1919 / 170 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 30 Jul 1919 18:00:01 GMT) scan diff

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doch öffentliches Geheimnis. Sie machen aber eine cause esle bre aus einer Unterredung, in der verschiedene Möglichkeiten durchge⸗ Mrochen sind. Man krauckt ja gar nicht an Annektion zu denken. Daß hier ein Gegensatz rorliegen soll, ist nur ein künstlich aufge . machter Agitationsstoff. Herr Rießer bekämpft den Staatsgerichts⸗ hof, hat aber die Vorlage selbst gar nicht genau durchgelesen. Er meint, der parlamentarische Ausschuß werde Kläger und Richter in einer Person sein. Der Ausschuß soll aber kein richterlickes Urteil abgeben, sondern nur staatsanwaltschaftliche Funktionen ausüben. Es wird also kein Parteigericht geschaffen. Herr Rießer will einen Aus⸗ schuß von namhaften Historikern haben, diese können aber auch kein richtigeres Urteil abgeben. Noch heute sind sich Historiker darüber nicht klar, ob der Dreißigjährige Krieg von den Katholiken oder Protestanten angefangen ist. Auch über die Ursachen dieses Welt— krieges wird die Geschichtswissenschaft sehr verschiedener Auffassung sein. Die Geschichtswissenschaft ist ausgesprochene Gesinnungewissen⸗ schaft; ich bin nicht so na, von der Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft zu sprechen. Der Jurist ist immer noch objektiver, der sich an die Tatsachen hält. Die Regierung gibt ja alles Material dem Ausschuß. (Zwischenruf rechts: Das hängt von der Bearbeitung ab! Ich verbitte mir das; wenn Sie glauben, daß die Regierung Material unterschlägt, so müssen Sie das beweisen. Der Staats⸗ gerichtshof wird kein Mitglied der ehemaligen Regierung schützen, auch wenn es zum Zentrum, zur Volkspartei oder zu den Sogial⸗ demokraten gehört. Die Regierung hat immer mit voller Ent— schiedenheit bestritten, und ich bestreite es auch, es ist eine welt— historische Lüge, daß Deutschland der alleinige Urheber des Welt— krieges ist, aber eiwas anderes ist es, wenn man objektiv das Studium der Akten zuläßt, daß auch die Auffassung, die von Dr. Rießer ver⸗ treten wird, nicht richtig ist, nämlich, daß Deutschland vollkommen unschuldig, am Ausbruch des Weltkrieges ist. Auch Deutschland trägt seinen Teil an der Schuld. Wenn ich das ausspreche, so sage ich nur die Wahrheit. (Unruhe rechts, Zuruf: Was sagt denn der Engländer und Franzose?) Ich begnüge mich mit dieser Abwehr. Wir brauchen zen Staatsgerichtshof aus zwei durchschlagenden Gründen? Nach dem entsetzensvollen Abschluß des Weltkrieges mit seinen Opfern und wahnsinnigen Leiden aller Bevölkerungsschichten fragt das Volk un— bedingt, ist denn jemand in Deutschland Schuld an dem Kriege, an seiner Fortsetzung und diesem Abschluß? Das Volk muß durch dies Reinigungebad durchgehen, um neue Kraft für den Aufbau zu ge— winnen. Sie können keine innere Gesundung in Deutschland herbei⸗ führen, ehe nicht der Beweis ehrlich und objektiv gebracht wurde, wer und wieweit jemand in Deutschland schuldig ist. Diesen Beweis müssen wir als innere Genugtuung geben, das Volk hat das Recht bgrauf. Der Staatsgerichtshof wird serner dazu dienen, daß das ünerhörte Maß von Beleidigungen und Beschuldigungen, die während vier Jahre aus dem Ausland auf uns niedergeprasselt sind, nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Wir hatten einen neutralen Und internationalen Gericktshof angerufen, wir mußten den Weg des nationalen Gerichtshofes gehen. Aber auch er wird dem deutschen Volk nach außen ein gutes und nützliches Instrument werden. Er wird dazu beitragen, die Achtung vor dem deut— schen Namen im Ausland wieder herzustellen, nachdem objektiv festgestellt ist, was wahr, was unwahr und nicht haltbar ist. Die Befürchtungen, die Veröffentlichungen würden uns im Ausland schaden, sind gegenstandslos. Auch hatte niemand von der Regierung die Absicht, Schriftstücke zu veröffentlichen, bis der erwartete Friede geschlossen sei. Haben die Minister, die früheren und die jetzigen, gäch nur ein Wort öffentlich über die Ereignisse von Oktober bis November 1918 gesprochen? Selbst als wir in und nach den Wahl— kämpfen von den gegnerischen Parteien in einer Weise angegriffen wurden, die nicht unsere politischen Auffassungen bekämpfte, sondern uns Hersönlich beleidigte. Alle haben geschwiegen und dem Vaterland das Opfer gebracht. Wir hätten weiter geschwiegen und nur einen il des Materials veröffentlicht, das meiste aber dem Staatsgerichts— f vorbehalten. Was hat diesen wohlerwogenen. Plan der Re⸗ gierung durchkreuzt und ihr eine andere Haltung aufgezwungen? Die absolut unbegründeten Angriffe, die von den rechtsstehenden Parteien und Mitgliedern der früheren Reglerung erhohen worden sind! Dies sind offenkundige Geschichtsfälschungen, wie sie von jeher dort befiebt sind. (Große Unruhe rechts) Die Regierung wird ihre Abwehr in dem Angriff sehen, das ist nicht nur ihr Recht, sondern sogar ihre Pflicht. Um so schärfer der Angriff, desto schärfer die Abwehr. Dann werden Sie sich auch nicht beklagen dürfen, daß einzelne Menschen in Deutschland in unangenehme Situationen kommen. (Unruhe.) Sie könnten etwa auf die Auslieferungsliste gestellt weiden. Wenn man jetzt mit Publikationen rrßeht, dann könnte einzelnen das Mißgeschick Ustoßen, auf die Liste gesetzt zu werden. Dem tragen wir Rechnung. Ich habe neulich eine scharfe Abrechnung gehalten und eine Aeuße— rung des Abgeordneten Hugenberg nach dem Stenogramm verlesen. Zuruf des Abgeordneten Hugenberg: Darin steht nicht das, was Sie lagen! Ich habe das Stenogramm verlesen. Sonst habe ich keinen Dtamen weiter genannt. Wenn Sie den Kampf so weiter führen, könnte die Regierung gezwungen werden, es zu tun, dann tragen Sie die Verantwortung dafür. (Große Unruhe und Lachen rechts. Wir haben den Kampf nicht aufgenommen, sondern er wurde uns auf— gezwungen und aufgedrängt. Wenn Sie ihn aber haben wollen, so werden Sie ihn, und zwar mit aller Rücksichtslosigkeit, haben.

Abg. Warmuth (D. Nat.) wendet sich gegen den Gesetzentwurf über den Staatsgerichtshof, weil er uns in der Schuldfrage der Welt gegenüber in eine falsche Lage bringt. Juristisch ist der Entwurf ebenfalls unhaltbar, da er im Gegensatz zu den Ausführungen Erz— bergers Richter und Kläger in einer Person vereinigt. Bei den Mitteilungen Erzbergers sind wir ursprünglich ebenfalls erregt ge— wesen über eine Regierung, die eine ausgezeichnete Gelegenheit zur Beendigung des Krieges ungenützt ließ. Nun hat sich aber heraus— gestellt, daß die mitgeteilten Tatsachen wesentlich anders lagen. (Fort⸗ gesetzte Schlußrufe. Präsident Fehrenbach macht den Redner darauf aufmerksam, daß er das Wort nur zum Staatsgerichtshof erhalten hat. Der beantragte ö ist für die Ermitt⸗ lung der Wahrheit ungeeignet; wir lehnen ihn ab. (Beifall rechts.)

Damit schließt die Besprechung.

Abg. Gröber Gentr.) persönlich: Im Gegensatz zu der Be— hauptung Gotheins bin ich im Hauptausschuß für Entscheidung über den U⸗Bootkrieg nach politischen Gesichtspunkten eingetreten. Abg. Hugenberg (Dnat. V.) persönlich: Der Redner will sich gegen den Reichsfinanzminister aussprechen wegen der von diesem erhobenen Vorwürfe im Zusammenhange mit der Beteiligung des Redners bei den belgischen Liquidationen. ;

Präsident Fehrenbach entzieht ihm das Wort, weil der Redner zur Sache spricht.

Abg. Dr. Rießer (D. V.) persönlich: Die mir in den Mund gelegten Aeußerungen über den Staatsgerichtshof, die der Minister Griberger bekämpft, habe ich nicht gemacht.

Abg. von Graefe ( Dnat. VB.) persönlich: Im. Gegensatz zu der Behauptung des Abg. Dr. Rießer stelle ich fest, daß wir die Angriffe Erzbergers nicht herausgefordert haben; es ist schon zwei Tage vorher bekannt gewesen, daß Herr Erzberger eine Rede hallen würde. Den i meiner Rede kann er noch nicht gekannt haben. (Gelächter in ks.)

Abg. Gothein (Dem) persönlich: Meine Ausführungen über die Haltung der Zentrumsfraktion in der Sitzung des Haushalt⸗ ässchusses des Reichstages vom 7. Oktober 1916 zu der Entscheidung über den U⸗Bootkrieg halte ich aufrecht. 9 In der Debatte sind außer Anträgen, die Veröffentlichungen in engerem und weiterem Umfange verlangen, auch Anträge, der Re⸗ gierung das Mißtrauen, und andererseits ein Antrag der Mehrheits⸗ fezialisten, ihr das Vertrauen des Hauses auszusprechen, eingegangen. Gh dem Mißtrauensantrag der Deutschnationalen beantragen diese namentliche Abstimmung.

Zur Geschäftsordnung bemerkt Abg. Haußmann (Dem): Seine Freunde würden gegen den Mißtrauensantrag stimmen, er halie es aber für nötig, zu betonen, daß sie sich bei dem Vertrauensantrag der Stimme enthalten würden, da sie anders ihre Meinung nicht zum Ausdruck bringen könnten.

Der Antrag, das Gesetz über den Staats⸗ gerichtshof dem Verfassungsausschuß zu überweisen, wird angenommen mit dem Antrage Dr. Heinze, einen keinem Parlament angehörigen, aus namhaften Historikern und publizistisch geschulten Juristen zusammengesetzten Ausschuß einzusetzen.

Das Haus beschließt nach einem Antrag Löbe (Soz.), die Reden der Minister und das weitere beigebrachte Material auf Kosten des Reiches im deutschen Volke zu verbreiten, mit der Erweiterung nach einem Antrag Arnstadt (D. Nat.), daß auch das Schreiben des päpstlichen Nuntius nebst Anlagen und die darauf erfolgte Antwort des Reichskanzlers Michaelis in ungekürzter Form der Veröffentlichung beizufügen ist, und nach einem weiteren Zusatz Koch-Cassel (Dem.), auch die Stenogramme der Verhandlungen durch Veröffent⸗ lichung zu billigen Preisen dem ganzen Volke zugänglich zu machen.

Die namentliche Abstimmung über das Mißtrauensvotum ergibt dessen Ablehnung mit 243 gegen 53 Stimmen.

Ein Antrag Dr. Cohn (U. Soz.) auf namentliche Abstimmung über das Vertrauensvotum wird nicht genügend unterstützt. Das Vertrauensvotum wird mit großer Mehrheit angenommen. .

Um 233 Uhr wird die Weiterberatung auf nachmittag 5 Uhr vertagt. .

(Fortsetzung in der Ersten Beilage.)

Nr. 61 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, heraug⸗ gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten am 26. Juli 1919, hat folgenden Inhalt: Amtliches: Dienstnachrichten. Nichtamt⸗ liches: Die Taubstummenanstalt in Leipzig. Mathematische Grund lagen für die Gestalt, der Uebergangsbogen in Eisenbahngleisen. Vermischtes: Akademie der Wissenschaften in Berlin. Vorschüsse und Abschlagszahlungen auf zugesicherte Ueberteue rung zuschüsse zu Notstandsarbeiten in Bayern. Bücherschau.

Etatiftik und Volks wirtschaft.

Arbeitsstreitigkeiten.

Der in Sachen des Ausstandes der Arbeiter der Stem enswerke angerufene Schlichtungsausschuß hat folgenden Schie dsspruch gefällt: Der Schichtungsausschuß ist der Auffassung, daß der Betriebsleitung das Recht gewährt werden muß, Bekanntmachungen, die sie im Interesse des Betriebes zu machen hat, am schwarzen Brett anzuschlagen, und daß kein Arbeiter oder An—⸗ gestellter berechtigt ist, solche Anschläge eigemnächtig zu entfernen. Die Bekanntmachungen sind jedoch, soweit sie Arbeiterfragen betreffen, vor⸗ her dem Arbeiterausschuß beziehungsweise dem Betriebsrat vorzulegen. Der Schlichtungsausschuß ist der Ansicht, daß dies im vorliegenden 36. ordnungsmäßig geschehen ist und daß daher die Betriebsleitung

erechti t war, diejenigen, welche widerrechtlich die Anschläge entfernt haben, zu entlassen. Andererseits muß als festgest, llt gelten, daß die von den Vertretern der Arbeiterschaft mit der Betriebsleitung ge⸗ führten Verhandlungen über die Handhabung des Anschlagweseng zu keiner abschli ßenden Vereinbarung geführt haiten und mindestens ein Teil der Arbeiter des guten Glaubens sein konnte, daß die Be⸗ triebs leitung nicht bee e er. Anschläge ohne Gegenzeichnung des Betriebtzrats berw. des Arbeiter usschusseß am sckwarzen Brett an⸗ zuheften. Unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse und des wei eren Umstandes, daß zwischen der Wetriebsleitung und den Vertretern der Arbeitnehmer nunmehr völlige Uebereinstimmung darüber besteht, wie in Zukunft die Bekanntmachungen der Betriebsleitung zu behandeln sind, beschließt der Schlichtungsausschuß: 1) Die wegen passiver Resistenz entsassenen Arbeiter werden wieder eingestellt. 2) Die wegen dieser Entlassung Streikenden nehmen die Arbeit wieder auf. 3) Die wegen Abreitens der Anschläge Entlassenen werden nach Verlauf von drei Arbeitstagen nach Wiederaufnahme der Arbeit durch die Streikenden wieder eingestellt. Den Parteien wird aufgegeben, sich über die Annahme des Schiedsspruches bis Mittwoch, den 30. Juli 1919, Vormittags 10 Uhr, im Schlichtungsausschuß, Berlin N. 4, Schlegelstr. 2, zu erklaren. Eine gestern abgebaltene Beratung der Vertrauensleute der Arbeiter nahm zu diesem Schiedsspruch Stellung und empfiehlt den Ausständigen die An nahme folgender Entschließung: Die versammelten Arbeiter der Siemeng⸗ werke protestieren au das energischste gegen den am 28. Juli d. J. efällten Spruch des Schlichtungtz ausschusses Groß. Berlin. Sie schließen 9. der Ertlärung der Arbeitnehmerbeisitzer voll und ganz an und sprechen dem ll urn e , n, das Recht ab, Strafen zu ver— hängen! Nach Ansicht der Arbeiter steht dem Schlichtungsausschuß das Recht über die Funktionen der Betriebs⸗ und Arbeiterräte zu urteilen, nicht zu. In dem Spruch des Schlichtungsausschusses, die Bestrafung der Vertrauensleute betieffend, erblicken sie (ine durch nichts be⸗ gründete Ueberschreitung der Rechte und Befugnisse des Schlichtungs⸗ ausschusses. n. erkennen die Versammelten in dem provo⸗ katorischen Vorgehen der Direktion der Siemenswerke den Vorstoß gegen die Betriebs- und Arbeitertäte. Dieser Kampf, den die Unter nehmer durchaus heraufbeschwören wollen, wird ausgefochten werden müssen. Die Arbeiterschaft ist sich darüber klar, daß sie diesen Kampf nur mit der gesamten Arbeiterschaft ausfechten kann, die sich den Moment des Kampfes jedoch nicht K läßt, sondern ihn selbst bestimmt. Im Interesse der weiteren friedlichen Neuregelung der Lehn⸗ und Arheittverhältnisse in der Metallindustrie sind die Streikenden jedoch bereit, den Kampf zu beenden und die Arbeit wieder auf—

junehmen unter der Voraussetzung, daß Maßregelungen nicht er-

folgen. Die Arbeiter verpflichten sich, die auf 3 Tage Gemaßregelten materiell aus Mitteln der Allgemeinheit voll zu entschädtgen. Die Ortsverwaltung Berlin des Deutschen Metallarbeiter⸗ verbandes wird beauftragt, die Entscheidung herbeizuführen über ö ob der Schlichtungsausschuß berechtigt ist, Strafen zu verhängen.

Wie der „Vorwärts“ hierzu mitteilt, sei es mit Sicherheit zu erwarten, daß die Streikenden dem Rat ihrer Vertrauensleute folgen, der Entschließung zustimmen, also die Wiederaufnahme der Arbeit beschließen werden.

In Le Havre hat die Vereinigung der Arbeitgeber die Ein⸗ stellung der Lade und Löscharbeiten bei den Schiffen angeordnet, weil die Dockarbeiter den Vertrag gebrochen, Sabotage getrieben und übertriebene Lohnforderungen aufgestellt hätten. Zum

309. Juli wurde die Einstellung der Arbeiten im Hafen angeordnet.

De Arbeiter haben sich solidarisch erklärt. Wie „Nieuws van den Dag“ meldet, ist der Streit im Liverpooler Hafen

beendet. sKunst und Wissenschaft.

Die Gesellschaft zur n des Institut für Seeverkehr und Weltwirtschaft an der Uni- versität Kiel hielt am letzten Sonnabend ihre ordentliche Mit— gliederversammlung ab. Der Präsident der Gesellschaft Dr. h. C. H. Die derichsen erstattete den Geschäftsbeiicht. Die Gesellschaft hat zurzeit 6000 Mitglieder. Gegenüber dem Stande vom vorigen Jahre ist ein Zuwachs von etwa 1400 Mitgliedern zu ver— zeichnen. Auch seit dem Ausbruch der Revolution hat diese günstige Entwicklung angehalten, denn die Zahl der neu beigetretenen Mstglieder

beli f sich in den letzlen 6 Monaten auf etwa 500. Die Mitglieder verte len sich auf alle deutschen Staaten und Laondesteise, auch sind die verschiedenen Wirtschaftszwelge gleichmäßig vertreten. Darüter bingus umfaßt der Mitgliederkreis annähernd 100 Handelskammern. zahlreiche Ministerien, Stadtverwaltungen, wirtschaftliche Interessen. vertretungen, Körperschaften und Vereine sowie Angehörige der akademischen Berufe. Die Einnahmen der Gesellschaft beliefen sich im abgelaufenen Jahre auf 759 000 66. Annähernd 600 Mitglieder haben, ihren Jahresbeitrag mit einem Betrage von insgesant 2 Millionen Mark kapitalisiert. Der Verwaltungsrat hat als künftigez Heim für das Institut das Kruppsche Hotel, Seebadeanstalt ! erworben. . Professor Dr. Bernhard Harms erstattete den Bericht über die Tätigkeit des In stitut tz. Bis zur Beendigung des Kriegez war die Arbeit im wesentlichen auf die durch den Krieg bedinglen wurschaftswissenschaftlichen Aufgaben gerichtet. Seitdem ist nicht nur die wissenschaflliche Forschungsarbeit, sondern auch die Unterrichtz. tätigkeit in vollem Umfange wieder aufgenommen. Daneben ist eg bemüht, der Praxis in Wirtschaft und Verwaltung durch Uebermittlung von Tatsachenmaterial, por allem aus dem Auslande, nützlich zu sein. Das. Institut besitzt ein Wiitschaftsarchiv mit 928 O00 Ausschnitten der in- und ausländischen Tages⸗ und Fachpresse sowie ein Vereinz., archiv, ein Gschäftsberichtsarchiv und ein Bibliotheksarchiv. Ferner besteht eine Sammlung der Jahresberichte und Mitteilungen deutscher und ausländischer Handelskammern, der Auslandshandelskammern, der Handels- und Gewerbekammern und der Landwirtschaftskammmern. Die Bibliothek ist auf 30 000 Bände angewachsen; außerdem werden 307 inländische und 338 ausländische Zeitschriften und Zeitungen gehalten. Die regelmäßtgen Veröffentlichungen des Instituts sind: Das Weltwirtichastliche Archiv., die Probleme der Weltwirtschaft., die „Kriege wirtschaftlichen Untersuchungen? und die . Weltwirtschaft—⸗ lichen Nachrichten“. Ferner ist unter dem Sammelnamen Der Wirtschaftskrieg“ ein er bändlzes Werk erschienen, das über die Maßnahmen und Bestrebungen des feindlichen Auslandes zur Be— kämpfung des deutschen Handels und zur Förderung des eigenen Wirtschaftslebens berichtet. Zunehmender Ingnsyruchnahme erfreut sic die Nachrichten und Auskunftsabteilung des Instituts, die infolgedessen ständig erweitert werden mußte. Sobald das Institut sein neues Heim bezogen bat, soll sowohl die Forschungs⸗ als auch die Un errichtstät gkl erneüter Erweiterung zugeflhrt werden. Es hesteht die Absicht, die Universität Kiel zu einem Mittelpunkt des volks- und 2 lichen Studiums in Deutschland auszugestalten. An der Schaffung der hiersür erforderlichen sachlichen und persönlichen Vorbedingungen wird planmäßig gearbeitet. Daneben ist die Veranstaltung, bon wirtschafts · und staatewissen schaftlichen Forthildungskursen sowie die regelmäßige Berufung wissenschaftlicher Kongresse in Aussicht genommen.

Verkehrswesen.

Die New Jorker Kerr⸗Linie hat eine ,, Dampferverbindung zwischen Hamburg und norh— amerikanischen . n eingerichtet. Die Ham burg ⸗Amerifn⸗ Linie teilt mit, daß sie bereit ist, Anfragen wegen Frachten, Abfahrt usw. zu beantworten.

2 Mannigfaltiges.

Das Zentralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz bittet um Veröffentlichung folgender Mitteilung; Naturge ma werden nach oft jahrelanger, harter Trennung die Angehörigen von Kriegsgefangenen den Wunsch haben, diese bereits in den Durchgangslagern willkommen ju heißen. Im, Interesse des einzelnen sowohl wie der Allgemeinheit ist es dringend erforder⸗ lich, von, einer derartigen Reise in die Durchgangslager abzu—= sehen. Die Kriegsgefangenen werden sich nur wenige Tage in Len Durchgangslagern aufhalten, sodaß ein rechtzeltiges Eintreffen der Verwandten dort kaum möglich sein dürfte, da in den meisten Fällen der Kriegsgefangene sich schon auf der Fahrt nach seinem Heimatsort befinden wird. Die Tage im Durchgangslager werden vollauf damit ausgefüllt sein, die ordnungs mäßige Enilgssung der Kriegegefangenen durchzuführen. Auch im Interesse der Allgemeinheit muß an die Einsicht der Bebölkerung appelltert werden, da zur Verhinderung Fer Einschleppung ansteckender Krankheiten für die Heimgekehrten eine kurze Absonderung erforderlich ist. r

Am Potsdamer Außenbahnhof fuhr gestern vormittog, wie W. T. B. meldet, ein Vollring in eine Arbeiter⸗ kolonne hinein. Es wurden die Streckenarbeiter Löwe, 2 Krause und Hoffmann schwer verletzt und nach einem Krankenhaufe überführt. Die Schuldfrage bedarf noch der Aufklärung.

Am sterdam, 29. Jult. (B. T. B.) Dem „Telegraf. zufolge meldet die Times“ aus Lima, daß ein j apanisches Syndikat in Peru ungefähr 807) ha Land gekanft hat, und daß um den Ankauf weiterer 300 000 ha, verhandelt wird. Dies werde wahrscheinlich der Beginn einer großzügigen japanischen Kolonisation in Peru sein.

Chicago, 29. Juli. (Reuter) Bei den Ausschren— tungen, die am Morgen von neuem begannen, wurde ein Neger getötet und zwei verwundet. Die Verluste von gestern abend werdmn auf 50 Tote und über 500 Verwundete geschätzt. Truppen sind entsendet worden, um weitere Ausschreitungen zu verhindern.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Familiennachrichten.

Verlobt: Frl. Hildegard Giehler mit Hrn. Pfarrer Crich Hhof⸗ mann (Konstadt O. S., z. Zt. Alt Reichenau ,, Lausitz). Frl. Charlotte Bode mit . Hauptmann Wolf gang von Difurth (GlogauJ. Frl. Frieda von Waldow mt Hrn. Professor Dr. Arthur Apitzsch (Greiffenberg, Schl. Neustettin). .

Gestorben: Hr. Major a. D. Walter von Schmidt -⸗-Hirschfelt⸗ mantfurt a. D.). Hr. Geh. Oberregierungsrat Karl Peucet

(Radolfzell). J

erm.

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburt

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstelle chnungsrat Mengering in Berlin.

Verlag der Geschäftöstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstall,. Berlin, Wilhelmstraße 32.

Drei Beilagen seinschlie lich Börsenbeil age . und Erste, Zweite und Dritte Zensral-Handelsregister⸗Beilage.

sowie die Inhaltsangabe Nr. 30 zu Nr. 8 hen Bffentl ichen Mnaeiaern,

und ein Verzeichnis gekündigter Schlesischer Pfand! riese

Erfste Beilage

zum Deutsthen Reichsauzeiger un Preußischen Staatsanzeiger.

ö. 4 7 c .

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Dentsche Nationalversammlung in Weimar.

Nachmittagssitzung vom Dientztag, 29. Juli 1919. Um 5 / Uhr wird die Sitzung wieder eröffnet.

Am Regierungstische: Noske, Müller, Dr. Bell, Dr. David, Dr. Preuß.

Präsident Fehrenbach: Mir ist ein Antrag Agnes und Gen. (I. Soz.) zugegangen, „den Reichswehrminister zu er— suchen, den, kommiandierenden General ter 31. Reichswehr krigade (Meünster) sofort anzuwelfen, die feit sechs Tagen im Heongerstre k 1 Schutz haftgefangenen unverzüglich aus der Käft zu ent.

Es ist mir zugesagt word en, daß zur Begründung des An trages höchstens ü Minuten gesprocheniwerden wird und daß dann von feilen des Herrn Neichswe hn ministers eine Erklärung abgegeben wird, die di Sache beenden Rird. Unter diesen Voraussetzungen schlage ich Ihnen vor, diesen Antrag alsbald ju beraten.“

Das Haus siimmt dem Vorschlage des Prãäsidenten zu.

Abg. Br (J. Soz) begründet den Antrag; die Schutzhaft⸗ schande, die schon unter dem alten Regime eine große Rolle swielte, lird auch in dein angeblich demokratischen Staal munker fontgesetzt. Man hat den Generalkommant os Vollmacht eiteilt, den Belagerungt⸗ zustand zu berhängen, und darauf sind zahllose Personen, die sich Holitisch mißliebig gemacht haben, in Schutzhaft genommen worden! Speziell im Ruhrgebiet sind zahllose Perfonen festgefetzt woꝛden, vhne eigen lich zu wissen, weshalb, und sie werden so fchlecht Fe— handelt und so un zutei end ernä rt, daß sie in den Hungerftreik ein— getreten sind, weil sie lieber schnell sterben, als langsam verhungern wollen. Wir bitten, unserem Antrage zuzustimmen. ;

Neichswehrminister Noske: Die Schutzhaft ist ein auß er— ordentlich übles Kampfinittel, und niemand bedauert e g . daß wir genötigt gewesen sind, dabon Gebrauch zu machen. Dem Dause ist bekannt, welch unerhörte Zustände wochen und monatelang im Industriegebiet geherrscht haben. (Serr richtig) Ich bin feiner eit von Rednern aller Partelen, die Unabhängigen narürfich ausge ommen, aufgefordert worden, mit rückhaltsloser Entsch ossenheit den Versuch zu machen, die Hundertlausende von Menschen, be im Industriegebiet von einer Handvoll verwegener Menschen t rrorisiert wurden, zu schützen. Dieser Aufforderung ist Rechnung getragen norden, und zwar nicht ohne Eifolg. Befonders übel war die Be— sätigung der soenannten Siebenerkomnifsion. Diese Leute sind damals guf meinen Besehl festgenommen worden, und als sich ein Ersatz dafür (ebilbet hatte, wurde weiter mit Ver hartungen, vorgegangen. So sind diese Leute, die die geistigen Väter der Bewegung waren, mehr oder weniger lange Zeit in Haft behalten worden. Die ÄAngahen des Herrn Voiredaers sind in mancher Beziehung erheblich übertrteben, es sind nicht jahllose Verhaftungen vorgenommen worden, und es sind auf der anderen Seite auch zahlreiche Entlassungen erfolgt. Ich habe angeordnet, daß eine Nachprüfung aller der Fälle von Schutzhast, die noch vorliegen, stattfindet. Ich hoffe, daß diese Nachprüfung zu dem Resultat jühren wir, daß in möglichst großem Umfange weitere Entla ssungen stattfinden können. In dem RUugendlick, wo wir die Garantie haben, daß im Industrlegeblet davon AÄbstand genommen wird, weiter in so verbrecherischer Weise die Veltswirtschaft lahmnzu— legen, wie dies immer wieder verfucht worden ist, würden wir in der * e sein, von jeder Kampfhandlung in diesen Gebieten Abstand zu ehmen.

(Abg. Braß meldet sich zum Wort.) Praͤsident Fehrenbach: Ich habe den Antrag nur unter stützt unter der Bedingung, daß nur eine kurze Begründung und eine Erklärung erfolgen würde. Ich bitte nur 2 Minuten.

Aba. Br (U. Soz): Der Ausbruch von immer neuen Streiks im Ruhrgebiet int die Folge davon, daß so viele Verhaftungen vor— genommen werden. (Widerspruch und Zuruf: Umgekehrt! bei den So.) Ich mache darquf aufmerksam, daß die Schutzhäftlinge in Essen sich jetzt sckon sechs Tage im Hungerftreik befinden und? daß die Arbeiter chaft gedroht hat, in den Generalstreik zu treten, wenn sie nicht entlassen werden. Will die Neichs regierung unter diesen Umstãnden an ihrer Gewaltpolitik festhalten und das Wirtschafts⸗ ebiet im. Ruhrgebiet neuen Eischütterungen aussetzen? (Sehr wahr! bei den II. Soz. Widerspruch kei den Soz. Rufe: Schluß! Schluß!) Die vom Neichswetrminister zagesagten Rach— prüfungen dauern zötzt schon Wochen und Monate; das ist es, was

Gegenmaßnahmen der AÄrbeiterschaft provozieren muß. (Beijall bei,

den U. Soz ) ;

Reichswehrminister Noske: Ich habe nicht einen Augenblick geiweiselt, daß dieser Antrag von Herrn Braß als Anlaß für azitatorische Zwecke benutzt werden würde. (Stürmischer Wider spruch und lärmende Zurufe bei den U. Soz.: Unerhört! Die armen Menschen verhungern! Ruhe! Ruhe! erneute lärmende Zurufe bei den U. Soz, an denen sich namentlich die Abg. Frau Zieg mit großer . beteiligt. In dem ungeheuren Lärm bleiben aber dir Zurufe im einzelnen unverständlich.)

Präsident Fehrenbach: Frau Zietz, ich bitte Sie dringend,

zu beruhigen. (Frau Zietz: Herr Präsident, man läßt die armen Menschen verhungern) Lassen Sie mich reden, Frau Zietz! Hälte ich gewußt, was kommen wärde, fo hätte ich Ihrem Wunsche nicht entsprochen; ein zweltes Mal werde ich mich hüten. (Weitere erregte Zurufe von den Bänken der Unabhängigen.)

Reichswehrminister Noske (fortfahren): Ich wiederhole: ich habe keinen Augenblick gezweifelt, daß diese u ktion zu agitatorischen Zwecken ausgenutzt werden würde (erneuter stürmischer Widerspruch und Rufe: Gemeinheit! b. d. Soz.‘ Die Herren dort drüben (z. d. Soz.), die sich jetzt so erregen, haben keine Spur von Erregung an den Tag gelegt, als ihre Freunde mit Handgranaten und Pistolen auf die Bevölkerung losgingen (stürmische Zurufe und fortgesetzter Lärm b. d. U. Soz.); noch am vorigen Montag hat weder Frau Zietz noch irgend einer der Unabhängigen auch nur ein Work des Brctestes geltend gemacht, als in Berliner Krankenhäusern das

el6ktrische Licht abgeschnitten wurde. (Richtig! b. d. Soz.; erneuter

tobender Lärm und Zurufe: Gemeinheit! Schuft! b. d. U. Soz¶, Frau Zietz schrelt immer wieder dazwischen: die armen Menschen müssen verhungern!)

. Piäsident Fehrenbach: Ich darf mir, nachdem weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, noch eine kurze Bemerkung gestatten. Ich habe den Herrschaften, indem ich die Beratung des Antrags unterstützte, einen Gefallen getan, weil gesagt worden ist, daß es sich um Leute handelt, die vielleicht in den nächsten Tagen Hungers sterben könnten. Wenn die , eine solche Erregung herbor⸗ gerufen hat, so hahen die Antragsteller sich das selbst zuzuschreiben. Lebhafte allselt ge Zustimmung).

Der Antrag Braß (U. Soz.) wird hierauf abgelehnt. Für, ihn erheben sich nur die briden sozia demokratischen Fraktienen; zas Ergebnis wird von den Unabhängigen mit stürmischen Pfnirusen aufgenommen.

Berlin, Mittwoch, den 39. Juli

. m e a-

Hierauf wird in der Beratung der Verfasfung fort— gefahren mit der 3. Lesung. Reichskommissar Dr. Preuß: Unmittelbar nach der November— revolution wurden Stimmungen der Hoffnung und Furcht laut, vielfach mehr der Furcht als der Hoffnung, wie die zukünftige Ent⸗ wicklung sich gestallen würde, Stimmungen, wie sie auch die große Mehrheit dieses ing bewegte; Sie wurden diltiert von Er— wartungen in erster Linie um das Schicksal der beabsichtigten Wahlen zur Nationalversammsung, Ter Rationalbersammiung selbst und ihrer Arbeit. Wie oft warde ich gefragt? Glaubst Du nwirklch, daß das Wahlgesetz zur Rationglper- sammlung zustandekommt, ob die Wahlen ordnung gemäß vollzogen werden? Dann, ob die, Nationalversemmlung das Werk der Ver— Kssung werde vollenden können? Ich habe immer, ohne ein großer Opiimist ju sein, geantwortet; Ja, ich glaube ß. Mas nützt es auch, kleinmütig nur die Gefahren zu sehen, anstatt zu arhetten und nicht zu verzweifeln, an dem Werk der Wiederherstellung und des Wieder⸗ aufbanes zu arbeiten. Die Nationalversammilung ift zuflandegekommen und sie hat die Verfassung zustaudege brecht unh ist in Begriff, sie zu berabschieden. Nach einem solchen Kriege, nach fo ungeheuren Täuschungen und Enttäuschungen mußten mehr oder weniger erhebliche Störungen der gewohnten Ordnung eintreten. Immerhin waren eg wenige dank der Mäßigung und Selbflbeherrschung, der ohne Widerfland siegreichen Revolution; sie fuchte sofort den Weg zur Wied erberstellung des Rechtsstaats, des demolratischen Rechtsstaatg. uf dem Wege sind wir immerhin ein bedeutendes Stück vorwärtsgekemmen. Gerate weil ich niema s Sozialist gewefen bin, nicht einmal Rovembersozialist, und auch vermutlich auf meine elten Tage nicht mihr werken werbe, halte ich es für richtig, anzuerkennen, mit welcher Mäßigung und Selbstbeherrschung die Sozialdemokratie die Grundlagen der Demokratie nicht nur anerkannt, sendern auch zu' Ehren gebracht und sich damit ein Veidienst in Deutschland erworben bat. Das soll ihr in ber Gegenwart und Zukunft nicht vergessen sein. Traͤger dieser staalsrechllichen Entwicklung van der Rrevolufion zum emol ratischen Rechte staat war die Nation asversammlung und ihr Verfassungs werk. Diejenigen, die der poltzischen und sozialen Richtung dieser Entwicklung nicht folgen können, blieben sich nur selbst tr u, wenn sie unter den jetzigen Verhaͤltnisfen dies Ver faffungswert hrrab= z ehen; aber die andern, die damals der Natlonalveisammlung nur mit Besorgnis hei ihrer Arbeit begleiten konnten, wie stehen sie dazu? Bei, richtiger Würdigung der Umstände werden sie in keiner Weise enttäuscht sein, wenn ich auch verstehe, wie die Anhänger dez alten nicht begeisteit sein können von der demotratischen Republik, die unsere Verfassung aufrichtet. Die Republik ist die Sache der großen Volksmehrheit, die zwischen rechts und der äußerften Linken fteht: RKes populi, die Sache des Velkeg, und gerade in dtefer breiten Schicht, die das Vasassungswerk trägt und getragen hat, ist vielleicht nicht überall schon heute das volle Verständnis für die Bedeutung des Weikes vorhanden und noch nicht mit vollkommener Lebendigkeit erfaßt. Hieran tragen vielleicht gerade die führenden Schichten die Schuld, und ihre aus der Gewohnheit der Vergangen— heit überkommene allzu subjektipe U⸗berkritik mit der daraus ent— springenden Unsicherheit des Janzen Empfindens. Dieselben Schwierig⸗ keiten hatte auch das Verfassungswerk zu überwinden. Aus der Fe— volution und der Notwendigkeit ihrer ganzen Entwicklung entsprang die zukünftige Gestaltu g Deutscklan ds ols Demokratie, Selbstver— ständlich mußte die staatzzrech: liche politische Fasrm für die Geftastung der Vemokratie bei der Größe der deut chen - Berhättwisse im Parla— mentarismug gesucht werden. Aber DVemoktatie und Varlauien⸗ tarlsmus bedeuten an sich nicht das Gleiche, und Deutschland hatte die Vorstufen zum demokratischen Parlamentarismus, den aristokra— tischen und plutokratischen Parlamentariemus noch nicht durch— gemacht, wie die andern politischen führenden Länder. Man muß offen aussprechen: Adel und Bürgertum haben in Deutschland ihren politischen Beruf so gut wie verfehlt, da sie nicht verstanden haben, den aristokratischen und den bürgerlichen, wenn fo der plutokratische genannt werden kann, Parlamentarismus zu ihrer Zeit zu entwickeln. Er hätte jetzt mit der Umgnstaltung der sozialen und gesellschaftlichen Ver— hältnisse zum demokratischen Parlamentarismus führen können. So mußten wir den großen Sprung wagen, und die großen daraus ent— springenden Schwierigkeiten auf uns nehmen, indem wir Deutschland sogleich den demokratischen Parlamentarismus gaben. Abec nicht nur unsere politische Entwicklung war zurückgeblieben, sondern, was schlimmer war von diesem Gesichtspunkt aus, zurückgeblieben war sie auch im Verhältnis zu der wirtschaftlichen und sozialen Entwickung unseres Lebens. Während bie wirtschafiliche und soziale Entwicklung die höchste Stufe voller Entwicklung erreicht hatte, war die politische Seite verkümmert und zurückgeblieben. Das war im letzten Grunde die Ursache unserer Niederlage, der katastrophalen Nieder— lage, unter deren Wirkung wir stehen. Es war der Mangel an politischer Führung und politischem Verständnis in Volke selbst. Wenn wir heute einen glatten Schnitt machen zwischen Vergangenheit und Zukunft und es ablehnen, die Schuld für die militärische Nieder⸗ lage und den politischen Zusammenbruch auf das neue Gemeinwesen zu übernehmen, so liegt darin nichts weniger als eine Verkennung oder Undautbarkest gegen die militärischen oder sonstigen persänlichen, wirtschastlichen und technischen Leistungen, die unser Volk in diesem Kriege vollbracht hat. Es ist unrecht, wenn uns die Rechte solche Undanfbarkeit vorwirft. Im Gegenteil wir haben mit tiefstem Schmerz empfunden, wie die Leistungen des Volkes und hervorragenden Leistungen deg Militärs vergeblich aufg⸗ wendet wurden, weil die Politik das Nötige nicht leiftete. Wie oft hat sich nicht das Herz zusommengezogen bet dem Gedanken: Wie könnte ein Volk mit solchen Leistungen nicht bestehen, wenn es anders geführt und wenn es sich politisch anders ewaäͤhrt hätte! Auf eine glänzende Rihe von Siegen die tiefschmerzlichste Niederlage, die je ein Volk in der Geschichse erlebt hat! Die Republik kann die Erbschaft des vergangenen Systems nicht annehmen. Diejenigen, dle immer den Glanz und die Macht und die Kraft des Bismarckschen Deutschland und seiner Verfassung uns vorhalten, mögen sich fragen: was verdankt die Bismarcsche Verfassung den Taten Moltkes und der Seinen, und was verdankt unsere Verfassung den Taten Ludendorffs, Tirpiß' und der Seinen? Die Antwort auf diese Frage ist mit Händen zu greifen, sie erklärt alles. Glänzende Waffentaten hatten die Reichseinheit begründet. Die größte aller Gefahren war, daß die ungeheure Niederlage sie zerstören könnte. Bei Schaffung der Ver⸗ fassung in jedem Stadium des Werkes stand die Sorge über allem: Wie retten wir die nationale Einbeit und kräftigen sie, entsprechend der vergrößerten Gefahr? Und weiter: Wir wollen nicht voreilig jauchzen, aber wir wollen auch nicht kleinmütig sein, wir haben die begründete Hoffnung, daß die nationale Einheit im Rahmen dieser Verfassung nicht nur bewährt, sondern gestätkt und, gefestigt wird. (Sehr richtig ) Im Auslande, namentlich im feindlichen, siebt man vielleicht schärfer als wir in der Nähe. Es sieht mit den Augen des Hasses und des Mißtrauens manches, was wir mit dem Kleinmut unserer Uebertritk nicht erkennen. Eine Rehe französischer Presseäußerungen äußert sich bemerkenswert genug, indem sie die Verfassung als einen Fortschrltt zur deutschen Einheit hinstellen. In einer von shnen heißt es; Wenn elnes Tages die Monarchie wiederhergestellt würde, so hätte der Kaiser nur nötig, den PVlatz von Cbert einzunehmen, um möchtiger zu sein als es jemals Wilhelm 1I. gewesen ist. 1 Wir wollen dat allerdings nehmen in einem Sinne, der gerade

wöre

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Die Einheit ist so fest begründet, daß, wenn jemals die Republik der Monarchie weichen müßte, sie nur noch der Einheitsmonarchie zu weichen hätte. Das ist auch für die Kreise zu beachten, die sich immer nech partikularisti⸗ schen Hoffnungen hingeben. Die Wiederherstellung der kleinen Staaten liegt außerhalb des Bereiches der Möglichkeiten. Die Republik wird existicren in rem Maß der Festigkeit und Sicherheit, wie die nationale Einheit gefestigt und ge⸗ chert ist. Uber der Republik steht die nationale Einheit. Wenn sie von der monarchischen Restauration bedroht würde, so wäre es nur durch eine Einheitemongrchie für Deutschland. Die Wider⸗ stände auf dem Wege ur Verfassung waren ungeheuer greße. Viel⸗ leicht hätte ein kühner Vorstoß für den ersten Entwurf der Verfassung die Entwicklung klarer herausgestellt. Es kamen aber von allen Seiten Gegenstöße, die erwartet wurden, und die Verteidiger der Verfassung mußten sie in einer elastischen Defensive abwehren. Heute tann man vielleicht sagen, man hätte es darauf ankemmen lassen sollen bei dem eisten Entwurf, den Gegenstoß in dieser Defensive aufzufangen. Der zweite Entwurf und der Umstand, daß ich auch ihn vertrat, hat hier und da ein gewissetz Kopfschütteln hervor gerufen. Man Kurde nicht recht klug daraus, wie der Ver fasser des elsten auch den zweiten begründen konnte. Die Erfahrung hat die Klärung gebracht. Damals war noch nicht klar, welchen Weg die Nationaloersammlung gehen würde und mit welcher Energie. Würde sie den Konflift mit den Einzelstaaten scheuen und wird der Versuch gelingen in mehr oder meniger zufriedensteh ender Form, die natie nale Einigung zu retten? Mit Energie und Mäßigung sind wir zu einem höheren Ziel gegangen, der Verfassungsausschußz hat viele und gute Arbeit getan Vielleicht an manchen Punkten sogar des guten etwas zu viel ich denke an die Grundrechte. Mit starfem Selbstvertrauen wurde das tiefste Problem des Gemeinsehens his jetzt angefaßt, die demokratische und palamentarische Organijation klar und einheitlich herauszuarbeiten, und gerade diese grundlegenden Bestimmungen sind vom ersten Entwurf her, im einzelnen derändeit, doch im ganzen in ihren Richminien hestehen geblieben. Wechleifälle gab es bei der Regelung des Verhältnisses zwischen Reich und Ländern; in der jetzigen Cestalt aber mag das Richtige getroffen sein. Auch der Einheilßstaat kann und soll in Deutschland nicht zentralisiert sein. (Sehr richtig) Die stramme Zentralisation wie in Frankre ch hat gewß ihre großen Voizüge, und als Reichsminister des Innern hatte ich zeitweise Anwandlungen, wie der französische Kollege nur auf den Knopf zu drücken, um alle Präfekten die Arme erheben zu laͤfsen. Der deutsche Minister kann auf den Knopf drücken, aber die Arme der preußischen oder bayerischen Beamten erheben sich dann nicht immer zu dem gewünschten Zweck. (Sehr richtig! und Heiterkeit, Von solchen Versuchen ist der Verfaßungsentwunf weit entfernt, und dennoch ist es nicht richtig, daß in der Vertassung nuc stehe, was sonst in einer Verfassung zu finden sei. Das Werk dadurch nicht leichter geworden, aber diese Verfassung wird nur verstehen, wer Deutschlöand und seine Eigenart versteht. Stramme Zentralisation widerspricht der deutschen Natur, und nach der Verfassung hat das Reich alle Verfügungsmöglichkeit, deren es bedarf, und die Länder, wenn si sich in einen Rahmen freudig und bereitwillig einfügen die gebührende Bewegungsfreiheit. Die Ver⸗ tnisse sind elastisch, so daß sie nach Lage der Dinge fester gezogen oder loser gelassen werden können. Das wird nachher auch für die vielumstrittene Frage der Binnengrenzen der Länder, der Um⸗ gestaltung der deutscken Gebiete gelten. Freilich, wenn jetzt die Verfassung in dieser Form beschlessen wird, fängt die eigentlich Verfassungtarbeit erst an, die Arbeit an der Organisation des Vatirlandes. Da guf kommt (8 an, ob die Bestimmungen in ihrem Geiste gehandhabt werden. Eine Garantie, daß es geschieht, kann keine Verfassung geben. Sie kann nur die Vorausfetzungen dafür schaffen, und das jut diese Verfassung. Keine Verfassung ist sich Selbstzweck, sondern jede hat nur den Zweck, das Höchste an Kraft und Leben aus dem Volke herauszuholen. Sie kann nur Vor— aussetzungen schaffen und Hindernisse beseitigen. Der Abg. von Delbrück, der in der zweiten Lesung dem Verfassungswerk scharse Kritik anlegte, tut sich selbst Unrecht, da er im Aueschuß in durch⸗ aus anuerkennender Weise daran mitwirkte. Er hat damals mit einer Berufung auf den Größten de, Großen Weimars geschlossen. Wird sie gehandhabt im Geiste Goethes, so wird Deutschland einst unter irr auf eigenen Füßen stehen, stark und kühn. (Beifall)

Abg. Katzen stein (Soz.): Wenn ein Volk unter dem Drucke so ungünstiger Umstände an dem Neuaufbau selner Verfassung gehen kann, so sst das ein Beweis sarker Lebenskraft. Das Werk ist unter emsigem Zusammenwirken aller Parteien erfolgt. Sein Ziel war, einen Boden für friedliche Entwicklung zu schaffen, ohne deswegen geistige Kämpfe auszuschalten. Das seit Jabihunderten Gewordene lteß sich nicht glatt beseitigen, da die Gesellschaft ein lebendiger Körper ist, den man nicht willlürlich behandeln darf. Unser politisches Leben sollte auf dem Geist der soz alen Demokratie gegründet, die Macht einzelner Gewalthaber dabei gebrochen werden. Die klassenbewußte Arbeiterschaft hat in ihr ein entscheidendes Wort mitzusprechen. Die Mitarbeit aller Parteien ist die Ursache dafür, daß das geschaffene Werk keinen völlig einheitlichen Charakter trägt. Namentlich in dem Teil von den Grundrechten und Grundpflichten ist mancherlei aus eut⸗ gegengesetzten Weltauffassungen enthalten. Wir baben uns bemüht, die Verfassung mit sozialistischem Geist zu durchtränken. Wenn auch nicht alle unsere Wünsche gegenüber der geschlossenen bürger⸗ lichen Phalanx durchgeseßt worden sind, so ist doch mit der Ver⸗ fassung eine Grundlage für erfolgreiche soziallstische Erzie hungbarbeir

das Gegenteil bedeutet.

geschaffen worden. Bejondere Bedeutung kommt dem Frauenstimmrecht

zu, das die Sozialdemokratie den Frauen gegeben hat, obwohl geststekt, daß heute die Frauen noch in der Mehrheit von konservativen Gedanken behenrscht werden. Es sind Vorkehrungen getroffen, nach demokratischen Gesichtspunkten die Mehrheltsherrschaft ohne Vergewaltigung der Minderheiten zu sichern. Den Präsidenten wollen wir nicht aus der Voltswahl, sondern aus der Wahl sämtlicher Parlamente hervorgehen sehen, um der Gefahr einer bonapartistischen Entwicklung zu begegnen. Ferner fordern wir eine Beschiänkung seiner Amtszeit auf. 5 Jahre und eine Minderung der beschlossenen fünfjährigen Legislaturperiode des Reichstags von 5 auf 3 Jahre. Die deutsche Sozialdemokratie ist von Anfang an für die Reichseinheit, für das gane Deutschland eingetreten. Die einheitliche deutsche Republik bleibt unser Ziel. Die Zeit wird nicht fern fein., wo das Volk nicht mehr nach den Zufälligkeiten der Erwerbungen der alten Drnastien, sondern nach natürlichen, wirtschaftlichen Zusammenhängen gegliedert und organisiert sein wird. Wir hoffen, daß sich auch unsere deutsch⸗ österreichischen Brüder, die unter dem harten Drucke der Sieger heute noch ahseits stehen müssen, den Weg zu uns finden werden. Diese Verfassung ist Menschenwerk, das vergehen wird, aber sie ist ein Grund, auf dem echte Arbeit für die Höherentwicklung des Volls geleistet werden kann. (Lebhaftes Bravo)

Abg. Dr. Spahn () dankt zunächst dem Staatssekretär Tr. Preuß für seine hervorragende Mitwirkung an dem Zustandekommen des Verfassungswerkes. (Lebhaftes Bravo!) Nach Kant ist die Re⸗ publik die beste Regierungsform. Das Deutsche Reich ist eine Re⸗ puhlik, die deste Regiernngsform. Das Deutsche Reich ist eine Re—⸗ publik mit höchstinstanzlicher Regierung durch das deutsche Volk, das eine. Gewalt über Reichspräsidenten. Neichstag, Reichsrat und Reichstegiernng im Volkzentscheid ausübt. Unsere politischen Zuflände