1919 / 281 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 Dec 1919 18:00:01 GMT) scan diff

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Catkraft in Angriff genommen hatten, wegen der jammewollen Lage nnserer Finanzen zunächst zurückgestellt werden mußten. Darüber ist ja in der Kommission ausführlich geredet worden. Der Hert Finanz minister hat ja gerade den Mitgliedern bei der Beratung des Kultus⸗ etats in einer ausführlichen und sehr eindringlichen Rede die ganze Furchtbarkeit unserer Finanzlage entrollt. Gzewiß sollte auch nach meiner Meinung gerade an Kulturaufgaben zu allerletzt gespart werden; aber die Vorschläge, die Herr Hoifmann machte, um Geld herbeizu— schaffen, waren doch gar zu primitiv und kindlich.

Meine Damen und Herren, darunter, daß manches nicht so durch⸗ gefühtt werden konnte, wie es ursprünglich beabsichtigt worden war, darunter bat nie mand schwerer gelitten als ich. Ich habe schon neulich ich glaube, auch in den Vorwärts artikeln gejagt, daß es vielleicht die größte Tragik meines Lebens und vielleicht die größte Tragik, die einem Menschen überhaupt widerfahren kann, t. wenn man Jahre und jahrzehntelang ein Kulturprogramm großen Stiles durchdacht, durchgearbeitet, proklamiert hat und dafür eimze= treten ist, und man wird dann plötzlich und unerwartet an die Stelle berufen, we man alles das hätte durchführen können, wo man jedenfalls seine Durchfübrung hätte kräftig in Angriff nehmen können, und wenn einem dann Hände und Beine gefesselt sind, weil wir den Krieg ver— loren haben, weil wir in dieser elenden Schuldfnechtschaft der Entente stecken. Aus dieser Situation, an der ich persönlich doch wahrhaftig richt die Schuld trage, erklärt sich vieles von der Unzufriedenheit und Enttäuschung, die besonders in Lehrerkreisen doch eingetreten ist.

Und dann, meine verehrten Damen und Herren, muß ich immer wieder danauf hinweisen: wenn manches nicht so geworden ist, wie es im November vorigen Jahres gedacht war vergessen Sie doch nicht das gilt für alle Parteien die Tatfache der wechselnden Koalitions⸗ regierungen. Ich habe zuerst meine Ministerschaft mit Herrn Adolph

Hoßfmann teilen müssen, und ich bin dann in ein Koalition.

ministerium mit den Demokraten und dem Zentrum eingetreten. Die erste Koaglitzon war aus der Tatsache der Revolution selbst geboren. die zweite Koalition war geboren aus der bitteren vaterländischen Nor— wendigkeit, unter deren Druck wir alle miteinander gestanden haben. Daß da nicht alles völlig gradlinig gehen kann, daß es manchmal hin und her und im Zickzack gehen mußte, auch das ist doch zum mindesten begreiflich. Es liegt vielleicht weniger an meinem allzu schwachen Charakter, über den Herr Abgeordneter Hoffmann so gern spottet, als an den objektiven Verhältnissen, besonders auch an der konfessionellen Zerklüftung unseres Volkes, dse eine völlig grad'inige und einheitliche Kulturpolitik in Preußen ⸗Deutschland nicht ermöglichen. Meine Damen und Herren, Sie dürfen es mir glauben, daß durch die jetzige Koalition vielleicht keinem einzigen Ministerium eine so furchtbar schwere Aufgabe gestellt ist wie gerade dem Kultusmänisterium. Es ist wirklich ein außerordentlich schweres Stück Arbert; ich glaube, ich habe es in der Kommission schon selber mit der Aufgabe vergichen, die Quadratur des Zirkels zu finden. Es ist ein außerordentlich saures und schweres Stück Arbeit, eine gemeinsame Kulturarbeit zwischen Zentrum, bürgerlicher Demokratie und Sozialdemokratie durchzuführen. Ich bin heilfrob, daß es immer voch so gegangen ist, wie es gegangen sst; es hätte noch sehr viel schlechter gehen können. Und alle Parteien, auch das Zentrum aber wir auch, Herr Dr. Heßl (Juruf des Abg. Dr. Heß: Ich habe ja gar nichts gesagt) aber Sie haben mich freundlich angelacht (Heiterkeit), ich wünschte nur, Herr Dr. Heß lachte mich immer freundlich an also ich wollte nur sagen —, daß alle Parteien, sowohl die bürgerliche Demokratie wrie auch das Zentrum, vor allem aber auch meine Partei bei der Koalition gerade auf kulturpolitischem Gebiet eine außerordentlich große Selbstverleugnung beweisen und seohr viele hbe⸗— rechtigte Wünsche und Interessen haden zurück⸗ stellen müssen. (Erneute Heiterkeit und Zurufe) Aber wir besonders! Ich kann nach dieser Rchlung nur ganz das unter⸗ streichen, was der Herr Rahner der Mehrheitésozia demokratie, Hert Abg. Schluchtmann, darüber ausgeführt hat. Aber Sie dürfen mit glauben Herr Dr. Heß und die anderen Herren —: es ist unter diesen Umständen wirklich kein sehr bereidenswertez Los, gerade jetzt preußischer Kultusminister zu sein.

. Dann bat Herr Abgeordneter Dr. Bölitz gestern erklärt, ich sei zwar nach der Auffassung seiner Parteifreunde nicht durch meine Ver— gangenheit als Cppositioneller sozialdemokratischer Abgeordneter und Schriftsteller belastet, desto mebr aber durch meine Mitwirkung bei dem Kultusministerium Hofsmann⸗Haenisch. Auch Herr Abgeordneter Hoffmann ist heute wieder ausführlich auf unsere gemeinsame Tätig- keit in den ersten Revolutionswochen eingegangen. Durch diese beiden Angriffe von rechts und links bin ich gezwungen, auch dabei noch ein- mal einige Minuten zu verweilen.

Ich habe im Ausschuß gesagt und wiederhole es auch bier, daß ich ganz selbstverständlich für alle Erlasse und Verfügungen, die während der paar Wochen unserer gemeinsamen Ministerschaft ergangen sind, vor dem Parlament und dem Lande die volle verfassungsrechtliche Verantwortung übernehme. Ich denke nicht daran, nachträglich feige ins Mauseloch zu kriechen und zu sagen: ich bin es nicht gewesen, bratet den bösen Adolph Hoffmann! Das zu tun, wäre jämmerlich. Aber, meine Damen und Herren, was ich schon im Ausschuß festgestellt habe und was ich auch hier feststellen möchte, das ist das, daß ich durch das Ausharren auf meinem Posten in den ersten Wochen des gemeinsamen Regimes mich um das preußische Volk verdient gemacht zu haben glaube, weil ich nur so Schlimmes, vielleicht das Allerscklinimste verbindern konnte.

Herr Abgeordneter Adolph Hoffmann hat sich auch heute wieder auf Herrn Dr. Wyne ken berufen. Ich halte Herrn Dr. Wyneken auch heute noch für einen ganz ausgezeichneten Päda— gogen, für einen reinen Idealisten, aber auch für einen Mann, der allerdings an einer gewissen Weltfremdbeit leidet, (Zuruf) ja, gewiß Herr Hoffmann! und der leider nicht die Gabe hat, sich in die nun einmal gegebenen Notwendigkeiten einer Beamtenrcgierung, überbaupt in eine ressortmäßige Haltung einzufügen, der ein gerialer ECingänger ist. Herr Wyneken ist nicht von Herrn Hoffmann, sondern ven mir bei Beginn unserer gemeinsamen Minssterschaft ins Kultusministerium berufen worden. (Zuruf). Ich habe ohne weiteres stets zugegeben,

daß die Berufung des Herrn Dr. Wyneken allein auf mein Konto,

keineswegs auf das Konto des. Herrn, Hoffm3nn kommt. Ich habe mich aber, nachdem ich gtsehen batte, daß Herr Dr. Wyneken pelitisch mit Herrn Adolt. Doffnann fast gaz. durch dick und dänn King, daß er

wor allem, im Gegenscz iu mis, die einschne dent ten. Maßtahmen

dittagtor ich, dot. gusahmnenttitt der Landeepersammlung treffen Kolle (Guru; = zweife log ne te en ies, heidet;· und daß ein errieß⸗·

liches Zusammenarbeiten zwischen ihm und meinen anderen Ratgebern beim besten Willen nicht zu erzielen war, schweren Herzend entschliehen müssen, mich von ihm zu trennen. Ich stehe aber auch heute noch, wie ich auch hier sagen kann, perssnlich auf dem besten Fuße mit ibm. Et besuckt mich noch heute, wenn er nach Berlin kemmt, im Kultus d meine Beamten haben shn wiederholt in meinem

baben seine Schule revidiert, und wir arbeiten daran, Beamtenapparates mit seiner großen Reform—⸗

seinen starken Ideen, seiner eigengewachsenen starken

Persönlickkeit dem Schulleben unseres Volkes dienstbar zu machen. (Zuruf des Abgeordneten Adolph Hoffmann.) Hoffentlich jal

Heffentlich erleben Sie es auch noch, denn ich wünsche auch Ihnen ein

recht langes Leben.

Herr Hoffmann hat sich also auch heute wieder darauf beruien, z Herr Dr. Wyneken ihm bezeugt habe, daß die Politik Hoffmann tine von beiden Ministern in gleicher Weise zu verant wortende Politik sei. Ich habe schon erklärt: soweit das Formale, Staatsaechtliche in Betracht kommt, stehe ich ohne weiteres dazu. Sachlich aber kann ich, nachdem Herr Hoff— mann auch heute wieder, wie schon in der Kommission die Dinge zur Shrache gebaacht hat, nicht darauf verzichten, auch hier ein Schreiben des Hettn Dr. Wyne ken zu verlesen, das er mir geschickt hat, nachdem Herr Heffmann bereits im Frühjahr von der Tribüne hier die gleiche Beschuldigung gegen mich erhoben hatte. Ich hatte damals bei Herrn Dr. Wyneßen in einem höflichen Priwatbrief angefragt, ob er wirklich diese Meinung des Herth Adolph Hoffmann zu der seinigen machen könnte. Darauf hat Herr Dr. Wyneken mir göantwortet. Damit diese Periode aus der Geschichte des preußischen Kultusministeriums einmal endgültig klargestellt wird, damit es in die Akten des Hauses hineinkommt, und damit die Angriffe aus diesem Anlaß endlich einmal aufhören, muß ich die Antwort, die mir Herr Dr. Wyneken erteilt hat, verlesen. Ick muß das um so mehr, als auch Herr v. Kardorff in einer Rede, die er vor einigen Monaten hier gehalten hat, wegen dieser Behauptungen des Herrn Hoffmann, stark gegen mich polemisiert hat. Herr Dr. Wyneken schreibt:

Hochgeehrter Herr Minister, meine Aeußerung, daß alle seiner⸗ zeit vom Ministerium ausgegangenen Erlasse die Billigung beider Minister, also ftets auch die Ihrige hatten, soll nicht besagen, daß Sie von vornherein allem leichten Herzens zugestimmt hätten. Vielmehr war manches, wie z. B. gerade gewisse Bestimmungen im Schulgemeindeerlaß und im Religionserlaß, Ergebnis eines Kompromisses zwischen Ihnen und Herrn Hoffmann. Es ift also in die sem Erlaß Ihre persönliche Auf⸗ fassung nicht rein zum Ausdruck gekommen, und ich will auch selbstverständlich nicht die Tatsache best reiten, daß Sie von Anfang an schwere all⸗ gemeinpolitische Bedenken gegen die von Hoff mann befürwortete kirchenpolitische Taktik geltend gemacht haben. Wenn Sie also später manches von jenen gemeinsamen Erlassen wieder zurückgenommen haben, so entsprach dies durchaus Ihrer von Anfang an in diesen Angelegenheiten vertretenen Auffassung. Ich hoffe, mit dieser Er⸗ klärung jedes Mißverständnis Ihrer Haltung, das etwa durch meine Polemik entftehen könnte, beseitigt zu haben.

(Abg. Adolph Hoffmann: Bestätigt ja alles!) Aber verebrtester Herr Hoffmann! Außerdem haben die drei engsten Mitarbeiter unseres damaligen gemeinsamen Ministeriums, zu denen auch eine engste Parteifreundin des Herrn Adolph Hoffmann selbst geb örte, eine Erklärung abgegeben, aus der ich auch wenige Sätze verlesen will, um auch das in die Akten des Hauses kommen zu lassen und diese Dinge ein für allemal auszu⸗ räumen. Diese Herrschaften darunter, wie gesagt, eine Unab⸗ hängige Sozialdemokratin erklären mit ihrer Namensuntetschrift: Wei verschiedenen Gelegenbeiten hat Herr Adolph Hoffmann Behauptungen aufgestellt, die den Eindruck erwecken sollen, als sei alles, was in der Zeit von Beginn der Revolution bis zu seinem Austritt aus dem Kultusministerium geschah, ge meinsame Arbeit des Ministeriums und unter Zustimmung, wenn nicht ein⸗ mütiger Willigung beider Minister und sämtlicher Fächbeiräte er— folgt. Dazu haben wir, die wir die kritische Zeit der Doppel⸗ regierung von Mitte November bis Anfang Januar erlebt haben, folgendes zu bemerken: Es trifft nicht zu, daß alle Verfügungen und Grlasse von Bebeutung die Billigung beider Minister gehabt haben. Wahr ift vielmehr, daß die meisten derselben erst nach harten Kämpfen und wiederholten Einsprüchen und Abstrichen seitens des Ministers Haenisch das Ministerium verlassen haben. Das gilt insbesondere für die unter seinem Namen gehenden, von Dr. Wyneken ent— worfenen Erlasse über die Religion in den Schulen sowie die Schülerräte. Wahr ist ferner, daß mehrfach Haenisch's Unterschrift nur zu erzielen war, damit Schlimmeres verhindert wurde, indem Herr Hoffmann zu wiederholten Malen mit dem Appell an die Gewalt, (Hört, hört! rechts),

d. h. an den damals allmächtigen Berliner Zentralrat der Arbeiter⸗

und Soldatenräte drohte. (Zuruf des Abg. Adolph Hoffmann.) Das ist ja richtig, Herr Hoffmann. Was wäre aber daraus geworden, Herr Hoffmann, wenn ich nicht durch Nachgeben in manchen Punkten verhindert hätte (Abg. Adolph Hoffmann: Das war ja unsere Bedingung, verleugnen Sie das doch nicht) Gewiß, ich verleugne ja gar nichts. Meine Herren, es wäre ein nationales Unglück gewesen, (Abg. Adolph Hoffmann: Durch Gewalt sind Sie ja nur dahin gekommen!) es wäre ein nationales Unglück gewesen, Herr Hoff⸗ mann, wenn die Kirchen. und Schulpolitik von dem Ministerium fort und in die Hände des damals auf dem äußersten linken Flügel stehenden Berliner Vollzugsrats gelegt worden wäre; und um das zu verhüten, meine Herren, habe ich im Interesse unseres Landes und unseres Volkes in manchen Punkten weiter nachgegeben, als

ich sonst schon nachgegeben hatte. Ich glaube, daß das ganze Haus

mit Ausnahme der äußersten Linken für diese Haltung Ver⸗ staãndnis het. .

Der Herr Abgeordnete Hoffmann hat dann auch heute wieder mit vielen mehr odet minder geschmackvollen Wien sich mit meinem Besuch in Maria-Laach beschäftigt. Er hat ge⸗ sagt, der Minister Haentsch ist iicht nach Kanoffa, er ist vlckmehr nach Maria Laäch gegangen, er bäkte gleich dableiben sollen, da paßt er bin, er hätte die Kutte nehmen sollen, und was dergleichen geschmackrolle Scherze mehr waren. Meine Herten, wein ber Hern

Abgeordnete Adolph Hoffmann mir einen Strick daraus drehen will, daß ich mich auch mit dem Abt und mit den Patres in Maria-Laach freundschaftlich und ernst unterhalten habe, (erneute Zurufe des Abg. Adolph Hoffmann) so darf ich mich dabei auf den Herrn Abgeordneten Adolph Hoffmann selbst berufen. Etst vor zwei oder drei Tagen hat auf dem Leipziger Parteitag der Unabhängigen Sozialdemokratie Herr Abgeordneter Adolph Hoffmann zur Verteidigung einiger Führer des linken Flügels seiner Partei, die wegen ihrer Verhandlungen mit den Kommunisten angegriffen worden waren, gesagt, daß er selbst sich gern mit jedem politischen Gegner unterhalte, der ihn darum ersucht. Gurufe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten) Ja, gewiß, Herr Abgeordneter Dr. Weyl, Sie unterhalten sich auch mit mir in sehr angenehmer und netter Weise. (Heiterkeit, Ich meine aber, wenn ich das Recht habe, mich mit Ihnen zu unterhalten und ich habe mich auch oft mit Herrn Abgeordneten Adolph Hoffmann unterhalten —, dürfen Sie auch mir das Recht nicht nehmen, mich mit dem Abt von Maria-Laach zu unterhalten. Ich wiederhole, was ich gestern sagte, daß sich das Gespräch mit dem Abt von Maria -Laach in sehr viel besseren Verkehrsformen ab⸗ gespielt hat, als die Verkehrsformen sind, die wir gewohnt sind, sobald der Herr Abgeordnete Adolph Hoffmann auf der Tribüne erscheint. (Heiterkeit) Da auch in den allerletzten Tagen durch kleine Lokalblätter immer wieder noch die blöde Geschichte geht, über die ich gestern gesprochen habe und zu der der Herr Ab— geordnete Dr. Lauscher namens seiner ganzen Fraktion in einer von mir anerkannten durchaus loyalen Weise Stellung genommen hat, ich hätte es in Maria⸗Laach als meine Absicht verkündet, den Atheis—= mus zur Staatsreligion zu erheben, da, sage ich, dieser Unsinn immer wieder aufgeräumt wird, so gestatten Sie mir vielleicht, daß ich Ihnen einige wenige Worte aus einem neuen Briefe vor— lese, den ich gerade heute Mittag von dem Abt von Maria-Laach, Herrn Dr. Herwegen, bekommen habe. Ich hatte ihm dafür ge⸗ dankt, daß er seinerseits aus freier Initiative heraus jenen blöden Zeitungsverleumdungen entgegengetreten war. Darauf antwortet mir heute Herr Dr. Herwegen folgendes:

Durch Ihre gütige Zuschrift vom 20. d. M. haben Sie mich zu verbindlichstem Danke verpflichtet, den ich hierdurch abzustatten mich beehre. Auch ich habe es überaus bedauert, daß Ihr Besuch in unserer Abtei durch einen so bösen Schatten ge⸗ trübt worden ist. Da die falsche Wiedergabe Ihrer Aeußerungen zuerft in ganz kleinen Lokalblättchen auftrat, glaubte ich, durch ein Dementi würde die Aufmerksamkeit nur noch stärker darauf gelenkt werden. Als aber sogar die „Kölnische Volkszeitung“ die törichte Mitteilung nachdruckte, betrachtete ich es als meine Pflicht, ibr entgegenzutreten. Jedenfalls ist dadurch den auch jetzt noch vereinzelt auftretenden Angriffen die Spitze abgebrochen. Sollten Sie, sehr geehrter Herr Minister, bei gebotener Ge⸗ legenheit unsere Eifeleinsamkeit nochmals aufsuchen wollen, so würde mir das die wertvollste Bestätigung dafür sein, daß Ihnen der Besuch trotz der unliebsamen Nachklänge in angenehmer Er— innerung geblieben ist. ; ö ö

Sehen Sie, in einem solchen Ton können auch Männer miteinander verkehren, die politische Gegner, Gegner auch in Weltanschauungsz— fragen sind. Es wäre mir sehr erfreulich, wenn ich in einem ähnlich anständigen Ton auch mit Herrn Hoffmann verkehren könnte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, damit Herrn Abgeordneten Adolph Hoffmann endgültig verlassen zu dürfen. (Bravol im Zentrum.)

Die Herren Abgeordneten Boelitz und Oelze haben sich dann eingehend mit der Stellung des Kultusministers, insbe⸗ sondere der Oberlehrerschaft ge genüber, beschäftigt. Von beiden Herren sind längere Zitate aus meinen Artikeln im „Vorwärts“ gelesen worden, die ja auch bereits im Ausschuß eine große Rolle ge= spielt haben. Es ist von den Herren so dargestellt worden, als ob durch die, wie Herr Abgeordneter Oelze es glaubte ausdrücken zu müssen, „allzu übereilte! Berufung neuer Männer in das Kultus ministerium eine Art Parieiherrschaft etabliert werden sei, daß ich mich nicht als völlig über den Parteien stehender Minister, sondern als ausge— sprochener Parteimann betätigt härte. Dem gegenüber muß ich sagen, es war ein auf die Dauer unmöglicher Zustand, daß in einem Ministerium nur die oberste Spitze, der Minister, Sozialdemokrat wat, während fast alle anderen Beamten konservativ waren. Darin mußte allmählich Wandel geschaffen werden, und diesen Wandel habe ich in Uebereinstimmung mit meinem verehrten Mitarbeiter Herrn Unter⸗ staatssekretär Dr. Becker, der keineswegs auf sozialdemoktatischem Parteistandpunkt steht, im Bereich des Möglichen in die Wege zu leiten versucht. Wäre es ständig so geblieben, daß der Minister sozialdemo⸗ kratisch, alle seine Berater aber konsewativ waren, dann wärt der Karren der Verwaltung längst in den Abgrund gefahren. Stellen St sich doch nur mal das Umgekehrte vor! Halten Sie es etwa für mögreh, daß ein konservativer Minister mit lauter sozialdemokratischen Beamten regiert hätte? Das hätten doch gerade Sie nicht für möglich gebalten! (Zuruf rechts) Es wird mir zugerufen: wenn der Minifter mit seinen Räten nicht übereinstimmt, sol l der Minister seiner Wege gehen Das ist doch ein wahrer Hohn auf das parlamentarische System, auf jeden Verfassungsstaat, auch auf den alten konstitutionell ⸗monarchistischen Staat. Ich habe also mit voller Absicht mein Ministertum allmählich zu durchsetzen versucht mit politisch demokratischen und mit sozialdemokratischen Elementen. Daß dabei keineswegs in erster Linie das Parteimitgliedsbuch in Frage kam, sondern sachliche Tüchtigkeit. Das habe ich mehrfach betont. Ich glaube, die Herren, die mit meinen sozialdemokratischen Mitarbei⸗ tern in der Kommission zusammengearbeitet haben, auch mit den Unab⸗ hängigen, haben im allgemeinen von diesen, wie ich höre, einen recht guten Gindruck bekommen, sewohl die Herren im Unterrichtsausschuß wie auch die Herren im Hauptausschuß, und wenn ich mich recht et— innere, bat gerade Dr. Heß mehrfach seine Anerkennung über das Auf⸗ treten des einen oder anderen meiner sozialdemokratischen Mitarbeiter ausgesprochen. r

Selbstverstãndlich muß es auch mein Bestreben sein, nicht nut im Ministerium, sondern auch an den entscheidenden Stellen der oberen Ptovizialvetwaltungsbehörden, dor Prwwinzialschul⸗ kollegien üsw. allmähllch den einen oder antkreèn neüen Mann. hinein- zübringen. Doß solche Aenderungen in käinem einzigen Fall irgend wie brutal gescheben sinb, das werden mir auch die Herren der mir feindlichen Parteien bestäͤtigen. Jede Gsinmrungeschnüffele: liegt mir durchaus fetn. (Zütuf) Fall Ceonkäard. werd mir sugeru fen. Ich habe döiesen Fall gerader der parteipolltischen Diskussicn u ent.

lie hen gesucht, indem ich ihn vor das geordnete Disziplinargericht derwiesen habe, und solange das Disziplinarberfahren schwebt, mächte ich mich nach altem guten Brauch dazu nicht äußern. Ich habe

schon in einem meiner Vorwärts“ Artikel den Vorwurf, daß es sich

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männer auf leitende Posten darum handelt, eine einseitige partei= politische Bevorzugung zu treiben, zurückgewiesen, und es ist kenn zeichnend, daß weder Herr Oelze noch Herr Boelitz diese Stelle mit⸗ dorgelesen haben. Die Sielle lautet:

„Gegnern, die in diesen Maßnahmen eine unzulässige Be⸗ vorzugung meiner sozialistischen Parteigenossen sehen, möchte ich entgegenhalten, daß es sich ganz im Gegenteil um nichts anderes handelt, als darum, das schwere Unrecht wenigstens einigermaßen gut zu machen, daß zum Schaden der Schule selbst unter dem alten Regime demokratische und sozialistische Lehrer von leitenden Posten der Schule ausgeschlossen gewesen sind. Auch heute haben rein zahlenmäßig döie rechtsstehenden Elemente das entscheidende Uebergewicht. So wenig ich auf der einen Seite daran denke, irgendeinen dieser Herren wegen seiner Gesinnung zu maßregeln, so ist es auf der anderen Seite meine verdammte Pflicht., und

Schuldigkeit, für eine möglichst vasche Durchsetzung auch des Be⸗ amtenschulkörpers mit brauchbaren demokratischen und sozialistischen Männern alles zu tun, was in meinen Kräften steht.“ Das ist meine Auffassung und danach werde ich handeln trotz der Angriffe der Rechten. (Zurufe von der Deutsch⸗ nationalen Volks- partei. Das ist keine neue Einseitigkeit, wenn ich die Leute, die bisher ihrer Gesinnung wegen im Schatten gestanden haben, heran— ziehe. Es gab bisher keine sozialdemokratischen Schulräte, keine sozialdemokratischen Direktoren, Kreisschulinspektoren usw., es gab beinahe keine demokratischen, es gab nur wenig nationalliberale. Wenn ich die Leute allmählich aus dem Schatten ans Licht hole, dann ist das keine neue Ungerechtigkeit, sondern eine Wiedergut⸗ nachung alten Unvechts, und darin werde ich mich nicht hindern lassen. Der Herr Abgeordnete Oelze ist dann des näheren eingegangen auf die schon im Ausschuß ausführlich behandelte Frage, wie es mit dem Ver fassungseid der Lehrer stände, und ob sie in Gewissenskonflikte geraten würden, wenn sie trotz der Ableistung des Verfassungseides in der Schule gelegentlich ihrer persönlichen Auffassung Ausdruck geben. Ich habe mich in einer formu— lierten Erklärung, die ich im Augenblick nicht hier habe, im Ausschuß dazu geäußert, ich hoffe, daß diese formulierte Erklärung im amtlichen Protokoll erscheinen wird. Ich möchte hier nur dem Sinne nach wiederholen, daß selbstverständlich die neue Re— gierung ganz im Gegensatz zu der alten Regierung nicht daran denkt, die verfassungs mäßige Freiheit der Lehrer und Lehrerinnen irgendwie anzutasten. Ganz im Gegensertz zu dem alten Regime kann unter dem neuen Regime jeder Lehrer und jede Lehrerin jeder Partei von den Unabhängigen bis zu den Deutschnationalen angehören, ohne daß ihnen deswegen ein Haar gekrümmt wird. Gurufe rechts) Leonhard ist doch nicht wegen einer Zugehörigkeit zu irgendeiner Partei vom Dienste suspendiert worden. Ich habe zwar gehört, er gehöre gar nicht Ihrer Partei an, ich weiß wirklich nicht, welcher Partei er angehört. Das ist auch gang gleichgültig, darauf kommt es nicht an sondern wegen be— stimmker Handlungen und Unterlassungen. Das ist etwas ganz anderes. Es ist selbstverständlich, daß unter dem neuen Regime im Gegensatz zu dem alten Regime niemandem wegen seiner politischen Zugehörigkeit oder politischen Tätigkeit ein Haar gekrümmt wird. (Widerspruch rechts) Weisen Sie mir nur einen Fall nach, wo das bisher geschehen ist. Ich habe das in keinem Fall getan und werde es auch nicht tun. Da können Sie warten, bis Sie schwarz werden. Wenn ich aus leitenden Stellen innerhalb und außerhalb des Ministeriums den einen oder den anderen alten sehr mit dem alten schulpolitischen System verwachsenen Beamten entfernt habe, steht das auf einem ganz anderen Blatt. Die Lehrer haben das Recht, auch jeder Partei anzugehören, sei es rechts vom heutigen Regierungeblock, sei es links von ihm, die auf verfassungsmäßigem, legalem, durch die Bestimmungen der Reichsverfassung vorgesehenen Wege eine Aenderung der Verfassung herbeiführen will. Damit ist gesagt, daß auch Unabhängige, die auf legalein gesetz⸗ oder ver— fassungsmäßigem Wege etwa das Rätesystem erstreben, ruhig Lehrer bleiben können, ebenso die Deutschnatisnalen, die auf verfassungs⸗ mäßigem, legalem Wege die Wiedereinführung der Monarchie er— streben, aber was unbedingt gefordert werden muß, ist, daß von den Lehrern nicht Parteipolitik in die Schule hineingetragen wird. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) Es ist die ver⸗ dammte Pflicht und Schuldigkeit der Lehrer, genau, wie das alte Regime das erst recht verlangte, auch unter dem neuen Regime die Jugend zu erziehen in Achtung vor der Verfassung und vor den Gesetzen der neuen deutschen Republik. (Sehr gut! links.) An dieser Pflicht der Lehrer halte ich fest, daran lasse ich nicht deuteln, daran lasse ich nicht rühren und nicht rütteln. Daß ich dabei nun nicht in jede Schulklasse einen Spitzel setzen möchte, der nun aufpaßt und mir hinterbringt, ob der Lehrer vielleicht bei dem griechischen Zitat: es voiũbauos eaz„αν, eis Bases, das Herr Oelze anführte, es soll nur einer König sein, einer nur soll Herr sein, eine Bemerkung macht, die etwa Sympathie für die monarchtsche Regierungsform ausdrückt, das versteht sich wohl von selbst. (Zuruf rechts.) Ja, Herr Oelze, ich bin kein Polizeibüttel, sondern ein Kultusminister und bin verantwortlich dafür. Hätte früher irgendein Lehrer im Unterricht sozialdemokratische Anschau⸗ ungen vertreten, so wäre es ihm wohl übel ergangen, aber wir Wilden sind eben doch bessere Menschen. Ich möchte also wirklich vor einer allzu großen Aengstlichkeit warnen, und Sie können es ruhig meinem

bei den Berufungen sozialdemokratischer und demokratischer Schul⸗

persönlicken Takt und meiner Achtung dor der Lehrfreiheit überlassen,

was nach der Richtung hin zu geschehen hat.

Dann hat der Herr Abgeordnete Oelze die Verfügung bemängelt, nach der ich angeordnet habe, daß die Jugend auf die großen Gedanken der Völkerversöhnung und des Völkerbundes vor bereitet werde. Der Abgeordnete Delze hat seine Angriffe gegen diese Verfügung nur deshalb richten können, weil er, wenn auch natürlich Ur absichtlich, den guten großen und schönen Gedanken des Völkerbundes nd der Völkerversöhnung mit der Karrikatur, mit der Mißgeburt des Wölkerburdes vermechselt, hat, die jetzt von den Herrän Lloyd George und Clemenceau propagiert wird. (Sehr richtig! links) Das weiß gerade ich ganz genau, daß in dem Völkerbundgedanken in den Händen unserer früheren Feinde, zie sich a u ch heute noch wie unfere Feinde benehmen, von Versshnung kelne Spur zu finden ist. Das weiß ich ke gat wie Sie, daß der Völkerbund in diesen Händen zu einem

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Spott und Zerrbild srndergleichen geworden ist. Ich weiß auch, daß der Tölkerbundgedankè, der võn den Frarqvsen und Che ländern während des Krieges in Flugblättern in unsete Schützengräben hineingeworfen wurde, nichts war als ein raffiniert ausgeklügeltes politisches Kampfmittel. Ich habe auch während des Krieges in dieser Saale von dieser Stelle aus mehr als einmal erklärt, daß ich auf diesen Schwindel nicht hineinfalle. Ich geböre da also nicht zu den Ent⸗ täuschten, ich habe immer von Anfang an dador gewarnt, hier im CHause und auch sonst in der Oeffentlickkeit. Aber der große Gedanke des Völkerbundes, der Völkewersöhnung, der der einzige ist, der der zerstöõrten Welt und insbesondere dem zer störten Eutopa Rettung und Heil bringen kann, hat mit dieser Karrikatur nichts zu schaffen, und für diesen Gedanken will ich allerdings unsere Jugend erzogen wissen, für dieses Ideal muß unsere Jugend gewonnen werden. (Sehr gut! links) Das hat nun nichts damit zu tun, daß etwa eine antinatzonale cder eine unnationale Notén in den Unterricht hineinkemmen müsse. Nein, Völker« versöhnung und starkes nationales Selbstbewußt⸗ sein verträgt sick durchaus miteinander. (Sehr wahr! links.) Ich hebe neulich schen bei der Debatte über den Wilmersdorfer Fall Leonhard, als ich eine förmliche Anfrage zu beantworten hatte, gesagt, daß ich für alle meine Parteifreunde ich darf da einen Augenblick als Parteimann sprechen für alle Männer der Regierung und insbesondere für mich das Recht in Anspruch nehme, ge nau so national zu denken wie Sie. Der Unterschied zwischen uns und manchen von Ihnen ist nur der, daß wir national, Sie aber vielfach nationalistisch sind. National kann man sein, national soll man sein auf die große Kulturvergangenheit unseres Volkes, auf die unsterblichen Schätze unserer Kultur, unserer Literatur, unserer Klassik sollen wir stolz sein. Sie sollen alle unserem ganzen Volke zugänglich gemacht werden. Wir sollen auch gerade jetzt im Unglück, in der Erniedrigung unseres Volkes unsern Kopf hoch tragen und stolz unser Deutschtum bekennen. Das ist heute not- wendiger als je zu vor.

Aber etwas ganz anderes ist jene nalionalistische Ueberheblich— keit, die am deutschen Wesen die ganze Welt genesen“ lassen wollte, jene Ueberheblichkeit, die vor dem Kriege jeden Augenblick mit dem Säbel rasselte und erklärte: wir halten unser Pulver trocken, win halten unser Schwert geschliffen! Kommt nur! Wir hauen euch nieder! Das ist jene üble nationalistische Ueberheblichkeit, die uns in der ganzen Welt so verhaßt gemacht hat und die nicht zum wenigsten uns in dieses furchtbare Unglück hineingerissen hat, in dem wir heute stehen. (Sehr richtig! Zurufe rechts.) Ich weiß nicht, was Südekum geschrieben hat. Das hat hiermit auch nichts zu tun. Ich erkläre, daß ich diesen üblen, verderblichen, gemein— schädlichen Nationalismüs aufs äußerste bekämpfen, aber nationalen Stolz und nationäle Würde mit äußerstem Nachdruck in der Schule pflegen werde.

Dann die Anfrage des Herrn Abgeordneten Boelitz gestern, ob der Artikel in der „Vossischen Zeitung“, in welchem davon die Rede war, daß das Lied „Deutschland, Deutschland über alles!“ verpönt sei, von mir oder von der Regierung inspiriert seil Ich habe gestern schon durch Zwischenruf erklärt und erkläre es auch heute, daß das eine ganz irrige Annahme ist. Ich stehe dem Artikel völlig fern, habe ihn überhaupt erst nach der Rede des Herrn Boelitz gelesen.

Meine Damen und Herren, gegen das Lied „Deutschland, Deutschland über alles!“ habe ich gar nichts einzuwenden. Ich habe es im August 1914 auch mitgesungen und bin gern bereit, es wieder miszusingen. Es ist kein Lied nationalistischker Ueberhebung, sondern darin wird dem schönen Gedanken Ausdruck gegeben:

Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland, Danach laßt uns alle streben, brüderlich mit Herz und Hand! Das ist ein Boden, auf den auch Sozialdemokraten treten, auf den

wir uns alle vereinigen können.

Die Frage des Abgeordneten Jordan nach meiner Stellung zu den Anträgen auf die körperliche Ertüchtigung der Jugend kann ich, unter Hinweis auf meine ausführlichen Erklärungen im Ausschuß, nur dahin beantworten, daß ich allen diesen Bestrebungen mit der denkbar größten praktischen Sympathie gegenüber stehe.

Meine verehrten Damen und Herren, über eine große Reihe anderer Fragen, die in der Besprechung angeregt worden sind, die * der Schülerbünde, besonders des Deutschnatio nalen, die Frage der Schulgemeinden, die vielen Fragen der Lehrerbildung, der kol⸗ legialen Schulleitung, die Fragen des Volkshochschulwesens, über die der mehrheitssozialistische Redner Herr Abgeordneter Schlucht— mann so erfreuliche und beachtliche Ausführungen gemacht hat, und über die Frage, die Herr Schluchtmann gleichfalls angeregt hat, be— treffend die bessere Ausgestaltung der volkstümlichen Kunstpflege, über die Frage der Popularisierung unserer Museumsschätze, der Hochschulreferm über alle diese und viele andere Dinge werden meine Sachverständigen, meine Räte und Mitarbeiter und ich selbst in der Einzelberatung uns noch aussprechen. Ich will die allge— meine Besprechung mit diesen Dingen nicht belasten.

Meine Damen und Herten, ich komme zum Shluß. Trotzdem die Besprechung vielfach recht erregte Formen angenommen hat, darf ich doch meiner großen Freude Ausdruck geben über das sehr rege Leben und Streben, das sich, wie auch diese Debatte wieder gezeigt hat, auf allen Gebieten unseres kulturpolitischen Lebens geltend macht. Gewiß ist in all den tausendfachen Anregungen, die Tag für Tag, Stunde für Stunde gerade in meinem Ministerium zu⸗ sammenströmen, viel Ueberschwang, mancher Schaum, aber doch auch sehr viel Gutes, sehr viel Großes und Gesundes, und es wird Auf—

gabe des Ministeriums sein, hier die Spreu von dem Weizen zu

sondern und dem wirklich Guten und Großen auch zum Durchbruch und zur Verwirklichung zu verhelfen.

Meine Damen und Herren, gerade dieses rege, frische, unermüd⸗ liche, immer wieder aufpulsende geistige Leben und Streben auf dem Gebiete der Kunst, der Schule, der Wissenschaft, all die tausendfachen Anregungen, die wir in den fünf oder sechs Wochen der Ausschuß⸗ beratungen empfangen haben, geben mir die stolze und frohe Ge⸗ wißheit, daß unserem deutschen Volke trotz alledem noch eine große Zukunft und eine gewaltige Kulturmission unter den Völkern der Welt be— schieden ist. Ich hoffe bestimmt, daß von hier, von der deutschen Seele, vom deutschen Geiste aus die Gesundung unseres tiefkranken Volkskörpers ausgehen wird. 6

Meine Damen und Herren, ein Volk, das jetzt in den Tagen des furchtbarsten Niederbrucht, in den Tagen eines Jusammenhruchs, wie er noch nie in irgendeinem Lande bei irgenheinem Polke der

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uns bekannten Geschichte da war, es fertigbringt, ruhig seine kultur⸗ Politische Arbeit, seinen kulturpolitischen Aufstieg weiter fortzusetzen, das mithin in diesen Tagen des Zusammenbruchs ein Unternehmen aus sich hervorbringt, wie dieses wundervolle Massen⸗ theater im Zirkus Schumann mit der herrlichen Wiedergabe der Orestie, die wit in der vorigen Woche er— lebt haben, ein Volk, das mit solchem Ernst und solcher Grünblich— keit, wie es im Ausschuß geschehen ist, fünf bis sechs Wochen lang sich mit den schwierigsten, den höchsten, den tiefsten Fragen der Weltanschauung, des Wiederaufbaues der Schule, der Kunst und der Wissenschaft beschäftigt ein so lches Volk bringen unsere Feinde nun und nimmer nieder, und ich wünsche nur, daß die vielen fremden Kommissionen, die jetzt hier in Berlin sitzen, auch von diesen Dingen, von diesem großen geistigen Aufschwung unseres Volkes, von der großen Kraft und Lebendigkeit unseres natio⸗ nalen Geisteslebens ihren Regierungen recht genauen Bericht erstatteten. Meine verehrten Damen und Herren, ein solches Volk kann nicht dauernd zu Böden geschlagen werden; ein solches Volk kommt wieder hoch, kommt wieder an das Licht trotz alledem und alledem! (Lebhafter Beifall.)

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J2. Sitzung vom 6. Dezember 1919. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungs verleger*).)

Am Regierungetische der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volkebildung Haenisch. t ö

Präsident Leinert eröffnet die Sitzung um 111 Uhr.

Die zweite Beratung des Haushalts des Mini— steriums für Wissenschaft, Kunst und Volks bildung wird be dem Abschnitt „Volksschulwesen“ fortgesetzt.

Abg. Runge (Soz): Die Einheitschule ist eine alte Forderung der Lebrerschast, aber erst die Revolution mußte kommen, um ibre Einfübrung zu ermöglichen. Die Nebenerscheinungen der von Ihnen nach rechts) so sehr verurteilten Revolution fallen aber nicht daf dog Konto der Revolution, sondern sind die Nachwirkung-n des Kreges. Zelbstverständlich gehört ein vernünftiger Laatsbärgerlichr Urter— richt zu den Lehrfächern der Einhentsschule. Durch Ihre Geivaltrolitik ist die sozialistiiche Bewegung, die in der ganzen Welt eingesetzt hat, der Schule hisher verschlossen gewesen. Uns vorzuwerfen, daß die sozi istisch Bewegung bisher nichts Positipes geleiftet habe, haben doch Sie (nach rechts; am allerwenigsten Ursache. Was bt denn das Christentum während seiner zweitausendjährigen Herrschaft an wirklicher Eiziehungsarbeit geleistet? Bezüglich der Religion kann ich nur sagen, ich achte jese Relig on, aher auf der anderen Seite müssen selbstverständlich auch die Wefüh e anderer geachtet werden, das ist aher nicht der Fall. Hinsichtlich der Ausgestalsung des Schulwesens stellen wir uns aur den Boden der Reschs verfassang. Es bestehen aber leider bezüglich der Auslegung der Verfassung immer noch Meinungeverschieden heiten zwischen der Nationalversamm lung und di sem hohen Hause. Um dieme zu bejeitigen, haben wir unseren Antrag eingebra lt, den wir dem Unterrichtsausschusse 1 überweisen bitten. Sie (nach rechts) verlangen von uns Leyalität. Ist Tenn aber Ihte Pandlunasweise immer lopal gewesen? Ich weiß verschiedene Falle, aus den illoyales Verhalten Ihren (zum Zentrum) Angehörigen gegen— über hervorgeht. Auch wir wünschen einen größeren Einfluß der Eltern auf die Schule. Es ist doch selbstverständlich, daß bei einem parlamentarischen System die Regierung aus der Mehrheit des Parlaments gebildet wird, aber nun von dem Minister zu verlangen, seine Parteizugehörigkeit vollkommen zu verleugnen, gebt doch ein bißchen weit. Es soll doch der Wille der Mehrheit des Volkes in der Reglerung zum Ac sd uck gebracht werden. Zu unseren Lehrern haben wir das Vertrauen, daß sie sich der Schwere ihrer Verant— wortung voll bewußt fein und in diesem Sinne auch ihr Tun und Lassen einrichten werden. In die Lesebücher gehören alle bedeutenden Männer des Volkes, so natürlich auch August Bebel. An ihm foll den Kindern gejeigt werden, daß auch der Aerm'te es zu etwas Großem bringen kann. Wir wünschen auch, daß das Züchtigungorecht des Lebrers in allen Schulen auf dem Verordnungen ege eingeichrärkt und deß dteser Ner— ordnung die nötige Achtung versckaff wird. Wenn anch unsere jetzige finanzielle Laue eine sehr ungünstige ist, so darf uns das doch nicht bhalten, Verbenerungsvorschläge zu machen. Wo ein Wille üt, wad sich auch in Weg finden eventuell im Wege einer befonderen Steuergesetzgebung. Gerade auf dem Gebiete der Förderung der Kidungsmög lichkeit unsereöz Volken muß alles geschehen. Wir boffen vem Kultusminister und seinen Mitaibettern, daß sie sich duich nichis von dem beschrittenen Wege abhalten laffen, so dat wir anseren Kindern, denen wir infolge des unglücklichen Ausgangs des Krieges eine gewaltige Schuldenlast hinterlassen, wenigstens etwas gutes vererben.

= Ministerialdirektor Käst mmer: Es ist mir eine Ehre und Frende, mich, dem Hause vorzustellen und zum erssen Mate an den Etats beratungen teilnehmen zu dürfen. Ich bin mir der Schwere des Amtes boll bewußt, das vielleicht mebr als je eine volle Arbeitskraft erfordeit, aber ich bin anthar dafür, an einer soschen Stelle mit⸗ arbeiten zu dürfen, in einer Zeit, wo mancher hier und da an seiner Arbeit verzweifeln möchte. Wir sehen das große Erlebnis, wie heute aus der Masse des Volles der Bildungöwille kommt, und ich bin stolz darauf, in diesen Reihen hter mita beiten Lr, dürfeg. Mehr noch als Wirtschaftsfragen werden Schal, und Bildunge fragen bei dem Wiederaufbau deg deutschen Volks eige Rolle sptelen In di sein Sinne bitte ich um Ihr Vertraum bei unserer gemeigsamen Arbeit am Schulwesen. Reichlich 20 000 Lehrer sind für ihr Vaterland gefallen. Wie so häufig sind es die besten, die wir jetzt bet der Arbeit am Weederaufbau entbebren müssen. Die Unterrichlsverwaltung wird sie nicht vergessin, sie wird sich auch, mit ellen ihren Kräften ibrer Hinterbliebenen annehmen (Beifallh. Zum ersten Male vermißt wird in diesem Jahre bei diefen Beratungen auch der verewigte Ministerialdirettor ben Bremen, der feine Lebenzarbeit der preußischen Volks—⸗ shule geschenkt hatte, der ein ganzer Mann war und der Werke hinterlassen bat, die sein reiches Leben zweifellos über— dauern werden. Schöpferisch mitgearb itet hat er insbeso dere an dem Zustandekommen des Zentralinstituts für Etrztehung und Unter— Echt. Besonders geschätzi werden mußte an ihm seine ssändige frische Initiative, sein stänciger Verkehr mit dem frischen Teben guferhalb der Büros. Unter den neuen schwlerigen Verbältnissen der Gegenwart 'arf uns die Arbeit nicht zu sehr erschwert werden auch nicht durch Neherschwemmung mit Schulreformborschlägen, was all u leicht die ernste Arbeit gefährdet. Wir nehmen jede Anregung sehr dankbar entgegen, aber wir im zssen uns unsere Zeit zur Arbeit an den Dingen selbst retten. Sehr erleichtert wird uns das kollegiale Zusammenarbeiten aller Arkeiter an der Schule durch die Lebrerräteè werden. Viese werden nicht bloß Gelegenheit, zu gutachtlichen Acußerungen zu bekommen haben, sondern sie werden auch mit zu entschließen und mit zu ent— schetden hahen; es wid zwischen dez einen und der anderen Tätigkeit ein vernünftiger Mittelweg zu sinden sein. Die Lehrerräte weiden aich bei der Einrꝛnnung der Kreieschulinspektoren wesentlich beteiligt sein. Ueher die Erfahrungen mit den Lehrerräten liegen teilweile lchon Berichte vor. Später wird auf Grund dieser Erfahrungen eine Konferenz sich über die definitive Organisation der Lehrerräte gründlich aunzusprechen haben. Auch die Verwaltung wünscht die Einführung von Leh tern als Hilfsarbeiter in der Verwaltung; es ist zunächst bei fünf

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