1919 / 256 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 07 Nov 1919 18:00:01 GMT) scan diff

„über die Zulassung einer anderen Amtssprache neben. der deutschen in gemischtsprachigen Landesteilen“ in der Fassung

der Regierungsvorlage beschlossen. Ebenso gelangt der An— trag Beyer betr. der Einrichtung von Beiräten mit der Aenderung nach dem Antrage Scholich⸗Ruer zur Annahme, daß die Beiräte in Fragen grundsätzlicher Natur zu hören sind. Der so umgestaltete 8 1 erhält die Stimmen des Zentrums und der Sozialdemokraten. Das Präsidium erklärt den 51 für angenommen. (Widerspruch rechts; Abg. Graef: Nach unseren Beobachtungen hat für den 8 1 die Minderheit ge standen)

Präsident Leinert: Sie werden die von hier oben gemachten gecbachtungen schon als richtiger gelten lassen müssen. (Ruf rechts: Gegenprobel7 Die Gegenprobe wird gemacht, wenn das Büro zweifel⸗ haft ist, nicht, wenn ein einzelner Abgeordneter zweifelhaft ist.

Im S8 2, der von den Provinzialstatuten handelt, die sich

halb der bestehenden Gesetze halten müssen und nach der Vorlage der Bestätigung durch die Staatsregierung unter— liegen, wird nach dem Antrage Scholich die Wiederherstellung der Regierungsvorlage gegen die Stimmen des Zentrums und der Demokraten beschlossen. (Heiterkeit und mehrfache Rufe: Die neue Mehrheit!)

§z 3 (Anhörung des Provinzialausschusses vor Besetzung der leitenden Verwaltungsstellen einer Provinz) wird nach den Ausschußvorschlägen angenommen.

Der Antrag Ruer, betr. die pravinziellen Besonderheiten

3 or kal innerhalb

C I Schleswig-Holsteins, wird durch diese Beschlüsse für erledigt erklärt.

Die dritte Lesung wird für heute von der Tagesordnung abgesetzt.

Der Gesetzentwurf, betr. die Amtsdauer der Mitglieder der Handelskammern, wird in erster Lesung ohne Erörterung erledigt und in zweiter Lesung unver⸗ ändert angenommen.

Es folgt die zweite Beratung des über die Kommunalisfierung de schaft Charlottenburger Was

Abg. Brust (Zentr) beantragt, und die Vorlage s ge zurückzustellen, bis das Reichs kommunasi⸗ sierungsgesetz verabschiedet ist. Nach seinen Informationen werde sich die Nationalversammlung in kürzester Zeit damit beschäafligen, und es sei die Kommunalisierung dieser Wasserwerke auch nicht so dringlich, daß sie feinen Aufschub vertrüge.

Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.) ersucht dringend um Ablehnung dieses Antrages, der eine Verschiebung ad calendas graecas bedeuten würde. Man würde damit den ersten Versuch einer Sozialisierung in Preußen verhindern. Es sei sehr bedauerlich, daß ein solcher Antrag gerade von einer Partei gestellt werde, die sich zuerst hinter die, Ne⸗ gie rung, gestell t habe, um endlich irqen mo mit derzSozialisiexung einen Anfang zu machen. Seitens der beteiligten Gemeinden sei gerade die

esetzentwurfs Aktiengesell⸗ rwerke.

die Bexatung abzusetzen

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So .

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cllerscknellste Verabschiedung der Vorlage gefordert worden, die auch

mit Rücksicht auf

sichtlich der Enisck

billigt ein solches Verfahren nicht ohne weiteres.

2

l Berlins eine; dringende

die Zusammenfass ng Groß Notwendigkeit sei, * , ,,

Abg. Heil mösnnz (Soz.): Ich bin heute informiertz worden, daß das Reichs kommühakssierungsgesetz noch in den ersten Stadien der Vorbereitung steckt und noch nicht einmal das Reichskabinett beschäftigt hat. Wenn Herr Brust meinte, daß das Gesetz keine Eile habe, so spricht dagegen ein Schreiben der Wasserwerkedirektion, wonach dringend verlangt wurde, daß so rasch wie möglich Klarheit geschaffen werden müsse.

Abg. Aa mmer (D. Nat.): Der Antrag des Zentrums könnte zu einer höchst hedauerlichen Verschleppung der Sache führen, so hin⸗ idigungsfrage, bei der es sich um Millionen handelt. Wir würden uns ein geistiges Armutszeugnis ausstellen, wenn wir die Beratung zurückstellen wollten.

Abg. Dr. Rue r (Dem ): Wir halten es für zwecklos. die Vorlage jetzt zu beraten. Im Ausschuß hat unser Kollege Cassel dafür aefänchft, den Aktionären den Rechtsweg offen zu halten. Die inzwischen Rn Knaft getretene Reichsbeifässung machtz eine Umoestal tung der Vorlage

iötig, sie kann if der Form hie sie kim ? Ausschuß erhalten hat, nicht.

weiter verfaßt werden. Auch wir ind zur alsbaldizen. Verabschidung?

der Vgrssze und zun Ueberführnng der Werke im ffentlichen Besitz reif n in der jetzigin Fassung verstößt die Vorlage gegen die Vorschriften der Reichsverfassung. . Abg. Bru st (Zentr.): Eine Verschleppungsabsicht hegen wir richt. Aber das Gesetz schließt jetzt den Rechtsweg aus und die Vexfassung Deshalb wollen wir zunächst das Reichskommunalisierungsgesez abwarten. Im Aus— schuß wurde ein Schreiben des Reichsministers des Innern Koch ver—

lesen, auf das meine Infgymation zurückgeht. . Aba. Heilmann: Von einem solchen Schreiben weiß ich nichts,

.

loser Nebereinstimmung mit der, Reiche berfaslung zu bringen.

worden; das ist die Wahrheit, der wollen wir, doch niemals untreu

Nachdem noch der Abg. Lüdemann Soʒz festgestellt hat, daß dem Ausschuß ein Schreiben des Ministers Koch nicht

vorgelegen, sondern daß der Abg. Dominicus aus einem

solchen Schreiben einige Sätze zitiert hat, wird der Antrag Brust auf Absetzung des Gegenstandes gegen die Stimmen des Zentrums und der Demokraten abgelehnt. Das Haus tritt in die Beratung ein.

Nach der Vorlage soll das Eigentum an den Aktien) der

Charlottenburger Wasserwerke gegen Entschädigung entzogen.

und auf die Gemeinde übertragen werden! Die Gemeinde hat die Aktionäre nach dem Werte der Aktien zu entschädigen. Die Bestimmung, daß dabei die den Ertrag herabmindernden gesteigerten Betriebskosten berücksichtigt werden sollen, hat der Ausschuß aestrichen.

Die Abgg. Heil mann (Soz.) und Genossen bean⸗— tragen in der Einleitung zu bestimmen, daß die Regierung dieses Gesetz im Reichsrat einbringen und dahin wirken soll, 9 es so rasch als möglich als Reichsgesestz kundgemacht wird.

Die Abgg. Dr. Friedberg (Dem) und Genossen be⸗ antragen, daß die Entschädigung durch einen besonderen, aus fünf Personen zu bildenden Ausschuß festgesetzt wird. Der NVorsitzende und ein Beisitzer des Ausschusses soll durch den Präsidenten des Kammergerichts zwei Beisitzer von dem Rektor der Technischen Hochschule in Charlottenburg und ein Bei⸗ sitzer durch die Handelskammer in Berlin bezeichnet werden. Gegen die Entscheidung des Ausschusses soll der Rechtsweg zulässig sein.

Hierzu beantragen die Abgg. Sammer (D. Nat.) vnd Genossen. daß die Entschädigung „nach dem tatsächlichen Werte“ festzusetzen ist. 9

Abg. De ilRn ann (Soz): Eigenart ig an diese: Vorlage ist, Caß nicht die Wafferwerke, sondern die einzelnen Aktien enteignet werden sollen. Alle juristischen Einwendungen e, sind von den Ver- tictern Tes Justizministeruma und des Mnisteriumg dei Innern m Uusschuß glänzend abgefertigt worden. Trotzdem beharrten Ver⸗ treter aller Fkärgerlichen Part. en dabei, das wolle ntscha digung gewährt werden und dafür der Rechtsweg offen gelassen wer den sollo Ser Staat kat die Schöpfgerechtigkeit biz zum Jahre WM der Riehen, er darf sie dahtr amm Interesse der Allgemeinheit wieder ent ziehen. Die Aktien staänden heute unter pari, wenn nicht am 1. Fe- Frua: 1915 die Volksbeguftragen die Erhöhung des Waf ergeldes perordnet hätten. Gs handelt sich um ein Monopol, as im Inleresse der Allgemeinheit laängst verfallen ist. Hier hat der gesunde Rechtssinn Tes Volkes zu enischeiden. Wenn der Rechtsweg zugelassen wärde, so könnten alle einzelnen drei⸗ bis viertausend Aktionäre iahrelangf Prozeffe um die Entschädigung führen. Dabei könnte das Werk nickt arbeiten. Deshalb muß Tie Entschädiguna einem rasch ent scheidenden Schiedsgericht überlassen werden. Im Ausschuß ist. die Vorlage mit 11 gegen 19 Stimmen angenommen worden. die Aiheiter⸗ abgeordneten aus allen Parteien haben sich dabei zusammenge schlossen, auch der Demokrat Ommert und Herr ruft vom Sentrum bahen, Dafür gestimmt., Der erste Fall einer praktiscen Sozialisierung hat alle Arbeiter vereint, Inzwischen hat aber die Reick sverfassung be—= stimmt, daß enteignet werden darf nur gegen angemessene Entschädi⸗ gung und daß wegen der Höhe der Entsckädigung der Rechtsweg offen zu halten ist, wenn nicht ein Reichsgesetz etwas anderes bestimumt.

Leider haben wir diese Vorlage nicht noch rechtzeitig vor der Reichs- verfassung verabschieden können. Durch die Schuld des Vorsitzenden

des Ausschusses, Abg. Rosenfeld, ist die Ausschußberatung verzögert worden. Ich hatte im Ausschuß beantragt, die Vorlage ohne schỹift⸗ liche Berichterstartung schnell zu verabschieden, um der Reichs verfassung zuvorzukommen. Der Abg. Rosenfeld nannte mich einen Lügzer, weil ich behauptet hätte, er hätte für meinen Antrag gestimmt. Das habe ic nicht behauptet, Herr Rosenfeld hat überhaupt nickts gesagt und eine Abstimmung haf überhaupt nicht stattgefunden, weil ich meinen Antrag zurückzog, da er von keiner Seite Zustimmung fand. Von einem Sozialtemokraten, wie Herrn Rosenfeld, hätte ich unbe, dingt erwartet, daß er sich mit innerer Wärme und deidenschaft für diesen erften Fall der Sozialisieruag eingesetzt hätte, aber Herr Rosenfeld hat die Erledigung der Vorlage verzögert. Diesen meinen Vorwurf halte ich vollkommen aufrecht, wenn ich deshalb auch Lügner beschimpft werde. Demagegenüber sage ich nur; Du schimpfst mein Freund, du hast Unrecht. Die ganze Sache zeigt, daß die Unabhängigen mehr Leidenschaft zur Phrase als zur Sache haben. Sehr wahr b. d. Sozialdemokraten) Wag soll jetzt aber geschehen? Hert Tewes hat erklärt, der Rechtsweg müsse offengehalten und Ent— schädigung gewährt werden, deshalb boantrage er Entschädigung der Schöpfgerechtigkeit zum Erwerbspreis. Dieser Wea ist aber wegen der Reichsperfasslung nicht gangbar. Es bleibt die Möglichkeit, zu enteignen mit Freilassung des Rechtsweges und auf dem Wege über ie Reichsinstanz die Rechtsgültigkeit des Gesetzes zu erlangen. Den Gesetzentwurf gänzlich fallen zu lassen, scheint uns unmöglich, Die Stellungnahme der Reichsvegierung ist nicht so schnell zu erlangen weil die Minister sehr häufig wöchseln. Minister Koch ist zwar

bereit, feinerses ts Faldiost Stellung zu nehmen, dann müssen aber doch)

die einzel nen Ressorts gehört werden, und im günstigsten Falle ver⸗ gehen noch viele Monate, ehe die Naftionalversammlung dieses Gesetz zu ihrem Beschlusse erheben kann, und dabei ist das Gesetz heute so, dringend wie je zuvor. Groß Berlin berträÿʒgt es nicht mehr. daß sich Privatkapitalisten an ihrem Wasser bereichern. Das Gesetz kann und! muß geschaffen werden. Wir fassen dieses Gesetz in. Cie Form Liner Refollttion und fordern von der Reichsregierung nicht Lüm Gesetz zur Kommunalisierung der Charlottenburger sserwerke, sondern das Gesetz, wie wär es hier beschließen. Der Einfluß: der preußischen LUndesderfammlung ist schon dußerst zusammengeschmolzen; soll es uns unmöglich gemacht werden, uns mit einer derartigen Vorlage an die,

Reicht regierung zu wenden, dann sollten wir lieher das Hans schließen.

Dieses Gesetz hat eine große symbolische Bedeutung, und Abgeorz neter. Rofenfeld lecht sich doch heimlich ins Fäustchen, da ihm die Sache

für seine Aglhation sehr zu Nutze kommt. Se haben hier Gelegenheit,

das Vertrauen der Arhei terschaßt zum Parlament und zur Demokratie zu stärken. Stützen Sie die schwankenden Massen, es gilt hier die erste Probe auf den praktischen Sozjaltsmus zu besteben. (Beifall bei den Sozigldemokrgten . 5 266 Abg. Dr. Ko se De Nat): 3 Wenn wir auch den; Grün dgedgnken det Gesetzes zu stimmen so hähen wir zhch gegn einzelne Teils derselben Bedenken, namen lich hinsicka lich. der Gent scktßigünge frage. Wenn man den Kurswert der? Akfiens umsetzt, so bedzütet dies doch die Anerkennung, eines gewissen spekülatiben Wertes, der Ertragäwert wäre kein gerechter, MWaßstab, denn dann läge die Möglickkeit vor, daß man den Tarif so' ansetzt, Taß das Unternehmen überhaupt keinen Ertrag mehr liefert. Schließlich käme die Möglichkeit in Frage, das Werk nach dem gemeinen Wert abzuschätzen. Im allgemeinen sind wir für die Beschreitung dieses Weges. Im allgemeinen ist bei der Soziglisierung das Schlagwort vom Kampf gegen den Kapitalismus gebräuchlich. Hier handelt es sich aber nicht um großkapitalistische Aktieninbaber, der größte Teil der Aktien ist in den Händen wohltätiger Stiftungen, Kirchengemeinden! and des Mittelstandes, von Leuten, die sich mühsam ein kleines Kapital erspart haben, bon deren Renten sie an ihrem Lebensabend zu zehren gedenken. Ferner haben wir Bedenken gegen die Festlegung der Grenzen der Gntschädigung für den Schiedsrichter; desgleichen gegen den Aus— schluß des Rechtsweges! der im S 5 der Vorlage vorgesehen ist. Dieser. Aussckluß des Rechtsweges widerspricht jedem Grundsotz von Recht und Billigkeit, sowie dem klaren Wortlaut des Art. 153 der Reichsverfassung. Durch den Abänderungzantrag des Abg. Heilmann ü. Gen., das Gesetz im Reichsrat als Vorlage einzubringen, und es als Reichsgesetz zu verabschieden, würde diese Frage, die früher als sehr dringlich bezeichnet wurde, nur verschleppt werden. Wenn es als Reichsgesetz erlassen werden kann, so haben wir in Preußen eben so gut das Recht, dieses Gesetz zu verabschieden. Das ist auch wünschens⸗ wert, da Preußen so schon genug von seiner Selbständigkeit an das Reich abgeben muß. Der Vorwurf des Abg. Heilmann gegen den Vor= sißenden des Ausfchusses, Dr. Rosenfeld, er hätte den Gesetzentwurf berschleppt, ist falsch. Wir hätten die Vorlage tatsächlick früher erledigen können, aber wenn, es nicht geschehen ist, so ist das nicht durch die Schuld des Herrn Dr. Rosenfeld, sondern durch die Schuld des Abg. Heilmann geschehen. Er hätte an den Anfang der Tagesordnung geseßzt werden müssen. . Abg. Dr. Rosenfeld wendet sich in einer merkung gegen den Abg. Heilmann. Um 514 Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung auf Freitag, 12 Uhr (außerdem kleine Anfragen, kleinere Vorlagen, Bergwerksetat).

persönlichen Be⸗

Parlamen tarischer Aru s schu ß

für die Untersuchung über die Schuld am Kriege und an dessen Verlängerung.

J. Sitzung vom 6. November 1919. . (Bericht des Nachrichtenbürös des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

f mer Abg. Warmuth eröffnet die Sitzung um 1016 Uhr. Es werden die Verhandlungen des zweiten Unteraus-— schusses über die Friedensmöglichkeiten während des Krieges sortgesetzt. . Sachverständiger Gesandter 4. D. von Romberg bittet, vor der Vernehmung, des Admirals Koch einige Fragen an den Grafen von Bernstorff richten zu dürfen. Herr don Romberg: Graf von Bernstorff stand auf dem Standpunkt, daß Wilson uns verhältnismäßig günstig gesinnt sei, während in Berlin das schwerste Mißtrauen bestand. Ich habe den

Eindruck, daß zwischen der Botschaft in Washington und der Zentra =

telle in Berlin in dieser wichtigsten Zeit nicht immer die notwendige Verstaͤndigung bestand, daß man aneinander vorbeitelegraphiert hat. Das lag an den Verkehrsschwierigkeiten. Wäre der Boischafter nicht in der Lage gewesen, einmal nach Deutschland zu reisen oder weniastens einen Beamten der Botijchaft nach Deutschland hinüber zu schicken? Welche Schritte hat er geian, um bei der amerikanischen Megierung eine solche Forderung durchzusetzen?

Graf von Bern storff: Unser einziges Kabel war zerstört worden. Sämtliche Schiffe mußten in England anlaufen. So blieb uns nur der drahtlole Weg. Die amerikanische Regierung hat sich zu Anfang auf den Standpunkt gestellt, daß die drahtlose Station vor dem Kriege nicht in vollem Betriebe war und daß sie nach den Bestimmungen der Haager Konvention nicht erweitert werden dürfe. Auch französisches Kapital war zaran beteiligt, und die französischen Mitbesitzer verlangten sofort die Schließung der Station. Die amerikanische Regierung nahm darauf die Station selbst in Ver⸗ waltung und verlangte, daß sie von allen Telegrammen Kenntnis

erhielt. Wir durften chifftieren, mußten aber die Chiffre bei der ameritanischen Negierung, deponieren. Diese kannte also den Inhalt unserer Depeschen, der allerdings der Entente

verheimlicht wurde; ob es wirklich der Fall war, kann ich natürlich nicht beschwören. Es bestand die Absicht, den jetzigen Unterstaats⸗ sekretär Albert auf dem Unterseeboot Deutschland nach Berlin zu schicken. Diese Reise scheiterte aber an dem Einspruch des Kapitäns König. Ich selbst konnte natürlich nicht weg, die Entente würde mich nicht durchgelassen haben. Die amerikanische Regierung hat den Ver⸗ hältnissen in gewissem Sinne Rechnung getragen, indem sie Gerard nach Amerika berief.

Heir von Rom berg bittet den Staatssekretär a. D. Zimmer⸗ mann um Auskunft über die Verkehrsschwierigkeiten, wie sie sich in Berlin darstellten.

Staatssekretär a4. D. Zimmermann: Ich habe mich auch mit Gerard darüber unterbalten, ob es nicht möglich wäre, ein größeres Entgegenkommen herbeizuführen. Gerard erklärte, daß seine Regierung die Neutralität nach außen hin wahren müsse. Es könne von der Entente nicht unbemerkt bleiben, wenn wir zu häufig von dem amerikanischen Kabel Gebrauch machten. Infolgedessen waren wir verpflichtet, unsere Korrespondenz mit dem Botschafter möglichst zu beschränken. Der funkentelegraphische Verkehr war für geheime Nachrichten durchaus ungeeignet. Wir hatten das Mißtrauen, daß unsere chiffrierten Depeschen sofort der Entente bekannt gegeben wurden. Ein anderer umständlicher Weg über verschiedene neutrale Stationen konnte nur in den äußersten Fällen benutzt werden. Gin persönlicher Meinungsaustausch mit dem Botschafter oder eine Ueber⸗ mittlung persönlicher Eindrücke aus der Botschaft wäre uns ehr er- wünscht gewesen. Die Heimfahrt des Geheimrats Albert scheiterte, weil die Gesellschaft, der das U⸗Boot gehörte, nicht Unannehmlich⸗ keiten mit der amerikanischen Regierung sich aussetzen wollte.

Abg. Dr. Schücking: Sahen Sie in dem Verhalten der amerifanischen Regierung in diesem Falle eine unfreundliche Handlung?

Graf von Bern storff: Wir waren der Ansicht. daß der Standpunkt der amerikanischen Regierung falsch sei. Diese glaubte, sie könne nach der Haager Konvention nicht anders handeln.

Auf eme Anfrage des Sachverständigen Dr. Hoetz sch erklärt

Graf von Bern storff weiter: Die Chiffre wurde nicht so oft gewechselt, wie das unter normalen Verhältnissen geschehen wäre. Wäre der Verkehr nicht unterbrochen worden, so würden wir monat⸗ lich oder alle zwei Monate einen Wechsel vorgenommen haben. Wir haben nur durch die beiden Reisen der Deutschland neue Chiffren erhalten. Später erfuhr ich, daß die Engländer unsere sämtlichen Telegramme dechiffriert haben. Wenn eine genügende Anzahl von Telegrammen vorhanden war, so konnte jede Chiffre dechiffriert werden. 4

Abg. Dr. Hoetz sch: Von Verrat oder Leichtfertigkeit ist alf⸗ keine Rede?

r Graf von Bern storff: Ich glaube nicht an Verrat oder Fahrlässigkeit.

Darauf erfolgt die Vernehmung des Admirals Koch, den sersten Mitarbeiters des verstorbenen Chefs des Admitalstabsz von Holtzendorff. Vorsitzender Warmuth: Wir sehen, wie seit Frühjahr 1916 sich ein starkes Drängen nach dem rücksichtslosen U⸗Boottrieg zeigt. Dieses Drängen verliert auch nicht an Kraft durch den Widerstand seitens m zipiler Instanzen. Vorbehaltlich der Verlesung von Nieder⸗ . leib, des. Herrn von ⸗Holgendorff hüte ich Sie, zu beantworten krieg. welche Gesantlage also schien dieses erforderlich zu machen * 2) Was rechtfertigte die Zubersicht in die Leistung des rücksichtsloesen ⸗Bootkrieges? 3) Was war die Ursache, daß dieser mit Sicherheit angenommene Erfolg ausblieb? Schließlich wird noch die Unterfrage gestellt werden: Wie war technisch eine Möglichkeit gegeben, den einmal ins Leben gesetzten rücksichtslosen U⸗Bootkrieg wieder rückgängig zu machen?

Admiral Koch: Es ist Ihnen allen bekannt, daß die englische Flotte von Kriegsbeginn an sich dauernd von deutschen Gewässern fern hielt: abgesehen von einigen Vorstößen in die deutsche Bucht war nichts von ihr zu sehen. Wider Erwarten verzichtete England also auf eine Seeschlacht, denn es felbst konnte wohl nicht annehmen, daß die schwächere deutsche Flotte den Feind an seiner eigenen Küste aufsuchen würde, was unter faktisch un günstigen Bedingungen statt⸗ finden müßte. Wir mußten annehmen, daß das übermächtige England uns auffuchen würde. England ging auch nicht zu einer völkerrechtlichen Blockade über in dem tlaren Bewußtsein,

daß, wenn es dies getan, hätte, damit, einen großen Teil seiner Flotte im Blockadedienst verloren haben wurde, letzten

Endes wäre doch wohl gezwungen gewesen, seine Schlacht⸗ flotte einzusetzen. England bemühte sich statt, dessen, seine Kriegsschiffe vom Kriegsschauplatz zurückzubalten, sie in sicheren Häfen aufzubewahren und statt eine Blockade nach internationalen Regeln eine solche zu eröffnen, die allem Völkerrecht Hohn spricht.« Es konnte mit leichten Streitkräften und Hilfsfahrzeugen aller Art phyfssche Aughungerüng des deutschen Volkes den Frieden erzwingen unter ö von Neutralen. Auf diese Weise entstand die sogenannte Hungerblockade, die unserem Volke so

1

sich die englisch? Brutalität und Mißachtung jeder völter= rechtlichen Regelung zeigte. England setzte sich mit souveräner Mißachtung jeden Rechtes über alles hinweg. Seit

Herbst 1914 hatte England so seine Hand an unserer Gurgel, und Deutschland war dagegen fast macktlos. Da erstand in der U⸗Bootwaffe das gegebene Mittel, dem englischen Wirischaftsleben und damit schließlich auch seiner volitischen Macht und der gesamten

Kriegführung der Entente in Gestalt der Verringerung seines Fracht⸗

raumes Schaden zuzufügen. Die Stärke des U⸗Boots liegt in seiner Fähigkeit, den Feind unter Wasser anzugreifen und der gefürchteten Torpedowaffe auszuweichen, die Boote sind klein und unsichtbar seine Schwäche liegt in seiner leichten Verletzlichteit bei Ueberwasserver⸗ wendung. Die U. Boote sind bis auf neuere Zeit nicht gepanzert ge= wesen, jeder einzelne Treffer konnte also das Boot außer Gejecht setzen und vor allen Dingen tauchunfähig machen. Vor allen Dingen war einem getroffenen U⸗Boot die Möglichkeit genommen, aufzutauchen. Allerdings mußte bei Verwendung der U⸗Boete eine unterschiedliche Behandlung von feindlichen und neutralen 366. fast unterbleihen, wodurch eine Gefährdung der neutralen

üehungen nicht ausgeschlossen war, Zum erstenmal war durch das U-Boot die Möglichkeit gegeben, ohne Besitz der Seeherrschaft die Art an die englische Seeherrschaft zu legen, zudem war die An—= wendung dieses Machtmittels abhängig von der militärischen Not= wendigleit. Im Herbst 1916 war etz immer klarer geworden, daß die physischen und wirtschaftlichen Hilfsmittel Deutschlands und vor allem unserer Bundesgenossen, binnen absehbarer Zeit zur Neige

aingen im Erschöpfungskrieg und in der Hungerblockade. Fine Aus- si hi auf eine günstige Entscheidung im Landkriege war kaum noch

schwere und entsetzliche Leiden gebracht hat, in deren Ausführung“

as bestimmte, die ses T* ähngen nach dem rücksichtslosen U⸗Byot⸗

die Zugänge zur Nordsee absperren und durch wirtschaftliche und

vorhanden. Nach Ansicht des Admirglstabs mußte auch die Rücksicht auf Neutkale zurücktreten. In der Denkschrift des Admirelstabs, dle am 22. Dezember dem Hauptquartier übergeben wurde, ist die Ansicht Holßendorffs hierüber festgelegt. Darin heißt es, daß das Ende des Krieges unter allen Umständen baldigst herbeigeführt erden müsse, wobei auch die Folgen einer amerikanischen Kriegt. erklärung nüchtern abzuwägen seien. Uns blieb nur die Wahl zwischen wei Kbeln, von denen das eine der sichere Untergang war. Die Antwort auf das deutsche Friedensangebot hatte gezeigi, daß unsere Feinde es auf die: Vernichtung Deutschlands abgesehen hatten. Admiral von Holtzendorff war der Ansicht, daß die Zeit von da ab nicht mehr für uns, sondern gegen uns arbeite, der Krieg könne auf dem gande nicht mehr gewonnen werden und außerdem verlange die Oberste Heeresleitung die Unterstützung der Marine. Die Neigung der Entente, auf annehmbarer Basis zum Frieden zu kommen, war für ihn so gut wie ausgeschlossen.

. Vorsitzender Warmuth: Wußte Herr von Holtzendorff, daß die Wilsonsche Friedensaktion von Deuischland angeregt und daß zwischen dem 12. Dezember und dem 1. Februar auf Wilson u immer in gleicher Weise hingewirkt wurde?

Admiral Koch: Ich weiß es nicht genau, ich nehme es an; er war sast immer im Hauptquartier.

Herr Dr. von Bethmann Holdlweg: Bei den vielfachen Besprechungen, die ich mit Admiral v. Holtzendorff über die U- Boot⸗ frage und über die Stellung Amerikas, Wilsons, zu einem Friedens⸗ angebot gehabt habe, habe ich ihm wiederholt angedeutet, daß wir darauf hinwirkten, Wilson möge einen Friedensappell veranlassen. Er hat diese meine Mitteilung immer mik Zweifeln erwidert: Wird uns aber Wilson auch einen annehmbaren Frieden vermitteln? Diese Stellung Holtzendorffs ist mir bekannt gewesen, sie hat mich aber nicht abgehalten, ihm zu fagen, mir wäre ein Friedensapvell Wilsons nur erwünscht, und wir wirkten dahin, daß er einen solcen mache.

„Vorsitzender Warmuth; War auch die Oberste Heeresleitung darüber orientiert, daß die Wilsonsche Friedensaktion von Deutschland angeregt war, ist sie dauernd von unt auf dem laufenden erhalten worden?

. HVerr Dr. von Bethmann Hollweg: In dieser Be—⸗ ziehung möchte ich auf den Inhalt der. Akten Bezug nehmen,

. Vorsitzender Warmuth: Aus eigenem Wissen können Erzellenz eine Antwort auf diese Frage nicht geben?

Herr Dr. von Bethmann Holldlweg: Aus dem Gedächtnis möchte ich sie nicht geben, weil die Akten das Notwendige enthalten und weil ich äußersten Wert darauf legen muß, mich nicht mit dem, wo ich nach dem Gedächtnis sagen müßte, in Widerspruch zu setzen mit dem Inhalt der Atten, nachdem diei Jahre darüber hinweg— gegangen sind. Was in den Akten steht, ist genau formuliert.

Vorsitzender Warmuth: Es handelt sich doch um fo markante Dinge, daß ich glauben möchte, daß Exzellenz auch aus dem Ge— dächtnis etwas aussagen können. Die Tatsache, daß von uns das Wilsonsche Friedensangebot angeregt war und gejördert wurde, ist in der ganzen Friedensfrage so einschneidend, daß ich es nicht unter— drücken kann, zu sagen, daß das wohl doch in dem Gedächtnis Euer Grzellenz so haften müsse, daß es auch jetzt noch möglich sein müsse, sich aus dem Gedächtnis heraus darüber zu äußern. Eg ist dabei wohl möglich, daß in Nebensächlichkeiten ein Widerspruch zwischen Aussage und Atten sich findet, aber selbstverständlich ist dabei eine Verletzung der Eidespflicht ausgeschlossen. Wir möchten nur wissen, inwieweit Sie der Obersten Heeresleitung von diesen Dingen Kenntniß gegeben haben.

Herr Dr. von Bethmann Hollweg: Diese Ausführungen des Vorsitzenden zwingen mich, meine grundsätzliche Auffassung von meiner Stellung dem Ausschuß gegenüber hier klarzulegen. Ich bin als Auskunftsperson geladen und werde unter Zeugeneid vernommen. Meine Aufgabe kann nur sein, dem Ausschuß in den Fällen, wo er

sich aus den Akten nicht unterrichten kann, Auskunft zu geben, also

eine Ergänzung der Akten zu liefern. Diese Ergänzung wird sich vor⸗ nehmlich darauf beziehen, daß ich die Gründe und Ziele meines Handelns tlarlege. Es kann aber nicht meine Aufgabe sein, nach dem Gedächtnis dem Ausschuß eine Darstellung der Geschehnisss und Begebenheiten zu liefern, die der Ausschuß aus den Akten sich selbst verschaffen kann. Wenn ich also ietzt gefragt werde: „In welcher Weise haben Sie nach Ihrem Gedaͤchtnis die Oberste Heeresleitung über die Schritte unterrichtet, die Sie in Washingkon zur Herbeiführung eines Friedensappells des Präsidenten Wilson getan haben?“ so

rtrütde die Vorqusjetzung sein, daß sich aus den Akten ergibt, ich

hätte die Oberste Heeresleitung in der und der Weise unterrichtet, daß.

großen Linien, angeben, die es klar zu sehen gilt: was hat der damalige Reichskanzler r : er es gewollt, und welche Mittel hat er angewendet, um seinen

n

aber über einzelne Punkte Unklarheiten beständen und daß ich nunmehr

auf Grund meines Gedächtnisses diese Lücken ergänzte. Wenn die Sache

so aufgezogen wird, tritt scharf ins Gewicht, daß ich eine Hilss⸗ verson des Ausschusses bin, und so fasse ich meine Stellung auf. Einstweilen stehe ich noch nicht als Angeklagter hier, sondern als Auskunftsperson und Zeuge, und ich lege den größten Wert darauf, daß diese scharfe Scheidung gemacht wird. Wir stehen ja in einem eigentümlichen Verfahren. Es werden hier mit meinem beeidigten Zeugnis Tatbestände festgestellt, auf Grund deren ich demnächst dielleicht vor dem Staatsgerichtsbof als Angeklagter erscheinen . Das ist juristisch eine ungeheuerliche . Selbstverständlich wird mich diese Sachlage nicht davon abhalten, hier bei meiner ver= eideten Aussage dte Wahrheit zu sagen. Ich will aussagen, was ich nach bestem Wissen und Gewissen aussagen kann. Ob sich daran ein Anklageverfahren gegen mich schließt, wird meine Sprache nicht beein⸗ trächtigen. Aber wenn das der Fall ist, darf ich wiederholt bitten, mich nicht zu zwingen, nach meinem Gedächtnis eine Rekonstruktion von Tatbeständen borzunehmen, die dem Ausschuß aus den Akten schon bekannt sind. Nach meiner Stellung als früherer Reichskanzler kann won mir nicht verlangt werden, daß ich über die Einzelheiten der Ausführung von Direktiven, die ich gegeben habe, hier Auskunft gebe. Dazu hatte 1. meine Mitarbeiter, die in xrollem Einklang mit mir gearbeitet haben. Selbstverständlich habe ich mich auch um die Ausführung der Direktiven gekümmert. Aber bei der großen Komplikation dieses Weltkrieges kann ich, immer nur die ewollt, aus welchen Gründen hat Willen zur Durchführung zu bringen. Was in meiner Macht steht, werde ich aussagen, damit der Ausschuß zur vollen Erkenntnis der

Sachlage kommt. Soeben wird mir ein Telegramm vom 1. Ok—

toher 1916 an den Freiherrn von Grünau überreicht: „Sie wollen nachfolgendes Telegramm dem Generalfeldmarschall von Hindenburg und in Abschrist dem Admiral von Holtzendorff zustellen. Das nach- folgende Telegrgmm hieß; „Graf Bernstorff ist auf persönlichen Befehl Seiner Majestät des Kaisers angewiesen dem Präsidenten Wilson zum Erlaß eines Friedensappells zu vexanlassen. . solut geklärt. Dieses Telegramm befindet sich bei, den Ausschuß muß wissen, daß der 8 seinen Vertreter im

Großen . am 1. Oktober beauftragt hatie, sowohl

der Bbersten Heeres leitung wie dem Admiralstab ausdrücklich Mit⸗

; teilung zu machen, daß Graf Bernstorff auf Befehl Seiner Majestät

des Kaifers diesen Schritt in Washington tat. Weiter wird mir aus den Atten ein Telegramm vom 27. November an Generalfeldmarschall von Hindenburg vorgelegt: Präsident Wilson hat vertraulich den Grafen Bernstorff wissen e. . er in der Zeit zwischen jetzt und Neujahr einen Friedengappell zu erlassen gedenkt“. Mir scheint, daß die Frage nunmehr restlos beantwortet ist. Wenn nach Ansicht des Ausschusses trotzzem noch Unklarheiten vorliegen sollten, so bitte ich um bestimmt sormulierte Fragen. Abg. Dr. Sinzheimer: Aus den Akten ergibt sich weiter, daß auch General Ludendorff unterrichtet war. Es fragt sich nun noch, ob in der kritischen Zeit vom 26. Dezember bis . Januar die wichtigen Telegramme des Grafen Bernstorff, dat Wilson um ver⸗ zrauliche Mitteilung der Friedensbedingungen hitte, trotz der Entente note, der Obersten Heeresleitung und dem Admiralsiab mitgeteilt worden sind. Darüber ergibt sich nichts aus den Akten.

Herr Dr. von Bethmann Hollweg; Was die Oberste HVeeresleitung anlangt, so nehme ich nach dem Gedächtnis nicht an,

der Ereignisse zu geben, soweit . beteiligt bin. daß der Austschuß, der sich ein : Akten gemacht hat, eine Ergänzung finden sollte, indem er mich

Die Lage ist also ab⸗ kten. Der

Aufgabe ansehen. mich frazt: Was haben Sie gewollt mit der Sache, wohin haben ie

daß der Inhalt der Depeschen wörtlich oder auch nur annähernd wörtlich der Dbersten Heeres leitung mitgeteilt worden ist. Bestimmtes kann ich aber nicht angeben. obl aber glaube ich, den Admiral don Holtzendorf, mit dem ich in dieser Zeit häufig Besprechungen hatte Mitteilung gemacht zu haben. 1 .

Heir Zimmermann: Selbstoerstandlich sind alle wichtigen Telegramme der Obersten Heeresleitung mitgeieilt worden. Ich babe täglich über alle Eingänge mit dem Freiherrn von Grünau tele⸗ pboniert, und zwar zur Verwertung der Mitteilungen für die Oberste Heeresleitung.

Abg. Dr. Sinzhei mer: Ist von diesen Telegtrammen des Grafen Bernstorff auch dem Kaiser Mitteilung gemacht worden?

Derr Dr. von Bethmann Hollweg: Eine große Zabl der eingegangenen Telegramme wurden dem Kaiser ins Große Haupt⸗ quartier nachgejchickt. Ein anderer Teil wurde dem Freiherrn Grünau zugesprochen mit dem allgemeinen Auftrag, von allen wichtigen Ein— gängen dem Kaiser Mitteilung zu machen.

Abg. Dr. Sinzhei mer: Aktenvermerle finden sich darüber nicht vor. .

Herr Zimmermann: Bei der Bedeutung dieser Eingänge nehme ich gleichwohl an, daß sie mitgeteilt worden sind.

Ahg. Br. Sinzheimer: Die gleichen Mitteilungen sind nach Wien telerboniert worden. Darüber bestehen Aktenvermerte. Am 26. November wurde sogar telephoniert, Wilson suche die Konferenz zu verhindern, was tatsaͤchlich unrichtig war. .

Herr Zimmermanns; Ich hatte diese Ansicht aus den Tele⸗ grammen des Grafen Bernstorff gewonnen. Wir wollten schnell eine Konferenz, Wilson aber zögerte. .

Abg. Dr. Sinz bei mer: Am 25. Dezember hat Ludendorff in einem Telegramm gesagt, trotz aller Friedensschalmeien werde der Krieg mit allen Mitteln fortgeführt werden. Die Oberste Heeres⸗ leitung schien also an die Wilsonsche Friedensvermittlung nicht mehr zu glauben. .

Herr Dr. von Bethmann Hollweg: Die Skepsis der Obersten Heeresleitung in die Politik Wilsons war ungeheuer. So erklärt sich das Luvendorffiche Telegramm. Ueber diese Fragen könnten wir aber erst dann verhandeln, wenn ein Vertreter der Obersten Heeresleitung gehört wird. Das ist bisher aber nicht geschehen. ö Vorsitzender Abg. Warmuth: Das ist auch meine Auffassung. Vernehmung des Generals Ludendorff steht in Kürze in Aussicht. Abg. Dr. Cohn: Hatten Sie in jener Zeit noch Nachrichten aus dem Newyorker Generalkonsulat, die fich in anderer Richtung bewegten als die des Grafen Bernstorff?

Herr Zimmermann: Jawohl. Es waren nichtamtliche Nachrichten, die an einen Beamten des Auswärtigen Amts gerichtet waren. Danach wurde Wilson anders beurteilt, als Graf Bernstorff ihn beurteilte. Es wurde erklärt, daß die deutsche Kolonie auch Wilson ungünstiger beurteile als Berrnstorff. ö

Abg. Dr. Cohn: Ihre Skepsis mußte dadurch verstärkt werden.

Derr Zimmermann: Zweisellos. .

Abg. Dr. Cohn: Haben Sie auch den Reichskanzler, die Oberste Heeresleistung und den Admiralstab darüber unterrichtet?

Herr Zimmermann: Den Reichskanzler sicher, die anderen Stellen nicht, da es sich nicht um amtliche Nachrichten handelte. Ich glaube nicht, daß ich die Berichte zu den Akten gegeben habe.

Abg. Dr. Cohn: Enthielten diese Nachrichten nicht auch die Vermutung, daß Amerika unter keinen Umständen in den Krieg gegen Denischland eintreten würde, gleichviel was Deutschland tun würde?

Herr Zimmermann: Darauf kann ich mich nicht entsinnen.

Abg. Br. Cohn stellt fest, daß dem Ausschuß solche Berichte aus New York nicht vorliegen. t :

Herr Zimmermann verwahrt sich erregt gegen die Porlegung ele. Fragen. Sie durfen mich nicht zu einem Meineid führen wollen. J

Abg. Dr. Sinzbeim er stellt fest, daß die Berichte bei den Akten vorhanden sind, aber in den Auszug nicht aufgenommen worden sind.

Reichsminister Dr. David: Ist der Staatssekretär a. D. Zimmermann persönlich zu der Auffassung gekommen, der U⸗Bootkrieg sei möglichst bald, und zwar schon am 2. Januar zu eröffnen.

Derr Zimmermann: Es handelt sich dabei nicht um den rücksichtslofen U-Bootkrieg, sondern um den U. Bootkrieg gegen be⸗ waffnete Handelsschiffe. Dafür bin ich allerdings eingetreten. Holtzen⸗ dorff sagte mir, wenn er nur das Recht bekäme, gegen bewaffnete Handels⸗ schiffe rücksichtslos vorzugehen, so genüge das. 1916 hat Lansing eine bemerkenswerte Mitteilung an die Kriegführenden gemacht, in der er sich auf den Standpunkt stellt, daß bewaffnete Handelsschiffe allerdings wohl als Kreuzer betrachtet werden könnten, und daß, falls die Feinde sich diesem Standpunkt nicht anichließen, die amerikanische Regierung in- Erwägungen treten müsse, um ihren Standpunkt zu wahren, d. h. daß solche Schiffe in amerikanischen Häfen den Vorschriften für Kriegsschiffe unterliegen. Dieser U⸗Bootkrieg gegen die bewaffneten

Die

Han delsschiffe hätte die Friedensqktion nicht gestört.

Reichsminister David: Ich nehme an, daß Sie diesen Stand—⸗ punkt auch den militärischen Stellen gegenüber zum Ausdruck ge⸗ bracht haben. ;

Herr Zimmermann: Dem Admiralstab gegenüber sicher.

Reichsminister Dr. David: Der Reichskanzler und Dr. Helfferich teilten diesen Standpunkt nicht. Sie waren der Meinung, daß auch dieser unbeschräntte U⸗Bootkrieg gegen bewaffnete Handelsschiffe politisch die gesährlichsten Konsequenzen haben muͤsse.

Herr Zimmermann: Die Frage ist sehr borsichtig behandelt worden. es Terrain wurde vorher spndiert. Ich hoffte, in dieser

Frage mit Amerika zu einer Verständigung zu kommen.

Damit ist diese Angelegenheit erledigt. Es wird der Staats⸗ sekretär a. D. Dr. Helfferich vereidigt.

Vorsitzender Warmuth stellt fest, daß der Ausschuß die Auf⸗ fassung des Herrn von Bethmann Hollweg teilt, daß die Ergebnisse der Akten durch die Vernehmung der Zeugen ergänzt werden sollen.

Abg. Dr. Gohn erheht gegen diese Auffassung, Einspruch. Wir

sind kein Ausschuß jum Studium von Akten, sondern müssen eine lebendige, unmittelbare Beweisaufnahme vornehmen, nicht nur die Lücken ausfüllen. ) 6. .

Herr Dr. von Bethmann Hollweg: Dem muß ich widersprechen. Es ist mir ohne ein genaues Studium der Akten, die monatelang währen würde, unmöglich, hier eine lückenlose Darstellung Ich glaube, ild von der Situation aus den

ragt, was für Motive und was für Ziele ich gehabt habe. Das steht nicht in den Akten. Hier einzugreifen, das wird meine Aufgabe

sein. Meine Aufgabe ist es aber nicht, eine lebendige Rekonstruktion

der damaligen Begebenheiten zu bringen, wie das in einem Projeß⸗ verfahren stattfindet. Dabei mitzuwirken, kann ich nicht als meine Der Ausschuß kommt völlig zum Ziele, wenn er

S . ;

Darauf wird die Vernehmung des Admirals Koch fortgesetzt. Abg. Gothein: Staatssekretär Zimmermann hat hier be⸗ richtet, dem Admiral Holtzendorff hätte es genügt, wenn er gegen bewaffnete Handelsschiffe vorgehen konnte. .

Admiral Koch: Für uns war es von großer Wichtigkeit, daß wir wenigstens die Genehmigung bekamen, gegen die bewaffneten Dampfer vorzugehen, wenn ihre , einwandfrei festgestellt war. Der Redner setzt dann seinen Pericht sort. Was den Zeitpunkt anlangt, so argument erte Herr v. Holtzendorff Wenn wir Ende 1917 fertig sein wollten, so . die kritischste Zeit für das englische Wirischaftsleben für die Wirkung des U-Bootkrieges angenommen werden, und das sei die Zeit zwischen den beiden Ernten, im August. Giwa sechs Monate selen erforderlich, um den U- Bootkrieg vorzu. bereiten, und somit müsse man spätesens Anfang Februar anfangen. Schnellstes Vorgehen war dabei alleidings Bedingung. Diese Vor⸗ bereitung war mögtich auf Grund der bisher gewonnenen Resultate des U-Bootkrieges als Handelskrieg und als Kreuzerkrieg.

Vorsitzender Warmuth: Vielleicht kann uns darüber eine schriftliche Aufstellung gemacht werden. .

Admiral Koch: Vom alten Personal ist niemand mehr vor— banden, die Anfertigung einer neuen Aufstellung würde wohl eine große Arbeit verursachen. . .

Abg. Tr. Sinzheimer“ In den Akten sind Feststellungen des Kauzlers von Bethmann vorhanden, wonach im Morz 1916 rund 358 Boote zur Verfügung standen, im Mai etwa 509. Diese Zahlen hat Herr von Bethmann sich auf Grund von Auskünften selbst notiert. Diese 35 Boote waren aber nicht alle bereit, in See zu stechen, andere mußten noch zurückgehalten werden. Ueber die Zahl der U. Boote am J. Februar läßt sich nichts Bestimmtes sagen, es darf angenommen werden, daß etwa 120 Boote damals zur Ver⸗ fügung standen, aber auch micht alle seebereit. Da müßten wohl noch Feststellungen auf, Grund der Akten der Admiralität gemacht werden. Im März hat Großadmiral Tirpitz den xichtigen zeitpunkt für gekommen erachtet. Das Hauptargument des Kanzlers, den U⸗Bootkrieg im März nicht zu begtnnen, war die geringe Zahl der U-Boote. War die Aufstellung der Marine, die an das Aus⸗ wärtige Amt ging, richtig oder nicht?

Ein Vertreter der Marine: Ich wäre dankbar, wenn wir eine Abschrift des Aktenstücks bekommen könnten, um mit dem Aus— wärtigen Amt einen Vergleich vorzunehmen. .

onsul Müller: Ein solcher Vergleich kann herbeigeführt werden. . .

Abg. Dr. Spahn: Im Budgetausschuß waren Differenzen zwischen Admiralität und einzelnen Abgeordneten über die Stärke unserer Ü⸗Bogtwaffe vorhanden. Später hrachte die „Frankfurter Zeitung“ auf Grund der Darlegungen des Abg. Struve in der Kom⸗ mission eine anderweite Aufstellung.

Abg. Gothein: Im Haushaltsausschuß wurden seitens des Staatssekretärs des Reichsmarineamts Zahlen genaunt, die von meinen und denjenigen des Abg. Struve abwichen.

Herr Dr. Helfferich; Die Angaben über die Zahl der U-Boote haben sich teilweise widersprochen. Das kommt daber. daß man verschiedener Auffassung war, welche Boote man als U⸗Boote zu bezeichnen hatte, es gab auch Minen-U⸗Boote und andere.

Staatssekretär des Reichsmatineamts a. D von Capelle: Eine genaue Angabe über die Zahl der zur Verfügung stehenden U⸗Boote ist für alle diejenigen, die nicht mitten drin stehen, außer⸗ ordentlich schwierig. Wir hatten bis zu 10 Typen, große, mittlere und kleinere U-Boote, dann solche die für den Torpedokrieg ausgerüstet waren, und solche, die für den Minenkrieg bestimmt waren. Von diesen U⸗Booten war ein Teil im Bau, in der Abnahme, für andere wurde das Personal aufgestellt, ein Teil war auf den U-Bootstützpunkten, ein anderer auf Fernunternehmungen, auf Stationen, auf der Rückreise, in Reparatur. Bei der Angabe der U⸗Bootzahl kann sich der Laie eigentlich gar nichts denken, und derjenige, der die Angaben macht, wird meist selber so konfus dabei, daß er es selbst nicht versteht. (Heiterkeit. Ich habe mehrfach im Hauptausschuß gebeten, die Abgeordneten möchten sich das Bild von der Sache nicht selber komplizleren, ich habe deshalb immer nur summarische Zahlen gegeben. Ich würde infolgedessen glauben, daß eine Zusammenstellung über die U⸗Boote, die der Untersuchungsausschuß zu haben wünscht, auch kein richtiges Bild geben wird.

Abg. Gothein: Die Darstellung im Haushaltsausschuß hat an Klarheit vieles zu wünschen übrig gelassen. Diese Unklarheit be⸗ ruhte darauf, daß uns eine große Zahl von U⸗Booten angegeben wurde, die aber nicht die fronibereiten U-Boote erkennen ließ. Ad⸗ miral v. Capelle nannte alle U⸗Booie, während ich nur die front⸗ bereiten im Auge hatte.

Abg. Dr. Schücking: Ist dem Zeugen bekannt, daß seitens der obersten Instanz der Marne Gewicht darauf gelegt wurde, die Zahl der U-Boote nicht bekanntwerden zu lassen, und daß man auch deutschen Gesandten im Auslande gegenüber nicht die gewänschte Auskunft gegeben hat? Hat man sich geweigert, zivilen Instanzen Auskunft zu erteilen, da es sich um militärische Angelegenheiten handle, die sie nicht angehen?

Herr von Gapelle: Der Ausdruck „frontbereite U-Boote“ umfaßt ebenfalls mehrere Kategorien, die ausreisenden, die in Fern⸗ unternehmungen befindlichen uud die rückreisenden. Was die Geheimhaltung anlangt, so hin ich persönlich stets bestrebt ge⸗ wesen, dem Haushaltksausschusse und in einzelnen Fällen auch den Parteiführern reinen Wein über die ganzen Verhältnisse einzuschenken. Ich bin sogar bestrebt . immer über- triebenen Auffassungen entgegenzutreten. Deshalb sind mir auch Vorwürfe gemacht worden, und ich bin infolgedessen etwas abgeschottet worden. Mit deutschen Gesandten hahe ich nie Gelegenheit gehabt, über diesen Puntt zu sprechen, sie werden wohl beim Admiralstah gewesen sein.

Admiral Koch: Admiral von Holtzendorff dürfte Herrn von Bethmann jederzeit absolut reinen Wein eingeschenkt haben. Aus⸗ wärtige Gesandte können sehr wohl ohne Antwort geblieben sein, des⸗ halb wandten sie sich auch nicht an ihre vorgesetzte Behörde.

Abg. Dr. Stnzheimer: Die Akten ergeben, daß Exzellenz Bethmann monatelang kämpfen mußte, um zweifelsfreie Auskunft über die U⸗Bootstärke zu bekommen. Holtzendorff stand auf dem Standpunkt, dazu sei er nicht verpflichtet.

Admiral Koch: Es wurden dann Berechnungen über das wvor⸗ aussichtslose Monatsergebnis angestellt und man 6 zu einer Ver⸗ senkungsziffer von 600 000 Tonnen. Die Denkschriften des Admiral⸗ stabes beruhten auf amtlichen Unterlagen und wurden sehr vorsichtig aufgestellt. Fast alle Fachleute hatten zugestimmt.

Abg. Dr. Sinz deimer: Das ist doch nicht richtig. Wurden die Berechnungen der Denkschriften trotz der entgegenstehenden Gut⸗ achten aufrechterhalten? Wer hat denn die Denkschriften verfaßt?

Admiral Koch: Kapitän Vanselow, der stellvertretende Direktor 3 in Magdeburg Fuß und Professor Levy⸗ Heidelherg. 22

Abg. Dr. Sin zheimer: Weshalb wurde diesen volkswirt⸗ schaftlich unbekannten Herren der Vorzug gegeben vor den Bedenten einer volkswirtschaftlichen Autorität wie Helfferich? Warum hat man überhaupt nicht die ersten Sachverständigen Deutschlands zu dieser No, Frage hinzugezogen?

dmiral Koch: Wir haben die Denkschriften ersten Fachleuten und Wissenschaftlern zugänglich gemacht.

Abg. Dr. Sinzheimer Von wem stammt die Denkschrift bom 22. Dezember in der Hauptfache?

Admiral Kach: In erster Line von Dr. Fuß in Magdeburg.

Abg. Dr. Sinzheim er: Der ist doch unbekannt in der Volkswirtschaft. Hier aber handelte es sich sogar um weltwirtschaft⸗

liche Berechnungen! Finanz, des Handels,

Admiral Koch: Wir haben Vertreter der der Industrie und der Landwirtschaft gehört. Abg. Dr. Sinzheimer: ach welchen Gesichtspunkten wurden die Herren auggewählt? Warum hat man nicht anerkannte Autoritäten, wie Professor Schumacher, Max Weber und Lujo Brentano gehört? Warum bat man sich auf in der Volkswirtschaft unbekannte Herren beschränkt? Woher sollen Vextreler der Schwer— industrie Kenntnis haben von der Getreideversorgung Englands? Admira! Koch:; Für die Getreidepersorgung Englands haben

3 ch Max Weill aus Frankfurt a. Main als Sachverständigen gehört.

Abg. Dr. Sinzheim er: Ich würde die, Vorladung dieses Herrg beantragen, damit der Ausschuß ein , Bild gewinnt.

Abg. Gothein: Es ist in der Tat auffallend, daß mit Aus⸗ nabme von Hermann Levr kein Vertreter der Nationalökonomie gehört worden ist. Dieser Name aber war nicht unbestritten. Auch die Auzwahl der Sachverständigen aus dem Getreidehandel war nicht einwandfrei. Man nahm Herren aus Hamburg und Frankfurt, während das Schwergewicht des Getreidehandels in Mannheim und Berlin liegt. Das 1 doch sonderbar. Welche Fachleute haben nicht zugestimmt?