schaffen werden; so geht es nicht mehr, wir können für viele Dinge das Geld nicht mehr schaffen und müssen das Geld, das wir nech auf⸗— bringen können, für diejenigen Aufgaben zurückhalten und verwenden, die die wirtschaftliche Kraft des Landes stärken und einen möglichst schnellen Erfolg versprechen.
Was Her Dr. von Richter vorhin ausgeführt hat, ist auch meine Auffassung: wir wollen nicht verzweifeln, wir wellen nicht sagen, daß wir gar nichts mehr können; wir werden nech mancherlei können. Aber wir müssen unsere Kraft konzentrieren auf die Aufgaben, die am deinglichsten sind, von denen wir eine baldige und möglichst kräftige Wirkung für die Stärkung unseres Landes erwarten können.
Dem möchte ich allerdings noch eines hinzufügen: wir werden auch in der Lage sein müssen, insbesondere für untere gefährdeten Provinzen, das aufzubringen, was notwendig ist. (Lebhaftes Bravo.) Ich habe mit Dankbarkeit gehört, daß der Herr Abgeordnete Rebehn meiner Anwesenheit in Nordschleswig und Ostpreußen und meinen Plänen für diese Gebiete zugestimmt hat. Ich habe die Empfindung, Preußen kann nie so arm werden und darf nie so schwach werden, daß es jene unsere gefährdeten Provinzen im Stich lassen müßte, sondern für sie müssen wir unter allen Umständen etwas Be— sondetes tun. Wir dürfen unsere Freundschaft und unsere Zuneigung nicht nur in Reden bekunden, sondern müssen sie durch frische Taten bekunden, greifbar in Erscheinung treten lessen. (Bravo!)
Von diesem Gesichtspunkte aus bin ich in Nordschleswig und in Osftpreußen gewesen, um an Ort und Stelle die wichtigsten Aufgaben, die meiner Verwaltung obliegen, zu untersuchen, und habe die nötigen Arbeiten angeordnet, vor allem auch deshalb, weil ich in der erfreu lichen Lage war, daß Kredite dafür von dem hohen Hause schon vordem bewilligt worden waren.
Meine Damen und Herren, es ist ganz selbstverständlich daß wir so verfahren müssen, und wir sind mit unserem Herzen in jenen ge⸗ fähtdeten Landesteilen und werden in unserm Herzen auch heiß die Liebe für jene Volksgenossen bewahren, die auf Grund, dieses grau— samen, unerfüllbaren und unerträglichen Friedens von uns abgetrennt werden. Ich bin der Meinung, daß uns kein Friedensvertrag und bein Völkerbund verwehren kann, diese Empfindungen nicht nur im Herzen zu haben, sondern auch frei und offen auszusprechen, (Brapo!) und daß wir don einem wahren Völkerbund und von einem wahren Selbbstbestimmungsrecht, das kein Zerrbild der Gerechtigkeit sein darf, alles das zurückerwarten dürfen, was im Herzen uns gehört und auch in Zukunft uns gehören muß, (Lebhafter Beifall.)
Meine Damen und Herren, es ist dann auch von der Förderung ter Elektrizität gesprochen worden. Auch hier haben wir Schwierigkeiten, die zunächst aus der Unklarheit der Rechtslage ent— stehen, weil das Reichsgesetz über die Elektrizität noch nicht verab— schiedet ist. Aber auch das ist eins der Gebiete, deren Förderung trotz aller finanziellen Enge uns obliegt, obliegt schoön aus dem hier dar— gelegten Gesichtspunkte heraus daß wir einen erheblichen Teil der schwarzen Kohlen an die Entente hingeben müssen, und daß wir des— halb mehr als in der Vergangenheit auf die weiße Kohle angewiesen sind. Daraus ergibt sich, daß wir, Reich und Länder gemeinsam, die Aufgabe haben, die Wasserkräfte auszubilden und auszubeuten, und es äst ganz selbstverständlich, daß wir das Kraftwerk Hannever so fördern, wie es die Zeitumstände, die Not an Bausteffen und die Arbeitever— hältnisse zulassen, und es ist ebenso selbstverständlich, daß wir die Leitungsanlagen für die Mainkraftwerke, nun sich die Möglichkeit bietet, durchführen werden. Daß für Ostpreußen auch in dieser Hin= sicht etwas Besonderes zu geschehen hat, da es ja von dem Körper des Reichs abgetrennt wird, ist ebenso selbstwerständlich, und ich nehme an, daß Reich und Preußen dabei freund nachbarlich Hand in Hand arbeiten werden, damit die wirtschaftliche Zukunft Ostpreußens mög— lich gesichert ist und Leben und Gedeihen dort verbleiben kann.
Meine Damen und Herren, die Ausbildung der Elekttizität bietet uns starke Zukunftshoffnungen, nicht allein die Ausnutzung der Wasserkräfte, sondern auch die Umschaltung unserer ge⸗ samten Brennstoffversorgung. Ich habe beteits mit⸗ geteilt, daß ich mich aus diesem Gesichtspunkte heraus veranlaßt sah, än meinem Ministerium eine neue Abteilung 6 A zu errichten, die diese Frage ganz besonders bearbeiten soll. Es handelt sich darum, daß wir Kohle möglichst wenig befördern wollen; wir wollen unsere Kraft nicht erst von einem Ort zum andern mit der Eisenbahn
schaffen, sondern wir wollen die Kraft anders gewinnen als bisher, wirtschaftlicher, als es durch die Verfeuerung der Kohle in den Loko⸗ motiven geschehen kann, also auf dem Wege der Umbildung der Brenn⸗ stoffe in elektrische Kraft. Dem standen ja bisher erhebliche Schwierig- keiten im Wege, Schwierigkeiten auch aus Rücksichten auf die Landes verteidigung. Ich nehme an, daß sich diese Schwierigkeiten jetzt be—⸗ heben lassen. Wir haben verschiedene Versuchsstrecken ieils im Bau, teils bereits im Betriebe und werden da die Erfahrungen sammeln, die wir brauchen. Es handelt sich darum, daß wir nicht nur Stein—⸗ kohle zu verwerten gedenken, sondern daß wir auf minderwertige Brennstoffe zurückgreifen, nicht nur auf die Braunkohle, die hier am nächsten liegt, sondern vor allen Dingen auch auf den Torf. Es sscheinen sich die technischen Möglichkeiten zu bieten, den Torf so zu verarbeiten, daß wir aus ihm einen erheblichen Teib der künftigen elektrischen Energie schöpfen können und daneben bei der Vergasung ein großes Quantum bedeutungsvoller Wertstoffe gewinnen, zum Teil Düngemittel, zum Teil aber leichte und schwere Oele, Paraffin usw.
In der Fernsicht dieser Arbeiten ergibt sich die Möglickkeit, daß wir nicht nur unsere Landwirtschaft mit künstlichem Dünger sozusagen überschütten können, sondern auch den größten Teil der Oele, die wir gebrauchen, selbst erzeugen, ohne daß die Brennstoffverwertung an sich dadurch beeinträchtigt würde. Das sind Zukunftsaussichten und Mög— lichkeiten, an denen wir arbeiten, und mit denen wir, wie ich hoffe, in verhältnismäßig kurzer Zeit an die Oeffentlichkeit treten können. Es bietet sich dann die Möglichkeit, in dem Zusammenwirken unserer leistungsfähigen Industrie mit der Staatstegierung oder mit ker künftigen MReichseisenbahnverwaltung ein großes Werk, die Elektrisie— rung der Eisenbahnen, wirtschaftlich, unter Ersparung von Brenn— stoffen und Arbeitskräften durchzuführen und so wieder unser Land tzu kräftigen und zu stärken und eine reiche Arbeitsgelegenheit zu bieten. Das wird natürlich erhebliche Summen kosten, aber Sum— men, die wirtschaftlich angelegt sind, ihre Früchte tragen, und die noch etwas mehr geben. Denn indem wir solche Zukunftsaufgaben in die Hand nehmen, indem wir ihnen näher treten, und indem wir ver— suchen, sie mit frischem Mut zu lösen, zeigen wir doch auch, daß wir nicht untergehen wollen und nicht untergehen können. (Bravoh
Darin liegt eine Zukunft für uns. Ich habe in diesen Tagen immer denken müssen, wie es anderen Ländern schon ergangen ist, die t auch in einer so grausamen Lage waren, wie die, in welcher sich Deutschland gegenwärtig befindet. Wenn ich an den Sezessionskrieg in den Vereinigten so waren die Valutaverhältnisse
aaten denke, für Amerika i Und doch ist
rti St damals beinahe so schlecht wie für uns. in die Höhe gekommen und ein großes, mächtiges Land ge⸗ worden. Gewiß ist das nicht ganz zu vergleichen; aber man sieht doch, s selche Dinge auch zu überwinden sind. (Sehr richtigh Ist es auch Frankreich in einer verhältnismäßig kurzen Zeit nach 1871 Und wi schnell hat Rußland die Wunden des japanischen Krieges überwunden! Allerdings sind das im Verhältnis kleine Affären gewesen, und es ist für uns schwieriger, uns wieder zu erheben. Aber nur dann ist es möglich, wenn wir den Mut und das Vertrauen in die eigene Zukunft finden. (Sehr richtigh Das ist es, was uns am meisten nottut, daß wir an die Zukunft denken, daß wär nicht verzagen und sehen, daß noch Mähplichkeiten für uns vorhanden sind. Diese führen immer wieder zum Verkehr zurück. Denn wenn die Wiedererholung der Länder sich in neuerer Zeit schneller gestaltete als nach dem Dreißigjährigen Krieg, wo die Lage unseres armen Vaterlandes ähnlich wie die gegenwärtige war, so war die Ursache hiervon der moderne Verkehr, der es ermöglichte, daß das Volk eine Cinheit war und einer wie der andere empfand, daß einer dem andern zu Hilfe kommen konnte. Gegenüber der Zerreißung, die in der Gegenwart in unserem Volke vorhanden ist, und die wir alle bedauern, auf welcher Seite des Baues wir auch sitzen mögen, brauchen wir wieder eine Konzentration, die nur aus starken nationalen Zielen hervorgehen kann. (Sehr gut! Und deshalb liegt auch in dem wirt— schaftlichen Ziel und auch in den anderen Zielen, die auf einem Wiederzusammenschluß alles dessen bestehen, was deutsch ist, die Mög⸗ lichkeit einer Konzentration, einer Wiedervereinigung. Aber die Vor⸗ aussetzung ist, — und das ist es, was ich als Arbeitsminister immer wieder zu betonen habe — eben die, daß wir es fertig bringen, auch wieder zu arbeiten, mit Energie einem Ziele zuzustreber. (Sehr gut! bei den Demokraten.), und uns nicht gegenseitig zu befehden, während wir uns gegenseitig zu Hilfe kommen müßten. (Bravoh)
daß nicht l
ungen wieder emporzukommen?
55. Sitzung vom 26. September 1919.
(Bericht von Wolffs Telegraphenbüro“.)
D
Am Ministertisch: Der Finanzminister Dr. Südekum.
Präsident Leinert eröffnet die Sitzung 121½ Uhr
Mittags. Zur Beratung steht der Haushaltsplan für das Finanzministerium und für die allgemeine Finanzverw altung mit den dazu gestellten Anträgen des Haushaltsagusschusses, einer Anzahl von Uranträgen und der förmlichen Anfrage der Demokraten über die Spekulation mit fiskalischem Gelände.
Der Haushaltsausschuß beantragt die Genehmi— gung der Einahme und die Bewilligung der dauernden Aus— gaben mit einigen sormalen Aenderungen. Ferner empfiehlt er, die Verordnung der preußischen Regierung vom 10. März 1919 über die Versorgung der Hofbeamten und ihrer Hinterbliebenen zu genehmigen.
Dem Ausschuß war eine Reihe von Anträgen verschiedener Parteien auf Verbesserung der Diensteinkünste der Beamten, Ausbau der Teuerungszulagen usw. zur Vorberatung über— wiesen worden. Der Ausschußantrag geht dahin, die Re⸗ gierung zu ersuchen, mit möglichster Beschleunigung Vorberei⸗ ungen zu treffen, die eine zeitgemäße Wenderungdes Beamtenbesoldungsgefetzes vorsehen, über ihre Vorschläge vorweg die größeren Beamtenverbände und Vertreter der Fraktionen zu hören, den seit dem 1. April 1919 in den Ruhestand getretenen Beamten die Kriegsbeihilfen möglichst bis zum Höchstsatz zu gewähren, ferner eine Revision der Ortsklassen⸗ einteilung mit Rücksicht auf die Teuerungsverhältnisse eintreten zu lassen, eine einmalige Entschuldungs- und Beschaffungs— zulage, sobald es die Finanzverhältnisse irgendwie gestatten, zu gewähren, bei Bewilligung der Kriegsbeihlifen an Ruhegehalts— empfänger oder deren Hinterbliebene die Prüfung des Bedürf⸗ nisses weitgehend schonungsvoll zu erleichtern, eine sinngemäße Anwendung aller dieser Grundsätze auch für die Volksschullehrer und -ehrerinnen herbeizuführen, endlich dahin zu wirken, daß auch die Beamtenschaft der Selbstverwaltung nach diesen Grundsätzen behandelt wird.
Soweit diese Anträge sich auf die Neuregelung der Rechtsverhältnisse und auf die Sicherstellung dererworbenen Rechte der Beamten beziehen, stellt der Haushaltsausschuß den Antrag,
I) in die Verfassungsurkunde Bestimmungen aufzunehmen, durch welche die von den Beamten erworbenen Rechte auf Gehalt, Ruhegehalt und Hinterbliebenendersorgung gewährleistet werden, 2) mit möglichster Beschleunigung der Landesversammlung den Entwurf eines Beamtem— gesetzes zu unterbreiten, der den Staatsbeamten ausreichend Schutz gegen Entziehung von Amt und Einkommen gewährt, die Anstellung auf Lebenszeit nach möglichst kurzer Probezeit zusichert, di: Bildung von Beamtenaus schüssen und Beamtenkammern vorsieht, das Recht auf Beurlaubung regeit, den Beamten den Eintritt in eine öffentliche Körperschaft gestatt.t, ohne daß er eines Urlaubs bedarf und Stellver— tretungskosten zu tragen hat, und den Beamten Koalitions- und Preß⸗ freiheit sowie freie politische Betätigung gewährleistet. Ferner soll möglichst bald eine zeitgemäße Aenderung des Disziplinargesetzes er— folgen, alsbald auch eine Vorlage eingebracht werden, die den Beamten die Kriegszeit anderthalbfach anrechnet, den infolge des Krieges be⸗ sonders angestrengten Beamten, Angestellten und Arbeitern des Staates soll in diesem Jahre ein längerer als der bisher übliche Erhelungsurlaub gewährt werden. Weiter wird die Staatsregierung ersucht, den aus dem Arbeiterverhältnis hervorgegangenen Unterbeamten die Hilfsbeamtendienstzeit mindestens zur Hälfte auf das Besoldungs⸗ dienstalter anzurechnen, außerdem nachdrücklichst dahin zu wirken, daß alle kriegsbeschädigten Beamten in Staat, Gemeinden und Kreisen wieder angestellt werden, und die Rechtsverhältnisse der Selbstver⸗ waltungsbeamten und der Lehrerschaft ebenfalls nach diesen Grund— sätzen neu zu ordnen.
Diese Ausschußanträge werden vom Abg. Schubert (Soz.) ausführlich begründet und zur einstimmigen Annahme empfohlen. Insbesondere legt der Ausschuß Wert auf eine schonungsvolle Be— handlung der Prüfung des Bedürfnisses sowie auf die Abkürzung der Hilfsbeamtendienstzeit. Es gebe heute noch zahlreiche Beamte, die nach 20 und mehr Jahren noch immer auf feste Anstellung warten. Von den zu fassenden Beschlüssen erwartet der Ausschuß die Einkehr einer größeren Stabilität und Ruhe in der preußischen Beamten— schaft. Die dem Hause aus Beamtenkreisen in außerordentlich großer Anzahl zugegangenen Petitionen sollen für erledigt erklärt werden. Abg. Dr. Tewes Gentr) berichtet namens des Ausschusses über den Antrag Tewes betreff Steuerfreiheit der
Teuerungszulagen der Privatangestellten und den
Antrag Frahm (dnat) auf Steuererleichterung für die Privatangestellten. Der Ausschußantrag. geht dahin, diese Anträge mit Rücksicht auf die Erklärung des Finanz⸗ ministers, nach der die Steuerfreiheit der Bamten bezüglich der Teuerungszulagen in Wegfall, kommen soll, mit Rücksicht auf die finanzielle Tragweite der Anträge, die allein nach dem Antrage Frahm einen Steuerausfall von 1690 Millionen Mark nach sich ziehen würden, und mit Rücksicht darauf, daß die Verwaltung der direkten Steuern in Kürze in die Zuständigkeit des Reichs übergehen wird, für er⸗ ledigt zu erklären. Zum Antrage Tewes wegen Gewäh— rung von Notstandsdarlehen an Privatange⸗ stellte hat der Aus schuß einstimmig vorgeschlagen, die Regie⸗ rung zu ersuchen, die Kriegshilfkassen zu veranlassen, ihre Tätigkeit allgemein auch auf nichtselbständige erwerbstätige Personen auszu⸗ dehnen und bis dahin solchen aus dem Heeresdienst entlassenen Per⸗ sonen zur Beseitigung einer nachweislich durch den Krieg entstandenen Verschuldung auf Antrag Darlehen aus öffentlichen Mitteln bis zum Höchstbetrag von 10900 Mark zu gewähren, die mit höchstens 3 Prozent verzinst und innerhalb fünf Jahren zurückgezahlt werden sollen.
Abg. Schüm er (Dem.) befragt die Regierung namens seiner Partei, welche Vorkehrungen sie treffen werde, um freiwerdendes siskalisches Gelände der Bodenspekulation zu entziehen. Es werde insbesondere an Truppenübungsplätzen viel Gelände frei werden. Wenn dies der privaten Spekulation anheimfalle, J werde das um so bedenklicher sein, als dann die Nachbargrundstücke auch in
ungemessener Weise im Preise steigen würden. Das beste Mittel, solchen Spekulationen im Falle des Verkaufs zu begegnen, werde sein, daß der Staat dem neuen Eigentümer zwar die freie Verfügung über den Grund und Boden einräumt, sich aber den Wertzuwachs selbs vorbehält. .
Ein Regierungsvertreter erwidert, die Regierung habe von Anbeginn an Bedacht darauf genommen, freiwerdendes Gelände der Spekulation zu entziehen. Bei den Verkäufen werden gemein⸗ nützige Sießlungsgesellschaften bevorzugt. Die Domänenverwaltung legt den Käufern Verkaufsbeschränkungen auf oder behält sich ein Wiederkaufsrecht vor; in manchen ö verpflichtet sie auch den Käufer, im Falle des Weiterverkaufs den Gewinn an den Fiskus herauszuzahlen.
Finanzminister Dr. Südek um: Bevor ich aus dem Gang der Erörterungen in diesem Hause die Richtung erkennen kann, in der sich die Wünsche der Landesversammlung bewegen, um danach Erklärungen abzugeben, bitte ich um die Erlaubnis, ein? Preßangelegenheit behan⸗ deln zu dürfen. :
Als vor einiger Zeit in Berlin eine Beratung über die Ab⸗ grenzung der Gebiete der Landesfinanzämter stattfand, traten die Finanzminister von Bayern und Württemberg an mich mit dem Er— suchen heran, eine Zusammenkunft der Finanzminister der größeren Länder einzuberufen, damit wir gemeinsam über Fragen uns beraten könnten, die mit der Reichsabgabenord⸗ nung und anderen Reichsgesetzen zusammenhängen. Die Tagung der Finanzminister der größten Länder hat am 22. und 23. dieses Monats in Bamberg stattgefunden. Der Herr bayerische Finanzminister hat übernommen, über die ihrer Natur nach vertrau— liche, im übrigen aber keinerlei der Oeffentlichkeit vorzuenthaltende Dinge behandelnde Aussprache einen kurzen, öusammen fassenden Bericht durch die „Korrespondenz Hoffmann“, die in Bayern an Stelle des „Wolffschen Bureaus“ amtiert, zu veröffentlichen. Das ist auch geschehen. Indessen, gestern hat eine Reihe von Berliner Blättern, allen voran die „Post“, einen Bericht über die angeblichen Verhand⸗ lungen in Bamberg veröffentlicht, der mich nötigt, auf die Sache ein⸗ zugehen und eine bewußte Jꝛreführung der öffentlichen Meinung niedriger zu hängen. 3
In der „Post“, und zwar in großer Aufmachung auf der ersten Seite, fand sich gestern folgende Notiz, überschrieben „Deutschlands Finanzsorgen“:
Zu der vertraulichen Konferenz der Finanzminister erfahren wir, daß Maßnahmen zur Verhütung des Staatsbankerotts be⸗ sprochen wurden. Da die Reichsbank außerstande sei, die aus⸗ gegebenen Banknoten mangels geeigneter Deckung einzulösen, bliebe als einzige Möglichkeit zur Beschaffung vollwertiger Zahl⸗ mittel, an Stelle der für das Reich unmöglichen Goldwährung eine Güterdeckung einzuführen. Dadurch würde der Markkurs auf die normale Höhe gebracht werden können. Der Kurssturz der gegen⸗ wärtigen Banknoten sei nicht aufzuhalten, auch nicht durch eine Hilfe des Auslands, die nur gegen hypothekarische Sicherheiten erfolgen würde, wodurch letzten Endes der ganz deutsche Besitz dem Auslande ausgeliefert werden müßte. Es soll auch eine Kon— vertierung der Kriegsanleihen zwecks einer Entschuldung im Innern in Erwägung gezogen sein. Jedenfalls trat die Erkenntnis zutage, daß mit halben Maßnahmen nichts zu erreichen sei, sondern daß nur eine radikale Neuordnung unseres Finanzwesens den Untergang Deutschlands verhüten kann.
Meine Damen und Herren, diese Notiz ist von A bis 3 enlogen! (Lebhaftes Hört, hört! links.) Nichts von dem, was in der Notiz steht, ist in Bamberg verhandelt worden, und von dem, was in Bamberg verhandelt wurde, steht nichts in dieser Notiz! (Erneutes lebhaftes Hört, hört! links) Es handelt sich hier, wie die Planmäßigkeit der Verbreitung deutlich beweist, um einen ganz nichtswürdigen journa— listischen Schurkenstreich (Wiederholtes lebhaftes Hört, hört! links), offenbar zu dem Zweck, um der Regierung des Reichs und den Regierungen der Länder Schwierigkeiten zu bereiten, und unbekümmert darum, was die Folgen solcher nichtswürdigen Lügen auf volkswirtschaftlichem und politischem Gebiet sein könnten. (Sehr richtig! links.)
Ich habe gestern morgen, als mir diese Notiz vor Augen kam, sofort den Herrn Chefredakteur der „Post“ telephonisch angerufen und ihm genau dasselbe gesagt, was ich Ihnen eben sagte, nämlich, daß diese Notiz von A bis 3 erlogen sei, daß er also das Opfer einer nichtswürdigen Irreführung geworden sei, vorausgesetzt, daß die Notiz nicht in seinem eigenen Büro entstanden sei. Ich habe ihn gebeten, von döieser meiner entschiedenen Widerlegung den Lesern der „Post“ Kenntnis zu geben. Das ist auch geschehen, nämlich gestern im Abend⸗ blatt der „Post“, das sechsseitig erschien, und das ich natürlich eifrig daraufhin durchsah, allerdings fand ich zunächst gar nichts. Endlich entdeckte ich auf der dierten und letzten Seite des Hauptblattes eine ganz kleine, unauffällige, dem gewöhnlichen Leser, der durch die Sensationsmeldung vom Morgen natürlich in eine bestimmte geistige Richtung gedrängt war, kaum erkennbare Notiz, worin es heißt, daß zu der in unserer heutigen Morgennummer unter dem gleichen Titel gebrachten Meldung vom Finanzministerium mitgeteilt werde, daß sich die gestrige vertrauliche Konferenz — wessen, wird nicht gesagt — lediglich mit finanzorganisatorischen Fragen beschäftigt habe.
So waren die Fragen der Gehälter im Reich, des Modus, nach welchem die Eisenbahnen vom Reich übernommen werden usw., auf der Tagesordnung. Eine Erörterung zur Verhütung des angeblichen Staatsbankerotts fand nicht statt.
Das ist dad ganze, was die Post“ auf den nichlswürdigen Skreich vom frühen Morgen zu sagen hat. (Hört, hört! links.)
Hochgeehrte Versammlung! Vielleicht noch grotesker ist die Sache in der „Täglichen Rundschau“ aufgemacht, die ja seit Wochen einen vor keinem Mittel zurückschreckenden Kampf gegen die Neu⸗ ordnung der Dinge führt und dabei allmählich auf ein Niveau herunter⸗ gesunken ist, das die Polemik mit diesem Blatt sehr erschwert. (Sehr richtig! links) In der „Täglichen Rundschau“ steht gestern morgen die Sache mit folgender Einleitung:
Es wird von einer hie sigen Korrespondenz über die ver— trauliche Konferenz der deutschen Finanzminister in Bamberg berichtet..
— Nun bitte ich jeden unbefangenen Menschen: eine Berliner Korrespondenz berichtet über eine vertrauliche Sitzung, die in Bamberg stattgefunden hat; eine sicherere Quelle kann man sich allerdings nicht denken! (Heiterkeit und sehr gut! links Bei der „Täglichen Rundschau“, die diese Auslassungen der Korrespondenz dann mit sehr bissigen Arabesken verziert, kommt dann noch hinzu, daß dasselbe Blatt schon im Februar dieses Jahres einmal einen ganz ähnlichen Streich geübt hat. Damals brachte es in ebenfalls sensationeller Aufmachung die Nachricht, ich hätte in Weimar erklärt,
— ? * * * . . . der Staatsbankerott des Reiches und der Länder sei uwermeidlich. Ich habe auch diese Nachricht, die ebenfo erlogen war, wie die jetzige, damals widerlegt und dem Herrn Herausgeber der „Täglichen Rund⸗ schau“ sofort einen persönlichen Brief geschrieben, in dem ich ihm eindringlich vor Augen gestellt habe, was solche Notizen unserem deutschen Volke — nicht etwa mir — kosten können. Den Erfolg sehen wir in dieser neuen Attacke. Ich habe natürlich nicht verfehlt, gestern die Börse rechtzeitig davon in Kenntnis zu setzen, daß die Nachricht erlogen war, und habe wohl durch diese rechtzeitige In⸗ kenntnissetzung der Börse verhindert, daß Spe kulationsabsichten, die vielleicht auch noch damit verbunden waren (hört, hört! links), ver⸗ hindert worden sind.
Ich kann nur sagen: Wehe dem Volk, das eine solche ihre Ver⸗ antwortung vor ihrem eigenen Volk mit Füßen tretende Presse sein eigen nennt! (ebhafter Beifall links.)
Abg. Hergt (D. Nat): Wenn sich das bestätigt, was der Minister sagt, so halten wir das Vorgehen der „Post, nicht für richtig. (Lachen links.) Wenn wir unsere Eisenbahnen 1921 an das Reich übergeben, so müssen sie in einem Zustande sein, daß wir das Reich nicht schäidigen und daß wir zugleich auch ein annehmbares Aequivalent verlangen könnten. Das ist um so notwendiger, als uns steigerungsfähige Einlagen der Betriebsverwaltung nicht mehr zur Verfügung stehen. Selbst won den Bergwerken, die doch unser Sorgen⸗ kind waren, hatte mir der Oberberghauptmann gesagt, daß er nur noch kurzer Zeit bedürfen werde, um sie zu einer sicheren großen Einnahme⸗ quelle quszugestalten. Jetzt, nach dem Kriege, wissen wir, daß davon niht mehr die Rede sein kann, daß die Bergwerke für absehbare Zeit nicht nur nichts einbringen, sondern erhebliche Kosten verursachen werden. Um so wichtiger wäre es, wenn wir die Steuerquellen, die in der Vergangenheit bei weitem nicht ausgeschöpft waren, uns als beweglichen Faktor erhielten. Aber wie sieht es damit aus? Nicht nur die materielle, sondern auch die formelle Steuerhoheit geht auf das Reich über. Das bedeutet für uns die Unmöglichkeit, die kulturellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse unseres Landes voll zu be⸗ friedigen. Das Reichsaotepfer war die unglückseligste aller gesetz⸗ geberischen Maßnahmen. Wir sind durchaus der Meinung, daß der Kttrag dieses Notopfers von den besitzenden Klassen aufgebracht öden muß, aber nicht zur unrichtigen Zeit. (Sehr richtig! rechts.) Män darf uns nicht das Betriebskapital nehmen, mit dem wir arbeiten sollen. Das ist ein leichtfertiges Vorgehen. Es ist auch nicht dafür gesorgt, daß den Einzelstagten und den Kommunen ein solcher Ertrag an den Steuern verbleibt, daß sie die Gewähr des Lebens haben. Da die Kommunen an die indireften Steuern nicht mehr herankönnen, so müssen ihnen bestimmte Erträge zugewiesen werden, und es wird auch bei der Kapitalrentensteuer geschehen müssen. Ueberall, wo es sich um die Erzielung wirtschaftlicher Erfolge handelt, wird der Minister finanzielle Opfer bringen müssen, insbesondere auch für die technische Vorbildung, deren Hebung es großenteils mitermög⸗ licht, daß wir mit dem Auslande in sicheren Wettbewerb treten können. Der Tiefstand unserer Valuta im Auslande rührt daher, daß wir unseren Import aus dem Auslande nicht mit Waren, sondern lediglich mit unserer unglücklichen Marknote bezahlen müssen, von der kein Mensch in der Welt mehr etwas wissen will. Mit der öster⸗ reichischen Krone ist es schon so weit, daß sie im Auslande überhaupt nicht mehr genommen wird; so wird es auch mit der Mark werden, wenn wir nicht Mittel und Wege finden, ihren Sturz aufzuhalten. Die Hoffnung des Eisenbahnministers auf den Akkordlohn als Retter in der Not ist hinfällig; seine eigen: Verwaltung hat ihm schon die Antwort darauf gegehen. Wer ernsthaft Ordnung schaffen will, kann es nicht mit solchen Mitteln, sondern es gehört dazu ein geschlossenes Ordnungsprogramm, hinter dem der Wille zur Ordnung steht, und die Macht, diesen Willen durchzuführen. (Unruhe links.) Nach einem solchen Onrdnungsprogramm ruft alle Welt in Deutschland bis weit in die Reihen der Linken hinein. Ich habe mir die Mühe ge— macht, Bausteine zu dem Gebäude eines solchen Programms der Ondnung zusammenzustellen, das für eine gewisse Zeit Geltung haben müßte, so daß während dieser Zeit alle politischen und wirtschaftlichen Gegensätze in den Hintergrund zu treten hätten, ein Kompromiß programm, dem alle Parteien bis zur Linken ohne weiteres beitreten können. Es handelt sich dabei um ein geschlossenes Gesamtgebäude; nehmen Sie einen Baustein heraus, so fällt das ganze zusammen. Der erste Baustein ist die Herstellung geregelter Arbeitsbedingungen. Die Giwerbslosenfürsorge ist ein unbedingtes Erfordernis und muß bleiben. Sie muß aber so geregelt sein, daß die Leute nicht der produktiven Arbeit entzogen, sondern ihr zugeführt werden, und das hat durch eine gewisse Befristung und Staffelung zu geschehen. Zu produktiver Arbeit bieten die Wasserstraßen, der Mittellandkanal usw. die beste Gelegenheit. Der zweite Baustein ist die Förderung der Tarifverträge. (Vielfaches Hört, hört! links und Heiterkeit). Sie sind heute das gegebene Mittel zur Beruhigung im Volke. (Beifall., Rufe links: Pommern!) Allerdings, sie dürfen nicht in so einseitige, Richtung gefördert werden, wie durch den Landwirtschaftsminister. (Rufe links: Aha! und erneute Heiterkeit) Weiter gehört zu meinem Ordnungs— programm der Schutz der Arbeitswilligen. Das wesentliche ist die Cin⸗ führung iner Arbeitspflicht ohne Zwang; auch wir verurteilen das Ver⸗ langen, den Arbejter durch gesetzliche Vorschriften zur Arbeit zu zwingen. Ein weiterer Baustein ist der Ausbau der sozialen Ver— fassung, die Lösung der Frage, wie der Arbeiter in dem Produktions⸗ prozeß eingeschaltet, an der Leitung und am Gewinn der Betriebe beteiligt werden kann. Daß darf nicht auf die lange Bank geschoben werden; man könnte dem Reichtwirtschaftsrat nach Artikel 165 der Verfassung alsbald zusammenberufen und so die Stimme der. Arbeiter⸗ schaft darüher in die Erscheinung treten lassen. Weiter Zurückstellung oder. Unterlassung aller gewaltsamen und deshalb gefährlichen Soziali⸗ sierungs⸗ und Kommunalisierungsmaßnahmen; sodann Abbau der Zwangswirtschaft durch geeignete Maßnghmen während einer Ueber⸗ gangszeit. Daß es damit nicht auf dem Wege gehtz hier und da einen Artikel herauszugreifen, das hat die unglückselige Hafersache bewiesen. Hier muß endlich einmal ein mannhafter Entschluß gefaßt werden, und der ist um so notwendiger, als wir das Novum der neuen reichen Ernte vor uns haben. Diese darf nicht durch die Löcher an der Westgrenze oder sonst wo ins Ausland verschwinden. Zu diesen Bausteinen kommt als ein weiterer ein. geschlossenes Finanz= system, das bisher in dem Reichsfinanzplan nicht zu entdecken ist,
und endlich die Stärkung und, wenn erforderlich, rücksichteloseste Aus⸗ nutzung der Exekutive durch Misitär, Polizei und Beamtenschaft. Das Militar muß wieder für uns ein Kleinod werden, das Velk muß das Vertrauen zum Mälitär wiedergeivinnen. (Große Unruhe links.) Dasselbe gilt von der Schußzmannschaft und von der Gendarmerie. Den Schlußstein des Gebäudes bildet unser Verhältnis zum Auslande. Gewiß müssen wir die Regierung unterstützen in der Richtung, daß zo da Un
—
n Staatsbankerott unter keinen Umständen die Rede sein darf, aber nn müssen wir auch dafür sorgen, daß er wirklich nicht eintritt, d das geht nicht ohne Verhandlungen mit der Entente. Die waren heute noch nicht möglich, weil wir für die Entente ein fauler Schuldner, direktionslos und ohne Ordnung sind, deshalb verbleibt die Entente, bei ihren Höchstforderungen, mögen sie Deutschland zum Ruin führen oder nicht. Ein solches Ordnungsprogramm und seine Durchführung muß und wird das Vertrauen des Auslandes zu uns stärken und es wird uns wieder Kredite und Rohstoffe geben und das bedeutet die Wiederherstellung unserer Valuta. Die gegenwärtige Mehrheit bringt ein solches Ordnungsprogramm nicht fertig. Die Sozialdemokratie ist belastet mit ihrer Vergangenheit. (Andauernder Lärm links.) Die Regierung hängt doch ganz wesentlich von sozia⸗ listischen Einflüssen ab, besonders nachdem das Zentrum unter der Führung von Erzberger eine so radikale Politik mitgemacht hat, ist sie von einer ganz sozialistischen so gut wir gar nicht mehr zu unterscheiden. Die Mehrheitsregierung vermag ein solches Programm nicht durch⸗ zuführen, auch deshalb nicht, weil sie dem Volke durch die Revolution eine Ueberfreiheit gebracht hat, die sie ihm heute nicht nehmen kann, ohne daß ihr der Ruf: Verräter! entgegenschallt. Sie ist auch be⸗ lastet durch das Mißtrauensverhältnis zu der Entente, die von der Mehrheitsregierung nichts wissen will. (Großer Lärm auf der Linken und in der Mitte.) Es würde auch nichts gebessert sein, wenn die Demokratie in die Regierung wieder einträte; auch diese Dreiheit würde ein solches Ordnungsprogramm nicht aufstellen können, schon aus innerlichem Widerspruch heraus. Wenn nun die gegenwärtige Regierung nicht dazu imstande ist, wie kommen wir aus dem Dilemma heraus? Wir müssen das Volk selbst rufen, das Volk wird die Ent⸗ scheidung haben, und das Volk wird die richtige Entscheidung geben. (Große Unruhe und Lärm links.) Darum schließe ich mit dem Rufe: Nun hat das Volk das Wort! Eebhafter Beifall rechts; stürmische Zurufe links. Abg. Ad. Hoffmann: Der moderne Rattenfänger von Hameln!)
Abg. He il mann (Soz.): Ich kann dem Abg. Dr. Hergt nur mein Kompliment machen für die außerordentliche geistige Beweglich⸗ keit und Belehrbarkeit, die er und seine Partei durch die Aufstellung eines solchen Ordnungsprogramms an den Tag gelegt haben. In allen seinen Grundsätzen enthält dieses Programm mit verschwindenden Ausnahmen alte liebe Bekannte aus dem Programm, welches die kleine sozialdemokratische Fraktion im Dreiklassenparlament vertreten hat. (Zuruf v. d. Soz.: Unter dem Geheul von Hergt, u. Genossen! Stürmische Heiterkeit links) Eine gewisse pPersönliche Ehrlichkeit hätte doch erfordert, das Urheberrecht zu achten und offen zu bekennen: wir Deutschnationalen haben uns jetzt ein urdemokratisches Programm zueigen gemacht und wollen jetzt für unsere Wahlpropaganda alle demokratischen Forderungen des Erfurter Programms durchführen. (Erneute Heiterkeit links. Statt dessen sagt Herr Hergt am Schluß, die Mehrheitsparteien in der Regierung seien kompromittiert durch uns, die wir mit unserer Vergangenheit belastet seien. Und gerade Herr Hergt spricht diesen Vompurf aus, Herr Hergt, der uüns hier zu der Zeit, als er als preußischer Tinanzminister an verantwortlichster Stelle stand, zugerufen hat: Sie können
nicht schwimmen, sie können nicht fliegen, sie werden nicht kommen — nämlich die Ameri⸗ kaner. (Stürmische Heiterkeit; Herr Hergt kritisiert die Art, wie jetzt Finanzpläne aufgestellt werden. Niemand war darin leichtfertiger während des Krieges als Herr Helfferich, der uns gesagt hat, die Last der Milliarden würden unsere Feinde tragen. Mit der Ver⸗ gangenheit dieses Herin ist die Rechte belastet. Eärmender Wider⸗ spruch rechts. Andererseits ist es eine Tatsache und muß endlich einmal festgestellt werden, daß sofort nach dem 9. November die sechs Volksbeauftragten übereingekommen sind, die großen Kriegsgewinne zu beschlagnahmen, damit sie Deutschland nicht verloren gehen, und daß diese Absicht gescheitert ist an dem Widerspruch zweier einzelstaatlicher Finanzminister, des Herrn Geyer in Sachsen und des Herrn Jaffe in München, zweier Mitglicher der U. Soz. (Große Untruhér b. d. U. Soz. Heiterkeit; Ueber die Richtlinien unserer Politik hoffen wir zudersichtlich das Volk so aufzuklären, daß das Verrätergeschrei keinen Widerhall findet. Daß Verhandlungen der Entente mit den U. Soz. zu einem besseren Frieden geführt hätten, ist inzwischen als Irrtum erkannt worden. Die Enlente hat auch über Oesterreich nicht mit Otto Bauer, der jenen nahestand, verhandeln wollen, sondern sie zog die Verhandlung mit dem Gemäßigten Renner vor; sie hätte auch Haase und Cohn als zu bolschewikifreundlich abgelehnt. Den Aufruf an das Volk zur Entscheidung für die Deutschnationalen muß ich geradezu für grotesk erklären. Noch dieser Tage hat Wilson erklärt, wenn das deutsche Volk jemals die Hohenzollern zurück— holte, müßte man an ihm verzweifeln und es für immer aus den Reihen des Völkerbundes e ,, Das war zufällig an dem⸗ selben Tage, wo Herr Hergt auf dem Deutschnationalen Partei⸗ tag verkündete, sie würden die Hohenzollernmonarchie in Preußen⸗ Deutschland wieder aufrichten, und sie zweifelten nicht daran, die übergroße Mehrheit des Volkes dabei auf ihrer Seite zu haben. Solche verantwortungslose Rederei schadet in den Augen des Aus⸗ landes dem deutschen Volke. Wir müssen mit aller Klarheit und Schärfe in die Welt hinausrufen, daß daran gar kein Gedanke ist. Daß ein Ordnungsprogramm, wie das Kompromißprogramm des Herrn Hergt, auf das eine künftige Regierung sich stützen könnte, mit der Monarchie vereinbar wäre, das zu glauben ist doch auch Herr Hergt viel zu klug. Sein Finanzprogramm können wir uns nicht zu eigen machen. Auch wenn ein souvperänes Preußen im Laufe der Ent⸗ wicklung zu bestehen aufhören sollte, werden in Deutschland die Kulturaufgaben nicht leiden. Zurzeit läßt sich bei der trostlosen Finanzlage Deutschlands ein großes politisches Programm gar nicht aufstellen und noch weniger durchführen; auf dem Papier und in Worlen ist es ja allerdings sehr schön zu machen. So nimmt sich auch das Verlangen, daß dafür gesorgt wird, daß die diesjährige Ernte nicht außer Lande geht, daß die Grenzkontrolle auf das strengste ge⸗ handhabt werden muß, auf dem Papier sehr schön aus, stimmt aber sehr schlecht zu den unendlichen Schwierigkeiten, auf die die Regierung stößt angesichts der Zustände im besetzten Gebiet, durch stete Verhand⸗ lungen mit der Entente zu erreichen, daß dem Schieberunwesen ent⸗ gegengetreten und die Moral des deutschen Grenzwachtdienstes wieder hergestellt wird. Gleiche Erwägungen treffen auf alle anderen Pro⸗ grammpunkte des Abgeordneten Hergt zu. Von dem, was Herr Hergt gesagt hat, mag vieles sehr schön sein, aber alles ist Luft. Wenn die Deutschnationalen immer wieder mit dem Gedanken der Wiederher⸗ stellung der Monarchie kommen, wenn sie immer wieder mit der Gegenrevolution spielen, nach dem starken Mann rufen, der mit eisernem Besen Auskehr hält, wenn die deutschnationalen Blätter mit der Verhetzung fortfahren, wenn in Offizierskreisen die deutsche Fahne als Judenfahne hingestellt, die Regierung als Gesindel bezeichnet wird, wenn die passive Resistenz der Landwirtschaft fortdauert, dann ist es nicht verwunderlich, daß wir nicht zur Ruhe kommen. Die Spzialdemokratie hat alle Parteiinteressen zurückgestellt, als das Vaterland in Not war. Auch jetzt ist das Volk in höchster Not, aber Sie hindern den Wiederaufbau durch Ihre dämagogische, bloß auf den Wahlerfolg und das Parteiinteresse zugespitzte Agitationspolitik. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Friedberg (Dem): Wir erkennen an, daß die Steuerreform im Reiche große Opfer von den Einzelstaaten auch bezüglich der Steuerhoheit fordert; aber im einzelnen hat diese Reform Noch ihre großen Mängel. Das Dpfer muß seinen Zweck erreichen. Im Hinblick darauf aber ist der Zeitpunkt für die Vermögensabgabe so ungünstig wie nur möglich gewählt. (Sehr richtig Es ist die politische Pflickt den Nationalversammlundg, genau zu prüfen, wie es sich mit der Behauptung Erzbergers verhält, daß die Entente nicht ihre Hand auf das Notopfer legen könnte. Ich halte diese Dar—
stellung für durchaus unrichtig und irreführend, und wenn das M= trifft, dann wäre das unerhörte Opfer nutzlos. Wir weisen die Be⸗ hauptung des Reichsfinanzmänisters, daß es unpatriotisch sei, solche Erwägungen anzustellen, mit Entrüstung von uns. Auch der preußische Finanzminister hat sich ja schon einmal in meinem Sinne ausge⸗ sprochen. Nur die Gewißheit, daß die Entente nicht zugreifen kann, würde das Opfer rechtfertigen. Sonst wäre es leichtsinnig, der deut⸗ schen Wirtschaft das Kapital zu ihrem Betriebe zu entziehen. Ich weiß nicht, ob der Reichsfinanzminister jemals ein nationalökono⸗ misches Lehrbuch in der Hand gehabt hat, sonst müßte er wissen, daß das Ziel der Volkswirtschaft nicht die Sache, sondenn der Mensch ist. Wie kann er mit einer Handbewegung sagen: Die Objekte sind ja da! Eine solche Steuerpolitik ist blutiger Dilettantismus. (Sehr richtig!) Ich bin nicht gegen die Vermögensabgabe, wohl aber gegen ben Leichtsinn, mit dem man hier vorgeht. Daß man sich seines Ver— mögens entäußert, mag die Politik eines Bettelmönchordens sein, aber die Politik eines Landes muß auf den nationalen Wehlstand gerichtet sein. (Sehr richtig) Die Herren, die diese Entäußerung vom Luxus predigen, sollten vor allem mit gutem Beispiel selbst vorangehen. (Sehr richtig Mit der Sozialisierung soll man nur bei solchen Be⸗ trieben vorgehen, die dafür reif sind, eine zu weitgehende unwirtschaft⸗ liche Sozialisierung wäre ein verhängnisvoller Fehler, den meine Freunde nicht mitmachen. Von dem Programm des Herrn Hergt war mir manches sympathisch. Der Arbeitslosenfürsorge muß als Korrelat die allgemeine Arbeitspflicht gegenüberstehen. (Sehr richtig) Die Deutschnationalen ind aber von dem Programm, das Herr Hergt ent⸗ wickelte, selbst noch weit entfernt. Wo sind denn die Tarifverkkräge, zu denen Sie sich entschließen wollen? Vor einem Abbau den Zwangswirtschaft ohne Uebergangszeit muß ich entschieden warnen. Die Deutschnattonalen tun sehr wenig, um der Regierung die Exekutive zu erleichtern. Die Exekutivbeamten müssen als Stats beamte geachtet werden, ganz gleich, ob sie sozialdemokratische Partei sind oder nicht. Was ist denn Ihrerseits geschehen, um Ruhe und Ordnung wieder herzustellen? Zählen Sie dazu die Rede aus Anlaß der Fahnenverbrennung? Mit solchen Reden können Sie nichts anderes provozieren, als den Bürgerkrieg im eigenen Lande. Ich bin Monarchist gewesen, aber das Vaterland steht mir höher als dis Monarchie, ich will keinen Bürgerkrieg. Wir müßten alles tun für das Vaterland, um es wieder aufzubauen. Wenn ich an Ihren Stelle wäre, wäre für mich die Verlockung, zu schweigen aus patriotischen Gründen, viel größer als die, zu reden. (Eebhafter Beifall links.)
Abg. Leid (U. Soz.); Wir wünschen, daß die Beamten sich frei nach allen Richtungen betätigen können. Erst seitdem die Beamten den Wert der Organisation erkannt haben, sind sie in ihrem Recht sichergestellt. Die Beamten müssen die Mittel an der Hand haben, um sich gegen ungerechtfertigte Verabschiedungen zu wehren. Die Steuern gehen noch nicht weit genug in der Heranziehung der Leute, die sich im Kriege bereichert und während des Krieges zu seiner Fort⸗= setzung gehetzt haben. Die Besorgnis des Vorredners, daß zuviel sozialisiert werden könnte, ist hinfällig. Das Gegenteil ist richtig. Die Regierung verkündet zwar auf großen Plakaten „Die Soziali⸗ sierung marschiert“, aber von Taten haben wir noch nichts gesehen. Hinter dem Ordnungsprogramm des Herrn Hergt blickt sein Ideal: Wiederaufrichtung der Herrschaft des Junkertums und des Militaris— mus nur zu deutlich hervor. Die bürgerliche Gesellschaft kommt aus dem Sumpf, in den sie Militarismus und Kapitalismus hineingeführt haben nicht mehr heraus; sie ist dem Untergang geweiht. Nur wenn der Soziglismus die Herrschaft erringt, ist das deutsche Volk zu retten. Nicht das Zentrum treibt sozlalistische Politik, sondern die Sozialdemokraten in der Regierung haben sich den bürgerlichen Parteien verschrieben. Schon wird ungescheut dem Volke die Wieder⸗ aufrichtung der Monarchie gepredigt, ein Beweis, wie sehr die Reaktion wieder erstarkt ist. Bald wird die Militärdiktatur da sein; wir haben sie ja eigentlich bereits.
Darauf wird nach 5 Uhr die Fortsetzung der Beratung auf Dienstag, 12 Uhr, vertagt (vorher zwölf kleine Anfragen und Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung einer Provinz Ober— schlesien).
Statistik und Volkswirtschaft.
Die Eifenbahnen des Deutschen Reichs 1915 —1 917.
Auf Grund der die Rechnungsiahre 1915, 1916 und 1917 be— handelnden Bände TXXVI bis XXXVIII der im Reichzeisenbahn= amt nach den Angaben der Eisenbahnverwaltungen bearbeiteten »Statistik der im Betriebe befindlichen Eifen⸗ b ah nen D eu ts chlands“ sei im folgenden eine vergleichende Uebersicht über die Entwicklung der deutschen Eisenbahnen in diesen drei Betriebsjahren gegeben.
1915 1916
1917 J. Eisenbahnen in Deutsch⸗ land. Hauptbahnen F.. km 34 864,3 34 938,0 34 991 ,es vollspurige Nebenbahnen. 22264158 27 408, o 27 451,60 zusammen.. , 62 090,5, 62 346,8! 62 442,6 davon kommen ; auf 100 qkm Grundfläche, 11,16 11,83 11,65 azu: schmalspurige Nebenbabnen . 2230,86 2205,90 2191,60 nebenbahnähnliche Klein. bah len 11915 1m nn Straß nbnhnen 5 30231 5313. 5342,06 Gesamtnet z.. 80 839, a 81 308, 81 526,18 davon kommen auf 100 Rm Grundfläche. 14,95, 15,0 15, . II. Deutsche Haupt ⸗ und Nebenbahnen. 1. Eigentumslänge. Hauptbahnen: eingleisig e km 1083933 10 826,2 10744, zweigleisigt.. , 23 794,6 23 811,1, 28 gos, a ben n, 74, s 102,13 102, 1 J 420,40 463.12 bd, os
k H, 6 H. 3s 5.86
zusammen. .., 365 1333 35 208,9 35 210 60 davon mehrgleisig . . o ,0 69, is 69, 6s 69, ss vollspur ge Nebenbahnen: . einaleisicaa.· ., . Em 26 b27, M, 26 713, 3 26 759,16 m 674,3 6709, 8s 668, o zusammen. . , 27 201, 1 27 383,0 27 427. 6 schmalspurige Nebenbahnen. ., 2 230,8 2 205,0 2191560 im ganzen Haupt, und Neben⸗ ahnen. . 64 566 24 64 797,360 64 979,14 davon im Staatsbesitz... 59 867,9 60 077.2 60 178,1 — 0 92, 92, a 92/8 2) Betriebslänge: a. am Ende des Rechnungkjahres überhaupt.. km 64 63720 61867, 64 919, b. im Jahresdurchschnitt ᷣ überhaupt. , 64 457,89 64 800, 0 64 892, in für Personenperkehhrtr .., 62 435, 62 705,0 62 774,30 für Güterverkehrt .. , 164 039, 64 38230 64 469,00