— Auf der gestern in Wien zusammengetretenen siebenten Länderkonferenz teilte der Staatekanzler Dr. Renner dem „Korresonden büro“ zufolge mit, daß über die Grund sätze der Verfassung zwischen den beiden Koalitionsparteien Uebereinstimmung erzielt worden sei; die Grundzüge des Ver⸗ fassungsentwurfs würden der Länderkonferenz zu Weihnachten vertraulich zur Kenntnis gebracht werden. DeutschWest⸗ ungarn werde als gleichberechtigtes, selbständiges Land neben die übrigen Länder treten. Der Verfassungsentwurf dürfte in der Früjahrstagung zur ersten, in der Sommer⸗, spätestens Herbsttagung zur zweiten Lesung gelangen. Oester⸗ reich werde als Bundesstaat eingerichtet. Der Staais⸗ sekretär für Volksernährung Löwenfeld⸗Reuß gab sodann ein Bild von der Lage der Ernährung, worauf der Staattz⸗ kanzler die Vertreter der Länder bat, den Forderungen des Ernährungsamts entgegenzutommen. Diese kö daß auch ihre Gebiete unter den traurigen Verhältnissen litten, vnd stellren Absperrungsabsichten in Abrede. Der Staatskanzler bemerkte, die Länder würden ihre hautige Freiheit nicht ver⸗ dienen, wenn sie ihre gegenwärtige Polink nicht änderten, die zur Katastrophe führe, und schlug Maßregeln zur Ernährungs⸗ frage und Wirtschaftsorganisation vor.
Blättermeldungen zufolge wird Dr. Bauer von seinem Amt als Staatssetretär für Sozialisierung zurücktreten. Das Sozialisierungsamt wird mit dem Staatsamt für Handel ver⸗ einigt werden.
Ungarn.
Nach einer Meldung des „Ungarischen Telegraphen⸗ Korre pondenzbüros“ teilt das Budapester rumänische Militärkommando mit, daß die rumänischen Truppen, die westlich der Donau besetzten Gebiete Ungarns geräumt und der ungarischen Armee übergeben haben.
— Die Budapester Abendblätter melden, daß die eng⸗ lische und die amerikanische Gesandtschaft den rumänischen Generalstabechef ersucht haben, Versamm lungen
der sozialdemokratischen, der demokratischen, der republikanischen
und der radikalen Partei nicht zu gestatten.
Großbritannien und Irland.
Das „Reutersche Büro“ meldet vom 10. Oktober, daß der König den Friedensvertrag ratifiziert hat und daß die Urkunde nach Paris abgesandt worden ist.
Dasselbe Büro erfährt, daß der Admiral Beatty als Nachfolger von Roßlyn Nenths zum ersten Seelord ernannt werden wird.
— Der Premierminister Lloyd George hat den Ab⸗ ordnungen der Gewerkschaftsverbände auf ihre Forderung nach Verstaatlichung der Bengwerke einem Amsterdamer Preßbüro zufolge erklärt, die Regterung könne die Verstaat⸗ lichung nicht in Erwägung ziehen. In Arbeiterkreisen wird diese Antwort als ungenügend angesehen. Die englischen Ge⸗ werkschaften haben beschlessen, einen außerordentlichen Kongreß e nzuberufen, wenn die Regierung auf die Vorschläge des Ge⸗ werkschaftskongresses bezüglich der Verstaatlichung der Berg⸗ werke eine befriedigende Antwort nicht erteilt. Auf diesem Kongreß soll über die Maßnahmen beraten werden, die zu treffen sind, um die Regierung zu zwiugen, dem Ansuchen der Mehrheit des Ausschusses stattzugeben.
— Im nationalen liberalen Klub in London hat eine vom Unterausschuß für auswärtige und koloniale Angelegenheiten einberufene Versammlung stattgefunden, an der die Abge⸗ ordneten der südafrikanischen Eingeborenen, die nach England gesandt worden sind, um gegen die Behandlung der Farbigen zu protestieren, teilnahmen und ihren Standpunkt auseinandersetzten Wie der „Nieuwe Rotterdamsche Courant“ berichtet, teilte ein Eingeborenendelegierter mit, daß, trotzdem die Gesetzgebung den Farbigen verbot, am Kriege teilzunehmen, 94 000 Eingeborene nach den verschiedenen Fronten geschickt worden seien, von denen 4000 gefallen seien. Er legte ferner die ungerechte Behandlung der Eingeborenen in der Union dar. Die Eingeborenen besitzen nur in der Kapkolonie das Stimmrecht, dürfen jedoch nur Weiße wählen. Sie dürfen nur von Eingeborenen Land kaufen, so daß sie niemals Landbesitz haben können, da kein Eingeborener Land besitzt. Der erste Mininer sei ein Holländer, es sei aher von jeher die Politik der Holländer gewesen, die Eingeborenen zu Sklaven zu machen. Dag englische Parlamentsmitglied Ken⸗ worthy erklärte, die öffentliche Meinung in Eagland solle fordern, daß die Eingeborenen gerecht behandelt werden, und schlug vor, daß die Protektorate der Union nicht übergeben werden sollten, bevor die Eingeborenen besser behandelt werden.
Frankreich.
Der Fünferrat setzte vorgeslern eine interallilerte Kom⸗ mission ein, die die Kontrolle über die noch in Deutschland befindlichen russischen Kriegsgefangenen ausüben soll, sowie
eine weitere interalliierte militärische Kommission, die in Deutschösterreich die Aueführung der militärischen Klauseln durchführen soll. Der
des , , . Fünferrat beschloß auf Verlangen des Admirals Koltschak und des Genetals Denikin, daß ihnen das von den Deutschen während des Krieges erbeutete zussische Kriegs⸗ gerät überwiesen werden soll. Die Interallüierte Kontroll⸗ kommission in Deutschland wurde mit der Durchführung und Ueberwachung der erforderlichen Maßnahmen betraut. Es würde ferner beschlossen, der sumänischen Regierung eine Note überreichen zu lassen, in der die Hoffnung ausgesprochen wird, daß die rumänische Regierung sich bemühen werde, die Schwierigkeiten zu beseitigen, um im vollkommenen Einverständnis mit den Alliierten zu handeln. Schließlich be⸗ schäftiate sich der Fünferrat mit einem Vorschlag der italienischen Delegalion, der die Einfügung einer Bestimmung in den zu erwartenden ungarischen Friedensvertrag vorsieht, durch die Ungarn auf alle Rechte in den Italien zugesprochenen
ehemalig österreichisch⸗ungarischen Gebieten verzichtet.
— Der Senat bat dem Friedensvertrag mit 217 Stimmen hei einer Stimmenthaltung zugestim mt. Die Verträge mit England und den Vereinigten Staaten wurden einstimmig mit 218 Ssimmen angenommtn. Ueber den Verlauf der Sitzung am Freitag berichtet „Wolffs Tele⸗ graphenbüro“ wie folgt: .
Der Führer der Radikalsozialisten Senator Debierre sührte aus, der Völkerbund befinde sich noch im emhryonischen Zustand.
Frankreich müsse am Rhein in einem Augenblick Wache halten, in dem es alle Kräfte nöti land sönne während dleser Zeit den Gffektivbestand und eine be— trächtliche Bewaffnung behalten und sehr rasch eine Angriffs armee
organisieren.
habe, um sich wieder aufzurichten. Deuisch⸗
Warum habe man es nicht am Tage nach dem
Waffenssihstand entwaffnet? Es hake se'nen Kaiser verlorer, aber seinen imperialistischen Geift bebalten. Vielleicht werde der franzsstsche Einfluß die deuische Seele wandeln. Er glaube für seinen Teil, daß Deutschland nicht dazu verurteilt sei, ewig mili⸗ iaristisch zu bleiken. Wenn die Schutzveiträge mit England und Amerika auch nützlich seien, gebe es doch solidere, das seien die Allianzen der Völker und nicht die Allianzen der Regierungen. Die militärischen Garantien genügten nicht, auch die Brückentör fe nicht. Das Palladium gegen den Krieg werde man nur in einer praktischen und , . Organmsation des Völkerbundes zu sachen haben. Desbalb müsse er so gestaltet werden, daß er Deutschland zur Abrüstung führe. Der Redner besprach alsdann die finanniellen Klauseln und fraue, wer die Bons Deutschlands zu Werten mache. Er bedauere, daß die ersten 20 Millianden nicht als privilegierte Schuld Frankreichs anerkannt worden seien, erwarte aber, daß die Regierung alles tun werde, um diese gerechte Wiedergutmachung für Frankreich zu erlangen. Von Deut chland müsse Frankreich Baumaterial und Vieh erhalten. Bis jetzt babe man davon noch nichts gesehen. Wenn Deutschland nicht alles bejahle, dann werde die finanzielle Lage Frankreichs bennrubigend werden. Er haffe, daß die Alliierten durch eine finanzielle Konvention untereinander Fiankreich retten würden. Der Senator Jenouvprjer sagte, man befinde sich auch heute noch einem Deutschland gegenüber, das ebenso stark sei wie im Jahre 1914. Die Gedanken ker Aus— nützung Rußlands und der Revanche gegen Frankreich würden in Deutschland immer ben dig bleiben. Auch er sei der Ansicht daß die französische Schuld allen anderen vorangehen müsse. Deutschland müffe militärisch vollständig enjwassnet werden, damit es keinen Krieg mehr beginnen könne. Er werde für die Ratifizierung slimmen, da er nicht wolle, daß Frankreich und die Welt dem Chaos an heimfielen. Der sozialistische Senator Flaissieres erklärte, daß er nicht an einer aläcklichen Entwicklung Deutschlands verzweifle. Man müsse sich hüten vor jedem Geist der Rache und dis Zwanges, der Frankreichs unwürdig sei. D' Estournelles de Constant fand, daß der Vertrag nicht die Zukunft Frankreichs sicherstelle. Der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten de Sal ves sagte, der Friedensvertrag richte eine neue internationale Moral auf. Man müsse aber die deutsche Mentalität aufs genaueste verfolgen. Der Vertrag mache eine auswärtige Politik für Frankreich notwendig, die auf einer Allianz der Großmächte aufgebaut sei.
Der Ministerpräfident Clemenceau, der darauf das Wort ergriff, nannte den Vertrag unvollkommen. Die Vertreter Frank reicht auf der Friedenskonferenz bätten keine Wunder wüten können. Die ungeheure Katastropbe, die über die Welt bereingekommen sei, babe Millionen von Menschenleben vernichtet. Ganze Länder seien in das Unglück gestürzt worden. Widerwärtige Verbrechen habe man begangen, die man aus der Liste der menschlichen Ver⸗ fehlungen ausgelöscht geglaubt habe. Aber trotzdem habe sich die Menschheit erboben, hate sich revoltiert und bis zum guten Ende kämpft. Derartige Greignisse könnten nicht durch geschriebene giffer Chen, die man einfach unterzeichne, berndet weiden. Und man dürfe, nachdem man dies vollbracht habe, nicht einfach schlafen gehen. Tas ganze Leben bestehe aus Wachsamkeit. Zu dieser Wachsamkeit sei auch Frankreich verurteilt. Die Friedens. konferenzen vom Haag hätten sich ausgedehnt und als eine Folge des Krieges zu einem Völkerbund ausgewachsen. Der Völkerbund sei aus dem Krieg herausgeboren worden, der eine solche Unmenge von Leiden gezeugt habe, daß sich die Notwendigkeit ergeben hätte, um jeden Preis den Versuch zu machen, darüber hinwegzukommen. Den Krieg der Deutschen habe Fiankreich seit, einem halben Jahr— hundert ermartet. Die Franzosen seien einig in zwei Gedanken gewesen, einmal darin, diesen Krieg niemals zu provozieren, und andernteils hätten sie die Ueberzeugung gehabt, daß, wenn der Krieg käme, sie alle Lasten ertragen müßten. Aus diesem Gedanten heraus sei die Alliant mit Rußland entstanden. Clemenceau besprach sodann das Verhältnis Frankreichs zu England und fuhr fort, die Welt sei groß genug, um auch Frantteich einen Platz zu lassen. Withelm II. hätte gefagt, die Zukunft Deutichlands liege auf dem Wesser. Heute liege seine Jukunft unter dem Wasser. England habe sich erst nach dem Einfall in Belgien zum Eingreifen enischlossen. Ez habe nur an Antwerpen gedacht. Heute wisse es aber auch, daß es an Calais denken müsse. Heute bestünden Verträge. Er habe gesagt, daß selbst, wenn sie nicht bestehen würden, er der Ueberzeugung sei, daß England doch Frankreich zu Hilfe kommen werde. Man habe ihm zum Vorwurf gemacht, daß er das Parlament von den Verhandlungen ausgeschossen habe. Er habe nicht anders bandeln können, denn es sei seine Aufgabe gewesen, die Verfassung zu respektieren. Die Aufgabe sei gewesen, den deuischen Militarismus niederzuschlagen. Was die deutsche Einheit betreffe, so sei er gewiß kein Anhänger davon. Aber wenn man sich erinnern wolle, habe die Kommission, die die Vollmachten der Deutschen ge⸗ prüft habe, die Frage aufgeworfen, ab Bayern nicht den Frletens— vertrag mitzeichnen müsse. Die alliterten Rechtslehrer hätten ein⸗ stimmig geantwortet, daß die Unterschrift des Herrn Ebert das ganze Deutsche Reich verpflichte, die Deutschen seien bis zum äußersten des Partikularismus und bis zum äußersten der Zentralisierung ge— gangen. Das beweise ihre ganze Geschichte. Wie hätte er unter dem Vorwand, die deutsche Einheit zerstören zu wollen, die Menschenschlächterei fortsetzten dürfen in dem Augenblick, in dem Deutschland den Waffenstillstand verlangte. Man hätte vielleicht noch 6 000 Menschen töten müssen, die glücklicherweise iat noch lebten. Die Niederlage hätte die deutsche Einheit naturnotwendig stärken müssen. Aber die Ereignisse marschierten. Unglücklicherweise hätten die Franzosen keine Geduld. Die durch den Vertrag geschaffene Lage würde sich in einer Weise entwickeln, die nicht nur von den Deutschen, sondern auch von den Franzosen abhänge. Frankreich wolle die Deutschen nicht beherrschen. Die Franjosen wollten frei sein, um zu befreien. Die Deutschen aber knechteten sich, um zu knechten (les sllomunds s'asservissent pour asser vir). Die Einheit liege nicht in den Protokollen der Diplo⸗ maftie, sondern in den Herzen der Menschen. Es gebe 160 Millionen Menschen, denen man sich anpassen müsse, aber deren Freiheit man respektieren wolle. Aber man treffe die not⸗ wendigen Vorsichtsmaßregeln, damit sie die Freiheit Frankreichs ebenfalls respektieren. Es liege nicht in der Absicht Frankreichs, in das Herz der Deutschen einzudringen. Was die Frage der Ent— waffnung Deutschlants anbetreffe, so müsse er zugestehen, daß zwischen 5 Millionen Soldaten und 160000 ein Unterschied sei. Man habe die Militärpflicht gegen die Vorschläge der militärischen Sachverständigen beseitigt. Man habe die ganze Artillerie von 9000 Stück auf 288 herabgesetzt. Warum habe man Deutschland diese Kanonen und die Festungen im Osten gelassen? Weil Deut schland ein 6. daman habe, sich zu verteidigen, und weil Frantreich kein Interesse daran habe, ein bolschewistisches Deutschland zu sehen. Man dürfe nicht vergessen, daß Polen 5560 000 bewaffnete Männer habe mit einer Reserde von 400 000. Wenn man sage, England und Amerika fönnten nicht rasch genug zur Hilfe eilen, dann müsse man bedenken, doß Belgien 800 006 Soldaten unter Waffen habe. Auch die Tschechoslowaken und die Südslawen befänden sich in einer ziemlich starken militärischen Lage. Er müsse zugestehen, daß er die Mentalität des Deutschen nicht verstehe. In seinem Heim sei er ein liebenswürdiger Mensch mit anerkennenswerten Gefühlen, aber es gebe Unterhaltungen, die man mit ihm nicht pflegen könne. Die Sojialdemokraten sejen Alliierte der milikaristischen Partei und regierten Deutschland. Er wisse nicht. ob die Sozialisten sich militaristeren würden, aher er wisse, daß die Militaristen sich nicht sozialisieren würden. Clemenceau fragte: Glauben Sie, daß die Zukunft des deutschen Regimes ebenso sichergestellt ist wie die ünfrige? Es vollzögen sich in der deutschen Armee Evolutionen, deren Tragweite man nicht voraussehen könne. Krisen seien unvermeidlich. Wenn man ihn frage, welches die Politik Frankreichs gegenüber Deutschland set, so antworte er: fel muß der Friedensvertrag ausgeführt werden. Das ist der Prüfstein. Eine Kommlission von 60 französischen Ofstzleren befinde sich beretts in Berlin. Man werde sicher versuchen, sie zu tänmschen. Aber bis zu welchem Grad? Wenn man seit dem Waffenstillstand Millionen von
Kanonen fabrhiert bobe, dann werde man die erforderlichen Maß- nabmen ergrelfen. Man habe gesagt, die Kontrolle sei von be⸗ schränkter Feitzauer. Das jet wabr. Er befürchte heute die wirt⸗ schaftliche Beberrschung mebr als die mili ärische. Gestern seien die Deutschen vor Riga don den Letten geschlagen worden. Sie seiem nicht mehr bewafftet. Die Mittel zum Handeln beläßen sie nicht mehr. Wenn man sür die Zukunft elnen nützlichen Auegleich baben wolle, dann musse man die französische Qberberrschaft sicherstellen. Aber damit Deuisck land bezahlen könne, müsse es arbeiten. Man müsse niemals vergessen, daß es fich um ein intelligentes, ordnungsliebendes und methodisches Volk handle. Auch die Frage der Vera wertlich⸗ keit müffe gesöst werten. Das werde in Veutschland Tatsachen zeitigen, die man nicht kenne. Frankreich aber könne die wider⸗ wärtigen Verbrechen, die man gegen es begangen habe, amnestieren. Mon müfsfe sich des Manifestes der 93 deutschen Intellektuellen er= snnein, die erklärt hätien, es sei nicht wahr, daß Deutschland den Krieg provoziert habe. Sie haben also gelogen, und das lasser daran zweifeln, daß sich die Besserung, die Senator Debierre— angekündigt babe. vollziehen werde. Man müsse abwarten. Der Piäsident Wilson, der nicht deutschfreundlich sei, habe chofft, daß die Deutschen bald in den Völterbund eintieten könnten. ö diese Frage zur Debatte stehe, werde man sie befragen, was fie über das Manifest der 93 Intelletiuellen dächten. Mit dem Haß löse man nichts. Die Deutschen seien von den Franzosen nur duich die Grenze getrennt. Sie hätten Akte der Gewalt begangen, die die gesamte Menschheit nur einmütig tadeln könne. Deshalb würden mehreren Fragen aufgeworfen, so namentlich die Frage der Wiedergut« machung und der Garantien. Was die Wieder utmachung betreffe, so hätte man einen festen Preis festlegen wollen. Der sei aber so niedrig gewesen, daß ihn die französischen Parlamente nicht an genommen hätten. Was die militärische Sicherheit Frankreichs betreffe. fo sei der Rhein auf seinem linken Ufer neutralisiert und auch auf 50 Kilometer feines rechten Ufers. Was die ständige Besetzung der Rheinlande mit den Brückenköpfen anbetreffe, Jo hätte er sich dazu nur verstehen können, wenn er nichts anderes hätte erreicken können. Er habe darauf verzichtet, als er die englische und amerikanische Allianz gehabt habe. Die französische wirtschaftliche Lage werde heute und morgen von dem Mangel an Arbeitekräften beherrscht. Hätte man unter diesen Umständen an eine ständige Besetzung des linken Rhein⸗ ufers denken können? Die Wahrheit sei, aß sich Frankreich bei der linksrheinischen Bevölterung Freunde schaffen müsse, indem man sie gut behandle und sie gegen den preußischen Despotismus schütze. Die franzbsischen Grenzen selen aut, wenn man entschlossen sei sie zu verteidigen. Es gebe keine Grenzen, die sicher seien in sich. Was den Völkerbund anbetreffe, so sehe er Mit lieder des Völkerbundes, die sich gegenfeitig mit der Pistole in der Hand hetrachteten. Damit der Völkerbund leben könne, müsse man Menschen haben, die fähig feien, ibm das Leben zu ermöglichen. Man, suche nach einer Formel, die das Glück der Menschheit machen könne, aber bevor man andere reformieren wolle, müsse man sich erst selhst re⸗ formieren. Die Schaffung des internationalen Ar beiterparlaments sei ein großes Werk. Es frage sich nur, wie es funktionieren könne. Der Tag werde kommen, wo die Arbeiterklasse sich mit der Frieden gz⸗ konferenz vereinigen werbe. Es gebe keine Gruppe von Menschen, die das wirtschaftliche Leben eines Landes zum Stillstehen bringen könnte, ohne sich selbst den größten Schaden zĩuzufügen. Zum Schluß forderte Clemenceau die Franzosen auf, einig zu bleiben. Frankreich müsse viele Kinder haben. Ohne diese, man könne in einen Ver⸗ trag hineinschreiben, was man wolle, sei Frankreich verloren. Es sei ein Akt der Feigheit, ein Verzicht auf eine notwendige Last, wenn man erkläre, man wolle teine Kinder haben. Augustus habe die Römer zwingen wollen, eine starke Familie zu haben. Es sei ibm nicht gelungen, und man wisse, wie Ftom geendet habe. Unsere Väter, schloß Ciemenceau, haben ung die schönste Geschichte hinter laffen. Wir haben Frankreich für die Achtung der Völker reif ge= macht. Dleses Erbe können wir unsern Kindern übermitteln. Sie werden zu gut sein, um es verkommen zu lassen.
Der Senat beschloß, Clemenceaus Rede im ganzen Land anschlagen zu lassen.
— Die Kammer erörlerte den Antrag, der die Ver⸗ öffentlichung der Verhandlungsprotokolle aus den geheimen Sitzungen der Kammer von 1916, bis (918 verlangt. Laut Kericht der „Agence Hayas“ er⸗ hob Briand energisch Einspruch gegen den Antrag, da einmal nach politischem Brauch die Kanzleien darum be⸗ fragt werden müßten und da andererseits eine erhebliche Erschwerung der diplomatischen Beziehungen die Folge sein würde, wenn solche Veröffentlichungen nicht mit der ent⸗ sprechenden Reserve gemacht würden. Trotz der Ausführungen BHriands wurbe der Antrag angenommen, allerdings mit der Abänderung, daß vor der Veröffentlichung der Verhandlungs⸗ berichte die alliierten Regierungen befragt werden sollen, ob sie gegen die uneingeschränkte Veröffentlichung Einwände erheben. Im Verlaufe der Sitzung wurde der vormalige Minister⸗ präsident Pain levsé wegen der Offen sive im April 19 16 angegriffen. Er verteldigte sich damit, daß die Offen⸗ sive nach fünf Kampftagen scheitern mußte, weil es der fran⸗ ösischen Artillerievorbereitung nicht gelungen war, die zweite . Linie zu zerstören, und damit, daß er für sich die Ehre beanspruchte, Foch als Oberkommandierenden mit Pstain als Generalstabachef berufen zu haben.
Italien.
Der Minister des Aeußern Tittoni hatte eine Unter⸗ redung mit dem englischen Botschafter, in deren Ver⸗ lauf der „Agenzia Stefani“ zufolge jedes Mißverständnis be⸗ eitiat und mit Genugtuung die wechselseitige herzliche Zu⸗ ka n, der beiden Länder bei der Löͤsung der Friedens⸗ probleme festgestellt wurde.
— Nach einer Meldung der „Times“ haben italienische Pioniere damit begonnen, den Hafen von Fiume zu unter⸗ minieren. Sie drohen, ihn in die Luft zu sprengen, wenn dle Stadt nicht an Italien abgetreten werde.
Albanien.
Die „Agence Centrale“ meldet, daß nunmehr ganz Al⸗ banien im Aufstande gegen die italienischen Be⸗ ,, n. sei. Auch die Vevölkerung von Skutari, ie ö am meisten zu Italien neige, habe sich der Erhebung angeschlossen.
Belgien.
Die Kammer wird dem „Nieuwen Rotterdamschen
Courant“ zufolge spätestens am 23. Oktober aufgelöst werden.
Lettland.
Die provisorische lettische Regierung hat an die Friedenskonfe renz in Paris ein Telegramm gerichtet, das der „Agence Havas“ zufolge lautet:
Regierung deutschen Truppen bei Niga, die durch lettische und estnische Trurven eingeschlossen waren, sich nach Kurland zurückzuztehen mit dem Versprechen, das Land in kürzester Frist zu räumen. Aber Deutschland benutzte den Waffenstillstand, um die Truppenbestände in Kurland zu verdoppeln, die sich Verbrechen und Atte der Gewalt zu Schulden kommen ließen. Die Truppen unternahmen alles, um
ie Organifation der lettischen Armee und den Kampf gegen die Bolsche⸗
Auf 6 der Alliierten gestattete die provisorische lettische —
M
wisten zu verbin dern. Alg die lettischen Truppen kur darauf die 3h, Beer gitarren, bflelten si beende Kt e eli. Hie Deutschen griffen sie im Rücken an und nabmen die Feindfelig. ,, qu. Deutschland bat den Friedensvertrag gebrochen. Die lettuche Regierung ersucht daher die Allilerten ohne Verzug Mnschneldende Maßnahmen zu ergreifen, um Deutschland ju zwingen, sich an den Vertrag zn balten, Das zwischen den deutschen und den uussischen Deutschfreunden geschlossene Bündnis bedroht nicht nur die Llabtängigteit zettlasde, sondern auch den Fröczen der ganzen Wel. G3 ist gegen die alltierten und assoztierten Mächte gerichtet. Die iegie ung prgtestiert vor der zirtlisserten, Welt gegen den Angriff. Die lerticch Nation wiid ihre Unabhängkeit bis jum letzten Blut. slopfen verteidigen.
Dem „ Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge wird von zu—⸗ ständiger Stelle hierzu mitgeteilt:
Die Behauptungen der provisorischen lettischen Regierung sind samt und, sonders das Gegenteih der Wahrbeit und kennzeichnen sich deutlich als gebässige Treiherelen. Deutschland hat nicht den Frieden gebrochen, sondein es hat, wie aus den Maßnahmen der Freichs- legierung hervorgeht, alles getan, um den Bestimmungen des Friedens bel den irregeleiteten Teilen der Truppen im Baltikum Gestung zu verschaffen. Daß gegenwärtig nicht dig deutsch baltischen Truppen die Angreifer sind, sondern daß die Rückbeförderung der Trurpen hinter die deutsche Grenze durch Angriffe und andere feindliche Maß— nahmen der Letten und Csten verzögert oder gar verhindert wird, ht fest. Im übrigen sind es gerade die Letten, die dem Boslsche— wikmus in jeder Weise Vorschuß leisten, auch dadurch, daß sie den mssischen Truppen unter Obeist Awaloff⸗Bermondt den Weg zur Bolschewisten front verlegen.
— Eine Meldung des „Daily Chroniele“ aus Riga vom 8. Oktober besagt: „Eine deutsche Truppenmacht von 20 000 Mann greift die Letten auf einer Front von 10 Meilen einige Meilen außerhalb Rigas an.“ Wie „Wolffs Tele⸗ graphenbüro“ bemerkt, ist die Nachricht irre führend. Es handelt sich um die russischen Truppen unter Bermondt Awaloff. Deutsche Formationen sind an den Kämpfen nicht beteiligt.
Der amtliche Bericht der russischen West armee meldet:
Am 9. Oktober Abends haben unsere Truppen den Gegner auf die Vorstädte Rigas zurückgeworfen. Hartnaäͤckige Kämpfe dauern fort. Tukkum ist von uns genommen. Die Truppen des Obersten Awaloff haben nach harten Tag⸗ und Nachtkämpfen den Gegner in die Vorstädte Rigas zurückgeworfen und am 10. Oktober früh Thorensberg im Sturm genommen. Die Dünabrücken sind in der Hand der Sieger. Die Esten und Letten leisteten zäben Widerstand. Teile der feindlichen Streitkräfte sind von ihrer Rückzugslinie abge⸗ schnitten. Oberst Awaloff⸗Bermondt fordert nun von den Besiegten, daß sie endlich den Durchmarsch zur Bolschewikenfront fret— geben und ruft sie zum gemeinsamen Kampf gegen den Bolschewis—
mut auf. Asien.
Nach einer Meldung der „Dally Mail“ hat der Friedens⸗ ausschuß des japanischen Parlaments den Friedensvertrag von Versailles ratifiziert.
Statistik und Volkswirtschaft.
Arbeitsstreitigkeiten.
Die Verhandlungen wegen Beil'gung des Aua stands der Beamten der Halle⸗Hettstedrer Gisenbgahn haben, wie, W. T B.“ meldet, am Freitagnachmittag zu einer Einigung geführt. Am Sonnabend ist der Betrieb wieder auf“ genomm en worden.
Infolge eines Aus stands der Ele ktrijitätsarb eiter in Eisenach lag, wie W. T. B.“ berichtet, für die Stadt die Gefahr vor, daß sie durch Aufhören der Beleuchtung in völliges Dunkel gehüllt würde, und außerdem die vom eiektrischen Strom abhängigen Betriebe lahmgelegt würden. was einen großen Schaden derursacht hätte. Deshalb bat die Technische Nothilfe“ von Weimar aus eingegriffen und das Elektrizitätswerk wieder in Gang gebrackt, was die Ärbeiter alsbald zur Wiederaufnahme der Arbeit veranlaßte.
Im Saargebiet ist elne fühlbare Entspannung ein— getreten. Die Eisenbahner haben . W. T. B.” zufolge die Atbeit wieder w ebenso die meisten Gruben und die Metallarbelter; in Saarbrücken herrscht Ruhe. Verelnzelte Banden haben verfucht, in der Umgegend von Saarbrücken Uagruhen hervorzurufen, wurden aber schnell auseinandergetrieben. Die vorgenommenen Veihaftungen haben lar gezeigt, daß diese seit mehreren Wochen eiwartete Bewegung ein Werk ne g, Hetzer ist, die gerade in dem Augenblick ans Werk gingen, als die Rati—= . ent Frie densvertiags der Landeshoheit Preußens ein Ende
en sollte.
In Bre st haben sich, wie W. T. B.“ erfährt, die Bäcker dem allgemeinen Russtand angelchlossen. Auch hat sich nach einer Temps“. Meldung die Ausstands bewegung auf 2406 Ar beiter des Arsenals ausgedehnt.
Nach Meldungen des W. T. B.“ aus Brüssel haben dort die An gest e llten der Straßenbahnen mit 3466 gegen 29 I Stimmen für den gestrigen Sonntag den Ausstand be
chlofsen, weil ibnen die nach der letzten Arbeitsgeinstellung ver— prochene Lohnerhöhung noch nicht zuteil geworden sei. Nach einer Reutermeldung aug London vom 11. Oktober ist der Aus stand der Eifengießer beigelegt worden.
Beim Landarbeitergusstand in der Provinz Piacenza, der feit dem 6. d. M. andauert, kam es, wie W. T. B.“ meldet, zu schweren blutigen Zusammensts ßen mit der be— waffneten Macht, desgleichen in Riesi bei Caltanifetta, . acht Landarbeiter getötet, viele verwundet wurden. ich die Gefahr eines nationali stischen Handstreichs ist nicht behoben.
Zum Augstand der New HYorker Hafenarbetter meldet Reuter vom 11. 10: Die Befatzungen giler Fähr— vote auf dem Hudson haben zur Unterstützung der Forderungen der Hafenarbeiter um Mitternacht die Arbeit, niedergelegt. Auch die Befsatzungen der Schleppdampfer und Leichter ⸗ ne, die von den Eisenbahnen betrieben werden, feiern. Die Hafen⸗ arbeiter haben eingewilligt, alle Waren, die sonst verderben würden, von den Dampferpiers zu entfernen. — Die „Times“ meldet gif New Jak, daß der Bergarbeiter verband beschlossen gt, mit dem J. Nopember in den Aus stand zu treten, wenn die rgwerkshesitzer nicht in die Forderungen der Bergarbeiter ein⸗ willlgen. Die Bergarbeiter fordern eine Lohnerhöhung von 69 vH, den z stündigen Atbeisztog unb die b tägige Arbeiltzwoche. Die Berg⸗
arbeiter haben eg, so schreibt die ‚Times“, mit aller Gewalt auf.
einen Streik abgefehen und sind überzeugt, die Verstaatlichung st Bergwerke erzwingen zu köanen, — Ferner meldet noch 6. T. B.‘, daß fast alle Maschinenarbeiter der Werk stätten der Penn sylvaniababn in Altoona in den Auestand getreten sind. 700b bis 500 Mann fclern.
Land⸗ und Forstwirtschaft.
, n , , n,. ) Das Ackerbaubüro kehren durchschnittlichen Stand von Mals auf sl vo gegen 89 v im Vormonat unh 5s 5 vo im Vorfahr. Die Qualität von Früh— jabrswelgen wird mit Far angegeben gen 9435 vy im Vorfahre,
und der durchschnittliche Siand von Hafer beträgt schätzunsweise
s vH gegen 935 vo im Vorjahre. Das Rüro schätzt den durch— rl fr Stand von Leinsagt auf 5755 vp . 6h 6 Vormonat und 70 vH. im Vorjehr. Ber Ertrag der Maisernte wird mit 2 901 0 (00 Bushels angegeben gegen 28500 C00 Busbels im Vormonat und gegen“ ein *Refi— nitives Ernteergebnis von 2 585 000 000 Bufhels im Vorjahre. Der Ertrag der Winterweizenernte wird auf 715 Millionen Bäshels wie im Vormonat geschätzt gegen 558 Millionen Bushel⸗ de finitives Ergebnis im Verjahre, der Ertrag vom Früäbjahrgweizen auf 203 Millionen Busbels gegen 206 Millionen Bustels im Vor! monat und 359 Millionen Bushels im Vorjahre. Bei Hafer dürfte sich der Ernteertrag., auf 1220 Millionen Bushels belaufen gegen 66 bejw. 1538 Millionen Bulhels, bei Gerste auf 195 Milltonen Bushels gegen 185 bezw. 2656 Mihionen Busbelg. Pie Leinfastennte wird wahrscheinlich 1 Millionen Busbelt umfoffen gegen 19 Milstonen Buhhelt im Vormonat und 15 Millicnen Bushels definitives Er⸗ gebnis im Vo jahre.
Gesundheitõwesen, Tierkrankheiten und Absperrungẽ⸗ maßzregeln.
Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.
(Nach den „Veröffentlichungen des Reichsgesundheitsamts , Nr. 41 vom 8. Oktober 1915.)
Pe st.
Niederländisch Indien. Im August wurden auf Fav a, 49 mit tödlichem Verlauf) n 6. r in den Bezirken Tem anggoeng 41 (4), j 8 (.) und Salatiga 1 (0. 2 . ö
Pocken.
Deutscheg Reich. In der Woche vom 28. September bis 4. Oktober wurden 10 Erkrankungen gemeldet, . zwar in GSeadulltahäütte und Schwientochlowitz (Kreis Beuthen i. Oberschl.) je 1, in Königshütte (Reg. Bez. Oppeln) 2, in Grauhof (Kreis Goslar. Reg. Bes. Hildesheim J, in Sst. helden (reis Siegen), Herne (Reg.⸗Bez. Arnsberg) und in ber würschnitz (Amtshauptmannschajt Chemnitz je JI. Nachtränlich wurde für die Woche vom 21. bis 27. September noch 5. Erkrankungen angezeigt, nämlich in Lonstipietz (Kreis Schwetz, Rrg⸗Bej. Maxrsenwerde) 2, in Teltow (Reg. Rez. zots dam), Horst-⸗Em scher (Kreis Recklinghausen, Reg. Bez. dünster) und Cöln je 1.
Fleclkfieber.
Deutsches Reich. In der Woche vom 28. September bis 4. Oktober wurden 8 Erkrantungen hei deutschen Soldaten fest⸗ gestellt, und iwar in Heils berg (Reg.-Bez. Könige berg) 5 und in Gumbinnen 3.
Nachträglich wurde für die Woche vom 21. bis 27. September noch 1 Erkrankung in Cöln angezeigt (bei einer aus Windau zu—⸗ gereisten Per son).
Genickstarre.
Preußen. In der Woche vom 21. bis 27. Stptember wurden 2 Erkrankungen (und 3 Todes jälle) gemeldet in folgenden Re—⸗ gierungsbezirken lund Kreisens! Reg.-Bez. Allenstein . () (Lych. Arn Ss berg 2. (2). Dortmund Stadt, Dorimund Land je 1 (i); nachträglich für die Woche vom 14. bis 20. Sep⸗ tember: Wiesbaden 1 1Wiesb aden Stadt].
Ru hr.
Preußen. In der Woche vom 21. bis 27. September wurden 1613 Erkrankungen (und 163 Todesfälle) angezeigt in folgenden Regierung sberirken lund Kreifen!. Landespoltzelbezirk Berlin 120 (15) Berlin Stadt 74 (8), Charlottenburg 5 (1), Berlin⸗-Schöneberg 15 (3), Neukölln E Berlin. Wilmersdorf 11 (15, Berling Lichtenberg 7 (27. Reg.-Bez. Allen stein 20 (2) IAllen⸗ stein Stadt 1. Lock 3, Neidenburg d (1d. Ortelshurg 9 (1). Osterode, Rössel je 1. Arnsberg 375 (35) Altena 1, Bochum Stadt 16 (2), Bochum Land 47 (3), Dortmund Stodt 53 (8), Dortmund Land 55 (4, Gelsenkirchen Stadt 55 (9). Gelsenkircken Land 13 (1), Hagen Stadt 4. Hagen Land 2, Hamm Stadt 10 (29), Hattingen 15 Herne 44 (), Hörde Stadt 2, Iserlobn Land 11 (1). Lippstadt 1, Lüdenscheid 6, Olpe 1, Schwelm 23 (2, Witten 13, Witt— genstein 3, Breslau 28 (6) Breslau Stadt 5, Brieg Stadt 5 (I), Guhrau — (I), Militsch 2, Neumarkt 10 (1, Oels 3, Schweidnitz Land 1, Striegau 1 (1), Walrenburg 1, Wohlau — (i )]), Cassel 28 (2) Frankenberg 1, Hanau Stadt 5 (I), Hanau Land 11, Kirchhain 5, Melungen 3 71), Herrsch. Schmalkaden 2. Wolfhagen 1, Cöln 61 (3) GCöln Stadt 56 (3), CGöln Land 1, Mülheim a. Rh. 4. Danzig 2 Karthaus, Neustadt i. Westpr. je 1. Frankfurt 65 (3 Kalau 1, Cotibug Land 3 (), Forst 1, Frankfurt a. O. 9. Lebus 3 (1), Sorau 3, Spremberg 42 (1), Weststernberg 3. Gumbinnen 4 (2) Oletzko 1, Pill⸗ kallen 3 (U, Tilsit Stadt — (IMI, Hildesheim 21. (4) ,, Stadt 1 (1), Osterode 4 (H, Peine 16 (2), Königs⸗
erg 3 (1) Königsberg i. Pr. Stadt 2, Königsberg i. Pr. Land — (I), Preußisch Eylau 1], Liegnitz 40 (7) Bunzlau, Freystadt je 1, Goldberg⸗Haynau 21 (6), Hoyertwerda 10 (1), Liegnitz Stadt 1, Rothenburg 4, Sagan 2, Lüneburg 11 (2 , Celle Land, Gifhorn je 1, Lüchew 7 (1), Soltau — (I, Wi sen 1, Magdeburg 35 (4 [Kalbe 4, Halberstadt Stadt 3, Jerichew 1 4 (14 Magdeburg Stadt 6 (1), Neubaldens⸗ leben 1, Oschersleben 8, Quedlinhurg Stadt 3 (i), Quedlinburg Land 1, Siendal Land 5 ((II, Marienwerder 5 (Graudenz Stadt 1, Deutsch Krone 2, Marienwerder, Schwetz je 1). Merse⸗ burg 117 (23) Bitterfeld 10 (1), Delitzsch 4 (I), Halle a. S. L (L), Liebenwerda 2, Mansfelder Gebirgskreis 64 (13), Mansfelder Seekr is 1 (l), Merseburg 17 (2), Querfurt 4, Weißenfels 5, Zeitz Land 9 (4), Minden 20 () Bielefeld Stadt 14 (1), Bielefeld Land 3, Herford Land 2, Lübbecke 1, Münster 69 (3) 1Borken 1, Buer 2, Cöefeld , Münster i. W. Stadt 23 (2), Recklinghausen Stadt 9, Recklinghausen Land 29 (1), Steinfurt 1, Tecklen⸗ burg 3], Oppeln 422 (36) [Beuthen i. Obeischl. Stadt 6, Beuthen Land 1 52 (2), Beuthen Land 11 52 (1), Gleiwitz Stadt 21 (6), Gleiwitz Land 6 (1), Grottkau 4, Hindenburg i. Oberschl. 123 (4, Kettowitz Stadt 8, Kattowitz Land 62 (13), Königshütte t. Oberschl. 24 (, Krieuiburg 2, Lubltnitz 11 (3), Neustadt i. Ob rschl. l, Oppeln Stadt, Oppeln Land je 2. Pleß 7 (P), Ratibor Land 6 (1), Rosenberg i. Oberschl. 1, Rydnit 24, Groß Streklitz 1, Tarnowitz 7, Osnabrück 29 (1) (Fümmling 14, Osnabrück Stadt 12 (1), Wittlage 3), Potsdam 74 (7?) (Angermünde 2, Beeskow ⸗Storkow 1, Brandenburg 49. H. 5, Niederbarnim 25 (2), Osthavelland 3, Potgdam 13 (1), Spandau 4 (I, Teltow 11 (2), Templin 7 (1), Westhavelland 2, Zauch⸗Belzig 11. Schleswig 45 (7) Altona 25, Oldenburg 1, Pinneberg 16 17], Stade 11Achim], Stettin 20 Randow 7, Stettin 11, Ueckermünde 2]; nachträglich für die Woche vom 14. bis 20. September noch 463 Erkrankungen
(und 29 Todesfälle) und zwar: Reg. Bez. Aachen 35 (65) Aachen Stadt 3, Aachen Land 32 (5), Brom“ berg 6 Bromberg Stadt 4, Czarnikau, Schneidemüähl
(3), Rbeydt 2, Solingen Land 1, Sterkrade 13). Posen 15 e er
Verschiedene Krankheiten in der Woche vom 21. bis 27. September 1919. Pocken: Be dapest 1 Erkrantung; Fleckfieh er: Budapest 1 Eiktankung; Milzbrand: Reg. ez. Liegnitz, Hessen je 1 Er⸗ trankung; Tollwut: Reg⸗⸗Bez. Stettin 2 Erkrankungen; Para⸗
tophus: Reg. Bez. Arnsberg 106. Hessen 17 Erkran⸗ kungen; Influenza: Berlin 1, Braunschweig Stadt 2.
Stockbolm 1. Wien 2 Todesfälle, Reg. Bei. Düsseldoꝛf (Vorwoche) 5, Nürnberg 16, Hessen, Budapest je 2, Kopenhagen 60, Stockholm 1 Erkrankungen; Genickstarre: Budapest 1, Kopen⸗ hagen 2, Enschede in den Niederlanden (14. bis 20. September) 1è Erkrankungen; spinale Kinderlähmnmng: Kopenhagen 2 Eikrankungen; Ruhr: Nürnberg 1, Hessen, Mecklenburg⸗ Schwerin, Sachsen⸗Weimar je 2, Budapest 4, Krakau 7, Lemberg 3. Wien 32 To esfälle, Nürnberg 6, Stuttgart 26, Hessen 241 (davon im Kieise Offenbach 150), Mecklenburg⸗Schwerin 19, Sachsen⸗Weimar 13 (Vorwoche 7), Braunschweig 12, Bremen 11. Budapest 29. Wien 150 Erkrankungen; Malaria: Reg. ⸗Bezirke Aurich 116, Oppeln 10, Braunschweig . Wien 108 Erkrankungen; Krätze: Kopenhagen 129, niederländischel Orte (14. bis 20. Sep- tember) Haag 26, Rotterdam hl Erkrankungen; Nahrungsmittel vergiftung: Reg. Bez. Breslau, Marienwerder je 1 Todes—⸗ fall, Landespolizeibezirk Berlin 1, Reg. Bez. Breslau 20, Aachen (Vorwoche), Düsseldorf. (Vorwoche), Marienwerder je 1, Stade 4 Erkrankungen. Mehr als ein Zehntel aller Ge- storbenen ist an Scharlach (Durchschnitt aller deutschen Be⸗ richtsorte 18951904: 1,Ü04 0½) gestorben in Buer — Erkrankungen wurden angezeigt im Landespolizeibezirke Berlin 120 (Berlin Stadt 89), in Bies lau 25, im Reg.-Bez. Arnsberg 122 in Hamburg 50, Amsterdam 33, Kopenhagen 53; an Keuchhusten gestorben in Berlin-Reinicken dorf — Erkrankungen wurden gemeldet in Budapest 54, Kopenhagen 157. Ferner wurden Erkrantungen zestgestellt an: Masern und Röteln in Hamburg 35, Kopenhagen 26; Diphtherie und Krupp im Landespolizeibezirte Berlin 233 (Berlin Sjiadt 150), in den Reg. Bezirken Potsdam 170, Schleswig 149, in Hamburg 82, Amster⸗ dem 27, Ghzristianig 54, Kopenhagen 63, Stockholm 36, Wien 273 Typhus in den Reg.-Bezirken Breslau 32, Arneberg 43, Magde⸗ burg 37, Oppeln 32.
Nachweisung über den Stand von Viehseuchen in Deutsch Oesterreich am 1. Oktober 1919.
(Auszug aus den amtlichen Wochenausweisen.) Maul.
Rotlauf
46 ee. 5 65 Rotz Klauen Ces mene, Der * seuche seuche⸗ Schweine 1. 8 f . 8znder Zahl der verseuchten 3. 5 5 . 1 * Se , . 8 D D D 5 1 2 16 6 7 3 17119 11 c2Niederösterreich.. .. — — 1 . 3 2 * 9 69 2 2 . . 6 14 14 18 ö . . ö. 2 9 ö —— — 1 21 — — 14 5 1 Oberßsterreich. — — — dh 44 7 14 7 ö ö .. —— — — 1 9 7 10 JJ, , 1 ‚. ,,, — 7 45 . 4 ö 4. * 2 ö. . , . . 1 11 8 . . . — — 1 1 3 127 30 J — 9 16 6 12 1 1 I — 9 36 — — — — 17 2 , . 2 14 er . H . J — — 10 37 — — — — 20 , —— 50 364 — — — —
Zusammen Gemeinden (Gehöfte): Rotz 3 (3), Maul und Klauenseuche 119 (691), Schweinepest (Schweineseuche) 69 (132), Rotlauf der Schweine 1066 (207). Außerdem Lungenseuche des Rindviehs im Sperrgebiete Nr. 12 in 3 Gemeinden und 6 Gehöften. Pockenseuche der Schafe und Beschälseuche der Zuchtpferde sind nicht aufgetreten.
Theater und Musik.
Opernhaus.
Die erste künstlerische Tat der Stagtecper unter der Leitung ihres neuen Intendanten Max von Schilling« war die Aufführung von Hans Pfitzners musikalischer Legende „Palestrina“, deren Ruf als bedeutsames Betenntniswerk eines deutschen Meisters bereit) von den Festaufführungen in München hierher ge⸗ drungen war. Und es darf gleich vorweg gesagt werden, daß das Peck, das am Sonnabend nach langer und liebevoller Vor⸗ bereitung unter Mitwirkung seines Schöpfers, der die Spielleitung selbst übernommen hatte, in des Reich 8 Hauptstatt zum ersten Mal in Szene ging, diesen Ruf vollauf bestätigte. Jun, der Tat bandelt es sich Her um keine Oper“ im gewöhnlichen Sinne, sondern um eine tiefschürfende Dichtung in Worten und Tönen, die das Verhältnis des Schaffenden zur Kunst überhaupt und jenen geheimnisvollen Zusammenhang mit dem Uetersinnlichen offen⸗ bart, welcher dag inneiste Wesen aller wahren Kunst aus⸗ macht. Der von Schiller in die Worte von dem in des höheren Herrn Pflicht stebenden und der gebietenden Stunde gehorchenden Sänger gekllidete Sinn und Wagners in den „Meister⸗ singein' getaner Ausspruch, daß alle Kunst und Poeterei im Grunde nur Traumdeuterei bedeuten, dürfen wohl als der Grundgedanke an⸗ gesehen werden, der Pfitzners echt deutsch empfundene Dichtung be— herrscht. Echt deutsch ist sie, auch wenn ein Meister der italienischen Renaissance in ihrem Mittelpunkt steht; denn nicht geht es hier um äußeres Geschehen und nationale Besonderheiten, sondern um die höchste Blüte menschlichker Kultur, um die Kunst, wie sie sich in der deutschen Seele wiederspiegest. Der Inhalt der Palestrinadichtung, die schon allein im Buche bohen Genuß gewäbrt, ist in kurzen Zügen folgender: Zur Zeit des Tridentiner Konzils um 1563, zu dessen Verhandlungsgegenständen auch die Frage einer Reform der Kirchenmusik gehörte, wirkt Giovannt Pierluigi Valesrrina, der große Meister, als Leiter der Kapelle an St. Maria Maggiore in Rom. Gram über den Tod seiner Gattin Luerezia und Mißmut über unerfreuliche Eischtinungen im Kunstleben haben ihn einsam gemacht und seine Schaffenslust gelähmt. Dennoch ist er durch seinen Freund, den kunstsinnigen Kardinal Borromeo, bet dem Konzil als Erneuerer der Kirchenmusik in Vorschlag gebracht worden; er soll im Auftrage des Konzils eine Messe schaffen, die den Beweig liefert, daß „die Andecht im Gefühle, die unsern Geist zum Höchsten hebt, mit ho der Lust: am Wunderspiele der Töne zur Einheit verschmolzen werden kann. Meit beredten Worten sucht der Kardinal den Künstler für das Werk zu begeist rn, daz zur Rettung der Musik in Rom der höchsten Spitze Kreuzes blume setzt auf der Töne Wunderdom“; allein Palestrina lehnt in seiner bedrüäckten Seelenstimmung ab und kränkt dadurch seinen hohen Gönner, den
Kardinal, der sich so warm für ihn eingesetzt hatte. Im Dämmen