1920 / 68 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 31 Mar 1920 18:00:01 GMT) scan diff

anderen Hauptstädten Schutz suchte. Es waren die Landesregierungen der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht. (Wigerspruch,, während die Reichsregierung der springende Punkt war. (Heiterkeit) Es ist doch gut, daß Berlin nicht Dentschland ist. und daß die Geschicke des deutschen Volkes nicht lediglich von den Stimmungen in Berlin al ingen. (Sehr richtig) Wer die Verwirrung und die Kosflosig⸗ keit der letzten Tage hier erlebt hat, der müßte sonst verzweifeln an der Zukunft des deu tschen (Sehr richtig! In kratischen Blättern liest man gelegentlich die Behauptung die ge— mäßigten Männer in unserer Fraktion hätten nicht den genügenden Finfluß. Ich möchte Sie doch bitten, sich über un sere Fraktion nicht den Kopf zu zerbrechen. Wie es in ruhigen Zeiten einmal sein wird, das läß! sich überhaupt noch nicht voraussehen, Ich würde mich glück⸗ sich schätzen, wenn ich zur Herbeiführung ruhiger Zeiten etwas bei— tragen könnte. Wir können uns niemals miteinander verständigen, wenn der neutrale Boden der Verfassung nicht wäre. Deshalb ver⸗ langt es die elementarste staatsbürqęr liche Erziehung, der elementarste staalshürgerliche Instinkt daß die Verfassung von allen hochgehalten wird (sehr richtig!) auch von denen, deren politischem Ideale sie nicht entspricht, und die seinerzeit gegen die Verfassung gestimmt haben. Ich halte es sogar für möglich. daß Ereignisse eintreten, die uns ohne Rücksicht der Parteizugehörigkeit zu ei ner staatzs bürgerlichen Einheits⸗ front zusammenfassen gegenüber allen, die glauben, daß die Ver⸗ fassung nur ein Fetzen Papier sei. Ich sage ausdrücklich Staats- bürger, nicht Bürger. Staatsbürger sind wir alle, mag uns die Parteipresse Proletarier nennen oder Bourgecis. Ich stehe mit meinen politischen Freunden guf dem Standpunkt, daß unserem Volke jetzt nichts nötiger ist als Ruhe und Ordnung. Wir müssen uas alte gegenseitig zu streng verfassungsmäßi ger Arheit zusammen— finden. Damil ist nicht gesagt, daß die Verfassung nicht der Weiter⸗ entwicklung, der Verbesserung und der Vervollkommnung fähig wäre. Aber nur auf verfassungsmäßigem Wege soll man reformieren, nur fassr ißigem Wege müssen alle sozig en, politischen und religiösen Gegensätze ausgeglichen werden, sonst gehen wir

anausgesetzten Kämpfen und Erschütterungen und einem sicheren n entgegen bei dem Mangel an staatsbürgerlicher Grziehung.

eifall.)

Reichskanzler Müller: Meine Damen und Herren! Ich bin leider durch eine Sitzung verhindert gewesen, der Rede des Herrn Vor— redners zu folgen. Der Herr Minister Koch wir deshalb die Güte haben, auf die Rede des Herrn Abgeordneten Dr. Düringer zu ant— worten. Ich selbst habe mich zum Wort gemeldet, um Ihnen eine Reihe von Mitteilungen zu machen, die die Lage im Ruhrgebiet und in Rhein 'and⸗-Westfalen betreffen, woher sehr beunruhigende Nach⸗ richten geüemmen sind, die sich auch diesem Hause mitgeteilt haben.

Ich habe gestern den Wunsch ausgedrückt, daß es in Rheinland

Westfalen zu einer politischen Entspannung kommen möchte, und ich glaube, daß dieser Wunsch auch heute noch erfüllbar ist. Es ist im Ruhrgebiet deswegen Erregung vorhanden, weil man glaubt, daß dort mit schroffsten militärischen Maßnahmen gegen die Arbeiterschaft vor⸗ gegangen werden syoll, und wie wir diese Nacht gehört haben, ist bereits in Elberfeld und in Essen geplant, gegen dieses angebliche schroffe militärische Vorgehen von neuem den Generasstreik auszurufen. Ich stelle demgegenüber fest, daß nach einer Kabinettssitzung, die gestern stattgefunden hat, der Herrr Reichswehminister dem dortigen Reichs- wehrkommando die strikteste Anweisung gegeben hat, daß alle unnötigen Schroffheiten vermieden werden. Die Truppen, die dort überhaupt eingesetzt werden, sind verfassungstreue Truppen, und wenn deswegen in einer Erklärung, die uns gestern aus Elberfeld zugegangen ist und die auch heute in einigen Morgenblättern veröffentlicht worden ist, die Behauptung aufgestellt wird, daß dort die Inhaber der vollziehenden Gewalt unzuverlässige Generale und Offiziere nach Arbeiterblut lechzen, so muß ich diese Behauptung als durchaus unzutreffend zurück weisen (Zuruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Von Ihren Parteigenossenh, ich sagte Ihnen ja, aus Göerfeld, und ich muß sie zurückweisen, woher sie kommen! Auf Grund der genauen Instruktion, die wir gegeben haben, wonach alles unnötige Blut⸗ vergießen unter allen Umständen zu vermeiden ist. Es ist wahrhaftig in den letzten Jahren genug Blut in Deutschland geflossen. Es ist Anweisung gegeben worden, und wie ich von einem Abgeordneten, der eben aus Münster gekommen ist, höre, wird demgemäß verfahren, daß dort, wo überhaupt Truppen in Bewegung gesetzt werden, mit den Oertlichkeiten vertraute Zivilkommissare vorausgehen, die Auf- flärung verbreiten, wie überhaupt auch sonst jede nur denkbare Auf⸗ klärung verbreitet werden soll, soweit das möglich ist. Es steht fest, daß z. B. eine Reihe von Postämtern im Besitz der Roten Armee ist, so daß von dort aus durch Anschläge Auftlärung nicht verbreltet werden kann. Es wird weiter der Bevölkerung mitgeteist, daß hinter den Truppen Nahrungsmittel anrollen, denn die Nahrungsmittellage in jenen Gebieten ist geradezu fürchterlich, und wenn nicht bald Besserung kommt, ist schon aus diesem Grunde zu befürchten, daß schreckliche Zu⸗ stände dort eintreten werden.

Meine Damen und Herren. Es ist die Behauptung aufgestellt worden, was die Regierung gesagt habe, seien Greuel märchen, und in jener Elberfelder Kundgebung ist der Regierung angeraten worden, doch dort bei der sozialistischen Partei sich Aufklärung über diese an⸗ geblichen Greuelnachrichten zu holen. Mir liegt hier ein Flugblatt vor, das von den beiden sozialistischen Parteien, der sozialdemokrati⸗= schen Partei und der unabhängigen sozialistischen Partei, unter schrieben ist, das den Titel „Zur Aufklärung!“ trägt. Zum Schluß wendet es sich mit einem warmen Appell an die Arbeiter und schließt mit den Worten: „Haltet rein das Schlld des Sozialismus!“ In diesem Flugblatt heißt es ausdrücklich:

Der Kampf gegen die Rechtsputschisten, der in heroischer Weise von der Arbeiterschaft des Industriegebietes geführt worden ist, hat in seiner weiteren Entwicklung zu geradezu schrecklichen Zu⸗ ständen geführt. Wirtschaftlicher und politischer Susammenbruch werden die unausbleiblichen Folgen dieser verrückten Zustände sein.

Verantwortungslose Elemente, die Kommunisten sein wollen, haben, gestützt auf bewaffnete Horden, die Herrschaft an sich ge⸗ rissen und üben in ihren Vollzugsräten und Exekutivkomitees einen Terrorismus aus, der schlimmer ist als der weiße Schrecken.

(Hört, bört! rechts) . - Plünderungen und Requirierungen, die unter Bedrohungen vorge⸗

nommen werden, sind die Mittel, mit denen diese „Revolutions Helden“ ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten suchen. Lebensmittel aller Art werden unter räuberischer Taktik in den Lebensmittel depots und an den Bahnhöfen bescklagnahmt und an die binter der Front sich herumtreibenden Marodeure und deren Anhänger ver teilt.

972 Fe * Volkes

Gin Beispiel. In Duisburg sind die Cier, die für Kranke und Kinder bestimmt waren, von diesen „Freihei tskämpfern“ weg⸗ genommen und für sich verbraucht worden. Um die geldlichen An sprüche ihrer „Schutzgarde“ zu befriedigen, haben sie in der Duis⸗ burger Reichsbank große Summen erpreßt.“

demo⸗

Ich habe dieses Flugblatt nur deshalb angeführt. um zu zeigen, daß die Mitteilungen, die vom Regierunastisch gemacht worden sind, durchaus keine Uebertreibungen dargestellt haben.

Nun mein Damen und Herren, ich glaube, daß ein neuer Um— stand eingetreten ist, der es uns wesentlich erleichtern wird, dort zweck⸗ mäßig vorzugehen. Ich babe Ihnen gestern in meiner Rede die Mit— teilung gemacht, daß die französische Negierung nur damit eiwerstanden sei, über die im Abkommen vom 8. August v. J. zugestandenen Truppenteile weitere Verstärkungen nach der neutralen Zone zu lassen, wenn die deutsche Regierung gleichzeitig mit der Besetzung von Frankfurt, Hanau, Homburg, Dieburg und Darmstadt einver⸗ standen sei. Ich kann Ihnen erfreulicherweise mitteilen, daß uns gestern in den späten Abendstunden zutelephoniert worden ist, daß die französische Regierung diesen Standpunkt aufgegeben hat. zösische Regierung ist bereit, uns einen Spielraum von zwei bis drei Wochen zur Verwendung einer stärkeren Truppenmacht in der neu⸗ tralen Zone zu geben, ehe weitere Besetzungen in Deutschland statt⸗ finden sollen. verfassungsmäßige Ordnung wieder herzustellen, da uns ja bekannt ist, daß in den Arbeiterkreisen aller politischen Richtungen die größte Erbitterung über die Zustände, die dort eingerissen sind., laut wurde. (Abg. Frau Zietz: Die Arbeiter werden damit allein fertia! Sie brauchen das Militär nicht) Darüber gehen die Meinungen aus—⸗ einander. Frau Zietz!

Was nun die Frist betrifft, so nehme ich als ganz selbstverständ⸗

zu verwenden, als uns früher zugestanden wurden. Es ist möglich,

zugehen, als gestern noch geplant war, weil wir uns an die Be— stimmungen des Friedensvertrages unter allen Umständen halten wollten. Vor allen Dingen hat die Reichsregierung festgestellt. daß alle militärischen Aktionen, die in dem dortigen Gebiet überhaupt

Staatskommissar Severing erfolgen müssen, der sich unverzüglich wieder nach dem Ruhrgebiet begeben wird.

Nun ist im Ruhrgebiet eine große Aufregung entstanden, weil der Herr General von Watter zu dem Ultimatum, das die Regierung gestellt hat, Ausführungsbestimmungen herausgegeben hat, von denen weite Kreise der dortigen Bevölkecung annehmen, daß sie in der ge stellten Frist nicht erfüllbar seien. Insbesondere trifft das zu in bezug auf die Ablieferung der Gefangenen, es trifft aber vielleicht auch in bezug auf die Ablieferung dieser oder jener Munitionsmengen, dieser oder jener Waffen zu. (Zuruf links: fikationen erreicht worden Ja, ich wollte gerade mitteilen daß bereits Modifikationen vorgenommen worden sind zu den Aus— führungsbestimmungen dieses Ultimatums. In der Hauptsache wird verlangt, daß der aute Wille gezeigt wird, die Waffen abzuliefern, die zurzeit gegen die verfassungsmäßige Regierung verwendet werden. Es soll damit der Anfana in der gesetzten Frist gemacht werden. Jeden⸗ falls wird die Regierung alle ihre Bemühungen fortsetzen. damit es dort zu neuen Komplikationen nicht kommt. Ich hoffe aber auch, daß die Arbeiterschaft im Ruhrgebeet, die sich in dieser schwierigen Zeit in ihrer überwiegenden Mehrheit durchaus verständig gezeigt hat, weiter sich so bewährt, daß sie sich bewußt bleibt, welche Bedeutung das Ruhrgebiet nicht nur für unsere Vewpflichtungen aus dem Friedensvertrag. sondern für die gesamte deutsche Volkswirtschaft hat.

spricht, hoffen wir, daß wir eine Entspannung der Lage im Ruhr— gebiet in wenigen Tagen haben werden. (Bravoh

. haben die Deutschnationalen Arnstadt und Genossen folgende Entschließung eingebracht:

hilligt die Erklärungen der Regierung. 2. Die Nagtionalperlamm⸗ lung verurteilt den gewaltsamen Versuch vom 13. März d. J; die Regierung zu stürzen und die Nationglversammlung aufzulösen. Sie mißbilligt aber , . das Verhalten der bisherigen Regierung als die lie n rsache der Ereignisse vom 13. März. 3. Die Nationalversammlung verurteilt den Gir lercif lei als poli⸗ tisches Kampfmittel. 4. Bi Nationalversammlung fordert alle Teile des Volkes zu ents ien en und einmütigem Widerstand gegen den kommunistischen Aufruhr auf.

Reichsminister des Innern Koch: Meine Damen und Herren! Es ist trotz der wider warten, zwar nicht in der Form, aber in lhrem Inhalt, recht aggresswen Ausführungen des Herrn Abgeordneten Düringer nicht meine Absicht, Del ins Feuer zu gießen. Wir leben in einer Zeit, wo die Erregung des Volkes auf einen Siedepunkt gesteigert ist, und es kann nicht Aufgabe des Parlaments sein, diese . noch zu steigern. (Sahr richtig! bel den Deutschen Demo

ten.)

eines ganz allmählichen Aufstiegs, wie das nach der furchtbaren Katastrophe, die unser Volk erfahren hatte, nicht anders sein konnte. Die dunkle Wolke der Auslieferung von Volksgenossen, die so lange am Himmel gestanden hatte, war besei tigt, Arbeitslust kehrte in wei ten Kreisen der Beboblkeyumg wieder ein. Die Kohlenarbeiter hatten sich bereit erklärt, Ueberstunden zu machen; die Beamten hatten sich zur achtstündigen Arbeitszeit verpflichtet; bei den Postbeamten war gerade am Tage vor der Meuterei noch ein weiteres Entgegenkommen erzielt wonden; die Verhandlungen wegen der Schließung des Loches im Wasten waren am Abschluß; ein Schlichtungsgesetz, das fertiggestellt war, sollte der Nationalbersammlung vorgelegt werden, und dann war es endlich gelungen, große Kredite im Auslande für Lebens= mittellieferungen bis zum Abschluß zu bringen. In diesem Augen⸗ blick setzte der verbrecherische Anschlag ein, und der Stein, den wir erst ein kleines Stück den Berg aufwärts gerollt hattzen, rollte wiedsr in die Tiefe herab.

Wenn man die Gründe, die der Meuterei zugrunde lagen, unter⸗ sucht, so muß man etwas tiefer schürfen, als der Abgeordnete Düringer selnerseits für richtig befunden hat. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten) Man kommt nicht mit den paar Vorwänden aus, die die Meuterer ihrem Treiben zugrunde gelegt haben. Ich will ganz objektiv sein: die letzten Gründe dieser Meuterei liegen, wenig⸗ stens bei den Verführten, in der schweren und trostlosen Lage, in die Deutschland durch den langen Krieg hineingeraten ist (sehr richtigh,

Das habe ich gestern bereits mitgeteilt.

schlechter es houte in Deutschland nach dem langen Kriege aussieht,

Die fran

Ich alaube, daß diese Frist genügen wird, dort die

lich an, daß sie erst dann anfangen wird, zu laufen, wenn wir wirklich überhaupt dazu kommen sollten, mehr Truppen in der neutralen Zone

zurzeit eine größere Bewegungsfreiheit, eine Bewegungs⸗ freiheit, die es uns auch ermöglicht darüber finden zurzeit Erwägungen statt —, vielleicht anderweit vor⸗

vorgenommen werden, im Eiwerständnis mit dem dazu bestellten

Es stnd bereils Modi⸗

Wenn dieses Bewußtsein bei der Arbeiterschaft wach bleibt, wenn die militärischen Behörden so verfahren, wie es unserem Wunsche ent

1. Die Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung miß⸗

Als dieser Putsch begann, waven wir im Beginn eines Aufstiegsk,ů

. liegen darin, daß manche von den Verführten nur sahen, wieviel 1

und wiediel besser es früher aussah. (Erneute Zustimmung.) Die tiefsten Gründe liegen ferner darin, daß die Entente anstatt das junge Deutschland wieder hochkommen zu lassen, monatelang nichtẽ anderes getan hat, als der Regierung einen Faustschlag nach dem andern zu versetzen, und daß unklare und verworrene Gemüter die Schuld daran nicht der Entente, sondern der Regierung, die wehrlos ist, zugeschoben haben. Also das darf anerkannt werden. Aber trotz der Ausführungen des Herren Abgeordneten Düringer, daß seine Partei an den Auslassungen Ihrer Presse nicht schuld ist, muß ich doch betonen, daß die Art, in der die Gegenüberstellung des Ginst mit dem Jetzt von der gesamten Presse und auch von den Agitationsstellen der Partei betrieben worden ist, indem einfach der jetzigen Regierung zur Last gelegt wird, wenn es heute schlechter in Deutschland aussieht als vor fünf Jahren, in ungeheurem Maße dazu beigetragen hat, die Gemüter in Deutsch⸗ land zu vemwirren und aufzustacheln. (Lebhafte Zustemmung bei den Mehrheitsparteien) Ich stehe seit Jahrzehnten im öffentlichen Leben und habe nach links und nach rechts manchen Strauß durchgekämpft. Ich muß aber sagen: die Art, mit der die Personen der Regierung im letzten Jahr in den Szmutz getzogen worden sind, indem die Re⸗

gierung als eine Bande von Schiebern, Hochverrätern und Troddeln hingestellt wurde, ist auch in der radikalften Presse der alten Kaiserzeit unmöglich und unglaublich ge⸗ wesen. ebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien.)

Daß daran nicht nur die Parteipresse, sondern darüber hinaus auch die Partei einige Schuld hat, darauf muß doch in diesem Augenblick, in dem vielleicht Hoffnung ist, daß die Herren Buße tun, einmal hin⸗ gewiesen werden. Ich habe hier einen Bilderbogen zum 9. Nobember Idols. In diesem Bilderbogen wird gegenübergestellt, wie das Deutschland einst ausgesehen hat, und wie es durch die jetzige Re— giereung heruntergebracht ist. Da sehen Sei an erster Stelle Wie Wilhelm II. am Rhein regierte“ und Sie finden dort eine Mutter, die froh im Kreise ihrer Kinder sitzt. Sie finden rechts daneben mit der Unterschrift „Als Friedrich Ebert am Rhein regierte“ ein deut sches Mädchen, das von drei Schwarzen vergewaltigt wird. Ceb⸗ hafte Rufe: Hört, hört! und Pfui! bei den Mehrheitsparteien. Sie finden in diesem Flugblatt „Als Ludendorff Krieg führte“, und sehen dort zwei Soldaten, die offenbar dem Schützenkrieg mit Lust ob⸗ liegen. Sie sehen auf der rechten Seite „Als Erzberger Frieden schloß', wie ein französischer Aufseher deutsche Kriegsgesangene miß⸗ handelt. Als ob es Kriegsgefangene unter dem alten Regime noch nicht gegeben hätte! Sie sehen in dem Flugblatt „Als die Junker auf dem Lande herrschten“, eine goldige, große Ernte, und „Als Syar= takus auf dem Lande plünderte“, einen verzweifelten Bauern. Wenn in dieser Weise versucht wird, das Ginst und Jetzt gegenüberzu stellen und alle Schuld an dem Uaglück unseres armen Vaterlandes, das wir alle empfinden, der jetzigen Regierung, der Koalition zuzuschieben, dann kann man sich nicht wundern, wenn unreife Gemüter dadurch zu Verzweiflungstaten getrieben werden. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien Das Flugblatt ist verfaßt von der Deutsch⸗ natirnalen Volkspartei (hört, hört! bei den Mehrheitsparteien), Berlin Südwest 11, Bernburger Straße 24. (Lebhafte Rufe: Hört, hört! und Pfuil bei den Mehrheitsparte len) Herr Abg. Düringer, ich möchte Ihnen empfehlen, in Zukunft nicht zwischen der Parteipresse und der Partei so scharf zu unterscheiden, wie Sie es heute getan haben; (Sehr gut! bei den Mehrheitsparteien) Mir scheint, daß beide ein⸗; ander gleich sind.

Und noch eins zu diesem Thema. Dieses Flugblatt ist von einem Justizrat Meyer in Tilsit, dem Vorsitzenden der dortigen Deutschnationalen Partei, an die scmtlichen Landräte des Bezirks mit der Bitte geschickt worden, dieses Flugblatt in den öffentlichen Gebäuden durch die Amts- und Gemeindevorsteher als durch das Landratsamt versandt zum Aushang zu bringen. (Lebhafte Rufe: Hört, hört! bei den Mehrheitsparteien, Wenn ich den Ver sicherungen der Rechtspresse bisher geglaubt habe, so habe ich an nehmen müssen, daß nicht einmal in der Zeit vor der Revolution die

Macht der Deutschnationalen Partei so weit gegangen sei, daß sie sich an die Landräte wegen Versendung eines solchen Flugblattes gewandt hätte. Daß aber heute nach der Revolution dieses An⸗

suchen no an die Landratsämter in Preußen gerichtet wird, scheint

mit ein Veweis dafür zu sein, daß alle Klagen, als ob von unsęrer Seite eine Parteiregierung aufgestellt würde, verfehlt sind, und daß noch viel zu viel deutschnationale Parteiregierung, namentlich im Osten

Deuischlands, besteht. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien.) Es ist also kein Wunder, wenn eine so skrupellose Agitation die Gemüter der Verführten vergiftet hat. Für die Verführer aber ist in letzter Linie diese Meuterei ein Ausfluß der Unversoöhnlichkeit einer Kaste, die ihre Vorrechte nicht aufgeben will, und die noch immer nicht lernen kann, daß sie sich ihre Stellung im neuen Deutschland nur dann wiedererobern kann, wenn sie zur Bescheidenheit, zur

Arbeitsfreudigkeit und zum Dienst am Volk zurückkehrt. (Sehr gutl

bei den Mehrheitsparteien.)

Soll ich mich nun gegenüber diesen wahren Gründen der Revolte mit den Vorwändens beschäftigen, die für diese Revolte geltend gemacht werden? Ich hätte es verstanden, wenn diese Revolte mit dem offenen Zweck gemacht worden wäre, die Monarchie und die Vorrechte bevor- rechtigter Kasten wiederherzustellen. Die Vorwände aber, die von den Anhängern dieser Revolte geltend gemacht worden sind, und die auch heute vom Abgeordneten Düringer ins Feld geführt worden sind, scheinen mir so lächerlich, daß eine Widerlegung kaum erforderlich ist. Soll denn in der Tat Deutschland von diesen Menschen in Nacht und Blut getaucht fein, nur deswegen, damit die Wahlen drei Monate früher stattfinden und damit vier Fachminister in die Regierung hinein. kommen? Zudem steht fest, daß die Anfänge dieser Revolte viel weiter gehen als die Entschließungen, die auf diesem Gebiete gefaßt worden sind (seht richtig! bei den Mehrheitsparteien), und es steht zumal fest, daß in der Unterhaltung, die der General von Lüttwitz mit dem Reichsprästdenten gehabt hat, er als den hauptsächlichsten Grund in den Vordergrund gestellt hat, daß es erforderlich sei, das Heer nicht abzubauen, sondern auszubauen, damit ein neuer nchekrieg vor bereitet werden könne. (Hört, hört bei den Mehrheitsparteien) Es handelte sich also doch in letzter Linie darum, daß diese Militärs, die bestimmt waren, ihren Dienst zu verlieren, weil das Heer verringert werden sollte, benutzt worden sind, um egoistische Ziele einzelner Leute durchzusetzen. (Zustimmung bei den Mehrheitsparieien.) .

(Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen

16s 26. .

(Gortsetzung aus der Ersten Beilage.)

Was die Vorwände angeht, so lassen Ste mich zu der Frage des Wahltermins noch einmal ganz kurz daran erinnern, daß im vorigen Sommer sämtliche Parteien dieses Hauses darüber einig gewesen sind, daß die Steuervorlagen von der Nationalversammlung noch ver⸗ abschiedet werden müssen (lebhafte Zustimmung bei den Mehrbeits. parteien), und niemand, namentlich auf der Rechten, wie mir scheint, die sich so häufig über das Galopptempo beklagt hat, konnte damals glauben, daß die Steuervorlagen schneller verabschiedet werden würden, als es tatsächlich der Fall gewesen ist. (Sehr wahr! bei den Mehr⸗ heitsparteien) Diese Behauptung also und namentlich auch die ungeheuerlich aufreizende Behauptung des Abgeordneten Grafen Westarp in der „Kreuz-Zeitung“, als wenn alles, was die National— versammlung heute beschließe, verfassungswidrig sei, befinden sich in striktem Widerspruch zu der Haltung, welche die Deutschnationale Partei und die Deutsche Volkspartei im vorigen Sommer eingenommen haben. (Hört, hört! bei den Mehrheitsparteien.)

Ich erinnere auch daran, daß der Herr Abgeordnete von Delbrück damals ausdrücklich gesagt hat, daß es erforderlich sei, zunächst noch einmal einen ordentlichen Etat durch die Nationalversammlung auf— stellen zu lassen, und daß der Herr Abgeordnete Heinze in der Polemik, die wir am 9. März miteinander geführt haben, mit aller Bestimmt⸗ heit ausgeführt hat, daß noch eine Reihe Gesetze durch die National- versammlung veraͤbschiedet werden müßte, daß es nur nicht anginge, so viele zu verabschieden, wie wir das beabsichtigten. Er hat sich dabei wohlweislich gehütet, zu sagen, welche der Gesetze, die wit noch ver— abschieden wollten, unter den Tisch fallen sollten; denn alle Gesetze, die in Frage kamen, waren Gesetze, die unbedingter Ausfluß des Krieges, Beseitigung der Kriegsschäden und Ausbau der Verfassung bedeuteten.

Nun wird uns vorgeworfen, daß wir unsere Haltung zu der Frage der Neuwahlen geändert hätten. Meine Damen und Herren, ein so ungeheuerlich erschütterndes Ereignis wie diese Revolte und die Gegen⸗ bewegungen, die sich im Westen unseres Reiches und teilweise auch in Ber n geltend‘ machen, geben dem Volke das Recht, seine Stimme zu erheben, auch wenn das Mandat der Nationalversammlung noch nicht abgeschlossen ist. Es ist erfordersich, nach diesen ungeheuren Ereig- nissen ein Volksgericht über die Radikalen von rechts und links abzu⸗ halten. Daß dabei unsere Arbeit verfrüht abgebrochen werden muß, ist in höchstem Maße bedauerlich. (Sehr richtig! bei den Mehrheits⸗ parteien Unsere Schuld ist es nicht, wenn auf diese Weise die Ver⸗ 4abschiedung des Gesetzes über die Kriegsbeschädägten, wenn die Ent—⸗ schädigung der Auslandsdeutschen, wenn das Sch ichtungsgesetz, das Frieden zwischen Arbeiterschaft und Arbeitgeberschaft herbeizuführen beabsichtigte, von der Nationalversammlung nicht mehr verabschiedet werden Lönnen, obwohl es eigentlich ihre Aufgabe wäre, sie zu ver abschieden. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien. Zuruf rechts: Ihre Schuld) Herr Abgeordneter Behrens, es hat sich noch niemand mit Recht darüber beklagen können, daß die Regierung im letzten Jahre zu wenig Gesetze gemacht und zu langsam gehandelt habe. Die Aufgaben, die zu erledigen waren, waren so ungeheuer ich, daß das Parlament überhaupt nicht mitgekommen ist in der Erledigung der Gesetze, die vorgelegt worden sind. (Sehr richtig! bei den Mehrheits⸗ parteien.

Was das Schlimmste bei den verfrühten Wahlen ist, und wes⸗ hegen ich mit großem Zaudern den Entschluß fasse, mich den ver⸗ Inderten Verhältn ssen anzupassen, das ist in der Tat heute noch die Tage der Abstimmungsgebiete. (Lebhafte Zustimmung bei den Mebr—⸗ heiteparteien) Meine Damen und Herren, es ist im höchsten Maße Hedauerlich, daß wir nun durch Ihr ungestümes Drängen und die Folgen, die dieses Drängen gehabt hat, und die Vorwürfe der Ver fassungswidrigkeit, die gegen uns erhoben sind, nunmehr in der Tat genötigt sind, Wahlen zum Reichstag abzuha ten, obwobl die Ab. stimmungen in den Abstimmungsgebieten noch nicht erledigt sein werden. Der Abshmmungskommissar für Masuren, der, so viel mir bekannt ist, der deutschnationalen Partei angehörige Herr von Gayl, hat noch vor einigen Tagen die dringende Bitte an uns gerichtet, unter keinen Umständen in Masuren die Reichstagswahl stattfinden zu lassen, ehe die Abstimmung über die Zugehörigkeit zu Deutschland stattge⸗ funden hätte. (Hört, hört! bei den Mehrheitsparteien, Wenn Un heil aus dieser Frage entsteht, wenn uns ein Gebiet verloren geht, so trisft die Schuld daran nur diejenigen, die die Regierung dadurch be⸗ hindert haben, daß sie uns fortwährend den Vorwutf der Verfassungs⸗ widrigkeit gemacht haben, wenn wir nicht auf die Wahren eingehen. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien)

Es wird gefragt, warum wir denn trotz dieses Umstandes jetzt wählen. Sollen wir es denn nochmals davauf ankommen lassen, daß durch Putsche von rechts und vielleicht auch von links unzulässiger Zwang auf die Reichsregierung auszuüben versucht wird? Nein! Jetzt hat das Volk das Recht, uns endlich einmal zu bestätigen, daß wir recht gehandelt haben, und ein Recht darauf, zu erklären, daß alle diese Vorwürfe von rechts und links unzulässig und unbe⸗ gründet gewesen sind. (Bravol bei den Mehrheitsparteien.)

Ich komme nun zu dem Vowurf, daß die Mehrheitsparteien die Wahl des Reichspräsidenten unzulässigerweise statt durch das Volk durch das Parlament hätten vornehmen lassen wollen. Herr Abgeordneter Düringer, ein so scharfsinniger Jurist wie Sie weiß zwischen einem Bruch der Verfassung und einer Aenderung der Ver= fassung auf verfassungsmäßi gem Wege zu unterscheiden (sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien) und ich habe bedauert, daß Sie auch heute noch wieder diese angebliche Absicht der Mehrheitsparteien als einen Ver · fassungsbruch bezeichnet haben. Ich glaube, daß jeder Jurist im Deut⸗

schen Reiche mir bestätigen wird, daß eine Aenderung der Verfassung auf verfassungs mäßigem Wege nicht das geringste mit einem Ver⸗

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fass ungsbruch zu tun hot. (Sehr richtig! links.) Ich darf mich in dieser

Beziehung auf den Herrn Abgeordneten Düringer von heute berufen, der in anderem Zusammenhang ausdrücklich gesagt hat, daß: „die Verfassung noch in manchen Punkten werde geändert werden müssen, indem es darauf ankomme, die Verfassung der Entwicklung und des

Zweite Beilage

WRãrʒ

Berlin, Mittwoch, den 31

Ausbaues teilhaftig werden zu lassen man muß nur auf verfassungs⸗ mäßigem Wege vorgehen.“ (Hört! hört! im Zentrum) Das hat der Herr Abgeordnete Düringer zum Schlusse seiner Ausführungen . gesagt, allerdings wohlweislich nicht im Zusammenhang mit der an⸗ zeblichen Absicht der Mehrheitsparteien, den Reichspräsidenten durch das Parlament wählen zu lassen.

Ich bedaure, daß diese Frage auch in dem Aufrufe der Deutschen Volkspartei, der am 13. März erschienen ist, schlechtweg in der Form behandelt worden ist, als handle es sich um einen Verfassungsbruch, während in diesem Aufruf über den Verfassungsbruch, der in dem Verfahren Kapps lag, kein Wort der Verurteilung gefallen ist. (Sehr richtig! links. Zuruf rechts: Dochh

Im übrigen aber kann ich nochmals erklären, was hier bereits erklärt worden ist: es ist niemals ein Beschluß gefaßt worden, die Verfassung in diesem Punkte zu ändern. Es haben Erwägungen statt⸗ gefunden, anscheinend namentlich innerhalb der Sozialdemokratie, es ist aber zwei Tage vor dem Putsch in der Demokratischen Korrespon denz ausdrücklich ein Artikel erschienen, der erklärt hat, eine solche Aenderung erachte die Demokratische Partei für unzulässig und für unzweckmäßig. In demselben Sinne hat sich noch zwei Tage früher die „Germania“ für das Zentrum erklärt. Also wohl niemals ist ein Putsch auf eine derartig unsichere und haltlose Kombination be⸗ gründet worden wie auf diese.

Ich komme nun zu dem Putsch selbst. Der Herr Abg. Düringer hat heute die Vorgeschichte dieses Putsches so dangestellt, als ob die Deutschnationale Volkspartei eigentlich als der getreue Eckhard der Regierung gewirkt habe und es nur an der bösen Regierung gelegen habe, wenn sie trotzdem keine Vorsichtsmaßnahmen ergriffen habe.

Ich bestreite zunächst, was nach den Andentungen Düringers da angeblich zwar nicht ein preußischer oder deutscher Minister oder Unterstaatssekretär, sondern ich weiß nicht, wer eigentlich, erklärt haben soll. Ich kann aber nur sagen: wie haben Sie auf der Rechten denn gewettert, wenn wir in irgendeiner Beziehung durch Entlassung von Offizieren oder in anderer Weise versucht haben, die Reichswehr reichstreu zu machen! (Sehr richtigl bei den Sozialdemo⸗ kraten. Wie haben Sie jeden Versuch, aus dem Offizierkorps aus— zumerzen, was unzuverlässig war, immer wieder als einen Akt bru⸗ taler Parteiherrschaft hingestelll!t (Sehr wahr! links.) Noch an dem Tage, an dem dieser Putsch vor sich gegangen ist, wurden neben den Kanonen der einmarschierten Meuterer Zeitungen der Rechten verkauft, die sich eingehend mit der lächerlichen Manier der Regierung

befaßten immer eine Putschgefahr zu konstruieren. (Hört, hört! und ö

sehr richtig! links) Da finde ich z. B. im „Reichsboten“ einen Artikel über diese Frage unter der Ueberschrift: „Die nervöse Re- gierung“, in der „Deutschen Tageszeitung“ unter der Neberschrift:

„Das Gelärme von einem Rechtsputsch“, und der ‚Lokal-Anzeiger“

spricht von einer „Gefahr“ in Anführungsstrichen, und der Inhalt

dieser Artikel ist durchweg darin gleich, daß sämtliche Zeitungen be⸗

haupten, die ganze Idee des Rechtsputsches sei lediglich von der Rꝑe⸗

gierung erfunden, um die Aufmerksamkeit von der bösen Erzberger⸗

affäre abzulenken. (Hört, hört! links Also von einer Warnung

der Rechten oder nur einer Hilfe der Rechten oder nur einer un

parteiischen Haltung der Rechten gegenüber den Maßnahmen, die die

Regierung ergriff, kann keine Rede sein. (Sehr richtig! links.)

Was nun die Ausführung des Putsches angeht, so kann ich nicht anerkennen, wenn auf der Rechten gesagt wird, dieser Putsch sei nur ganz verworren und unklar vorbereitet worden. Das Gegenteil ist richlig. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien) Der Putsch ist militärtechnisch so glänzend vorbereitet gewesen, daß nur eins dazu gefehlt hat, damit diese Nevolte eine Revolution geworden wäre, nämlich das Volk. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten) Sonst wäre dieser Putsch mit der ganz glänzenden Vorbereitung, die ihm zuteil geworden ist, unzweifelhaft gelungen. Es ist dasselbe wie im Kriege: die Herren verstehen sich auf die Technik des Krieges glänzend, aber von der Volksseele haben sie keine Ahnung gehabt. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien,. Sie haben da—⸗ durch, obwohl sie ein treues und geduldiges Volk hinter sich hatten, den Krieg verloren und sie haben dadurch auch diese Revolte zu Fall ge⸗ bracht.

Nun hat der Herr Abgeordnete Henke gestern von der Flucht der Regierung in etwas verächtlichem Tone gesprochen, und der Herr Abgeordnete von Graefe in seinem etwas derberem Jargon hat uns drei- oder viermal zugerufen, wir seien ausgerissen. Ich habe es nicht nötig, mich über Fragen des persönlichen Mutes mit den Herren Ab— geordneten Henke und von Graefe auseinanderzusetzen. (Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten) Aber ich darf vielleicht zur Illustration der Anschauung, vie auf der Rechten über das Vorgehen der Reichs vegierung geherrscht hat, ein gang kurzes Gespräch vorlesen, das die „Deutsche Zeitung“ in einem ihrer Artikel wiedergibt, die sich mit der Kapp⸗Revolution beschäftigen und die den etwas bedenklichen und vielleicht nicht unabsichtlich gewählten Titel tragen: Deuischer Vor⸗ frühling 1320. Wie haben sich die Herren den Frühling gedacht, wenn dies der Vorfrühling gewesen ist! (Heiterkeit bei den Deutschen Vemok raten.)

Diese Plauderei vom 2. März 1920, die von einem Ihrer ersten Schriftsteller herrührt, beginnt damit, daß dieser Feuilletonist am Sonnabend morgen an den Fernsprecher gerufen wird; da ist ein Freund von ihm, der in der Kapp⸗Regierung ist, am Fernsprecher und sagt: „Hurra! Ebert und Bauer sind gestürzt. Reichstag und Landtag sind aufgelöst, Kapp ist Reichskanzler und Ministemräsident, Lüttwitz Reichswehrminister, die Marinedivision ist eingerückt, kommen Sie schnell nach der Stadt.“! Darauf fragt der vorsichtige Plauderer, der die ganze Sache in der halb inonisch überlegenen, halb bedauernden Weise behandelt, mit der dieser ganze Rechtsputsch ja in der Rechts-

Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger.

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Fürstenkeller wird schon dafür gesorgt haben, daß wieder etwas am Lager ist. Diese kleinen schmunzelmnden Bosheiten fehlen in solchem Zusammenhang ja nie. „Aber ein gutes Omen für die Revolte ist das alles nicht. Darauf sagt der andere: „Ja es ist sehr un⸗ angenehm, aber leider nicht mehr zu ändern.“ (Hört! hört! und große Heiterkeit bei den Mehrbeitsparteien) Und der Weise erwidert: „Unangenehm? Es ist ein entscheidender Fehler, der sich an Kapp schwer rächen wird.“ (Hört! hört! bei den Mehrheitsparteien) Also die „Deutsche Zeitung“ hat eingesehen, daß es für die Herren Kapp -⸗Leute ein entscheidender Febler gewesen ist, daß es der Reichsregierung ge⸗ lungen ist, sich der Schutz haft in Berlin rechtzeitig zu entziehen. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten) Daß eine solche Schutzhaft beabsichtigt worden war, geht ja daraus hervor, daß als wir in Dryesde eintrafen, ein Schutzhaftbefehl des Generals von Lüttwitz gegen die Mitglieder der Reichsregierung bei dem General Maercker bereits ein⸗

getroffen war. (Hört! hört! bei den Deutschen Demokraten. Zurufe: Schiffer) Meine Herren! So töricht sind wir nicht, daß wit uns zu

Beginn eines Gefechtes selbst ausschalten lassen. Die Herren rechts mit ihrer militaristischen Auffassung müßten doch zum mindesten Ver⸗ ständnis dafür haben, wenn es auch Herr Henke von seinem Stand⸗

punkte aus nicht zu haben braucht, daß ein Führer nicht dazu da ist,

sich im Augenblick der Gefahr vorn im Schützengraben gefangen nehmen zu lassen. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demekraten) Wäre die

Reichsregierung in Berlin geblieben, so wäre es unmöglich gewesen, den Widerstand zu organisieren. Durch den Umstand, daß wir alsbald

von Dresden aus überall hingeschrieben und hintelegraphiert haben, daß die Behauptung der Kapp⸗Regie rung, wonach die Reichstegierung abgedankt habe, eine Lüge sei, durch den Umstand ferner, daß wir als⸗ bald von Dresden aus die Nationalversammlung nach Stuttgart ein⸗ berufen und dadurch den Widerstand in ganz West⸗ und Süd⸗

deutschland organisiert haben, ist ein Teil des Erfolges, der gegenüber dem Putsch erzbelt ist, erreicht worden. Daß Ihnen das unangenehm ist, will ich gern glauben, und ich will es deswegen sogar einem sonst so

ruhigen und abgeschmackten Witzen abholden Manne, wie dem Herrn Abgeordneten Dr. Düringer, gern verzeihen, wenn er hier von dem Fortspringen der Reicks regierung in Woten gespochen hat, wie man es sonst an Ihm nicht gewohnt ist.

Wem im Übrigen der Erfolg zu verdanken gewesen ist, darüber zu streiten, hat keinen Zweck. Nach meiner Ansicht hat alles zu—

sammengewirkt. Ich erwähne die Treue der Landesregierungen, die

sich alsbald hinter die Reichsregierung gestellt haben, ich erwähne namentlich auch die Beamtenschaft in den Reichsämtern, die unbeschadet ihrer politischen Gesinnung von vornherein eingesehen hatte, daß die Verfassung hochzuhalten ist. Es ist bier von einer Reinigung des Beamtentums und des Offizierkorps gesprochen worden. Ueberall, wo in dieset Zeit eine Auflehnung stattgefunden hat, wo auch nur eine Unklarheit, eine zweidentige Haltung stattgefunden hat, muß mit eisernem Besen durchgegriffen werden. (Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten. Ich freue mich aber, dankbar erklären zu kbnnen, daß gegenüber den Beamten der Reichsregierung hier in Berlln ein der⸗ artiges Vorgehen sich als völlig überflüssig erwiesen bat.

Ich verkenne auch keinen Augenblick, daß die Verhandlungen, die hier in Berlin geführt worden sind, aus der Not der Stunde geboren, ihren Erfolg und ihre große Bedeutung gehabt haben, und nichis kann uns so fern liegen, als in Schmähungen einzustimmen gegen diejenigen Männer, die in Berlin unter Ginsetzung ihrer ganzen Persönlichkeit

zum Besten gewirkt haben. (Gravol bei den Mehrheitsparteien.

Aber, meine Damen und Herren, daß auch der Gene ralstreik erforderlich geworden ist, das möchte ich doch hier gerade als bürger⸗ liches Mitglied des Kabinetts mit aller Entschieden heit erklären. (Sehr richtig! bei den Deuischen Demokraten) Es ist darüber gesprochen worden, ob die Reichsregierung den Generalstreik entzündet habe oder

eb sie das nicht getan habe. Gine vollkommen gleichgültige Frage! Zuruf rechts: Nein, eine entscheidende Frage) Entscheidend für

Sie, Herr Abgeordneter Rießer! (Abg. Dr. Rießer: Ich habe keinen Zwischenruf getan; es war der Hert Abgeordnete Hugo!) Ja, ich wemß, Herr Abgeordneter Rießer, daß zwischen Ihnen und dem Herrn Ab⸗ geordneten Hugo über das Flugblatt in Berlin eine gewisse Meinungs- verschiedenheit besteht, und werde mich jetzt gern an den Herrn Ab⸗ geordneten Hugo wenden. Also ein für allemal, Herr Abgeordneter Hugo, es ist gut, daß alle zweifelhaften Elemente wissen, daß, wenn ein solcher Putsch gegen die Mehrheit des Volkes versucht wird, das Volk mit elementarer Gewalt sich dagegen webren wird. Wenn das nicht der Fall wäre, so würde es in der Tat unmöglich sein, das Volk gegen eine Handvoll Bewaffneter zu schiltzen.

Wenn die Regierung ihrerseits den Generalstreik desaboutert hätte, dann wäre der Generalstreik nicht für die Regierung, sondern gegen die Regierung gemacht worden, und es wäre damit die letzte der⸗ fassungsmäßige Gewalt in Deutschland in diesem Augenblick hinweg gefegt worden. (Abg. Henke: Und wie steht es mit der Entschädigung der Arbeiter?! Wir wollen uns nachher darüber unterhalten. Es ist mir sehr lieb, wenn Sie mich nicht aus meinem Gedankengang herausbringen. (Abg. Henke: Sind Sie so leicht herauszubringen?! Nein, ich habe aber gar keine Veranlassung, mit Ihnen Zwiegespräche zu führen.

Ich fahre also fort. Cin solcher Generalstreik mußte kommen und wird kommen, wenn tatsächlich des Volk in seiner großen Mehr- heit vergewaltigt werden soll. Ein Generalstreik, der nicht die Mehr heit des Volkes hinter sich hat, wird immer scheitern, aber ein General- streik, hinter dem die große Mehrheit des Volkes steht, muß gelingen. Und das soll eine Warnung für alle Zeiten nach rechts sein.

Der Herr , hat gesagt, der Generalstreik sei eine Kriegswaffe. Ja. gewiß, wir befanden uns in einem Kriege, der freventlich von den Leuten auf der Rechten heraufgeschworen worden

presse behandelt worden ist: „Und wo ist die alte Regierung?“

Antwort: „Früh morgens im Auto ausgerissen, wohin weiß man nicht, auch Ebert ist weg.“ Darauf antwortet der weise Plauderer: Aus gerissen? Aber wie war das möglich? nun fangen sie ja einfach anders wo zu regieren an, und die Nationalversammlung geht wieder nach

Weiman, dort ist es ja im Frühling ganz hübsch, und das Bärbchen im

war (sehr richtig! bei den Mehrbeitsparteien), und gegen einen solchen Krieg mußte jede taugliche Waffe benutzt werden. (Sehr richtig! links.)

Wenn nun der Herr Abgeordnete Dr. Heinze gestern gesagt hat, es sei auch im Wege der Verhandlungen die Meuterei aus der Welt