arbeiten, weil sie aus der Verelendung und Verzweiflung der Das Ministerium ohne Ressort, das für gewöhnliche Zeiten allerdings
Arbeiterschaft etwas erhoffen. Und in einer der letzten Nummern der Roten Fahne“ heißt es aus— drücklich:
Die Unrentabilität des tapitalistischen Betriebes ist unsere Hoffnung,
die Sabotage der Produktion unsere Parole. (Hört! hört! bei den Mehrheitsparteien Solche Ideen werden unter den Arbeitern verbreitet, sie werden aufgefordert, in den Be⸗ trieben passive Resisten;z zu üben und recht wenig zu arbeiten, um das Unternehmen auf die Weise zugrunde zu richten. Angesichts dieser Zustände würde die Regierung geradezu ihre Pflicht vernach lässigen, wenn sie nicht energisch gegen die Drückeberger einschritte, damit sie ihrer gesetzlichen Pflicht zur Leistung ordentlicher Arbeit nachkommen. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien und rechts.) Ich weiß, daß ich die gesunddenkende Arbeiterschaft; voll⸗ kommen hinter mir habe (sehr wahr! bei den Sozialdemo⸗ kraten) wenn ich hier mit aller Macht gegen solche Ten⸗ denzen und Agitationen einschreite. (Lebhafte Zustimmung.) Hier handelt es sich um die Notwehr der Gesellschaft (sehr wahr! bei den Deutschen Demokraten) und dieser Gesellschaft gehören die Arbeiter zu neun Zehnteln an. Wird unser Wirtschaftsleben zu— grunde gerichtet, dann leiden die Arbeiter am meisten darunter (sehr richtig: bei den Sozialdemokraten), und deshalb ist es ein Akt der Notwehr, wenn man diese kommunistischen Drückeberger an den Kragen nimmt und einstweilen unschädlich macht. (Heiterkeit und sehr gut! bei den Mehrheitsparteien.)
Nun ist es allerdings außerordentlich schwierig, wieder Ord⸗ nung im Lande herbeizuführen, um so mehr, als nicht nur die Kommunisten das Ziel verfolgen, unser Wirlschaftsleben in Unordnung zu bringen und vor allen Dingen die Autorität der Re⸗ gierung immer mehr zu schwächen, sondern dieses Bestreben findet häufig auch in Kreisen, die weit rechts stehen, weitestgehende Unterstützung und Förderung. Es war ja ein Redner der Rechten, der selbst hier erklärte, daß diese Regierung keine Autorität verdiene. Dabei verdankt der gute err es doch nur der Autorität der Re⸗ gierung, wenn er immer noch frei herumläuft (sehr gut) und hier sein Mandat ausüben kann. Sonst wäre es ihm wahrscheinlich längst so gegangen wie den Münchener Geiseln. (Lebhafte Zurufe rechts: Waren es nicht die Offiziere, die Ordnung geschaffen haben?) — Geehrte Herren, da sind sie durchaus im Irrtum! Wer war es denn, da sich der größten Gefahr ausgesetzt hat? (Rufe rechts: Haben Sie nicht die Offiziere aus dem ‚Vorwärts“ herausgehauen?!) — Ihre Offi⸗ ziere waren zunächst so furchtbar verängstigt und ins Bockshorn gejagt, daß man keine finden konnte! — Wer war es denn, der zunächst einmal in der Zeit der großen Gefahr, als es geradezu aussab, als ob wir in einem Tollhaus lebten, und jeder der irgendwo aus einem Irren⸗ hause entsprungen war, als Führer mit Waffen in der Hand auftrat un durch die Straßen zog, wer war es da, der die Geschichte zu meistern suchte und einigermaßen Ordnung unter Einsetzung der eigenen Person zu schaffen suchte? Das waren die so verlästerten Scheidemann, Ebert und Noske, das waren diejenigen, die der wilden Flut sich entgegenwarfen und erst langsam die Leute gesammelt haben. Es hat schwere Mühe gekostet, sie zusammenzubekommen;
denn daß die paar Dutzend Mann nicht die Ordnung herstellen konnten, liegt klar auf der Hand. Und wenn sie die ganze Organi⸗ sation aufgebaut haben, natürlich unter Mitwirkung der Offiziere, die politisch auf ihrer Selte standen — so einsichtig waren die Leute,
weil es darauf ankam, die gesamte Gesellschaft zu retten —, da hatte natürlich das Parleiinteresse zurückzustehen. Aber dieses Partei⸗ nteresse führt jetzt Anhänger jener Partei dazu, Vorwürfe zu er⸗ heben und die Dinge in einer Weise darzustellen, die sich nicht recht⸗ fertigen läßt, die ebenso sehr dem parteipolitischen Agitationsbedürfnis entspricht, wie das von seiten des Herrn Abg. Henke geschieht. (Sehr richtig Wenn Sie selbst kein Wort zur Abwehr dagegen finden, daß man die Mitglieder der Regierung unter dem stürmischen Beifall Ihrer Parteigenossen als Verbrechergesindel bezeichnet, so beweist das nur, daß der politische Ton und Anstand auf einen solchen Tiefstand gesunken ist, wie er tiefer nicht sinken kann. (Lebhafter Beifall.)
Nach dem Abg. Dr. Heinze (Deutsche Volksp.), nahmen der Reichsjustizminister Schiffer und der Reichsminister Dr. David das Wort, deren Erklärungen, wie folgt, lauteten:
Reichsminister Sch if fer: Es ist das gute Recht des Herrn Abgeord⸗ neten Dr. Heinze, den Handschuh, der ihm zugeworfen war, aufzunehmen und den Angriff des Abgeordneten Freiherrn v. Richthofen gegen seine Partei zurückzuweisen. Aber ich kann nicht anerkennen, daß diese Zurückweisung sich in den Grenzen des Sachlichen oder auch nur des Zulässigen ge⸗ halten hat. (Oho! bei der Deutschen Volkspartei. — Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) Ich bedaure das umsomehr, als ich den Herren Abgeordneten Dr. Heinze als einen überaus loyalen, ruhigen und besonnenen Politiker kenne. Wie weit ist es gekommen, wenn ein solcher Mann in der Abwehr eines Angriffs sich dazu hin⸗ reißen läßt, einer Partet vorzuwerfen, daß sie neue Posten schaffe, um ihre Mitglieder unterzubringen. Das ist ein Vorwurf, der geradezu politisch verletzend ist. Der Herr Abgeordnete Dr. Heinze hatte das Recht, die Schaffung der beiden Ministerposten zu bemängeln; er kann der Ansicht sein, daß sie nicht notwendig und nicht nützlich sind. Er darf aber nicht unterstellen, daß diese Ministerposten von der Partei und für sie geschaffen worden sind, um ihre Leute zu versorgen. Das ist eine Unterstellung von Motiven, die wir zurückweisen. (Lebhafter Beifall bei den Deutschen Demokraten. Ich kann dem Herrn Abgeordneten Dr. Heinze nur sagen, daß gerade diese Frage der beiden neuen Ministerstellen bei den Verhandlungen über den Eintritt in die Regierung eine außerordentlich große Rolle gespielt hat, weil wir grundsätzlich gegen jede nicht unumgänglich notwendige Neubildung von Amtern sind und aufs gewissenhafteste prüfen, ob wir uns überhaupt dazu veranlaßt sehen sollen. Wir haben diese Frage besonders genau geprüft, um selbst den Schein zu vermeiden, als wollten wir das auch von uns als durchaus ungesund empfundene Prinzip in unser Staatswesen einführen, Stellen für Menschen zu schaffen.
Rein objektiv liegt die Sache so, daß die Schaffung dieser neuen Stellen durchaus zu verantworten ist. Wir haben uns bei der von uns angestellten Prüfung davon überzeugen müssen, daß diese Stellen nötig sind. Es handelt sich dabei um zwei Stellen, um ein Ministerium ohne Ressort und um ein Ministerium
für die Durchführung der wirtschaftlichen Friedensbedingungen. nach Möglichkeit zu vermeiden wäre, ist in dieser Zeit unumgänglich notwendig, weil in jedem Augenblick soviel neue riesenhafte Aufgaben eintreten, daß sie im Nahmen der gewöhnlichen Ressorts nicht zu lösen sind. Schon das Verhältnis zum Parlament, das auf der par— lamentarischen Grundlage völlig neu geregelt werden muß, schafft dauernd andere und stärkere Beziehungen zwischen Regierung und Volksvertretung als früher. Schon dieses neue parlamentarische Re⸗ gime verlangt, daß sich eine Persönlichkeit der Pflege dieser Be⸗ ziehungen widmet, damit der Gang der Geschäfte ruhig und fest auf der parlamentarischen Grundlage sich vollzieht. Das Ihnen vielleicht besonders naheliegende Verhältnis zu den Bundesstaaten ferner ist in dieser Zeit, wo die Grenzen zwischen Bundesstaaten und Reich noch immer sehr flüssig sind, wo die Bundesstaaten das größte Interesse haben, dauernd auf direktestem Wege mit dem Reich zu ver⸗ kehren, auch dieses Verhältnis verlangen eine Kraft, die möglichst uneingeschränkt sich einheitlich mit diesen Dingen beschäftigt. Es geht nicht an, daß alle diese Dinge nur vom Ressort des Reichs zu den bundesstaatlichen Ressorts gehen. Dazu ist heute vielfach gar keine Zeit. Es muß jemand da sein, der die Gesamtheit der Verhältnisse übersieht und in einem inneren Zusammenhang mit den Bundesstaaten das Verhältnis von Reich und Bundesstaaten, das doch augenblicklich vielfach überaus schwankend ist, zu einer gesunden Grundlage unserer ganzen Politik macht. Wer da weiß, welche Schwierigkeiten früher schon der außer⸗ ordentlich verzwickte Mechanismus des Reichs mit Bundesrat, Reichs⸗ tag und Regierung darbot, wird es ermessen, wie schwer diese Auf— gaben jetzt sind, und wie notwendig es ist, hier Kräfte bereitzustellen, damit es nicht vorkommt, daß dreimal der Reichsrat ohne Vorsitzenden war und in die Verhandlungen nicht eintreten konnte — ohne eine Schuld der Ressortminister, die sämtltch überlastet sind, sondern lediglich weil jemand fehlte, der für diese Dinge sorgt und sich zur Verfügung hält.
Dazu kommen jeden Augenblick neue Aufgaben, neue Anforderungen der Entente, neue Verwirrungen, wie sie durch die wirtschaftlichen Zustände in den besetzten Gebieten entstehen, die außerordentlichen Aufgaben, die durch die Rückwanderung der Kolonial- und Auslandsdeutschen und der Deutschen aus den besetzten und dem annektierten Gebiete sich ergeben, daß alles und vieles andere paßt nicht in den Rahmen der Einzelressorts. Das will und muß oft in wenigen Stunden erledigt werden. Sie werden gehört haben, wie jetzt von den Rückwanderern die Depeschen kommen, daß sie nicht wissen, was sie machen sollen und ratlos an der Grenze liegen. Da ist mit den vorhandenen Beamtenkräften nichts zu machen. Für so außergewöhnliche Zustände müssen außergewöhnliche Kräfte herangeholt und außergewöhnliche Einrichtungen geschaffen werden. Deshalb ist es doch ein ebenso schlimmer wie unberechtigter Vorwurf, wenn man so obenhin sagt: das ist offenbar vollkommen überflüssig gewesen, das läßt nur den Schluß zu, daß man um jeden Preis Stellen schaffen wollte.
Was das zweite Ministerium betrifft, das Ministerium zur Durchführung der wirtschaftlichen Friedensbedingungen, so sollte es eigentlich klar sein, daß hier ein so ungeheures Problem auf⸗ zurollen ist, daß es sich durch das Zusammenwirken der Ressorts im gewöhnlichen ressortmäßigen Gange gar nicht lösen läßt. Der Wiederaufbau in Frankreich und Belgien, die Entschädigungen auf den mannigfaltigsten Gebieten für die Kolonial⸗ deutschen und die Auslandsdeutschen, die Abwicklung der Liquidationen, der Wiederaufbau der Handelsflotte, das sind Dinge, die sich kaum in die Ressorts einfügen. Vor allem, das ist das wichtigste und das mußte sich der Herr Abgeordnete Heinze selbst sagen, da hängt vieles unlöslich innerllch zusammen und kann nicht wohl ressortmäßig ge— trennt werden. Wenn es sich darum handelt, das Material für den Wiederaufbau zu schaffen, die Arbeiter dafür anzunehmen, die wirt⸗ schaftlichen Verhältaisse dieser Arbeiter zu regeln, die großen poli⸗ tischen und sozialen Probleme, die neu auftauchen — denken Sie daran, daß die Arbeiter in fremden Landen sind! — in An⸗ griff zu nehmen, die Abmachungen mit den fremden Staaten zu treffen, die Folgen, die für die Valuta und die Finanzen sich ergeben, zu ordnen, die wirtschaftlichen Beziehungen, die darüber hinaus auch zu den Neutralen auftauchen, ins Auge zu fassen, so geht es — übrigens auch schon für unsere Geschäftswelt — nicht an, daß man sechs oder acht Stellen dafür schafft; es muß eine Stelle sein, die das einheitlich abwickelt. Das alles soll in dem Ministerium, das wahrlich keine bloße Dekoration ist, geschehen, und der Mann, der es übernimmt, wird eine Riesenaufgabe zu bewältigen haben. Es würde sehr falsch und unrecht sein, wenn man sagte: du bist eigentlich überflüssig und bloß hineingesetzt, damit man für einen Politiker eine Stelle schafft.
Die Dinge liegen wirklich so offen da, daß ich nur nochmals das Bedauern darüber aussprechen kann, daß man diese ernsten Fragen
in solcher Weise behandelt hat, daß man aus ihnen politisch⸗tendenziöse
Probleme geschaffen hat. Ich weise das namens der Regierung mit
aller Energie zurück.
Diese Art und Weise des Auftretens des sonst von mir hoch⸗ verehrten Herrn Abgeordneten Dr. Heinze steht denn auch in einem scharfen inneren Widerspruch zu der Mahnung, mit der er begonnen und auch zum Schluß sich beschäftigt hat, praktisch zusammen⸗ zuarbeiten, die Unterschiede zurückzustellen, Hand anzulegen zu ge⸗ meinsamem Wirken, um die Not des Vaterlandes zu bewältigen. Dazu muß ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Heinze sagen, daß er uns das nicht unmöglich machen darf. Dann muß er sich hüten vor derartigen Vorwürfen, dann darf er es auch nicht so darstellen, als ob hier eine ganz einseitige Regierung wäre, die die andern von jeder Mitarbeit ausschließt. Vergißt er denn, daß die Duldsamkeit der Regierung so weit geht, daß gerade Parteifreunde von ihm noch jetzt an leitenden politischen Stellen vorhanden sind? (Zurufe rechts: Wo denn?) Haben wir nicht einen Oberpräsidenten — — — (Erregte Zurufe rechts.) Ich frage: Kennen Sie Ihren eigenen Parteifreund Dr. v. Krause nicht? (Andauernde Zwischenrufe rechts.) Ich habe mich versprochen: Kennen Sie Ihren Herrn v. Nichter nicht? (Rufe rechts: Wo sitzt der?! — Von Herrn v. Richter spreche ich! Ist er Oberpräsident von Hannover oder nicht? Haben Sie nicht den Regierungspräsidenten Dr. v. Campe, der Ihr Kandidat gewesen ist? (Lebhafte Zu— stimmung bei den Mehrheitsparteien. — Wiederholte Zwischenrufe rechts) Würde eine Negierung der Rechten es lemals zulassen, daß
ein sozialdemokratischer Oberpräsident oder Regierungspräsident da wäre? Ist das früher vorgekommen? (Sehr gut! bei den Mehrheits— parteien) Ich meine, Mangel an Duldsamkeit ist hier wirklich nicht bor⸗ zuwerfen. Das ist der beste Beweis, der dagegen geführt werden kann. Ich bedaure das auch gar nicht. (Zurufe rechts.) — Sie sagen: Diese Uebergangszeit dauert nicht lange. Verehrter Herr Abgeordneter Schiele, Sie würden auch in einer Uebergangszeit keinen sozialdemokratischen Oberpräsidenten belassen! Dafür haben wir die Erfahrungen der Vergangenheit. Es konnte ja ein Sozialdemokrat nicht mal Nachtwächter werden. (Große Heiterleit Als sach— verständigen Nachtwächter hätte man ihn doch wohl nehmen können! — Aber ich sage, ich bedaure das nicht, und es entspricht durchaus der von mir vertretenen Richtung, die sachlicheu Kräfte der Nation zusammenzufassen, die Parteiunterschiede nach Möglichkeit zurücktreten zu lassen und in praktischem Zusammenwirken in der Tat eine Tätig⸗ keit zu entfalten, die dem ganzen deutschen Volke zugutekommt.
Ich bin durchaus der Meinung, die ich stets vertreten habe, man solle auch die Politik nicht übertreiben; es können weite politische Gebiete neutralisiert werden, auf denen wir zusammenarbeiten können. Die Neigung dafür besteht bei uns. Wir wollen sie betätigen, wie
wir sie — ich habe die Beispiele gezeigt — in geradezu demon
strativer Weise betätigt haben. Wir werden auch in diesem Hause jede Mitarbeit gern und ehrlich annehmen, aber unter einer Voraus— setzung: Sie dürfen sie uns nicht unmöglich machen, indem Sie unsere politische Ehre angreisen, und das geschieht. (Widerspruch rechts — Sie sagen: Nein! Ich nehme an, daß der Zwischenruf von seiten der Deutschen Volkspartei kam. In der „Nationalen Kor—⸗ respondenz“ aber — Sie arbeiten ja noch immer mit dieler Firma, die im Register der Politik gelöscht ist, weil sich in einer Versammlung von ba Leuten 33 zufällig dafür erklärten, die Nationalliberale Partei fort⸗ bestehen zu lassen; ich gehe auf die Sache wirklich nicht ein, die Ge⸗ schichte geht darüber hinweg — in dieser sogenannten Nationalliberalen Korrespondenz“ findet sich ein Bericht über eine Versammlung, in der der Redner ein Mitglied dieses Hauses und Ihrer Partei war. Dieser Herr hat den sonderbaren Mut gehabt, in der Versammlung öffentlich den Deutschen Demotraten jedes Verständnis für deutsche Art und jedes Gefühl für nationale Ehre abzusprechen. (Hört! hört! bei den Deutschen Demokraten.) Soll man nun mit solchem Manne zusammenarbeiten? Ist es dann erlaubt, daß Sie in demselben Augenblick sagen, wir müßten duldsamer sein! (Hört! hört ) Ich bemerke, daß derselbe Herr bei derselben Gelegenheit wieder einmal einen Unterschied gemacht hat zwischen nationalen Parteien und an⸗ deren Parteien, und daß er uns wie auch das Zentrum offenbar zu den nicht nationalen Parteien rechnete. Ich warne Sie, von diesen vergifteten Waffen Gebrauch zu machen. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien.) Sie können sonst etwas erleben. In dieser Zeit, wo Angehörige aller Parteien geblutet und alles eingesetzt und hingegeben haben, nicht in Worten, sondern in Taten, noch darüber zu streiten, wer national ist, und wer nicht national ist, das ist ein Verbrechen und nicht bloß ein politischer Fehler. (Lebhafte Zu—⸗ stimmung.) Deshalb, Herr Abgeordneter Heinze, bedaure ich, Ihrem Rufe nicht in dem Maße Folge geben zu können, wie ich das sonst von ganzem Herzen wünschte. (Lebhaftes Bravo bei den Mehrheits⸗ parteien.)
Reichsminister David: Der Herr Abg. Dr. Heinze hat sich mit einer Rede beschäftigt, die ich in der Nationalversammlung in Weimar gehalten habe über die Frage „Monarchie oder Republik?“ Ich dachte eine ganze Weile, als ich heute zuhörte, und als er entwickelte, daß das monarchistische System die größte Gewähr dafür biete, daß der Fähigste an den ihm zustehenden Platz käme, er wollte sür einen ihm besonders nahestehenden Monarchen, den König von Sachsen, Pro⸗ paganda machen, war aber im höchsten Maße überrascht, als er dann durch eine Wendung zu erkennen gab, daß er sein monarchisches Gefühl seit dem 9. November auch auf Abbruch gesetzt hat. (Sehr richtigl links) Er hat nämlich gemeint, daß man nicht daran denken könne, die Monarchen der einzelnen Länder wieder einzusetzen. (Ab⸗ geordneter Dr. Heinze: Wollen Sie den Fürsten Reuß wieder haben?) — Ich spreche eben vom König von Sachsen, der Ihnen besonders nahestand. Ich meine also, daß, wenn man schon einmal von den sechsundzwanzig Monarchen fünfundzwanzig in den Orkus schickt, man dann eigentlich nicht gut als Vorkämpfer für die Monarchie auftreten kann. Es bleibt also auch für Herrn Abgeord— neten Dr. Heinze — das will ich hier feststellen, das ist politisch wichtig — und für seine Partei von allen monarchischen Posten in Deutschland höchstens noch einer übrig. Es dürfte dann zu einem interessanten Kampf unter den Monarchisten kommen, aus welchem Hause sie sich den einen holen wollen, wenn sie einmal soweit sind, daß sie nicht bloß für das monarchische Prinzip, sondern auch für einen konkreten monarchischen Prätendenten eintreten. Wenn die Fähigkeit entscheidend sein soll, dann weiß ich nicht, ob der, der das größte Land regiert hat, der aus dem Hause Hohenzollern, dann den Preis bekommen wird. Das ist wiederum eine überaus schwierige Frage, die sich da für Sie in Zukunft aufrollen wird. Denn wenn man als den Vorzug des monarchischen Prinzips gegenüber dem repu— blikanischen die Stetheit bezeichnet, so kann man den Begriff Stetheit gewiß nicht anwenden auf die Regierung des letzten Hohenzollern. Diesen Kurs hat man als Zickzackkurs mit viel mehr Recht bezeichnet. Dieses System, dem der Herr Abgeordnete Heinze die Stetheit nach rühmt, begann damit, daß der junge Monarch, als er auf den Thron kam, er den alten Reichskanzler Bismarck entließ. (Sehr richtigh Der Herr Abgeordnete Heinze würde es also schwer dem Volke ver— ständlich machen können, daß durch das monarchische Prinzip eine Ge⸗ währ dafür gegeben sei, daß der Befähigte dorthin käme, und daß durch dieses Prinzip Stetheit in die Politik getragen würde. An— gesichts der historischen Tatsache, daß das monarchische Prinzip in Deuischland einen ausgesprochen unfähigen Monarchen an die erste Stelle gebracht hatte, und daß seine Regierung das Stigma der Un— stetigkeit im höchsten Maße verdiente.
Nun hat der Herr Abgeordnete Dr. Heinze gemeint: Ja, aber die Monarchie hat das deutsche Volk zur höchsten Blüßle gebracht. (Sehr richtig! rechts) Das deutsche Volk wird antworten, daß die Monarchie es ins tiefste Elend hineingestürzt hat. (Tebhafte Zu— stimmung bei den Mehrheitsparteien. — Stürmische Zurufe rechts: Daran sind Sie allein schuldꝰ — Regen Sie sich nicht auf, meine Herren, wönn ich eine nunmehr historisch feststehende Tatsache hier
ausspreche. (Erneute Zurufe rechts) Also die Monarchie hat da
beutscke Volt in das tiefste Elend bineingestürzt, und deshalb ist es, alaube ick, auesich lélcs, Herr Abgeordneter Heinze, wenn Sie ver— uchen wollen, das deutscke Volk in seiner Mehrheit wieder für die bonarchie zu gewinnen. Wenn Sie gegen die gegemwärtige Re— gierung den Vorwurf richten, daß sie nicht über genügend Fähigkeiten erfüge, so gleube ich, daß die jetzige Regierung den Vergleich mit bem alten System wohl aushalten kann. (Lebhafter Widerspruch und Lecken reckts.) Vor kurzem sind in Wien Dokumente aus der Vorgeschichte des Krieges veröffentlicht worden, namentlich über die Vorgänge um das Ultimatum. Da ist nur ein Schrei des Erstaunens urch das deutsche Volk gegangen (Zuruf von den Deutschen Demo— kraten: Des Entsetzens), ein Schrei des Erstaunens darüber, welches Maß von Unfähigkeit in Berlin geherrscht haben muß, wenn das horkommen konnte. (Stürmische Zustimmung bei den Mehrheits— parteien) Dieses Urteil werden Sie (nach rechts) nicht auslöschen. Meine Herren, wir sind auch noch nicht am Ende der Veröffentlichung bon Dokumenten, und es wird sich zeigen, daß die Monarchie ein System ist, daß Männer an die erste, leitende Stelle hringt, deren nfähigkeit bis an die Grenze des Pathologischen geht. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitspartein. — Zurufe rechts: Die De— okratie noch mehr Dieser Beweis wird noch dokumentarisch er— öhracht werden, und darum, meine Herren, seien Sie nicht so unvorsichtig, gorher noch Dithyramben auf das monarchische System und auf Mo⸗— archen zu halten. (Læebhafter Beifall bei den Mehrheitsparteien.)
—
96. Sitzung vom 11. Oktober 1919.
Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.) Am Regierungstische der Reichsminister Dr. Bell. Präsident Fehrenbach eröffnet die Sitzung um
r, Uhr.
Die zweite Beratung des Reichshaushalts⸗ dlans für 1919 wird bei dem Haushalt des Reichs⸗ olonialministeriums fortgesetzt.
Berichterstatter Abg. Nacken Gentr: In der Kommission burde von allen Rednern dem Schmerz und dem Bedauern über den Verlust unserer herrlichen Kolonien Ausdruch gegeben. (SZustimmung.) Sch möchte auch von dieser Stelle aus 3 gi Ausdruck geben. Wir haben jetzt den Etat eines aussterbenden Ministeriums lu beraten. Die Etats der Schutzgebiete sind schon fortgefallen. Die Ausgaben für die Abwicklung der Schutzgebietsberwaltungen finden ich im u,, . Etat des Kolonialministeriums. . stehen bor einer Liquidationsmasse. Im Volke wird vielfach angenommen, daß mit dem Verlust der Kolonien auch das Kolonialamt fortfalle. Aber das ist irrig, denn das Amt hat noch eine Reihe neuer Aufgaben, die die Mitwirkung bei der Durchführung des Friedensvertrages, die mch, der Auslandsdeutschen usn. Von 1913 bis 1918 hat eine Rechnungslegung der Schutzgebiete nicht stattfinden können, es st alles durch den Kriegsfonds gegangen. Jetzt müssen wir die Ver⸗ valtungen der Schutzgebiete möglichst bald abwickeln. Dabei wurde m ,,. ausgesprochen, deß es Pflicht der Regierung 6 die
olonialbeamten. in anderen Behörden unterzubringen, z. B. bei i , , nn, Haushalts des Kolonialministeriums. k
Reichskolonialminister Dr. Bell: Meine Damen und Herren! ie werden es dem nach menschlichem Ermessen für absehbare Zeit letzten Leiter des Reichskolonialministeriums nachfühlen können, daß er gerade heuer mit besonders bitteren Empfindungen und herbem Schmerz seinen Etat vor dem Reichstag vertritt. Kein Amt ist durch den unglückseligen Friedensvertrog, der uns von der Entente auf⸗ gezwungen worden ist, schwerer getroffen worden als das Reichs— kolonialamt. (Sehr wahr) Der Verlust unserer Kolonien wird natur⸗ notwendig in naher Zeit auch das Reichskolonialministerium tödlich treffen. Das ist um so bedauerlicher, als gerade dieses Amt eine tesonders ehrenvolle Vergangenheit hat, wenn es auch gewiß manchen harten Strauß im Reichstage ausstehen mußte.
Der Herr Berichterstatter hat bereits zutreffend darauf hin— gewiesen, daß der Verlust unserer Kolonien nicht die sofortige Auf— lösung des Reichskolonialministeriums zur Folge haben könne. Die entgegenge etzte Auffassung ist leider weiter verbreitet, als man bei sichtiger Würdigung der obwaltenden Verhältnisse annehmen sollte.
chon der Vergleich mit irgendeinem Privatbetriebe, einer
Handelsgesellschaft, die in Liquidation geralen ist, sollte zu der Schluß=
folgerung führen, daß auch das Reichskolonialministerium nicht von
he ie auf morgen zum Abschluß gebracht werden kann. Wenn schon ine in Liquidation geratene Handelsgesellschaft einen geraumen Zeit hunkt und einen beträchtlichen Beamtbenghpavat erfordert, um die
Diquidation durchzuführen, dann wird das erst recht der Fall sein
üssen bei einem so ausgedehnten öffentlichen Betriebe wie dem mit
. Abteilungen ausgestatteten Kolonialministerium, das zur Be⸗
ältigung der ihm obliegenden Geschäfte über einen sehr großen Be—
umtenapparat verfügt und dem insbesondere auch die Schutztruppen interstellt waren.
Meine Damen und Herren, die Aufgäben des Reichskolonial—⸗
ninisteriums seit dem Verluste unserer Kolonien erschöpfen sich keines
vegs etwa in der Liquidation des Ministeriums. Wäre uns nur diese Aufgabe zugewiesen, so würden wir ihrer in wenigen Wechen sHerr werden. Aber weit darüber hinaus, wie der Herr Bericht— statter schon angedeutet hat, erstreckt sich der Aufgabenkreis dieses
Eiquidationsamtes. Die Aufgaben kann ich in 5 Kreise zusammen—⸗
assen: Zunächst die Ausführung des Friedensvertrages, ferner die
Aibwickelung der Verwaltungen sämtlicher Schutzgebiete, weiter die
bwickelung der Finanzgeschäfte der Schutzgebiete für die ganze Kriegs- heit, sodann die Abrechnung mit den aus den Schutzgebieten zurück— fehrenden Beamten⸗ und Schutztruppe nangehörigen, deren Zahl sich nuf über 3009 beläuft, und endlich die Vorbereitung der Entschädigung der Kolonialdeutschen.
Daß diese Abwicksung umfangreicher Geschäfte einen am gemessenen Zeitraum und einen enisprechenden Beamtenapparat er— fordert, werden Sie ohne weiteres begreiflich finden. Dabei glaube ch aber dem Reichstage die Versicherung geben zu sollen, die ich dereits im Hauptausschuß zum Ausdrucke gebracht habe, daß es die Aufgabe des Reichskolonialministeriums und seines Leiters ist, die iquidation schon mit Rücksicht auf die gebotene Sparsamkeit mit aller Beschleunigung durchzuführen. Wir werden dabei auch, was die Zur— dispositionsstellung von Beamten, so schmerzlich sie gewiß ist, anlangt, ns nur von sachlichen Erwägungen leiten lassen. In diesem Zu—⸗ ammenhang kann ich allerdings den schon vom Herrn Berichterstatter serdorgehebenen Gedanken nicht unausgesprocken lassen, daß es die Shrenpflicht des Reicht kolonzalministeriums ist, für diejenigen Be⸗
verträglich ist.
führenden Abbaus leider nicht mehr verwerlet werden kõnnen, für ander⸗ weitige Unterbringung nach Möglichkeit zu sorgen. Der verantwortliche deiter des Reichskolonialministerums ist sich dieser Chrenpflicht in vollem Umfange bewußt, und er wird nach wie vor in diesem Sinne tätig bleiben. (Bravo) Auf Veranlassung des Reichskolonialministe— riums ist bereits eine besondere Stelle im Neichsministerium des Innern errichtet worden, deren Aufgabe es ist, für die Unterbringung derjenigen Beamten und Angestellten zu sorgen, deren weitere Beschäftigung in ihrem bisherigen Amt durch Auflösung der Behörde unmöglich ge⸗ worden ist. Wir werden diese Beamten derart unterzubringen bemüht bleiben, daß die neue Anstellung ihren Fähigkeiten, Kenntnissen und praktischen Erfahrungen möglichst entspricht. Auch von dieser Stelle aus möchte ich nicht unterlassen, was ich bereits schriftlich und münd— lich wiederholt getan habe, an alle in Betracht kommenden Reiche— ressorts die dringende Bitte zu richten, bei Neuanstellung von Be— amten und namentlich auch bei der Neubildung von Aemtern und Ressorts in erster Linie auf unsere Kolonialbeamten Rücksicht zu nehmen. (Sehr guth Ich kann das aus gewissenhafter Ueberzeugung um so eher tun und namentlich auch im Reichsinteresse um so mehr verantworten, als ich aus der gesamten Zeit meiner Leitung des Reichskolonialministeriums genau weiß, daß es sich hier um einen ebenso tüchtigen wie geschulten und zuverlässigen Beamtenkörper handelt. Wenn es im allgemeinen die Verpflichtung des Reichs ist, für diejenigen Beamten zu sorgen, die aͤnfolge der Auflösung des Amtes dort nicht mehr tätig sein können, dann dürfte das an erster Stelle gerade für die Beamten des Reichskolonialministerjums zur Geltung kommen. Das ist um dessentwillen in erhöhtem Maße der Fall, weil die Beamten des Reichskolonialministeriums zum weitaus größten Teil in den Kolonien selbst tätig gewesen sind und dort trotz der kli⸗ matischen Einflüsse und unter Ueberwindung vielfacher Schwierigkeiten mit Eifer und Erfolg für das Reich gearbeitet haben. Diese ihre treue Tätigreit, für die ich ihnen an dieser Stelle aufrichtig danke, ver⸗ dient eine entsprechende Anerkennung durch das Reich.
Meine Damen und Herren! Wenn ich aus dem Aufgabenkreise des Neichskolonlahministerlums nur zwei Arbeitsgebiete heute heraus— greife, so geschieht es um dessentwillen, weil im übrigen der Vortrag des Herrn Berichterstatters erschöpfend war und ein getreues Spiegel- bild über die ausgiebigen Verhandlungen des Hauptausschusses gab.
Es wird zunächst die Aufgabe des Reichskolonialministeriums sein,
die Durchführung des Gesetzes betreffs der Liquidationsschäden herbei= zuführen. Dem Reichstage dürfte bekannt sein, daß nach dem Friedens vertvage, der ja unsere Kolonien und besonde rs auch die Kolonial⸗ deutschen so überaus hart und ungerecht getroffen hat, die neuen Be⸗ sitzer unserer Kolonien berechtigt sind, alles deutsche Eigentum zu liquidie ren. Umgekehrt legt der Friedensvertrag Deutschland die Ver⸗ pflichtung auf, die betnoffenen Personen schadlos zu halten. In Aus⸗ führung des Friedensvertrages ist bereits ein Gesetz verabschiedet worden, das diese Liquidationsschäden betrifft. Die Abwickelung der aus diesem Gesetz zu befriedigenden Ansprüche liegt dem Reichskolonial⸗ ministerium ob, und Sie werden es begreiflich finden, daß bei der be= trächtlichen Anzahl sehr verwöickelter Ansprüche damit eine zeitraubende und mühevolle Arbeit verknüpft ist. Außerdem aber ist die Vergütung der eigentlichen Kriegsschäden an die Kolonialdeutschen beabsichtigt. Sie wissen, in welch schwever Weise die Kollonialdeutschen durch den ver⸗ lorenen Krieg an ihrer Habe betroffen worden sind. Sie erinnern sich auch, daß der Reichstag bereits im Verlaufe des Krieges, und zwar schon vor mehreren Jahren, die Einbringung eines Gesetzes zur Ent⸗ schädigung der Kolonialdeutschen in Aussicht genommen hat.
In den Kreisen der Kolonialdeutschen ist nach den Mitteilungen aus der Presse und nach sonstigen an uns gelangten Nachrichten eine weitgehende Beunruhigung darüber eingetreten, ob und in welchem Umfang das Reich seiner Verpflichtung zur Schadloshaltung mach— kommen werde. Ich glaube, unsere Kolonialdeutschen, die einen berech- tigten Anspruch auf Schadloshaltung haben, darüber beruhigen zu können. Nach eingehenden und gründlichen Vorberatungen, die im Reichs kolonialministerium stattgefunden haben, ist ein Gesetzentwurf über die Entschädigung der Kolonigldeutschen fertiggestellt worden. Dieser Gesetzentwurf wird die Nationalversammlung voraussichtlich in nächster Zeit beschäftigen. Er gehört zu denjenigen Vorlagen, die nach Auffassung der Neichsregierung als dringlich gelten und der baldigen Verabschiedung durch die Nationalversammlung harren. Gewiß werden wir bei Verabschiedung dieses Gesetzes auf die überaus twaurige Finanzlage des Reichs die nötige Rücksicht nehmen müssen. Unter
dem schmerglichen Drucke dieser Notlage verkennen wir keineswegs, daß mit Einbringung und Durchführung des kolonialen Entschädigumgs⸗
gesetzes manche Enttäuschung Beschädigter unausbleiblich verknüpft sein wird. Aber das glaube ich zusichern zu können, daß wir bei Fest⸗
legung des Gesetzentwurfs die Schäden der Kolonialdeutschen unter
sorgsamer Abwägung aller in Betracht kommenden Verhältnisse soweit auszugleichen bestrebt waren, als dies mit der Finanzlage irgendwie Wir werden dem Reichstage nach Einbringung des kolonialen Entschädigungsgesetzes nähere Auskunft über alle Einzel- vorschriften geben. Ich knüpfe daran die Hoffnung, daß die Befürch⸗ tungen der Kolonialdeutschen, sie würden vom Reiche im Stich ge⸗ lassen werden, durch men ne Erklärung ausgeräumt werden möchten. Meine Damen und Herren! Ich hatte bei Darlegung der Auf⸗ gaben, die dem Reichskolonialministerium in Liquidation noch bevor⸗ stehen, auf die Ausführung des Friedensvertrags vemwwiesen. Nur ungern — was Sie ohne weiteres begreifen werden — komme ich auf biesen Friedensvertrag zurück. Er ruft in uns gewiß überaus bittere und schmergliche Erinnerungen wach. Ich habe auch bereits in Weimar bei Gelegenheit einer Aussprache über die kolonialen An sprüche in der Nationalversammlung mich eingehend mit der Frage be⸗ schäftigt, ob und wieweit etwa die gegon ums von der Entente in bezug auf unsere Kolonialgebarung gerichteten Vomwürfe berechtigt seien. Ich kann auf die damaligen Verhandlungen verweisen und würde nicht darauf zurückkommen, wenn nicht ein besonderer Anlaß dies nötig machte. Sie werden sich erinnern, daß die gewaltsame Wegnahme unserer Kolonlen nicht etwa vom Machtstandvunkte damit begründet worden ist, daß der Sieger das Recht habe, über das Land des Be⸗ siegten zu verfügen, sondern unter dem Deckmantel des Rechts und der Gerechtigkeit ist der unleugbare Kolonialraub mit dem Schein⸗ grund verschleiert worden, daß wir durch unsere gesamte koloniale Gebarung, insbesondere durch unsete Eingeborenenpolltik den An—
spruch auf kolonisatorische Tätigkeit auf die nur den Kulturnationen
gebührende zivilisatorische Mitarbeit bauernd verwirkt hätten. Meine Damen und Herren! Gegen diesen ungeheuerlichen, aber zugleich
mmten, die im Kolonialministerium wegen des unverzüglich durchzu ⸗
bärchaus ungerechten Vompurf müssen wir hom Standpunkt unserer
nationalen Ehre aus mit aller Entschicdenbeit Protest einlegen, (45 hafte Zustimmung.)
Dieser Vomwurf ist auch nach Abschluß des Friedensvertrages von dem französischen Kolonialminister Simen wiederbolt worden. Er hat jüngst in der Deputiertenkammer erklärt, daß die Allüerten bei der Verjagung der Deutschen aus ihren Kolonien gegenũber der miß⸗ handelten Bevölkerung ihre Pflicht als Beschützer erfüllten. Der Minister Simon hat in kieser Rede auch den deutscken Kolonial. terror besonders hervorheben zu sollen geglaubt und dann an die Massakers unter den Hereros mit dem Hinzufügen erinnert: Ich brauche nicht die deutschen Methoden in Kolonien hevorzuheben. Es genügt, die Methoden anzusehen, die die Deutschen in den be— setzten Gebieten angewandt haben, denn es sind dieselben. Eigenartiger⸗ weise ist der Herr Kolonialminister Simon in dieser Rede auch darauf zu sprechen gekommen, daß die großen TLandstriche von Togo und Kamerun, die Frankreich erhalte, für Dahome und den gongo von großem Werte seien. Ich glaube, diese wirtschaftlichen und finanziellen Erwägungen waren nach seiner eigenen Ueberzeugung durchschlagender als seine von der hohen Warte der Moral und des Rechts Men⸗ scheinig vorgabrachte Begründung des Raubes deutschen Kolonial⸗ besitzes. (Sehr richtig) Im übrigen möchte ich an dieser Stelle nicht noch einmal heworheben, wie schwer gegen das Wisschonsche Programm, daß als Grundlage des Frieden wertrags ausdrücklich vereinbart worden war, durch die Alliierten verstoßen worden ist, und wie rücksichtslos namentlich der Punkt 5, wonach eine freie, auf⸗ richtige und unbedingt umparteiische Schlichtung aller kolonialen An- sPrüche erfolgen sollte, beiseite geschoben worden ist. Aber meine Damen und Herren, angesichts dieser in der französischen Deputierten⸗ kammer erneut erhobenen Vorwürfe, daß wir die Wegnahme deutschen Kolonialbesitzes durch unsere brutale Eingeborenenpolitik verdient hätten, und daß win dauernd auszuschalten seien aus dem KRreise der Zivilisation und Kolonialpolitik betreibenden Völker, darf ich zunächst darauf verweisen, daß in der nämlichen Sitzung der französischen Deyutiertenkammer der Abgeordnete Ernest Lafont im Namen der sozialistischen Kammerfraktion felgende Erklärung verlesen hat:
Durch die Aufteilung der deutschen Kolonien, die unter dem Deck⸗ mantel eines Mandats des Völkerbundes vollzogen worden ist, beraube man Deutschland kostbarer Absatzquellen und unumgänglich nötiger Rohstoffbezugsquellen und zwar in demselben Augenblick, in dem man alle finanzielle Hoffnungen des Friedensvertnags auf die Entfaltung seines materiellen Aufschwungs setze. Das sei ein schlechtes Geschäft und eine schlechte Handlung zugleich. Leider haben diese sehr verständigen und der Sachlage entsprechenden Ausführungen des Abgeordneten Labont ihre Wirkung auf die fran— zösische Deputiertenkammer verfehlt, obgleich der nämliche Grund gedanke in einer Reihe von hochbeachtlichen Kundgebungen und Presse⸗ äußerungen neutraler Länder wiedergeklungen ist.
Indessen, meine Damen und Herren, wir sind gegenüber der ununterbrochen fortgesetzten systematischen Irreführung der öffentlichen Meinung und namentlich gegenüber den mit bodenlosen Beschuldigungen verknüpften Tendenzen, die Notlage des der feindlichen Umbermacht nach vierjährigem ehrenvollen Kampfe schließlich erlegenen deutschen Volks durch seine Ausstoßung aus den Kulturnationen auszunutzen, in der Lage und es zu unserer Ehrenrettung uns selbst schuldig, uns außer bedeutsamen Auslassungen des Auslands auf die klassischsten Zeugen für vrsere Eingeborenenpolitik, nämlich auf die Eingeborenen selbst zu derufen. Die Tatsache darf ich als bekannt voraussetzen, wenngleich sie geflissentlich hon gewissen Kreisen des gegnerischen Auslandes ver⸗ schwiegen worden ist, daß die nämlichen Eingeborenen, die wir nach Angabe der Entente so mißhandelt haben sollen, uns im Kriege bis zum letzten Augenblicke treu geblieben sind. (Hört, hört! und sehr wahr! im Zentrum.)
Wie wäre es mit der uns zur Last gelegten schlechten Eingeborenen politik, einer solch brutalen Mißhandlung der Eingeborenen in Ein⸗ klang zu bringen, wenn diese nämlichen Eingeborenen, die doch im
Laufe der Zeit erkennen mußten, daß sie für eine verlorene Sache kämpften, trotzdem sich opferwillig unter die deutschen Fahnen gestellt und die deutschen Schutztruppen gegenüber dem Feinde aufs nachdrück⸗ lichste unterstützt haben? (Sehr wahr! im Zentrum) Das gilt von allen in Betracht kommenden Kolonien, es gilt von Dstafrika, es gilt auch von Südwestafrika, und es gilt nicht an letzter Stelle von Kamerun. Die opfermutige und erfolgreiche Hilfe, die besonders unsere ostafrikanische Heldenschar unter der trefflichen Führung des Generals von Lettow⸗Vorbeck fand, hat die gerechte Bewunderung der ganzen Welt erregt.
In den letzten Tagen sind mir von zuständiger Stelle aus Kamerun Mitteilungen gemacht worden, die in ihren Einzelheiten auch mir neu gewesen sind und die mir so beachtlich erscheinen, daß ich sie heute der breitesten Oeffentlichkeit misteilen möchte. Wenn die Franzosen und wenn auch andere Kreise der Entente immer noch versuchen, nicht nur im Parlament, sondern auch in ihren Preßorganen zur Beeinflussung der gesamten Oeffentlichkeit und insbesondere der Neutralen Stimmung zu machen gegen uns durch Schauerberichte über unsere Behandlung der Ein⸗ geborenen, so möchte ich demgegenüber im Anschluß an meine früheren Darlegungen über unsere Eingeborenenpolitik in Ostafrika, in Süd⸗ westafrika und in den anderen Kolonien ganz besonders auf Vorgänge verweisen, die sich während des Krieges in Kamerun abgespielt haben. Dabei glaube ich dorweg zur Illustration der von der Entente gegen uns erhobenen Vorwürfe noch darauf hinweisen zu sollen, daß eine Reihe sehr beachtlicher Zeugnisse aus den Kreisen der Entente sich ge= funden hat, die in ihrer Zusammenstellung ein ganz anderes Ergebnis über unsere Eingeborenenpolitik in den deutschen Kolonien bringen, als es in der offiziellen Begründung des Kolonialraubes durch die Entente heute noch lautet., (Hört, hört) im Zentrum und bei den Demokraten.
Bekanntlich sind schon während des Krieges und dann nach Abschluß des Waffenstillstandes mehrere Schriftstücke teils offiziellen, teils offiziösen Charakters von der Entente ausgegeben worden, um schon beizeiten den bevorstehenden Raub unserer Kolonien zu recht. fertigen. Diese Schriftstücke haben unverzüglich die Beantwortung des deutschen Reichskolonialamts gefunden. Wir haben in mehreren Denk- schriften uns einerseits über die deutsche Eingeborenenpolitik, dann aber auch über französische und englische Eingeborenenbehand⸗ lung ausgelassen. Diese ausführlichen Denkschriften, die überall ein⸗ wandfreie Zeugnisse unparteiischer Kenner der Verhältnisse, und zwar vornehmlich auch hervorragender französischer, amerikanischer und eng lischer Fachkenner von anerkanntem Rufe enthalten, sind von uns der
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Entente und insbesondere auch dem Herrn Präsidenten Wilson über⸗