1920 / 79 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Apr 1920 18:00:01 GMT) scan diff

unterbinden? Hat die Entente also Frankreich nicht selbst durch das Augustabkommen anerkannt, daß der Artikel 44 nicht so verstanden werden kann, daß vielmehr eine gewisse Truppenmacht zu Polizeizwecken dort notwendig und zulässig sein kann? Und trotz dieses Zugeständnisses, das nichts anderes ist als eine sinngemäße Auslegung des Artikels 44, hat Frankreich heute den Mut, sich durch unser Vorgehen bedroht, wegen seiner geographischen Lage besonders gejährdet zu halten (Heiterkeit, obwohl die Reichsregierung an— kündigte, die ganze Aktion werde in ungefähr sieben Tagen zu Ende sein, obwohl die Kopfzahl der eingesetzten Truppen die im Abkommen genehmigte zeitweise nicht erreichte, zeitweise kaum überschritt, ob—⸗ wohl die okkupierten Rheinlande von einer alliierten Truppenmacht strotzen, der gegenüber die ungefähr 19000 Mann in der neutralen Zone einfach verschwinden. (Hört, hört! und Sehr richtig) Nein, einen formalen Verstoß haben wir begangen, als Frankreich taub blieb bei den Verzweiflungsschreien eines unersetzlichen Stückes deut- schen Landes und von uns verlangte, auf die Hilferufe unserer Lands leute ebenso taub zu bleiben. Aber wir haben, indem wir eine Be— völkerung von 5 Millionen vor Raub und vor Plünderei und noch Schlimmerem befreiten, uns keiner feindseligen Handlung gegen die Signatarmächte, keiner Störung des Weltfriedens schuldig gemacht, sondern eine höhere, vernünftigere Art der Vertragstreue bewiesen. (Sehr gut! links.) Wir haben unser Wirtschaftsleben vor dem Unter—⸗ gange bewahrt, ohne dessen Umwversehrtheit auch nicht ein einziger Artikel des Versailler Vertrages ausgeführt werden kann. (Sehr richtig! im Zentrum und bei den D. Dem) Warum will man denn nur in Frankreich nicht begreifen, daß wir eine europäische Pflicht erfüllen, wenn wir im Ruhrgebiet wieder Ruhe herstellen? (Sehr gut! bei den Mehrheitsparteien) Deutschlands Wirtschaftsleben ist abhängig von der Ruhrkohle und von der Eisenerzeugung des Duis— burger Gebiets. Zerrüttete Verhältnisse dort und die ständige Drohung der Wiederkehr solcher sind der Tod der deutschen Wirt— schaft, und dann hörte auch jede Wiedergutmachung an Frankreich auf. (Sehr richtig! bei den D. Dem.) Die Aufrechterhaltung ge⸗ ordneter Zustände im Ruhrgebiet ist und bleibt deshalb eine Lebens- frage für Deutschland und für Europa. (Sehr wahr! im Zentrum und rechts.)

Aber wir erheben gegen die französische Regierung die Anklage, ihrerseits den Vertrag von Versailles verletzt und gleichzeitig den Völkerbund vor seinem Inkrafttreten um jeden Kredit gebracht zu haben. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten und bei den Deutschen Demokraten.) Frankreich hat deutsche Städte besetzt. Die Note, die der deutschen Regierung diese Besetzung anzeigte, wurde in Paris am 6. April, früh 8 Uhr, übergeben, also drei Stunden nachdem die Be— setzung von Frankfurt und Darmstadt stattgefunden hatte. (Lebhafte Ruse: Hört! hört!) Frankreich hat deutsche Städte besetzt ohne Zu stimmung der anderen Signatarmächte, ohne irgendeinen Rückhalt da—⸗ für in den Bestimmungen des Vertrages zu haben, in direktem Wider- spruch mit der Zusicherung vom 8. Dezember 1919, dem sogenannten Schlußprotokoll, in dem ausdrücklich zugesichert wurde, daß vom Ein- tritt des Friedens ab die Folgen einer etwaigen Vertragsverletzung nur nach den allgemeinen Vorschriften des Friedensvertrages oder nach den internationalen Rechtsgrundsätzen zu sühnen seien.

Im Vertrag ist keine Bestimmung enthalten, die einer einzigen Signatarmacht auf eigene Faust das Recht gibt, einen Vormarsch in deutsches Gebiet zu unternehmen (hört! hört! bei den Sozialdemo- kraten); und im internationalen Recht, vor allem in seinem vor— nehmsten, in Versailles begründeten Gesetzbuch vom Völkerbund ist der hauptsächlichste Gesichtspunkt: keine feindselige Handlung, auch nicht gegen ein Nichtmitglied des Völkerbundes ohne vorherige Anrufung des Völkerbundsrates. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten und bei den Deutschen Demokraten.)

Wie ist die neueste Orgie des französischen Militarismus damit in Einklang zu bringen? (-Sehr richtigl bei den Deutschen Demo— kraten.) In Frankreichs Hauptstadt wurde dieses neue Völkerrecht be⸗ schlossen, das die Militärs aus den Entscheidungen über Krieg und Frieden ausschalten und aus einem Völkernebeneinander ein Völker miteinander schaffen soll und so treten es die französischen Militärs, die Ausführungsorgane der auswärtigen Politik Frankreichs, mit Füßen.

Herr Millerand hat in der Rechtfertigungsrede an seine Alliierten den Satz geschrieben:

Es war die Militärregierung von Kapp, die sie nämlich die militärische Initictive an der Ruhr ergriffen hatte, und es war die Militärpartei, die trotz der starken Einwände, die selbst im Schoße der deutschen Regierung gegen die vorgesehene Intervention erhoben wurden, darauf beharrte, daß es unmöglich sei, ohne Erhöhung der Kräfte die Ordnung im Ruhr— gebiet wieder herzustellen.

Die Reichsregierung hat heute, vier Wochen nach dem Mllitär- putsch, weniger denn je Neigung, sich eine Militärpartei gefallen, noch deren' Wünsche aufnötigen zu lassen. Sie hat der Not im Ruhrgebiet Hilfe zugesagt, ohne das Einschreiten auch nur um einen halben Tag früher zu erlauben, als es sich mit ihrem Wunsche vertrug, nicht die Arbeiterschaft zu treffen, sondern die Hyänen jenes inneren Kampfes, die Verbrecher, die sich in die Reihen der ehrlich Kämpfenden stellten, um ungestört rauben und brennen zu können.

Höchst seltsam macht sich aber der Vowmwurf, einer Militärpartei unterlegen zu sein, im Munde der französischen Regierung, die als einzige auf der ganzen Welt aus der Haft ihrer Generale nicht los— kommen kann lsehr richtig! bei den Mehrheitsparteien), die als einzige gegen den Stand vom Jahre 1914 die Erhöhung ihrer Armee statt eine Verminderung anstrebt, die anscheinend die äußere Politik sich gar nicht mehr anders denken kann, als mit Vormarsch und mit Okkupation durch Kolonialtruppen. (Sehr richtig Im Versailler Vertrag hat der französische Militarismus keine Stütze und keinen Rechtsboden. Nach der Völkerbundakte ist sein Vorgehen ein Ver— stoß gegen die elementarsten Grundsätze, eine Verhöhnung des ganzen völkerbundlichen Geistes.

Aber ich erhebe eine dritte schwerste Anklage. Die militärische Ver. gewaltigung Deutschlands ist eine Sünde an Europa, ist ein Frevel gegen das französische und gegen das deutsche Volk. (Sehr wahr! bei den Mehrheitsparteien.) In der Note, in welcher Herr Millerand sein Vor— gehen rechtfertigt, erinnert er an seine Zusage, eine Aera neuer Be⸗ ziehungen mit Deutschland auf dem Wege wirtschaftlicher Zusammen—⸗ arbeit beginnen zu wollen. Meine Damen und Herren, sind die

Sehr guth

Will Herr Millerand die deutschen Handelszentralen mit stürmender Hand erobern wie Frankfurt am Main? Eine Aera neuer Beziehungen ist unmöglich gegen den Willen, gegen das innerste Ge⸗

fühl der Völker. Die Reichsregierung war sich stets ihrer Pflicht bewußt, die Lebensnotwendigkeiten der Republik auch auf Wegen zu verfolgen, die gefühlsmäßig nicht die der großen Messen sind. Sie hat keine Gelegenheit vorübergehen lassen, ohne nüchtern, aber mit Nachdruck auf die gemeinsamen Interessen Deutschlands und Frank—⸗ reichs hinzuweisen und hinzuarbeiten. Ja, gerade bei der Ruhrgebiets— aktion hat sie sich in höchstem Maße von solchen Ueberlegungen leiten lassen, von der Erkenntnis, daß ein zerstörtes Kohlenrevier für Frank⸗ reich, den Gläubiger, mindestens so verhängnisvoll sein nürde als für Deutschland, den Schuldner.

Aber, so frage ich Sie alle, meine Damen und Herren, so frage ich jeden, der den Willen zur Wahrheit hat, was soll ein Bekenntnis zu wirtschaftlicher Zusammenarbeit in einer Note, die die Berechtigung neuer Kriegshandlungen dartun soll (sehr richtig', Kriegshandlungen, die doch nur dank der deutschen Friedfertigkeit unblutig geblieben sind! Wie kann eine Regierung ihre Volksgenossen nach diesem Waffen— stillstand, nach diesem Frieden für die wirtschaftliche Zusammenarbeit gewinnen, wenn gleichzeitig eine deutsche Stadt an die andere einem feindlichen Militarismus ausgeliefert, mit der ganzen Schwere feind—⸗ licher Kriegsmaßnahmen geschlagen wird! In solcher Stunde, bei solchen Taten ist jede Zusicherung ein Lippenbekenntnis, das falsch und unglaubwürdig mit den Tatsachen zusanmmenklingt. (Sehr richtigh) Krieg oder Frieden, ein drittes gibt es nicht, darf es nicht geben, wenn Sieger und Besiegte nicht von einem dritten Mäch⸗ tigen vernichtet werden sollen: der Anarchie.

Diese Ueberlegung, so glaube ich, hat die italienische und die eng⸗ lische Regierung zu ihrer Abwendung von dem französischen Vorgehen gebracht. Wer darin, kindlich genug, das Ende der Entente sehen wollte, der sei nur an die kürzlich stattgefundenen Schiffahrtsverhand— lungen erinnert, bei denen weder in London noch in Paris das leiseste Entgegenkommen für unsere bitalsten Interessen zu finden war. Sehr richtig!)

Nein, auf dem Boden des Vertrages werden wir die Entente noch oft geschlossen finden. Das zeigt uns auch die Frage der Be—⸗ handlung der Entwaffnung Deutschlands durch die Entente. Der Friedensbertrag konnte deshalb in diesem Punkte nicht ausgeführt werden, weil nach dem Zusammenbruch des deutschen Militarismus die Heimkehrer vielfach Waffen mit nach Haus nahmen; andere Waffen wurden in dem Trubel der Spartakuswochen verschoben und versteckt. Die deutsche Regierung hat nicht das geringste Interesse daran, daß Privatpersonen unerlaubt Waffen in ihrem Besitz haben. Die Folgen dieses Zustandes haben sich im Ruhrgebiet wieder mit Schrecken gezeigt. Wenn die Regierung aber, wie jetzt im Ruhr—⸗ gebiet, die Waffen restlos einsammeln will, wird sie in diesem Be⸗ streben durch mangelnde Bewegungsfreiheit auf Schritt und Tritt ge— hindert und soll sich nach mangelhafter Ausführung ihres Vorhabens schließlich später wieder einmal den Vorwurf gefallen lassen, daß in Deutschland noch nicht alle Waffen abgeliefert worden sind.

Auch in der Frage der Entwaffnung bestand die Entente bisher auf ihrem Scheine. Sie verlangt, daß am 10. April die Zeit freiwilligen und die Einwohnerwehren auf Grund des Friedens⸗ vertrages beseitigt sein sollen. Die Zeitfreiwilligen sind militärische Organisationen, die ein Existenzrecht nur haben, soweih sie in der zugelassenen Kopfzahl des Heeres aufgehen. Darüber ist nach dem Friedensvertrag kein Zweifel. An den Einwohner- wehren beanstandet die zur Ueberwachung der Ausführung des Friedensvertrages eingesetzte Interalliierte Militärkommission die militärische Ausrüstung. Sie sieht in ihnen die Kaders zur Er— möglichung einer unzulässigen Mobilisation. Es ist bisher kein Zeichen dafür da, daß in dieser Frage die Entente ein Entgegen—⸗ kommen zeigt. Nach ihrer ganzen Entstehung waren aber die Ein— wohnerwehren keine militärischen Formationen. Sie unterstanden auch den zivilen Autoritäten. Was hat sie in Bayern denn ins Leben gerufen? Der Kampf gegen die Rätewirtschaft, die dort eine Realität war. (Sehr richtig! bei der Bayerischen Volkspartei) Die Einwohnerwehren sollten ein für allemal die verfassungstreuen Ar— beiter, Bauern und Bürger gegen die Wiederkehr einer kommu⸗— nistischen Schreckensherrschaft dort sichern. Auf dem Lande aber haben die Einwohnerwehren die Aufgabe, die Gemeinden gegen Plünderung und Diebstahl zu schützen. Preußische Landräte aus Ueberschußkreisen, und nicht zuletzt demokratische, berichten, daß keine Kartoffel mehr nach den Großstädten kommen würde, wenn nicht des Nachts die Mieten von den Einwohnerwehren gegen Oeffnung und Diebstahl geschützt würden. (Hört, hört) Wenn die Einwohner— wehren in ihrer jetzigen Gestalt nicht zu halten sind, so muß für sie Ersatz geschaffen werden durch Orts und durch Flurschutz.

Wir werden über diese Frage der Einwohnerwehren erneut mit der Entente verhandeln. Jedenfalls stelle ich bei dieser Gelegenheit fest, daß allein der Druck der Entente die Regierung veranlaßt hat, mit den Ländern wegen Abschaffung der Einwohnerwehren und wegen Schaffung eines geeigneten Orts und Flurschutzes in Ver— bindung zu treten. Forderungen der Gewerkschaften waren für die Entscheidung der Regierung nicht maßgebend. Die Gewerkschaften hatten die Auflösung aller Einwohnerwehren auch gar nicht ge— fordert. Uebrigens ist es sehr fraglich, ob die von den Gewerk— schaften geforderten Ortswehren nach Auffassung der Ententemilitärs mit dem Friedensvertrag als verträglich erachtet würden.

Gestatten Sie mir, in diesem Zusammenhang einige Be⸗ merkungen einzuschalten über die in letzter Zeit vielfach aufgestellte Behauptung über eine Nebenregierung der Gewerkschaften. Diesc Behauptung wird hauptsächlich gestützt auf Aeußerungen der „Frei⸗ heit, also des Organs einer Partei, die es abgelehnt hat, in die Koalitionsregierung einzutreten. Dieses Blatt behauptet, daß die Regierung unter einer gewissen Aufsicht des organisierten Prole—⸗ tariats stehe. Sie schreibt:

Hier hilft es nicht, sich auf den Wortlaut der geschriebenen Ver— fassung zurückzuziehen. Die Arbeiterschaft hat sich eben eine Stel⸗ lung erkämpft, von der das Verfassungsdokument nichts weiß. Ueber ihre Nebenregierung kann nur jammern, wer, an dem Buchstaben des Staatsgrundgesetzes klebend, die in Gemeinwesen wirkenden leben⸗ digen Kräfte außer acht läßt.

Ich erkläre demgegenüber klar und deutlich, daß ich eine solche Neben⸗ regierung ablehne (Bravo! bei den Sozialdemokraten) und keine Stunde länger im Amte bleiben würde, wenn der Versuch der Etablierung einer solchen Nebenregierung gemacht würde. (Bravol bei den Mehrheits

Senegalneger die Schrittmacher dieser neuen Aera? (Kebhafte Rufe:

parteien Wenn die Gewerkschaften sich als Nebenregievung auftun

wollten, so würde ich sie einladen, die Regierung zu übernehmen. (Sehr

richtig! bei den Demokraten) Mitregieren kann nur der, der die Ver⸗ antwortung mit übernehmen will. (Sehr richtig! bei den Mehrheits—= parteien.) Ich stelle ferner fest, daß die Gewerkschaften, seit ich das Kanzleramt übernommen habe, nie den Versuch gemacht haben, mitzu⸗ regieren, ja niemals irgendwelche Forderungen ultimativen Charakters gestellt haben. (Zuruf rechts: Und die 8 Punkte?! Herr v. Graefe, über die 8 Punkte haben wir uns doch vor einigen Wochen unterhalten. Wenn die Vertreter der Gewerkschaften mir formulierte Wünsche vortragen wollten, so habe ich sie selbstverständlich, soweit es meine Zeit erlaubt, empfangen, ebenso wie die Vertreter der Industrie und die Vertreter der Beamtenorganisationen. Das ist meine Pflicht. und ich lege größten Wert darauf, die Wünsche der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft kennen zu lernen, weil ich mir voll bewußt bin, welche Bedeutung die organisierte Kraft der deutschen Arbeiter für den Wieder- aufbau der deutschen Volkswirtschaft und für die Sicherung der deut- schen Republik gegen alle Gefahren hat. (Sehr wahr! bei den Sozial⸗ demokraten.) Aber geltend machen darf sich dieser Einfluß nur auf dem Wege der Verfassung, und die Regierung muß in ihren Entschließungen frei sein. (Sehr richtig! bei den Mehrheitsparteien) Alle Kabinetts mitglieder, ganz gleich, welcher der Koalitionsparteien sie angehören, sind Anhänger der Demokratie und denken nicht daran, den Boden der Demokratie zu verlassen. ECebhafte Zustimmung bei den Mehrheits— parteien.) Die Befürchtungen, die insbesondere aus Süddeutschland wegen der Möglichkeit verfassungswidriger Nebeneinflüsse laut wurden, sind deshalb unbegründet. Süddeutschland, das die ältere demokratische Tradition vor dem Norden voraus hat, findet in seinen Sorgen volles Verständnis bei uns. Nach dem Sturz der Machtpolitiker wird das Reich eine Demokratie sein, oder es wind nicht sein. (Sehr gut! bei den Demokraten.) Wir wollen eine deutsche Demokratie inmitten der übrigen euvopäischen Demokratien.

Aber damit sich in ganz Europa die Demokratie auswirken kann, müssen die Voraussetzungen für einen dauernden Weltfrieden geschaffen werden, und dazu ist nötig, daß nach dem Wort eines italienischen Blattes endlich das Duell Frankreich-Deutschland aufhöre, daß die neue Aera wirtschaftlicher Zusammenarbeit nicht angekündigt, sondern in Angriff genommen werde. An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Die letzte, die grausamste, die fast unvergeßliche Tat Frankreichs ist die Besetzung des Maingaues. Frankfurt liegt nicht umsonst fast im Herzen Europas. Das Herz Europas ist heute getroffen. Schützenketten und Schützengräben sperren aufs neue die Völker von⸗ einander ab. Selbst die kühle Vernunft findet nur schwer den Weg von einem Volk zum anderen. Ehe Frankfurt nicht frei ist, müssen auch die schönsten Worte künftiger Gemeinsamkeit Worte bleiben. (Lebhafte Zustimmung.) Ich komme zum Schluß. Die französische Regierung hat unter dem Widerspruch der meisten Alliierten den Ein- marsch in Deutschland beschlossen. Der Vertrag gibt ihr kein Recht. Die Völkerbundsakte gibt ihr völlig unvecht. Der europäische Wiederaufbau ist aufs äußerste gefährdet. Mehr noch: während sie den militaristischen Einflüssen erlegen ist, hat sie durch ihr Vorgehen in Deutschland wieder eine ungeheure Aufputschung aller nationalistischen Instinkte ausgelöst, sie hat durch die Brutalität ihres Militarismus dem eben niedergeworfenen deutschen Militarismus neue Nahrung zugeführt. (Sehr wahrl bei den Soz. und den D. Dem) Es bleibt aber dabei: die Chauvinisten aller Länder leisten einander die treueste / Bundesgenossenschaft. Eobhafte Zustimmung bei den Mehrheits-

parteien.) Sieht man denn in Frankreich diese Zusammenhänge nicht Sieht man nicht die Gefährdung der Republik, die in jeder solcher Vergewaltigung enthalten ist? Will man denn dort, daß in Deutsch—⸗ land die Nationalisten neuen Mut fassen, um endlich gar Oberwasser zu bekommen und mit einem zweiten Lüttwitz unter Eid, 1nd Ver— fassungsbruch das Reich endgültig ins Verderben zu reiten? Wir wollen nicht mitschuldig sein an solchen versteckten Zerstückelungs⸗ bestrebungen. Wir kämpfen, solange wir die Kraft haben, gegen den fremden ebenso wie gegen den einheimischen Chauvinismus, weil wir in beiden Bundesgenossen und die Totengräber der Deutschen Republik sehen. (Sehr gut! bei den Soz.) Kapp oder Foch, wir erlauben dem Militarismus keine Rückkehr in die Regelung der Völker⸗ beziehungen. (Sehr guth Wir bekennen uns mit aller Feierlichkeit zu der Idee des Völkerbundes gerade in dem Augenblick, wo das Gesetz des Völkerbundes mit Füßen getreten wird. (Sehr guth

Meine Damen und Herren! Die militärischen Aktionen nördlich der Ruhr gehen ihrem Ende entgegen. Alle Truppen, die entbehrlich werden, werden sofort außerhalb der neutralen Zone gelegt werden. Zum Abtransport einiger Batterien ist bereits der Befehl gegeben worden. Ueber die Verlängerung des Augustabkommens des vorigen Jahres bis zum 10. Juli stehen wir mit den alliierten Regierungen in Verhandlungen. Die Okkupation des Maingaus wird also in Bälde ihr Ende erreichen. Wir hoffen, daß sie die letzte noch einmal hochgeworfane Welle aus dem fernen Blutmeer des Krieges war. Für uns aber bleibt es in der inneren und in der äußeren Politik für unsere Beziehungen zu allen Ländern bei dem Bekenntnis: Abkehr von allen Kriegsanschauungen und allen Kriegsmitteln! Cebhaftes Brabol bei den Soz.)

In Uebereinstimmung mit einem Beschluß des Aeltesten— rats schlägt der ꝓräsident vor, die Besprechung der Re⸗ gierungserklärung auf morgen zu vertagen, ebenso aber auch die übrigen aus der Tagesordnung stehenden Gegenstände: Berichte des Autzschusses für Wohnungswesen und zweite Lesung des Filmzen urgesetzentwurfs.

Dem Gegenvorschlag des Abg. Schultz-BGromberg Ideutsch⸗nat., heute noch in die jachliche Beratung der übrigen Tagezordnungsgegenstände einzutreten, da min jede Gelegen— heit benutzen müsse, um die Fülle des der Erled gung harren en Beratungsstoffs bis zum 24. April zu bewältigen widerspricht Abg. v. Bayer (Dem.), der die Erklärung des Kanzleis und die Gegenerklärungen der Parteien nicht durch die Erörterung mehr oder minder gleichgültiger Themata unterbrochen wife e n Antrag Schultz st Für den Antrag Schultz stimmen nur die beid ĩ der Rechten, es bleibt hei ö Vorsch lage des ,

Schluß nach 4/ Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 1L Uhr pünttlich. (Anfragen; Besprechung der Erklärung der Reichsregierung; erste Lesungen der Ergänzung zum Notetat , werd i e l e.

890 3 P 2 . tleinere Vorlagen; Rest der heutigen

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, .

Zweite Beilage

zum Deutschen Neichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger.

M 79

Berlin. Donnerstag, den 15 April

1824.

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= ——

Nichtamtliches. (Fortsetzung aus der Ersten Beilage.) Deutsche Nationalversammlung. 160. Sitzung vom 13. April 1920, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.) “)

Auf der Tagesordnung stehen zunächst 40 Anfragen. Auf eine Anfrage des Abg. Kunert (U. Soz.) über die Finanzierung der Flucht Marlohs erklärt ein Vertreter der Regierung, Major Weger stehe in keinem mili— tärischen Verhältnis, die Angelegenheit sei daher dem Reichs— justizministerium übergeben worden. Die Erhebungen seien noch nicht zum Abschluß gekommen.

Abg. D. Mumm (D. V.) beschwert sich über die Ein⸗ schränkungen der Versammlungsfreiheit, durch die es der Deutschnationalen Volkspartei in Wesel unmöglich gemacht worden sei, eine Versammlung abzuhalten. Dadurch werde den nicht zur Regierungsmehrheit gehörenden Parteien der Wahl— kampf unmöglich gemacht.

Ein Vertreter des Reichs wehrministeriums begründet die Maßnahmen mit dem Interesse der öffentlichen Sicherhest, durch das das Versammlungsrecht sowohl nach links wie tach rechts in den Orten habe eingeschränkt werden müssen, in denen der Ausnahmezustand bestehe.

Auf eine weitere Frage des Abg. D. Mumm erklärt Unterstaatssekretär Schulzr

R , , ,, trägen auf kauf⸗ oder mietweise Ueberlassung von reichseigenen,

1919 darauf, daß in den Volksschulen von der 7. Klasse ab und in den höheren Schulen bis zur Quarta einschließlich biblischer Geshichts— unterricht erteilt wurde. Außerdem fanden in diesen Schulen Morgen⸗ andachten statt. Beides ist nach dem neuen Landesrecht Bremens ab⸗ chafft worden. Dieser Zustand steht nicht ganz in Einklang mit dem inn der Reichsverfassung. Die Reichsregierung hält, übrigens im Eiwernehmen mit dem Senat in Bremen, die Aufrechterhaltung der in rage kommenden landesrechtlichen Vorschriften nur dann für zu⸗ aässig, wenn zugleich auf Erziehungsberechtigte, die Religionsunter⸗ richt wünschen, etwa durch fakultativen Religionsunterricht oder durch Wiederherstellung des früheren Zustandes Rücksicht genommen wird. Auf eine Anfrage des Abg. Deglerk (D. Nat.), be⸗ keffend die Weiterverwendung der bisherigen Lehrer an den Unteroffizierschulen, erklärt ein Vertreter des Reichs wehrministerium s, daß diese Frage, die gemeinschaft⸗ lich mit dem Reichsministerium des Innern und dem preußi⸗ en Kultusministerium bearbeitet werde, noch nicht zum Ab⸗ luß gekommen sei.

Soweit eine Unterbringung der Lehr⸗

personen jetzt noch nicht möglich sei, seien die Lehrer einstweilen

in den Ruhestand gesetzt worden, die Gehaltszahlung höre erst mit Ende Juni auf, es stehe aber zu erwarten, daß bis zum Herbst eine anderweitige Unterbringung der Lehrer zwecks Unterrichterteilung im Heere möglich sein werde.

Auf eine Anfrage des Abg. D. Mumm wegen des Religionsunterrichts an Hamburger Schulen erklärt Unter⸗ staatssekretär Schulz:

Durch Verordnung des A. und S. Rates vom 10. November 1918 ift der Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen Hamburgs vom 1. Januar 1919 ab fortgefallen, während die nichtöffentlichen Schulen durch das Verbot nicht berührt werden. Die nach Inkrafttreten des Gesetzes über die vorläufige Staatsgewalt vom 26. März 1919 ge⸗ wählle Bürgerschaft hat diese Verordnung am 10. März 1920 be⸗ stätzat n Fallg die zweite Lesung dieses Beschlusses dasselbe Ergebnis hat; wätde in Hamburg nach verfassungsmäßig zustande gekommenem

andesrecht Religionsunterricht an öffentlichen Schulen nicht erteilt werden. Wegen der sich dann ergebenden Beurteilung der Rechtslage durch die Reichsregierung wird auf die Beantwortung der Anfrage be— treffend den Religlonsunterricht in Bremen Bezug genommen.

In der Beantwortung weiterer Anfragen erklärt die Re⸗ gierung unter anderem:

Es wird ein Reichskommissar mit weitgehenden Voll— machten nach Sachsen⸗-Gotha entsandt werden, der ingbe= sondere auch die dortigen Schulverhältnisse prüfen und Miß— ständen abhelfen soll. . .

Gegen die Maßnahmen der Polen gegen die in Posen und Westpreußen ansässigen Deutschen, um sie zur Ab⸗ wanderung zu veranlassen, hat die Regierung dauernd Gegen— vorstellungen erhoben, in besonderen Fällen scharfen Protest ein⸗ gelegt und Entschädigungen gefordert; auf Repressalien hat die Reglerung aus politischen Erwägungen bisher noch verzichtet, sie hofft, im Wege der Verhandlungen zum Ziele zu gelangen. Zahtreiche Kinder deutscher Nationalität entbehren jetzt in Polen einer geregelten Beschulung; die Bemühungen, zu einem deutsch-polnischen Staatsvertrage hierüber zu kommen, waren bisher erfolglos, werden aber fortgesetzt.

Die Nachricht von der Teilnahme französischer Vertreter der Ententekommission an einer am Y. Februar in Marien⸗ werder abgehaltenen polnischen Volksversammlung ist frei erfunden; sie ist bereits vom Grafen Cherisy ausdrücklich dementiert worden. . .

Das Reichsfinanzministerium hatz sich damit einnerstanden erklärf, daß ohne Rücksicht darauf, ob die neue Be soldungs⸗ ordnung zum 1. April verabschiedet werde oder nicht, den Reichsbeamten, Offizieren, Heeresbeamten und Gehalt. be— ziehenden Unteroffizieren zum 1. April neben ihrem Gehalt die für die Zeit vom 1. Januar bis Ende März bewilligten erhöhten Teuerun gs. und Kinderzulagen welter gezahlt werden unter späterer Anrechnung auf die neuen Bezüge, Auch die Beamten

und Offiziere im Ruhestande und ihre Hinterbliebenen sollen

j öhten Kriegsbeihilfen weiter erhalten. . ö. . Beschwerden über Mißstände im Festungsgefängnis zu Spandau ist eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen: eins westgehende Verlausung ist jedoch nicht vorhanden es wird für Abhilfe gesorgt, neue Wäsche wird demnächst zur Ausgabe gelangen.

Die hohen Preise für Nähgarn erklären sich aus der

Verteuerung der Rohbaumwolle und aus der Steigerung des k Ein Pesten Baumwolle, der im Frieden 30 000 Mart kostete, erfordert heute 2 bis Millionen

) Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister, die im Worßtlau te wiedergegeben werden

Mark. Um einer wucherischen Ausbeutung der Verbraucher zu begegnen, werden die Preise im Kleinhandel überwacht.

eines polnischen Vorstoßes gegen Tirschtiegel erwidert der Regierungsvertreter, daß die Reichsregierung die

von ihr gef. Sicherheiten für n, hält, um einen 8

etwaigen Versuch, dem Reiche den letzten Rest Posens zu ent⸗ reißen, in jedem Fall zu verhindern.

Ueber die Unterbringung deutscher Seeleute, die durch die Abgabe der deulschen Handelsschiffe brotlos geworden sind, in anderen Berufen gibt auf Anfrage von deutschnationaler Seite . Wesstg eine eingehende Auskunft, wonach die Ueber gefördert werde. In Hamburg ist eine Hauptberatungs- und Vermittelungsstelle für erwerbslose Seeleute auf. Reichskosten

errichtet. In der Erntezeit war reichlich Arbeitsgelegenheit geboten. Auch im Bergbau werden Seeleute untergebracht

werden können, sobald Wohnungen bereitstehen.

arme gequälte Seele. Und in diesen Vorfrühling unseres Wirtschafts⸗

lebens platzte nun wie ein Hagelschlag der Puisch des Kapp hinein.

eitung der Seeleute in andere Berufe in jeder Weise die Hinterbliebenen der

Neuerdings

haben erwerbslose Seeleute als Kaiarbeiter in Hamburg Arbeit gefunden. Die Unterbringung von Seeleuten in der Industrie

sst wegen des Kohlenmangels schwierig. Bei der Wiederaufbau⸗ arbeit in Belgien und Nordfrankreich werden gleichfalls See⸗ leute Arbeit finden. Die Unterbringung der seemännischen und technischen Schiffsoffiziere ist besonders schwierig, aber über ihre Verwendung in staatlichen Betrieben wird mit den Reichs⸗ ministerien, den Regierungen der Länder und anderen Stellen

verhandelt. Fast alle Ressorts haben die Förderung dieser An⸗ elegenheit nach Möglichkeit zugesagt, ebenso die Senate von k und Lübeck. Der Reichsschatzminister ist bereit, An⸗

zur Kleinschiffahrt geeigneten Schiffen an Kapitäne und Schiffs⸗

offiziere tunlichst zu entsprechen. Eine Entschädigung der

erwerbslos gewordenen Seeleute auf gesetzlicher Grundlage ist

nicht möglich, aber es schweben Erörterungen, ob nicht von den Reedern den Seeleuten eine einmalige Geldzuwendung gewährt

Auf gif aer von deusschnationaler Seite wegen der Gefahr Von da aus datiert zlles Umnheis.

Es kann nicht oft und scharf genug die Blutschuld der offenen und heimlichen Kappisten an dem, was wir erlebt haben, heworgehoben werden, Es kann auch nicht scharf genug heworgehoben werden, daß wir alle, die wir hier noch sitzen, es der kräftigen, mutvollen Abwehr der Arbeiterschaft zu verdanken haben, die sich im gewaltigen Kampf des Generalstreiks gegen die Putschisten erhob. Ohne die Arbeiterschaft säße hier nicht das deutsche Reichs⸗ parlament, sondern ein Parlament don Kaypisten. Darum Achtung bor den Verfassungskämpfern, die Blut und Gut darangesetzt haben, die Demokratie zu schltzen. Das Reich hat die Verpflichtung, für die Hinterbliebenen dieser Verfassungskämpfer nach Möglichkeit zu sorgen. Es entspricht vollkommen der Empfindung der breiten Masse, wenn ich sage: Aus dem beschlagnahmten Vermögen der Kappisten sollen Verfassungskämpfer ausreichend versorgt

werden. Viele Hunderte Menschenleben sind vernichtet worden. Unsere Trauer umfaßt alle Menschen, die ihr Leben haben lassen müssen, ob sie der Reichswehr, der Bürgerschaft oder der Arbeiterschaft angehören. Wir haben in unmittelbarer Nähe das entsetzliche Schauspiel des

1

Bürgerkrieges erlebt; wir haben gesehen, wie die Bestie im Menschen

festen Ueberzeugung in Essen auf, dem Boden der Verfassung stand, durch unglückseliges Mißberständnis und durch das Mißtrauen, das

sto⸗

Man muß dagegen protestieren, daß es Spartakiste Es ist nicht wahr, daß es sich von Anfan

hat. Wir hätten vollkommen die Macht gehabt, Samy mit samt seinen Gesellen vollständig zu Boden zu schlagen. Ich bedaure daher von meinem persönlichen Standpunkt aus ganz besond

in der

außer dem Blutvergießen auch eine erbitterte Stimmung in der Bebölkerung erzeugt worden ist, die lange anhalten wird. Es ist nicht

werden kann auf Grund von Richtlinien, die zwischen dem

Aktionsausschuß der seemännischen Berufsverbände und dem Zentralverein deutscher Reeder vereinbart werden sollen. . Auf Anfrage aus dem Zentrum, die sich gegen die Häuser⸗ verkäufe an ausländische Kapitalisten wendet, erklärt Geheimrat Wessig, daß der vom Reichswirtschaftsministerium aus—⸗ gearbeitele Entwurf einer Verordnung über die Regelung des Grundstücksverkehrs eine Handhabe gegen diese Mißstände bietet, insbesondere gegen die Kapitalflucht auf diesem Wege; da der Friedensvertrag aber ein Verbot des Verkaufs deutschen Grundbesitzes an Ausländer nicht gestatte, verbiete sich ein Einschreiten gegen diejenigen Immobiliengeschäfte, die solche Verkäufe unterstützen. Auf eine Frage von Zentrumsseite wegen Belassung der Leihpferde der Militärverwaltung in der Landwirtschaft gibt ein Vertreter des Reichs wehrministerium s eine zusagende Antwort, kann jedoch eine käufliche Ueberlassung der Leihpferde nicht in Aussicht stellen. . Da die für die Beantwortung von Fragen nach der Geschäftsordnung zulässige Stunde abgelaufen ist, wird die Erledigung der noch ausstehenden zehn Anfragen auf die Frei⸗ tagssitzung verschoben. Das Haus tritt ein in die gestrigen Erklärung der

Besprechung der Reichsregierung.

Mit der Besprechung verbunden wird die erste Lesung der

Ergänzung zum Reichsgesetze, betreffend die vorläufige Regelung des Reichshaushalts für 122.

Abg. v. Payer (Dem ): Die Deutschdemokratische Frattion kann sich mit den Ausführungen des Reichskanzlers im wesentlichen ein verstanden erklären. Wir schließen uns dem scharfen Protest gegen die Vergewaltigung des Maingaues durch die Franzosen an, die in frevelhafter Lelchtfertigkeit den Frieden gebrochen und neues Blut⸗ vergleßen über die dez Krieges müde Welt gebracht haben. Wir verstehen es, daß die Regierung, ehe sie die Reichswehr in das im Aufftand befindliche Ruhrgebiet einrücken ließ, vorher alles versucht hat, den Kampf Deutscher gegen Deutsche zu vermeiden. Wir sind aber auch damst einverstanden, daß sie, nachdem das militärische Ein greifen nicht zu vermeiden war, zur Aufrechterhaltung der Drdnung und zum Schutz der frichlichen arbeitsamen Bevölkerung mit fester Hand zugegriffen hat gegenüber den Elementen, die politische und sözigle Forderungen als Deckmantel für gemeine Verbrechen benutzten. (Sehr richtig) Unserer Reichswehr, die, aus allen deutschen Ländern vereint, im Ruhrgebiet die Ordnung erkämpft, danken wir für, die Aufopferung und Tapferkeit, mit der sie sich für das Wohl des Reiches einsetzt (Beifall), und für die Selbstbeherrschung, deren sie bedarf, um sich das Vertrauen ihrer Volksgenossen zu erhalten. Wir bedauern die, die ihr Leben ihrer Pflichttreue geopfert haben. Wir sind mit dem Reichskanzler darin einversanden, daß dig Einrichtungen zum Schutz der Einwohner nach allen Richtungen den Bestimmungen des Friedens. vertrages anzupassen sind, damit nicht Leib und Leben, Hab und Gut der Bürger schutzlos dem Zugriff wilder Horden preisgegeben werden. (Beifall; Wir begrüßen die Enischiedenheit, mit der der Reichs Fanzler das Eingreifen jeder Arl von Nebenregierung zurückge wiesen hat. (Beifall) Er hat damit selbst die Grenze festgelegl, die für uns als Demokraten maßgebend sein muß gegenüber jeder Regierung, der wär angehören sollen. (Qebhafter Beifall b. d. Dem.)

Abg. Hue (Soz): Auch wir können uns im wesentlichen mit den Aeu ang! des Reichskanzkers einderstanden erklären. Es entspricht . dem Empfinden des Volkes, in erster Linie des arbeitenden Volkes, wenn niemals verfäumk wird, bei der Erörterung der hinter uns liegemen schrecklichen Wochen hervorzuheben, ö ganze Elend, das win durchgemacht haben, die Schuld der Kappltute gewesen ist. (Widerspruch rechts) Es wird jetzt schon von der Presse Rechten versucht, Herrn Kapp und seine Freunde langsam in der Versenkung verschwinden zu laffen, als ob all das Unglück nur ein Werk des Spartakismus und Bolschewismus wäre, Gegen eine solche Geschichts. fälsckung, die recht emfig am Werk ist, und zwar nicht nur in der rechtsparteilichen Presse, haben wir uns mit aller Entschiedenheit zu wehren. Wir walen auf einem erfreulichen, Wege des wirtschaftlichen Aufschwungs, wir hatten es mit großer Mühe und Selbstaufopferung sertiggebracht, die halbverhungerten verarmten Bergleute zur Aner⸗ kennung der Notwendigkeiten des Wirt char olebens zu bewegen; wir waren so weil gekommen, daß fie die Erfüllung ihrer Forderung auf Sechsstundenschicht vertagten und trotz ihrer miserablen Ernährung berest waren, Ueberstunden zu machen. Wir waren dazu gekommen, die Kohlenförderung im Ruhrgebiet auf über 300 0900 Tonnen zu steigern. Die Eisenbahn' war in der Lage, täglich sckon 22 his 25 G0 Wagen

stellen, auch die Eifenbahner haßten sich berzit, erklärt, im Notfalle

leberschichten zu machen. Es ging ein Frühlingshoffen durch die

zu bestreiten, daß es vielleicht nicht zu einem Waffenkampf gekommen

wäre, wenn von Anfang an unzweideutig die militärischen Führer sich offen und klar auf den Boden der Reichsverfassung gestellt hätten. (Sehr richtig) Wäre das der Fall gewesen, dann wäre das Miß trauen gegen die Reichswehr in weiten Kreisen der Arbeiterschaft nicht so verstärkt worden, daß es sich Luft machte durch Kampf mit Waffen. Dieses unkluge Verhalten der militärischen Fühner hut zur Entfachung des furor teutonicus wesentlich mit beigetragen. Es wäre nicht zum Kampf gekommen, wenn der Korpsführer wenigstens dafür gesorgt hätte daß man nicht mit schwarzweißroten Fahnen und hurrqwatriolischen Liedern in das Gebiet eingerückt wäre. Wären nicht die irreführenden Nachrichten von W. T. B. verbrejtet worden, hätten wir am Montag oder Dienstag im Ruhrgebiet klar gewußt, Kapy ist erledigt, niemals wäre es so weit gekommen. Als man al zu den Waffen gegriffen hatte, mußte sich der militaristische Nausch ausleben und austoben. Es ist wesentlich das Veidienst des Reichs kommissars, des jetzigen Ministers Severing., daß das Bielefelder Abkommen zusta 5 das dem Blutvergießen Ginhalt tun sollte. Das Abkommen wurde sofort in den alten sozlaldemokratischen Bezirken südlich der Ruhr, im Wuppertal und in den bergischen Landen aner⸗ kannt, ebenso auch von den unabhängigen Sozialdemokraten; und es wäre auch sofort zum Abbruch der Kämpfe gekommen, wenn nicht die Bewegung neue Nahrung erhalten hätte durch die wilde Nach⸗ richtenmache, aus der heworgehen sollte, daß in einem bedeutenden Teil des Reiches die Kappisten die Oberhand hätten. Diese wilde Nachrichtenmache, nicht zuletzt auch vom W. T. B., wirkte namentlich in Wildwest, in jenem Gebiet nordwestlich der Ruhr am Niederrhein, wo die Großindustrie seit Jahrzehnten eine bunte Mischung von Ausbeutungsabjekten aus aller Herren Länder zusammen— gebracht hat, Elemente, die die Kerntruppen der Gelben bilden, die bei großen Streiks den Arbeitern als Streikbrecher in den Rücken fallen. Hier glitten denn auch alsbald den Führern der U. Soz. und der

Kommunisten die Zügel aus der Hand. Es ist das Verhängnis der

Unabhängigen Sozialdemokratie, daf sie unsere Warnungen nicht ge⸗ hört und nicht beachtet hat. Diese desparaten Elemente dachten nicht an Kampf für die Reichsverfassung, sie verstehen auch nichts von Bol⸗ schewismus und Kommunismus sie dachten blotz an die Gelegenheit, mit der Waffe in der Hand sich zu bereichern, daz haben auch die Organe der Unabhängigen, die „Hagener Volksstimme“ und die „Elber⸗ felder Volkstribüne“, zugegeben; die letztere spricht ganz unzweideutig aus, daß es sich hier nickt um ein klassenbewußtes Proletariat, sondern um disgiplinlose, auf eigene Faust arbeitende Horden, um „Früchte gelber Erziehung“ handelt. Der Diktator von Duisburg, ein Ver⸗ brecher erster Sorte, war Führer der Gelben. In den Tagen dieses Schreckens, wo jede Autorität verloren gegangen war, die ganze Be⸗ völkerung sich der Willkür und Rachsucht dieser Banden ausgeliefert sah, war der Einmarsch der Reichswehr eine Notwendigkeit; er wurde nicht etwa von Mehrheitssozialisten und Bürgerlichen, sondern auch von U. Soz. und den Kommunisten durch Depeschen über Depeschen an Severin] verlangt, damit die Bevölkerung vor dem Raubgesindel eschützt werde. Der Einmarsch mußte erfolgen, damit diesen Ver⸗ . das Handwerk gelegt wurde. Praktisch bedeutet der gleich- zeitige Einmarsch der Franzosen eine Unterstützung jenes Gesindels, das uns im Ruhrgebiet wochenlang in Angst und Schrecken gesetzt hat. Nebrigens sehen wir ja auch in Oberschlesien den französischen Misi⸗ tarismus seine Befreiermission auf eigene Art bewähren. Er duldet keine Betriebsratswahlen, er unterdrückt die gewerkschaftlichen Rechte, er duldet nicht, daß die Beamten und Richter ihre Pflicht tun. Ange—⸗ sichts dieses Vorgehens kann in der dortigen Bevölkerung jeden Tag der Generalstreik ausbrechen. Bei den Betriebsratswahlen, soweit sie stattfinden konnten, haben sich große Majoritäten für die Deutschen er hoben, und das war wahrscheinlich für die Ententevertreter das Signal. diese Wahlen zu unterdrücken, damit nicht die Stimmung für Deutsch= land noch weiter gestärkt wurde. Ein Skandal ist es und muß ver der breitesten Oeffentlichkeit gebrandmarkt werden, daß man in Ober. schlesien sogar wagt, den offiziellen Volksvertretern die Ausübung des Mandats zu verwehren und sie eventuell mit Ausweisung bedroht, Wenn wir vor Wochen und Mongten fürchteten, daß in Oberschlesien die deutschfeindliche Stimmung Oberhand gewinnen könnte, so dürfen wir heute hoffen, daß dieses Vorgehen. der „Franzosenbefreier“ dafür sorgen wird, daß Oberschblesien deulsch bleibt. Tebhafter Beifall) Im Ruhr

biet hat die Regierung das äußerste aufgeboten, um den Einmarsch der Reichswehr nicht notwendig zu machen. Aher schließlich herrscht dort die Anarchie; jeder Abschnittskommandeur handelte nach eigenem Ermessen und kümmerte sich nicht mehr um Vollzugsräte oder um den Jentralrat. Wir haben Todesurteile ausgestellt gesehen auch gegen Ünabhängige; die mußten flüchten vor den Horden, Nie sich als Befreier des Volkes ausgaben. Kurz, es ging zu wie im Kriege. Die Nach- richten darüber, wie weit die Bielefelder und Münsterer Abmachungen

beim Einrücken der Reichswehr eingehalten worden sind, sind sehr wider.

sprechend; andererseits steht aber auch fest, daß noch am Ostersonnabend Rotgardisten gegen die Befehle der Führer und des Zentralrats an. griffsweise vorgegangen sind; die Fronten hatten sich ineinander ver—=

Mn.