1919 / 232 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Oct 1919 18:00:01 GMT) scan diff

Noch ein paar Worte über die kurländische Sache! Gine Zeitung hat sie möge mir diese Anleihe bei ihr entschuldigen am Mon tag die Politik der Unabhängigen, außerhalb dieses Hauses natürlich, Verhalten eines dummen August verglichen, der närrisch benimmt oder aber mit hersaust, die ordentliche (Große Heiterkeit.) Unabhängigen

nicht übel mit dem sich entweder sinnlos genden Rock um so zu tun,

Unwahrheiten vorschlagen können, wie die Schwierigkeiten, über die ich mir voll— ständig klar bin, rasch überwunden werden können, ohne daß noch weiter Unheil für unser Land entsteht. man mir weist, soweit militärische Dinge in Betracht kommen, werde ich sehr gern beschreiten. Aber wenn ich mich darauf beziehen darf Herr Cohn hat ja ebenfalls heute keine Vorschläge gemacht der Aufruf der Parteileitung der Unabhängigen Sozialdemokratie vom Sonntag ist nach meinem Empfinden einfach lächerlich wegen seiner Daß Forderungen gestellt werden, die eine schlechte Wiedergabe von Besehlen darstellen, die ich eine ganze Reihe von Tagen vorher gegeben h ich werde aufgefordert, den Widerstand der Truppen sofort zu brechen. Ja, wenn ich wüßte, wie man das Kunststück fertig bringt, dann würde ich auf den Rat der Unabhängigen Sozialdemokratie nicht gewartet haben, sondern hätte schon selber danach gehandelt. Worte dastehen, sind sie leeres Geschwätz.« Kurland schicke, das erwartet die „Freiheit“ doch nicht. Transport von Soldaten nach dem Osten ginge doch ein Riesen⸗ geschrei los, nun würden noch mehr Leute über die Grenze geschickt. Aber ich bin mir auch darüber klar, daß ich aller nach keine Truppe in Deutschland auftreiben könnte die ich verladen könnte mit dem Befehl, in Kurland Krieg gegen deutsche Brüder zu bhafte Zustimmung von rechts bis zu den Sozialdemokraten.) Also, es muß der Versuch gemacht werden, diesen fürchterlichen Knoten durch andere, unblutige Mittel zu lösen. Zurufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten.)

Eine sofortige Sperrung der Lebensmittel ist mir zwar angeraten worden; aber mit Rücksicht auf das lettische Land halte ich auch diese Maßregel zurzeit noch nicht für anwendbar. Die sofortige Sperrung der Lebensmittel würde natür— Sehr wahr! bei den

Jeden gangbaren Weg, den

inneren Widersprüche.

ist an sich nicht wesentlich.

So, wie die Daß ich eine Armee nach Beim ersten

hrscheinlichkeit

(Erneute Zustimmung.

(Sehr richtig! bei den Demokraten) lich Plünderungen der Truppe zur Folge haben. Demokraten und Sozialdemokraten. Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Als ob die nicht auch so stattfänden!) Ich gebe zu, Frau Luise Zietz, daß unter den Leuten manch einer ist, an dem Aber stellen Sie sich auch einmal vor, wenn der Mann aus der Heimat gar nichts mehr zu essen bekommt, wie der über die lettischen Lebensmittel und Viehbestände hergeht. es ist eine Sicherungsmaßregel im Interesse des lettischen Landes, das wir möglichst unversehrt verlassen wollen, wenn der Truppe bisher die Verpflegung weiter geliefert worden ist. entsteht, würde natürlich sowieso auch das deutsche Volk aufkommen Also, es muß schon vorsichtig verfahren werden.

Es ist von den Herren Unabhängigen in ihrem Aufruf von Regierung gefordert worden, den Konflikt mit der Entente sofort zu „Keinerlei Konflikt mit der Entente!“ Partei, deren Redner, Herr Cohn, uns vorhin anempfohlen hat, mit der englischen Militärmission in Berlin Schlitten zu fahren. keit im Zentrum, bei den Demokraten und Sozialdemokraten.) die Herren Unabhängigen sind nicht in jeder Stunde gleichmäßig darauf bedacht, Konflikte mit der Entente zu vermeiden und die Entente zufriedenzustellen.

Die Alliierten Regierungen das möchte ich ganz kurz wenigstens in diesem Zusammenhange betonen die jetzt gegen erneut mit Blockade und anderen Zwangsmaßregeln drohen, sollten nicht vergessen, daß sie monatelang gefordert haben, daß die deutschen Truppen im Baltikum bleiben. von ihnen auch etwas mehr Verständnis für die allmählich ent— standenen außerordentlichen Schwierigkeiten erwarten.

Wie töricht wenn ich von dieser unabhängigen Kundgebung noch mit einem Satz sprechen darf die Forderungen sind, die dort erhoben werden, sei daran gezeigt, daß zwar die sofortige Zufrieden⸗ stellung der Entente gefordert wird, daß der Abgeordnete Cohn dann aber ausführlicher wird sich wahrscheinlich der Herr Außenminister darüber noch äußern wieder fordert, daß wir die sofortige Her— stellung des Friedenszustandes mit Sowjet-Rußland herbeiführen. Ich glaube, ich bin von den Mitgliedern der Regierung der erste gewesen, der in der Nationalversammlung in Weimar über unser Ver— hältnis zu Rußanld gesprochen hat, und ich habe im Auftrage und in absoluter Uebereinstimmung mit sämtlichen Mitgliedern der Regierung damals zum Ausdruck bringen können, daß wir selbstverständlich so rasch wie mötzlich einen geordneten, geregelten, friedlichen, freundschaft⸗ lichen Zustand mit Rußland wünschen. Aber was die Forderung des Herrn Cohn jetzt bedeuten soll, daß wir in geregelte Rechtsbeziehungen zur russischen Regierung treten sollen, das zeugt doch wieder von einer erbarmungswürdigen politischen Unwissenheit. uns jede Vereinbarung mit Rußland. Das steht im Friedensvertrage ausdrücklich drin. Folgten wir also dem Rat, den Herr Cohn gibt, so hätten wir sofort neue Konflikte. demokraten) Solche Torheiten können in den Zeitungen geschrieben oder geredet werden, aber eine Regierung darf nicht so töricht handeln. Wir geben Ihnen die Zusicherung, daß wir bemüht sein werden, durch entschlossenes Handeln neues Unheil von unserem Lande abzuwehren. Eebhaftes Bravo.)

wir keine Freude haben!

Für Schaden, der im Lande

Das sagt dieselbe

(Sehr richtig) könnten wir

Die Entente verbietet

(Oört, hört! bei den Sozial—

Hierauf nimmt der Reichsminister der Auswärtigen An— elegenheiten MüleKmer das Wort, dessen Rede wegen ver— äteten Eingangs des Stenogramms in der nächsten Nummer dieses Blattes im Wortlaute wiedergegeben werden wird.

Abg. Eisenberger (Bayr. Bauernbund); Wir sind mit der jebigen Zusammensetzung der Regierung einderstanden. Wenn der Zug zur Arbeit auch noch schwach ist, so freuen wir uns doch dieses Anfangs und hoffen, daß es so weitergehen wird. Schwächere wird es immer geben, und deshalb mag der Streik auch unter Umständen, namentlich bei der besitzer und auch durch die la rechtigt sein; aber ein Eisenbahner⸗ und Beamtenstreik. gemeinheit ungeheuer. Die Bauern fragen sich, wa einmal streiken sollten. Deshalb

Wirtschaftlich

der Ausbeutung durch Bergwerks⸗ ndwirtschaftlichen Großgrundbesitzer be⸗ schadet der All⸗ t rum nicht auch sie ist es notvendig, daß die R e Bauernpolitik treibt. (Sehr richtig; nährungsproblem gelöst werden soll, dann muß die Saupolitik treiben, um die Schwe

Wenn das Er⸗ u ierung eine inezucht zu fördern. (Große Heiter⸗

eine vernünfti

keit im ganzen Hause und bei der Regierung) Nach dem Muster der äußersten Rechten und der äußersten Linken kann unser Volk nicht regiert werden. Die Umgestaltung der Arbeitslosenfürsorge ist not⸗ wendig. Die Betriebsräte sind für die Kleinbetriebe nicht möglich. Auf die Frage der Schuld an der Revolution will ich nicht eingehen. Hätten wir noch die Monarchie, so hätten wir wahrscheinlich überhaupt noch keinen Frieden oder einen noch schlechteren. (Sehr richtig! links.) Die Finanzreform, wie sie geplant ist, kann nicht verwirklicht werden. Wenn ich auch nicht gegen eine Vereinheitlichung des Reiches bin, so meine ich doch, daß es besser ist, zufriedene Einzelstaaten zu haben, als daß man solche Epperimente macht. Wir müssen alle arbeiten und besonders den Mittelstand und die Handwerker schützen.

Abg. Meerfeld (Soz):; Wenn wir den Belagerungszustand entbehren könnten, wären wir die Ersten, die für seine Beseitigung ein⸗ treten würden. Aber solange mit monarchischen Umtrieben zu rechnen ist, ist leider an seine Beseitigung noch nicht zu denken. Wir sehen im Kampf gegen die Regierung in den Parteien der äußersten Rechten und der äußersten Linken ein ungleiches Brüderpaar: Cohn von Gräfe und Däumig Graf Westamp. Die Wiedewereinigung der Arbeiterschaft wird von den großen Massen der Arbeiter unzweifelhaft ersehnt. Die Erzählungen des Herrn Abgeordneten Cohn über ein zweideutiges Verhalten meiner Patei in den Novembertagen sind nicht richtig. Niemand hat davan gedacht, eine Regierung ohne oder gegen die Unabhängigen zu bilden. Worüber man sich nicht einigen konnte, war die Rätefrage. Daran mußten die Verhandlungen scheitern. Die hetzerischen Agitatoren, die von der Rechten und bon der Linken geger uns und gegen die Regierung arbeiten, wissen nicht, was sie tun. Sie wissen nicht, daß sie va banque spielen. Das Unglück der Arbeiterschaft wäre auch das Unglück der Unternehmer, wenn wir auf diese Weise zum Ende unserer Kraft kämen. Die Verhetzung muß aufhören. Der

der jede Losreißung entschieden zurückweist, die Rheinländer wollen

De D

freians Y ml 3 outschaesinnt si 2m H freigusprechen. Die Rheinländer bleiben deutschgesinnt, sie wollen von

Abg. D. Traub (D. Nat.); Jede Regierung muß Autorität besitzen, sie darf sie aber nicht mißbrauchen. Die Autorität, kann man sich aber nur schaffen mit Leistungen und nicht mit Mitteln der Gewalt. Das Schlagwort von den Bolschewisten der Rechten und der Linken ist ein schönes Wahlmanöver, weiter nichts. Würde man uns nicht besonders hoch einschätzen, so würde man über uns. schzn längst zur Tagesordnung übergegangen sein. Wir bekämpfen die Regierung nicht einer Person wegen, sondern wegen ihrer Leistungen, zu denen wir kein Vertrauen haben können. Meine Partei treiht. geradezu politische Selbstverleugnung, wenn wir bisher die Autorität der Diegierung stützten. Wir werden aber gegenwärtig, namentlich auch in der Peesse, in einer Weise behandelt, als ob alles Unheil nur von uns herkäme. (Sehr richtigi links) Was tut die Regierung, um ihre Autorität zu erweisen, was schafft sie an Leistungen, an denen das Sand draußen wirklich Freude haben kann? Für das Mänisterium des Wiederauf⸗ baues ist bis heute noch keine Abgrenzung seiner Befugnisse gegenüber dem Auswärtigen Amt erfolgt. Die Verantwortlichkeit des Aus⸗ wärtigen Amtes dem Auslande gegenüber könnte sehr leicht durch. dieses Ministerium verschoben werden. Fing Klarstellung ist da dringend nötig, damit feststeht, daß dieses Ministerium in allen politischen Ent scheidungen mit dem Aus mãrtigen ö ,. 6e. cen . der Geschichte ist es, daß diejenigen, die der glten r gegen- 3. g, 9 keln heute für die Heilighaltung des ö eintreten. Wer die Wurzel abgerissen hat, darf sich nicht wundern, wenn kein Baum wächst. Die deutschnationalen Beamten hatten ein gutes Recht zu erfahren, was man im neuen Eide von ihnen fordere, sie wollten wissen, ob ihnen die in der Verfgssung zugesagten Rechte gewährleistet wüpden, namentlich daß ihre zpolitische Gesinnung ihnen freistehe. Eine Regierung, die aus der Reyolution kommt. muß ein Flein wenig bescheidener sein, als die jetzige es ist. In letzter Zeit ist manches Buch mit Lebenserinnerungen veröffentlicht worden. Der 9g. Nobember kommt heran. Vielleicht veröffentlicht auch Herr Cohn seine Lebenserinnerungen, aus denen zu sehen ist, wer alles an der Rewolution beteiligt gewesen ist. Das muß dem deutschen Volke offen und mit der gleichen Verantwortlichkeit gesagt werden. Ver⸗ öffentlichen Sie Ihre Akten genau so wie die Männer, die man heute mit Schmutz bemrft. Bereits vom Frühjahr 1915 ab hat die damals noch vereinigte Sozialdemokratie bei der Marine für die Verbreitung revolutionärer Jeitschriften wöchentlich je 10 Pfennig eingesammelt. Ueber diese Angelegenheit müssen wir eine aklenmäßige Klarstellung bekommen. Die Nexolutionstegierung ist zu schwer belastet, um an die sittliche Kraft des Volkes appellieren zu können. Die Na ional⸗ versammlung hat ihre Aufgabe erfüllt bis auf das Wahlgesetz. Wollen wir verfassungsmäßig vorgehen dann müssen wir uns darüber einig sein, daß eine Verlängerung der Nationalversammlung dem widerspricht, was eine demokratische Volksvertretung will. Sehr guth Wenn der „Vorwärts“ sogar einen Bericht gibt, aus dem die schmachvolle Behandlung der Deutschen in der Pfalz hervorgeht, so nimmt mich es nicht wunder, da auch bei uns im Lande unsere alten Einrichtungen in den Staub gezogen und die Männer heruntergerigsen werden, die uns 40 Jahre hindurch glänzend geführt und zum Wohlstand gebracht haben. (Große Unruhe links, die sich zum allgemeinen. Lärm aus—⸗ wächst. Als kürzlich ein Angehöriger einer fremden Militärmission mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse am Potsdamer Platz eine Straßenbahn besteigen wollte, wurde er von dem Schaffner zwar zurückgewiesen, das Publilum aber beschränkte sich auf stummen In⸗ grimm. Unerhört ist auch, das Kaiserbild im „Ulk'. Pfuirufe rechts) Wenn derartiges bei uns vorlommt, so darf man sich über die Behandlung durch unsere Feinde nicht wundern. (Große Unruhe.) Das ganze Volk hätte von der Regierung bei der Verabschiedung des Generalstabes gerne ein Wort der Anerkennung für das gehört, was diese Einrichlung dem deutschen Volke gewesen ist. Den 77. Geburts⸗ tag Hindenburgs hat man stillschweigend vorübergehen lassen, statt dessen denkt man nur daran, wie mam mit den Ententesozialisten wieder Fühlung bekommen kann. Unsere Regierung sollte aus dem englischen Eisenbahnerstreik lernen, daß die Arbeiter zunächst an ihre Arbeitsstätten zurückgebracht werden müssen, bevor man ihnen Zuge⸗ ständnisse macht. (Sehr richtig) Die Regierung hat nichts getan, um dem wilden Börsenspiel, bei dem die Auslandswerte im Mittel⸗ punkt stehen, einen Hemmschuh anzulegen. Wie steht es mit der Milliarde in Gold, die für unsere Ernährung in Brüssel hinterlegt werden mußte? In der Sache der Broschüre: „Einst und jetzt“ haben wir ein durchaus gutes Gewissen. (Zuruf links: Sie haben überhaupt keins! Minister Hergt und der Geschäftsführer der Partei haben erklärt, daß die fragliche Broschüre von unserer Partei nicht geschrieben ist (hört, hört!, die Herren haben sie heute zum ersten Male gesehen. Bereits vor drei Wochen ist dem beauftragten Krimi— nalbeamten bei der Haussuchung gesagt worden, daß uns diese Broschüre völlig unbekannt sei. Sämtliche Flugschriften werden von der Partei gezeichnet, anonyme Broschüren und Drucksachen haben wir niemals herausgegeben. (Reichs wehrminister Noske ruft: Das steht im Widerspruch mit der Erklärung des Herrn Hergt von heute morgen! Große Unruhe rechts, Ruf links: Verlogene Gesellschaft! Minister Noske: Herr Hergt hat das zugegeben. Auch die „Deutsche Tageszeitung“ hat zu Protokoll gegeben, daß die Deutschnationale, Partei nicht Auftraggeber dieser Broschüre sei. Im „Vorwärts“ und im „Berliner Tageblatt“ wird die Deutsch⸗ nationale Partei als eine solche hingestellt, der man überhaupt alles

Monarchie.

nachsagen kann. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der „Vorwärts“ schreibt, so gründlich sei die Deutschnationale Partei

niemals entlarvt worden. Es aibt keine Parallele für einen solcher Angriff, wie er hier gegen uns gerichtet ist. Redner weist die Zeichnung des Ulk“ vor, in dem Culenburg als Verräter des Kaisers dargestellt wird, sowie ein anderes Blatt. in dem Sie- burg als Massenmörder hingestellt wird. (Erregte Rufe rechts: Pfuih Die „Deutsche Tageszeitung“ hat die erwähnten Pamphlete nicht bestellt. (Minister Noske: Das hat mir Herr Hergt zugegeben) Wir wissen sehr wohl, daß Herr Noske ein Anhänger der Sozüéal⸗— demokraten ist. Das deutsche Volk hat bei den Wahlen seine Meinung kundgegeben; die erwartete sozialistische Mehrheit ist nicht erschienen. Der Minister spricht von dem bettelamnen Offizierkorps; man hätte nur früher die Armut und Bedürfnislosigkeit des Offizier⸗ korps anerkennen sollen. Wenn der Minister nicht ausdrücken wollte, daß er nur aryme Offiziere vorschieben wolle, so hätte er seinen Satz anders ausdrücken müssen. Das dadurch entstandene Mißberständnis hätte von vornherein abgewendet werden müssen. Es kommt uns nicht darauf an, Mißverständnisse zwischen uns und dem Herrn Reichswehrminister entstehen zu lassen, aber den gestrigen Angriff konnten wir nicht über uns ergehen lassen. In der baltischen Frage stehen wir auf dem Standpünkt, daß wilde Formationen nicht ge— duldet werden können; hätte die Regierung aber früher hinter unseren Tyuppen gestanden, dann hätte die Entente ihre Forderungen nicht überspannt. Unsere Soldaten wollen ja nicht als Militaristen dort bleiben, sondern als ehrliche Bürger und Bauern. Wenn der Reichswehrminister Zeitungen verbieten will, dann sollte er zuerst einmal das Skandalblatt „Die Freie Presse“ verbieten. ustimmung rechts) Der Aufruf des Majors Bischoff ist in der offiziellen Presse unter Auslassung einiger Sätze veröffentlicht worden, in denen auf den Bolschewismus und Spartakismus hingewiesen ist. Als Clemenceau das Wort sprach von den überflüssigen 20 Millionen Deutstchen, da ging uns das durch die Seele. Das Wort kann leider zur Wahrheit werden. Unsere Truppen sollten Deutschland ent- lasten und im Baltikum friedliche Bürger und Kulturträger werden. Es ist kein Trost, daß es Frankreich auch schlecht geht. ich wünsche gar nicht, daß es Fvankreich schlecht geht, aber uns geht es immer noch schlecht. Durch die Revolutjon sind wir n9ch einmal in diese Lage gekommen. Eebhafter Beifall rechts, Lärm links Wir wollen nicht ins Ministerium eintreten (Heiterkeit, aber wir wünschten, daß eine Regierung kommen möchte, die nicht von Parteirücksichhen ge⸗ bildet ist, sondern nur nichts anderes wollte, als dem Jande zu helfen. Wir treiben nationale Opposition, aber aus nationalen Gründen, nicht aus internationalen. Wir würden es begrüßen. wenn das Aergste vom deutschen Volke abgewendet werden könnte, aber ich sehe leider trübe in die Zukunft, denn es ist noch nie ein Volk so betrogen worden. (Stürmischer Beifall rechts, Zischen links.)

Reichswehrminister Nos ke: Der Herr Abgeordnete Traub hat von dem wünschenswerten Verbot eines üblen Blattes mit homo— sexuellen Anzeigen gesprochen. Das Blatt ist allerdings, wenigstens in seinem Inseratenteil, eine einzige Schweinerei, Meine Befugnisse auf Grund des Belagerungszustandes gestatten mir aber nicht, wie ich habe feststellen müssen, ein Verbot des Blattes herbeizuführen, was ich ausdrücklich bedaure.

Der Herr Abgeordnete Traub hat dann erklärt, seine Parteifreunde hätten eine Aussprache mit mir nicht gesucht. Ich möchte diese Dar⸗ legung nicht charakterisieren; ich stelle den Sachverhalt fest. Ein Herr, der den Deutschnationalen politisch außerordentlich nahesteht, hat gestern mit Herren dieser Partei nach meiner Rede gesprochen. Nach den mir gemachten Mitteilungen ist bei dem Gespräch beiderseitig der Auffassung Ausdruck gegeben, es sei unerwünscht, den Konflikt weiter zu verschärfen, ob dem nicht durch eine Aussprache vorgebeugt werden könnte. Dazu habe ich mich bereit erklärt. Ich finde es mcht sehr angenehm und nicht sehr nett, daß der Herr Abgeordnete Traub jetzt den Eindruck zu erwecken versucht, als ob ich seinen Parteifreunden nachgelaufen wäre. Ich habe mich im übrigen durch Zwischenrufe geäußert. Ich will nach der Aussprache, die ich heute vormittag gehabt habe, aus Erwägungen heraus, die durchaus verständlich sind ich möchte nicht die Truppe dauernd zu einem Zankapfel zwischen den Parteien werden lassen zur Sache weiter nicht äußern. Aber ich glaube, ich kann es dem Urteil des Hauses ruhig überlassen, welcher Unterschied zwischen einer anonymen Druchschrift und einer anonym gedruckten Postkarte besteht.

Abg. Frhr. v. Richthofen (Dem): Wir sind wieder in die Regierung eingetreten, weil das für uns eine politische Notwendigkeit war. Wir wollten die Verantwortung mittragen. An den jetzigen Zuständen ist nicht die Reholution schuld. Wir sind irregeführt worden, es sind nicht alle Möglichkeiten ergriffen worden, um den Krieg rechtzeitig zu beenden. Die historische Stunde der Demokratie hat jetzt geschlagen, allein die Demokratie kann unser Vaterland retten. Die Pläne der Rechten würden zum Ruin des Vaterlandes führen. (Sehr xichtig! links.) Der Zusammenhang der inneren und äußeren Politik ist außerordentlich eng, und es ist ein großer Fehler, daß uns früher nicht Klarheit über die auswärtige Politik gegeben worden ist. Hinter der neuen Verfassung steht die Mehrheit des Volkes, diese Verfassung ist die Grundlage für unsere Politik. Die Parteien, die diese Grundlage ablehnen, können nicht an der Regierung beteiligt werden. Wenn man ein Schiff sicher in den Hafen bringen will, darf man es nicht überlasten und vor allem nicht schief laden. Die Herren von der Rechten bekennen sich noch zur Die Herren haben eine Wandlung durchgemacht, sie schwärmen jetzt das parlamentarische System. Es ist auffällig, daß die Deutsche Volkspartei, die doch zum Teil sich aus den früheren Nationalliberalen gebildet hat, jetzt so royalistisch geworden ist. Es ist bedauerlich, daß die Deutsche Volkspartei der Verfassung nicht zu. gestimmt hat. Dadurch ist sie in eine Opposition gedrückt worden, wie es sonst wohl nicht der Fall gewesen wäre. Herr Traub allerdings sst eine Autorität in der Umwandlung der Parteien. (Heiterkeit) Heyr Stresemann hat mit Recht bedauert, daß das Bürgerliche früher nicht die nötige Macht gehabt hat. Er wird anerkennen müffen, daß jetzt diese Macht gestärkt ist. Unsere Monarchisten haben gegenüber den Royalisten anderer Länder den Fehler, daß sie keinen Prätendenten haben. Sie verraten uns nicht, wen sie für die Wiederkehr der Monarchie erküren wollen. Etwa den früheren Kaiser oder den Sohn oder einen General oder etwa einen Politiker? Heiterkeit) Die höheren politischen Beamtenstellen dürfen nicht mit Persönlichkeiten besetzt werden, die innerlich nicht die Politik der Regierung vertreten können. Das Abschiedsschreiben des Regierungepräfidenten in Potsdam, b. Massenbach, ist in dieser Hinsicht anerkennenswert. Die selbe Kluft, die uns von der Rechten trennt, trennt uns von der Unabhängigen, die eine wahre Demokratie nicht anerkennen. Ihr Wunsch, allein die Regierung bilden zu können, wird fich in absehbarer Zeit nicht erfüllen lassen. Eine Rebision des Friedensvertrages muß möglichst bald im Einvernehmen mit den anderen Mächten versucht werden. Dieser Vertrag ist für uns nicht erfüllbar. Dazu müssen wir aber im Ausland eine andere Atmosphäre in den Anschauungen über unser Volk schaffen. Wir sind abhängig vom Ausland und müffen den Anschluß an das Ausland wieder gewinnen. Wenn uns die Opposition in diesem Streben helfen will, foll es uns willkommen sein. Es geschieht aber leider nicht. Was von der Rechten geschieht, trägt leider nicht dazu bei, Vertrauen im Ausland zu gewinnen. Das Verhalten der Rechten wird im Gegenteil im Ausland nicht verstanden. Die Persönlichkeiten, die in der ganzen Welt immerfort von sich reden machen, soll ten bedenken, daß sie damit dem deusschen Volke keinen Dienst ewweisen. Unsere Lage im Baltikum ist dadurch

(Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)

vorzubeugen. Von

m Denutschen Neichsanzeiger und

232.

(Fortsetzung aus ver Ersten Beilage)

sehr erschwert, daß unsere Truppen an der Seite von russischen Truppen ftehen, die die Träger der schaärfsten Reaktion sind. Die Möglichkeit, mit der Sonjetregierung in amtliche Beziehungen zu treten, ift uns dilrch den , genommen. In Zukunft müssen wir aber wieder Beziehungen zu Rußland anstreben, wenn vielleicht die jetzigen Machthaber einer freiheitlichen Regierung nach der Art der Deutfchen Platz ger acht haben, und deshalb ist es nicht wünschenswert, daß sie dadurch erschwert wird, daß deutsche Truppen in einem russischen Lande ür die Reaktion kämpfen. Auf keinen Fall Fürfen wir in neue Kon— likte mit der Entenle kommen, von der wir nun einmal abhängig ind. Unser Einfuhr und Ausfuhrhandel muß in jeder Weise gepflegt wenden; viele Geschäfte können nicht perfektioniert weiden, weil die Anträge lange Zeit in den Aktenschränken der Behörden ruhen. Es müssen ferner alle Garanten geschaffen werden, um in den Abstimmungsgebieten das Selbsthestimmungsrecht der Völker zur Geltung zu bringen. An den Völkerbund wollen wir mitarbeiten, Henn er auch nicht so aussieht, wie wir uns ihn vorstellen. Das Wiederaufbauministerium muß in enger Fühlung mit dem Minister lum id. Au wärtigen „bleiben, denn in dem Friedensvertmg liegt eine dauernde efährdung der Souveränität des Deutschen Reiches. Wir müssen es verhindern, daß die Entente in unsere inner? Ver— waltung eingreift. Die innere wie äußere Politik muß, wenn sie von Erfolg gekrönt sein soll, unbedingt nicht nur von der Regierung selbst, sondern auch pon den Parteien, von einem starken nationalen Empfinden Etragen werden; aber andererseitt mit einem Nafionglismus, keinem haubinismus. (Sehr wahr! Auch meine Partel hätte gern einen früheren Termin für die Wahlen gehabt, aber die Zeiten sind für Wahlen jetzt nicht günstig. Die eigentliche Aufgabe der National— bersammlung ist noch nicht gelöst, wir müssen dem Volk auch ein n. Gefühl der Sicherheit geben, daß das neue Deutschland in r Lage und gewillt ist, auf diesem neuen verfassungs mäßgen Boden bu arbeiten. Wir müssen auch nach dem Friedensschluß wieder all- mählich zu besseren Beziehungen zum Ausland gelangen. Wir freuen uns des Optimismus des Reichskanzsers hinsichtlich Ter Zukunft des deutschen Volkes. Wir müssen optimistisch sein, da wir tagtäglich gm. Rande des Ahgrumdes stehen, Nach diesem Winter muß unser Volt wieder eine Rolle für die Menschheit spielen können, nackikem es ihm gelungen sein wind, aus dem Sturz der Revolution peraus wieder Gesittung zu kommen. Dann werden wir vor das Volk tteten und mit Ruhe sein Urteil abwarten. (Beifall links) Darauf wird vertagt.

Persönlich bemerkt

Abg. Dr. Da vid (Soz,): Aus der Rede des Abg. Cohn konnte ber Vorwurf herausgeleitet werden, ich oder meine Partél hätten am

Nopember eine zweideutige Politik getrieben, indem wit mit den bürgerlichen Parteien oder den Unabhängigen die Regierung hätten bilden wollen. Diese Auffassung wäre Line völlige Entstellung der historischen Vorgänge. Uns lag am 9. Nopember vor allen Dingen daran, alle linksstehenden Elemente zusammenzufassen, um einem blutigen K und einem siegreichen reaktionären Rückschlag

en Bürgerlichen waren Herr Schiffer und von Krause noch in der Regierung, und daß es so bliebe, damit waren die Unabhängigen einverstanden.

Abg. Dr. Cohn (U. Soz.): Ich habe nur eine ganz einfache harmlose Tatsache festgestellt. (Heiterkeit) Fresher von . wird mir bestätigen, 9j Dr. David mit ihm über die neu zu bildende Regierung verhandelt hat. Dr. David hat dabei zugegeben, daß der Kaiser und der Kronprinz nicht Tie Regierung führen könnten. daß aber die Regentschaft für ein Enkelkind des Kaisers vorbehalten bleiben solle.

Abg. Freiherr von Richthofen (Dem.); Dr. David hat am 6. November, 19 Uhr Morgens, ausdrücklich erklärt, daß eine Regie⸗ rung ohne Unabhãngig; undenkbar séi. Er hat zur Bedingung ge— macht, falls wir in die Regierung eintreten wollten, meine Wenigkeit und Dr. Junck, daß wir uns auf den Boden der Repubfik stellen müßten. Die nationallibevale Partei gab uns die Frmächtigung dazu und wir gaben unsere Cinwilligung, um das Vaterland in diefer schweren Zeit zu retten, wir behielten uns indessen vor, daß die end⸗ gültige Regelůng der zukünftigen staatsrechtlichen Verhältnisse in Deutschland von dem Ausgang der Wahlen zur Nationalversammlung abhängig gemacht werden müßten.

Abg. Dr. Da vid (Soz): Für uns war eine Regierungs— bildung ohne, die unabhängige Partei ausgeschlossen. Von den bürger⸗ lichen Mitgliedern der Regierung verlangten wir das Bekenntnis zur Republik. Es ist vollkommen n, ,. daß wir später eine Paiserliche Stellvertretung in Vorschlag gebracht hätten, Scheidemann hatte ja schon im Laufe des Vormittags von der Rampe des Reichs— tags aus die Republik ausgerufen. Die Herren der nationalliberalen Partei blieben mit Zustimmung der Unabhängigen in der Regierung. Gin Vorwurf kann uns nicht gemacht werden.

Abg, Dr. Cohn (U. Soz) : Das regierende Kabinett sollte nur aus Sozialisten bestehen, die Bürgerlichen sollten die Fachministerien behalten. Ueber die Aeußerung Dr. Davids, betreffend die Regent schaft des Kaiserenkels, können sich Dttmann und Ledebour äußern. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. (Anfragen, Fortsetzung, Etat des Pensionsfonds, Kolonialverwaltung und Post.

Schluß 634 Uhr.

Preuszische Landesversammlung. 61. Sitzung vom 8. Oktober 1919. ö Nachtrag.

Die Rede, die bei der Beratung des Haushalts für die Eisenbahnverwaltung und der zu diesem ge— stellten Anträge der Minister der öffentlichen Arbeiten Oeser gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut:

Minister der öffentlichen Arbeiten ODeser: Meine Damen und Herren! Die Auffassung, der die beiden Herren Redner Ausdruck gegeben haben, beruht darauf, daß hier der Osten unterschiedlich vom Westen behandelt wird, und daß gewisser⸗ maßen die Bürger des Ostens als Bürger zweiter Klasse behandelt würden. Ich muß mich ganz entschieden gegen diese Auffassung ver— wahren. Meine Damen und Herren, es liegt mir durchaus fern, irgend jemand als einen Bürger zweiter Klasse zu behandeln, und pör allen Dingen liegt mir fern, irgendeine Tendenz etwa gegen den Osten obwalten zu lassen in den Maßnahmen der Eisenbahn⸗ verwaltung. GGurufe.) Ja, ich weiß meine Herren, daß ich eine große Reihe von Stiefkindern habe; jeder Landesteil behauptet von sich, er würde als Stiefkind von der Eisenbahnverwaltung behandelt. Das trifft natürlich nicht zu, sondern die Cisenbahn wird rein aus technischen und allgemein landes wirtschaftlichen· Gesichtspunkten heraus verwaltet, und die . der Maßnahme, zu der wir uns Her notgedrungen haben entschließen müssen, deren Schwere und

Zweite Beilage

Berlin, Freitag, den 10. Oftoher

Härte wir durchaus anerkennen, von der wir wissen, daß sie als geradezu unerträglich von den betreffenden Landesteilen aufgefaßt werden muß, liegt eben in den schwierigen Betriebsverhältnissen, unter denen wir augenblicklich stehen. Ich bin zu meinem lebhaften Be⸗ dauern genötigt, zu sagen, daß die Verhältnisse in den nächsten Wochen und Monaten voraussichtlich kaum besser, sondern eher noch schlechter werden dürften. Gurufe.) Meine Damen und Herren! Seit ich an dieser Stelle stehe, werden Sie von mir hoffentlich den Eindruck erhalten haben, daß ich mein Amt ernst und gewissenhaft auffasse. Ich berufe mich auf die Ausführungen, die ich in diesem hohen Hause und auch außerhalb gemacht habe, in denen ich immer wieder und wieder darauf hinweisen mußte, wie schwierig die Ver— hältnisse der Eisenbahnverwaltung sind, und da 3, wenn eine durch⸗ greifende Besserung nicht zu erzielen ist, wir in den Herbstmonagten vor eine ernste Katastrophe gestellt werden können. Es ist bisher nicht gelungen, die Versorgung mit Kohlen, die Versorgung mit Lokomo— tiven und die allgemeinen Leistungen im Betriebe und in den Werk⸗ stätten auf eine derartige Höhe zu bringen, daß wir von so ein— schneidenden Maßnahmen, wie sie hier durchgeführt werden mußten, absehen können.

Wenn Sie nun fragen: warum wird diese Maßnahme nicht allgemein, sondern nur für den Osten durchgeführt? so beruht das darauf, daß sie getroffen worden ist im Hinblick auf das ober— schlesische Kohlenrevier, auf die Vorräte, die dort auf den Halden vorhanden sind und die, meine Damen und Herren, nach gewissenhafter Erwägung abgefahren sein müssen, bis der Friedens⸗ vertrag zur Durchführung gebracht ist. Da es aber nicht möglich ist, sie im normalen Betriebe abzufahren, müssen wir die hier besprochene Maßnahme so schnell wie möglich durchführen, um diese Vorräte dem einheimischen Wirtschaftsleben nicht etwa verloren gehen zu lassen.

Meine Damen und Herren! Diese Maßnahme nun zugleich auf den Westen auszudehnen, wo sie zurzeit noch nicht not— wendig ist, aber ebenfalls notwendig werden kann, wäre meines Erachtens eine Handlung des verantwortlichen Ministers, die er nicht vertreten könnte. Denn nur um eine Gleichmäßigkeit herzustellen, den Westen im gegenwärtigen Augenblick ebenso zu behandeln wie den Osten, wo es notwendig geworden ist, das könnte ich betrieblich nicht rechtfertigen und deshalb auch vor dem Lande nicht vertreten. Aber ich wiederhole und betone, daß die Wahrscheinlichkeit oder die Mög— lichkeit einer solchen Einschränkung für den Westen sich durchaus er— geben könnte, und daß ich dann zu weitergehenden Maßnahmen auch dort schreiten muß. Es kann notwendig werden, daß wir den Per⸗ sonenverkehr so gut wie vollständig einstellen (hört, hörth, daß wir nur noch den Arbeiterwerkehr und den notwendigsten Geschäftsverkehr, den Nahrungsmittel, den Milch- und den Postverkehr aufrecht⸗ erhalten, um die Versorgung des Landes mit Lebensmitteln und Kohle einigermaßen sicherzustellen, stehe ich vor der Frage, ob ich die Nahrungsmittel und die Kohle nicht dorthin transportieren soll, wo sie dringend gebraucht werden, dafür aber den Personenderkehr aufre ht erhalten kann, dann bleibt eine andere Entscheidung nicht mehr möglich, als daß der Personenverkehr zurückgedrängt werden muß, weil das Wirtschaftsleben des Landes und die Ernährung der Be— wohnerschaft doch noch notwendiger ist als der Personemerkehr. (Sehr richtig)

Meine Damen und Herren! Wie sind die Zustände entstanden? Vergessen Sie nicht, daß die deutschen Staatsbahnen 00 der aller— besten urd leistungsfähigsten Lokomotiven an die Entente abzugeben hatten. Diese 5000 Lokomotiven fehlen uns überall, während die Entente den erhofften Nutzen davon nicht gehabt hat; denn soviel wir wissen, stehen die Lokomotiven kalt auf den Strecken und verrosten, während unser Wirtschaftsleben dadurch notleidet. Hätten wir diese 50M Lokomotiven zur Verfügung, dann brauchten wir nicht so zu

verfahren.

Nun, meine Damen und Herren, läßt sich nicht verschweigen, daß jetzt die Wochen und Monate kommen, in denen sich an unserem Volke

die Streik!lust bitter rächen wird, die im Frühjahr und im

Sommer herschte. (Sehr richtig Damals hätten wir Kohlen ab⸗

transportieren können. Es ging nicht, weil der Betrieb in den Berg⸗ werken, bei den Staatseisenbahnen allenthalben stillgestellt wurde. Diese Wochen und Monate, die uns verloven gegangen sind, lassen sich nicht wieder einholen, und wenn nun die harte und schwere Periode kommt, in der es an Kohlen und Nahrungsmitteln fehlt, in der die Unternehmungen vor den Zwang gestellt werden können, ihren Be— trieb einzustellen aus Mangel an Kohlen, dann werden jene, die diese Streiks heworgerufen haben, die Verantwortung für diese Zustände nicht von sich abwälzen können. Es rächt sich eben auch am Volk alles, was im Volk gesündigt wird.

Meine Damen und Herren! Eine große Schwierigkeit ist für uns auch heute noch die Kohlenversorgung. Wir sind nicht ge⸗ nügend mit Betriebskohlen versehen; wir bringen es nicht über einen

Durchschnittsbestand won neun Tagen, während wir mindestens für

20 Tage Kohlen haben müßten, um einigermaßen wirtschaftlich wer— fahren zu können. Einige Direktionen haben nur noch für vier, fünf, sechs Tage Kohlen im Durchschnitt, d. h. daß an wielen Betriebsorten

die Kohle mangelt und nun die Lokomotiven lange Wege zurückzulegen

haben, um bekohlt zu werden, oder daß die Kohlen erst mal innerhalb

des Direktionsbezirkes hin⸗ und hergeschoben werden müssen, damit sie

an die Stelle kommen, wo sie gebraucht werden. Das kostet Menscen,

Material und Feuerung, ohne daß Famit irgend etwas genützt wird,

und all unser Drängen nach einer besferen Belieferung mit Kohlen hat bisher noch keinen Erfolg gehabt.

Aber nicht nur darin liegen die großen Schwierigkeiten, sondern vor allen Dingen auch in der schlechten Beschaffenheit der Kohle. Unsere Lokomotiven sind auf gute Lokomotivkohle einge⸗ richtet; die bekommen wir heute nicht mehr. Wir müssen die Kohle nehmen, die wir eben bekommen, wir müssen im großen Maßstab Koks verfeuern, der für uns unwirtschaftlich ist. Aber in dieser

Kohle sintd nun auch Beimischungen, Steine wor allem, der soge—

nannte Berg, die die Qualität weiter herunterdrücken. Wir haben

festgestellt, daß wir Tag für Tag 4000 Wagen Steine fahren, die als

Preußischen Staatsanzeiger.

1919.

Kohle deklariert sind (hört, hört, die als Kohle bezahlt werden müssen, also Steine als Beimischung in der Kohle.

Aber nicht nur das! Wenn nun eine solche schlechte Kohle unter die Lokomotive kommt, so gibt sie natürlich keine Hitze, keinen Dampf. Der Zug bleibt auf der Strecke liegen. Der schlechte Bestandteil muß ausgeklaubt werden aus der Kohle. Der Zug liegt ein oder zwei Stunden, bis die Lokomotive wieder Dampf hat und weiterfahren kann. Die Folze davon ist nicht nur, daß dieser eine Zug stillsteht, sondern daß die ganze Reihe von Zügen, die sich hinter ihm befinden, ebenfalls zum Stillstehen gezwungen sind, daß sich die Lokomotiven alle unter Dampf befinden, daß die Feuerung nutzlos vergeudet wird und die größten Stockungen in dem ganzen Betrieb eintreten, Stockungen, zie wirtschaftlich nicht nur schädlich sind, die auch das Personal unnötig belasten und uns den Betrieb in außergewöhnlichem Maße erschweren. Dadurch, meine Damen und Herren, kommt das, as der Techniker die „Dickflüssigkeit des Betriebes“ nennt. Wir würden vielleicht mit unserem Material noch auskommen können, wenn der Betrieb so flott vonstatten ginge, wie es früher der Fall gewesen ist. Aber zu derselben Leistung, zu der wir früher 10 000 Wagen gebraucht hätten, brauchen wir heute 25000 Wagen (hört, hörth, weil der Verkehr entsprechend langsam ist, und es trotz aller Anstrengungen, die wir machen, nicht möglich ist, eine Be— schleunigung des Verkehrs durchzusetzen.

Das liegt an einer ganten Reihe von Umständen, zum Teil auch an den Schwierigkeiten, die aus der Umstellung von dem früheren in den jetzigen Zustand bestehen, an der Durchführung des Acht— stundentages, an der notwendigen Mehrleistung, die durch die Un— regelmäßigkeiten eintritt usw. Es liegt mit an den Verheerungen, die der Krieg hervorgerufen hat, Verheerungen, die nicht nur das rollende Material und die Anlagen getroffen haben, sondern auch die Menschen; denn die Menschen leisten eben heute in der Staats— eisenbahnverwaltung ebenso wenig wie in den übrigen industriellen Betrieben das normale Maß von früher. Auch auf die Voꝛgesetzten wirken die Verhältnisse ein. Es wird nicht mit dem Druck und der Energie gearbeitet wie früher; auch das ist eine Folge, eine Nach— wirkung des Krieges. Während des Krieges mußte von außen in die Staatseisenbahnverwaltung hineingearbeitet werden, Verordnungen mußten erlassen werden unter dem Druck der Verhältnisse, die die Verantwortung von den Vorgesetzten wegnahmen und in andere Instanzen legten. Die Umschaltung nun, daß der Voxgesetzte selbst wieder dem Lande, dem Betriebe gegenüber verantwortlich ist, daß er die Pflicht hat, dafür zu sorgen, den Betrieb wieder flott zu ge— stalten, diese Umschaltung durchzusetzen, ist in der Kürze der Zeit bisher nicht gelungen. Ich darf von dieser Stelle aus den Appell an alle, an Arbeiter an Beamte, an Vorgesetzte und Untergebene wiederholen, daß sie der Pflicht eingedenkt seien, die sie dem Lande gegenüber haben, und daß sie als Arbeiter und Beamte eines soziali⸗ sierten Unternehmens nun auch das tun, was wir immer als die Folge und das Ziel der Sozialisierung hören: daß soziälisieren heißt mehr leisten. Von diesen Mehrleistungen sind wir heute noch ent⸗ fernt (sehr wahr und Zurufe rechts); wir bemühen uns, sie herbei— zuführen.

Die Einstellung des Schnellzugsverkehrs im O sten ist nicht nur aus den Gründen die ich vorhin schon andeutete, ondern auch aus dem ganzen Zustande des Betriebes notwendig ge— worden. Wir brauchen die sogenannte Vorflut. Es ist mit den größten Schwierigkeiten verbunden, in die Grubenbezirke das nötige Leermaterial hineinzubringen und die beladenen Züge bon dort ab— zufahren. Diese Schwierigkeiten werden dadurch multipliziert, daß wir die Bahnstrecken über Posen und Gnesen nicht mehr zur Ver— fügung haben und genötigt sind, große Umwege zu fahren und Bahn⸗ strecken zu benutzen, die für diesen starken Verkehr nicht eingerichtet sind, und daß wir durch Engpässe hindurch müssen und den Betrieb nicht so in der Hand haben wie vor dem Kriege, weil ein Teil der Zu⸗ und Abfahrtstraßen im besetzten Gebiete liegt. Diese von uns unabhängigen Umstände verpflichten uns zu wirtschaftlichen Mehr⸗ leistungen und großen Umwegen und gestalten den Betrieb sehr schwierig.

Nun ist aber der Ruf nach Kohlen allgemein; auch Ostpreußen bittet täglich dringend um mehr Kohlen, um bessere Kohlenver⸗ sorgung. Es ist unmöglich, die Kohlenversorgung und die Menschen⸗ beförderung jetzt gleichmäßig durchzuführen. Es mußte eingegriffen werden. Die Strecken müssen freigemacht werden; es müssen Loko— motiven für den Kohlenverkehr gewonnen werden, wozu auch die Schnellzugslokomotiven tauglich sind. In letzter Zeit ist der Mangel an Leerwagen besonders groß geworden. Das hängt wohl zum Teil mit den Leistungen zusammen, die wir für die Entente durchzuführen gezwungen sind, indem wir Kohlen nach Frankreich zu fahren haben. Der Rückstrom der Leerwagen aus Frankreich ist außerordentlich langsam (hört, hörtlh; wir bekommen die Leerwagen nicht wieder in die Hand. (Hört, hört) Daneben sind an uns größere Anforderungen durch den Rücktransport der Gefangenen gestellt worden. Es ist ganz selbstverständlich, daß durch die Schuld der Staatseisenbahn⸗ verwaltung nicht ein einziger Gefangener auch nur eine Stunde länger im feindlichen Lande bleiben soll, als unbedingt notwendig ist. Wir müssen also diese Verkehre leisten, sie gehen allen anderen vor.

Nun stehen wir jetzt vor dem Herbst verkehr. Wir müssen damit rechnen, daß außergewöhnliche Anforderungen an uns gestellt werden. Rüben, Kartoffeln, Getreide muß befördert werden, daneben müssen auch Kohlen befördert werden. Alle diese Anforderungen, die sich in den nächsten Wochen fortgesetzt steigern werden, die größer sein werden, als es der gegenwärtige Zustand der Staatseisenbahnen er⸗ laubt, müssen einigermaßen befriedigt werden.

«Da bleibt keine andere Möglichkeit übrig, als den Personen⸗ verkehr in dem Maße einzuschränken, wie es für die Beförderung der Güter notwendig ist. Da nun die gegenwärtige Stockung im Osten entstanden ist und sich auf den Osten bezieht, war es ganz selbstverständlich, daß wir den Personenverkehr im Osten einschränken mußten. (Rufe rechts: Aber nicht vollständig einstellen) Ja, wenn wir den Schnellzugverkehr nicht vollständig einstellen, so er=

2 X

reichen wir mit dieser Maßnahme nicht das, was wir erreichen müssen.