*.
ich angesichts der Höhe der Steuerlasten. Steuerrechls zwischen Rei
Klarheit schaffen
drei Steuergewalten gleichmäßig auf eine Sxarsamkeit hinwirken. füllung wirklicher Kuliuraufgaben nicht gehemmt sein. Zu sammensetzung des Neicheparlaments garantiert eine verständnisvoll Berücksichtigung der wirklichen Bedürfnisse der Wohl aber werden Länder und Gemeinden in als hisher prüfen müssen, ob neue Aufgaben wirk aufgaben anzusprechen sind, weniger entbehrliche Aufwendungen handelt. kein Staat der Welt in den letzten so viel Geld für öffentliche Bauten Deutschland. Ob dies richtig ist, vermag ich nicht
,. 5, . jst . s x prüfen. Aber immerhin ist eines wahr, daß unmittelbar vor starker Bauluxus, besonders hei den Kommunen
dem Kriege ein J ich nehme aber auch das Reich nicht aus —, eingetreten war. Pier heißt es, zu einer vernünftigen Sparsamkeit zurücklehren und wirklich nur das Allernotwendigste aufwenden. Denn die Aufführung von Luxusbauten, teuren Denkmälern. nicht durch das Verkehrg⸗ interesse bedingten teuren Straßenanlagen und manche andere ähn— liche Aufwendungen sind unvereinbar mit der finanziellen Not, in der wir, uns befinden. Hier kann und muß gespart werden, denn gar viele dieser Ausgaben hatten mit wirklicher Knltur herzlich wenig zu tun.
Es würde sich aber ein durchaus falsches Bild der zukünftigen Verhältnisse ergeben, wollte man annehmen, daß Länder und Ge— meinden nur noch eine sehr gerin ge Selbständigkeit auf steuerlichem Gebiete befäßen. Das ist durchaus nicht der Fall. Praktisch ist vielmehr die Masse ihrer Steuereinnahmen durch das Landesbesteuerungegesetz gegenüber der Vergangenheit außerordentlich ausgeweitet. Darauf kommt schließlich alles an, ob Länder und Ge⸗ meinden auch die nötigen Summen, die sie zur Betätigung ihrer Kulturaufgaben brauchen, erhalten. Man muß darum stets folgendes im Auge behalten:
Die Länder und Gemeinden erhalten durch die Neuregelung der Hesteuerung statt 2 Milliarden vor dem Kriege im ganzen 66 Milliarden Steuereinnahmen, teils aus Steuern, die ihnen ver⸗ blieben sind, teils aus den Ueberweisungen von seiten des Reicht.
2) Die Einkommensteuer mit Ausnahme der Kapitalrentensteuer wird zu einem außerordentlich hohen Betrage den Ländern und Ge— meinden zugewiesen, und zwar in einem weit höheren Betrage, als jedes Land für sich und jedes Gebiet für sich überhaupt herausholen könnte; denn sie erhalten von den Steuerbeträgen der Steuer— pflichtigen, deren steuerbares Einkommen 15 090 nicht übersteigt, ,, 654 vom Hundert . der Steueipflichtigen mit einem Einkommen
von mehr als 15 000 bis 25 000 M 50 pom Hundert, . 26 000, S0 oo . 70 ö 9 1 e, '. wos Go. 160 Coo, J,, 10m 300 00 . . . ö; ‚ 300 060 30 .
Von den Steuern, die aus der Bestenerung der Köiperschaften und
. . Die Neuregelung des Reihe von Kriegsausgaben wird den im Teich, Landern und Gemeinden soll erftens betroffenen . ; über die sieuerliche Zuständigkeit, zweitens dem Ha eiche, den Ländern und Gemeinden gleicherweise die Möglichteit bieten, ihre notwendigen Aufgaben zu erfüllen, und drittens bei allen nützliche und notwendige wie es vor hundert Jahren Lander und Gemeinden werden in der Er— unter
Länder und Gemeinden
S9. 5 85 Cx BiIstvi j 8 s
t Man hat gesagt, daß Industriegemeinden in Sachsen und Mitteldeutschland würde
Jahren vor dem Kriege haupt nicht mehr lebensfähig sein, wenn aufgewendet habe wie Kriegs
Kriege besonders schw
Ha über die Kriegsautgahen die Lasten nicht so verteilt werde daß einzelne Gemeinden und Gegenden unseres geschehen ist,
Vaterlande
. auf die großen. Schulter e des dentschen Volkes umgelegt werden.
16 ind IRF; 8 . . * nicht eine Reihe von Kriegsausgaben abnehmen. Manche
n über nicht ein großer Teil diese
—
von 16 Milliarden Mark.
ihres Gebietes zu vollziehen, dürfte einem allgemein geäußerten Wunsche entsprechen. (Sehr richtig.)
wirklich nicht von einer Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Länder und Gemeinden sprechen. Es ist eher das Umgekehrte der Fall, da Länder und Gemeinden durch die Neuordnung viel
Ueberblickt man diese verschiedensten Tatsachen, so kann man
größere Steuereintünfte beziehen werden, als sie dieselben aus einer in Konkurrenz mit der Reichsbesteuerung stehenden eigenen Steuergesetzgebung hätten gewinnen können. In dem Augenblick, wo sie aber mehr Einnahmen haben, als sie unter den gegebenen Vei— hältnifsen aus sich heraus gewinnen können, ist ihre Freiheit nicht be— schränkt, sondern sie ist wesentlich erhöht. Die formale Beschrãnkung der Bewegungsfreiheit der Länder und Gemeinden bringt eine materielle Bewegungsfreiheit für diese beiden öffentlichen Körperschaften mit sich, und die materielle Bewegungsfreiheit ist für das Kulturleben viel be⸗ deutsamer als eine formale Beschränkung der Bewegungsfreiheit auf dem Gebiete der Steuergesetzgebung. Die Hoffnung darf darum aus— gesprochen werden — und ich spreche sie aus voller NUeberzeugung aus —, daß das innere kulturelle Leben der Länder und vor allem der Gemeinden durch die neue Steuergesetzgebung nicht nur nicht ge⸗
hemmt, sondern gefördert wird. Bei einer Zersplitterung des Steuer⸗ rechts wäre dies unmöglich gewesen. So aber wird allen drei Steuergewalten die Möglichteit einer entsprechenden Entwicklung ge⸗ wäaͤhrleistet. Die neue Verteilung der Steuern wird Länder und Ge⸗ meinden bis zu einem gewissen Grade zur Sparsam keit nicht nur erziehen, sondern jwingen. (Sehr richtig) Ich gebe ohne weiteres zu, daß die ganze Etataufstellung und Etatberatung im Reiche und in den Einzelstaaten, auch in den Gemeinden, auf den Rathäusern, in anderer Form vor sich gehen wird wie bisher. (Sehr richtig! rechts). Man hat bisher gesagt: das und das stellen wir an Aut⸗ gaben fest, und wenn ein Defizit vorhanden war, so hat man einfach einen Zuschlag erhoben. Das geht in Zukunft allerdings bei keiner der dret Steuergewalten mehr, sondern es wird zuerst festgestellt
der toten Hand fließen, nimmt das eich 50 Prozent für sich in Anspruch und die anderen 50 Prozent dies Länder und Gemeinden. Auf diese Weise werden besonders die Gemeinden, die sich bisher in Steuernot befunden hahen, eine ganz erhebliche Ent— lastung erfahren. Sie werden mehr Einnahmen haben als früher und höchst wahrscheinlich viel früher aufatmen können, als vor dem Kriege, sicher aber einer bessereun Zukunft entgegengehen, als wenn sie allein auf ihre Zuschläge angewiesen sein würden.
3) Den Ländern bleibt im Rahmen der aufgestellten Grundsätze die Beteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände an den Ueber⸗ weisungen aus Reichssteuern vorbehalten. Die Landesgesetz˖ gebung hat hier ein außerordentlich wichtiges Gebiet zu ihrer absolut freien Betätigung. Das Reich regelt das Verhältnis zu Gemeinden und Ländern nur in ganz wenigen, ün Landesbesteuerungsgesetz niedergelegten Paragraphen und gibt hier den Landesverwaltungen nahezu unbeschränkte Freiheit, wie sie das Einkommen aus der Einkommensteuer vertellen wollen. Zurufe.)
4) An eigenen Steuern bleiben den Ländern und Gemeinden die Vergnügungssteuern und Ertragssteuern, die sie modern ausgestalten müssen. Daraus lassen sich, wenn eine vernünftige Ausgestaltung erfolgt, ganz bedeutend höhere Erträge erzielen als bisher. Wenn
ich sage, daß den Ländern und Gemeinden 45 Milliarden aus der btsserung der Betriebsverhältnisse bei den Ländern und Gemeinden erspart werden kann, bedeutet eine Erleichterung für die Steuer— tragssteuern eine Milliarde herausholen können, so sehrn Sie, welch zahler. Hat die Neuvertellung der Steuern auf die drei genannten großen Spielraum Länder und Gemeinden auf dem Gebiete der Er. Steuergewalten diese Folgen, so ist damit niemandem mehr gedient tragösteuern haben. Der freie Spielraum umfäßt 25 Prozent des als dem vielgeplagten, hartbelasteten Steuerzahler.
Einkommensteuer verbleiben, und daneben stelle, daß sie aus den Er⸗
gesamten Aufkommens, das aus der Einkommensteuer überhaupt fließen kann.
Steuern Ausschau zu halten. Aber, meine Herren, warum soll sich der
nicht nur den einfachen und bequemen Weg zu gehen: Nimm deine
rechts: Sie stehen doch unter Ihrer Kontrolle) — Sie stehen nicht unter meiner Kontrolle. —
Das Reich hat ja nicht alle Steuermöglichkeiten, die heute schon h bekannt sind, ausgenutzt, sondern nur die großen, wichtigsten Steuer a
quellen aut gebaut. Da und dort werden vielleicht die lokalen Ver⸗ staltete. Die größten Unterschiede aber erwuchsen infolge der hãltnisse die Möglichkeit bieten diese oder jene Steuer ein⸗ Gemeindebesteuerung. Gab es doch in Preußen Gemeinden, welche zuführen, welche nicht konkurrlert mit den Bedürfnissen des Reichs. nur ganz niedrige Zuschläge zu den Einkommensteuern erhoben
6) Den Ländern und Gemeinden werden weiterhin Lasten ab ⸗ h
genommen und auf das Reich übertragen, was zur Folge haben muß, lagen zur staatlichen Einkommensteuer auferlegten. Die Folge war, daß der Spielraum für die Kulturaufgaben der Länder ein größerer daß sich allmählich eine Scheidung unter den verschiedenen Städten wird, das heißt, daß sie sich auf ihrem ureigensten Gebiete freier be— herausbildete, dergestalt, daß neben den Städten mit industrieller
tigen Unternehmung aus betrieben werden.
. ᷣ aufbürdung für den Steuerzahler sein, sondern sie soll auch in jeder 5) Es ist den Ländern und Gemeinden nicht benommen, was Hiypsicht dahin wirken, daß die Interessen des Steuerzahlers soweit vorhin Ihre Heiterkeit erregt hat, als ich es sagte, nach neuen nur irgend möglich gewahrt werden. Dahin gehört, was oben gesagt ; worden ist über die sozial gerechte Verteilung der Steuerlast; dahin Reichsfinanzminister allein den Kopf zerbrechen? (Zurufe rechts.) gehöct weiter die Auswirkung des Prinzips der Gleich⸗ Solange er 26 Kollegen in den einzelnen Ländern hat, will er auch mäßigkeit in der Steuerbelastung. Was den letzteren Punkt Ihnen etwas Erfinderrecht überlassen (3urufe rechts), und auch die anlangt, so ist er in der früheren Zeit nicht sehr beachtet worden. Herren Stadtkämmerer können und werden sich darein finden müssen, Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung fordert, daß
Hachen jeder Staatsbürger in gleichen Einkommens. und Vermögeng⸗ Unterschrift und setze statt 100 Prozent Zuschlag 126 Prozent. (Zuruf verhältnissen (uh gleich stark von der Steuer erfaßt wird. Aber wie stand es denn bisher mit der Verwirklichung dieses Grund⸗ satze? Nehmen wir nur die Hauptsteuer, die Einkommensteuer,
werden: so und so hoch sind die Einnahmen, und dann haben aller⸗ dings die gesetzgebenden Faktoren das unbeschränkte Recht, über die Verteilung dieser Einnahmen auf Länder und Gemeinden zu verfügen. Einen anderen Weg, um zur Sparsamkeit zu ommen, hat bisher kein Mensch gefunden und wird ihn auch nicht finden. Das sehen wir als keinen Verlust, sondern als einen Gewinn an, vom Gesichts punkte des Volls— ganzen aus gesehen. (Sehr richtig! bei den D. Dem.) Das ist klar, und ich spreche es ganz offen aus: in dem Ausmaße, wie zwischen 1967 und 1913 die Ausgaben der Gemeinden gewachsen sind, darf die Entwicklung in Zukunft nicht weitergehen. (Zuruf v. d. D. Dem.: Gottseidank) In diesem Jahrfünft haben sich die kommunalen Steuern vermehrt von 1100 Millionen auf 1640 Millionen; das ist eine Steigerung um rund 50 Projent. (Hört! hört h Hier ist ein Bremsen notwendig. Auch wird die Einschränkung in der Besteuerungt⸗ möglichkeit Länder und Gemeinden dazu veranlassen, daß sie ihre Er— werbsanstalten möglichst rationell ausnutzen. Auch hier kann noch gar manches geschehen. Es sind durchaus noch nicht alle staatlichen und gemeindlichen Betriebe so eingerichtet, daß die Betriebsverwaltungen nach kaufmänn ischen Gesichtspunkten von dem Standpunkt einer tũch⸗
Ich will gar keine Beispiele anführen; dem Satz selbst wird niemand widersprechen können. Jede Million, die durch eine Ver—
Die ganze Reform des Steuerwesens soll nicht nur eine Lasten⸗
er, so muß man sich wundern, wie verschieden hoch schon diese erste ller deutschen Steuern sich in den verschiedenen Einzelstaaten ge⸗
aben, während andere Gemeinden 300 Prozent und noch mehr Um⸗
wegen können. Die vorgeschlagene Erleichterung hinsichtlich einer und kommerzieller Tätigkeit sich andere Städte entwickelten, die zum
Gemeinen zugute kommen. Ich babe es als meine uptaufgabe angesehen, daß bei der endgültigen Abrechnung
ungeheuer schwer o 8 je ad slaste e n insei fig ste
* . den riegslasten eiden und einseitig belastet werden, Schon die sondern daß diese Lasten ĩ
; Ich nehme nur wenige heraus. . ᷣ DVamburg und Bremen könnten angesichts der Kriegsausgaben und der der Zufunft genauer wirtschaftlichen Notlage, in der sie s . lich auch als Kultur. denkbarer Zeit sich überhaupt oder ob es sich nicht um mehr oder
ich heute befinden, in menschen— nicht mehr entwickeln, wenn wir ihnen
ausgaben auf Reichsschultern umgelegt würde Das was nachzu. den Ländern und Gemeinden hier durch den Gesetzentwurf an Kriegsausgaben abgenommen wird, beträgt mindestens die Summe t Das ist eine ganz gewaltige einmalige Entlastung. Dazu kommen eine Neihe weiterer Entlastungen, wie sie in der Zukunft in den Vorschriften des Landessteuergesetzes über den Lastenausgleich vorgesehen sind. Daß die Länder von Reichs wegen verpflichtet werden, auch ihrerseits Lastenausgleich innerhalb
er Sitze des Rentenpublikums wurden. Es entstanden die sogenannten Rentnerstädte, wohin sich reiche Bürger zusammenzogen. Infolge dieser Akkumulation der Steuerkraft an wenigen Orten wurde es n, natürlich möglich, daß diese Städte mit sehr niedrigen Einkommen- s, zuschlägen zurechtkommen konnten, während umgekehrt in den Orten mit starker Industriebevölkerung, also in den Orten, wo das Nationaleinkommen größtenteils geschaffen wurde, die Zuschläge zur n Einkommensteuer sehr hoch waren. (Sehr richtig! im Zentrum.) Diese Unterschiede konnten so stark sein, daß ein und derselbe Steuerzahler in der einen Stadt das drei⸗ oder vierfache dessen zahlen mußte, was er in einer Rentnerstadt an Einkommensteuer zu zahlen gehabt hätte. Wir waren auf dem besten Wege, daß eine
—
armen Art von Proletarisierung einzelner Erwerbsstädte einsetzte, und daß
ÆAsich die Rentnerstädte über die anderen erhohen. Je mehr Reiche rin eine solche Rentnerstadt hineinzogen, um so größer wurde die dortige Steuerkraft, um so geringere Zuschläge waren notwendig, um so mehr erwuchs auch die Gefahr, daß luxuriöse Ausgaben von der Stadt gemacht wurden. Ein derartiger Zustand erweist sich in der Gegenwart als absolut unhaltbar. (Sehr richtig! bei den D. Dem.) Gerade die starke Erhöhung der Cinkommensteuer macht die Gleich⸗ mäßigkeit der Besteuerung zur unbedingten Notwendigkeit.
Dutch diese gleichmäßige Erfassung aller werden naturgemãß auch zahlreiche Besteuerungsmöglichkeiten ausgenutzt werden, die bisher noch brach liegengeblieben sind. Wenn alle gleichmäßig erfaßt werden ⸗ so werden die Rentnerstädte ein ganz anderes Quantum an Ein— tommensteuer aufbringen als bisher. Daran wird dann nicht nur der Finanzminister seine Freude haben, sondern auch die große Masse der Steuerzahler wird gegen diese Entlastung nichts einzuwenden haben. (Sehr richtig! bei den D. Dem.)
Eine solche Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit in der Besteuerung st meines Erachtens auch am ehesten geeignet, wieder die Steuer— moral zu heben. Diese ließ ja schon vor dem Kriege sehr viel zu wünschen übrig. Im Kriege ist sie durch die Verwilderung der silt. lichen Begriffe noch tiefer gesunken. Machen sich doch so Viele lein Gewissen daraus, offen durch Schmuggel und Schiebergeschäfte den Staat und die Gesellschaft zu schädigen. Wle es diese Kreise mit der Sleuermoral halten, kann man sich wohl denken. Darum wird jetzt eine vollkommene Neuorganisation des Erhebungsapparates vorge⸗ nommen. Es sollen nicht bloß in den Gesetzen entsprechende Hand haben geschaffen werden, um den tatsächlichen Vermögens. und Ein— kommensberhältnissen auf den Grund zu kommen, auch die Beamten werden zu diesem Zwecke ganz anders vorgebildet werden. Schutz bes Ehrlichen gegenüber dem Unehrlichen ist eine der Hauptaufgaben dieser Reform. Der Steuerhinterzieher schadet nicht nur dem Staate, sondern er schadet im Staate auch allen ehrlichen Steuerzahlern. Darum werde ich mich durch keine Angriffe davon abhalten lassen, die Ziele der sozialen Gerechtigkeit, der Gleichmäßigkeit und der Ehr lichteit im Steuerwesen mit allem Nachdruck zu verfolgen und zu verwirklichen. ; Die ebengenannten Ziele der Reform fließen mit einem anderen sehr eng zusammen: mit dem Ziel der Erstrebung einer möglichst wirtschaftlichen Gestaltung und Verwaltung der Steuern. Die Steuerökonomie, das heißt die Herauswirtschaftung eines möglichst hohen Eitrags aus den bestehenden Steuern unter Aufwand von möglichst geringen Kosten, ist in gleichem Maße wichtig für die Staatstasse wie für den einzelnen Steuerzahler. Je besser die Er— hebung einer Steuer funktioniert, um so mehr kann man von ihr erzielen, auch wenn die Steuersätze erträglich bleiben. ;
Auch die Bequemlichkeit der Steuerzahler soll bei dieser Reform nicht vergessen werden. Es klingt ja etwas sonderbar, wenn man bei einer Steuerreform von solchen Ausmaßen, von 20 Milltarden, noch von Bequemlichkeit spricht. Und dennoch ist die Verärgerung durch bureautratische Behandlungsweise der Steuerpflichtigen, durch lange Hinauszögerung von Reklamationen, durch schroffe Behandlung usw. nicht selten viel größer als der Unwille über die Steuerzahlung an sich. Auch hier soll die Reform ansetzen. Eg soll ein rasch und flott ar— beitender Beamtenstand geschaffen werden, der getragen ist von dem Bewußtsein, daß er nicht bloß im Dienste des Staates steht, sondern, daß er ebensosehr einen Dienft an der Allgemeinheit zu erfüllen hat, daß er ebensosehr auch für die Steuerzahler da ist. Ich hoffe, daß auch nach dieser Richtung hin Fortschritte erzielt werden können, (Zuruf bei den D. Dem.: Hoffentlich) dann werden wir zu einer organischen Reform des ganzen Steuerwesens kommen.
Ich habe im vorhergehenden in kurzen Strichen ein Bild ge— zeichnet, wie ich mir im großen und ganzen die Abwicklung der Steuerreform denke. In manchen Einzelfragen muß die endgültige Gestaltung noch gefunden werden. Besonders auf dem Gebiete der indirekten Besteuerung wird reiflich geprüft werden müssen, welche Form am meisten den Anforderungen des finanziellen Bedarfes, der sozicllen Lastenverteilung und des wirtschaftlichen Fortschrittes dient. Der Ausgleich zwischen diesen drei Gruppen von Zwecken wird nicht immer leicht gefunden werden. Es bedarf der regsten Mitarbeit aller Kräfte, um hier das für Staat, Wirtschaft und Volk Zutrãglichste zu schaffen. Nach dieser Richtung soll und kann das vorgelegte Pro— gramm eine Bindung noch nicht enthalten, da einzelne Steuervor⸗ lagen erst im ersten Stadium des Werdens begriffen sind. Die Auf⸗ rollung des Gesamtsteuerproblems hat vielmehr den Zweck, die großen Richtlinien der allgemeinen Marschroute abzustecken, die ich einzu⸗ schlagen gedenke, und die Grundsätze klarzulegen, von welchen ich mich dabei leiten lasse. . .
Es sind schwere, fast allzu schwere La sten, welche von unserem Volke in der Zukunft getragen werden müssen. Wer noch vollkommen befangen ist in den Gedankengängen des Individualismus, wie er vor dem Kriege geherrscht, dem wird diese Reform nicht zusagen. Er wird aber auch gar nicht imstande sein, eine Lösung der Aufgabe vor zuschlagen, die den sozialen Anforderungen gerecht werden könnte. (Sehr richtig) Wir müssen uns bei dieser Reform klar sein, daß wir in eine neue Zeit hineinwachsen. Ein überspannter Individua= lismus hat in der Vorkriegszeit den Eigentumsbegriff verzerrt, das Recht auf Eigentum maßlos betont, aber die Pflichten und die Grenzen des Eigentums vielfach nicht scharf genug. hervorgehoben. Ich stehe auf dem Standpunkte, daß das Eigentum naturrechtlich begründet ist, daß es eine sozialethische Kategorie darstellt. Seine
(gertietzuns in der Zweiten Beilage
Zweite Beilage
zum Deutschen Neichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger.
. 222. .
(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)
Begründung liegt aber nicht darin, daß der einzelne ein ungezügeltes Recht auf Eigentumsrecht oder auf Besitz hat, sondern sie liegt daun, daß ohne Eigentum der Fortschritt der Menschheit nicht möglich erscheint. Gerade im Interesse des Gesamtganzen muß das Eigentum herrschen. Aber der Eigentumebegriff überschreitet seine Grenzen, sobald eine übermäßige Akkumulation des Besitzes erfolgt, sobald sich eine übermächtige Plutokratie aulbaut, die breiten Schichten des Volkes, diese eigentlichen Träger der nationalen Entwicklung, nicht mehr in entsprechendem Naß an der allgemeinen Wohlstands⸗ und Kulturentwicklung beteiligt werden. (Sehr richtig! Soziale Zerklüftung, Klassenhaß, zerreibender Interessenkampf muß dann die Folge einer solchen Entwicklung sein. Geht mit dieser Ueberspannung des Eigentumsbegriffs die Entstehung eines mammonistischen Geistes Hand in Hand, dann ist die ganze Entwicklung auf Irrwegen angekommen. Die Grenzen des Eigen tums sind ferner überschritten, wenn die herrschenden Klassen ihre Macht benutzen, die Hauptlasten auf die Schultern der weniger Leistungsfähigen zu laden. Sie sind überschtitten, wenn vom Reich— tum ein ungeordneter Gebrauch gemacht wird, der nicht mehr der wirklichen Kulturentfaltung dient, sondern einer Scheinkultur, der prunkende, protzende Form an die Stelle des inneren Gehalts setzt.
Auf einem solchen Entwicklungspunkt besteht die Gefahr, daß die
besten Kräfte einer Nation, die seelischen Fähigkeiten, im äußeren Genußstreben erstickt werden. Ueberall, wo solche Erscheinungen sich zeigen, ist der Eigentumsbegriff überspannt, und es besteht für die Gesellschaft die Notwendigkeit, ihn wieder in seine richtigen Grenzen zu verweisen. Mit kurzen Worten gesagt: Das Privat, eigentum findet seine Begründung, aber auch seine Begrenzung durch das Sozialinteresse. Das Interesse des gesamten Volkskörpers geht dem Interesse des einzelnen vor. Das ist auch der tiefste Sinn der ganzen gegenwärtigen Sozialisierungsströmung. Das muß auch der Leitgedanke bei der Steuerreform sein. War früher nur allzusehr der Besitz und Ewerb zum Selbstzweck geworden, so muß in der Zukunft wieder der alte echt christliche Gesichtspunkt zur Geltung kommen, daß der Mensch Ausgangs- und Zielpunkt aller wirtschastlichen Tätigkeit ist. Das aber kann nur geschehen, wenn an die Stelle der individualistischen Betrachtungsweise eine sozialorganische Auffassung unseres gesamten wir sschaftlichen und sozialen Geschehens tritt, wenn der Gedanke des Solidarismus zum Siege geführt wird.
Im Kriege ist dem gesamten Volke das Bewußtsein beigebracht worden, daß es eine Einheit ist, daß das Wohl des gesamten Volks⸗ körpers höher steh als das Wohl der Einzelzelle, des einzelnen Menschen. Im Kriege mußte jeder einzelne einstehen mit Leib und Leben für das Gesamtganze, er mußte durch hartes und tägliches Opfern dem Sozialinteresse dienen. Durch die wirtschaftlichen sozialen und finanziellen Aufgaben, die uns der Krieg hinterlassen hat, wird diese Tendenz zum solidarischen Zusammenschluß des Volkes auch in Zu— kunft aufrechterhalten, denn das Volk als Ganzes haftet für den finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau, haftet für alle Verpflichtungen, die aus dem Kriege erwachsen. Diese Lasten aber können wir nur tragen, wenn das Volk als Ganzes alle Kräfte in den Dienst dieser Aufgabe stellt, wenn es wieder solidarisch fühlen und denken lernt. Es ist notwendig, daß jeder einzelne von dem Bewußtsein getragen ist: Nur wenn das Volksganze wieder gedeiht, ist auch mein individuelles Wohl gesichert. Im engsten Zusammen— hang damit steht die weitere Tatsache, daß in der Zukunft nicht mehr der Besitz die herrschende Rolle spielen wird wie früher, sondern daß die Arbeit das auschlaggebendt Element im politischen, wirt⸗ schaftlichen und sozialen Leben der Zukunft bilden wird; die Arbeit in jeder Form, angefangen von der einfachsten Arbeit des Tage— löhners bis hinauf zur Tätigkeit des Gelehrten, zur ingeniösen Leistung des Künstlers und des Erfinders. Nur die fleißige, ziel— bewußte Arbeit kann uns herausführen aus dem Elend der Gegen— wart, nur sie kann die Wunden heilen, die der Krieg geschlagen Darum muß die werktätige Arbeit des gesamten Volkes in der Besteuerung soweit als nur irgend möglich berücksichtigt werden, indem ihre Belastung so erträglich, als es unter den gegebenen Um ständen nur möglich ist, gehalten wird. Der Besitz aber muß sich darüber klar sein, daß er entsprechend seiner höheren Leistungsfähigkelt auch ein viel größeres Maß an Lassen übernehmen muß. Die Steuer— reform soll durch diese Vorbelastung des Besitzes den großen Ge— danken zum Ausdruck bringen, daß ein jeder, der schaffen und wirken kann auch veipflichtet ist, an der Erneuerung des Wittschaftslebens und des Volkswohlstandes tätig beizutragen, daß dagegen ein gemäch⸗ liches Rentnerdasein unter den heutigen Umständen nicht mehr Raum hat. In diesem Sinn wird die Steuerreform einen nicht geringen Anteil erhalten an der großen Aufgabe, aus den Trümmern des Krieges ein neues DVeutschland aufzurichten, den Sozialstaat der Zäakunft. (Bravo! bei den Mehrheitspartelen.)
Nach dem Schluß der Rede erhält das Wort
Abg. Dr. Becker⸗Hessen (D. Vp.) zur Geschäftsordnung: Wenn dem Reschstag früher so enorme Steuerlasten zugemutet wurden, ging den Vorlagen eine Denkschrft voraus, die die leitenden Gedanken entwickelte. Diese Denkschrift fehlt jetzt. Die langen mü dlichen Darlegungen des Finanzministers, die reichlich mit Zahlen gespickt waren, müssen wir eist studieren, ehe wir in die Beratung eintreten können. Ich bitte deshalb, uns diese Darlegungen möglichst schnell gedruckt jugehen zu lassen und die Sitzungen morgen und übermorgen ausfallen zu lassen, damit wir Zeit zum Studium hahen. Eg ist technisch und körperlich unmöglich, die Ausführungen des Mi— nisters schon bis morgen geistig zu verarbeiten. Ich stelle die Gründ— lichleit über die Fixigkeit, zumal bei Steuervorlagen, die das Volk so stark berühren. (Zustimmung rechts.)
Reichsminister der Finanzen Erzberger: Meine Damen und Herren! Den Wunsch des Herrn Abg. Dr. Becker (Hessen) finde ich durchaus begreiflich. Ich habe deshalb Vorsorge getroffen, daß den Mitgliedern des Hauses in wenigen Minuten meine Rede gedruckt zugeht. (Bravo!)
Berlia, Freitag den 5 Dezenher
Präsident Fehrenbach bemerkt, daß er für morgen die Be⸗ ratung der Steuervorlagen in Aussicht genommen hatte. ‚. —ͤ
Abg. Schulß⸗Bromberg (dnat.): Ich bitte auch, für zwei Tage von der Beratung der Steuergesetze abzusehen. Wir erwarteten die Vorlagen ichon am Sonnabend, haben sie aber erst vorgestern und gestern erhalten. Niemand ist bisher vhysiich in der Egge ge⸗ wesen, sich damit, geschweige denn mit, den Motiven zu beschäftigen. Wir müsfen sie auch erst in den Fraktionen beraten. Der preußische Ministerpräsideat Hirsch hat im Reichsrat festgestellt. daß diese drei Steuervorlagen dem Reichsrat jo spät von der Reichs⸗ regierung vorgelegt worden sind, daß eine auf gründlicher Prüfung beruhende Stellungnahme nicht möglich war (Hört! vort! rechts). Er sagte weiter, wenn die preußische Regierung eine Verzögerung nicht herbeiführen wolle, so tut sie es in der Erwartung, daß die Volksvertretung die Vorlagen gründlich prüfen werde. Auch der bayerische Vertreter hat sich diesem Protest im Reichsrat an eschlossen (Rufe rechts: Der bayerische Landtag auch). Wir können uns in den nächsten beiden Tagen mit anreren Gegenständen beschästigen und daneben Fraktionssitzungen ahhalten. ö .
Präsident Fehrenbach meint, daß dann morgen das Reichs⸗ notopfer zur Beratung gestellt werden könnte, über das der Ausschuß⸗ bericht schon längere Zeit vorliege.
Abg. Scheidem ann (Soz.): Niemand kann von heute auf morgen die Steuervorlagen eingehend ftudieren. Ich. möchte vor⸗ schlagen, nicht morgen, sondern erst übermorgen in die Fortsetzung dieser Beratung einzutreten. (. .
6. Abg. v. n y r (Dem): Diesem Vorschlag können wir durch⸗ aus zustimmen. Es bat allés seine Grenze, auch die Beschleunigung einer Beratung. Wenn wir morgen die Sitzung aussetzen, so mögen wir am Freitag mit dieser Beratung fortfahren, Inzwischen das Reichsnotopfer in zweiter Lesung zu beraten, wäre besonders un⸗ zweckmäßig, da niemand bisher den Ausschußbericht hat durcharbeiten können.
ö. Abg. Trim born (3.): Ich schließe mich den Vorrednern an.
Abg. Dr. Becker⸗Hessen (V. Vot ): Angesichts der Haltung der Mehrheitsparteien wäre es zwecklos eine Absttimmung über nnseren Vorschlag herbeiführen zu wollen. Wir sind schon dankbar dafür, daß man uns wenigstens einen Tag zur Vorberatung zubillige. Die Vorwegnahme des Reichsnotopfers würde ich nicht für zw ckmäßig halten, da auch diese Vorlage noch gründlicher Vorberatung bedarf
Nunmehr schlägt Präsident Fehrenbach vor, die nächste Sitzung abzuhalten Freitag 1 Uhr und als Tages orhnung Ersatzwahl eines Schriftführers an Stelle des Abg. Fischer⸗Berlin (Soz.) der sein Amt wegen Arbeitsüberlastung niedergelegt hat und Fortsetzung der Steuerdebatte.
Schluß 31½ Uhr.
— ——
Preu szische andes versammlung. 89. Sitzung vom 3. Dezember 1919.
Nachtrag.
Die Rede, die bei der allgemeinen Besprechung des Haushalts des Ministeriums für Wissen⸗ schaft, Kunst und Volksbildung der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Haenisch gehalten hat, hatte folgenden Wortlaut:
Meine geehrten Damen und Herren! Ich behalte mir vor, auf die von den verschiedenen Rednern in der heutigen Debatte angeregten Fragen allgemein schulpolitischen Inhalts erst morgen zu ant⸗ worten. Für heute möchte ich nur einige wenige Worte äußern zu den kürchenpolitischen Fragen im engeren Sinne. Ehe ich dazu übergehe, kann ich es mir aber nicht versagen, wenigstens e ine schulpoltiische Bemerkung, die Herr Klingemann eben gemacht hat, heute schon mit wenigen Worten zurückzuweisen. Herr Klingemann hat auf die Verwirklichung des modernen, insbesondere des sozialistischen Schulideals das bekannte Wort Heinrich Heines angewandt von dem „großen Freiheitsstall, der bewohnt von Gleichheitsflegeln“. Nichts kann falscher, nichts kann irreführender sein als diese Bemerkung. Bei dem modernen und insbesondere beim sozialistischen Bildungsideal handelt es sich um alles andere eher als um eine öde und blöde Gleichmacherei. Es hawelt sich nur darum, allen Kindern des Volkes die gleichen äußeren Vorbedingungen, die gleichen Entwicklungs möglichkeiten, gleiche Luft und gleiches Licht zu geben und so den Boden zu bereiten, auf dem sich nicht öde Gleich heit, sondern im Gegenteil die denkbar größte Mannig⸗ faltigkeit der Begabungen entfalten kann. Soviel darüber für heute.
Zunächst dann einige Worte an die Adresse des Herrn Abgeordneten Dr. Lauscher. Nach meinem Empfinden liegt es nicht im Interesse des notwendigen Zusammenhaltens der Regierungsmehrheit, zu der meines Wissens doch auch das Zentrum gehört, es liegt besonders - in diesem Augenblick nicht im Interesse der Koalitionsregierung, eine all⸗ gemeine große Debatte über Religionsfragen und insbesondete über das Verhältnis von Kirche und Staat zu entfesseln. (Widerspruch und Zurufe) In meinem „Vorwärts“⸗Artikel bin ich auf diese Dinge mit keinem Wort eingegangen. (Widerspruch rechts und im Zentrum) Nein, in meinem „Vorwärts“⸗Artikel habe ich über die Fragen von Staat und Kirche, über die allgemeinen Religions⸗ fragen mit keinem Wort gesprochen. Nach meinem Emp⸗ finden erfordert die gesamtpolitische Situation unseres Volkes, daß zwischen den Koalitionsparteien in öffentlichen Auseinandersetzungen in erster Linie das betont wird, was uns eine, nicht aber, was uns trennt. (Zurufe.) Das sage ich in erster Linie für das Verhältnis der Koalitionsparteien untereinander. Aber ich habe auch sonst in meinen öffenklichen Ansprachen oft genug hewworgehoben, daß, wenn unser Volk überhaupt wieder hochkommen soll, es dann gelte, die inner—⸗ politischen Gegensätze, insbesondere auf schulpolitischem Gebiet, über⸗ haupt soweit wie möglich zurückzustellen. (Zurufe von der Deutsch—⸗ nationalen Volkspartei: Fangen Sie an) Jawohl, ich meinerseits habe längst damit angefangen. Ich habe gerade auch im Haupt— ausschuß, in dem, glaube ich, fast sechs Wochen lang der Kultusetat beraten worden ist und an desseß Verhandlungen doch auch eine ganze Reihe von Mitgliedern der Rechten teilgenommen haben, die das also eigentlich wissen müßten, immer wieder betont — die Herren werden mir das bestätigen — daß es auf schuslpolitischem Gebiet, auf dem Gebiet der Kulturpolitik, auf dem Gebiet des Volkshochschulwesens und auf einer ganzen Reihe anderer Gebiete Fragen gibt, bei denen
1518.
alle parteipolitischen Gesichtspunkte zurücktreten und wo alle Parteien gemeinsam zum Wohle des ganzen Volkes arbeiten können. Ich halte gerade bei der außerordentlich ernsten äußeren Lage, in der unser Volk sich noch immer befindet, die mutwillige Verschärfung der innerpolitischen Gegen sätze geradezu für ein Verbrechen. (Sehr richtig) Sehr richtig! Wenn ich diese Auffassung aber schon ganz allgemein, für alle Parteien, vertrete, so gilt das natürlich er st recht für die Beziehungen der Koalitionsparteien untereinander. Man wird mir persönlich nicht vorwerfen können, daß ich in schroffer und unversöhnlicher Weise gegen andere Parteien vorzugehen pflege, weder gegen die Partei der äußersten Rechten, noch gegen die Partei der äußersten Linken. (Widerspruch bei den Unabhängigen Sozial⸗ demokraten) Nein, ich habe auch gegen Sie niemals in unversöhn⸗ licher Weise polemisiett, ich habe mich auch Ihnen gegenüber immer eines loyalen, anständigen Tones befleißigt. Also, ich wollte sagen: Wenn es schon eine allgemein pelitische Pflicht ist, im Augen⸗ blick die innerpolitischen Gegensätze nicht auf die Spitze zu treiben, wenn das für alle Parteien des Hauses im Interesse des ganzen Landes geboten ist, von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken, dann sollte es dreifach gelten für die Koalitionsparteien untereinander. Das habe ich sagen wollen. Gurufe) Einschließlich des Ministers, ja wohl! (Heiterkeit) Also ich sage: gerade innerhalb der Koalitions⸗ parteien — und mir als Koalitionsminister werden Sie gestatten, das
zu sagen — sollte man in dieser Situation viel mehr hervorheben, was uns eint — und es gibt eine ganze Reihe solcher Dinge —,
als das, was uns trennt. Wem Herr Dr. Lauscher mit der von ihm dersuchten Entfesselung einer großen kirchenpolitischen Debatte (Wider⸗ spruch und Zurufe im Zentrum), mit der Anschneidung aller der kirchen⸗ und religionspolitischen Fragen einen Dienst geleistet hat, das ist deutlich daraus zu ersehen, daß während seiner Rede der lebhafte ste Beifall auf den Bänken der Rechten ertönte. Gurufe im Zentrum und rechts) Mir wäre es lieber gewesen, wenn ein Redner einer der Koalitionsparteien sprach, er hätte seine Worte so gefaßt, daß gerade die Koalitionsparteien ihm in erster Linie zustisemen konnten. (Zurufe rechts) Sage mir, wer dir Beifall spendet, und ich will dir sagen, in wessen Dienst du, wenn auch unbe⸗ wußt, gehandelt hast.
Meine verehrten Damen und Herren, ich meinerseits kann mir, auch von dem auf dem Spiele stehenden Interesse an der Festigkeit des Regierungeblockes abgesehen, ein Eingehen auf alle diese religions⸗ und kirchenpolitischen Fragen um so mehr versagen als diese Fragen im wesentlichen ja bereits durch das Schul⸗ und Kürchenkompromiß von Weimar beantwortet worden sind. Ich verrate kein Ge⸗ heimnis, wenn ich auch hier erkläre, daß ich gegen manche Bestim⸗ mungen dieses Weimarer Kompromisses, auch soweit es sich um die eigentlichen Kirchenfragen handelt, sehr lebhafte Be⸗ denken gehabt habe, daß ich die Bedenken auch geäußert habe, und es sind manche Herren gerade der katholischen Kirche heute mit mir völlig eines Sinnes darin (3Zurufe im Zentrum: Wer denn?). — Sie wissen ja noch gar nichl, was ich sagen will — also, manche Hepren gerade der katholischen Kirche sind heule mit mir völlig eines Sinnes darin, daß es sich schon jetzt gezeigt hat, es wäre praktisch besser gewesen, gerade manche dieser kirchenpolitischen Artikel vor⸗ sichtiger und anders zu gestalten, als sie gestaltet worden sind. Ich habe aber besondere Gründe außenpolitischer Art, die ja auch dem Herren von der katholischen Kirche ganz genau bekannt sind, auf diese Dinge des näheren heute nicht einzugehen.
Nachdem nun aber das Schul⸗ und Kirchenpromiß in Weimar Verfassungskraft erlangt hat, werde ich es — das habe ich schon in der Kommission erklärt und erkläre ich auch hier noch einmal in feierlichster und verbindlichster Weise — mit aller TZoyalität durch⸗ führen. (Bravo! in Zentrum.) Ich weise es weit von mir zurück, durch kleinliche Auflegungs- und Unterlegungskünste den Sinn des Kompromisses zuungunsten der katholischen Kirche in sein Gegen⸗ teil zu verkehren. Ich bitte das Zentrum, von dieser Erklärung Akt zu nehmen. .
Der Herr Abgeordnete Lauscher hat sich besonders ausführlich über die Trennung von Kirche und Staat verbreitet. Ich weiß eigentlich nicht, welchen Sinn und welchen praktischen Zweck heute diese retrospektive Betrachtung hatte, — es war wirklich nur eine retro⸗ spektive Betrachtung — da durch die Kürchenparagraphen des Weimarer Sompromisses eine Trennung von Kirche und Staat grundsätzlich ja bereits ausgesprochen worden ist. Es handelt sich heute nur darum, die Modalitäten dieser Trennung im einzelnen fest⸗ zulegen. Es hat also inebesondere von Regierungsseite gar keinen Zweck, in rein akademische Erörterungen über die erledigte grund⸗ sätzliche Frage der Trennung von Kirche und Staat noch einmal einzu⸗ treten. Es handelt sich, wie gesagt, nur noch um die Modalitäten, und da kann ich auch hier die im Ausschuß abgegebene Erklärung wiederholen, daß, soweit es auf mich ankommt, diese Auseinander⸗ setzung mit aller nur möglichen Schonung der berechtigten kirchlichen Interessen erfolgen soll und erfolgen wird. (Zuruf rechts: Auch gegen die evangelische Kirche?) Selbstverständlich. (Zuruf rechts: Das ver⸗ missen wir Ich werde darauf noch zurückkommen, aber gestatten Sie mir, daß ich mich zunächst einen Augenblick mit dem Herrn Abgeord= neten Lauscher und der katholischen Kirche beschäftige, und erst dann mit der edangelischen Kirche. Ich hoffe, daß der Abgeordnete Klinge— mann in dieser Reihenfolge nicht wieder eine Art Imparität sehen wird, eine Imparität guungunsten der evangelischen und zugunsten der katholischen Kirche, wie sie mir sonst im allgemeinen gewiß nicht vor⸗ geworfen werden kann. (Zurufe) Also, meine verehrten Damen und Herren, ich will es nur wiederholen: mit aller nur denkbaren Schonung der berechtigten kirchlichen Interessen materieller und ideeller Art sollen und werden die Ausführungsbestimmungen zur Weimarer Vera fassung auf diesem Gebiete erfolgen.
Sie wissen ja, daß das Reich sich vorbehalten hat, im einzelnen
die Richtlinien für die Landesgesetzgebung zu geben. Mir werden im
Rich darauf hinwirken, daß berechtigte kirchliche Interessen irgends
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6 869 J 8