FKampfes gegen den Terror mit aller Entschiedenheit fortsetzen. Ceb⸗ hafter Beifall bei den Mehrheitsparteien und rechts) Sie wird jede Presse, die zum Umsturz bestehender Verhältnisse aufruft, unterdrücken (große Unruhe bei den Unabhängigen Sozialdemokraten) und wird von den Befugnissen, die ihr die Versammlung gibt. gegenüber dem Terror rüchsichtslos Gebrauch machen. (Lebhafte Brcworufe bei den Mehr⸗ heitsparteien. — Große Untuhe bei den Unabhängigen Sozial⸗ demokralen. — Zuruf bon den Unabhängigen Sozialdemokraten: Ver⸗ sassung) — Natürlich, von den Befugnissen, die die Regierung kraft der Verfassung hat. Um andere Maßnahmen handelt es sich nicht.
Das zum ersten Satz. Der Herr Vorredner hat zweitens hier ausgesprochen, durch das Vorgehen der Regierung wüwen die Ge⸗ meinden in den Abgrund getrieben, denn die Gemeinden müßten in den Teuerungszulagen folgen. Also muß ich annehmen, daß der Vor⸗ redner ein Gegner der Teuerungszulagen ist. (Abg. Seger: Nein, das bin ich nicht! — Dann verstehe ich den Vorwurf nicht, den er gegen mich erheben hat, wenn er ein Freund der Teuerungszulagen ist. — Wer ist denn vorangegangen in der größten Aufbesserung der Ge⸗ hälter? Die Gemeinden, die Stadt Berlin, die Stadt Charlotten= burg, waren es, die uns gezwungen haben, diese neue Stellung ein⸗ zunehmen. (Abg. Zietz: Aha! — Heiterkeit.) Gewiß, und im gleichen Atemzug — (Abg. Zietz: ein feines Zugeständnis! — ach, Frau Zietz, ich bin nicht hier, um Privatunterredungen mit Ihnen zu führen (lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien, Zurufe von den Unabhängigen Sozialdemokraten). — in gleichem Atemzuge kommt ein Vertreter der Unabhängigen und sagt, wir vergewaltigten die Ge⸗ meinden, wir führten die Gemeinden in den Abgrund hinein. Nein, die Gemeinden sind — das weiß der Herr Abgeordnete Wurm als Berliner Stadtverordneter ganz genau — in ihrer Besoldungsordnung vorangegangen. Man hat mit mir vom Berliner Rathaus aus Rück⸗ sprache genommen, ob ich Bedenken erhebe. Ich habe gesagt: nein, ich erhebe keine Bedenken, weil ich die Notwendigkeit einer solchen Besoldungsordnung anerkenne, weil ich weiß, wie groß die Not unserer Beamten, auch der Kommunalbeamten in Berlin, ist, darum soll das Sperrgesetz, das damals in Aussicht genommen war, nicht auf die Gemeinden Anwendung finden. So hat auch die Stadt Berlin ihre Gemeindebeamtenbesoldung verabschieden können und ebenso die Stadt Charlottenburg. Wie kommt dann Ihr Vertreter hierher und macht uns Vorwürfe, daß wir die Gemeinden in einen Abgrund hinein⸗ zwingen! Das ist ein unlogisches Verfahren, zu dessen Kennzeichnung ich nur die Tatsachen einander gegenüberzustellen brauche. Was wollen Sie denn überhaupt mit solchen Redensarten?
Dann sagh der Herr Vorredner ein Zweites, daß nämlich durch diese Politik der Banktott eintreten müßte. Ich widerspreche mit aller Entschiedenheit einer solchen Auffassung. Wenn wir für die Be⸗ amten sorgen, so ist das Geld, das das Reich, die Länder und die Ge= meinden für eine gutbezahlte Beamtenschaft ausgeben, das beste An⸗ lage kapital, das unser Staat jetzt überhaupt ausgeben kann (sehr richtig, und es wird reichlich werbende Zinsen bringen, nur müssen die Gelder dazu naturge mäß aufgebracht werden. —
Der Vorredner sagt, daß in dem hohen Hause von einem meiner Fraktionskollegen in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht worden sei, die Arbeiter seien an dem Unglück schuld. Nein, das sagt niemand! Nicht die Arbeiter sind an dem Unglück schuld, sondern die Nichtarbeiter. (Sehr richtig! im Zentrum) Allein die Nichtarbeiter können ein Unglück üben unser Vaterland heraufbeschwören. Das sind die wenigen Ausführungen, die ich machen wollte.
Zum Schluß noch eins. Den Vorredner sagt, die ganze Regie⸗ aungepolitih sei falsch, wir müßten die Preise abbauen. Er machte uns schwere Vorwürfe, daß wir den Preis eines Fünspfundbrots in Berlin von 165 Mark auf 250 Mark erhöht haben. Für diese Er⸗ höhung der Brotpreise trage ich als Reichsfinanzminister mit die Verantwortung. Die Regierung hat einmütig diese Erhöhung be— schlossen, denn sie war volkswirtschaftlich absolut begründet. Es ist kein Geschenk an die Agrarier und die Landwirte, sondern es ist eine Voraussetzung dafür, daß unser Volk überhaupt zu essen und zu leben hat. (Sehn richtig! bei den Mehrheitsparteien, Wenn wir die eigene Produktion nicht förderten — die Produktion zu fördern ohne angemessene Bezahlung, ist ein Ding der Unmöglichkeit —, dann möchte ich erst sehen, wie Sie jammerten und seufzten, wenn wir unser Volk auf die ausländische Ernährung anweisen müßten.
Wir wissen, daß unser Lebensmittelvorrat bis zur nächsten Ernte nicht ausreicht, namentlich bei der schlechten Kartoffelernte, mit der man heute bestimmt zu rechnen hat, und bei dem mangelhaften Halten der Kartoffeln. Weiß denn der Herr Abgeordnete Seger, ob win überhaupt Brotgetreide auf dem Weltmarkt kaufen können? Wenn die argentinische Ernte nicht befriedigend ausfällt und die südliche Halb⸗ kugel uns nichts liefert, dann können win gan kein Brotgetreide kaufen. So muß ich heute schon sagen, daß weite Kreise unseres Volkes aui Maiernährung in den letzten Monaten vor der neuen Ernte an— gewlesen sein werden. Unsere einzige Hoffnung ist noch Südamerika, pon wo wir glauben, noch Brotgetreide beziehen zu können. Wenn der Herr Abgeordnete Seger dagegen protestiert, daß man den deut⸗ schen Bauern 250 c für das Fünspfundbrot bezahlt, — hat er sich denn einmal ausherechnet, was der deutsche Al ibeiter und Beamte an den argentinischen Bauern bezahlen muß, wenn wir das Brotgetreide n dort beziehen müssen? Das gibt doch mindestens eine Verfünf⸗ tan, vielleicht sogar eine Verzehnfachung der Brotpreise in Deutschland. Darum ist sein Vorschlag dom Abbau der Preise keine Gösung. Die wahre Lösung besteht vielmehr nur darin, die Förderung der inländischen Produktion mit allem Nachdruck und aller Entschieden⸗ heit zu betrelben. Die Voraussetzung dazu ist, daß gearbeitet wird in allen Teilen unseres Vaterlandes. Das möchte ich gegenüber den Aus⸗ führungen des Herrn Abgeordneten Seger bemerken.
Abg. Dr. Düringer (D. Nat) wendet sich gegen die Aus⸗ führungen des Abg. Wirth: In einer Protęstversammlung in Karls⸗ zuhe wurde dargelegl, daß die Beamten 300 9, ihrer Gehälter er⸗ Lalten müßten. um bei den gegenwärtigen Geitwerhältnissen noch ,, leben zu kö8yenen. Wenn die Vebensmittel um das Secht, ache gestiegen sind, so ist es kaum noch möglich, sich ordentlich mit Schuhzeug und Kleidung gu versehen. Ich freue mich, daß der Mi⸗ mfter Grzberger sagte, daß das Geld, was für die Beamten ausgegeben wird, die beste Anlage ist. . ;
Abg. Dr. Heim (Bever. Vp. ), Der Forderung des Abbaus der y., wird entgegengehalten, daß dieser Abbau nicht möglich wäre.
Frankreich hat einen Höchtpreis für Weizen, der unseyn Höchstpreis üm dag Vierfache überstergt, während zie Inlanzpreise bei uns .
mehr steigen. sinkt ane rerseits unfere Valllta. Es gibt Leute, die der Me nung sind, nut die Verelerdung und , könnte der Deltrepelution zum Siege perhelfen. Eine sol Theorie ist wahn⸗ innig. Ich will eine närickss.licke Theorie, die der Gegenwart jcken
nützt; ein imrtsckaftliches Systenm das erst durch Tod und Blat eht lehne ich ab. Ich batte es sür ungehörig, daß in der Magenfrage, die das Velk am meister aufregt, mi; soviel Absichtlichkeit Unmabres be- hauptet wird. Ick stebe nich uf dem Standpunkt der agitato, schen Kihbrase. Der Preis einer Ware kommt zum Ausdruck du b. das Zhlungsmittel. Das Zahlungsmittel ist kein stabiler Begriff sonden den, Umständen unterworfen. Unser Zahlungsmittel, das Papier. hat im Inlande aus Gewohnheit und aus Zwang einen Kurs im Auslande cher nicht. Da muß der Preis der Produkte naturgemäß steigen. Letzten Endes wird das Geld gar nicht mehr attzeptiert werden, sondern man verlangt Ware gegen Ware, we win es in Rußland ge⸗ feen haben. Ich bin ein ehrgelzloser Mensch. Heute wollen die Mi⸗ nister werden, die nichts können. Ehrgeizlos. die ewas können, ver= zichten darauf. Hören wir doch einmal auf, der Landwirtschaft Preise zrzumuten die den wirtschaftlichen Grundsatzen widersprechen. Redner bolemisiert noch gegen den Aba. Wirth und dessen Bezugnahme auf den Uebergang der Eisenbahnen zuf das Reich. Wie steht es mit, den Zuficherungen, die seinerzeit Minister Bell in München gegeben hat?
Vizepräsident Böbe bittet die nächsten Redner, zur Kriegs⸗ teuerungszulage tzu sprechen.
Reichsminister der Finanzen Erzberger: Herr Präsident! Gestatten Sie mir nur eine Bemerkung: Jetzt soll ich das Karnickel sein, das angefangen hat. Ueber die wirtschafliche Frage hatte der Redner der Unabhängigen vollständig falsche Behauptungen aufhestellt. Der Abgeordnete Seger hat von mir als Regierungevertreter verlangt, ich sollte einen Abbau der Preise durchführen. Ich habe darauf hin= gewiefen, daß, wenn wir nicht die einheimische Produktion fördern, wir in wenigen Monaten ganz andere Preise für Brot zahlen müßten. Ich befinde mich in der Abwehr. Es tut mir leid, daß ich überhaupt habe das Wort ergreifen müssen. Ich nahm an, daß hier nach unseren gestrigen Verabredungen heute das Gesetz ohne Debatte derabschiedet würde. Nun ist das nicht möglich, da ich nach den Ausführungen des Herrn Vorredners nicht schweigen kann. Denn die Fragen und Behauptungen, die er abgestellt hat, dürfen nicht eine Sekunde länger im Interesse Deutschlands unwidersprochen bleiben. (Sehr richtigh
Ich bedaure, daß ich in diesem Augenblicke auf die Sache ein—
gehen muß, zu der gleichen Stunde, wo die Beratungen mit den einzek—⸗
staatlichen Eisenbahnverwaltungen im preußischen Eisenbahnministe⸗ rium geführt werden. Sie sind dort gestern begonnen worden, und ich nehme an, daß sie heute dort weiter fortgesetzt werden. In diesem Augenblick alle diese Fragen anzuschneiden, darin werden Sie mit mir einig sein, ist im hchsten Grade untunlich und nutzt dem Ziele, das wir uns gesteckt haben, nämlich zu keiner sachlichen Verständigung auf dem ganzen Gebiete zu kommen, in keiner Weise. Darum will ich auch nicht auf das ganze Gebiet eingehen, ich will nur einiges herausgreifen.
Der Herr Vorredner hat gefragt, welche Gründe maßgebend dafür seien, daß wir den Termin vom 1. April 1921 für die Verreichlichung der Eisenbahnen nicht abwarten, sondern jetzt schon Verhandlungen hierüber aufnehmen. Mit dem Abgeordneten Wirth beantworte ich die Frage dahin, daß die Reichsregierung eine schwere UnterlassungH— sünde begangen hätte, wenn sie auf diesem Gebiete die Hände in den Schoß gelegt und gewartet hätte, bis der Termin vom 31. März 1920 herangekommen wäre. Wenn wir dann vor den Staatsgerichtshof gegangen wären, dann hätten wir keinen schärferen Ankläger gegen die deutsche Regierung gefunden als den Abgeordneten Dr. Heim, der gesagt hätte: „Warum hat die Regierung nicht früher gütlich mit uns verhandelt? Wir sind doch ganz gemütliche Leute. Alles wäre in schönster Harmonie vor sich gegangen. (Zuruf)
Gewiß, jetzt ist's wiederum nicht recht, aber das ist nicht ent— scheidend, sondern entscheidend sind rein sachliche Gründe. Als wir dem deutschen Volke das schwere Opfer der Verkehrssperre auferlegen mußten, da ist in der Regierung die Ueberzeugung gereift, und zwar einmütig und auch in allen ruhig denkenden Kreisen der einzelnen Länder, daß man den Termin des ersten April 1920 nicht abwarten dürfe, sondern daß es notwendig sei, von seiten des Reichs im Verkehrswesen vorzugehen. Wenn die Reichsregierung hätte politische Zwecke verfolgen wollen, dann hätte sie sagen können:
„Die Reichseisenbahnkrisis ist so, daß sie nicht zu lösen ist. Ueberlassen Sie die Lösung den Ländern, dann können wir sagen, daß die Länder alles verschuldet haben und wir, die Reichsregierung, waschen unsere Hände in Unschuld. Wenn die Reichsregierung diesen Standpunkt einnehmen würde, wäre das unverantwortlich. So übernimmt die Reichsregierung das ganze Risiko und setzt sich mit den Ländern in Verbindung, um zu einer Einigung zu kommen. Der
Herr Abgeordnete Dr. Heim hat einen durchschlagenden Beweis ange⸗
führt und bemerkt, daß 50 000 Tonnen Stickstoff nicht hätten abtransportiert werden können. Zeigt das nicht, wie ganz unhaltbare Verhältnisse wir haben? Der Stickstoff, der dort liegt, ist das Brot für das nächste Jahr. Der Stickstoff liegt in den Fabriken und kann dem Bauer nicht zur Verfügung gestellt werden. Die Regie— rung würde eine Pflichtverletzung ersten Ranges begehen, wenn sie nicht für eine richtige Organisation Sorge trüge. Gerade die Er— fahrungen mit der Verkehrssperre haben der Reichsregierung Klarheit gegeben, daß sofort darangegangen werden muß, ein einheitliches Reichs- eisenbahnwesen zu schaffen. 3
Ein zweiter Grund. Wenn Bayern bis 1. April 1920 seine Cisenbahnen unter allen Umftänden haben will, dann muß aber Bayern auch das Defizit für 1920 21 tragen. (Sehr richtig) Wenn die anderen Staaten dazu bereit waren, ihre Bahnen dem Reiche abzutreten, so wird das Reich das Defizit nur für die Bahnen be— zahlen, die im Reichébesitz sind, was ganz selbstrerständlich ist, aber nicht für Defizite aufkommen bei Eisenbahnen, auf deren Gestaltung es keinen Einfluß hat. Also die finanzielle Lage zwingt, daß in das Reich eine größere Gemeinschaft eintritt, um ein Defizit, das im Jahre 1919 auch vielleicht amähernd 6 Milliarden erreicht hört, hört!, auf die größere Gemeinschaft zu übernehmen. Die kleinen Länder können es nicht tragen, sie wissen selbst nicht, wie sie aus—
besitzes von 79 Milliarden Mark gar nicht in der Lage sein den Teil des Defizits aufzubringen, selbst wenn es eine rapide Steigerung der Einkommensteuer vornimmt. Die Einkommensteuer ist in Bayern viel höher als sonst im Reiche. (Zuruf — Vayern hat eine so gewaltige Erhöhung der Einkommenstener vorgenommen wie kein
mit seinem Etat.
Ein dritter Grund. Ich habe wiederholt hier ausgeführt, daß die neue Besoldungtordnung mit Wirkung vom 1. April eingeführt wird. Es ist doch unmöglich, eine neue Besoldungtordnung zu schaffen, um dann doch wieder nach ein paar Monaten mit einer
neuen Ordnung zu kommen, Sie die Cisenbahner übernimmt. Dann
kommen sollen. Auch Bayern nicht. Bayern wird trotz seines Wald.
zweites Land im Reiche (hört, hörth, und es kommt doch nicht zurecht
würde nie Ruhe eintreten, und wir müssen doch mit der neuen Besoldungsordnung Zufriedenheit schaffen. Wie wäre ich kritisiert worden, wenn ich als Finanzminister mit einer Besoldungsordnung vor Sie hingetreten wäre, ohne die Eisenbahnbeamten zu berück⸗ sichtigen! Da hätte man gesagt: welche Stümperei, welcher Dilet tantismus! Also ich kann nur sagen, daß rein sachliche Gründe, verkehrstechnische Gründe, Gründe der Finanzpolitik die Regierung zu der Ueberzeugung geführt haben, alle Kräfte einzusetzen, um zur Uebernahme der Eisenbahnen am 1. April 1920 zu kommen.
Ich bedaure es und hätte es nicht für möglich gehalten, daß man auch nur andeutungswelse in Form einer Frage den Gedanken in die Debatte wirft, als ob die Absicht bestände, die deutschen Eisen⸗ bahnen zum Pfand gegenüber irgend welchen Leistungen aus dem Friedens vertrage zu nehmen. Wenn der Herr Abgeordnete Dr. Heim die Güte gehabt hätte, den Friedensvertrag in diesem Punkte auch nur anzusehen, dann hätte er diese Frage nicht stellen können, denn der 1. April 1920 spielt im Friedensvertrag keine Rolle. (Abge⸗ ordneter Dr. Heim: Habe ich gar nicht erwähnt; ich habe einen späteren Termin genannth — Der spätere Termin, der im Friedens⸗ vertrag genannt ist, ist der 1. Mai 1921. Am 1. April 1920 müssen aber spätestens die Eisenbahnen nach der Reichsverfassung auf das Reich übernommen werden. Ich verstehe also die ganze Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Heim nicht. Der 1. April 1920 spielt keine Rolle im Friedensvertrag. (Lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien) Der 1. Mai 1921 spielt aber eine entscheidende Rolle im Friedensvertrag, und der 1. April 1920 ist in der Reichs⸗ verfassung als der Termin für die Verreichlichung der Eisenbahnen niedergelegt. Die Verreichlichung der Gisenbahnen und die Leistung der 20 Milliarden Goldmark, die das Deutsche Reich im Friedens⸗ vertrag hat übernehmen müssen, in einen Zusammenhang irgendwelcher Art zu bringen, dafür fehlt mir das Verständnis; ein solches Vor⸗ gehen richtig zu charakterisieren, fehlt mir im Augenblick der Aus⸗ druck. (Erneute lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien., Man will es so darstellen, als ob ich als Reichsfinanzminister nach einer Verreichlichung der Gisenbahnen strebte, um ein Pfandobjekt zu haben. Das ist mir ja wiederholt unterstellt worden. Zurufe von den Mehrheitsparteien: Das hat Herr Dr. Heim gesagt) — Gut, daz habe ich nicht gehört. (Abg. Falk: Das ist doch der Sinn seiner Frage) Es wird mir vorgeworfen, ich sei für die Verreichlichung der Eisenbahnen, um ein Pfandobjekt für die 20 Milliarden Gold—= mark in Händen zu haben. Meine Herren, das Reich braucht ein solches Pfandobjekt nicht. Gin sblches Pfandobjekt würde auch den Gegnern gar nichts nützen — davon bin ich fest überzeugt — da die Gisenbahnen auch im Jahre 1921 keinen Ueberschuß abwerfen, sondern ein ganz erkleckliches Defizit aufwesen werden. Wenn die Entente geneigt wäre, dieses Defizit dem deutschen Neichsfinanz⸗ minister abzunehmen, so könnte ich darüber in Verhandlungen mit der Entente eintreten, aber ein Pfandobjekt mit Zuschüssen zu geben, hat gar keinen Zweck für die Entente. Ich sage: das Deutsche Reich braucht das gar nicht; denn die 20 Milliarden Goldmark und die Leistungen, die wir im Friedensvertrag haben übernehmen müssen, werden nach meiner festen Ueberzeugung, wenn die Entente die Werte, die wir haben, auch nur annähernd richtig einschätzt, unsere Schiffe, unsere Kabel, die fremden Wertpapiere, das döutsche Vermögen im Auslande, das Vermögen, das aus Liquidationen entsteht, die Kohlen= lieferungen, die Benzollieferungen, wenn alle diese Werte auch nur
Weltmarktepreisen — eingeschätzt werden, dann ist die Summe dieser Lieferungen, wie ich schon wiederholt betont habe, weit größer als 20 Milliarden Goldmark (lebhafte Zustimmung bei den Mehrheits⸗ parteien), dann würde Deutschland durch die Erfüllung dieses Teiles des Friedensvertrages bereits ein Plus gegenüber den 20 Milliarden haben. Ich spreche von all den anderen Unternehmungen nicht — ich will keine große Debatte herbeiführen —, ich spreche nicht von unserem Guthaben in Deutjsch⸗Oesterreich, in Ungarn, in Bulgarien, in der Türkei, die doch auch angerechnet werden müssen und die über 11 Milliarden allein ausmachen, die wir als Vorschüsse dorthin ge— geben haben. Wenn alle diese Leistungen, die wir an die Entente zu vollziehen haben und in vielfachem Umfange schon vollzogen worden sind — Ablieferung von Gisenbahnmaterial, Abtretung von Staats⸗ eigentum in den abzutretenden Gebieten — wenn das alles an⸗ nähernd nach Weltmarktpreisen eingerechnet wird, dann ist, wie ich schon wiederholt betont habe, die erste Quote von den 20 Milliarden Goldmark reichlich gedeckt, ist nach meiner festen Ueberzeugung sogar überschritten. Wie ich im Hauptausschuß, in den Steuerausschüssen und andeutungsweise auch im Plenum der Nationalversammlung wiederholt erklärt habe, hat die Eisenbahnverreichlichung mit dieser Frage auch nicht das mindeste zu tun. Es ist gar nicht die Absicht des Reichsfinanzministers und auch gar nicht die Absicht der Reichs—⸗ regierung, die Eisenbahnen irgendwie zu einer Kreditoperation oder gat zu einer Leistung an die Feinde benutzen zu wollen, weil sie nach meiner Ueberzeugung dafür überhaupt nicht tauglich sind und weder für die Neutralen, noch für die Feinde in Betracht kommen können. (Gustimmung bei den Mehrheitsparteien?)
Nun aber ein Zweites. Wenn der Herr Abgeordnete Dr. Heim die Güte gehabt hätte, den Friedensbertrag zu lesen, dann müßte er wissen, was in Art. 246 des Friedensvertrages enthalten ist, wonach für die Erfüllung des Friedensbertrages das Vermögen des Reiches lebhafte Zurufe von den Mehrheitsparteien: und der Länder,) und der Länder in gleicher Weise Haftet. Es ist also in diesem Sinne ganz gleichgültig, ob wir die Eisenbahnen auf das Reich übernehmen oder nicht; denn sie sind, wenn die Entente etwas gegen den Wortlaut des Fricigens vertrages beabsichtigen sollte, dem Zugriff der Entente ausgesetzt, ob sie sich nun im Besitze des Reiches oder im Besitze der Länder befinden. Also die ganze Frage der Ueberführung der Eisen⸗ bahnen in Reichebetrieb hat mit der Ablieferung der 20 Milliarden
mit aller Deutlichkeit und aller Entschiedenheit.
Was nun die Frage der Entschädigung angeht, so ist mir auf . gefallen, daß der Herr Abgeordnete Dr. Heim eine Betriebsgemein - schaft an Stelle der Verreichlichung gefordert hat. Ey selber hai erklärt, daß dazu eine Aenderung der Verfassung notwendig sei. Ich glaube nicht, daß das Haus geneigt und in der Lage sein wird, einer
Aenderung der Verfassung auf diesem Gebiet zuzustimmen. (Sehr
richtigl bei den Mehrheitsparteien) Ich erinnere auch daran, daß
der Herr Abgeordnele Dr. Heim bisher, soviel mir bekannt ist, stets ein Gegner der Bebriebsgemeinschaft gewesen ist. (Widerspruch des
Abgeordneben Dr Heim) — Bayern speziell. —— (Erneuter Wider.
spruch des Abgeordneten Dr. Heim) Ich erinnere an die Aus ·
annähernd nach den tatsächlichen Preisen — ich nehme an, nach
Goldmark auch nicht das allermindeste zu tun. Das erkläre ich hier
163 ö. 5 '.
führungen des Herrn Abgeordneten Dr. Pichler hier und im bayerischen Sedtag. (Zurufe des Abgeordneten Dr. Heim) — Das ist un
bestritten; diese Tatsache sollte man nicht in Abrede stellen. Er Fat
wiederholt erklärt, daß eine Eisenbahngemeinschaft nicht möglich wäre, sondern nur eine Lokbmotio⸗ und Wagengemeinschaft. Ich erinnere Sie nur an die Opposition aus Bayern, die gegen eine Reihe von Eisen⸗ bahngemeinfchaflen erhoben worden ist. Das ist die schärffte Oppo⸗ sitlon gewesen. Ich erinnete an die Jahre 1897 und 1900, wo man eifrig don einer Sütdeutschen Eisenbahngemeinschaft gesprochen hat, mo wir in Wiltttemberg — der Herr Kollege Haußmann steht hier vor mir, er kann das bestätigen — häufig von einer solchen Gemein . schaft gesprochen haben. Das war möglich, weil der Gedanke der Reichseisenbahnen unmöglich schien, weil gerade dieser gesunde, richtige Gedanke wegen der Opposition, die aus Bayern herausgekommen ist, nicht durchgeführt werden konnte. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.)
Cs wird gesagt, Bhhern winde gar nicht entschtiden, es winde die Bahnen elektrisch betreiben können. Ich weiß richtB, ob Bayern dus eigener Kraft in der Lage ist, die (lloktrisierung seiner Bahnen durchzuführen. Bisher hat man in Bhyern allerdings — das muß ich ganz offen erklären — sehr viel über das Walchenseeprojekt geredet; aber viel sst daraus leider nicht geworden. Ich bedaune das als Finangminister. Hätte man dieses Projekt in Bayern ausgebaut, so hätte Bayern das glänzendste Geschäft jetzt schon während des Krieges machen können. Aber über bloß Reden und Resolutionen ist man leider nicht hinausgekommen. Ich bestreite auch heute noch, daß Bayern in die Lage kommt, alle seine Kräfte so auszubauen, um die Klkektülsierung durchzuführen. Dafür sist das Reich als größere Ge— meinschaft erforderlich. Dhsselbe ist über den Ausbau der Donau⸗ wasserstyaße zu sagen. (Zuruf des Abg. Hi6m.) Ich kenne die Ver= handlungen der Länder, die mit mir als Finanzminister geführt werden. Ich warte auf das erste Angebot äürgend eines Landes, das seine Wasserstraßzen allein ausbauen soll. Ich dränge mich als Reichs⸗ finn gminister nicht dazu, neue Ausgaben des Reiches zu machen. Ich wäre froh, wenn Württemberg und Baden ihr Wasserstraßen allein ausbauen könnten. Die Länder erklären mir oft genug: wir sind hierzu nicht in der Lage, es kann nur mit Hilfe des Reichs und durch das Meich geschehen. Es ist bereits feststehend, daß zu dem Ausbau des Donau⸗Mainkanalt, dessen erste Quote wir auf den Reichsetat über⸗ nehmen, Bayern nicht allein in der Lage gewesen ist. Es hat uns drin⸗ gend gebeten, wir möchten — ich glaube die Hälfte — auf den Reichs⸗ etat übernehmen. Wir haben eine erhebliche Quote für die Vorarbeiten bereits auf den Reichsetat übernommen; und heute sind win beü der wirtschaftlichen Lage der einzelnen Csüeder des Reichs darüber voll⸗ kommen klar, daß diese große und bedeutsame Frage des Aufbaues der Wasserstraßen nur durch die Gemeinschaft des dentschen Volkes ge—
löst und geregelt werden kann. (Sehr richtig! bei den Mohrheics—
parteien.)
Was die Entschädigungsfrage dev Allgemeinheit betrifft, so will ich davauf nicht näher eingehen. Ich habe die Finanzminister der einn fnen TLänber gebeten, nach Berlin zu kommen, um hier alle diefe Prrje lte durchtzusprechen. Ich stehe diesen Fragen als Finanzminister sehr entgegenlommend gegenüber; das wissen die Ländr. Ich bin üben⸗ Bugt ? daß wenn ich den Finanzministern der einzelnen Länder die Pnojekto entwickeltz habe, ich die Anerkennung und die Zustimmung der einzelstaatlichen Finangminister finden werda. ͤ
Schließlich noch auf eine Anfrage, auf die schriftlich nicht Antwort gegeben werden kann! Der Herr Minister Bell ist nicht anwesend. Der
Herr Abg. Dr. Heim hat — ich bin im allgemeinen über jede Einzel⸗
heit in meinem Ressortz haus informiert — gefordert, den Herr Mänister Dr. Bell möge seine Zusage vorn 3. Oktober halten. Ich weiß nicht, ob der Herr Abg. Dr. Heim dem Mäinister Dr. Bell den Womwurf gemacht hat, er wolle sie nichtw halten. Die Zusage, die Möimnister Boll am 3. Oftober in München gegeben hat, konnte selbst⸗ bwerstäs lich nur eine SGusage im Rahmen der Reichsbenfassung sein; denn hein Reichsminister ist ermächtigt, eine Jusage zu geben, die über den Rahmen der Reichswersassung hinausgeht, und im Rahmen der Reichsverfasssung hat der Herr Minister Dr. Bell, wie er mir vor und nach seinor Reise mitgeteilt hat, die Erklärung abgegeben, daß er be6 der Verreichlichung der Cisenbahnen eine Dezentralisation im weitgehendsten Umfange vornehmen werde, daß ein eigenes lnter— stantsseknetariat für die Zeit des Uebergangs zur Abwicklung der Ge⸗ schäfhe in München errichtet oder einn Unterstaatssekretär aus Bhyern nach Berlin gescndt werden solle — das weiß ich nichtz mehr genau! mwöe die Zusage gelautet hat — kurzum, man hat versprochem in weil⸗ gehendem Umfange auf die Wünsche der einzelnen Länder Rücksicht zu nehmeh und die Sache nicht in Bersin zu schablonisieren, sonberm zu dezentvalisieren. Ich hebe gestern noch Gelegenheitz gehabt, mit Herrn Müiwnifter Bell, der auch mih dem baverischen Herm Möinisterpräsidenten Verhanh lungen in diesen Tagen darüber gepflogen hat, zu sprechen, und er hat auf das bestimmtzeste erklärt, daß es ihm vollkommen fem liche, von seiner Zusage, die er in München gemacht hat. auch nun um ein Jota zurückzuweichen, unb daß er diese Erklärung mit aller Deut⸗ lichkeit und aller Bestimmtheit abgeben werde. Also die Frage, ob Herr Minister Bell seine Zusage halten werde, kann ich dahin be⸗ antworten: diese Zusage wind gihalten werden. ;
Meine Herren, es tut mir leid, daß bei der Frage der Be⸗
. soldungsordnung diese Dinge hineingezogen worden sind, die mit der
Frage der Besoldungsordnung in gar keinem Zusammenhang stehen. (Lebhafte Zustimmung) Aber die Damen und Herren werden auch begreifen, daß, wenn solche Fragen an einen gerichtet werden, Fragen, die auch für unsere Beziehungen zum Ausland — ich will mich ganz vorsichtig ausdrücken — von Bedeutung sein können, man als Reichs⸗ finanzminister die Verpflichtung hat, sofort Auskunft zu geben und falschen Anschauungen, Mißdeutungen mit aller o. ent⸗ gegenzutreten. (Erneute lebhafte Zustimmung. Unsere Lage ist nicht so, daß durch irgendwelche Fragestellungen und Behauptungen
in der Nationalversammlung auch nur irgendetwas von dem preis⸗
gegeben werden kann, was an minimalen Rechten im Friedens · vertrag enthalten ist. (Sehr richtig) Deshalb habe ich mich für
verpflichtet gehalten, die Antwort so eingehend zu geben, wie es im
jetzigen Augenblick möglich ist.
Zum Schluß möchte ich noch einmal bitten: genehmigen Sie — weshalb wir ja in dieser Stunde versammelt sind — den Be⸗ amten die notwendigen Teuerungszulagen! (ECebhafter Beifall)
Abg. Dr. Wirth; Dr. Heim hat eine sehr interessante, aber durchaus nicht harmlose Rede w Seine Frage an den Reichs finanzminister über das Faustryfand der e , Eisenbahnen zeigt, wohin die Tendenz bei ihm geht, nämlich weit über die Stärkung des
hat der Herr Abgeordnete Dr. Heim richtig geschildert. Das wäre
nicht, so fordere ich ihn wor der Nationalversammlung, die die Ver⸗
Ich fordere ihn auf, mir zu sagen, wo in der Reichsverfassung auch nur ähnliche Bestimmungen enthalten sind, die den Ländern ein der artiges Recht geben. Die Nationalversammlung würde ihre Pflicht. verletzen, wenn sie auch nur zugestehen würde, daß für irgendein Land
bayerischen Separatismus hinaus. Er hat auf dem bayerischen Partei= tage ausgeführt, es sei zu emägen Cb man in Bayern nicht noch üher de deutsche Reicksberfassung ein Volksreferendum herbeiführen müsse. lic RKhodus, hic Salta; Herr Dr. Heim diese Frage hängt mit dem Bestand des Deutschen Reiches aufs nmigste zufammen; für Cine ohe Frage haben wir im Süten kein Verständnis. für uns gilt: Das Reich üben alles! (Stürmisck, Zustimmung im Zentrum.) Die Zeiten sind porbei, wo für die Bayern Extrawürste gebraten wurden. Was Bayern recht ist, ist uns in Baden billig; wird für Bayern etwas getan, um die Dezentralisation zu sicheyn, so muß das Württembeng, Baden, Sachsen ebenso zugebilligt werden. (Ruf rechts: Und Preußen? Die Preußen haben ja die Mehrheit in der Nationalber, sammlung, die vierzig Millonen Preußen werden Gelegenheit haben, ihre Interessen durch Ms Gewicht ihrer Stimmen besser wahr⸗ zunehmen, als wir im Suden es können. Eine Zusage, daß Bayern im gewissen Sinne ein , EGisenbahnministerium be⸗ kommen hat, ist nbemals gegeben worden. Wie soll für das kemmende Reichseisenbahnsystem die Kontrolle gehandhabt werden: soll sie allein in Bertin durch den Reichstag wahrgengmmen werden? Theoretisch wäre das ja wohl das Richtige, aber das Jahr hat auch nur Ib6 Tage. Nachtsitzungen sind nicht beliebt, und auch Sonntagssitzungen werden nur eine Ausnahme bilden können, glaubt jemand, daß bei dieser einen einzigen Kontrolle durch den Reichstag eine, Erörterung der Ver⸗ hältfüsse der einzelnen Länder möglich sein wird? Kein Minister hat Kisher solches Herständnis für Dezentralifation bewicsen, als der Reichsfinanzminister, ihn müssen doch gerade auch die Pavern unter— ftützen, statt ihm dauernd Knüppel zwischen die Beine zu werfen, (Zu⸗ ruf; Was anderes kann er ja nicht.) Einheit und Dezentralisation müssen gleichzeitig durchgeführt werden, sonst kommen wir nicht zu⸗ vecht. Hätte uns Dr. Heim nicht im Stiche gelassen in Baden, so könnten wir im Reichsschatzmĩnisterium anders operieren. Die Be— triebsgemeinschaft kann die Eisenbahnen der Länder nicht mehr retten; was nach dem 1. April 1929 unsere Finanzen ruiniert, ist die Defizitwirtschaft der Cisenbahnen. Die Reichsbesoldungsordnung stellt uns vor dieselbe Notwendigkeit. Wenn nach der Verreichlichung der Eisenbahnen jedes Land für sich eine andere Finanzpolitik treiben sollte, so ist das einfach unmöglich. Es fragt sich also, ob Bayern die Reichs⸗ verfassung respektieren oder sabotieren will. Eine solche Abstimmung würde auch eine Abstimmung in den besetzten Gebieten nach sich ziehen. Diese Politik ist nicht nur gefährlich, sondern sie ist vor kurzem noch von Kollegen in der kleinen Gruppe des Herrn Dr. Heim als landes verräterisch bezeichnet worden. Heute machen Sie gemeinsame Politik; tun Sie das, wir tun unfere Pflicht, indem wir sagen: Das Reich, seine Einheit, seine Kraft über alles! (Stürmischer Beifall im Zentrum.)
Abg. Seger (U. Soz): Die Politik der Erhöhung der Teue⸗ rungszulagen kann uns nicht weiter bringen, und die Zulagen reichen nicht entfernt aus, die Steigerung der Lebensmittelpreise uch nur einigermaßen auszugleichen. Diese Tatsache ist unerschütterlich. Auch vom Deutschen Städtetag in Berlin ist ausdrücklich hervorgehoben worden, daß die schlechte Finanzpolitik im Reiche uns bankerott macht. Mit der Prämienwirtschtft, die die Regierung treibt, werden die Lebensmittel verteuert, ihre Ablieferung nicht beschleunigt, sondern zu— zurückgehalten. In dem Augenblicke, wo sich die Arbeiterschaft in einer solchen Notlage befindet, verbietet man ihre Zeitungen!
Abg. Dr. Semmler (D. Nat) konstatzert, daß er zu dem ge⸗ rügten Zwischenruf: „Den Unsinn lassen Sie!“ durch einen Zwischen⸗ ruf aus dem Hause veranlaßt worden ist. .
Vizeprässtent Löbe: Sie haben gerufen: „Behalten Sie diese Dummheit für sich' Ich mußte diesen Juruf auf den Redner heziehen. der eben die Tribüne derlassen hatte. Der Beschwerdeweg über die Rüge steht Ihnen offen.
Abg. Wurm (U. Soz.): Der Abbau der Preise ist allerdings nicht
zu erzielen, solange alle Produktionskosten steigen. Splange der Land wirt unumschränkter Herr über Grund und Boden ist, kann er auch die Presse diktieren. Die einzige Abhilfe liegt in einer Soziglisierung des Grund und Bodens, die gleichzeitig die Produktion zu heben ge⸗ eignet ist. Die Prämienwirtschaft nützt nichts, kaum sind die Prämien ins Land gegangen, da hört man schon wieder, daß die Ablieferung keineswegs den erwarteten Aufschwung nimmt. Jetz pfeift vom Land⸗ rat bis zum Gutspächter alles auf dem Lande auf Regierung und Parlament. . ö Abg. Dr. Heim: Wenn Minister Enzberger meint, eine Ver⸗ reichlichung des Eisenbahnwesens sei notwendig, um Ordnung in das Transportwesen zu bringen, so meine ich, daß mit jeder Zentralisierung eine Erschwerung des Transportwesens verbunden ist, die schließlich zur Katastrophe führen muß. Nach einer Berliner Zeitung tauchen immer wieder Gerüchte auf, daß die Eisenbahn als Pfand bei Kredit— crerationen mit Amerika dienen soll. Eine Extrawurst verlangen die Bayern nicht, ein Referendum über die Reichsverfassung steht jedem Lande zu. Ihnen geht die Schaffung eines sozialistischen Einheits⸗ staates nicht schnell genug. (Sehr richtig! rechts In meiner Liebe zum deutschen Volke und zu meiner Heimat lasse ich mich von Dr. Wirth nicht übertreffen.
Abg. Dr. Wirth: An Stelle dieser letzten sehr gemäßigten Rede hätte ich lieber ein offenes Wort von Dr. Heim gehört. Unbedingt muß dafür gesorgt werden daß unsere Ministerien sich nicht wie die Kriegsgesellschaften aus wach sen. Wir brauchen die Zentralisation, damit nicht ein Staatsgerichtshof über deutschen Besitz entscheidet. Jede Separationepolitik müssen wir bekämpfen: interessant wäre es mir ge— wesen, gu hören, wag Herr 6 mit Marschall Foch ausgemacht hat. (Sehr guti im Zentrum.) Es gibt nichts Unglücklicheres, als einzelne Teile des Reiches noch zu einer Abstimmung über die Reichsverfassung aufzurufen. Die schädliche Wirkung seben wir schon, namentlich in BPahern. Wir wollen lieber volle Offenheit als die bloße bajuwarische Kraft sehen, die alles zerschlägt, ohne die Scherben wieder zusammen— flicken zu können. . Reichsminister der Finanzen Erzberger: Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht beabsichtigt, Sie nochmals aufzuhalten. Nachdem aber Herr Dr. Heim eine Reihe von Fragen gestellt hat, bin ich verpflichtet, darauf zu antworten.
Zunächst trete ich dem Herrn Vorredner darin bei, daß es mit dem Standpunkte der Reichsverfassung unvereinbar ist, wenn be— hauptet wird, daß ein Land ein Referendum im Rahmen seines Landes über den Bestand der Reichsberfassung herbeiführen kann- (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien) Das ist nach der Reichs- werfassung klipp und klar ausgeschlossen. (Zustimmung bei den Mehr⸗ heitsparteien) Wer hier eine solche Theorie vertritt, der steht nicht auf dem Boben der Reichsberfassung (lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien, sondern außerhalb des Bodens der Reichsver⸗ fassung. Die Reichsregierung kann unter keinen Umständen zulassen, daß hier solche Gedanken vertreten werden, und sie muß den schärssten Protest dagegen erheben, wenn versucht wird, etwas derartiges aus der Reichsverfassung herauszulesen. Die Gefahren, die daraus entstehen,
die Zertrümmerung des Deutschen Reiches, das wäre die Auflösung, die Auseinandersprengung in tausend Fugen. Wenn Herr Dr. Heim auch jetzt noch die Auffassung vertritt, die Länder könnten ein Referen⸗ dum darüber herbeiführen, ob die Reichsverfassung gültig ist oder
fassung beschlossen hat, auf, mir den Artikel der Reichsverfassung zu nenen, auf den sich ein solches Recht des bayerischen Volkes stützt.
halten wäre. Ich richte darum an den Herrn Abgeordneten Dr. Heim
namens der Regierung die bestimmteste Auffurderung, uns zu sagen,
auf welchen Artikel der Reichtverfassung sich ein solches Recht des bayerischen Volkes stützt. Erst wenn er diese Frage beantwortet hat, werden wir uns weiter darüber unterhalten. (Brawo! bei den Mehr— heiteparteien.) —
Der Herr Abgeordnete Dr. Heim hat weiter gefragt, warum die Negierung schon am J. April 1920 — jetzt auf einmal! sonderbar! — schon mit den Verhandlungen über die Verreichlichung der Eisen⸗ bahnen fertig werden wollte. Es ist doch aus den Sätzen, die ich ausgeführt habe, selbstberständlich, wenn die Regierungen nicht in diesem Monat oder Anfang des nächsten Monates unter sich einig werden, dann ist ja gar nicht möglich, die Gesetzesborlagen über die Verträge, die wir abschließen, erstens der Nationalversammlung ig zeitig zu unterbreiten, daß sie noch vor dem 1. April 1920 verabschiedet werden können, und zweitens den gesetzgebenden Faktoren in den ein—
zelnen Ländern diese Vorlagen zu unterbreiten. Es ist ja selbstvwer⸗ ständlich, daß auch die Länder, die Vertreter der Länder dieser Verab— redung zwischen Reich und Ländern zuzustimmen haben. (Sehr rich⸗ tigl bei den Mehrheitsparteien) Alle übrigen Gründe brauche ich hier nicht noch eimmal darzulegen. Ich verstehe deshalb wirklich nicht, wie der Herr Abgeordnete Dr. Heim eine solche Frage stellen kann. (Zu⸗ ruf: Ich verstehe es schon) — Ja, Sie kennen Herrn Dr. Heim wohl besser als ich. — (Heiterkeit) ;
Herr Dr. Heim hat sich dann gegen den Hyperzentralismus ge⸗ wandt. Darin sind wir einig. Eine Hyperzentralisierung will kein Mensch in der Reichsregierung und will, glaube ich, kein Mensch in unserem deutschen Vaterlande. Vorhin sind die Kriegsgesellschaften genannt worden. Die Kriegsgesellschaften hat die jetzige Regierung nicht gebildet, und der Abbau, die Aufloͤsung der Kriegsgesellschaften ist be⸗ schlossen und wird tagtäglich immer mehr vollzogen. (Widerspruch und Zurufe rechts) — Wenn Ihnen das unbekannt ist, so bedauere ich das. Da können wir also nochmals eine Denkschrift über diese Sache der Nationalversammlung unterbreiten. Ob sie gelesen wird, weiß ich nicht. Dasselbe Schicksal haben ja auch schon andere Denkschriften gehabt. Aber Sie lesen doch wenigstens die Zeitungen. In den Zeitungen haben Sie in diesen Tagen einen scharfen Protest der Angestellten der Kriegsgesellschaften darüber gelesen, daß sie jetzt entlassen werden sollen. Das ist Ihnen dech zweifellos bekannt. Daraus können Sie ent⸗ nehmen, daß Angestellte entlassen werden, daß Kriegsgesellschaften in der Auflösung begriffen sind. Es gehört aber sehr vres Energie dazu. um gewisse Persönlichkeiten, die sich in die Organisation eingenistet haben — und da mache ich gar keinen Unterschied, ob das ein An—⸗ gestellter oder ein Beamter eder ein Offizier ist; bei allen dreien finde ich dieselbe Opposition — so weit zu bringen, daß sie etwas preisgeben und zugestehen, daß ihre Organisation aufgelöst werden muß. (Sehr richtig! bei den Mehrheitèparteien Das scheint das größte Opfer zu sein, das man überhaupt von einem Menschen im deutschen Vaterlande verlangen kann. Fortgesetzt kommen Proteste gegen die Kriegsgesellschaften. Meine Herren, die Proteste rühren uns nicht! Aber darüber müssen Sie sich klar sein, daß, wo wir noch die Zwangsbewirt⸗ schaftung, trie für Oel, Fett, Getreide usw. haben, eine solche Organi⸗ sation noch absolut notwendig ist; sie kann nicht aufgehoben werden. Die Aufhebung der Zwangswirtschaft im jetzigen Augenblick lehne ich aus denselben Gründen ab, aus denen sie die Herren Abgeordneten Dr. Heim und Wurm auch abgelehnt haben. Die Aufhebung der Zwangswirtschaft würde zum vollständigen Ruin und zur Ernährungs—⸗ katastrophe in dem jetzigen Augenblick in Deutschland führen. Der Herr Abgeordnete Dr. Heim sagt dann, diese Zentralisierung würde keine Besserung bringen, sondern sie würde zur Katastrophe führen. Wie kann denn die Reichsregierung angesichts der Verkehrsnot auf den Gedanken kommen, jetzt schon die Sache in die Hand zu nehmen? Doch lediglich aus den Erfahrungen des Kriegs und aus den Erfahrungen der Verkehrssperre. Die Erfahrungen des Kriegs sind es gewesen, die einwandfrei den Beweis der Notwendigkeit erbringen. Der Chef des Feldeisenbahnwesens, General Groener, erklärt, daß nur durch die Zu⸗ sammenfassung aller Kräfte die volle Ausnutzung des Materials möglich ist. (Zuruf) Jetzt sind wir noch unter denselben schwierigen Verhält⸗ nissen voie im Kriege. Ist denn unsere wirtschaftliche Lage irgendwie besser als im Krieg? So sagen wir: was im Kriege unter dem Druck der Verhältnisse sich als unbedingt notwendig herausgestellt hat —, die Zusammenfassung aller Kräfte ist auch notwendig für die schwere
ist als die ganze Zeit des Krieges. (Sehr richtig!)
Was die Verkehrssperre anbelemgt, so ist — der Herr Abgeord⸗ nete Dr. Heim kann sich in seinem eigenen Heimatland hierüber er⸗ kundigen, auch mir haben das Kollegen aus Bayern mitgeteilt — trotz der Verkehrssperre der einzelnen Direktionsbezirke der Personenver⸗ kehr genau so weiter gelaufen, als wenn keine Verkehrssperre gewesen wäre. Sweziell der Herr Abgeordnete Hebel — ich kann seinen Namen hier ja nennen — hat mir mitgeteilt, daß die Züge genau so gefahren seien wie vorher nur mit dem Unterschied, daß die Wagen, anstatt be⸗ setzt zu sein, leer fuhren. Aus anderen Verkehrsbezirken ist uns das selbe gemeldet worden, daß 18 bis 20 Wagen leer gefahren seien und daß jede Person für sich allein einen Wagen bekommen habe. (Suruf:
Bayern! Das ist uns amtlich mitgeteilt worden, dies war nur mög-
lich, weil die Eisenbahndirektionspräsidenten sich als absolute Herrscher in ihrem Direktionsbezirk gefühlt haben. Bei der Zerrissenheit der Verhältnisse war es auch nicht möglich, daß man den Lokomotivpark als einen einheitlichen Park ansah; denn jeder Direktionspräsident sigt: ich habe soundsoviele Lokomotiven, die behalte ich in meinem Bezirk. Die Dinge aber liegen nicht gleichmäßig verteilt in ganz Deutschland. sondern in bestimmten Gegenden liegen die Verhältnisse anders. Darum müssen die Lokomotiven in die Gegenden geschickt werden, um dort die Waren herauszuholen. Die Meinung ist daher falsch, daß eine solche Zentralisierung zur Katastrophe führe. Wir lernen aus den Erfahrungen des Krieges, daß, was sich praktisch bewährt hat, auch in der jetzigen schweren Zweit zu benutzen und zum Wohle unseres Vaterlandes anzuwenden.
Und zur dritten Frage! Der Herr Abgeordnete Heim hat erklärt. er sei zu der Frage, die er wegen der Verwendung der Eisenbahnen zur Befriedigung gegnerischer Ansprüche — um es kurz zu bezeichnen — an mich gerichtet hat, gekommen ist auf Grund einer Auslassung einer „Berliner Zeitung. Der Herr Abgeordnete Heim hat in schamhafter Weise verschwiegen, welche Zeitung es ist. Mir ist aus Notizen be- kanntz daß es sich um die Tägliche Rundschan handelt. Ja, meine Herren, wenn ich als Reichsfinanzminister auf jede flache Meldung die
des Deutschen Reiches ein solches Recht in der Reichsverfassung ent-
in einem Berliner Blatte steht, eingehen müßte, dann können Sie
Uebergangszeit, die ja volkswirtschaftlich und finanziell viel schwieriger