neben mich nech mwei Meichefimanminister hinftellen, nämlich einen, ber die eigentliche Arbeit zu machen hat, und einen weiteren, der diesen Unsinn fortgesetzt in der Presse verfolgt. Ich halte es gar nicht für notwendig, diese Frage zu widerlegen. Ich erinnere die Herten — ich weiß nicht, wann es war, ich glaube es war im Oktober — als mir bier in der Nationalversammlung von einem Redner der Rechten ent⸗ gegengehalten wurde, daß ein solcher Plan bestebl. Ich kann in aller Offenheit erklären, daß ein solcher Plan absolut nicht besteht. Das habe ich hier öffentlich bereits erklärt. Wenn nun eine solche falsche Nachricht auftaucht, habe ich es nicht notwendig, nochmals eine solche Lüge totzuschlagen. Ich hoffe, daß es mir möglich ist, alle Gerüchte durch meine bestimmteste Erklärung ein für allemal zu zerstören, daß weder das Neichsfinanzministerium, noch die Reichsregierung, noch irgendeine der für die Geschicke des deutschen Volkes maßgebenden Stellen — ich kann es nicht allgemeiner dementieren — jemals daran gedacht hat und daran denkt, unsere Eisenbahnen zu verwenden, daß sie als Faustpfand für gegnerische Ansprüche ausgenutzt werden können oder als Unterlage für eine Kreditoperation mit neutralen oder bisher feindlichen Mächten verwendet werden könnten. Ich könnte mir sowohl vom nationalen Standpunkt, wie vom verkehrstechnischen Standpunkt, wie vom volktwirtschaftlichen Gesichtspunkt aus gar keine schädlichere Maßnahme für den Wiederaufbau unseres Vater— landes denken, als wenn wir nicht absolut Herr unserer Verkehrs— mittel im Innern des Reiches sind. Der Friedensvertrag bringt uns so wie so eine Reihe von Lasten auf diesen Gebieten, Beschränkungen in bezug aaf die Wasserstraßen, in bezug auf unsere Tarifhoheit usw., so daß kein Minister je daran denken kann, die Pläne zu verfolgen oder zu hegen, die Herr Dr. Heim aus einer Berliner Zeitung hier zitiert hat. Ich hoffe, daß nach dieser restlosen Aufklärung nirgends mehr eine solche Behauptung auftreten kann. .
Es tut mir leid, daß die Nationalversammlung so außerordentlich lange durch die Aussprache aufgehalten worden ist, und ich richte nun zum drittenmal an Sie die Bitte: genehmigen Sie das, worum Sie zusammengekommen sind: die Teuerungszulage für die Beamten um 150 B. (Beifall.)
Abg. Merseburg (Dem) führt aus, daß die Landwirte nicht . an der Teuerung seien und daß wir aus dem Elend nur he raus⸗ kommen, wenn hrir länger arbeiten. Die Frühjahrssaat könne nicht gemacht werden, wenn die kurze Arbeitézeit rüchichté os durchgeführt werde. Die Sczialisierung würde nur teurer und weniger produzieren.
Abg. Dr. Heim; Die Eisenbahrverhandlungen habe ichm nicht abotierk. Meine Stellung zum Referendum ist, daß an dem Ver=
ltnis zwichen dem Reich und Bayern die Revolution, soweit unsere Verträge in. Betracht kommen, nichts geändert hat. Die Reichswer⸗ fassung hat Samit nichts zu tun, (Lebhafter Widerspruch.) Mit General Foch habe ich nie ein Wort gesprochen, ich habe ihn nur im Bilde mit
im Abg. Ulrich und einem Zentrumsabgeordneten gesehen. Heiterkeit. Abg. Herschel; Haben Sie mit Off zieren des Generals Mangin i zen?) Ich habe nur zweimal linksrheinisch während des Waffen⸗ stillstandes mil Franzosen gesprochen, einmal habe ich auf Aufforderung zu Protokoll gegeben, daß die Verelendumzsthedrie, die offenbar im über⸗ mäßigen Mausch der befriedigten Revanche gegen Deutschland angewendet werde, Frankreich serbst noch gefährlicher werden könnte als uns. Ein andermal bin ich dort nicht ohne den Willen der maßgebenden Faktoren gewesen und habe dabei kein Wort gesprochen, das nicht jeder Deutsche billigen könnte. Den Ginheitsstaat kenn man so weit treiben, deß die Ueberrentralisierung die Folge ist. Ich lehne die Zentralisierung ut auch, den Einheitsstaat ab. Von Sepgrierung ist Fine Rede, Wiederholte Aufforderungen an mich, eine Donau⸗NWonfüderation zu fördern, habe ich rundweg abgelehnt. Bewegung) Der schranfenlose (inheitsstagt (Ruß: Den will kein Mensch) — was sich hier vollzieht, ist die restlose Enmwicklung zum Einheitsstaat. Dagegen werde ich immer kämpfen, solange ich kann.
Abg. Dr. Wirt h:, Maßgebende Persönlichkeiten sind im un= klaren über die Politik, die Herr Heim mit Frankreich beginnen will. (Hört, hört!) Herr Heim hat die Reichs regieruig wissen lassen, daß er zu Marschall Foch reise. (Abg. Dr. He im: Umgekehrt, ich habe Sie gefragt, ob Sie wünschen, daß ick zu ihm reise.) Die (Reicht Regierung hat solche Verhandlungen mit den Franzesen nicht gewollt. Die Auseinandersetzungen des Abg. Heim sind im Rahmen der Reichs⸗ verfassung revolutignär. Die. Einleitung Der Reichsberfassung, heißt: Das deutsche Volk, einige in seinen Stämmen, hat sich diese Ver fassung a da kann man nicht auf die alten Verträge zurück⸗ weisen. Die Nationalversammlung ist , ohne ahi auf die Verträge; diese sind nicht die Grundlage der erfassung, sondern das einige Volk in der Nationalversammlung. Herr Heim geht ge— fährliche Bahnen. Will er nicht den Dil m nr, um Schutzhaft er⸗ süchen, damit ihm die Revolution in Bayern nichts schaden kann? ,, ö
Abg. Dr. Hersch el (Zent́n): Herr Him spricht von links- theinisch, ich frage ihn Ther, ob er nicht in Wiesbaden vor nicht zu langer Zeit französische Offiziere re, und sogar auf der er raffe de e, ,. mit ihnen diniert hat. Ich will ibm Gelegenheit geben, den bösen Anschein zu zerstreuen. Es wäre gut, wenn Herr VYeim fagen könnte, wie er die deutschen Interessen bei solchen Unterhaltungen . ht beidigt sich
Abg. Dr. He im verteidigt sich gegen Dr, Wirth wegen seiner a nach Wiesbaden, wo er mir einen französischen Vegkeitoffizier gehabt hahe. Es ist 6st ich hätte mich zur Zeit der Räteregierung n persünliche Schutzhaft nehmen müssen. Das beruht auf einem Misperstämdnis. Wenn diese Dinge in die Deffentlichkeit getragen werden, verlange ich, daß die Minister Mayer und Braun als Zeugen auftreten.
Reichsminister der Finazen Erzber ger: Ich will die Debatte nicht venlängenm. Aber nachdem der Herz Abgeordnete Dr. Heim auf in Mitglied der Reichsregierung Bezug gencmmen hat, das über seine Reise ins besetzte Gebiet wisse, bin ich verpflichtet, darüber eine Ant⸗ wort zu geben
Das Mitglied der Reichsregierung bin ich. (Bewegung. — Zuruf des Abg. Dr. Dem: Bei der ersten Frage) — Kommt schon! — wachen und Zu rufe rechts) — Sie wissen ja gar nichts! Warten Sie doch ab! (Andauernde Zwischennufe rechts) — Lassen Sie mich dech ruhig veden. — Ich bitte den Abgeordneten Heim, mir zuzuhören. (Unruhe und Zurufe.) — Ich lege Wert darauf. — Vor Ostern in der Karwoche wurde ich aus einem bayerischen Ort zu Mittag angerufen, am Abend wisder. Ich habe zurücktelephonievt. Da wurde mir gefagt, der Abgeordnete Dr. Heim möchte mich sprechen. Er teilte mir mit — die Einzelheiten brauche ich nicht wiederzugeben, sie tun nichts zur Sache = daß von französischer Seite gewimscht würde, mit ihm zu sprechen; was ich devon hielte. Ich habe erklärt; ich muß zunächst mit dem verantwortlichen Ministerpräsidenten Rücksprache nehmen. Ich bebe diese Rücksprache genommen und habe dann dem Herrn Abgerrd neten Dr. Heim — ich weiß micht, ob Herr Dr. Heim erst beleyhomisch angerufen hat, oder ob beim zweiten Mal; es ist wohl dreimal bele⸗ YVhomart worden erklärt, wenn envas Grspriefsiches für das Interesse des Mebches dabei herauskommen könne und Der Dr. Heim eine Gin⸗ ladung von maßgebender fwamqösrscher Seile hätte, dann hätte wach
Rücksprache mit der Reichtregionumg düese dein Bedendben, daß er die
gebeten, er möge vor feiner Reise nach Bersin kommen, Sams wir ins aussprechen könnten über das, was er vom Standpunkte der Reichs regierung mit den Franzosen besprechen möge, und auch verabreden könnten, wie er uns berichten solle. Der Herr Abgeordnete Heim hat mir dawauf telephonisch zugerufen, das sei nicht möglich wegen der Verkehnssperre, und er bitte, einen Vertrauensmann nach dort zu schicken. Ich habe darauf erklrt, das fei nicht möglich — die Sache war damals, das Liegt in der Natur der Dinge, sebr delikat — ich möchte bitten, daß er hierherkommen möchte, wenn er auf die Reise Wert lege. Das war alles. Weiter habe ich von ihm nichts gehört. Er hat nichts von sich hören lassen, eine Besprechung in Berlin hat nicht stattgefunden, einen Auftrag hat Herr Dr. Heim von der Reichs regierung nicht erhalten. Ich weiß auch nicht einmal, ob Herr Ab⸗ geordneter Heim damals mit den Franzosen verhandelt hat. Mir hat er jedenfalls nichts davon gesagt, auch als er noch Mitglied der Zentrumsfwattion war. (Hört, hört! und Zurufe) — Das war vor Ostern. — Von der ganzen weiteren Entwicklung der Dinge weiß ich nichts. Ich glaube aber, daß ich als Mitglied der Zentrums⸗ fraktzon den Weg gegangen bin, den ich gehen mußte, und jeden Ab⸗ geord neten, ob er nun zur Mehrheit oder zur Oppeosition gehört, würde ich genau so beschieden haben, wenn er mich angerufen und mir mit⸗ geteilt hätte: ich habe eine Einladung von maßgebender französischer Seite zu einer Konferenz. Aber auch jede Regierung mußte ihn so bescheiden und untersuchen, ob dabei etwas für die deulschen Interessen herauskommen könnte, durfte jedenfalls auch niemand ohne Vollmacht und ohne vorherige Besprechung reisen lassen, duch jeden Abgeordneten verpflichten, der Regierung das Resustat der Besprechungen mitzu⸗ teien. Ich glaube, daß das vollständig korrekt ist und gar nicht anders vorgegangen werden konnte.
Nun hätte ich über diese ganze Sache von mir aus überhaupt nicht gesprochen — denn Herr Dr. Heim hat, wie er mir bestätigen wird, gesagt: Sie müssen mir Ihr Ehrenwort geben —, wenn er nicht auf mich Bezug genommen hätte. Ich habe über diese Unterredung mit niemand gesprochen außer mit Herrn Ministerpräsidenten Scheide⸗ mann, und auch die damaligen Mitglicher des Kabinetts haben über die stattgehabte Unterredung keine Kenntnis erhalten können, weil die Reise des Dr. Heim nach Berlin nicht zur Ausführung gekommen ist. Zuruf) — Nein, die Regierung hat keine Ahnung von der Einladung gehabt, die Herr Dr. Heim bekommen haben soll. Ich kann mich auch noch genau daran erinnern, daß ich den Herrn Abgeordneten Dr. Heim telephonisch gebeten habe, mir die Depesche oder das Schreiben von der französischen Stelle mitzubringen und die Unterlagen für die Ein— ladung, damit wir wüßten, von wem sie ausgehen sollte. Auch das wild mit Herr Dr. Heim bestätigen müssen. (Suruf) — Ich sage noch einmal, es ist zu einer Aussprache nicht gekommen aus Verkehrs⸗ schwierigkeiten, wie Herr Dr. Heim erklärt hat. Dagegen weiß ich nicht, ob es zu einer Besprechung linksrheinisch gekommen ist. Dadon habe ich nichts gehört.
Nun zu den weiteren Ausführungen des Herrn Dr. Heim! Er greift mich an, weil ich hier in der Nationalbersammlung erklärt habe — das Wort habe ich in Stuttgart wiederholt, und ich spreche es auch jetzt aus — ich stehe und falle mit dem Ginheitsgedanken des Reiches. Ich kann mir in der Tat keinen Reichsminister denken, der nicht auf diesem Standpunkt steht. Cebhafter Beifall im Zentrum.) Der Gedanke an die Einheit des Reiches ist für jeden Reichs minister, mag er nun der äußersten Rechten oder der äußersten Linken angehören, doch die erste Voraussetzung für seine Tätigkeit, denn er bedeutet die Zisammenfassung aller deutscken Stämme in ein großes Deutsches Reich. Als ein Mittel, diesen Reichseinheitsgedanken durchzusetzen, sche ich, um es kurz zu sagen, den Einheitsstaat an. Dem stellt nun Herr Di. Heim gegenüber, daß der Einheitsstaat das Deutsche Reich nicht zusammenführen, sondern auseinanderb ringen werde. Nun, meine Herren, das ist ja gerade das Unglück des deutschen Velkes die Jahr— hunderte hindurch. Es ist uns nie gelungen, den Einheitsmwillen des doutschen Volkes so klar zum Ausdruck zu bringen, wie ihn alle anderen Nationen der Welt besitzen. (Sehr richtig) Wir stehen auf diesem nationalen Gebiete selbst hinter den neu erwachten Völkern des Ostens
zurück, hinter den Polen, Letten, Litauern, Tschecho⸗ Slowaken, Süd⸗ slawen, hinter Stämmen, die wir in der Schule 9 kennen gelernt haben und die erst in den letzten aranziglbis fünfundzwanzig Jahren nationales Leben gewonnen haben. Diche Stämme haben die natür⸗ lichen Gedanken, einen einheitlichen Volksstaat mit einheitlicher Volks- regierung zu bilden, und da will Herr Da. Heim gegen mich auftreten, dann muß er sich nicht wundern, wenn man ihm vorwirft, daß er Se⸗ parationsgelüste verfolgt. (Sehr richtig) Herr Dr. Heim weiß aber, daß ich in jeder Rede, die ich innerhalb und außerhalb des Hauses ge⸗ hallen habe, neben der Zusammenfassung aller Kräfte des Reiches und einer starken Zentralgewalt eine weitestgehende Dezentralisation ver— langt habe. Das sind nicht nur Worte geblieben, ich habe auch Taten solgen lassen. In der Finanzverwaltung habe ich, als sie verreichlicht
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wurde, eine weitestgehende Dezentralisation eingeführt, so weit, daß ich Vorwürfe von der Rechten bekommen habe, als ich die einzelstaat⸗ lichen Finanzminister zu Leitern der Finanzämter machte. Ich habe in meinen Reden hier im Hause und außerhalb des Hauses betont, daß mit der Schaffung der stärksten Zentralgewalt eine weitestgehende Dezentralisation Hand in Hand gehen muß auf dem Gebiete des Kulturlebens, auf dem Gebiete des Verwaltungslebens, daß auch bei jeden Gebieten, wie Heereswesen, Finanzwesen, Verkehrswesen mit der Schaffung der Zentralgewalt eine weitestge hende Dezentralisation zu erfolgen hat. Das ist das einzige Mittel, um unser deutsches Volk aus dem Glend herauszuführen, bei der Zersplittenung des deutschen Velkes können wir keine Gefundung herbeiführen. Ich habe alle diese Gesichtspunkte hervorgehoben. Herr Dr. Heim hat das auch gehört, aber ron dem zweiten Teil meiner Ausführungen sagen Sie weder hier noch im Bayernlande etwas. (Sehr richtig) Diesen zweiten Teil müssen Sie aber aüch wiedergeben. Sie stellen es nur immer so dar, als ob wir einen Einheitsstaat nach französischem Muster schaffen wollten, als ob Berlin ein zweites Paris werden sollte. Das ist unehrlich, wenn man eine solche Politik verfolgt, daß man dem Gegner etwas unterstellt, was er von vornherein abgelehnt hat. Ich bin fest
überzeugt, daß die ganze Nationalversammlung darin einig ist, daß
wir im Gegensatz zu dem französischen Präfektursystem in Deutsch— land weitestgehende Selbstverwaltung schaffen wollen, in der die Eigenart der Stämme vollständig berücksichtigt wird. Diese Organi⸗ fation werden wir auszubilden haben bei der gesamten politischen Gnnwicklung und namentlich auch bei dem wirtschaftlichen Aufbau unsetes nenen Reiches. Wenn Ihnen die endgültigen Vorlagen über den Bezirkswirtschaftsrvat und den Reichswirtschaftsrat zugehen werden. dam werden sich alle Marteien dawon überaeugen können,
daß gerade den wirtschaftlichen Organisatzonen der einzelnen. Länder im weitestgehenden Maße Rechnung getragen wird. Und so wird sich herausstellen, daß die Kraft der Einheit zur Rettung des deut⸗ schen Volkes dient, daß aber der Mannigfaltigkeit der verschiedenen Stämme und Länder weitestgehender Spielraum gelassen wird. Daß es für die einzelnen Stämme keine Extrarechte, keine Reservatrechte mehr geben kann, darüber ist man sich auch einig. (Sehr richtig!) Was jetzt einzelne Stämme oder Länder für sich verlangen, das kann jeder Stamm für sich in gleichem Umfange verlangen.
Nun sagt Herr Dr. Heim, ich hätte die Dezentralisation durch geführt, denn das Finanzministerium brauchte 4000 Zimmer. Das soll Herr Staatssekretär Dr. August Müller behauptet haben. Aber Herr Dr. Heim, Sie haben doch nicht jede Unrichtigkeit hier vor⸗ zuführen. Vorher haben Sie die „Tägliche Rundschau“ vorgeführt und jetzt kommen Sie damit. Ich kenne Herrn Dr. August Müller viel zu genau, als daß ich glaubte, daß er solchen Unsinn ausgesprochen hätte. Er kennt das Finanzministerium. (;zuruf) — Die Notiz ist auch schon längst in der „Deutschen Allgemeinen Zeitung dementiert worden. Ich habe dargelegt, daß die Behauptung von den 14090 Zimmern für das Reichsfinanzministerium vollständig falsch ist, daß das Finanzministerium, obwohl es auch die Verwaltung aller Steuern und Zölle selbst übernommen hat, nicht mehr als 300 Zimmer erfordert. (Hört! hört!) Aber wenn es gegen Herrn Erzberger geht, dann kommt es auf 90 3 nicht am. (Sehr gut!
und Heiterkeit) Das alles ist widerlegt, und trotzdem kommt es in
die Nationalversammlung, und dann geht es weiter.
Aber alles as härth mich nicht veranlaßt, das Wort zu ergreifen, wenn Herr Dr. Heim auf meine Frage mir eine präzise Antwort gegeben hätte. Herr Dr. Heim hat die Behauptung aufgestellt, daß das Land Bayern ein Recht habe, ein Referendum in Bayern darüber herbeizuführen, daß die Reichsverfgssung für Bayern als verbindlich und gültig anzuschen sei. Ich glaube, so war die Behauptung des Herrn Dr. Heim. Herr Dr. Heim hat darauf keine Antwort gegeben, er hat es abgelehnt. Wie kommt Herr Dr. Heim dazu, diese Theorie, die mit Recht als revolutzonär bezeichnet werden muß, hier zu ver⸗ treten? Von welchen rechtlichen Gesichtspunkten aus kann Herr Dr. Heim angesichts des klaren Wortlauts unserer Verfassung, deren Artikel 1 bestimmt: „Die Staatsgewalt geht vom Volkes aus“, mit einer solchen Behauptung auftreten, und wie kann er es in der schweren jetzigen Situation unseres Vaterlandes verantworten, im Volle draußen solche Dinge zu vertreten? (Léshhafte Zustimmung bei den Mehrheits⸗ parteien) Worauf sind solche Ausführungen berechnet? Man soll in Bavern den Eindvuck gewinnen, daß die Reichsverfassung das deutsche Volk vergewaltigt, daß die Reichsverfassung über Bayern brutal hinweggeht. Die Folge ist, daß naturgemäß die Reaktion einsetzen muß. Das lassen wir uns nicht gefallen. Das ist der erste Schritt zur Lösung Bayerns vom Reiche. (Sehr zichtig! den den Mehrheits
parteien) Ich bedaure, wie gesagt, daß Herr Dr. Heim meiner prägzisen
Frage weit ausgewichen ist.
Wenn Herr Dr. Heim diese Auffassung weiter in Bayern vertritt, dann will ich mit aller Offenheit aussprechen, daß die Reichsregierumz verpflichtet sein wird, gegenüber den auf Umsturz der Verfassung gerichleten Tendenzen mit aller Kraft vorzugehen. (Lebhaftes Bravo bei den Mehnheltspartejen) Denn unsere Hauptaufgabe gt, die Reichsverfassung gegen jedermann zu verteidigen (lebhafte Zustimmung bei den Mehrheitsparteien), mag er rechts oder links stehen oder in den Kreisen des Herrn Dr. Heim zu finden sein. Einen Unterschied kennt die Reichsregierung nicht. Die Reichsregierung wäre eine schlechhe Vemalterin des deutschen Volkes, wenn sie sich das Mindeste von der Verfassung abstreiten lassen vürde. Der Schutz der Reichs ⸗ verfassung ist das oberste Programm der jetzigen Reichsregierung. Eeb⸗ haftes Bravo bei den Mehrheitsparteien) *
Abg. Landsberg, (Soz.): Der Abgeondnete Heim trat Ende Februgr an mich mit dem Ersuchen heran, alles zu kun, um Bayern bon der Räteherrschaft zu befreten. Da, dies, aber nur mit Hilfe anderer Trurwenkontingente möglich war, hätte er auch nichts gegen ein (Einrücken preußischer Truppen. Um ctwa bestehenden Bedenken ent⸗ gegenzutreten, schlage er vor, Persönlichkeiten, die im bayerif chen Volke ehnras gelten, in Schutzhaft zu nehmen, und bot für diesen Zweck seine Person an. Der Reichsfinangminister Grzberger ist mein Zeuge dafür, daß er Sebei den Aucdruck „Verhaftung“ gebraucht hat.
Abg. Trimborn Gente): Der Abgeordnete Heim schlug am
12. Mal 1518 dem Abgeordneten Gröber und, mir vor, 36. eine Meise
nach Frankreich unter lmständen von guter Gimyirkung für uns sein fönnte. Wir erklärten ihm sosort, daß eine . Reise von hm mür nach Rücksprache mit der Negterung erfolgen könne, Darauf ist Dr. Heim oder der Abgenrdnete Gröber an den Ministerpräsidenten Scheidemann mit diesem Vorschlage herangetreten. Von der Sache Teiß ich persönlich sonst weiter nichts, dagegen hat ein Abgeordneter der leider nicht amwesend ist, nähere Kenntnis von den Dingen. Abg. Dr. Heim: Ich konstatiere, daß die Genehnigung meiner Reise Mir dürch den Abgeordneten Gröben üherbracht wurde. Fe übrigen habe ich min als Vertreter der sämtlichen bayerischen Ab⸗ geordneten geläandelt., Zum. Beweise der Richtigkeit meiner Angaben berufe ich mich auf Herrn Braun als Zeugen. . Abg. Gezstenberg ern. (Zenit); „Ich kamm, mur den Aus⸗ führungen des Reichefinanzministers bezüglich des Telephongespräches mit Dr. Heim beistimmen. Die Reise Fes Dr. Heim ist seinerzeit, da niemand nach Berlin oder von Berlin kommen konnte, unterblieben. Reichsrainister der Finanzen Erzberger: An der zweiten Aussprache hahe ich überhaupt nicht teilgenommen, und ich habe his vor wenigen Tagen von dieser Aussprache überhaupt nichts gewußt, weiß auch bis zur Stunde nichts Näheres davon, und dem Kabinett ist nie mitgeteilt worden, ob Herr Dr. Heim einen Bericht erstattet hat und welchen Bericht. Das ist mir unbekannt, und ich glaube, daß es duch den anderen Mitgliedern des Kabinetts unbekannt sein
wird.
Was den Vorgang in Weimar betrifft, so kann ich erklären, daß ich mich der Schilderung, die Herr Kollege Landsberg gegeben hat, vollkommen anschließe. Es ist eine Sitzung des Gesamtkabinetts
zewesen. Ich kann mich, wie gesagt, wörtlich dem anschließen, was
Herr Kollege Landsberg hier eben ausgeführt hat. Abg. von Graefe (D. Nat) bestreitet in einer persönlichen Be⸗
merkung die Worte wir können ja ruhig alles bewilligen, bezahlen können wir es ja doch nicht“, gebraucht zu haben. Ich bedauere, daß
diefer Vorwurf, chleich er benitz in der Presse zurückgewiesen war heute von neuem gegen mich erhoben ist. .
Abm. Hoch (Soz.): Herr von Graefe hat diesen Ausspruch seiner zeil tatfächlich getan und sucht sich jetzt nur herauszuveden.
Abg. von Graefe: Ich habe bereits damals festgestellt, daß der Sinn meiner Ausführungen ein anderer war, wenn jemand etwas anderes bekauptet, unterstellt er mir etwas, was ich nicht habe sagen wollen. (Gelächter bei den Sozialdemoktaten.) .
= GGFortsetzung in der Zweiten Beilage) 417.
— —
Fi,, , G(GFortsetzung aus der Ersten Beilage) *I
Nach weiteren — persönlichen Bemerkungen der Abgg. Ste in kopf Soz.) und von Graefe (D. Nat.) wird die Vorlage ohne Erörterung endgültig einstimmig angenommen. Der Gesetzent wurf über die Prüfung von Bildstreifen für Lichtspiele wird auf Antrag der Abgg. Trimborn (Gentr) und Frl. von Gierke (D. Nat.) ohne Aussprache dem Ausschuß für Bevölkerungs⸗
politik überwiesen.
é Ebenso wird der Gesetzentwurf über die Be⸗ schäftigung Schwerbeschädigter, ohne Aussprache erledigt. Er geht an den Ausschuß für Sozialpolitik.
Es folgt der Gesetzentwurf, betreffend die Ge⸗ währung von Straffreiheit an Personen aus den Abstimmungsgebieten.
, Reichsminister des Auswärtigen Mülder: Meine Damen und Herren! Bei den Pariser Verhandlungen, die jetzt über die Aus⸗ führung des Friedensvertrages geführt worden sind, sind noch eins Reihe von Vereinbarungen und Abkommen getroffen worden, die die Räumung der Abtretungsgebiete und die Verhältnisse in den Abstim⸗ mungè gebieten betreffen. Außerdem sind mit polnischen Vertretern eine Reihe von Abkommen getroffen worden, die die abzutretenden Gebiete betreffen. Es ist im allgemeinen nicht notwendig, daß diese Abmachungen durch die Nationalveisammlung gehen, weil sie eine Ausführung des Friedensvertrages darstellen. Ueber die Abkommen und Verträge selbst ist ein Weißbuch vorbereitet, Las diesem hohen Hause in den nächsten Tagen zugehen wir. Mit seiner Abfassung ift sofort nach der Rückkehr der Bevollmächtigten begonnen worden. Aber bei drei einzelnen Bestimmungen, die in diesen Abmachungen enthalten sind, war es nach Prüfung der zuständigen Reichsstellen doch nolwendig, sie in Gesetzesform der Nationalbersammlung vorzulegen. Die erste betrifft die östlichen Albstimmungsgebiete, in Cenen eine Reihe von Personen vorhanden sind, die teils von dort stammen, teils dort ihren Wohnsitz haben und die wegen politischer Vergehen und Veibrechen verfolgt werden. Diesen soll ermöglicht werden, an der Ab— stimmung teilzunehmen, und es soll ihnen deswegen Straffreiheit gewährt werden. Das geht vielleicht über den Friekenevertrag hinecus. Aber es emtsprichk doch dem Geiste des Vertrages. Es erscheint uns bedenklich, weil es sich in Wirklichkeit nur um ganz wenige dersonen kandelt. Diese Sache ist in Art. 1 des vorliegenden Gesetzentwurfes geregelt.
Der Art. 2 Letrifft das Abkommen über die vorläufige Regelung von Beamtenfragen, das am 9. November 1919 von der National versanimlung beschlossen worden ist. In diesem Abkommen waren ver⸗ schiedene Fristen für bie Vermäaltungsbeamten und für die Justiz— beannten festgesetzt, und zwar nach den Wünschen dieser Beamten. Für die Veiwaltungeébeamten war festgesctzt, daß sie zwei Monate drüben in Polen bleiben solllen, gerechnet von dem Ende des Monats ab, in dem der Fricdensbertrag in Kraft treten würde. Für die Justiz— boamnten war festgesetzt, daß sie am 31. Dezember Polen bereits ver— lassen könnten. Man bat Samals angenommen, daß der Friedene— vertrag frllher in Kraft treten würde. Es ist anders gekommen. Die Foltze ist, daß eine Aenderung dieses Abkommens notwendig ist.
* ist jetzt festgesetzt, E aß auch die Justizbeamten bis zum 31. März 1920
in dem polnischen Gebiet bleiben sollen. In Zukunft sind also gleiche Fristen für die Verweltungsbeamten und, für die Justizbeamten sestgelegt. —
In dem zweiten Absatz des Art. Rist emlich eine Frage geregelt, die zu regeln nogwendig war, weil sich in Paris herausgestellt hatte, daß die poküschen Vertreter keine Ratifikationsurkunden miihatten. Don soll ten die Ratiftkationsurkunden auegetauscht werden. Die Be— schaffung von Ratifikatiensurkunden hätte Zeitverlust bedeutet. Es war ein beiderseitiges Interesse vorhmnden, das Abkommen möglichst bald in Kraft treten Nu lassen. Man hat deshalb von dem Aust ausch von Retifi kationsurkunden abgesehen und festgesetzk, daß dieses Ab— kommen gleichzeitig mit dem Friedensvertvag in Kraft tritt. Dem entspricht die Ziffer 2 des Art. 2 de Gesetzentzrnurfs, den ich nach Lage der Sache niöglichst bald in allen Trei Lesungen zu verabschieden bitte.
Das Gesetz wird ohne weitere Aussprache in allen drei Lesungen angenommen. .
Vor Erledigung der Rheinlandinterpellation, zu deren Beantwortung der Reichsminister des Innern Koch sich bereit erklärt hat, tritt das Haus um 21 Ühr in eine anderthalb—
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stündige Mittagspause ein. Um 4 Uhr wird die Sitzung wieder aufgenommen.
sichern. ; .
Abg. Dr. Spahn Gentr): Der Friedensvertzag ist mit Deutschland abgeschlossen, er hat deshalb Gültigkeit für das ganze Deutsche Reich als Einheit. Ebenso ist das Uebereinkommen über die militärische Besetzung des Rheinlandes als für das Reich. geltend anzusehen und nicht bloß für die durch die Besetzung in Mitleiden— schaft gezogenen Teile des Reiches? hauptsächlich Preußen Bayern Hessen und teils auch Baden. Diese Einzelstaaten werden durch as Reich vertreten. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Reiches und der Nationaloersammlung in diesen Fragen, es muß festgehalten werden, daß die Besetzung dieser Gebiete nicht durch den Krieg er— folgt ist, fondern erst durch den Waffenstillstand bedingt! wurde, anders wäre eine Besetzung dieset Gebiete mit feindlichen Truppen nicht erfolgt. Der von den Alliierten eingesetzte Hohe Ausschuß hat 5 Verorbnungen erlassen, die, von der unrichtigen Au sfassung ans gehend, daß aus seiner Pflicht der Sorge für die Streillräfte der Rilliierten die Berechtigung zur Wahrung der öffentlichen. Ordnung, überhaupt folge, die Grenzen seiner Zuständigkeit nicht innehalten. Er hat zweifellos die Befugnis, Anord nun en zu erlassen, aber nur
Zweite Beilage zum Deutschen Reichsan
M H5.
Berlin, Montag, den 19. Januar
soweit dle Unterhaltung, Sicherheit und die Bedürfnisse der Streit kräfte der alliierten und, assoziierten Mächte bedroht sind. Nach seinen Verorgnungen greift der Ausschuß in die Gesetzgebung des Reichs und Preußens ein. Seinen Verwaltungsmaßnahmen t das
besetzte Gebiet unterstellt. Jeder, dessen Anwesenheit im besetzten Gebiet ihm gefährlich erscheint, kann ausgewiesen werden, auch
untersteht das Brief⸗, Post⸗, Telegraphen⸗ und Fernsprechgeheimnis, die freie Meinungsäußerung sowie das Vereins- und Ver sammlungs— recht seiner Kontrolle. Deutschen Beamten wird Ausweisung ange⸗ droht. Deutsche sind der ordentlichen Gerichtsbarkeit dadurch ent⸗ zogen, daß sie der Militärgerichtsbarkeit unterstellt sind. Der Aus— schuß ft. sogar berechtigt, den Kreis der Sachen zu bestimmen, die vor dem Militärgerichte oder die Tribunale des, Hohen Ausschusses ge⸗ hören, ja, selbst bei den Zivilgerichten anhängige Sachen in jeder Lage des Verfahrens diesen zu entziehen. (Hört! hört!) Wir fordern von der Reichsregierung, alle Maßnghmen zu treffen, um die Innehaltung des Rhelnlandabkommens seitens des Hohen Aus⸗ schusses zu sichern. (Beifall.)
Reichsminister des Innern Koch: Nach dem Friedens⸗ vertrag sind die Länder links vom Rhein ein besetztes Ge—
nd Umfang der Befugnisse der Besatzungs— behörden richten sich nach dem Rheinlandabkommen und sind dort umgrenzt. Wären die Ordonnanzen so, wie sis von der Rheinland kommission erlassen worden sind, Recht, so wäre das Rheinland keir besetztes Gebiet, sondern ein unterworfehes Gebiet (sehr richtig), so unterstünden die Rheinlande nicht deutscher Souveränität, sondern fremder Souveränität, so wäre die Besatzungsbehörde nicht eine Be⸗ satzungsbehörde, sondern sie wäre die oberste Vemwaltungsbehörde des Landes (sehr wahr!, und so wären endlich die Rheinlande nicht als Faustpfand hingegeben für die Erfüllung unserer Vempflichtungen, sondern sie wären eine den Frem]mden auf Gnade und Ungnade auf Zeit überlieferte Kolonie. (Sehr richtig) Die Be⸗ stimmungen des Rheinlandabkomniens geben den Fremden das Recht, jederzeit aus besonderen Gründen den Belagerungszustand über die Rheinlande zu verhängen. Wären diese Ordonnanzen Recht, so be— dürfte es der Verhängung des Belagerungszustandes in außergewöhn⸗ lichen Fällen überhaupt nicht; denn diese Ordonnanzen bedeuten den dauernden Belagerungszustand in dem Rheinlande. Lebhafte Zustimmung.)
Die Regierung hat deshalb, nachdem ihr die Absicht, diese Ordonnanzen zu erlassen, zur Keuntnis gekommen war und nachdem sie durch den Reichskommissar ihre schweren Bedenken vergeblich bei der Kommission in Koblenz zur Sprache gebracht hatte, auf diplo⸗ matischem Wege einen Protest gegen die Ordonnanzen erlassen. Sie hat in diesem Protest die Forderung erheben, daß die Ordonnanzen einer Nachprüfung unterzogen würden, und hat sich zu mündlichen Verhandlungen bereit erklärt. Die Regierung stehl bei ihrer Haltung auf e nem unanfechtbaren Rechtsboden (sehr richtig), auf dem Rechts. boden, den ihr der in feierlichster Form verkündete Friedensvertrag garantiert (lebhafte Zustimmung), auf einem Rechtsboden, den unsere Gegner, die sich uns gegenüber so oft die Hüter des Rechts genannt haben, verlassen haben. Die Regierung wird auf diesem Rechtsboden stehen bleiben, sie verharrt in ihrem Protest und kann diese Ordon⸗ nanzen als Recht nicht anerkennen. CGebhafter allseitiger Beifall.)
Worin beruht die Urquelle des Fehlers, der mit dem Erlaß dieser Ordonnanzen begangen ist? Sie bexuht darin, daß die Ordonnanzen die Rechisgrundlage mißachten, auf der sie hätten auf— gebaut werden sollen. (Sehr richtig) In dem Rheinlandabkommen. heißt es ausdrücklich, daß die Kommission das Recht hat, Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen, soweit dies für die Gewährleistung des Unterhalts, der Sicherheit und der Bedürfnisse der Besazungstruppen nötig ist. Demgegenüber zieht sich wie ein roter Faden durch die jetzt angeblich auf Grund dieses Abkommens erlassenen Ordonnamen die Begründung, daß sie zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, erforderlich seien. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Sehr richtig) Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ist Sache der deutschen Behörden. Nur was die Sicherheit einer Besatzungs⸗ armee, deren Kopfzahl in den mündlichen Besprechungen auf reichlich 70 000 Mann beziffert worden ist, zur Zeit aber noch viel größer ist, — nur was die Sicherheit dieser großen Armee gefährden könnte, geht die Besatzungsbehörde an. Es liegt auf der Hanz, daß die Ordonnanzen, wenn fie von dieser falschen Rechtsgrundlage⸗Kusgehen, sich über Ge⸗ biete erstrecken und Bestimmungen enthalten, die der deutschen Ver⸗ waltungsbehörde und der deutschen Staatehoheit hätten vorbehalten bleiben müssen. (Sehr richtig!) ;
Deshalb ergibt sich: Die Verordnungen nehmen in schr offem Widerspruch zu den vertraglichen Vereinbarungen wesentliche Teile der deutschen Staatshoheit in Anspruch, sie unter⸗ binden eine sachgemäße Ausübung der deutschen Regierunęsgewalt sseht richtigh, sie erschüttern die Sicherheit des Rechtslebens in ver— hängnisvoller Weise und beschränken die Cimwohner in der Ausübung ihrer ursprünglichen Staatsbürgerrechte. Lassen Sie mich das an den schwerwiegendsten Uebergriffen darlegen! Am empfindlichsten werden die Staatsbürgerrechte der vheinischen Bevölkerung durch die Bestimmungen berührt, die die Ausweisung betreffen. (Sehr richtigh Nach den Ordonnanzen kann jeder, dessen Anwesenheit im besetzten
btet, Inhalt u s .
Gebiete geeignet erscheint, den Unterhalt, die Bedürfnisse oder Sicher⸗
heit der Streitkräfte oder die öffentliche Ordnung zu gefährden, durch Befehl der Besatzungsbehörde aus dem besetzten Gebiete ausgewiesen werden (Zuruf: Unerhörth, d. h. es kann jeder ausgewiesen werden, den man ausweisen wil l. Cebhafte HZustimmung) Keine Unter— suchung der ihm zur Last gelegten Tat, keine Ueberführung wird ver— langt. Die Ausweisung erfolgt nicht nach Untersuchung und Urteil, sondern sie erfolgt st att Untersuchung und Urteil. (Hört, hörth Die Ausweisung ist eine Strafe für Verdacht, also eine Strafe wie sie die Rechtslehrer aller kultivierten Länder seit Jahrhunderten für verfehlt und unwürdig erachtet haben. (Lebhafte Zustimmung) Handelte es sich dabei noch um Ausweisungen aus einem fremden Lande, so möchte unser Urteil darüber milder ausfallen; aber es handelt sich ja in sast allen Fällen um die Ausweisung aus dem Lande, wo der Verdächtigte — denn es handelt sich mur um Verdächtigte — geboren ist und an dem er vielleicht mit allen Fasern seines Herzens und seiner Epistenz
zeiger und Prenßischen Staatsanzeiger.
1920.
festgeklammert ist. Seit den Zeiten des zaristischen Rußlands hat eine Bevölkerung unter einer solchen Willkür auf dem Gebiete der Ausweisung nicht zu leiden gehabt. (Sehr richtig) Jede politische Betätigung für das Deutschtum, jede persönliche Entfremdung und Auseinandersetzung mit Angehörigen der Besatzung, jede böswillige Ein⸗ flüsterung sogar kann dazu führen, daß ein Menschenschicksal zet⸗ brochen wird. (Sehr richtig h
Was von der Bevölkerung im allgemeinen gilt, gilt im besonderen auch von den Beamten. Sollten sie nach dem Rheinlandabkommen nur abberufen werden können, wenn sie wider die Verordnungen ver— stießen, so können sie nach den Ordonnanzen nicht nur abberufen, sondern auch aus rem besetzten Gebiete, vielleicht ihrer Heimat, ausgewiesen werden. Wenn ich darauf hinweise, daß in der verhältnismäßig kurzen Zeit des Waffenstillstandes mindestens 76 Beamte von den Franzosen und 12 Beamte von den Belgiern ausgewiesen worden sind (hört, hörth, während übrigens in der englischen und amerikanischen Zone nur je ein Beamter abberufen aber nicht ausgewiesen worden ist (hört, hörth. wenn ich darauf hinveise, daß sich unter den Ausgewjesenen so hewor⸗ ragende, gewissenhafte und einwandfreie Beamte befinden wie der Re⸗ gierungspräsident von Wintersstein in der Plz, wie der stellver⸗ tretende Regierungspräsident Oberregierungsrat Springorum in Wiesbaden, wie der Oberbürgermeister Glässing aus Wieshaden und der Oberbürgermeister Janke aus Höchst und dazu eine große Anzahl verdienstvoller Landräte und anderer Beamten, und wenn ich hinzufüge, daß die Gründe dieser Ausweisung fast niemals authentisch mitge te llt worden sind (hört, hörth, oder daß dort, wo sie mitgeteilt worden sind, Gründe angeführt worden sind wie bei dem Oberbürgermeister Glässing, der angeblich für die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Kohlen nicht eifrig genug gewesen ist (Tackem, woran aber die Bevölkerung selbst nicht glaubt, so wird man sich klar machen müssen, wie
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unerträglich und gefahwoll unter diesen Ordonnanzen in Zukunft die Lage für die Beamten in den besetzten
Gebieten sein wird.
Ebenso unerträglich sind die Bestimmungen über die Gerichts- ba rkeit. Während durch das Rheinlandabkommen die fremde Ge⸗ richtsbarkeit nur bei Verbrechen und Vergehen gegen, Personen odet Eigentum der Streitkräfte zugelassen ist, setzt sie nach den Ordonnanzen 5 jeder Zuwiderhandlung gegen dies⸗ ein. Während nach der in Versailles bei den Verhandlungen über das Rheinlandabkommen gegebenen Zusage Deutsche grundsätzlich nicht durch Pässe ausgerüstet und damit der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen werden sollten, ist däese Zusicherung in den Ordonnanzen mit keinem Worte festgelegt. Es besteht somit die Gefahr, daß eine solche Bestimmung dazu fühien wird, auch in Zukunft Hochverräater zu schütz en, wie ja bisher fast durchweg die Loslösungsbestrebungen begünstigt sind und die vaterländische Betätigung durch Bestrafung und Auz⸗ weisung zu erstitken versucht worden ist. Es bedeutet das aber auch die Gefahr, daß die Schieber, die sich die wirtschaftliche Zwitter— stellung der Rheinlande bisher schon zunutze gemacht haben, auch in Zukunft Schutz suchen werden, wenn sie die Reste der deutschen Volks⸗ wirtschaftskraft fortströämen lassen, nur um die eigenen Taschen zu füllen. r liegt um so näher, als in den Ordonnanzen solche Personen, die während des Waffenstillstandes unter dem Schutz der Fremden Taten begangen haben, die nach den deutschen Gesetzen strafbar sind, auf Grund der Ordonnanzen dauernde Straffrei⸗ heit genießen sollen (hört! hört — eine Bestimmung, die keinerler Grund lege in dem Rheinlandabkommen findet. (Sehr richtigh
Daß auch in Zirilsachen jedes Urteil eines deutschen Ge— richtes, auch des deutschen Reichsgerichts, das gegen eine zur Ver⸗ waltung gehörige oder ihr zugeteilte der von ihr mit einem Paß ver⸗ sehene Person ergeht, bei einem neu einzusetzenden fremden Triburskl angegriffen werden kann, bringt nicht nur eine unetrrägliche Unsicher⸗ heit ins wirtschaftliche und kulturelle Leben, sontern es ist in allen Fällen, wo an'den Streitigkeiten auch rechtsrheinische Deutsche beteiligt sind, geeignet, zu einer Unterhöblung des gesamten deutschen Rechls⸗ lebens zu führen. (Lebhafte Zustimmung.) Und nun eine Bestim⸗— mung, die uns ganz besonders schmerzlich berühren muß! Nach ben Ordonnanzen wird jede Person mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu 10 000 * oder mit einer dieser Strafchn bestraft, dern Worte, Gebärden oder Haltung chört! hörth mit Bezug auf die Mitglieder der hohen Kommission oder ihr zuge⸗ eilte Personen oder mit Bezug auf die Besatzungstruppen oder irgendein Mitglied dieser Truppen oder mit Bezug auf, die Fahne oder ein militärisches Emblem der Alliierten sich als beleidigend oder unschick⸗ lich kennzeichnet. (Lebhafte Rufe: Hört! hört) Wer also einen angetrunkenen schwarzen Soldaten belächelt, wer an einer Fahne unachtsam vorilbergeht, kann seiner Freiheit beraubt weiden. (Hört! hört! Wie dehnbar bleiben die Worle „Gebärden und Haltung“ oder gar das Wort Nnschicklich' Lebhafte Zustimmung) Es ist
. Diese Gefahr
ein unerträglicher Gedanke, Angehörige eines ftemden Volkes mitten
im Frieden als Sittenrichter darüber auftreten zu sehen, was „unschicklich“' ist? Im ganzen gengmmen bedeuten die Bestimmungen dieses Panagraphen nichts anderes als die Wiederholung eines Vor⸗ ganges, der jahrhundertelang die freiheitsdurstigen Gemüter in der Welt erregt hat, als die Wiederaufrichtung des Geßler⸗ hutes imd. Jahrhundert. (Lebhafte Zustimmung) n Den. Geist eines völligen Belagerungszustandes atmen die Bestimmungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, nach denen das Briefgeheimnis jederzeit willkürlich durch brochen werden kann, nach denen jede Zeitschrift, jede Druckschrift, jeder Film verboten, politische Versamnisungen unterdrückt werden können, und nach denen jeder Streik in den Betrieben, die die Be satzungsbehörde bezeichnet, nicht nur vorher angezeigt werden muß, sondern auch auf Grund don Entscheidungen verboten werden kann, die in letzter Instanz von einer zum großen Teil aus Fremden gebildeten Behörde getroffen werden, also Enischeidungen, die geradezu ein ge⸗ fährliches Instrument bilden können, um ein Wetilaufen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern um die Gunst der Fremden herbei⸗ zuführen. Bei den Verhandlungen in Versailles über die Ausführn
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