht zu verharren, denn es würde
and deise cne befriẽbr dend 36 ö 36 8 uf andere Weise een befr ed gende Erklärung über Belgien an die Fntente gelangen.
Diese Erklärung eber konnte der Reichskanzler nicht wagen, dem deutschen Volke mitzuleilen, sonst wäre er fort— liagt worden und das Volk hätte sickon damals die Hügeh fesbst in die hand genommen. Wir sird damals vom Reichskanzler Michaelis megeführt worden. Hätte uns eine solche Crklärung den Frieden sihergebracht? Es war ein offenkundiger Zwiespalt zwoschen den üiklärungen und dem Handeln, der Regierung. Man wollte erst nach Eblauf einiger Zeit lediglich eine allgemeine Antwort erteilen. Das e i gn, r N . 38 r,, 6 ö ; t, die aksichtliche Verzögerung. Der Beschluß des Kronrats konnte sickt mitgeteilt werden, denn er wäre als eine Brüskserung des Ver— ittlers aufgefaßt worden. Ist denn überhaupt dieser Kronratsbesckluß irgendeiner Form zur Kenntnis der Regierungen gelangt? Das st der Kernpunkt. Statt den diplomatischen Weg zu gehen, wollte han den Seitenweg eines neutralen Diplomaten gehen. Können sich e Herren ein Bild davon machen, wie die Ablehnung der Answort, le schriftlich erbeten war, nicht nur auf den Vermittler. sondern auch f Frankreich und England wirken mußte? Warum ist der Heilige Eiuhl ausgeschaltet⸗ worden? Darauf gibt heute Herr Michaelss mne mehr als befremdende Antwort, die die Unfähigkeit dieses Mannes n Leitung der Geschäfte zeigt. In der Oeffentlichkeit hat Michaelis n Papstnote zugestimmt, unter der Hand erklärt er jetzt, der Heilige tuhl bot nicht die Sicherheit urbäedingter Vertraulichkeit. Das ist fe schwere Anklage eines politischen Stümpers gegen die beste pplomatie der Welt. (Große Unruhe) Shne eine Spur von weis wagt dieser Herr heute einen solchken Satz in der Oeffentlich⸗ kt zu werkreten, und fügt damit eine schwere Kränkung der Stelle nn die sich als Vermittler zu unsern Gunsten anbot. Er selbst steht, daß die Besprechungen im Kronrat nicht verborgen geblieben id. Er beschwert sich über Indiskretionen. Konnte danach noch tendein neutraler Vermittler sich auftund Mächaelis sagte, ich sei mr ihm von dem Schreiben des Papstes unterrichtet gewesen. Wort 1d Inhalt des Schre bens habe ich nicht gekannt, sondern nur die galsache, daß ein solcher wichtiger Brief in der Friedenssache ge— fimmen sei. Man hat mich ja gerade ausgeschaltet: Erzberger sollte lar nichts wissen. Der frühere Reichskanzler erklärte heute, daß zberger nichts wissen duifte. Die Antwort auf das Schreiben unte ich auch nicht. Der Nuntius hat mir den Inhalt nicht gesagt. lißerdem war ich an das Ehrenwort gebunden, nichts darüber zu gen, das mir der Nuntius und der Reichskanzler abgenommen htten. Ich habe das Ehrenwort gehalten. Meine Freunde und auch kemand sonst hat über die Dinge etwas erfahren. Hätte ich etwas siagt, so hätten sie mir wicder Indiskvetionen vorgeworfen. Sie ben ein verwerfliches doppeltes Spiel. (Großer Tärm rechts.) de Unterstellung des Reichskanzlers Michaelis, daß ich einer In— Fkretion fähig gewesen wäre, weise ich mit schärfstem Aucdruck die letzte Ausflucht eines schwer Beschuldegten zu nück. Der Reichs mnöer Michaelis sagte, eine entgegenkommende Erklärung hätte die gahandlungen zu unseren Ungunsten verscheben. Eineh hilfloseren Emvand habe ick noch nie Lon einem Politiker und Staatsmann gehört. Hie will man denn zum Frieden kommen, als indem man gegensestig ine Ziele angibt. Nur dos abnorme Denken eines alldenischen Kopfes nn dabei etwas finden. Man hätte ja eine befristete Antwort geben nnen, und wenn die Entente darauf nicht einging, konnte man später he andere Antwort geben. Aber dieser Weg wurde micht gewählt. ie Friedensmöglichkeit ist veneitelt worden durch die Schuld Deutsch— nde, (Ruf rechts: wenn sie eine war! Das sagt niemand deutlicher 6 Michaelis. Wenn er davon spricht, daß die kriegerischen Parteien n, Deutschland, England und Frankreich sich der Angelegenheit be— sichtigen, und das sind die Konserbativen die Tamalsgen National— beralen und die deutsche Reichspartei. (Abg. Schultz Bromberg): sotzdem sollen wir für Michaelis verantwortlich sein) Für Michaelis bt, aber Sie haben sich gegen die Friedensmöglichkeiten gewehrt. üäm rechts.) Sie haben erklärt, ein Verständigungsfriede würde eutschland ruinieren, er dürfe nicht geschlossen werden. (Lärm rechts.) Ih habe bewiesen, daß die deutsche Regierung auf dem gebotenen Wege ine Antwort gegeben hat. (Abg. Schultz-Bromberg: 19 Tage!) Ich mee einen solchen Vorwurf geradezu unerhört, nachdem ich erklärt
Fabe, daß ich den Inhalt des Schreibens Nicht kannte und veipflichtet
, nicht zu sagen, daß ich wußte, daß Lin solcher Brief existierte. m Herr Schultz verlangt, ich hätte bei meinem Einfluß auf ichaelis für eine Aenderung des Beschlusses sprechen sollen, fo ver nt er, daß ich General Ludendorff beseitigt hätte. Ich habe damals „ deutsche Volk gewarnt, aber in meinem Wahlkreis Um hat man „ Berboten, überhaupt über den U-Bootkrieg zu sprechen. Das illtär verfuchte eine Anklage wegen Hochverrat und Landesberrats Ren mich. So ging man gegen die Männer vor, die für einen Ver— iidigungsfrscden arbes teten. Sie wagen beute ein Wort darüber zu. fen. Das ist eine politische Dreistigkeit, wie sie im parlamentarischen dien noch nicht borgekommen sst. Große Unruhe rechts,. Präfident chrenbech; Ich glauße, daß dieser Vorwurf fich nicht gegen bestiminte Perren der deutschnationglen Fraktion richtet, sondern gegen die Vater⸗ ndẽpartei und die früheren Parteien im Reichstage. Wenn die rien sich besonders getroffen fühlen, so meine ich (Lachen rechts), mn die Herren nur den Ernst bewahren, wenn der Präsident spricht. iht wahr! inks, Es ist kein erfreuliches Bild, vom Präfidenten— tz immer diesen Hohn wahrzunehmen. Ich hahe keinen Anlaß, ein⸗ reiten, aber ich bitte den HMinister, er möchte seine Angriffe imer 14 Vaterlandspartei und die Alldeutschen richten. Gern, die . sind immer mitgemeint. (Heiterkeit; Damals wurde es zwar . Verbrechen angesehen, aber ich habegimmer dafür aearheitet, 6 unfähigen Mann zu beseitigen, Die „Hamburger Nachrichten ) . ein angebliches Schreiben des Grafen Czernin veröffentlicht, 3 nf, heißt, er hahe mich zur Rechenschaft nach Wien zitiert. stelle fest, ich bin nicht nach Wien zitiert worden, und ich haͤtle
eben als ̃ de Eine neutrale Macht legte ohne“ zwischenträger eine mündliche Vermittlung, eine schriftliche Aeußerung
auch einem solchen Rufe gar nicht Folge geleistet. Die Aussprache, die ich mit dem Grafen Czernin darüber gehabt habe, fand im September 917 in Berlin statt. Ich erinnere mich desfen ganz genau und ich (innere mich sogar noch Ler Einzelheiten, wie z. B. damals der Abg. Graefe hinter meinem Automobil hergesprungen ist. (Stürmische, Lang andguernde Heiterkeit. Ich protestiers gegen bie Behauptung des Derrn Schultz, daß ich eine höchst einfeilld Barftellung gegeben hätte. Ich habe objektiv an der Hand von Tatsachen die Aktionen im Zusammenhang behandelt und ich faffs meine Antwort dahin zu— sammen: die deutschnationgle Volkepartei als Nachfolgerin der Kon— servativen, der deutschen Reichspartei, der Vaterlandspartei (Wider— ruch und Zunufg rechts: Wie kommen Sie zu einer solchen Ve— hauptung? Wir sind eine vollkommen neus Partei! Heiterkeit und Gelächter) In Ihren (nach rechts) Reihen sitzen doch die Herren von Graefe, Schlele, Roesicke, Dietrich und ele andere, die ich momentan nicht sehe. (Sehr richtig! Ich fage; die Deutfchnatipnalen sind es gene sen, die wahrend des Krieges östematisch Ken Geranken des WVerständigungsfriedens mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln bekämpft haben, fie, haben ale bie, bie * für'etne solchen Frieden eingetreten sind, in der uncthörtesten Wesse beschimpft und begeifert, indem sie ihnen sogar die Vaterlands— liebe 4bgesprochen haben. Allerdings, diese Partei wäre ncht so, mächtig gewzsen, denn, sie war immer eine! Minde?! eit, (Sehr richtig, wenn nicht die Heeresleitung immer mit dieser Partei marschiert wäre und wenn nicht die politische Leitung von einer geradezu unsagbaren Schwäche befallen gewesen wäre. (Sehr richtig! und Zustimmung.) Und dieses Spidl haben Sie (nach rechts) sortgesetzt bis in das Jahr 1918 hinein. Noch im April 1918 haben Sie Petitionen verbreitet, in denen Ste verlangten. die Reichsregierung möchte unmweideutig den Bestrebungen entgegentreten, die auf dem Boden des sogenannten Selbstbestimmungsrechts der Völker einen Frieden ohne Entschädigung und ohne Annexionen verlangten. Jede Gelegenheit, wo sich uns die Möglichkeit geboten hätte, mit Grenz— nachbarn ruhig in, Frieden zu leben, haben Sie (nach rechts) bekänm t und wwissentlich sabotiert. Ich erinnere nur an das Schickfef, welches die Polenfrage erlitten hat. Unter dem 29. April 1918 hatte der pol nische Ministerpräsident ein Schreiben an die Reichsregierung ge⸗ lichtet, in dem er dem deutschen Wolke ein Bündnis ancebeten Hatte zuf der Basis der territorialen Unverletzlichkeit von Kongreßpelen. Damals ist es Ter Abgeordnete Schultz gewesen, der mit allen Mitteln dagegen gearbeitet hat; der die phantastischsten Annexion spläne gegen⸗ über Polen vertreten hat und der es auch erreicht hat, daß auf dieses Fchreiten. überhaupt keine Antwort erteilt wurde. Hört, hörhh Und ãhrlick war es in Litauen und in Kurland. In einer Zeit, wo unsere Söhne und Brüder im Felde verbfuten mußten, stritt man sich über Herzogshüte und Königekronen. Da braucht mam sich wahr⸗ baftig nicht zu wundern über die koloffale Abfchwächur n des monarcht? scken Gedankens im ganzen Reiche., (Beifall und Zustimmung.) Und an, ein solches verbreckerisckes Treiben sollte man beute nickt erinnern? Wir haben mit der alten Regierung in diesen Dingen nichts zu tun. Zurufe rechts: Wir etwa?) Gen, formell und nominell batten Sie nichts damit zu tun, aber tatsächlich beherrschten Sie doch die Regierung, mit der Sie aufs engste versckwägert und verschwistert waren. Ich brauche ja nur an die Tragikomödie im Reichstag er— innern, als der Abreordnete Stresemann auftrat und zur polnischen Frage erklärte: „Als Politiker sehe ich sehr gut ein, daß es vom deutschen Standpunkt. aus unmöglich ist, daß wir nock 2— 3 Millionen Polen befommen sollen, da es aber die Sberste Hecresleiturn ber= hngt, stelle ich meine politiscken Vedenken zurück und stimme für be Annexion des umstrittenen Hundertkilometerstreifens.“ Nicht die Revolution, nicht die, die für den Fröedensgedanken eingetreten, sind, sondern die militäriscken Kreise, unterftützt von den Agitation der rechtsstehenden Parteien, sind sckuld an diesen historiscken Tatsachen und schweren Untenlassungen. Deshalb kann ich Ihnen nur raten: führen Sie diesen Kampf nicht weiter. Wir von' der Regierung stehen auf dem Plan, unser Material ist ungeheuer groß. Zuruf echts: Unseres guck! Und wenn Sie diesen Kempf nit einzelnen Aktionen weiterführen wollen, so werden Sie die Regierung zwingen, auf jede Einzelaktion mit noch größerer Schärfe vorzugehen. Zurufe rechts, Sie wollen den Kampf? (Rufe rechts: Ja!? Dann sollen Sie ihn beben. Aber dann mögen See sich auch nickt beschweren, wenn es Ihnen dabei recht schlecht geht. Die Regierung wird das Rnze Maggrial, veröffentlicken. Nächste Woche kommt die Denkfchrist über die Vorgänge heraus, die zum Waffenstillftand geführt haben, die Angrisfe, die gegen mich persönlich gerichtet worden, find voll- kommen in sich zusammengefallen. Im übrigen stelle ich fest, Sie uf der Rechten sird die allein Schuldigen am Unglück unseres Vafer— landes! (Stürmischer Beifall bei den Mehrheitsparteien, Wider— spruch und Zischen rechts.)
— Prenßischer Landwirtschaftsminister Braun: Der Abgeordnete Schultz hat es so dargostellt, als ob die Bewaffnung der Peitglleder es Landbundes auf. Grund der Verordnung über die Biltung von Einwohnerwehren erfolgt sei. Davon kann gar keine Rede fein. Wäre es der Fall, so hätte man es nicht nötig gehabt, die Sacke geheim zu verhandeln und die Waffen als landwirsschaftliche Mafchi nen zu dekla— rieren. Es hat sich auch gar nicht darum Cebandelt, die ländliche Be⸗ völkerung vor Plünderungen zu schützen. Ist es doch in einem Falle vorgekommen, daß, während Verhandlungen zwiscken Arbeitgebern und Arbeitnehmern stattfanden, plötlich ein militärisches Kommando sich einfand und einen Druck auf die Arbeitgeber auszuüben fuchte. (Hört, hört Ich habe es auch erst nicht glauben wollen, nad dem ich aber das Aktenmaterial des Landkundes in die Hände bekommen habe — Redner verliest eine Änzahl von Schrift— stücken = weiß ich, daß es sich kei der Bewaffnung um ganz andere Dinge handelte, als um die Verhinderung von Rikünderungen. Seit ich jn der Preußischen, Landes dersammlung meine Stellung. dargelegt habe, werde ich in der konsewativen Presse durch niederträchtig?. Verdächtigungen und Verdrehungen herunterge— zissen. so daß einem der Ekel vor solcher Moral ankommt. Die Deutsche Tageszeitung schreibt von der mit Unverschämtheit gepaarten Rede des Landwirtschaftsministers. Dahinter stehen diefelben Männer, die jahrelang im Hauptquartier ihr Wesen getrieben haben. Da kann man begreifen, daß das deutsche Volk jahrelang angelogen wurde.
Die Beratung wird abgebrochen.
Persönlich bemerkt
Abg. Schu ltz⸗Bromberg (D. Nat): Der Minister Erzberger hat gesagt, ich hätte gegen einen von der polnischen Regierung im April 1913 gemachten Vorschlag protestiert, wonach fich beide Lander ihren Besitzstand garantieren sollten. Ich habe solche Unterredung . . und auch keinem meiner Freunde ist etwas derartiges bekannt.
Reichsfinanzminister Erzberger: Ich mag mich in der Person irren. Aber ein Mitglied der Rechten hat sich in derartigem Sinne geäußert. Die Tatsache bleibt bestehen.
Abg. Hgase (. Soz: Der Abg. Gothein hat meine Dar— stellung der Vorgänge beim Friedensschluß bemängelt. Ich habe das auf Grund eigener Beobachtung getan, während Gotheésn gar nicht anwesend war.
Abg. b. Gr gefe (D. Nat.: Ich habe wohl mein Verständnis für den Beamtenstreik zum Ausdruck gebracht, aber selbstverständlich einen Streik mißbilligt.
Abg. Gothein (Dem.): Dem Abg. Haase erkläre ich, daß mein Parteifrgund Dr. Schiffer, der leider nicht anwefend ift, am R. Juni tatsächlich die volle Freihelt der Regierung hinfichtlich der Unterzeichnung zum Ausdruck gebracht hat.
Abg. Haase (. Soz): Es kommt darauf an, wie Tatsachen ausgenutzt werden. Ihm kam es nur darauf an, daß nur ja eine Unterzeichnung statkfand.
Abg. Gotthein (Dem): Wenn vexttauliche Verhandlungen in solcher Weise benutzt werden, wird es nicht mehr möglich sein, mit. Mitgliedern einer Partei vertraulich zu verkehren, die in jener ,,,, /,
Abg. Haase (U. Soz.): Es hat sich nicht um vertrauliche Ver⸗ handlungen gehandelt. —ᷣ— 2 Mm Diskussion. .
Abg. Gothein: Diesen Vorwurf weise ich mit Entrüstung
Sie versuchen jetzt eine Verschiebung den
; Nächste Sitzung Dienstag, 29. Juli, 1g Uhr , . Anfragen; Ie le der, , , Aussprache; Ver⸗ Schluß 7,3 Ir.
Parlamentarische Nachrichten.
Ueber den Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes wird von zuständiger Stelle mitgeteilt: Der Nationalversammlung geht gleichzeitig mit dem Entwurf über das Reichsnotopfer der Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes zu, das am 1. Januar 1920 in Kraft treten und gleichzeitig das Umsatzsteuergesetz vom 26. Juli 1815 außer Wirksamkeit setzen soll. Die Umsatzsteuer in, wie mit aller Deutlichkeit autgesprochen werden muß, eine Veibrauchsst uer größten Stils, die freilich eine Verteilung der auf den einzelnen entfallenden Steuerlast in unzählige Kleinteile bewirkt, sodaß die Steuer im allgemeinen dem Steuerträger kaum fühlbar werden wird. Aber wenn auch die Belastung für den ein elnen Verbraucher schärfer in Erscheinung trelen würde, so muß es doch jedem, der mit vollem Ernst die finanzielle Lage des Reiches betrachtet, klar sein, daß es schlechterdinss unmöglich ist, den Finanzbedarf des Reiches lediglich durch Belastungen bon Vermögen und Ein ommen aufzu— bringen. Die direkte Besteuerung wird durch die vorliegenden bezw. kommenden Steuergesetzentwürfe dis auf das höchstmögliche Maß ne⸗ steigert, gleichwohl würde ein Milliardendefijit im Reichs haushalt verbleiben, wenn nicht asch der Ve braucher mit zut Deckung der Ausgaben des Reichs herangezogen würde. Das Wort des gegen— wärtigen Reichs ministers der Finanzen, daß wir nicht die Frage selln könnten, ob es möglich ni, die erforderlichen Steuern aufzubringen, sondern, daß nur von einem gebie erischen Muß auszugehen ist, trifft ganz besonders auf die Umsatzsteuer zn. .
Die gleichmäßige Belastung aller Bedürfaisse mit einer anf den Verbraucher abgewälzten Steuer erfordert einen Ausgleich, der die Leistung und Steuerfähigkeit des einzelnen berücksichligt. Diesem Gedanken ist auch in der vorgeschlagenen Besteuerung des Umsatzes Rechnung getragen. Ein Ansatz dazu ist heieits in dem bestehenden Umsatzsteuergesetz in seinem Abschnitte über Luxusbesteuerung vor-
anden. Der vorliegende Entwurf verwirklicht nun in weitestem Umfange die Forderung, daß nicht nur ausgesprochener Luxus, sondern jeder entbehrliche Verbrauch vorbelastet werden soll.
Der Entwurf versucht fünf Aufgaben zu lösen;
I) Die notwendige Umarbeitung der Vorschriften des alten Umsatzsteuergesetzes, . ö
2) die Ausgestaltung der allgemeinen Umsätze durch Erhöhung des Steuersatzes bei dem Umsatz, mit dem der Gegenstand aus dem Zirtulationsprozeß verschwindet,
3) die Verlegung der bisherigen Luxussteuer in dem Umsatz vom Hersteller an dessen Abnehmer, gleichviel ob dieser ein Wiederveräuß rer oder ein letzter Verbraucher ist, und der Ausbau der Luxussteuer zu einem inneren Zolltarif fũr alle Gegenstände, die über die notwendigen Bedürfnisse hinausgehen, . ö
4) die Zufammenfassung der Lurusgegenstände, für die die Er⸗ hebung in der zu 3 angegebenen Form sich nicht empfiehlt, zu einer Kleinhandelssteuer in der Art der bisherigen Luxussteuer, ⸗ .
5) die Vorbelastung gewisser Leistungen, die nicht Lieferungen sind, aber ihrer Art nach eine höhere Belastung als 1 von 100 vertragen,
Die Umarbeitung zu 1) erhöht den bisherigen Satz der Umsat⸗ steuer von 9,5 auf 1 vom 190. Bie Ausfuhr wind an fich frei bleiben, gleichwohl kommt der deutsche Produzent gegenüber den ausländischen Wettbewerbern in Nachteil, weil die Steuer hereits auf allen Roh—= stoffen, Zwischenfabrikaten Hilfsstoffen, Maschinen usw. lastet, die zur Herstellung des Ausfuhrgutes erforderlich sind. Es mußt, schon in ofern wie überhaupt mit Rücksicht darauf, da die Steuer sich bei der Anzah der Umsätze, die ein Gegenstand durchläuft, vermehrfacht, dafür gesorgt werden, daß der Steuersatz sich in erträglichen Grenzen hält. Andererseits zwingt eie Finanzlage des Reiches den Satz so hoch zu bemessen, wie es nur irgend angängig erscheint.
Abgesehen von der Erhöhung des Sleusrsatzes bringt die Um⸗ arbeitung Bestimmungen, die den Grundgedanken der Umsatzsteuer mit größerer Klarheit als im bisherigen Umsatzsteuergesetz hervor= treten lassen. In dieser Richtung workt auch die Aufhebung von zwei Vorschristen, die sich im alten Umsatzsteuergesetz befinden; der § 7, des alten Umsatzsteuergesetzes, der dse Zwischenbesteuerung bei gemischten Betrieben vorsieht, und der 5 3 Rr. 3, der sich für die Befreiung kleinerer Unternehmer (bis 35000 M Umsatz) ausspricht, sind . worden.
er 5 7, der übrigens erst ein Jahr nach Friedensschluß in
Kraft treten sollte, hat sich schon vor seiner Einführung als unanwendbar erwiesen, weil es unmöglich ist, in gerechter Weise den Begriff „ gemischter Betrieb? auszulegen. Die Befreiun
kleinster Betriebe von der Umsatzsteuer war seinerzeit hauptsächli
gus steuertechnischen Gründen in das Gesetz aufgenommen worden. Man wollte sich die Veranlagung kleinster Betriebe sparen. Dieser Gedanke erweist sich aber als nicht stichhaltig, weil doch jeder Betrieb daraufhin gerrüft werden müßte, ob die Befreiungsvoraussetzung gegeben ist oder nicht.
Neben der höheren Belastung aller in unbestimmter Anzahl sich wiederh lender ÜUmsätze ist ( Aufgabe zu 2) eine einmalige Mebr— belastung des letzten Umsatzes vorgesehen. Die Steuer erhöht sich nämlich auf 5 von 160 des Entgelts bei der im Kleinhandel er— folgenden Lieferung von Gegenständen, die ihrer Beschaffenheit nach zum Gebrauch oder Verbrauch in der Hauswirtschaft bestimmt sind. Es soll dadurch Ware in dein Augenblick, in dem sie ihrer eigent⸗ lichen Bestimmung zugeführt wird, noch eine leßte im Jateresse der Gesundung der Reichsfinanzen notwendige stärkere Belastung er- fahren. Wirtschaftliche Bedenken hiergegen würden insofern bestehen, wenn auch der letzte Umsatz solcher Gegenstände getroffen werden würde, die von Gewerbe und Industrie gekauft werden, um vom letzten Kaufer im Produktionsprozeß verwendet zu werden. Es er— gibt sich die Notwendigkeit, von einer Besteuerung des industriellen Bedarss, auch wenn es sich um einen letzten Umsatz handelt, abzusehen. Dagegen muß sich de Kleinhandelssteuer, wenn sie eigen ausreichenden Erirag liefern soll, auch auf Lebensmittel erstrecken. Etwa die Hälfte des Gesamtverbrauchz des deutschen Volkes enthalt nämlich auch Lebensmittel. Wollte man sie aus der Besteuerung kerausnehmen, so näre die Kleinhandelssteunr ihres wesentlicken Objekts beraubt. Tatsächlich wird auch die Versteuerung der Lebent= inittel durch die Kleinhandelssteuer bei den Massenartikeln, wie Brot, Kartoffeln, Gemüse usw., für den einzelnen Verbraucher kaum 66 werden. Der Verbrauch bei der Errichtung von Bauwerken tebt dem gewerblichen Verbiauch sehr nahe. Er wird von der Be⸗ lastung freig lassen, zumal, da die Einbeziehung der Baumateriaften große Schwierigkeiten in der Abgrenzung gegen sonstigen gewerblichen Bedarf ergeben würde, denn Holz, Eisenfabrikate, Beion usw. werden nicht nur zum Hausbau, sondern auch im gewerblichen Produktionz⸗ prozeß gebraucht. 64 Die, Kle uhandelssteuer ist ein. Belastung des Massenverbrauchs. Die soziale Gerechtigkeit erfordert es, daß die hesser bemitte ten Klassen durch die Umbesteuerung stärker betroffen werden. Es wird infolgedessen notwendig, die Luxussteuer auszubauen. Das ist zunächst in der Weise vorgesehen, daß sich die Steuer auf jo v des Ent⸗
gelts bei lochen Ge enständen erböht, die den notwendigen Bedar des Paushalts übersteigen. Die erhöhte Steuerpflicht n nicht 11