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Nach einer von W. T. B.“ übermittelten Havasmeldung aus Me 6 sind 10600 Bergleute des Kohlenbergwerks Klein Rofseln in den Ausstand getreten; sie verlangen einen
Tageslohn von 18 Franes und Anerkennung der Gewerkschaften. Einer von W. T. B.“ wiedergegebenen Havas⸗Reutermeldung
aus Antwerpen zufolge kann der Ausstand der dortigen
GHasarbetter als beendet angesehen werden. (Vergl.
Nr. 211 d. BI.) Wohlfahrtspflege.
Die Stiftung ‚Töchterhort“ für verwaiste Töchter von Reichs ⸗Post⸗ und Telegraphenbeamten hat soeben ihren Ver⸗ waltungsbericht für 1915 vperöffentlicht. Danach ist trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mit denen der Beamten—
stand wie kaum eine andere Volksschicht zu kämpfen hat, die
Spendensumme im verflossenen Geschäftsahr um 4043 „M ge⸗ stiegen. Im ganzen sind an laufenden Beiträgen 218 368 „ auf⸗ gekommen, und zwar von 62319 höheren und mittleren Beamten 117426 M und von 84293 unteren Beamten 100 942 M. Die Zeitumstände sind gegenwärtig der Entfaltung einer umfang- reichen Werbetätigkeit gewiß nicht allzu günstig, dennoch zeigen die Ergebnisse der Sammlungen in vielen Bezirken, daß das Ver— ständnis für den der Liebestätigkeit der Stiftung innewohnen⸗ den Wert in der Postbeamtenschaft im Wachsen begriffen ist. Das Ziel, dem die Stiftungsverwaltung zustrebt, ist das, einen jeden Postbeamten als Helfer an ihrem Liebeswerk begrüßen zu können. Das ist aber restlos nur im Einvernehmen und unter Mit— hilfe der Standesvertretungen zu erreichen, an die darum im Berwaltungsbericht die eindringliche Bitte gerichtet wird, sich der ihre eigenen Ziele fördernden Töchterhortsache mit Wärme anzunehmen. An Unterstützungen sind im Berichtsjahr im ganzen 224 879 A gewährt worden (3238 S6 mehr als im Vorjahre), davon aus Mitteln des Hauptausschusses 123 484 6 und aus Mitteln der Bezirksausschüsse 101 395 6. Einmalige Unterstützungen sind gezahlt worden an 1019 Waisen von höheren und mittleren Beamten in Höhe von zusammen 56 677 4Æ und an 1743 Waisen von unteren Beamten in Höhe von zusammen 80 765 16, laufende Unterstützungen an 230 Waisen von höheren und mittleren Beamten in einer Gesamthöhe von 590 935 . und an 225 Waisen von unteren Beamten in einer Gesamthöhe von 36 502 SJ. Es sind also insgesamt für 1249 Waisen von höheren und mittleren Beamten 107 612 und für 1973 Waisen von unteren Beamten 117267 K an Unterstützungen bewilligt worden. Für die Kriegshilfe der Beamtinnen der Reichs⸗Post⸗ und Telegraphen verwaltung “ sind von den Spendern zum Töchter⸗ bort im Jahre 1918 rund 9700 aufgebracht worden, so daß die Sammlung, die mit Jahresende geschlossen worden ist, die stattliche Summe von rund 466 000 S ergeben hat. Das Kapitalvermögen der Stiftung „Töchterhort‘ erhöhte sich von 2 208 691 S6 Ende 1917 auf 23604 1359 S Ende 1918. Einschließlich der Bestände der Be⸗ zirksausschüsse, die sich um 11975 vermehrt haben, hat das ge⸗ famte Stiftungsvermögen die Höhe von 2390277 „ erreicht und damit den Bestand des Vorjahres um rund 107 500 „6 übertroffen. An der Zeichnung zur achten und zur letzten Kriegsanleihe hat sich der Töchterhort mit je 50 000 S beteiligt. Der gesamte ge⸗ zeichnete Betrag erreichte damit die Höhe von 600 000 4A.
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Die Tuberkulosefürsorge in Deut schland drückt sich in dem vom Generalsekretär des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose, Generalohergrzt Dr. Helm, erstatteten Geschäftsbericht für 1918 in folgenden Zahlen aus: Es beträgt die Zahl der Heilslätten für erwachsene Lungenkranke in Deutschland 166 mit 16765 Betten, die der Kinderheilstätten, in denen teils lungenkranke, teils an Knochen oder Gelenktuberkulose erkrankte, teils von Tuberkulose bedrohte, strofulöse und erholungsbedürftige Kinder Aufnahme fanden, ebenfalls 166 mit i,, 14 600 Betten. Walderholungsstätten sind 133 vorhanden, Waldschulen mit voll⸗ wertigem Unterrichte 17, ländliche Kolonien , darunter 3 für Erwachsene und 3 für Kinder. In 33 Genesungsheimen finden Tuberkulöse meist nur mit geschlossener Tuberkulose Aufnahme. Der Auslese her Kranken für bie Heilstätten dienen 84 Beobachtungsstationen. Es bestehen ferner 323 Tuberkulosekrankenhäuser, Invalidenheime und Pflegestätten. Die Zahl der Auskunfts, und Fürsorgestellen beträgt 1269; hierzu kommen noch die 42 bayerischen Beratungsstellen, die 673 Tuberkuloseorgani⸗ satlonen in Sachsen, die 504 Tuberkuloseausschüsse in Baden und die 460 Hilfsfürsorgestellen der Landesversicherungsanstalt Thüringen. Es find also alles in allem rund 3000 Stellen, d. h. 1000 mehr als bei der letzten Zählung im Jahre 1915. — Die Ausgaben des Zentral⸗ komitees sind von rund 20090 900 6 im Jahre 1913 auf rund 600 9000 M im Jahre 1918 gestiegen.
Gesundheitõwesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ wa regeln. Nachweisung über den Stand von Viehseuchen in Deutsch-Hsterreich am 3. September 1919. (Auszug aus den amtlichen Wochenausweisen)
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Die periodische Nachweisung. Aber den Stand von Vichseuchen ist fur Ungarn selt dem 23. Juli und für Kroatten⸗Slabonien seit dem 17. Jult 1981s in der bisherigen Ausfertigung — unggrisch⸗deutsch — nicht eingegangen, ebenso fehlen die Angaben für die übrigen öster⸗ reichlschen Lander.
Zusammen Gemeinden (Gehöfte):
36 7 69 —ᷣ— . 85 ⸗ 33 Schwelneseuche) 39 (60), Rotlauf der Schweine 112 (200 ( an,, ,,. he s Fed h, Pockenseuche der Schafe und Beschäl⸗
seuche der Jsuchtpferde sind nicht aufgetreten.
Theater und Musftk. Theater in der Königgrätzer Straße.
Schillers bürgerliches Trauerspiel Kabale und Liebe“ hat am Mittwoch nun auch seinen Einzug in das Theater in der König⸗ grätzer Straße gebalten. Die Aufführung, die unter der künstlerischen Teitung Rudolf Bernauers stand, hatte neben manchen Vorzügen auch einen großen Fehler, sie war in dem Bestreben, jede Ueber⸗ treibung nach irgend einer Seite hin zu vermeiden, auf einen so gedämpften Ton abgestimmt, daß die großen dramatischen Momente von ihrer Schlagkraft fast alles einbüßten. Schlicht heit sollte das wesentliche Merkmal des Abends bilden, leider aber wurde vielfach Nüchternheit daraus. Der Wille, die alte
pathetische Spielweise abzustreifen und einen Ausdrucksstil, der
neuzeitlichem Verständnis und Empfinden näherliegt, anzustreben, ist an und für sich gewiß anerkennenswert, indessen lassen sich leidenschaftliche Steigerungen und Gefühlsausbrüche nicht in den Ge⸗ sprächston bannen, wie das gestern mehrfach versucht wurde. Frei von diesem Fehler war der Musikus Miller des Herrn Hartau; sein gesunder künstlerischer Sinn bewahrte ihn davor. Der über die Albernheit der Frau empörte Gatte und der liebende Vater kamen
in seiner Darstellung stark und unmittelbar zum Ausdruck. Eine andere sehr eindringliche Leistung war Alfred Abels Wurm. Da war nichts von dem herkömmlichen Theaterbösewicht zu verspüren, und
doch fühlte man die Gewissenlosigkeit dieser streberischen Schreiberseele aus jedem Wort und jeder Gebärde heraus. 3 Riemann war alß Ferdinand ein korrekter, männlicher Offizick, aber von der Gluthitze und der exrlosiven Natur des Liebenden war bei ihm wenig zu merken. Die Luise des begabten Fräuleins Ellen Herz war eine noch unausgereifte Leistung. Be⸗ sonders in den Anfangsakten fiel eine starke Anlehnung an Lucie Höflich auf, deren Organ und Tonfall sie offenbar nachahmte. Ziemlich farblos war ferner der Präsident in der Darstellung Ernst Dernburgs, und auch Reinhold Schünzels Hofmarschall von Kalb hatte, was bei der großen Begabung dieses Künstlers wundernahm, keine individuellen gi Der Versuch,
die Rolle der Lady Milford Maria Orska anzuvertrauen,
deren Lorbeeren auf ganz anderem Felde sprießen, muß als mißlungen bezeichnet werden. Die große Weltdame, die einen Herzog beherrscht, glaubte man ihr ebensowenig, wie die im Grunde edle, liebende Frau. Alles in allem stand also die vom Publikum beifällig aufgenom— mene Aufführung, vergleichsweise betrachtet, nicht auf der Höhe, an die uns die strebsame künstlerische Leitung des Theaters in der Königgrätzer Straße gewöhnt hat; an und für sich war sie aher natürlich einer großstädtischen Bühne durchaus würdig und äußerlich sogar sehr sehenswert. Die von Rochus Gliese geschaffenen Bühnen bilder glichen mit Farbe, Körperlichkeit und Leben erfüllten Kupfer⸗ stichen von Chodowleckl, dem genialen Illustrator unserer Klassiker.
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Im Opernhause wird morgen, Sonnabend, „Fidelio“ mit Frau Melanie Kurt als Gast als Leonore gegeben. In den übrigen Partien sind beschäftigt: Fräulein Sax und die Herren Kirchner, Armster, van de Sande, Stock, Henke und Habich. Dirigent ist der Generalmusikdirektor Leo Blech. Anfang 7 Uhr. — Zwischen der Leitung der Staatsoper und Frau Helene Wildbrunn ist eine Einigung dahin getroffen worden, daß die Künstlerin im Verbande des Opernhauses verbleibt.
Im Schauspielhause wird in Abänderung des Spielplans eingetretener , wegen heute statt „Judiih“ „Die Braut von Messina“ gegeben. — Für morgen ist „Coriolan“ mit den Damen Sussin, Neff, Schön und den Herren Sommerstorff, Mühlhofer, Kraußneck, Pohl, Leffler und von Ledebur in den Hauptrollen angesetzt. Spielleiter ist Dr. Reinhard Bruck. Anfang 7 Uhr.
Nachdem das frühere Stuttgarter Hoftheater (Großes Haus, Kleines Haus und Wilhelmatheater) als Württem⸗ bergisches Landestheater in die staatliche Verwaltung über— nommen worden ist, schreibt W. T. B.“ zufolge das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens in Stuttgart die Stelle des Intendanten des Landestheaters zur 6ffentlichen Be— werbung aus.
Mannigfaltiges.
In der gestrigen Sitzung der Berliner Stadt⸗ verordneten wurde zunächst nach k Vorschlage des vor⸗ beratenden Ausschusses beschlossen, für die Ueberlassung der Stadthalle an Yrivate zu Versammlungs⸗ und anderen Zwecken im Winter 300 M, im Sommer 200 6 zu erheben. Ferner beschloß die Versammlung, den Magistrat zu ersuchen, mit der Volks kaffee⸗ und Speisehallengesellschaft erneut zu ver⸗ handeln, um durch Zuschüsse den Betrieb der Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Von den Unabhängigen Sozialdemokraten wurde folgender Antrag gestellt: „Den Magisirat zu ersuchen, im Interesse der Berliner Bevölkerung bei, der preußischen Reglerung gegen die beabsichtigte Militarisjerung der Berliner Polizei Protest zu erheben“. Nach langen, ziemlich erregten Erörterungen wurde dieser Antrag nebst solchen der Stadtb. Koch und Cassel abgelehnt. Angenommen wurde ein Antrag der Mehrheitssozialisten, dahin gehend: den Magistrat zu ersuchen, sich mit der preußischen Staatsregierung über die beabsichtigte Reform des Groß Berliner Polizeiwesens ins Ein— vernehmen zu setzen und bei den Verhandlungen die wirt— schaftlichen und finanziellen Interessen der Beamtenschaft zu wahren.
Am 17. d. M. wurden, wie W. T. B. mitteilt, 1117 Kriegs⸗ gefangene über Cöln-Deutz nach Altengrabow befördert, serner wurden ein Lazarettzug und ein Transport mit zusammen 1499 Mann nach Meschede und ein Transport von 1300 Gefangenen nach Göppingen geleitet. Für gestern wurden ein Transport von 14565. Mann nach Wetzlar, ein solcher von 1300 Mann nach Gießen und von voraussichklich 12900 Mann über Limburg er— wartet.
Die Reichszentralstelle für Kriegs- und Zivil efangene teilt mit, daß am 30. September 1919 ein dänisches Schiff mit warmer Kleidung, Medikamenten und Liebesgaben Kopenhagen def dessen Ladung für die deutschen Kriegsgefangenen in Sibirien bestimmt ist. Angehörige können auf diesem Wege schriftliche Mitteilungen, jedoch kein Geld, an die in Sibirien befindlichen Kriegsgefangenen gelangen lassen. Briefe sind bis zum 26. September der Reichswehrbefehlsstelle Preußen, Abteilung Kriegsgefangenenschutz, Berlin SW. 11, Prinz⸗ Albrecht⸗-Straße 9, mit der Aufschrift ‚Für Sibirien“ zuzuleiten. — Die Verhandlungen mit der amerikanischen Re— gierung über einen beschleunigten Abtransport der Gefangenen werden weiter fortgesetzt.
Ein Zentralverband deutscher Kriegsbeschädigter und Kriegshinterbliebener. Zwei der größten Kriegs— beschädigtenorganisationen, der Verband deutscher Kriegs⸗ beschädigter und Kriegsteilneh mer und der Verband wirtschaftlicher Vereinigungen Kriegsbeschädigter für das Deutsche Reich haben sich, wie ‚W. T. B.“ mitteilt, bei einem am Sonntag und den folgenden Tagen in Hildesheim abgehallenen gemeinsamen Verbands vertretertage zum „Zentralverband deutscher Kriegsbeschädigter und Kriegshinter⸗ bllebener“ zu sammengeschlossen. Die neue Organisation zählt elwa 100 009 Mitglieder. Dem wirtschaftlichen Beirat des Verbandes gehört eine Anzahl von Organisationen der Arbeiter und , der Kaufleute, der Handwerker, des Handels usw. an. Die Reichsgeschäftsstelle des Zentralverbands befindet sich in Berlin NV. 6, Lussenstraße 31h.
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gewiesen, daß, falls die Sparmaßnahmen in geplanter Weise
bezugsvorstellung.
In der Treptower Sternwarte finden in den nächsta Tagen folgende kinematographische und Lichtbildervorträge statt. Mi Sonnabend, Nachmittags 5 Uhr: Im Lande der Schwarzen; (D Sudanfilm); Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: „Das ham Hochland und die Königsschlösser (Filme), 5 Uhr: „Walrosse. Gis— bären und Alken“ (Filme), Abends 7 Uhr: „Ferientage an der Ostse, in der Sächsischen Schweiz und im Spreewald. (Filme; Dienstag Abends 7 Uhr: „Die Sternbilder und vraktische Anleitung zu ihrer Auffindung“ und Mittwoch, Abends 74 Uhr: „Neuere Anschauungen über die Entwicklungsgeschichte der Planeten“ (Vorträge mit Licht bildern des Direktors Dr. Archenhold).
Stettin, 18. September. (W. T. B.) Die heutige Stadt, verordnetenversammlang wurde von demon, strierenden. Magistrats beamten gesprengt. Se hatten die Tribünen des Sitzungssaales besetzt und forderten von don aus mündliche Verhandlungen mit dem Dberbürgermeister wegen ihrer Gehaltsforderungen. Dabei kam es zu derartig lärmenden Kundgebungen, daß die Sitzung aufgehoben werden mußte.
Köslin, 18. Seytember. (W. T. B.) Im Laufe der Nacht kam es zu weiteren Plünderungen. Gegen 11 Uhr stürmte die Menge die am Markt gelegenen Herrenartikel⸗ und Konfek
Wien 18. Sextember. (W. T. B.) Den Blättern zufolge teilte der Bürgermeister mit, daß der tägliche Ausfall durch h Einstellung des Straßenbahnverkehrs 7560 000 hi 30 000 Kronen betragen wirb. Sollte der Stillstand längere Zett andauern und auch auf die Gas⸗ und Elektrizitätswerke übergreisen,
so werde dies zum Zusammenbruch der städtischen Finanzen führen. Wie verlautet, wurde auch die sofortige Einstellung der Zeitungsbetriebe beantragt. Wenn diese Maß
regel zurzeit noch nicht angeordnet wurde, so ist se doch bei längerer Dauer der Kohlenkrise nicht zu vermeiden. In Gewerbekreisen wird darauf hin⸗
wirklich durchgeführt würden, dies der vollständige Zusammenhruch aller betroffenen Erwerbszweige wäre. — Der „Neuen Frelen Presse⸗ zufolge machten die Beschlüsse infolge der Kohlenot bei der Wiener Ententemission starken Eindruck. Wle verlautet, soll de Absicht bestehen, einen gemeinsam Schritt zur Milderung der durch die Wiener Kohlenkatastrophe notwendig gewordenen schwerwiegenden Maßnahmen zu unternehmen. .
Bern, 18. September. (W. T. B.) Das Königsschloß in Neapel ist durch Feuer zerstört worden. Es wu Brandstiftung vermutet. Seltsamertweise waren im Schloß größe Vorräte an Naphthalin und Benzin untergebracht, weshalb das Feuer mit unheimlicher Schnelligkeit um sich greifen konnte.
Genf, 18. September. (W. T. B.) Wie die „Schwetzerische Depeschen⸗Agentur“ meldet, fand hier am Mittwochabend eine bon deuischen, französischen, italienischen, österreichischen, türkischen und serbischen Kriegsteilnehmern besuchte Versammlung statt, die ein— stimmig der Bildung einer internationalen Ver— einigung ehemaliger Kriegsteilnehmer zustimmte, die sich die Versöhnung der Völker und den Kampf gegen die Machenschaften des Chauvinismus zum Ziel setzte.
Haag, 18. September. (W. T. B.) Nach „Nieuwe Courant! sind durch eine Ueberschwem mung in Texas große Ver wüstungen angerichtet worden. An der Küste von Corpus Christi und an der Nueces⸗Bucht sollen mindestens 1000 Leichen liegen. 30 000 Menschen sind obdachlos. Der Schaden wird auf vier Mil, lionen Dollar geschätzt.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage)
Theater. Opernhansz. (Unter den Linden.) Sonnabend: 186. Dauer
. Fidelio. Oper in zwei Akten von Ludwis van Beethoven. Text nach dem Französischen von Ferdinand Treitschke Zu Anfang: „Ouwvertüre zu Fidelio“. Vor der letzten Ver— wandlung: „Ouvertüre Leongre (Nr. 3)“. Musikalische Leitung ⸗ kö Leo Blech. Spielleitung: Karl Holy. Anfanz hr.
Schanspielhans. (Im Gendarmenmarkt.) Sonnab.: 198. Dauet
hezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Coxio lan Historisched Drama in fünf Aufzügen (14 Verwandlungen von William Shakespeare. Spielleitung: Dr. Reinhard Bruck Anfang? Uhr. ö
Sonntag: Opernhaus. 187. Dauerbezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze find aufgehoben. Die Meistersinger von Nürn⸗ berg. Oper in drei Akten von Richard Wagner. Anfang 4 Uhr.
Schauspielhaus. Nachmittags: 28a. Kartenreservesatz. Det Dauerbezug, die ständig vorbehaltenen sowie die. Dienst⸗ und Frei plätze sind aufgehoben. 3. Volksvorstellung zu ermäßigten Preisen: Minna von Barnhelm. Anfang 2 Uhr. — Abends: 199. Dauer bezugsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Coriolan Historisches Drama in fünf Aufzügen (14 Verwandlungem von William Shakespeare. Spielleitung: Dr. Reinhard Bruc Anfeng 7 Uhr.
Familiennachrichten.
Verlobt: 3. Edelgard, von Klitzing mit Hrn. Leutnant. Kal v. Winterfeld⸗Freyenstein (Langenau, Kr. Löwenberg, Schles-⸗= Laßwitz b. Lissa, Posen). — Frl. Margarete Lamla mit Hrn Dr. med. Paul Friebel (Breslau —- Kattowitz O. S.). — II Erika von Diepow mit Hrn. Hauptmann Häns Fehr. v. Boden hausen (Henningsholm b. Hohenkrug Pomm.)
Vermählt: Hr. Dr. med. Karl Jacobs mit Frl. Lotte De (Breslau). — Hr. Reg.⸗Aßessor a. D. Albrecht 9. Alvensleben mit Gräfin Ilse v. Hardenberg (Hannover).
Verantwortlicher Schriftleiter: J. V;: Weber in Berlin. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Der Vorsteher der Geschäftsstell⸗ Rechnungstat Mengering in Berlin.
Verlag der Geschäftsstelle(Mengering in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstraße 32.
Fünf Beilagen (einschllen lich Börsenbellage und Warenzelchenbeilage Nr. 2 A und Bh und Erste und Zweite Zentral ˖ Handels register⸗Beilaa
. — 1 * 253
—
zum Den tschen Reirhsanzeiger id Brenßischen Staatsanzeiger.
* 244.
— —“
Preußische Landesversammlung. 50. Sitzung vom 18. September 1919.
Am Regierungstische die Staatsminister Hänisch 5
Stegerwald.
Pzäsident Leinert eröffnet die Sitzung um A, Uhr Nachmittags.
Das Haus hat zunächst über die Berechtigung eines Ordnmgsrufes zu entscheiden. Der Abg. Lichtenstein (J. Soz.) hat in ber Sitzung am 19. Juli bei der Besprechung der Verwendung von Geldern dem Minister des Innern gesagt, das sei „eine Schiebung, eine ganz gewöhnliche Schiebung“ (Sehr richtig! bei den Ü. Soz). Der Vizepläsibent von Kries hat ihm dafür einen Ordnungtzruf erteilt; der Abg. Lichten⸗ stein hat hieigegen auf Grund der Geschäfte ordnung Einspruch erhoben. Nach der Geschäftsordnung entscheidet die Landes⸗ versammlung ohne Besprechung darüber, ob der Ordnungsruf berechtigt war.
Das Haus erklärt mit allen Stimmen gegen die Stimmen der Unabhängigen den Ordnungsruf für gerechtfertigt.
Auf der Tagesordnung stehen ferner kleine Anfragen.
Abg. Leid (U. Soz.) fragt an, warum am 2. Juli eine Ver⸗ sammlung der Modelltischler von einem Militäraufgeßot gewaltsam ehindert worden sei und wie die Regierung solche Willkürakte in
ukunft verhindern wolle.
Ein Regierungspertreter bemerkt: Für das Vor— gehen gegen dlese Versammlung lag kein Grund vor; es war ein bedauerlicher Irrtum des Kriegsmintsteriums. Die Schuldigen sind zur Verantwortung gezogen, und die Regierung spricht ihr Bedauern über den Fall aus..
Abg. Lukasssowitz (D. Nat) nimmt in einer Anfrage darauf Bezug, daß verschiedene verdiente Verwaltungsbeamte, u. 4. auch der Landrat in Grottkau (Schlesien), in ungesetzlicher Weise durch die Vollzugs. bezw. Arbeiter⸗ und Soldatenräte zur Abdankung gezwungen und von der verhetzten Arbeiterschaft mißhandelt sind.
Ein Vertreter des Ministeriums des Innern er—
klärt: Der Landrat Thilo in Grottkau hatte seine Teilnahme an einem Protestumzuge des sozialdemokratischen Vereins gegen den schmachpollen Frieden am 1. Mai zugesagt, später aher infolge eines Beschlusses der städtischen Behörden und der bürgerlichen Vereine, von der Teilnahme daran abzusehen, da es sich um parkei⸗ politische Zwecke handele, seine Teilnahme wieder abgesagt. Bei dem Umzug verlangte eine Deputation von dem Landrat, daß er sein Nichterschelnen rechtfertige. Dieser begründete es damit, daß es sich um eine parteipolmische Veranstaltung handele. Der Sprecher erklärte das nicht für genügend, da der Landrat Angestellter der der— zeitigen sozinldemoktalischen Regierung sei (Hört! Hört! rechts) und daher verpflichtet sel teilzunebmen, oder er müsse abgehen. Er sollte versprechen, künftig an sozialdemokratischen Uinzügen teilzunehmen. Auf die Ablehnung des Landrats wurden aus der Menge Drohungen laut, zu einem läntlichen Angriff auf den Landrat ist es nicht ge⸗ kommen. Der Landrat hat seine Pensionierung auf Grund dieses Vorfalls selbst beantragt. Die Regierung konnte diese vollkommen spontane Temonstration nicht verhindern, wird aber dafür forgen, daß etwaige Uebergriffe lokaler Arbeiterräte sofort abgestellt werden, so—⸗ bald sie zur Kenntnis der Regierung gelangen. Abg. Schmidt⸗Stettin (B. Nat.) weist in einer Anfrage darauf hin, daß nach der Schließung der Spielklubs in Swinemünde das Kurhauskasino den Spielbetrieb wieder aufgenommen hat; der Oherpräsident von Stettin soll die Swinemünder Polizei gebeten haben, gegen; den Betrieb des Kurhauskastnos, das große Auswendungen für Wohltaͤtigkeitszwecke mache, keine Zwangsmaßnahmen zur An wendung zu bringen. Der Redner fragt an, wie sich die Stellung⸗ ö ᷣ Oberpräsidenten mit dem underlaß vom 14. Juni 1919 erträgt.
Der Vertreter des Ministeriums des Innern enierkt: Eine solche Weisung des Oberpräsidenten an die Swinemünder Polizei ist nicht ergangen, im Gegenteil hat der Qberpräsident schärfstes Vorgehen gegen die Klubs empfohlen. Der Regierungspräsident ist erfucht worden, sosort die Schließung der Spielbäuser durchzuführen. Dargufhin sind sämtliche Srts— polizeibehörden des Kreises Usedom-Wollin mit sofortiger Schließung der Spielhzuser beauftragt worden.
Abg. Schmidt Stettin stellt zur Ergänzung die Frage, warum erst im August und nicht schon Anfang Juli die Spielhölle in Swine—⸗ münder geschlossen wurde.
Präͤsident Le inert nimmt dies nicht als Ergänzungsfrage an, sondern erklärt es für eine neue Frage.
Abg. Dr. Leidig (D. Vp.) fraͤgt an, worauf die Regierung
ibre Befugnis gründe, die Verkündung von Gefetzen, die
die Lander hersammiung erlaffen hat, um Wochen, ja um Monate
hinauszuschieben, wie es in drel Fällen geschehen fei. Falls die gierung anerkenne, daß sie damit einen Verfassunggbruch verübt
17 ö. beabsichtige sie dann, gegen die schuldigen Minister vor ige hen *
Ein Regierungzs vertreter erklärt: Die Staatsregierung nimmt keine Befugnis für sich in Anspruch, die Verkündung der Ge— setze hinaus zuschleben, ist im Gegenteil der Ansicht, daß die Ver— kündung grundsaͤtzlich so hald zu erfolgen hat, als die Erledigung der unvermeidlichen Förmlichkeiten und der Geschäftsgang in den Mi— nisterien es gestarten. Wenn sich in diesen Fässfen die Verkündung länger verzögerte, als der Regierung selbst lieb war, so lag dies um Teil daran, daß zunächst noch Meinungeherschieben heiten über ie Form der Ausfertigung, aussugleichen waren, zurn Teil an der, Ueherlastung in den Ministerlen, z. B. im Stagtsminssterium. Die Staatsreglerung erkennt nicht an, daß sie einen Verfassungsbruch verübt habe. In z 7 rer vorläufigen Verfassung ist keine . für die Verkündung vorgeschrieben, sie lehnt daher irgend ein Vorgehen gegen einen der beteiligten Minister ab.
ig, Dr. Leidig fragt zur Ergänzung, ob der Re erung be⸗ lannt ift. daß nach allgemeinen Ce n fehr. wenn für die Verkünpung kelne Frtst vorgeschrieben ist, Lie Verkündung sofort erfolgen muß.
Präsident Le inert erklärt dies für eine ganz neue Frage.
Damit ist fü j ö erledigt st für heute die Reihe der kleinen Anfragen
Das Haus setzt hierauf die et Lesung des Staats haust⸗ haltsplans fär jisig bei dem Sonderhaushalt des Ministeriums für Volkswirtschaft fort.
Für dieses Ministerium sind nachträglich 274 200 Se in den Staatshaushaltsplan elngesetzt. Der Staatshaushakts⸗ ausschuß hat die Crrichting bieses befonderen Ministeriums mit den drei Abteilungen für Volks gesundheilspflege, Wohnungg⸗ aa , mmm Jugendpflege und allgemeine Fürsorge
en.
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Berlin Freitag, den 1h.
Gleichzeitig werden beraten:
I der Antrag der Deutschnationalen, die Regierung zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß ) zur Beschaffung von GSaustoffen für die dringend erforderlichen Kleinwohnungen möglichst bald wenigstens ein erheb⸗ licher Teil der zurzeit stilliegenden rund 17700 Ziegeleien, besonders soweit sie in der Näbe baureifen Geländes liegen, derart mit Kohlen beliefert wird, daß der Betrieb wieder aufgenommen werden kann; 2) hei der Verteilung der Baustoffe die gemeinnützigen Bau⸗ und Siedlunusgenossenschaften vorzugsweise bedacht werden;
2) der Antrag des Aussichusses für Bevölkerung s⸗ politik, die Staatsregierung zu ersuchen, die Gemeinden anzuhalten, möglichst viel Land in der Umgebung von Industrieorten und vor allem von Städten zu billigen green un⸗ mittelbar an die nichtlandbesitzende Bevölkerung oder an gemein nützige genossenschaftliche Organisationen zur Anlegung von Kleingärten abzugeben.
9) der Antrag des selben AuZusschusses, die Staats⸗ regierung zu ersuchen, auf die Reichsregierung elnzuwirken, an der Dand des früheren Gesetzes über Jugendwohlfahrtsämter mit aller— größter Beschleunigung ein Rahmengesetz für die Schaffung eines Wohlfahrtsamtes herzustellen, zu dem auch ein Jugendamt gehören muß.
Endlich wird auch die förmliche Anfrage der Deutsch⸗ nationalen mit dieser Erörterung verbunden: „welche Maß⸗ nahmen gedenkt die Staatsregierung zu ergreisen, um denn gegenwärtigen großen Wohnung smangel bald und erfolgreich entgegenzutreten?“
Nachdem die Anträge durch die Abgg. Ebersbach (D. Nat.), Müller⸗Hannober (Soz.) und Dr. Weyl (U. Soz) begründet worden sind, führt
Abg. Lukassowitz (D. Nat.) zur Begründung der förmlichen Anfrage aus, daß die Wohnungsfrage derjenige Teil des ganzen sozialen Prohlems geworden sei, dessen Lösung am dringlichsten er scheine. Die Wohnungskalamität, besonders in den Groß tädten, drohe unerträglich zu werden. Bei der Regierung habe sich hin sichtlich der Praxis der Mietseinigungsämter eine gewisse Ein— seitigkeit herausgebildet, indem die Interessen der Mieter zu ausschließlich wahrgenommen würden. Zu Jlösen sei auch die Wohnungsfrage nur, wenn das ganze Volk sich dafür einsetze, wenn wieder gearbeitet, wenn wieder vroduziert werde. Die Beschlagnahme größerer Wohnungen zum Zwecke der Aufteilung set ein sehr gefährlicher Schritt, mit dem viele Kommunen traurige Erfahrungen gemacht hätten. In Berlin könne schon dadurch viel geholfen werden, wenn man die ,,, Wohnungen, welche die Kriegsgesellschaften zurzeit inne hätten, sofort der Allgemeinheit zur Verfügung stellte. Auch bei der ev. Beschlagnahme leerstehender Fabrikräume und dergl. sei große Vorsicht geboten. Vielleicht sollte die Abhilfe auf dem Wenge gesucht werden, daß man an Wittschafts⸗ genossenschaften in ausreichender Höhe Baugelder gäbe.
Eine Beaniwortung der förmlichen Änfrage erfolgt nicht. Die Besprechung wird von den Deuntschnatienalen beantragt und vom Hause beschlossen; sie wird mit ber allgemeinen Debatte über diesen Teil des Stagtshaushaltsplans und die zu ihm gestellten Anträge verbunden.
Abg. Brandenburg (Soz.): Mit der Schaffung des Wohl⸗ fahrtsants, der wir freudig zustimmen, wird eine alte Forderung unserer Partei erfüllt. Auf dem Gebiete der Volkewohlfahrt muß bedeutend mehr geschehen als bisher; hier darf die Räcksicht auf die traurigen Finanzen des Staates nicht ausschlaggebend sein. Namentlich in vorbeugender Tätigkeit muß mehr geleistet werden. Ein Mehr an Wohlfabrispflege bedingt keineswegs an sich auch ein Mehr an Aus— gaben. Redner geht hierauf die drei Gehiete, die dem neuen Ressort unterstellt werden, im einzelnen ausführlich durch. Er verlangt ins⸗ besondere eine energische Bekämpfung der Tuberkulose und eine gründ⸗ liche Reform des Wohnungswesens, insbesonbere der Groß⸗ städte. Hier wäre dem Wohnungsjammer in weitem Umfange abzuhelfen, wenn die Magistrate von ihrer Befugnis, übergroße Wohnungen zu teilen, mehr Gebrauch machen wollten. In heutiger Zeit kann man sich den Luxus nicht mehr leisten, daß Familien von zwei, drei oder vier Personen Wohnungen von 12 und mehr Zimmern innehaben; die Stadtverwaltungen hielten sich aber trotzdem immer noch in allzu großer Rücksichtnahme auf die besitzenden Klassen von einem Einschreiten zurück. Die Regierung sollte den Magistraten dieses Einschreiten zur Pflicht machen. Auf dem Wege des Schleichhandels sei alles Baumaterial in be⸗ liebiger Menge zu haben; auch hier müßte mit den schärfsten Maß⸗ regeln eingegriffen werden. Redner erklärt die Zustimmung seiner Partei zu den Anträgen, betreffend die Kleimpohnungen und Klein gärten, und fordert weitgehende Unterstützung der Arbeiterbaugenossen schaften und Beamtenbaugenossenschaften, die bisher von oben her oft in kleinlichster Weise schikaniert worden seien. Auf dem Gebiet der Jugendpflege verlangt er Vermehrung der Mütterberatungz—⸗ stellen, der Kleinkindergäcten und Kinderheime. Aus der Fürsorge— erziehung habe die Polizei als ein durchaus ungeeigneter Faktor auszuscheiden, und den Erziehungsanstalten müsse der Zuchthaus⸗ charakter genommen werden. Auch für Ferienkolonien und Land⸗ ausenthalte schwächlicher und erholungsbedürftiger Kinder seien größere Aufwendungen zu machen.
Frau Heßberger (Zentr.): Es war ein glücklicher Gedanke, in diser Zeit der größten Not unseres Volkes das Ministerium für Volkswehlfahrt ins Leben zu rufen. Wenn auch in den verflossenen Jahren schon viel anerkennenswerte Arbeit aeleistet worden ist, so fehlte doch oft die einheitliche große Linie. Wir begrüßen das Wohl fahrttministerium und sprechen die Hoffnung gus, daß es recht bald in völlig geor'neter Weise mit seiner umfangreichen Arbelt beginnen kann. Wir möchten dabei noch den Wunsch aussprechen, daß die Fonds für gesundbheitliche und für sorgerische Zwecke in Zukunft w tlic erhöht werden möchten. (Beifall und Zustimmung im Zentrumj. Eine der brennendsten Fragen ist heute die Wohnungsfrage. Die Wohnungsnot, besonders im Westen, ist nahezu an der Grenze des Erträglichen angekommen und trotzdem haben wir wenig Autsicht auf baldige Besserung, namentlich in den großen Städten. Wenn auch die Rationierung der Wohnungen in vielen Fällen zu begrüßen ist, so bleibt sie doch immer noch ein Notbehelf, der nur wenigen zugute fommt und der meistens beiden Teilen wenig Freude macht. (Sehr richtig Eine durchgreifende Besserung kann einsiweilen wohl nur auf dem Lande und in den kleinen Stätten erreicht werden; zu dem Zwecke sollte man vor allen Dingen die kleinen Ziegeleien besser mit Kohlen verzorgen und im übrigen der Selbsthilfe freien Spielraum lassen. Daneben sollte der Staat noch größere Mittel zur Verfügung stellen. Der Reichsfinanzminister hat, nachdem die erste Milliarde aufge⸗ braucht ist, ohne daß eine weseniliche Bessernng erzielt worden ist,
weitere 150 Millionen zur Verfügung gestellt. Meine Partei stellt
den Antrag, den Zuschuß von 45 Millionen, der als Bedingung für den Zuschuß des Reichs gefordert wird zu bewilligen. (Beifall im Zegttum.) Im Gegensatz zum Abg. Ebersbach empfiehlt Nednerin
ei dieser Gelegenhelt den rheinischen Schweinmstein als vorzüglich!
geeigneten Ersatz baustoff; In der Wohnungsfrage sollte neben den großen Mitteln auch den kleinen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. S sollte vor allen Dingen jede Stadt von 4000 Einwohnern ver⸗ anlaßt werden, eine Wohnungepflegerin anzustellen. Die Wohnungs⸗ pflege müßte überhaupt durch Anregung aller Art, durch te und Preitausschreiben den Frauen gewissermaßen spstematif
anerzogen werden. Es ist zu bedauern, daß die Frauen bisber so gat wie gar nicht zur Wohnungsfrage herangezogen worden sind. Waͤre das geschehen, so wären die ungenügenden Schlafräume, für die Hausangestelliten, wie wir sie jetzt nur zu häufig finden, nicht möglich gewesen. Eine veiständige Mit— arbeiterfrau kann zur Lösung der Wohnungsfrage ungeheuer viel beitragen. Lebhafter Belfall und Zvischenrufe Unsere Volks—⸗ gesundheit ist aufs schwerste bedroht durch das Anwachsen der Pro⸗ stitution, durch die Ausbreitung, der Geschlechtskrankheiten, durch den Niedergang der Volkssittlichkeit. Die Reglementierung in 1ibrer jetzigen Form muß aufgehoben werden, denn die Polizeiaufsicht ill die denkbar ungeeignetste Instanz auf diesem Gebiet. In Pflegeämtern, die dem Wohlfahrtsamt anzugliedern wären, sollten Aerzte und eine sozigl vorgebildete Pflegerin für die Ueberwachung des gesundheitlichen Schutzéß lätig sein. In einem Rahmengeseßtz sollten die allgemeinen Bestimmungen niedergelegt werden, da—⸗ mit das Zusammenarbeiten von Aerzten und Pflegerinnen den ört— lichen Verhältnissen entspreckend geregelt werden kann. (Beifall im Zentrum.) In der Hebammenfrage wird allgemein, und zwar bezeichnenderweise gerade aus den Kreisen der Hebammen selbst, eine hessere Vorbildung und gesichertere Lebengbe dingungen ge⸗ fordert. In einer Statistik vom Jahre 1902 wurde festgestellt, daß von rund 18 500 Hebammen in Preußen rund 17900 ein Ein kommen unter 1009 (6, hatten. Auch die Bezahlung in den Anstalten, in den staatlichen sowohl wie in den städtischen und preiveten, ist eine durchaus ungenügende. Die Kommission für Bevölkerungspolitik hat den Antrag gestellt, den Hebammen Beamtencharakter zu verleihen. Ich will den Kommissions⸗ verhandlungen nicht vorgreifen und möchte noch betonen, daß unbedingt ein Weg gefunden werden muß, um diese ernste Angelegenheit nicht am Foftenpunkt jcheitern zu lassen. (Beifall,) Rednerin fordert schließlich bessete Vorbildung und Besoldung für die Hebammen. Bei dem Haltekinderwasen müsse auf die Konfessionen Rücksicht genommen werden. Die Berufsberatung müsse weiter aus— gebaut werden. Vorbeugend müsse der Schutz der Jugend gegen Verführung durch Kino⸗ und andere Darstellungen bewirkt werden. (Belfall im Zentrum.) .
Abg. Dr. Schloßmann (Dem.): Gerade weil unser Volk arm geworden ist, müssen wir um so mehr für die Volkswohlfahrt sorgen und die moralischen und physischen Schäden heilen. Darin dürfen wir nicht sparen. Schon als wir noch reich waren, habe ich darauf hingewiesen, daß wir niemals so reich sein werden, daß wir Fahr aus Jahr ein einen Teil des Nationalvermögens in Kindergräbern anlegen dürfen. Durch den Krieg ist unser Volk physisch . und moralisch außerordentlich siech geworden. Für das Ministerium sür Bolkswohlfahrt müsen alle Mittel ausgenutzt werden, und wir eiwarten von dem jetzigen Finanzminister, daß er keine Schwierigkeiten machen wird. Ven Leiter der Medizinal⸗ abteilung muß der Charakter des Unterstaats sekretärs verliehen werden, um das Ant zu heben, und den Wünschen der Aerzteschaft muß schon im nächsten Etat Rechnung getragen werden. Die Aerzte werden die Bestrebungen des Ministerkums für Volkewohlfahrt im neuzestigen Geiste unterstützen. Aber es bedarf auch Liner besseren Fortbildung der Medtziner., namentlich in hvgienischer Hinficht. Die Ausbreitung der Tuberkulose erfüllt uns mit schwerer Sorge. Es ist ja nicht möglich, auch nur einen wesentlichen Bruchteil, der Kranken in den KFrankenbäusern und Hellstätten unterzubringen. Das IFriedmannsche Tuberkulosemittel, für des sich Herr Br. Faßbender, wenn, auch in vorsichtiger Form ein setzte, bedarf noch der gründlicksten objektiven Prüfung. Ich er⸗ innere daran, daß der setzige Minister Haenisch sich 1917 als Abgeordneter schaff gegen dieses Mittel ausgesprechen hat Den Hebammen muß, man auf irgend eine Art die Beamteneigenschaft beilegen, und wir müssen volle Gewähr dafür bekommen, daß nur tüchtig vorgebildete Frauen mit diesem wichtigen Amte betraut werden. Auch das Haltekinderwesen schreit nach Abhilfe. Man darf damit nicht auf das Vorgehen des Reiches warten.
Minister fär Volkswohlfahrtspflege Stegerwald: Meine Damen und Herren! Ich habe mich sowohl über die Art, wie ich das Wohlfahrtsministerium zu führen gedenke, wie über die Auf gaben, die ihm in erster Linie zuzuweisen sind, im Mai verbreitet. In der Zwischenzeit konnte abschließende Arbeit auß den verschiedensten Gebieten nicht geleistet werden aus Gründen, auf die ich gleich zu sprechen komme, so daß wir uns nwohl begnügen müssen, bis zu der nächsten Etatberatung auf die Einzelheiten zurückzukommen.
Dann sind eine Anzahl Spezialfragen erörtert worden, auf die meine Herren Mitarbeiter im späteren Verlauf der Diskussion ant worten werden. Die Aniegungen, die im Verlauf der heutigen und der morgigen Debatte gebracht werden, werden seitens des Wohl⸗ fahrtsministerütums geprüft wer zen. Den Ausführungen des Herrn Abg. Schloßmann über das Heilbäderwesen stimme ich durchaus zu. Auch dem neuen Hebammengesetz stehen seitens des Ministerinms Schwierigkeiten nicht im Wege. Der Ausschuß für Bevölkerungs⸗ politik hat sich ja bereits mit der Angelegenheit beschäftigt. Sobald er seine Beratungen abgeschlossen und in bestimmter Form nieder— gelegt hat, werden wir von seiten des Ministeriums eine allgemeine Sachverständigenkonferenz einberufen, an der Parlamentarler, Aerzte, Hebammen usw. teilnehmen sollen. Iin Anschluß daran wird an die Umarbeitung dieses bereits früher fertiggestellten Gesetzentwurfes über das Hebammenwesen herangetreten werden, so daß ich bestimmt glaube, in kurzer Zeit dem Hause diesen Gesetzentwurf vorlegen zu können.
Was das Wohlfahrtsministerium selbst anlangt, so ist es ja in einer ungünstigen Periode errichtet worden. (Sehr richtig) Wir haben es am 25. März angekündigt, als die neue Regierung sich bildete, und am 7. Mai hat das Staatsministerium grundsätzlich und auch hinsichtlich des Aufgabenkreises sich schlüssiz gemacht. Dann kamen bekanntlich die großen Ereignisse, die mit dem Friedensschluß usw. zusammenhän en. So konnte damals nicht mit der nötigen Sorgfalt an den Ausbau des Ministeriums herangetreten werden.
Dazu kam dann noch, daß der preußische Staat am meisten durch den unglückseligen Ausgang des Krieges zerschlagen ist, sowohl außenpoltlisch, indem er größere Gebietsteile, besonders im Osten, abzutreten hat, wie auch innerpolitisch, indem sein ganzes Finanz- wesen stark durcheinandergebracht ist, insbesondere duich die ver- änderten Verhälinisse auf dem Gebiete des Eisenbahnweseng. Ja
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