1920 / 79 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Apr 1920 18:00:01 GMT) scan diff

* rechts. Glocke des Präsidenten) Ich habe niemals Anspruch darauf gemacht, mir Ihr (nach rechte Vertrauen zu emweiben; Sie haben mir Ihr Vertrauen ja auch nicht votiert, als darüber abgestimmt wurde. (Zurufe und Unruhe rechts.)

Herr Dr. Most hat ferner danach gefragt, was die Reichsregierung täte, um das Ruhrgebiet wirklich zu beruhigen. Da muß ich sagen: die Reichsregierung wird alles tun, was in ihrer Hand steht, um das Ruhrgebiet wieder zu beruhigen. Mit den Mitteln, mit denen man früher gearbeitet hat, ist das allerdings heute nicht möglich; das werden Sie selbst einsehen, Herr Abgeordneter Most. Mit Lüttwitz, der den Reichspräsidenten dazu aufgefordert hat, den Revanchekrieg vorzubereiten und die Abrüstung nicht weiter fortzusetzen, und nach der Methode derjenigen Leute, die dadurch, daß sie am 13. März die Reichswehr in ihr Verbrechen hineinzogen, dieses einzige Instrument unserer Sicherheit zerschlagen haben, nach dieser Methode können wir allerdings nicht arbeiten. (Zuruf rechts.) Ja, gewiß, Herr Beuer⸗ mann, diejenigen, die die Reichswehr für ihre verbrecherischen Pläne mißbrauchten (sehr richtig! bei der Deutschne Volkspartei) und damit die Disziplin und Gesinnung der Reichswehr zertrümmert haben

(sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei) ich freue mich Ihrer Zustimmung Surufe von der Deutschen Volkspartei Glocke des Präsidenten).

Diese Leute sind dafür verantwortlich, wenn wir jetzt nicht mit der Ruhe und Selbstverständlichkeit die Reichswehr überall da ein— setzen können, wo es an und für sich vielleicht geboten wäre. Wir wollen mit der Einsetzung der Reichswehr Ruhe und Ordnung her— stellen, das ist der Zweck, und wir haben das jetzt doch auch schon scweit erreicht. (Widerspruch rechts) Sie können sich darauf ver— lassen, daß die Reichsregierung in der Beziehung so handelm wird, wie sie die Verantwortung vor dem Volke und vor ihrem eigenen Gewissen hat.

Was die Waffenablieferung anlangt, so wird mit den schärfsten Strafen, und Maßnahmen darauf gedrungen, daß die Waffen restlos abgeliefert werden. Was die übrigen militärischen Fragen betrifft, insbesondere auch die Frage nach der inneren Situation in der Reichs— wehr, so möchte ich die Beantwortung dem zuständigen Herrn Minister überlassen, der leider durch berufliche Inanspruchnahme heute ver— hindert ist. Aber auf eins möchte ich hinweisen. Heute morgen ist im Tag“ eine große Mitteilung seines Korrespondenten aus Duisburg enthalten unter der fettgedruckten Ueberschrift: „Auflehnung der süd— keutschen Truppen, Mißtrauen gegen die Reichsregierung“. (Zurufe rechts) Warten Sie nur ab. In diesem Bexicht ist behauptet, daß die bayerischen Truppen eine Deputation nach Berlin geschickt hätten, und daß diese Deputation, die nicht aus Offizieren, sondern nur aus Mannschaften bestanden hätte, nicht empfangen worden fei. Es heißt weiter in dem Bericht, daß die Truppen erklärt hätten, sie würden in Zukunft keine Kampfhandlung mehr übernehmen, und es heißt weiter, die Erregung der bayerischen Truppen habe heute schon auf andere Truppénkörper übergegriffen. (Zurufe rechts: Alles schon richtiggestellt! Der Herr Reichswehrminister hat schon richtiggestellt, daß es sich hier um einen nach jeder Richtung vollständig erfundenen und erlogenen Bericht handelt. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Wenn ich hier nochmals darauf eingehe, geschieht es nur, weil ich die ganze Oeffentlichkeit und namentlich diejenige Presse, die es angeht, darauf hinweisen möchte, welche ungeheure Verantwortung sie damit auf sich laden, daß sie kritiklos derartige Berichte in dieser Art in die Spalten ihrer Zeitungen aufnehmen. Sie können sich nicht wundern, wenn auf diese Weise systematisch jede Möglichkeit der Wieder— herstellung von Ordnung und Disziplin in unsexer Reichswehr unter— graben wird. Hier spielt natürlich noch der Nebenzweck mit, daß man mit deutlich erkennbarer Absicht Süddeutschland gegen Norddeutsch— land mobil machen und damit die partikularistischen Treibereien stärken will. (Zurufe rechts.)

Was die Frage nach dem Stande unserer Ernährung betrifft, so möchte ich die Antwort darauf dem Herrn Reichsernährungsminister vorbehalten. (Glocke des Präsidenten.)

Ich bin noch gefragt worden nach der Hilfsaktion zugunsten der Geschädigten. Die Regierung wird natürlich Maßregeln erwägen, ob und in welchem Umfange eine derartige Hilfsaktion möglich ist, und alle Parteien werden sich wohl darin einig sein, daß wir in der Sorge für diejenigen, die in unverschuldete Not und Bedrängnis geraten sind, einig sind, zu helfen, soweit es irgend möglich ist.

Hierauf wird nach v8 Uhr die Fortsetzung der Beratung und dle Erledigung der übrigen Tagesordnung auf Mittwoch, 1 Uhr, vertagt.

161. Sitzung vom 14. April 1920, Mittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichlenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.) )

Präsident Fehrenbach gibt bekannt, daß das Aus— wärtige Amt energischen Einspruch gegen das Vorgehen des Generals Lerond in Oberschlesien und gegen die ober⸗ schlesischen Abgeordneten erhoben hat, daß die Verhandlungen zwischen dem Fürsten Hatzfeld und dem General Lerond ergebnislos geblieben sind, und daß der interalliierten, Dele⸗ gation eine Protestnote übergeben worden ist.

Das Haus setzt die Besprechung der Erklärung der Reichs⸗ regierung fort.

Abg. Braß .. Soz): Der Reichskanzler ist am Montag gegen rden französischen Militarismus zu Felde gezogen. Er hat dabei völlig wergessen, daß im eigenen Lager der Militarismus nicht nur nicht niedergebrochen ist, sondern nach wie vor seine Macht ausübt. Es hat auch nicht der Brutalität des französischen Militarismus bedurft, um der deutschen Militärkamarilla neue Nahrung zuzuführen, sondern dieser deutsche Militarismus ist von der Koalitionsregierung so gut genährt women, daß er es vor kurzem wagen konnte, seine Nährmutter bon Haus und Hof zu vertreiben. Die Arbeiterschaft ist es, die die Regierung gerettet hat. Mit Bedauern habe ich in der Rede des Reichskanzlers in, Wort des Dankes an die Helden vermißt, welche zu Hunderten in diesem Kampfe gegen die Reaktion ihr Leben gelassen haben. Im Interesse der Wahrheit muß festgestellt werden, daß diese Kämpfe durch dig reaktionäre Erhebung der Militaristen und Mon⸗ archisten verursacht worden sind, und daß es ein aufgelegter Schwindel ist, von einem durch die kommunistischen Drahtzieher seit langem worbe⸗ reiteten Putsch zu reden. Mit diesem Belschewistenschreck sucht man nur die Spuren zu verwischen. Beweise dafür emihält namentlich die heute in der Ben iner Volks eitung“ enthaltene Publikation des Professons Kern, uch dafür, daß die Parole „gegen den Bolschewismus!“ auch mit Ver— tretern der Bauerregierung vereinbart worden ist. Jetzt ist das Ruhr— kohlengebiet in den Händen der politisch mißbrauchten Truppen, der Schildhalter der Reaktion. Dieser Zustand ist unerträglich. Hundert⸗

ö Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister, die im Mort

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aute wiedergegeben werden.

: . *. tausende von Arbeitern und Angeftellten im Industriegebiet. Riehen, wenn ein militärischer Schutz nicht zu umgehen ist, die alliierten Truppen der Reichswehr vor. (Hört! Hört! und große Unruhe rechts.) Die Kohlen und das Eisen müssen vor Kapp wie vor der Reichs- vehr gerettet werden. Die Regierung scheint sich gar nicht darüber klar zu sein, daß die Putschisten ihr Spiel noch gar nicht verloren haben; sie bereiten einen neuen Putsch vor und werden es zweifellos ein zweites Mal besser machen. Nach der Mitteilung des Professor Kern soll Noske am 13. März gesagt haben, heute breche sein Respekt vor dem Offizierkorps zusammen .. am liebsten würde er sich erschießen. Danach würde Noske also endlich begriffen haben, wie er von dem Offizierkorps stets und ständig hinters Licht geführt worden ist. Red⸗ ner geht dann ausführlich auf die militärische Vorbereitung des Kapp⸗ Putsches und besonders auf die Rolle der westlichen Freikorps Lützow, Lichtschlag und Schulz ein. Die Zeitungsdruckereien seien geschlossen worden, weil sie die Flugblätter gedruckt hatten, die zum Generalstreik aufforderten; geradezu unbegreiflich erscheine es daß nachher, am 2. April, ein amtsgerichtlicher Strafbefehl diese Druckereien dafür mit 3000 6 Geldbuße belegt. (Hört! Hört) Durchaus zweifelhaft und zweideutig sei auch die Rolle, die der General v. Watter spielt; darüber seien sich auch Severing und Giesbert einig gewesen. Herr v. Watter habe schon am 15. März den Befehl zum Einmarsch des Korps Licht— schlag in das Ruhrgebiet gegeben, trotz des energischsten Protestes von Severing; es seien dann dle Zusammenstöße mit der Arbeiterschaft er⸗ folgt, die das Korps entwaffnete und sich seiner Waffen bemächtigte. Erft dadurch habe die Arbeiterschaft das westliche Westfalen in die Hände bekommen; vorher sei die dortige Arbeiterschaft nicht bewaffnet gewesen. Am 19. März habe die Arbeiterschaft den Kampf auch gegen das Freikorps Lützow aufgenommen und es geschlagen, soweit es nicht in die englische Zone abgedrängt wurde. Noch tagsvorher hätte man in Elberfeld die Bestellung von Extrazügen verlangt, um das Korps von Memscheid nach Berlin zu traneportieren. (Hört! Hört!! Unter dem militärischen Druck, der die Verfassung beseitigen und die Monarchie wieder aufrichten wollte, ist der Gedanke der Rätediktatur in der Arbeiterschaft aufgetaucht. Erst als das Spiel der Putschisten verloren war, wurde die Gefahr des Bolschewismus in den Vordergrund gerückt. Der Redner verliest eine Reihe von Briefschaften von Offizieren der Korps Lützow und Lichtschlag, aus denen er folgert, daß der Putsch von langer Hand durch das ganze Reich im Zusammenhang mit den rechtsstehenden Parteien und auch mit russischen Reaktionären vorbereitet worden sei, und daß der Gene— ral von Watter nur im Sinne der Monarchisten als zuverlässig angesehen werden könnte. Erst am 18. März wurde die Haltung des Generals Watter klarer, die Vertrauenskundgebung von Ebert und Bauer für ihn war also etwas zu früh abgegeben. Von Berlin aus ist die Parole gegen den Boischewismus ausgegeben, und mit dieser Parole kämpft . die Reichswehr gegen die organisierte Arbeiter—⸗ schaft, die im Westen die Regierung herausgehauen hat. (Zwischen— ruf rechts) Ohne die Arbeiterschaft wären die Pläne der Putschisten vielleicht zur Durchführung gekommen, aber die organisierte Arbeiter— iel wird auch ferner solche Pläne zunichte machen. Bei den Biele— elder Verhandlungen waren auch die bürgerlichen Kreise, die Demo⸗ kruten und das Jentrum, einmütig der Auffassung, daß General Watter abberufen werden müßte. Der Waffenstillstand vom 24. März ist von den Militärs, aber nicht von der Arbeiterschaft gebrochen worden. Wenn aus den Aeußerungen des Abg. Trimborn hervorzu— gehen scheint, daß durch das Bielefelder Abkommen nur Zeit ge— wonnen werden sollte, um die Reichswehr gegen die Arbesterschaft stärker machen zu können, so glaube ich nicht, daß der Minister Gies⸗— berts nach Bielefeld gegangen ist, um zu solchem Zweck die Sache zu verschleppen und die . restlos der Reichswehr auszu— liefern. Die Vollzugsräte stellten sich auf den Boden des Bielefelder Abkommens und wollten es halten. Leider hat man die Ausführungs— bestimmungen dem General von Watter übertragen. Es wax tech— nisch unmöglich, das Ultimatum einzuhalten. Die Reichswehr hat mit' voller Abficht im Ruhrrepier das Chaos herbeigeführt., Die Führer hatten dann einen schweren Stand, Alle ihre Bemühungen, die Arbeiter zu beruhigen, hatten keinen Erfolg, weil die Arbeiter— schaft sah, daß die Reichswehr sich an die Verfügungen der Regierung nicht kehrte. Ba muß man sich doch sehr wundern, daß von manchen Seiten venlsangt wird, daß die Rächswehr jetzt auch südlich der Ruhr ein⸗ marschieren soll. Wenn man so sieht, wie auch mit Unterstützung des

Reichswehrministeriums versucht; worden ist;, die Bedingungen des

Friedensbertrages zu hintertreiben, dann kann man es verstehen, wenn dig Entente zu Maßnahmen greift, die auch wir nicht wünschen. Die Arbeiterschast hat don der Reichswehr nichts Gutes gu erwarten. Aller— dings muß man unterscheiden zwischen den reaktionaren Offizieren und den irregeleiteten Elementen die nicht wußten, um was es sich handelte. Das Konps Lichtschlag hat zu Dutzenden Malen in verschiedenen Orten die Qlnte Nachts aus den Betten gehrht und als Gefangene abgeführt. Da darf man sich nicht wundern, daß unter dem Proletariat ein großer Haß gegen die Reichswehr besteht. Man muß sich wundern, daß diese Verbnechergesellschaft noch in der Lage zst, die Situation zu schaffen, um die Regichung zu vweranlassen, gegen das Mroletzarist, das sie wieder in den Saltel gehoben hat, nunmehr vorzugehen. Alle Berichte über

Putschabsichten der Kiommunisten sind glatt erlegen. Wir haben um—

sangreich! und gyabserende Belege dafür, daß die ganze Aktion vor⸗ bereitet und vrganisiert worden ist, um im Ruhrgebiet durchgeführt zu werden. Der Erste Staatsanwalt muß vernommen werden, um fest⸗ zustellen, wer das Zuchthaus in Verzen geöffnet und kie Zuchthaus ler bewaffnet hat, um gegen die Arbeikenschaft vorzugahen. Die Zucht⸗ häusler find vorn der grünen Polizei bewaffnet worden. Die Reichs= wehr braucht kein Standgericht, sie massakriert auch ohne ein solches das Proletariat. Das Telegramm an den Reichskanzler, in dem den Einmarsch verlangt wurde, ist nicht von der Unabhängigen Partei ab⸗ gesandt wowen, es ist gefälscht. Die organisierte Arbeitenschaft mußte bei der Entente Zuflucht suchen, um sich vor der Reichswehr zu schützen. Was will die Regierung zun Durchfühnung din 8 Punkte tun, zu denen sis sich verpflichtet hat, wie denkt sie sich die Umgestaltung der Reichs⸗ wehr? Die Rede Trimborns war eine gatte Absege an die Regierung, die Verfass ung liegt in den letzten Zügen. Wer da behauptet, daß sůnd⸗

lich der Ruhr eine Rote Armee steht, macht sich einer wissentlichen ri wahrheit schuldig. Der Cünmarsch in

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das südliche Ruhrgebiet wäre eine Katastrephes auch für den nördlichen Teil. (Wébhaftes Hört! Hört! rechts Die Hauphnefächr kommt‘ von rechts. (Zurnf: Das glauben Sie ja selbst nichtꝰ In Wirklichkeit waren Sie die Urheber des Kapp⸗ Putsches. (Zuruf des Abg. Becker⸗Hessen: Und Sie die Nutznießer!) Die Reichswehrbrigaden haben von langer Hand die Technische Rothilfe arrangiert, um in dem Augenblick, wo der Kapp-Putsch ein⸗ setzte, die lebenswichtigen Betriebe aufrechterhalten zu können. Ver⸗ brecherische Handlungen der Roten Armee verurteilen wir auf das ent⸗ schiedenste, fle sind aber eine Folge der Demoralisation des. Krieges. Andererfeits haben die Truppen in weit mehr Fällen die scham= losesten Uebergriffe sich zuschulden kommen lassen. Wir stehrk⸗

unmittelbar vor einem neuen Kapp-Putsch, nur in anderer Auf⸗ ]

machung. Da . sich die Regierung auf die organisierte Arbeiter⸗ schaft stützen und schleunisst das Mindestmaß ihrer Forderungen, die acht Punkte durchführen, sonst verliert die Arbeiterschaft den letzten Rest ihres Vertrauens zur Regierung. Die Hilflosigkeit der Regierung festigt ihr Prestige im Auslande nicht, das hören wir von' den hiesigen Vertretern des Auslandes. (Zuruf des Abg. Dr. Rießer: Und Sie unterstützen das Ausland darin! Ruf: Und Sie . französischer als die Franzosen!) Angeblich marschiert die Sozlalifierung seit⸗ einem Jahre. Statt dessen wird das Prole—

tariaf aber mit Militärgewalt niedergehalten und Schutzhaft weiter

verhängt. Wir wollen die Regierung nicht durch Putsche stürzen. 'KLachen rechts. Ruf: 43. Januar) Führt die Regierung das Ge= waltregiment weiter, dann, trifft sie das gleiche Los wie die alte Regierung. Das Proletariat marschiert und wird siegen!

Vizepräsident Haußmann ruft den Abg. Braß . zur Ordnung wegen des Votwurfs der wissentlichen Unwahrheit hin⸗ fichtlich der Roten Armee südlich der Ruhr.

Hieranf nehmen der Reichspostminister Giesberts und der Reichswehrminister Dr. Geßler das Wort, deren Reden

wegen verspäteten Eingangs der Stenogramme erst in der nächsten Nummer d. Bl. im Wortlaute wiedergegeben werden.

Abg. Schwarzer (Bayer. Vp): Ohne Arbeits möglichkeit und innere Ruhe ist es unmöglich, den Friedenewertrag zu erfüllen und unser Wirtschaftsleben wieder aufzubauen. Deshalb war der Einmarsch der Reichswehr ins Ruhrgebiet unbedingt notwendig. Die Haltung der Franzosen ist nur aus Motiven erklärlich, die abseits liegen. Frank⸗ reich will ganz allein eine aggresside Politik, gegen uns führen, die andern Allüerlen haben mehr Verständnis für die Lebensnotwendig= keiten Europas. Die Einwohnerwehren müssen wir behalten. Sie bieten neben der Reichswehr die einzige Sicherheit für die Ruhe der Bevölkerung. Unsere bayerischen Cinwehnermwéhren haben keinen andern Zweck, als der Wiederholung der terroristischen Zustände, die wir im rigen Jahre in München, Würzburg und anderen Städten enlehten, vorzubeugen. Es ist lächerlich, die Ginwohnerxrehren als organjsierte Kampftruppe gegen Frankreich zu betrachten. Es gibt auch in Bayern noch sehr viele Sparlakisten und Kommunisten, die nur darauf warten, bei der nächsten Gelegenheit ihre Gewaltherrschaft wieder guifzurichten. Daher muß das Verlangen der Reichsregierung auf Auflösung und

Waffenablieferung der Einwohnerwehren auf den schärfsten Wider⸗

spruch aller dersenigen, stoßen, die unser Volk unter keinen Um ständen dem Bolschewismus ausliefern wollen. Wir ersuchen die Regierung um das Anerkenntnis, daß die Durchführung der Ein⸗ wohnerwehrenentwaffnung eine Unmöglichkeit ist. Das wäre ein Un— glück für uns, und wir werden uns diese Forderung weder von Frank⸗ reich noch von irgendeiner anderen Seife aufzwingen lassen. Die Reichsregierung soll sich in die Polizeigewalt der einzelnen Länder so wenig wie möglich einmischen. Wir versagen der Reichswehr unsexe Anerkennung und unseren Dank nicht. Auch ohne die Reichswehr ist Srhnung unmöglich, ist überhaupt, kein Regieren möglich. Ich be⸗ daure es, daß diese Hetze gegen sie geübt wurde. Die Regierung muß doch ein Organ haben, um die Verfassung, um sich selbst zu schittzen. Die Sozialdemokraten sollten selbst dafür sorgen, daß das Vorurteil gegen die Reichswehr in ihren Kreisen zerstörk wird. Dem Verbrecherwesen in Sachsen muß ein schleuniges Ende bereitet werden. Da muß man radikal vorgehen. Nur bei energischem, zielbewußtem Handeln der Regierung wird das Volk wieder Vertrauen zur Reichs⸗ und Staatsgewalt finden. (Beifall) /

Abg. Dr. Kahl (D. V:. Es ist mir versönlich nicht leicht, gegen den Träger gerade des Reichsjustizamts mich zu wenden, da ich n' fast zwanzigjähriger persönlicher und beruflicher enger Verbindung mit dem Amt selbst unde seinen Trägern stehe. Es handelt sich um die Frage, ob es ich mit dem Wohl des Staates und des Reichs ver=

einbaren läßt, daß ein Mann an der Spitze dieses Reichsamtes steht, dem die wesentliche Grundvoraussetzung zur Bekleidung dieses Amtes hlt, (Sehr guth Ich wende mich nicht gegen die Person des J sondern gegen die Art und Weise des Miß brauchs seiner Amtsgewalt, wie es nach her gestrigen Rede hervor— trat. (Zurufe) Der Reichsminister hat gänzlich vom Zaun ge— brochene Angriffe gegen uns gerichtet, die wir als unwahr zurück— weisen. Er hat sich besonders der Energie gerühmt, mit der er gegen die Verbrecher von rechts und links vorgehen will. Ich darf also jedes seiner Worte als ein amtlich gesprochenes in Anspruch nehmen. Von dem Tone, in dem er gesprochen hat, sehe ich ganz ab; das ist Sache des Temperaments ums des Bildungsgrades. (Sehr gut! rechts) Auch davon will ich absehen, wie wenig er die Ausführungen unseres Partei⸗ redners beachtet und die von ihm gestellten Fragen beantwortet hat. Es würde sehr viel zur Beruhigung weitester Kreise im Ruhr— gebiet beigetragen haben, wenn schon gestern auf diese Fragen ein⸗ gegangen worden wäre, wie dies heute in dankenswerter Weise der Reichswehrminister getan hat. Ich möchte die Fragen unseres Partei⸗ redners ergänzen und fragen, ob nicht umgehend von seiten des Reichs⸗ juftizministers gegen den Abgeordneten Braß Schritte wegen Landes⸗ berrats getan werden. Es ist doch Praxis des Hauses jetzmt geworden, in einem derartigen Falle die Immunität aufzuheben. Der Reichs⸗ justizminister hat die Erklärung der Deutschen Volkepartei, vom 13. März entftellt durch Unterdrückung und durch, Hinzufügung. Weder in der Form noch in der Sache enthält unsere Erklärung eine Rechtfertigung des Putsches. Insbesondere soll eine Anerkennung gegeben sein in dem Gebrauch des Ausdrucks von der neuen Regierung. Dieser Ausdruck ist von der alten Regierung selbst, von der pr f, namentlich der demokratischen Presse, häufig gebraucht worden. Wir haben ausdrücklich in der Erklärung gesagt, daß es sich um eine provi⸗ sorische Regierung handelt slaute Zurafe), daß wir von ihr ver langen, daß sie einen verfassungsmäßigen Zustand wieder herstellt. Diese Erklärung muß man aus dem Gesamtzusammenhang der Ver⸗ hältnisse würdigen. Wo war denn die Regierung? Sie hatte den besseren Teil der Tapferkeit erwählt. (Cärm bei der Mehrheit.) Ich weiß, daß ich Sie nicht überzeugen kann. Der Reichsjustizminister hat unsere Erklärung entstellt durch Unterdrückung; er hat den ent— scheidenden Teil, daß sich die Deutsche Volkspartei unter Verurteilung des gewaltsamen Umsturzes zur organischen Entwicklung bekennt, nicht vorgetragen. Er mußte erst durch wiederholte Zurufe gezwungen werden, dies zu tun. Aus dem. Schlußsatz unserer Erklärung hat der Reichsjustizminister gemacht: ein einträchtiges Zusammenwirken mit der neuen Regierung. GCaute Zurufe) Wir grheben weiter den Vorwurf daß die Verschuldung des Herrn Schnitzler mit dem Ver— halten der Deutschen Volkspartei in Zusammenhang gebracht worden ist. (Zurufe: Jawohl! Der Minister verneint es. Zuruf: Leugnen gibts nicht! Er hat den Organisgtjonsplan eines Herrn Schnitzler mitgeteilt. Das war doch wohl selbstverständlich, daß die Verbrecher Kapp und seine Umgebung sich einen Organisationsplan gemacht und sich nicht gänzlich planlos in ihr Verbrechen hineingestürzt hatten. (Unruhe und Glocke des Präsidenten) Der Reichsjustizminister hat diese Mitteilung gemacht während eines schwebenden Verfahrens. Daß dieser Plan in Verbindung mit den Rechtsparteien gebracht wird, müssen wir entschieden ablehnen. Wir haben uns dies durch Zurufe verbeten. Darauf, hat der Reichsjustizminister ge— gesagt: „Wir alle kennen die authentische. Darstellung der Rechtsparteien über die Vorgeschichte des Putsches. Sie haben nichts geian, um die Regierung darüber zu unterrichten, was Tüttwitz vorhatte. Das ist es, was ich Ihnen zum Vomurf gemacht habe. Wer das tut und dann am 13. März diese nicht ur wohl— wollende, soncern direkt sympathisierende, unterstützende Haltung ein⸗ nimmt, der. mgchtz sich zum Mitschuldigen. Nach ö Durstellung

des Fraktionsführers Heinze hat Lüttwitz gẽsagk? Ich Kerkänge Neu—

wahlen. Wenn eine Interpellation keinen Erfolg hat, dann werde ich zu Ebert gehen und von ihm Neuwahlen verlangen.“ Lüttwitz hat dann noch gesagt, als ihm erklärt worden war, daß es ein ver—⸗ brecherischer Wahnsinn wäre, daß er nicht beabsichtige, irgend etwas gegen die Reichsverfassung zu unternehmen; er sei seines Eides gegen die Verfassung sich sehr wohl bewußt. Es war Aufgabe von Exzellenz Heinze, zum Reichspräsidenten und anderen Reichsorganen zu gehen und ihnen Mitteilung zu machen von diesem Vorgang. (Jawohlh Diese Zumutung kommt mir so naiv vor, daß ich darauf nicht ein⸗ gehe. Es handelt sich um Männer, die sich bewußt sind, an Treue zur Verfassung von niemand übertroffen zu werden. Man darf die Vorwürfe nicht immer in dieser Generalisierung erheben. Nennen Sie Doch die einzelnen, deren Verbrechen Sie qufdecken wollen. Ich Rabe am Abend und Vorabend des 13. März in Hanngber ünd Bremen vor 40900 bis 5000 Zeugen gesagt: Wir von der Deutschen Volkspartei sehen in der furchtbar ernsten Lage der Gegenpartei unfere Aufgabe nicht darin, Oppesition um ihrer selbst willen zu treihen mit dem Ziele etwa des Sturzes der Regierung, denn ganz gewiß ist:; die gegenwärtige Regierung würde nach gewalt— samem Sturz nicht von einer gemäßigten abgelöst. sondern bon einem ultraradikalen Regiment, das die Möglichkeit eines Wiederaufbaues noch mehr verringern würde. Weder mittel— bar noch unmittelbar ist die Deutsche Volkspartei beteiligt, und wenn dies auf Ehre und Gewissen versichert wird, so ist es unehrenhaft, einen derartigen Vorwurf zu wiederholen. Sollten einzelne sich vergessen haben. so kann das unmöglich einer garzen Partei angehängt werden. Dahin gehört namentlich der Fall des

Dr. Schnitzler. Noch einen Vorwurf muß ich gegen den Reichsjustiz⸗ minister erheben, daß er den Generalstreik hier gerechtfertigt hat

als das ein s unsaaem deutschen Volke zu Gebote stehende Mittel, diesen Bruch der Verfgssung zu bekämpfen. (Sehr richtig! links.) Sie if so gut wie ich, daß der Putsch durch ganz andere Mittel ins Wasser gefallen ist. Wachen links. Rufe rechts: Lesen Sie doch das „Berljner Tageblatt?) Hinsichtlich der Unterzeichner des Auf⸗ rufs zum Generalstreik ist eine Untersuchung bisher nicht eingeleitet worden, weil diese angeblich aus Staatsnotwehr gehandelt hahen. (Lachen rechts) Das ist ein ganz nneuer Begriff, mit dem sich jede Ungesetzlichkeit rechtfertigen läßt. Ist denn die Verfolgung der Sklarz⸗ Leute aus demselben Grunde unterblieben? (Sehr guth. Wir können unmöglich einem solchen Minister Vertrauen entgegenbringen. Dieses Amt ist eins der erhabensten, es erfordert eine vollendete Objektivität, sein Inhaber, muß frei sein von Parteirücksichten:; dieses Amt muß entpolitisiert sein. Ich hätte von dem Minister erwartet, daß er auch einem politischen. Gegner gegenij er den Maßstab der Gerechtigkeit beh ße der bisher immer HRzeigt wurde. Bei jedem anderen Amt könnte man es ertragen, da könnte man es zu dem anderen legen, nicht aber beim Justizministerium, bei ihm muß ein Mindestmaß von Vertrauen vorhanden sein. Er ist auch der Vorgesetzte des Reichsgerichts, kann man da noch die Gewißheit haben daß das Reichsgericht noch seine unbedingte Objek⸗ tivität behält? Die Rede des Ministers stand auf einem bisher nicht gekannten tiefen Niveau, sie war keine staatsmännische Rede, sondern etwa wie eine minderwertige Rede eines Winkeladvokaten. (Leb= hafte Zustimmung zechts, Heiterkeit, große Unruhe links, der Präsident rügt diesen, Vergleich, fortgesetzte Unruhe. Demgegenüber, waren die staatsmännischen Reden Trimborns und des Ministers Giesberts von maßvboller Einschränkung. (Ruf links: Neue Freundschaft) Beide Herren haben auf die Notwendigkeit des einheitlichen Zusammen⸗ arbeitens hingewiesen, der Minister aber hat auf eine Zertrümmerung hingearbeitet, Wir haben in der Nationalversammlung und isf Ver— fassungsausschuß treu mitgearbeitet. Es ist unerhört, zu sagen, daß wir nicht auf dem Boden der Verfassung stünden. Wenn wir zum monarchischen Gedanken stehen, so haben Sie doch keinen Beweis dafür, daß wir diesen Gedanken auf gewaltsamem]. Wege durchsetzen wollen. Demgegenüber war noch kürzlich die Mehrheit bereit, in einem sehr wichtigen Punkte die Verfassung zu ändern, wir wollen ihre organische Weiterentwicklung. Dem Reichsjustizministerzwäll ich noch sagen; hat er 66 noch nicht endgültig in der Voßstr eint gerichtet, so , . ich ihm, seine Pripatwohnung beizubehalten. Lebhafter Beifa

rechts, Händeklatschen, Zischen und Pfeifen links.) Hierauf nimmt der Reichsjastizminister Dr. Blunck das Wort, dessen Rede wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms erst in der nächsten Nummer d. Bl. im Wortlaute wird wieder— gegeben werden. , Reichs kangler Müller: Der Abg. Braß hat auf ein von mir derlefenes Telegramm Bezug genommen und behauptet, daß es ein

erfundenes Telegramm sei. Ich stelle demgegenüber fest, daß der Vor⸗ sitzende der Ungb hängigen Partei in Duisburg der Absendung dieses Telegramms ausdrücklich zugestimmt hat. (Hört! Hört!) Sollte das bon ihm geseugnet weiden, so sind Zeugen genug für die Tatsache vor— handen. . Abg. Dr. Qu arck (Soz.): Ich bin Mitglied des e

. Dreimänner⸗ kollegiums, das die Koalitionspartel zur Zeit der Besetzung

ng Frankfurts vertreten hat. Die Besetzung trägt so recht dazu bei, uns das Schicksal unserer linksrheinischen. Brüder lebendig vor Augen zu führen. Die Franzosen bewirken durch die Besetzung gerade das, was sie nach ihrer Einzugsproklamation verhüten wollten, die arbeitsame, Bevölkerung por der Militärdiktatur zu schützen. Das fördert in Wirklichkeit die kriegerische Stimmung. Auch im direkten Kampf gegen die eigentlichen Militärputschisten haben wir uns im Maingau durchgus selbst zu helfen gewußt. Wir haben uns, als die Reichswehr in Frankfurt ein⸗ rückte, vorher erst feierlich versichern lassen, daß sie lediglich zum Schutze der Demokratie kömmt.

Abg. Braß (U. Soz): Die französischen Journalisten, die ich in Barmen besuchte, haben mich über die Verhältnisse im Ruhr⸗ revier befragt, besonders darüber, wie ich die Flüchtlingsfrage lösen werde. Ich habe mit meiner Meinung nicht hinterm Berge gehalten. Dokumente, die der Regierung nicht bekannt waren, sind aber den sranzbsischen Journalisten nicht überliefert worden. Diese Dokumente sind schon jetzt in der Oeffentlichkeit bekannt, sie sind in Tagesblättern beröffentlicht worden. Der Reichswehrminister hätte nicht die Stim⸗ mung erzeugen können, als ob hier von Hochverrgt oder Landesverrat zu reden sel, wenn er nur das Datum meiner Unterredung mit der Hohen allüerten Kommission angegeben hätte. Diese Unterredung mit der Hohen allijerten Kommission (Große Unruhe rechts und in der Mitteé, Stürmische ironische Zurufe; Hohen). galt lediglich der Flüchtlingsfrage. Es war nicht möglich, allein in Solingen 6000 bis sho Flüchtlinge zu beherbergen. Uns wurde mitgeteilt, daß die Flüchtlinge, wenn sie in besetztes Gebiet kämen, so behandelt werden sollten, wie abgedrängte Reichswehrtruppen, daß sie also interniert werden würden. Wir haben naturgemäß versucht, uns mit der englischen sowohl wie mit der französischen Behörde guszusprechen. Es wurde uns gesagt, daß wir für schnelle Rückbeförderung der Flüchtlinge würden sorgen müssen, damit sich auch im hesetzten Gebiet keine Grnährungsschwierigkeiten ergeben. Ueber die Truppenzahl ist über- haupt nicht gesprochen worden. Es ist weder von 18000 noch von sh 600 Mann, die im Ruhrgebiet wären, gesprochen worden. Wir sind von der alliierten Kommiffion gefragt worden, wie wir uns die Entwicklung im Ruhrgebiet vorstellen. Ich habe ihr meine Auf— faffung auch da genau so wie heute nachmittag dort erklärt. Die Rückspraͤche über die Behandlung der Flüchtlinge mußte geschehen, Ich wundere mich, daß der Reichswehrminister nicht davon unterrichtet gewesen ist, da es doch in den Zeitungen gestanden hat. Redner stellt schließlich den Antrag auf Aufhebung des Ausnahmezustandes und aller Standgerichte, auf Enthaftung aller Personen, die gegen die Reichs— wehr gekämpft haben, und auf allgemeine Amnestie. Schließlich wendet er sich gegen einige Ausführungen des Ministers Giesberts und empfiehlt die Einrichtung paritätischer Ortswehren. Das Telegramm aus Homberg oder Duisburg, in dem die Unabhängigem. ihre Zustimmung zum Einmarsch gegeben haben soll, ist ohne Wissen der Parteiinstanzen erfolgt. Soll das Vertrauen der Arbeiterschaft zur Reichswehr wieder hergestellt werden, dann muß sich die Reichs wehr in Zukunft anders benehmen, als sie es im Ruhrgebiet getan hat.

nicht gesprochen. Seine Reh vatrlotiscken Weckruf des Reichẽ

schen Volkspartei. Es liegt ein gewisser Soyhismus in diesem Auf ruf. Einige Mitglieder der Deutschen Volkspartei haben in ihrer Hesstung eine rühmliche Ausnahme gemacht, so die Herren Heime und Hr ler Die Regierung mußte aus Berlin herxausgehen, wenn sie Re

aufzurufen. Sie hat mit ihrem W

** 3 4 * * 1 ** 1 * 2 für . Vorgänge kommt auf das Haupt von Kapp un Lüäftwitz und ihre offenen und verkappten Helfer. Ein kommunistischer Pussch im Westen hätte sonst nicht diese Aucdehnung gewonnen. Der Ge, neralstreik war das einzige Mittel, den Kapp-Putsch abzuwenden!

Dr. Kahl hat den Justizminister in einer Weise angegriffen, wie noch

niemals ein Minister angegriffen worden ist. Unter der Wilhelmini⸗ schen Regierung wäre es nicht möglich gewesen. (Abg. Graf zu Dohna: Da gab es solche H fr nicht! Herr Kahl hätte die Objektivität nicht vermissen lassen sollen, deren er sich sonst bei jeder Gelegenheit rühmt.

Damit schließt die Aussprache über die Erklärung der Re— gierung und die erste Beratung des Notetats. Letzterer wird mit den Anträgen der Unabhängigen auf Aufhebung des Be⸗ lagerungszustandes und auf Ämnestie im Ruhrgebiet, sowie auf Erklärung des 1. Mai zum gesetzlichen Feiertage mit allge— meiner Arbeitsruhe an den Haushaltsausschuß verwiesen.

Ohne Aussprache wird sodann noch der Entwurf eines Heimstättengesetzes an den Wohnungsausschuß verwiesen.

Nächste Sitzung Donnerstag, 1 Uhr. leinere Vor— lagen, Kinozensur.)

Schluß nach 814 Uhr.

Parlamentarische Nachrichten.

neber die Ernennung von Notaren in Preußen

hat der Fustizminister der vreußischen Landesversamm-⸗ kung eine Senkfchrift unterbreitet, in der zu einem Beschluß der Landesversammlung vom 3. Juli 1919 Stellung ge⸗ nommen wird. Dieser Beschluß ging dahin: Mit Ausschluß der Gebieisteile der Geltung der rheinischen Notariatsverfgssung, die Rechtsanwälte allgemein nach Zurücklegung einer Dienst⸗ zeit von 15 Jahren unter der Voraussetzung zu Notaren zu ernennen, daß seitens der Anwaltskammer keine Bedenken wegen der bit—⸗ herigen Dienstführung geltend gemacht werden und daß der Anwalt an dem Amtssitz bisher mindestens 10 Jahre ansässig war. Kriegs⸗ reilnebmern im Sinne des Erlasses vom 7. September 1915 ist die Zeit ihrer Kriegsteilnahme doppelt anzurechnen. Soweit sie bei Beginn ihrer Kriegsteilnahme noch nicht im Justizdienste standen oder noch keinen Amtssitz hatten, ist ihnen die Zeit der Kriegsteil⸗ nahme sowohl bei Berechnung des Dienstalters als auch bei Berech⸗ nung der Ansässigkeit hinzuzurechnen. In der erwähnten Denkschrift wird dazu u. a. ausgeführt:

Die Durchführung dieses Beschlusses bedeutet nach drei Rich— tungen eine Abweichung von den bisher bei Ernennung von Notaren beobachteten Grundsätzen. 1) Nach der bisherigen Verwaltungs— übung erfolgte die Wi⸗derbesetzung erledigter und die Errichtung neuer Notarstellen nur, wenn hierfür nach Maßgabe der besonderen Verhältnisse des einzelnen Falles ein Bedürfnis für vor- liegend erachtet wurde. Dagegen wird wach dem Beschkuß der Landesversammlung die Fereng der Bedürfnisfrage rölligz auszuscheiden haben, wenn Bewerber um das Notariat vorhanden sind welche die in dem Beschluß bezeichneten Voraussetzungen erfüllen. 2) Ueber die Eignung eines Bewerbers für das Amt eines Votars entschied bisher der Justizminister nach Anhörung. der örtlichen Organe der Justizverwaltung und regelmäßig des Vorstandes der Anwaltä— kammer. Im Gegensatz hierzu würde bei Vurchführung des Be— schlusses der Landesbersammlung der Justizverwaltung zwar der formelle Akt der Ernennung verbleiben, aber die materielle Entscheidung über Würdigkeit und Eignung des Bewerbers durch die Anwaltskammer erfolgen. 3) Kriegsteilnebmer, welche durch die Teilnahme am Kriege besondere wirtschafiliche oder gesundheitliche Nachteile erlitten haben, sind bisher bei der Ernennung von Notaren vorzugsweise be⸗ rücksichtigt worden, wobei die außerordentlich verschieden gestalteten Berhältnisse des einzelnen Falls eine möglichst eingehende Würdi⸗ gung gefunden haben. Nach dem Beschlusse der Landes persamm⸗ lung soll dagegen ohne Würdigung der besonderen Lage des einzelnen Kriegsteilnehmers seine Einordnung in die Reihe der Bewerber unter Verdoppelung der Zeit der Kriegsteilnahme er⸗ folgen. Vor der Ausführung des Beschlusses der Landesper⸗ sammlung sind über die Frage, ob es sich empfiehlt, alle Rechts anwältz nach Erreichung eines bestimmten Dlenstalters und nach einer gewissen Niederlassungsdauer zu Notaren zu ernennen, die Oberlandes⸗ gerichtspräsidenten und die Vorstände der Anwaltskammern zu einer gutachtlichen Aeußerung veranlaßt und an der Hand dieser Aeuße— rungen die in Beiracht kommenden Verhältnisse geprüft worden. Das Ergebnis dieser Prüßung ist folgendes:

J. Der Wügsch Faß die Rechtsanwälte allgemein nach Er⸗ reichung einer G 6 von 19 Jahren und einer mindestens 10jährigen Ansässi l ier zu Notaren ernannt werden sollen, hät praktische Bedeutk gar für die großen und mittleren Stähte. In kleinen Städten Wahn auf dem Lande werden die Rechts⸗ anwälte bereits nach FResentlich kürzerer Wartezest zu Notaren ernannt. In den großen und mittleren Städten dagegen muß die Ernennung aller Rechtsanwälte, die, die bezeichneten Be— dingungen erfüllen, eine außerordentlich starke Erhöhung der Zähs der Notare bewirken. Für eine Anzahl von Städten ist berechnet ie. wie viele Notare noch zu ernennen sind, wenn alle

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Rechtsanwalt init 15 jähriger Dienstzeit und 10 jähriger Nieder⸗ saffungsdauer Wäcksichtigt werden. Das Ergebnis dieser Berechnung erhellt' aus der Tolgenden Uebersicht, die zugleich eine vergleichende Zufammenstellung der Zahlen der in den Jahren 1913 und 1919 er⸗ ledigten Notariatsgeschäfte enthält:

6 j Zahl der seit 5h mindestens et gmsi9 Jahren am 1. 2. Srt ansässigen! Zahl der erledigten

Einheit gerettet. Folgen des Berliner Putsches waren die furchtbaren Vorgänge im Weslen und der Einmarsch der Franzosen. Die Schuld

z s8anwãa 2 Ort ö. . ,. Notariatsgeschãfte E han⸗ Dienstalter von J denen 15 , noch nie Notare Notare sind] 1913 1919 ,,, 23 4 16 021 20 162 Gwen, , 326 223 4718 185 882 , 12 3 5043 48309 Hmienteld 12 5 4861 6 687 J 12 3 10322 73652 en,, 35 50 32 250 36 372 davon 6 im Fe⸗ bruar zu Nota— ren ernannt) , 17 7 11461 11294 Charlottenburg... 31 1 22 885 18681 Dortmund.. 27 19 19214 15 654 Duisburg.. 19 . 9 064 10101 21 21 15 461 14 669 rankfurt a. NM... 36 18 36 826 37 523 15 1 8497 12 545 Göttingen... 5 1 3 259 4709 wanne 7 9 3 027 2 540 Hannoper ... 22 29 21 051 23 972 ildenheim .. . 8 3 4344 5 850 . 21 24 5 17520 20 317 Königsberg i. Pr.. 31 9 19138 24 Hh mee, 17 4 6 754 8 501 Naumburg a. S. ... 7 8 2 863 4120 Gene ben! JJ tz 3 3903 5 142 Votzen 13 3 5122 7 308 , 34 8 11678 Wiesbaden. 18 8 . 8 668 9 636.

Die Zahlen der Notare, die noch zu ernennen sink, wenn alle Nechte⸗ anwälte mit 15sähriger Dienstzeit und 10jahriger , n,. rauer berücksichtigt werden, erböhen sich no betrachtlich, ö ei den Kriegsteilnehmern die Dauer ihrer Kriegsdienstzeit doppelt 96 rechnet wird; zu einer ziffermäßigen Feststellung fehlen inlowe die nötigen Unterlagen. Es ist nicht zu bezweifeln, 36 sich so ergebende Zahl von Notaren das Bedürfnis wer . steigt. Die im Kriege stark zurückgegangenen Notariaisgeschafte sind zwar im Jahre 1919 erheblich gestiegen; es ist ,, sicher, daß sie sich auf dieser Höhe halten werden, 2g die Nachho ung pieler im Kriege zurückgestellten Geschäfte und die Neuregelung a veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse viel fach ein voraussichl ich nur vorühergehendes Anschwellen der Geschãsts zahlen bewirtt hahen. Di Zahl der Notare in den großen Städten wird ig den nächsten en vermutlich eine weitere starke Steigerung erfghren, da die fichte Aussicht, nach einer bestimmten Jeitdauer zuin Notar ernannt zu werden, jür viele Mechtganwälte einen Anreiz bilden wird, sich in einer größeren Stadt niederzulassen. . .

Die übergroße Zahl von Notaren in den größeren Städten bringt für die Rechtspflege Gefahren mit sich. Die auf jeden Notar ent⸗ fallende urchschnittszahl an Geschäften wird so niedrig sem, daß die Einnahmen daraus, z imal bei den erhehlich gesteigerten Bürokosten, ein zm Lebenzunterhalt augreichendes Emkommen nicht darstellen. Da sich die Hefamtzahl der Geschäfte auch nicht gleichmäßig auf. die Ainzeinen Rotare verteilt, wird es viele geben, die überhaupt keine nennenswerte Notariatspraris haben. Daraus erwächst die Ge⸗ fahr einer Minderung der Zuverlässigkeit und der veistungs· sähigkeit der Notare. Nicht ünerwähnt kann bleiben, daß die sogenannten Nur⸗Notare, d. h. Notare, die, ohne gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen zu sein, auf debens zeit ernannt sind, bei der überaroßen Zahl von Notaren in ihrer wirtschaftlichen Lage empfindlich getroffen und vielfach ein ausreichendes Einkommen ni t mehr finden werden. Die Erwartungen, die lie bei Uebernahme ihres Amtes hegen durften, werden daher in vielen Fällen enttäuscht werder, nice Bie herporgehobenen Bedenken gegen ene. Erböhung der Zahl der Notare ohne Rücksicht auf das Bedüfnis sind auch in den eingeholten gutachtlichen Aeußerungen nicht verkannt. Trotzdem ind die Voistände der Anwaltskammein ganz überwiegend der Anficht, daß die Durchführung des Beschlusses der Landesverlammt'ung eine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Zustand bedeuten winde. Unter diesen Umständen glaubt auch die Justizverwaltung ihre Be⸗ deaken zurückstellen und dem Wunsch der Mehrheit der, Anwaltschaft HRechnang tragen zu sollen. Es ist deshalb in Aussicht genommen, in Zukunft alle Rechtsanwälte spätestenß dann zum Notar zu er⸗

nennen, wenn sie den im Beschluß der Landes persammlung sestgelegten

zeitlichen Voraussetzungen genügen.

IJ. Der Notar ist in Preußen unmittelbarer Staatsbeamter. Eine Regelung des Verfahrens bel seiner Ernennung dahin, daß die Juftizverwaltung die Ergennung zum Nolar aussprechen müßte,

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Fenn seitens der Anwaltskammer keine Bedenken wegen der bisherigen Dienstführung geltend gemacht werden, würde einen Bruch mit einem wichtigen Grundfatz des Beamtenrechts bedeuten. Es würde ein einzig dastehender Fall sein, daß eine Standesorganisatigu, wie sie die' Anwaltskammer darstellt, darüber zu entscheiden hätte, ob jemandem ein Staatsamt übertragen werden söll. Abgeseben davon, daß der aus Wahlen der Standesgenossen hervorgehende Vorstand der Anwalts kammer mehr als eine Staatsbehörde ersönlichen und polinischen Einflüssen ausgesetzt sein kann, besteht auch die Gefahr, daß die einzelnen Anwaltskammern nach ganz verschiedenen Grundsätzen ver⸗ fahren. Dadurch würde in den einzelnen Dberiandesgerichtsbezirken eine sehr unerwünschte Ungleichmäßigkeit entstehen. Die Eatscheidun daräber, ob ein Rechtsanwalt zum Notar ernannt werden kann, mu deshalb dem Justizminister als der verantwortlichen Stelle verbleiben. Vor jeder Ernennung wird aher neben den örtlichen Organen der Justizverwaltung auch der Vorstand der zuständigen Anwaltskammer gehört und auf der Grundlage dieser Aeußerungen die Entscheiꝛ ung getroffen werden.

III. In dem Beschluz der Landesversegamlung ist eine vorzugs⸗ weise Berüuͤcksichtigung nur für e ,, im Sinne des Gr iaff ß vom 7. September 18915 vorgesehen. Dies sind solche An⸗ gebörige des deutichen Heeres und der Marine, welche während des Krieges an einer Sch lacht, Gefecht, Stell ungs kampf oder Belagerung teilgenommen oder, ohne vor dem Feind gestanden zu. haben, sich während des Krieges aus dienftlichem Anlaß mindeltens 3 Monate ir Kriegsgebiete aufgehalten haben. Die mechani che Durchführung die les Beschluffes vürde eine Relhe von Härten mit sich bringen. Beispiels⸗ weise sei nur auf solche Fälle hingewiesen, in denen ein Rechts⸗ anwalt zwar nur im Inlande Kriegsdienst geleistet hat, aber durch die lange Dauer und geringe Entlohnung wirtschaftlich aufs schwerste geschädigt ist, orer auf solche Fälle, in denen ein Rechtsanwalt zwar nur furze Zeit dem Heere angehört, jedoch durch Erkrankung einen dauernden Hesundheilsschaden davongetragen hat, der ihn in seiner Berufsausübung behindert. Die Zurücksetzung solcher Rechtsanwälte gegenüber anderen Kriegtteilnehmern würde eine kaum zu recht⸗ sertigende Unbilligkeit bedeuten. Die Justizverwaltung behält es sich daher vor, im einzelnen Falle unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse zu prüfen, ob neben den Kriegsteisnehinern, welche die in dem Beschluͤsse der Landesversammlung aufaestellten Voraus⸗ setzungen erfüllen, andere durch Teilnahme am Kriege geschadigte Rechtsanwälte vorzusswejse zu berücksichtigen sind.

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Der Ausschuß der deutlchen Nationalver-⸗ sammlung für auswärtige Angelegenheiten ist gestern zu einer nichtöffentlichen Sitzung zwecks Besprechung der schwebenden Fragen zusammengetreten. Wie . W. T. B.“ berichtet, begrüßte der stellvertretende Vorsitzende, Haußmann den neuen Minister für, auswärtige Angelegenheiten und hob dos persön⸗ liche vertrauensvolle Verhälsnis hervor, das zwischen dem Ausschuß und dem Auswärtigen Amt unter dem bis⸗ herigen Außenminister sich herauszubilden begonnen babe. Der neuernannte! Minisier des Auswärtigen Dr. Köster wies auf seine in Schleswig gesammelten Erfahrungen unde den dort er⸗ wiesenen Nutzen des Zusammenwirkens aller Deutschen hin. Der Minifter ersuchte um die Unterslützung des Ausschusses. Der Reichs⸗ kanzler Müller machte jodann eine Reihe von Mitteilungen über die Besetzung dentscher Städte durch französische Truppen, über die begleltenden Umstände und über die Absichten der Reich regierung. Die sich anschließende Besprechung und die Beantwortung der im Nusschuß gestellten Fragen führte zu einer weitgehenden ü berein⸗ stim menden Auffasfung der durch das feindselige Vorgehen Frankreichs geschaffenen und geänderten Lage und der daraus erwachsenen Aufgaben.

Technik.

„Technisches Vorlesungswesen G6r fe eri? nenn! fich ein Unternehmen, das guß der Mitte der technisch⸗wissen schaftlichen Vereine und der Berliner Industrie hervorgegangen ist und! dazu dienen soll, in weiten Kreisen in uncigennützi ger Weile gediegene Kenntnisse auf den wichtigsten Gebieten der Technik zu vermitteln. Um dieses viel nach einem einheitlichen Plan ohne Zer- sylttterung und Doppckarbeit zu erreschen, haben sich Rer Verein beutscher Ingenieure, der Elektrotechnische Verein, der Reichs bund deutfcher Technik, die Deutsche Beleuchtungstechnische Gesellschaft, die Hauptstelle für Wärmewirtschaft usw. zusammen , e. Die Rortraaskurse und ebungen werden sich auf die Gehiete der Berriebswissenschaften, Elektrotechnik, Beleuchtungstechnik, Mechantk, Mathematik und des Bauingenteurweseng sowig der anorganischen Theme erftrecken. Zunächst finden im Anschluß an die erfolgreich verlaufenen Veranstaltungen vom Anfang dieses Jahres neue bau- techn ische Vorträge und Uebungen? statt, die außer den Grundzügen der Statit, Festigkeitslehre und der Berechnung von Bauwerken besonders die Lechnit der neuzeitlichen Bauweisen, wie

z. B. des Kolzibaus, Leh ubaus, ber jur Siectungen in Betracht