jalisten wegen der Bleckade Mitteilungen gemacht haben soll. In die Loyalität des Reichspräsidenten können wir keinerlei Zweifel setzen. Ueber die Politik zu Rußland möchte ich mich irgenswel her Ausführungen enthalten, denn Rußland ist noch kein fertiger Staat. Wir brauchen die Hoffnung nicht aufzugeben, daß es schließlich zu einem Verhältnis guser Nachbarlichkeit mit Rußland ommen wird, das wir zu erwidern gern bereit sind. Die gleiche Daltung werden wir gegenüber den anderen Randstaaten für richtig halten. Daß Herr Elemenceau die Mentalität Deutschlands nicht versteht, wissen wir Seine neueste Rede halte ich für eine Wahlrede. In ihr soll noch einmal der Siegesjubelton angeschlagen werden. Das ganze französische Volk ist in einen Taumel von Friedensfesten ge— stürzt, der sich an der Volkswirtschaft bitter rächen wird. Immer wieder wird drüben mit der Greuelpropaganda unerhörter Unfug getrieben, Verfehlungen einzelner werden als Gesinnung eines Landes und eines Volkes ausgelegt und mißbraucht, um Haß gegen uns zu säen. Gebieten. Das material ausbitten, das wir gewissenhaft untersuchen würden. sündigungen einzelner müssen gesühnt werden. Dieses Material darf aber nicht zur Zurückhaltung einer halben Million Menschen führen, um damit Erpressungen gegen unser Land auszuüben. Der englische Handelsminister wird bald merken, daß sein Ausspruch „Die deutsche Wirtschaft ist kaputt“, nicht zutrifft. Der Vorwurf, daß wir immer noch ein großes Heer halten, be⸗ ruht auf einer falschen Denunziation der Ünabhängigen. Der nie— drige Stand unseres Geldes wirkt auf das ganze Wirtschafte leben ruinös, auch die Entente und die Neutralen leiden darunter. Man hätte sich zur Herstellung einer gesunden Valuta guf eine Valutaanleihe besinnen sollen, um den Verkehr unter den Völkern auf eine gesunde Basis zu stellen. Mit ihren Maßnahmen in de besetzten Gebieten erreicht die Entente das Gegenteil von dein, ihr nützt. Noch nie haben an der Saar die Herzen so deutsch ge⸗ schlagen wie jetzt. Auch im Innern sehen wir schon die Erfol disser Ententepolitik aufgehen. In ganz Deutschland ist man heuke einiger als je. In Elsaß⸗-Lothringen hat die Vertreibung der 0 9 Deutscher eine Revolte des Geistes hervorgerufen. Wir lesen da bon einem neutralistischen Komplott. Wenn die Elsaß-Lothringer, denen man die Selbstbestimmung versprochen hat, hiervon Gebrauch machen wollen, so wird das für ein Komplott erklärt. Früher waren die Franzosen von der Fiktion durchdrungen, daß die Elfaß-Lothringer Franzosen werden wollten. Jetzt kingt es anders. An der Hunger⸗ blockade können wir uns nicht beteiligen. Desterreich, das jetzt vor einem Jahre sich wegen Hungers bittend an die Entente gewendet hat, ist so weit gekommen, daß in Wien vro Kopf und Woche nur ein Pfund Kartoffeln verteilt wird. (Hört, börth Das ist ein Unrecht gegen die Desterreicher, eine andere Wirkung liegt aber darin, daß die Desterreicher die volle Grausamkeit erkennen, sie nicht deutsch werden zu lassen. Im Wiener Parlament hat der Führer der Sozialdemokratie Austerlitz es ausgesprochen, daß die Oesterreicher nicht aufhören werden, in ihrem Herzen deutsch zu sein und deutsch zu werden. Wir können diese Aeußerung nur mit dem Aucdruck höchster Sympathie erwidern. Wir können jetzt offen aussprechen, daß vordem unsere Staatslenkung wiespältig war. Kaiser Wilhelm II. war im wesentlichen Träger ieses Geistez. Er war ein großer Dilettant, und er war auch der Urheber davon, daß Deutschland sich in seiner Politik nicht klar entschieden hat. Es mußte optiert werden, ob Deutschland sich an Rußland oder an England anschließen soll he. Als es sich darum handelte, mit Rußland den Rüchversicherungsvertrag einzugehen, war es Kaiser Wilhelm, der das verhinderte. Drei Tage nach dem Amtsantritt des Reichskanzlers Caprivi mutete er diesem Nichtfachmonn zu, feinem Willen zu ent— sprechen. Jetzt erkennen wir mit aller Deutlichkeit, das der frühzeitige
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Tod Kaiser Friedrichs ein unendliches nationales Unglück für uns gewesen ist. Wäre er Kaiser geblieben, dann wäre die
Politik in friedliche Bundesbahnen geleitet worden. Weshalb ist der letzte Band von Bismarcks Erinnerungen bisher nicht erschienen? (Abg. Mumm: Bismarck wollte es nicht! Bismarck wollte, daß Deutschland aus seinem Buche lernen sollte. Wenn jetzt der Ver— leger diesen Band herausgibt, so hätte es zu einer Zeit besser ge— schehen sollen, wo er eine große Wirkung hätte ausüben können.
1. Es gibt eben noch ein anderes Mittel als Handgranaten, sich die Achtung in der Welt zu erobern. Wir müssen uns bestreben, wieder die europäische Politik mitzumachen. Die Welt braucht Deutsch— land und Deutschland ist unentbehrlich für die anderen Völker.
Unsere Politik darf, wenn sie auch zurückhaltend sein muß, doch nicht passiv sein. Jeder Neutrale, der uns Sympathie entgegenbringt, soll wissen, daß wir uns mit Sympathie revanchieren werden. Daru ist aber nötig, daß die Völker vor uns Respyekt haben. Wir wollen uns nicht ducken, wir wollen die Zähne zusammenbeißen. Wir besitzen gute Eigenschaften noch in Reserve, diese dürfen wir nicht unbenutzt lassen. Unßittlich
ist es, don uns ein Schuldbekenntnis zu verlangen, ehe die Schuld
don uns guch unkersucht oder bekannt worden wäre. Wir sind erst im Begriff, die Beweise der Schuld, oder Nichtschuld an das Tageslicht zu fördern. Eine Selbstschuld von einem
Unterlegenen unterschreiben zu lassen, ist die Handlungsweise eines Shylock. Bei den Neutralen regt sich für Deutschland schon wieder Sympathie, und auch in Frankreich finden sich berwworrgaende Körfe zusammen, die sich uns anders gegenüberstellen werden als wir jetzt erfahren haben. Bei allen diesen Dingen wird die bürgerliche Dems—
katie eine wichtige Vermittlerrolle zu übernehmen haben. Die Vaterlandsliebe muß sich bei uns wieder stärken. Den deutschen Brüdern im Baltikum, in Ost- und Westpreußen, in Ober— sihlesien, im Rheinland und an der Saar rufe ich zu: Harret aus! Wie wir mit allen Fasern an Deutschland festhalten, so sollt auch Ihr treu kei Deutschland bleiben, treu dem Boden, den Ihr und Eure Väter bebaut haben. Das Vatetland
wird Euch dafür danken. Alle Ressorts müssen dazu beitragen, die Vorstellung beä unseren deutschen Brüdern zu befesti nen, daß wir sie nie vergessen werden, und daß die Beschränkung des Eisenbahwmerkehrs im Osten keineswegs der Anfang eines Vergessens sein soll, was er auch ganz gewiß nicht sein wird. Wir rufen ihnen allen zu: Kommen wird der Taa, wo dieser unheilige Friedensvertrag binsinken wird, der uns 150 000 Kühe nehmen will in dem Augeyblick, wo unsere Kinder keine Milch mehr hatten, der uns unerhörte Lasten aufbürdet, der uns die Kolonien raubt und der uns von Oesterreich trennt. Ne wir wollen alle diese Bedingungen unserer Feinde gewissenhoft erfüllen, auch diejenigen, die wir nicht erfüllen können, wie sich herausstellen wird; durch ehrlichen Versuch wollen wir beweisen, daß wir es wollen, daß aber die sachliche Unmöglichkeit vorliegt. Kein Redner in Deutschland soll künftig schließen, ohne die Worte zu sprechen gegenüber dem Friedensvertrag: ceterum censeo, contrackim ese delendum! (MejfalJ.)
Abg. Schultz (D. Not.): Die Nichtherausgcobe des Fritten Bandes der Bismarckschen „Gedanken und Erinnerungen“ beruht auf der aus— drücklichen Bestimmung des Reichskanzlers selbst. Von Liebedienerei kann also nicht die Rede sein. Der Abg. Haußmann hat mir den Vorwurf der Unmahrhaftigkeit gemacht. Es ist isber in diesem Dause nicht üblich gewesen, daß man einem Redner, der aus Tatsachen Schlußfolgerungen ziebt ond beurteilt, Unwahrhaftigkeit vor—= wirft. Das ist eine grobe Unhöflichkeit und fällt auf den doppelt zurück, der einen solcken Vorwurf erhebt.
Abg. Dr. Cobn (M. Soz.): Die konservative Geschichts— guffassung, läßt die Geschichte ablaufen nach gewissen festen Maßstäben, die sozialistische Geschichtsauffassung dagegen sucht die Mittel der Politik zu bestimmen, nach den jeweiligen geschichtlichen Umständen, noch der jeweiligen Sachlage. Die Friedensverbandlungen wären viel günstiger verlaufen, wenn sich die deutsche Regierung durch einen energischen Entschluß schon in einem ganz früben Stadium
der. Waffenstillstandsverhandlungen von der Umsteickung befreit hätte, in die hineinzuwickeln das lebhafte Bemühen der kapitalistischen Kreise Frankreichs, Englands und Amerikas
og 77 w. 9 2 Regierung positio mi will. Die Lage der
deutschen Regierung und des deutschen Volkes gegenüber Rußland wäre ungleich günstiger, wenn man rechtzeitig durch Aufnahme des Verkehrs der ganzen Welt gezeigt hätte, daß man nicht gewillt ist, sich von Ruß⸗ land absperren zu lassen. Der Vorgänger des Ministers, Graf Brock— dorff⸗Rantzau, hat die Wiederaufnahme der Beziehungen mit der Sowjetpolitik nur dapen abhängig gemacht, daß Rußland sich nicht in die innempolitischen Verhältnisse Deutschlands einmischt und daß Rußland eine richtige Stellung zu dem Programm von der Selbst⸗ bestimmung der Völker einnehmen werde. Ich frage den Mänister Müller, ob er andere Bedingungen stellt und welche Bedingungen er eigentlich stellt, um die Beziehungen wieder aufzunehmen. Allerdings hat Graf Rantzau mit vollem Recht von der Verpflichtung Deutsch— lands gesprochen, sich nicht in die Verhältnisse Rußlands einzumischen, guch nicht in die Verhältnisse der Randstaaten. Hier kann Minister Müller leider das Programm, das sein Vorgänger aufgestellt hat, nicht mehr festhalten, sehr zum Schaden des deutschen Volkes. Die letzten Monate haben leider bewiesen, daß deutsche Regierungsstellen fort— gesetzt unter Bruch der Gehorsamspflicht gegen die deutsche Regierung in die Verhältnisse von Lettland und Estland fich eingemischt haben' Man wird der Außenpolitik niemals gerecht, wenn man sie loslöst von dem Boden der inneren Politik; innere und äußere Politik stehen dermaßen in wechselseitigen Beziehungen, daß die äußere Politik als
Ausdruck eines inneren ZJustandes erscheinen muß, und andererseits der
Osten macken
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innere Zustand eines Volkes in hohem Maße bestimmt wird durch die Rücksicht auf die Auslandepolitik, die der Staat macht. Der
Abg. Haußmann hat kein Wort gefunden gegen das schwere Unxecht, das immer noch besteht gegenüber den 3569090 ruffischen Kriegs— sefangenen, die auf deutschem Boden festgehalten werden. Die Entente hat seit Monaten ihre Hand bon den russischen Kriegsgefange⸗ nen in Deutschland zurückgezogen. Nun ist es Sache der deutschen Re⸗ Jierung, dafür zu sorgen, daß diese unglücklichen Menschen endlich nach Hause zurückkehren können. Redner sucht einige Bemerkungen des Abg. Haußmann zu widerlegen, wobei er ihm Verleumdungen vor— wirft. (Ordnungsruf.) Mit Recht haben sich gestern alle Redner in starken Worten gegen die Zurückhaltung der deutschen Kriegsgefangenen seitens der Entente gewendet. Es besteht eine auffallende Ungleichheit im Verhalten der einzelnen Mächte. England hat uns einen weit
größeren Prozentsatz von Kriegsgefangenen zurückgeschickt als Frank—
reich. Es ist ganz unverständlich, aus welchen Motiven die Fran⸗ zosen unsere Leute zurückhalten. In der Wiederaufbaufrage hat
Deutschland das Versäumnis sich- zuschulden kommen lassen, daß es nicht ür freie Arbeiter gesorgt hat, so daß Frankreich einen Vorwand für die Zurückhaltung der Kriegsgefangenen hat. Ich weise aber auch! dis Sozialisten Frankreichs darauf hin, daß dieses Verhalten der französi— schen Regierung auch dem französischen Volk zum Schaden Y ge— zeicht, denn dabei ist eine Versöhnung der Völker niemals mög⸗ lich. Meine Freunde in Frankreich mögen erkennen, daß diese Frage Ine Vorgussetzung für die Wiederherstellung der Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland ist. Schließlich frags ich den Minister, Was ist sein Programm für die auswärtige Politik nach Dsten hin? Abg. Scheidemann (Soz): Die Frage der Wiederaufnahme der Beziehungen zu Rußland wurde seinerzeit von den Volksbeguftragten mit Zustimmung von Kautsky abgelehnk— (Hört, hört!. Es wurde auch beschlossen, daß die Ausreise bon russischen Delegierten durch die Arbeiter⸗ und Soldatenräte im Ssten verhindert werden sollte. Hierauf nimmt der Reichsminister der auswärtigen An— gelegenhiten Müller das Wort, dessen Erklärung in der nächsten Nummer d. Bl. im Wortlaute wiedergegeben werden wird. . Damit schließt die allgemeine Aussprache. „Abg. Haußmann (Dem) erklärt in persönlicher Bemerkung, ß Fürst Bismarck die Herausgabe seiner Erinnerungen seinem Sohn Herbert überlassen habe, und daß ihm (Haußmannn) der Ver— leger der Erinnerungen, Geh. Kommerzienrat Kröner, gesagt habe, er habe mit Herbert Bismarck ausgemacht, daß der 3. Band er— scheinen müsse, solange er noch lebe, das habe Ter vor 10 Jahren gesagt, und er, sei jetzt 79 Jahre alt. Der 3. Band werde nun bald
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erscheinen. Fürst Bismarck habe nicht das Erscheinen verboten, son— dern gerade gewünscht, . Abg. Schultz (D. Nat.): Auf Grund der Worte von Herbert Bismarck glauben wir, daß beide, Vater und Sohn, es ausdrücklich . haben, das Buch zu Lebzeiten Kaiser Wilhelms erscheinen zu lassen.
Abg. Haußmann (Dem.): Das ist ganz positiv falsch. Geh. Kommerzienrat Kröner hat es mir selbst gesagt.
Die Stelle eines zweiten Unterstaalssekretärs im Aus— wärtigen Amt wird gegen die Stimmen der Rechten bewilligt. Im übrigen wird der Haushalt des Auswärtigen Amts ohne Erörterung bewilligt. Eine Entschließung des Ausschusses, die eine Erhöhung der Position zur Förderung deutscher Unter— richt szwecke im Auslande, die mit 1,8 Millionen ausgestattet ist, im nächsten Jahre wünscht, wird angenommen.
Es folgt die zweite Beratung der Haushaltspläne 3 das Reichsverkehrsministerium, für das Reichseisenbahnamt und für die Verwaltung der Reichseisenb ahnen. .
. Abg. Ve ucrmann berichtet über die Verhandlungen des Ausschusses: Das Reichsverkehrsministerium setzt sich aus werdenden und verschwindenden Aemtern und Behörden zusammen. Das Reichs— gisenbahnamt wird mit dem J. April zu bestehen aufhören, und die Verwaltung der Reichseisenbahnen hat mit der Uebernabme der elsaß⸗ lothringischen Bahnen durch Frankreich bereits zu bestehen aufgehört, indessen ist der Haushalt des Reichs noch mit einem erheblichtn Ve— trag für diese Verwaltung belastet. Das Luftamt wird als selbständiges Amt zu existieren aufhören, und auch das Kraftfahrwesen wird in das Verkehrsministerium einbezogen werden. Der Seewetterdienst und der Seezeichendienst hören auf, es verbleibt nur noch die Hamburger Seemarte. Das Reichs verkehrsministerlum wird weiter umfassen eine Eisenhahnaufsichts abteilung, das eine unter einem Unterstaats⸗ sekretär stehende Abteilung bis zur Grenze der Arbeitsmöglichkeit be⸗ lasten wird. Eine weitere Abteilung wird das Wasserstraßenwesen zu bearbeiten haben. Zunächst wird es sich da darum handel n, die wichtigen Wasserstraßen aufzusuchen und ihre Ausnutzung zu prüfen. Der Ge— danke, auch die Reichspost in das Verkehrsminifterium zu übernehmen wurde vom Ausschuß verworfen, denn die vorhandenen Aufgaben für das Reich verkehrsministerium gehen sckon für eines Mannes Kraft bis Mr. Grenze der Möglichkeit. Wir wünschen, daß die Eilzüge des Ministers in Zukunft ebenso schnell fahren, mögen, wie die Ausschuß⸗ verhandlungen vorangegangen sind.
. Auf Wunsch des Reichsverkehrsministers Dr. Be Il, der eine längere Programmrede zu halten gedenkt, wird entgegen dem Wunsche des Abg. Deglerk (D. Nat.) um 51 Uhr die Weiterberatung auf Sonnabend, 1 Uhr, vertagt.
Herr
Preusßische Landesversammlung. 7I. Sitzung vom 24. Oktober 1919. (Gericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.) *)
Am Regierungstische: der Staateminister Braun. Präsident Le inert eröffnet die Sitzung nach 1214 Uhr. Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt
Abg. Matzius (Soz) für die Bewohner des abzutretendeh Gebietes von Memeh die Erksärung ab, deß die dortigen Bewohner vom Deutsch n. Reicht und vom Preußiscken Staatz unfreiwillig scheiden, aber hoffen, daß die Trennung keinen, Fauernden Bestand
gewesen ist. Es ist eine Lebensfrage des deutschen Volkes, was die
haben würd, daß sie Larauf recaem dem Feutschen Valersande wleßerz gegeben zu werden. Wir gehören zu Deutschlane, wir sind als Deutsche geboren, wir werden suchen, deutsche Art und deutsche Kultur aufrecht— zuerhalten. Möge aber auch Deutschland seine Brüder im Osten nicht vergessen!“ (Lebhafter Beifall auf allen Sriten des Hauses) Präsident Leinnert: Ich darf wohl namens der preußischen Landes veisammlung feststellen. daß sie das Bekinntnis zum Deutschtum, wie es der Vertreter von Memel im Namen seinex Landsleute ah— gegeben hat, mit großer Genugtuung rynimmtz und ihm die Ueber— ung mitgibt, daß die deutsche Bevölkerung selbstverständlich die ab— getretenen Gebietsteile niemcls Fergess n, sondern ihrer für immer gedenken und in ihren Handlungen darauf bedacht sein wird, daß auch die abgetretenen Gebiete überzeugt werden, daß sie von ung niemals vergessen werden önnen. (Allgemeine Zustimmung.) Auf der Tagesordnung stehen zunächst sechs Anfragen. Auf eine Anfrage der Deutschnationalen nach dem Schick— sal der preußischen Unteroffizierschulen und Anter⸗ offiziervorschulen läßt die Regierung erklären, daß wegen der Umwandlung dieser Schulen in Mittelschulen die Regierungen zur schleunigen Berichterstattung aufgefordert worden sind. Nach Eingang der Antworten werde die Beantwortung entsprechend ergänzt werden. Auf eim Anfrage der schleswig⸗holsteinischen Abgeordneten, wann mit der Rückverlegung des Oberpräsidtums von Kiel nach Schbaswig zu rechnen sei, wird von einem Vertreter der Staatsregierung Erwidert, daß die Verlegung von Schleswig nach
Ma , jberaebhe nde Mafmabmg erfolad er Hife Kiel am 1. Mai 1917 al porübmergehende Maßnahme erfolg sei. Diese werde auch jetzt noch Als
Morsongitwo C 6 regung
Gründe
vorübergehend? angesehen, die für die Verllanung beständen aber noch fort. So könne die Ernährungssrürtschaft; von Schleswig aug nicht befriedigend erledigt werden; zurzeit verbiete sich die Rückverlegung außerdem noch mitz Rück sicht auf die Ausführung des Friedensvertrag ß. Finangielle Rückfichten könnten demgegenüber nicht ausschlaggebend sein. Eine weitere Anfrage der Sozialdemokraten betrifft die
Klagen über die Ciefenu nge st ark un einer Kohhe, durch die die Verbraucher übeworteilt würden.
Ein Re gierungspertreter erwidert, daß diese Khgen nicht unberechtigt sind. Zahlreiche Kohlenwäschreien sseien wegen Material— mangel eingestellt und die Kohle werde ohne die frühere Säuberung versandt. Auch werde jetzt viel stärfer unreine Kohle gefördert, die auch durch die Wäsche nicht völlig zu reinigen sei. Mindenvertige Kohle und sogenannte „Masschberge“ mit etwa 36 95 Kohlegehalt, die Uu. 9. an Zementfabriken geliefert werde, komme durch gewissenlose ändler als Brennstoff gegen hohe Preise im den Schleichhandelt. Davon seien sogar Eisenbahnen betroffsem worden. Der Reichskohlenkommissar gehe mitz den schärfsten Mitteln gegen diesen Mißbrauch vor.
In einer Anfrage der Deutsschnatio nalnmen wird die Regie⸗
Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Görck (D. V.), betr. den wirtschaftlichen Verkehr, speziell die Kohleneinfuhr in dem schLeswigschen Ab stimmungsgebiet nach Inkraft⸗ treten des Friedensbertrages, erfolgt die Erwiderung vom Regie— rungstzische, daß nach den Bestimmungen des Friedensvertrages der wirtschaftliche Verkehr, insbesondere auch die Kohleneinfuhr, in dem genannten Gebiet unbehindert weitererfolgen kann, nachdem das— selbe von den deutschen Behörden geräumt und einem internationalen Ausschuß unterstellt worden ist. Durch entsprechende Verhandlungen mit dem Reichskohlenkommissar wird Sorge dafür getragen werden, die Bedürfnisse des Gebietes in weitgehendem Maße zu befriedigen. Eine dringende kleine Anfrage der Abgg. Lukassowütz u. Gen. D. Nat.) betrifft die Ueberteuerungszuschüsse, die den Gemeinden und gemeinnützigen Bau⸗ und Siede⸗ lungsgenossenschaften gewährt worden sind, jetzt aber zum Teil nicht mehr gewährt werden.
Namens der Regierung wird dazu erklärt, daß die Fest— setzung von Terminen für die Herstellung von Bauten durch den Bundesrat am 31. Oktober 1918 vorgeschrieben worden ist. An= trägen auf die Ausdehnung dieser Termine ist stets entsprochen worden, wenn die rechtzeitige Fertigstellung ohne Verschulden des Bauherrn verzögert worden war; sie müssen abgelehnt werden, wenn die Hinaus— schiebung ohne Grund erfolgte. Die einmal zugesagten 3 chüsse würden auch gewährt werden. Die Berücksichtigung fernerer Anträge von Ge— meinden und Baugenossenschaften könnte nur erfolgen, wenn weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden. Verhandlungen darüber seien eingeleitet; es bedürfe aber eines anderen Modus für die Schätzung der Beträge, weil das bisherige Verfahren zu einer unerträglichen Be— lastung geführt habe.
Außerhalb der Tagesordnung bringt der Abg. Schmiljan (Dem.) einen Beschluß aller Parteien zur Kenntnis des Hauses, wonach sich ein gemeinsamer Ausschuß aller Parteien zur Beratung darüber gebildet babe, was zum Schutze der mittel baren und unmittelbaren Stagtsbeamten geschehen solle, die die gbzutretenden Gebiete verkaffen müssen. Dieser Ausschuß wolle die Regierung um eine schleunige hierauf bezügliche Vorlage ersuchen.
Es folgt die Beratung des Antrages de schusses für Bevölkerungspolitik Krüppelfürsorge.
Berichterstatter Abg. Dr. Schloß mann (Dem): Wir hatten bisher ungefähr 69 000 jugendliche Krüppel, von denen ein erheblicher Prozentsatz bei rechtzeitiger Behandlung eine Besserung seines Leidens hätte ersahren können. Durch die schlechte Ernährung der letzten Jahre ist die englische Krankheit in erschreckendem Maße gestiegen und damit auch die Anzahl der Verkrüppelten. Der Antrag des Ausschusses läuft nun darauf hinaus, eine öffentliche Fürsorge für jeden unbemittelten Krüppel unter 18 Jahre auf Grund eines mög⸗ lichst bald einzubringenden Gesetzes zu gewähren. Unter einer öffem— lichen Fürsorge versteht der Ausschuß eine rechtzeitige Behandlung de— heilbaren und besserungsfähigen Krüppel und die berufliche Ausbildung der Krüppel entsprechend ihrer Arbeitsfähigkeit, sowie die Anstalts— unterbringung für solche Krüppel, die ihrer bedürfen. Einem ohn Hände geborenen Lehrer ist es gelungen, sich eine so schöne Schrift anzueignen, um die ihn manche Leute beneiden könnten. Leider ist ein Knabe, der, ohne Arme zur Welt gekommen, den Lehrerberuf er— griffen hat, von einer Anstalt abgelehnt worden, mit der Begründung, daß die Schulkinder ihn nicht als voll ansehen könnten. Wir sind im Gegensatz dazu der Ansicht, daß er gerade den Kindern als Vor⸗ bild, wozu es der Fleiß bringen kann, dienen würde. (Sehr richtigh Neben der staatlichen Fürsorge muß aber auch die Tätigkeit der schon bestehenden Organisationen für Krüppelwesen weiter forfdauern. Unser Antrag bezweckt in erster Linie, aus „Zuschußmenschen“ steuerzahlende Menschen zu machen.
Der Antrag wird darauf einstimmig angenommen.
Es folgt der Antrag des Ausschusses für Be— völkerungspolitik über die Verhinderung der Aufführung von sog. Aufklärungsfilmen. Abg. Dr. Weyl (U. Soz.) Gur Geschäftsordnung), Da von unserer Seite ein Antrag zu dieser Materie vorliegt, und wir von der Annahme des Ausschußantrages uns keinen Erfolg versprechen, beantragen wir, diesen Gegenstand von der Tagesordnung abzu— . und die ganze Materie gemeinschaftlich mit unferem Antrage zu eraten.
(Fortsetzung in der Zweiten Beilage)
. ber Thee der dieben der Herten Mintster, zie m Wortlaute wiedergegeben werden. .
1 — — — —
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger.
n 245.
Berlin, Sonnahend, den 25 Oktoher
1984S.
(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)
co
Abg. Dr. Faßbender Gentr.) Gur Geschäftsordnung) bittet den Antrag Dr. Weyl abzulehnen, hier handle es sich um schleunige Beseitigung der wüstesten Auswüchse in dem Kinowesen.
Bei der darauf folgenden Abstimmung wird der Antrag Abg. Dr. Weyl abgelehnt.
Berxichterstatter Abg. Dr. Faßbender (Zentr.): Der Ausschuß ist einstimmig der Ansicht, daß die Kenntnis der Homosexualität in jugendlichen Kreisen verderblich wirken muß. Es geht nicht an, daß
des
daß unsere Schuljugend sich mit solchen Dingen beschäftigt. Glücklich sind diejenigen, die von sexuellen Verirrungen überhaupt nichts wissen. Es ist eine Schande, daß solche Schundfilms überhaupt aufgeführt werden. Die Mehrzahl der sogenannten Aufklärungsfilms berherrlichen geradezu den Sadismus, Masochismus und Flagelantismus. Bei der gegen—= wärtigen außerordenktlichen sexuellen Hochspannung sind solche Bar— stellungen durchaus unangebracht. Ich ersuche Sie, den Ausschußantrag anzunehmen.
Abg. Dr. Weyl (U. Soz): In der Verurteilung der Scheußlich— keiten auf dem Gebiete der Filmindustrie besteht wohl Einmütigkeit. Aber mit der Annahme des Ausschußantrags ist noch nichts erreicht. Wir müssen gegen diese im i in dem Kinowesen mit praktischen Maßnahmen vorgehen. Die Sache bedarf einer allgemeinen und Rundsätzlichen Regelung. Erst mit Annahme unseres Antrags auf Verstaallichung der ganzen Filmindustrie und der Kommunasisierung des Kinowesens wird eine Aenderung der jetzt unhaltbaren Zustände herbeigeführt werden. Gegen eine Zensur sind wir grundsätzlich. Durch eine solche wird das Gute mit dem Bösen vermengt. Mit Annahme ieses Antrags würden die gerissenen Kinospekulanten, die der Unkultur enen, nicht getroffen und ihnen nicht das Handwerk gelegt werden önnen. Aus diesem Grunde lehnen wir den Antrag ab, hoffen aber, n nicht zu ferner Zeit zu einer grundsätzlichen Regelung dieser Materie zu kommen.
Abg. Dr. Bronisch (D. Nat.): Der Vorredner erhofft wieder alles von der Sozialisierung und Kommunalisierung. Es handelt sich jetzt aber darum, so schnell wie möglich die zerstörende, vernichtende
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;
und vergiftende Wirkung, die diese sogenannken Aufklärungsfilms mit:
des
der Darstellung des perversen Sexuallebens verfolgen, zu beseiti Wir wollen nicht einen Tag länger mit dem Schutze unserer Juf egen die schlinmen Erscheinungen, die diese Filme zeitigen, warten. Für sittlich nicht ganz Gefestigte sind diese Films geradezu eine Gefahr. Außerdem aber gilt es hier, eine Reinigung des Begriffs von Kunst
gor gen. 2195 C112
Des und Wissenschaft vorzunehmen. Die Kunst vergißt unter dem Anschein der Aesthetik die Ethik.
Abg. Zimmer (Soz.): Wir sind für den Antrag, obwohl wir auch für Kommunalisierung der Lichispiele sind.
Abg. Schloßmann (Dem.): Es ist hohe Zeit, daß diese — entschuldigen Sie das deutsche Wort — Schweinerelen im Kinowesen aufhören. Der Aufklärungsfilm „Anders als die anderen“ ist über— haupt kein Aufflärungsfilm, sondern nur ein schmutziges Geschäfts⸗ und Reklamemanöber. Wir dürfen solchen Auswüchsen nicht mit ge— schlossenen Augen zusehen.
Abg. Dr. Moldenhauer (D. V.): Wir stimmen dem Aus⸗ schußantrage zu. Wir fordern unsere Staatsregierung auf, alles zu tun, um Mißstände auf dem Kinowesen zu beseitigen, und Kino auch zu einer Untethaltungsstätte zu machen.
Der Ausschußantrag wird angenommen.
Das Haus setzt darauf die Beratung des Haushalts
das
der landwirtschaftlichen Verwaltung fort.
Abg. Stendel (D. V): Die Rechtebeständigkeit des Erlasses dom 2. September wird ja nun an den maßgebenden Stellen unter—⸗ sucht werden. Der Minister hat an die höhere Weisheit der Reichs— justizbehörden appelliert, und wir sind damit einverstanden, aber eigent⸗ lich ist es doch ein blutiger Hohn, daß der Minister sich derartiges aus dem Hause hat sagen lassen müssen. Die Berufung auf den De— mobilmachungserlaß verstehe ich mit meinem beschränkten Untertanen— berstande nicht. Dieser Erlaß spricht von Störungen, die sich bei der Umstellung von. dem Kriegs. und, Friedenszustand hergusgestellt
haben müssen, mit wirtschaftlichen Kämpfen aber, wo es einfach „Hie s J h ö . / * * . j 3 Arbeitnehmer, hie Arbeitgeber!“ heißt, hat dieser Erlaß nichts zu tun.
Für die Zukunft müssen wir fordern, daß der Minister feine Erlasse, devor sie ergehen, auf ihre Rechtsbeständigkeit prüfen läßt. So war das früher, Herr Minister! (Unruhe bei den Sbzial— demokraten), Wozu haben die Minister denn die parlamen— Arischen Unterstaatssekretäre neben sich' Doch damit die größten Dummheiten bermieden werden. (Sehr gut! rechts. Nur in wei Kreisen Pommerns trat die Bewegung auf, da schießt der Ninister mit Kanonen nach Spatzen und gibt die sen Erlaß heraus ür die ganze Monarchie. (Große Heiterkeit; Auch dem Minister lbst ist dieser Lapsus einmal schon passiert, und Sie müffen Ihre Freude darum schon auch auf ihn ausdehnen. An dem Antrag Kanitz Ut der Minister getadelt, daß er separatistischen Bestrebungen im Isten Vorschub zu leisten geeignet sei; er hat aber wohl nicht bedacht, wit sehr der Erlaß vom 2. September diefe Bestrebungen im Westen sestirkt und den Ruf „Los von Berlin!“ dort ganz erheblich gesteigert Wt. Gurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten) Ich bin kein Separatist, das wissen Sie; ich lege hier den Finger in eine Wunde die der Minister unnötig aufgerissen hat. Tarifverträge müssen sein, bo die Landwirtschaft organistert ist und die weitaus größte Zahl in Ir Organisation sich befindet; das ist aber keineswegs überall im ande der Fall. Bei uuns in Hannover besteht noch ein so glückliches
Verhältnis, daß wir keine Tarifverträge brauchen.
so 1 *
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Ytriarchalisches Wir müssen gerade dem Landarbeiterverband zum Vorwurf machen, daß er zur allerungeeignetsten Zeit in Sschesbumn in diese Verhält⸗ msse eingegriffen hat. Wir lehnen daher auch den Antrag Wittich nit seinem Verlangen nach Aufstellung eines Bebauungsplans nach Em Grundsatz. volfewirtschaftlicher Notwendigkeit und nach Ver= endung des Grundbesitzes nach der Maßgabe der Rentabilität und Iweckmäßigkeit ganz entschieden ab; auf diesem Wege ist die Förde⸗ nung der landwirtschaftlichen Produktion nicht zu erreichen. In der Wahlagitation hat ein von Ihnen (nach links) bestellter Agitakor ge— ͤ3t: Wir denken gar nicht daran, die Landwirtschaft zu sozialisieren, . wollen Euch bloß vom Kapitalismus befreien, wir wollen Euch Hypotheken von den Dächern herunterholen. (Lachen bei den zaldemokraten. Zurufe: Wo ist das gesagt wordens Ramen ö men In einer Wahlversammlung in Ostfriesland; ich habe mit n Herrn bis tief hinein in die Racht diskutiert, den Namen weiß Y nicht. (Lachen links) Der Minister hat ja gestern, nachdem er m so auffälliger Weise drei Monate lang dazu keine Zeit gefunden „ä die Anstrengung der Klage gegen Herrn von der Osten ange⸗ undigt; ich würde ihm doch fehr empfehlen, auch in diefer Sache Fächer, ein juristisches Gutachten einzuholen. (-Sehr gut! und „üterleit rechts) Statt des Herrn Dr. Grimm hätte er
einen etwas; älter aussehenden, erfahrenen sozial—
doch lie ber mer ratischen Parteisekretär nach Pommern schicken sollen. Welche
bildung hat denn diefer Herr Sr, Grimm, der so dlötzlich zum
Wie
ierungsrat, und Landesskönomierat ernannt worden ist?
. vor seiner Ernennung ist er auf seine Tüchtigkeit erprobt onen? Seit wann ist es Mode, daß im Landwirtschaftsministerium
e w nisterigsdirek lor mit 3000 “ mehr Gehalt als die anderen ange⸗ ut wird? Gegen die Landwirtschafts kammern hat der Minister hier
im Hause sehr scharfe. Worte gebraucht. Er soll hier nicht auf— trumpfen, wenn er nicht die Macht und nicht das Recht dazu hat. KLebhafter Beifall rechts) Den Antrag der Frau Heßberger auf Zu—⸗ lassung der Frauen zu den Landwirtschaftskammern und in die Ministerialverwaltung begrüßen wir auf das lebhafteste. Den An— trag Kanitz bedauern wir sehr als einen Sonderwunsch, der dem Staatsganzen schaden würde, nicht annehmen zu können. Mit der Moorkultur muß energischer vorgegangen werden. Man muß auch den Landhunger der kleinen Leute mehr berücksichtigen. Bei der inneren Kolonisativn gilt es auch, die Leute da anzufiedeln, wo sie zu Hause sind. Die Moorkultur braucht nicht unbedingt nur im großen betrieben zu werden, es ist erwiesen, daß auch im kleinen dabei Erfreu— liches erreicht werden kann. Die völlige Melioration erfordert ja doch längere Zeiträume, und es schadet nichts, wenn die Kleinen auch einige Jahre länger arbeiten müssen. Die Viehzucht Ostfrieslands muß jede mögliche Förderung erfahren. Wir sind ein Absatzgebiet für den ganzen Staat. Die Preise müssen erhöht werden. Der ost⸗ friesische Bauer wird sein Versprechen, die auferlegten Mengen auch wirklich abzuliefern, unbedingt einhalten, wenn ihm die Hilfe des Staates zuteil wird. Er verlangt die sofortige Auflösung des Vieh⸗ handelsverbandes und die Freigabe des Handels innerhalb Deutsch— lands.
Unterstaatssekretär Ramm: Soweit der Abg. Stendel gegen unsere Verwaltung bezüglich der Moorkultur Vorwürfe hat erheben wollen, wären diese unberechtigt. Was wir an kleine Leute an Moor— flächen hergeben konnten, haben wir bereits hergegeben; wir können hier nicht weitergehen, ohne die großen Moorkultunprojekte zu schädigen. Die auf den kleinen Flächen erzielten Ergebnisse sind keineswegs er— mutigend; die Leute sitzen auf diesen erbärmlichen Moorflächen 20 Jahre und länger, ohne den Kauspreis abtragen zu können, während auf, den im großen fustivierten Mooren die Abtragung in wenigen Jahren erfolgt ist.
Abg. Bergmann (entre): Exrperimehte, wie Anbau— zwang und Sozialisierung, müssen gegenwärtig unterbleiben, da sie nur einen weiteren Rüchgang der Probuktion, veranhassen oder ihre Hebung unterbinden würden. Dig Freunde des An⸗ trages Wittich wollen ja nicht einen uniformierten Zwang für alle landwirtschaftlichen Bett nd es steckt in dem Antrage im Hinblick auf die Wirkungen der es Hafers auch ein berechtigter Kern. Aber bei näherer Prüfung überzeugt man sich leicht, daß der Pro⸗ duktion damit mehr geschade als genützt wurde. Wir werden den
Antrag ablehnen. en Seite hin muß alles geschehen,
was den Ertrag der Landwirtschaft zu steigern veymag. Als wirksame Mittel dafür betrachten wir eine großzügige Siedlungs—
politik, die Beschaffung von Produktions- und Büng mitteln, einen gesunden Ausgleich der Produzenten⸗ und Konsumenteninteressen bei der Preisbildung, eine befriedigende Regelung der Arbeiterfrage, im Zu⸗ sammenhang damit eine Refoym des ländlichen Wohnungsm sens Und schließlich die Förderung des landwirtschaftlichen Schul- und Bildungs⸗ wesens. Bei der Siedlungspolitik ist auf den dünner bebölkerfen Flächen des Ostens der Hebel anzusetzen. Wenn die Landwirtschaft über zu niedrige Pre ise klagt, so übersieht sie doch, daß auch während des Krieges weite Kreise des ländlichen Besitzes viel Geld verdient haben und daß infolge des verlorenen Krieges nicht bloß die Land—
wirtschaft, sondern das ganze Volk sich in (iner noch größeren Not— lage befindet. Den alten Maßstab aus der Vorkriegszeit können wit nicht mehr an unsere Wohlhabenhest anlegen. Vor überspannten Forderungen muß die TLandwirtschaft in ihrem eigenen Interesse gewarnt werden. Der Nennwert des hohen
Lohnes der Arbeiter ist ja eine Irreführung der öffentlichen Meinung, Die Kaufkraft des Lohnes ist jetzl viel geringer als sie bis 1914 war. Jedenfalls ist eine Anpassung an die Welthandelspreise nur ganz all⸗ mählich möglich. Die Dinge lingen auch nicht so, wie der Abg. Wester— mann behauptet, daß die Landwirtschaft heute in Zwanggsfesseln ge⸗ schlagen sei; alle anderen Erwerbsschichten befinden sich auch in einer
gewissen Gebundenheit, aruch die Arbeiterschaft ist nicht frei. Den Antrag Kanitz, der bloß für den Osten jenseits des ponischen
Korridors die Zwangswirtschaft aufgehoben wissen will, müssen wir nach eingehender Aussprache ablehnen. Durch irgendein Abkommen mit Pollen wird uns doch die Eisenbahnverbindung nach den östlichen Probinzen gesichert werden. Ostpreußen ist eine der wichtigsten Ueber⸗ schußprovinzen, wir können daher nicht leichten Herzens zulassen, daß es aus dem Lieferbereich ausscheidet. Die Wirkung würde sein, daß auch Schlesien, daß auch die westlichen Grengzbezirke die gleiche Be— rechtigung erhalten müßten, und damit wäre die ganze Zwangswirt⸗ schaft, die schon ohnehin so durchlöchert ist, total zusammengebrochen. Unzweifelhaft sind auch politische und agitatorische Momente bei der Stellung dieses Antrages maßgebend gewesen, und das können wir nur sehr bedauern. Heber die Vorschriften für die Zwangswirtschaft setzen sich heutzutage schon selbst behördliche Organe ganz ungeniert hinweg. So hat in letzter Zeit in Koblenz eine Konferenz, an der auch die Vertreter von Kommunalbehörden teilgenommen haben, neue höhere Höchstpreise festgesetzt (Hört, hörtk, deren Folge ist, daß fich jetzt die einzelnen Gemeinden untereinander Konkurrenz machen, daß eine ufer— lose Preistreiberei eintritt und der Zusammenbruch der Zwangswirt⸗ schaft auf diese Weise durch die Kommunen selbst beschleunigt wird. Die preußische Staatsregierung muß solchen Dingen unter allen Um⸗ ständen nachgehen und sie mit allen Mitteln zu verhindern suchen. Es gibt sogar verschiedene Kreiskommissare, die nur dann Kartoffeln an die Gemeinden liefern, wenn dafür Schmiergelder gezahlt werden. Das ist doch ein unerhörter Zustand. Hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung innerhalb der Landwirtschaft sage ich, daß auch für sie genau so wie für den Handel und das Gewerke eine gewisse Bindung bestehen bleiben muß. Durch eine engere Verbindung der landwirtschaftlichen Genossenschaften, und der städtischen ist eine Ausschaltung des Zwischenhandels zu erwarten. Nun zu der wichtigsten Frage, der landwirtschaftlichen Arbeiterfrage. Von' einer gesunden TLösung hängt in erster Linie das Gedeihen der deutschen Landwirtschaft
Cchaft und damit die, Zukunft unseres deutschen Volkes ab. In der Theorie ist die Gesindeordnung befeitigt, das Koalitionsrecht
ist freigegeben, Tarifverträge sind abgeschlossen usw., in der Praxis aber weht ein anderer Wind. Es muß unbedingt zu einer engeren Verbindung zwischen landwirtschaftlichen Arbeitgebern und Arbej ineh⸗ mern kommen. Erst dann werden gesunde Verhältnisse auf dem Lanze eintreten. Den Herrn Landwirtschaftsminister Braun halte ich für viel zu klug, als daß er sich auf irgendeinen einseitigen Stand⸗ punkt stellen wird. Den Vorwurf des Abg. Held, daß der Minister ein Minister für die Landarbeiter sei, halte ich infolgedessen für hin⸗ fällig. Gegen einen Zusammenschluß der Arbeitzcber auf dem Lande ist an sich nichts zu sagen, nur darf ein solcher nicbt zu einem Konflikt mit den Arbeitnehmerverbänden führen. Die Deputatlöhne müssen den Landarbeitern in natura ohne jede Verkürzung ausgezahlt werden, um dadurch die außerordentliche Beunruhigung in diesen Krei— sen auszuschalten. Der Notlage der sogenannten Heuerlinge, einer be— sonderen Gruppe von Kleinbesitzern und Landarbeitern, muß durch Ge— währung von Pachtland entgegengekommen und ihre schlechte Lage da— durch gebessert werden. Im christlichen Landarbeitzrverband ist die schleunige Abstellung aller dieser Verhältnisse beschlossen worden. Den Vorwurf des Abg. Schmidt, daß der christliche Landarbeitewerband nicht in derselben Weise die, Interessen der Landarbeiter wahre wie der sozialdemokratische, muß ich aufs allerentschiedenste zurückweisen. Es wäre sehr erwünscht, wenn endlich in das Landwirtschaftsministe⸗ rium auch endlich ein Vertreter der Zentrumspartei oder des christ—
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lichen Landarbeiterverbandes hineinkäme. D
aft, gesunden und unsere Volkswirtschaft sich wieder emporgrbeiten, so ist in erster Linie die sittliche Läuterung der breiten
Abg. Claußner (U. Soz.): Wenn Sie Gum Zentrum) mit dem Soziglismus zusammenarbeiten wollen, dann muß die wahre Christlichkeit bei Ihnen erst Einkehr haltem. Wag Sie bis heute darin geleistet haben, ist das Gegenteil dapon und nichts als Heuchelei. (Unruhe) Die Agrarier klagen den Terror der Arbeiterschaft an, während sie selbst den rück—
MT
t Terror üben. versorgung der Städte.
der Nicht Forderung eines
Ein hat die
23nd f Landbund
hundertprozentigen Aufschl— auf sämtliche ländlichen Erze se gegenüber dem Reichsernährungsminister Schmidt erhoben, en⸗ falls zum 1. Oktober jede Lieferung von Lebensmitteln eingestellt würde! Die Zwangswirtschaft darf nicht aufgehoben werden; ihre Notwendigkeit ist in Zeitungsartikeln gerade vom Reichs⸗
ernährungsminister Schmidt überzeugend nachgewiesen worden. Wenn
auch Herr Schmidt die hundert Prozent Mehrforderung entschieden zelehnt hat, so war doch schon einige Tage nachher diese Forde
fast restlos erfüllt, und jetzt wollen die Agrarier aufs Ganze g
sie wollen die ganze Hand, nachdem er ihnen den kleinen Finger gereicht
hat. Herr Schmidt hat in jenen Artikeln gesagt, daß bei den Pr
die die Nahrungsmittel im freien Handel erlangen würden, auch
Stundenlohn von 10 46 für den Arbeiter noch eine jammerbolle Ent—
lohnung sein würde. Im Westen hat der Schmuggel unter Beteili⸗
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gung der Agrarier einen ungeheuren Umfang angenommen; unser Ge ; 6 . . 6 treide wird nach Holland verschoben und in abse Zeit wird im s iet Brotgetreide überhaupt nich rhanden sein.
as im Landesverrat, es mu = faßt und unschädlich gemacht werden. Die ? e auch die gestrige Rede des Herrn von der Often klar nach wie vor die Partei der Gewalt und der Vergewaltigung.
Was
auf den Schlachtfeldern verblutete. (Unruhe und Zurufe rechts) haben Sie denn (nach rechts; an Opfern gebracht? Die systematische Entziehung der Lebensmittel ist mit eine Ursache des Zusammenbruchs gewesen. Sie sind die Mitschuldigen an dem großen Völkermorde, das ergibt sich auch aus den Aeußerungen des Grafen Bernstorff im Untersuchungsausschuß, wonach Ludendorff den Krieg durch den unbe—⸗ schränkten U⸗Bootkrieg in drei Monaten zu Ende bringen wollte, weil England aus Mongel an Lebensmitteln nicht länger mehr als zwei Monate aushalten könnte. So hat man das deutsche Volk damal belogen, so wollen Sie auch heute wieder durch Lug und Trug das deutsche Volk vor Ihre Karre spannen. Diese verbrecherische Politik, wie sie auch jetzt noch im Baltikum getrieben wird, muß endlich auf—
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hören.
Abg. Koch⸗Deynhausen (D. Nat.); Das Ergebnis bisherigen Erörterung der Zwangswirtschaft läßt sich ziehen, daß die bürgerlichen Parteien mehr oder weniger na Sicherung des Bedarfs der großen Volksgeminschaft für Lockerung eintreten, die Linke aber nicht davon ablassen will. Von
allen Betrieben widerstrebt gerade der landwirtschaftliche der Zwangs⸗ bearbeitung am meisten. Unter allen Umständen die Wirtschaft wieder freigeben, will niemand. Aber gefordert wird, daß, wenn und insoweit der Bedarf der großen Volksmasse gesichert ist, der überschießende Vor⸗ rat dem Erzeuger zur freien Verfügung bleibt. Die Volksernährung muß selbstverständlich sichergestellt werden, aber alles, was darüber hinausgeht, muß den Besitzern überlassen werden. Wär sind auch für eine Aufhebung der Zwangswirtschaft bezüglich der Schweine⸗ bewirtschaftung. Trotz der bestehenden Zwangsbewirtschaftung der Schweine ist nicht ein einziges Schwein zu sehen. Versuchen wir es einmal mit einer Aufhebung der Zwangswirtschaft. Die Herren don der Regierung müssen ihre ganze Aufmerksamkeit auf eine För— derung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse richten. Auf dem Lande müssen maschinelle Einrichtungen, wie Drieschmotore u. a., infolge des fehlenden Betriebsstoffes ihren Dienst einstellen, während auf der an— deren Seite in den Großstädten die Anzahl der Autos eine immer größere wird. Die Land⸗
Hier muß unbedingt Remedur eintreten. Die wirtschaft ist schon während des Krieges in ihrer Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt worden, und nun erscheint noch der Erlaß des Ministers, der mit Gewaltmaßregeln droht. Der Minister ist der sozialistische Generglsekretär für das platte Land. (Sehr richtig! rechts) Die ministerielle Verordnung vom 2. Septeniber ist nach unserer Auffassung ein Rechtsbruch. Wenn jetzt durch einen Erlaß dem Großgrundbesitzer Unrecht zugefügt wird, so kann es am anderen Tage auch dem kleinen passieren. Es muß immer Recht Recht bleiben. Die Lage von Ostpreußen ist nicht mit der Lage einer anderen Pro— vinz zu vergleichen. Wie auch immer die Abstimmung in Ostpreußen ausfallen möge, zwischen Ostpreußen und das Reich schiebt sich ein Korridor und es wäre deshalb angebracht, Ostpreußen eine Ausnahmestellung einzurämen. Bezüglich der Tarifverträge haben wir immer unsere Freude darüber zum Ausdruck gebracht. Sie müssen aber auch von beiden Seiten gehalten werden. Höheren peku— niären Anforderungen nach Venbesserung der landwirtschaftlichen Schulen und Hochschulen sind wir immer zugänglich. Den Wünschen der Hochschullehrer und Hochschulforscher muß schon im Interesse einer Erhöhung der Produktivität der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ent— gegengekommen werden. An die Selbstversorger auf dem Lande ge⸗ langen die behördlich verteilten Lebensmittel nur in verschwindendem Maße. Die Gehilfen und Sekretäre bei den Spezialkommissionen wünschen Verbesserungen in ihren Gehaltsbezügen; wir empfehlen diese Wünsche dem Wohllwollen der Behörden. Welchen Preis wird die Regierung für das Rindvieh zahlen, das jetzt in der Zahl von 140 096 an die Entente abgeliefert werden muß?
Hierauf wird ein Schlußantrag angenommen.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Braun: Meine Damen und Herren! Bei der vorgerückten Zeit ist es mir naturgemäß nicht möglich, noch auf alle die Dinge einzugehen, die hier heute und gestern nach meiner letzten Rede Gegenstand der Erörterung gewesen sind. Alle die Anregungen, die sich auf die öffentliche Be— wirtschaftung der Lebensmittel beziehen, kann ich nicht zum Gegen— stand meiner Erörterungen machen, da sie nicht zu meiner Zuständigkeit gehören. Der Herr Staatskommissar für die Volksernährung ist durch eine Konferenz, die er auswärts abzuhalten hat, leider ver— hindert, an der Sitzung teilzunehmen; es können daher diese An— gelegenheiten von Regierungsseite nicht besprochen werden.
Bezüglich der Differenzen, die zwischen mir und dem Reicht⸗ wirtschaftsminister öffentlich in die Erscheinung getreten und von dem Herrn Redner des Zentrums hier zum Gegenstand der Erörterung gemacht worden sind, möchte ich nur das eine erklären, daß sachlicke Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Reichsernährungsminister und dem wpreußischen Landwirtschaftsminister auch früher schon vor—
gekommen sein sollen und ebenfalls Gegenstand öffentlicher Erörterung