1920 / 85 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 22 Apr 1920 18:00:01 GMT) scan diff

haltlosen Zuständen entgegengehen wollen. Denn, meine Damen und Herren, wer bürgt uns dafür, daß Polen mit dieser Abstempelung seiner Noten in der Zeit, die es dafür vorgesehen hat, auch fertig wird! Wer birgt uns dafür, daß diese Frist nicht um so und so viel Tage verlängert wird, und wer birgt uns dafür, daß Polen nicht nach

einigen Wochen oder Monaten genau dieselbe Sperrmaßregel über

den Korridor verhängt! (Zustimmung rechts.)

Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß die Polen nach dem 5§z 89 des Friedensvertrags von Versailles verpflichtet sind, zwischen Ostvreusen und dem übrigen Deutschland durch das polnische Gebiet einschließlich der Hoheitsgewässer Durchgangsfreiheit zu gewähren.

Ich möchte den Herrn Interpellanten darauf aufmerksam machen, daß Polen nach diesem § 89 sich verpflichtet, wie es in dem einzig maßgeblichen französischen Text heißt:

„à aceorder la liberté“, also ‚zu gewähren die Freiheit“ und nicht, wie es im deutschen Terte heißt, „die völlige Durchgangsfreiheit“. Die völlige Freiheit, Herr Abneordneter, wird uns erst in Art. 98 versprochen (sehr richtig! im Zentrum), wo es heißt, daß zwischen Polen und Deutschland ein Abkommen getroffen werden soll, das „les facilitès complètes et approprises“, also die vollkommenen und angemessenen Erleichterungen schaffen wird.

Gegenstand dieses Abkommens, das, wie Sie wissen, nicht durch die Schuld der deutschen Regierung noch nicht abgeschlossen ist, sollte sein eine Regelung für den Eisenbahn«, Draht- und Fernsprechverkehr zwischen Ostpreußen und dem übrigen Deutschland. Der Ahschluß dieses Abkommens, der uns sehr am Herzen liegt, ist bisher durch eine hinhaltende Taltit der Polen nicht möglich gewesen. Infolge— dessen gelten für heute noch, und nur sie, die Bestimmung des Art. 89, die, wie Sie aus dem Wortlaut sehen, für Deutschland weniger an Erleichterungen garantieren.

Ich schicke dies voraus zur Erläuterung der tatsächlichen Lage.

Das selbstverständliche Streben det Reichsregierung, baldmöglichst zu diesem Abkommen nach Art. 89 des Friedenvertrags zu gelangen,

führte zu Verhandlungen mit der polnischen Regierung, die bekanntlich am 23. Febtuar d. J. ihren Anfang nahmen.

polnische Standpunkt derartiger, daß den Weise ent⸗

Leider war von vornherein der während dieser Verhandlungen ein deutschen Forderungen in völlig unzureichender gegengekommen wurde. der Verkehr von der einzig leistungsfähigen Strecke Konitz Dirschau auf die durchaus unzureichende eingleisige Strecke Czersk Marien⸗ werder beschränkt werden. Eine Einigung über die deutschen Gegen— vorschläße auf Grund des Friedensvertrags wurde nicht erreicht. Immerhin konnte mit der Erzielung gewisser Teilresultate gerechnet werden, als ber Militärputsch vom 13. März dazwischenkam. In⸗

folge dieser Vorgänge nämlich brachen die polnischen Vertreter die

Verhandlungen unvermittelt ab mit der Begründung, daß die Voll

machten der deutschen Vertreter jetzt nicht mehr ausreichten. Versuche in Verbindung mit einer Er⸗

unsererseits, neue Verhandlungen . neuerung des Beamtenabkommens, das am 31. März ablief. einzu⸗ leiten, blieben ohne Erfolg. Dagegen wurde polnischerseits die

Ueb ermittlung einer Ministerialverordnung in Aussicht gestellt, die Aber auch diese Verordnung blieb

den Korridorverkehr regeln sollte. zunächst aus. Infolgedessen wurde auch das am 31. März ablaufende Beamtenabkommen nicht erneuert. Die deutschen Beamten verlassen jetzt planmäßig das abgetretene Gebiet, da auch die polnische Re—⸗ gierung eine Erneuerung des Beamtenabkommens nicht beantragt hat.

Am 4. April wurde dann die polnische Ministerlalverordnung

über den Eisenbahnverkehr mit Deutschland, die also eine rein polnische Leistung ist, veröffentlicht, und zwar gab auch sie wiederum nur die Linie Konitz —Czersk— Marienwerder frei, und zwar für den Post—⸗ transitverkehr sowie für einen Schnellzug und zwei Personenzüge in beiden Richtungen. Außerdem stellte sie zur Verfügung für den Telegrammvperkehr fünf Linien, zwei Kabel, für den Fernsprechverkehr noch zwei oherirdische Doppelleitungen.

Einen Beweis, meine Damen und Herren, für die vollkommen ungenügende Lösung, die in dieser Verordnung lag, sehen Sie darin, daß vor Erlaß dieser Verordnung im Monat Mär; im Tagesdurchschnitt durch den Korridor gefahren sind 8 Schnell⸗

züge, 6 Personenzüge und 25 bis 27 Güterzüge (hört! hört! rechts, und zum weiteren Vergleich erwähne ich, daß als die durchschnittliche Tagesleistung im Sommer 1914 von

der Direktion Danzig gefahren wurden 24 Schnellzüge, 36 Personenzüge und 59 Güterzüge; also an Schnellzügen das Drei fache, an Personenzügen das Sechsfache und an Güterzügen mehr als

das Doppelte. Da die Verhandlungen mit Polen auf diesem direkten Wege zu

keinem für Deutschland auch nur einigermaßen befrtedigenden Resultate

führten, entschloß sich die Reiche regierung, die Korridorfrage zum Gegenstand am 12. April begonnener Paris zu machen. Dies umsomehr, als auch der Oberste Rat der Alliierten selber das Verlangen gestellt hatte, daß das Uebereinkommen des Friedensvertrages bald möglichst zustande käme. Die polnischen Delegterten, die in Paris erschienen, erkärten zwar zunächst, zu diesen

Verhandlungen, nämlich über den Korridor, keine Instruttionen zu haben; sie seien aber zu deren Einholung in Warschau bereit.

Tatsächlich gehen nun nach einem am 18. April hier eingegangenen Telegramm die Besprechungen in Paris schneller als bisher vorwärts.

In der Frage der Uebergabe von Akten und Archiven, in der Frage der Beteiligung von Polen an der Zahlung von Pensionen ist, wie uns

heute morgen ein Telephongespräch aus Paris mitteilte, mit den dortigen Unterhändlern, den Herren Seydoux und Schulkowski, ein vorläufiges Einvernehmen erzielt.

der Vorsitzende der Interalliierten Kommission für das Abstimmungs⸗ gebiet in Westpreußen seinerseits in Paris beim Obersten Rat gegen dte Verkehrserschwerungen seitens der Polen Einspruch erhoben hat. (Hört, hört h)

Meine Damen und Herren! So laufen die Verbandlungen. In diese Verbandlungen hinein ist nun plötzlich von polnischer Seite diese Sperrverfügung hineingeplatzt. Ich brauche nicht zu sagen, daß auch die Reichsregierung von dieser überraschenden Sperrverfügung ich will mich sehr vorsichtig ausdrücken peinlich berührt worden ist. Denn ich bin der Ueberzeugung, daß es möglich gewesen wäre, durch vertrauliche Besprechungen zwischen Polen und uns, dafür ju

Vor allen Dingen sollte schon damals

Verhandlungen in

zwischen Deutschland und Polen nach Art. 98

Nach denselben Mitteilungen von heute morgen steht zu erwarten, daß die weiteren Besprechungen auch in der Korridorfrage zu einem Ergebnis führen werden, umsomehr, als auch

sorgen, daß es Deutschland technisch möglich gemacht worden wäre, den Eisenbahnoerkehr so vorzubereiten, daß daß Gehelmnis der Notenabstempelung, an dem Polen liegen mußte, gewahrt blieb, und daß wir dennoch über die Zeit der Notenabstempelung elsenbahn— technisch hinweggekommen wären. Die polnische Regierung hat das bedauerlicherweise nicht getan.

Wie Sie wissen, läuft diefe Sperre vom 16. bis zum 27. April, ohne daß, wie ich schon gesagt habe, wir die Garantle haben, daß

die Sperrzeit nicht verlängert wird. Auch bei dieser Sperre ist wiederum die Strecke Konitz —Czersk— Marienwerder dem Durch— gangsverkehr freigegeben worden. Diesmal aber nur bei Tage und nicht für durchgehende Züge wie bisher, sondern nur für einzelne Wagen, die an die polnischen Züge angehängt werden müssen. Für den Güterverkehr ist neben dieser Strecke, aber ebenfalls nur am Tage, die Linie Konitz Laschkowitz Dt. Eylau freigegeben worden. Ebenso wird der ungehinderte Verkehr der oberschlestschen Kohlenzüge nach Ostpreußen und der Lebensmittelzüge ins Abstimmungsgebiet zu⸗ gesichert. Wenn so der Güterverkehr auch in beschränktem Umfange aufrechterhalten werden kann, so müssen doch infolge dieser polnischen Maßnahmen Personen⸗ und Brlespostverkehr über den Seeweg ge— leitet werden.

Meine Damen und Herten! Es muß hier ausgesprochen werden, daß eine derartige plötzliche Sperre det gesamten Verkehrs nach Ostpreußen ohne vorherige Ankündigung seitens der polnischen Regierung zum mindesten dem Sinn des Art. 89 des Friedens

vertrags nicht entspricht (sehr richtig! rechts), wenngleich auch die polnische Bevölkerung von der Sperre des Verkehrs nicht minder ge— troffen wird. Es ist daher auch seitens der deutschen Regierung sofort bei der hiesigen polnischen Gesandtschaft schärfster Protest eingelegt worden und dabei ist auch vor allen Dingen Einspruch erhoben gegen die Behinderung der deutschen Beamten, das Land während der Sperre zu verlassen. Diese in ihrem guten Recht befindlichen Beamten sind von dieser Sperre besonders schwer getroffen, da teilweise bereits besetzte Züge angehalten wurden.

Desgleichen ist in ben letzten Tagen die polnische Regierung von uns gebeten worden, den 50 polnischen Messebesuchern, die sich für Breslau angemeldet hatten, die Ausreise trotz der Sperre zu ge⸗ nehmigen. Ebenfalls ist in Paris beim Obersten Rat durch den Vorsitzenden der deutschen Friedensdelegation energischer Protest gegen den erneuten Vorstoß Polens gegen den Sinn des Art. 89 erhoben worden.

Was die Beamten betrifft, über deren Belästigungen auch der Herr Abgeordnete Baerecke hier geklagt hat, so kann ich dem hohen Hause mitteilen, daß nach Verabredung mit dem Unterstaatssekretär Seyda morgen eine Abordnung aus dem Auswärtigen Amt, dem preußischen Ministerium des Innern und dem Reichézustiz—

ministerium nach Posen fährt, um dort unter anderem auch die Frage der Herausheförderung der Beamten, die Frage der Beseitigung dLieser Hunderte von kleinlichen Schwierig—⸗

keiten, die den Beamten gemacht werden, zu besprechen. Det gleichen ist Aussicht vorhanden, daß die Paßschwierigkeiten, denen die von hier nach Ostpreußen reisenden Deutschen ausgesetzt sind, ge⸗ mildert werden. Nach einer Mitteilung, die wir heute bekommen haben, werden in Zukunft vom polnischen Generalkonsul hier in Berlin auf 3 Monate Visa für Hin« und Rückreise zwischen Berlin und Ostpreußen ausgestellt werden.

Meine Damen und Herren! Angesichts dieser polnischen Sperrver⸗ fügung ist uns empfohlen worden, mit Zwangsmaßnahmen gegen Polen vorzugehen. Solche Zwangsmaßnahmen können natürlich nur auf wirt- schaftlichem Gebiete liegen. Sie erübrigen sich aber heute vollkommen, weil Polen die Verpflichtungen, die aus dem von ihm eingegangenen Wirt- schäftsabkommen entstehen, nicht eingehalten hat, und wir uns schon deshalb gezwungen gesehen haben, in letzter Zeit den Ausfuhrverkehr nach Polen so gut wie ganz zu sperren.

Ueber die Verpflichtungen, die Polen nach dem von uns mit ihm geschlossenen Wirtschaftsabkommen nicht gehalten hat, möchte ich dem hohen Hause noch einige Ziffern vortragen. Polen war nach diesem Wirtschaftsabkommen verpflichtet, an Deutschland 55 Millionen Zentner Speisekartoffeln, 1 Million Zentner Saatkartoffeln zu liefern. Auf 1 Million Zentner Kartoffeln stand uns das Vorkaufsrecht zu. Von diesen im ganzen 75 Millionen Zentnern hat Polen bisher geliefert 1,5 Millionen Zentner Speisekartoffeln. 350 000 Zentner Saat⸗ kartoffeln, so daß Polen mit h Millionen Zentner Kartoffeln im Rückstande ist. An Spiritus hatte Polen sich verpflichtet 1 Million Liter zu liefern. Von dieser 1 Million Liter ist bisher nichts angekommen. (Hört, hörth An Gänsen hatte Polen 100 000 Stück versprochen, an Melassefutter 70 000 Zentner. Von beidem ist nichts angekommen. (Hört! hört!

rechts) Die gelieferten Gänse gehören nicht in diesen abgeschlossenen Vertrag. Von den 72 0900 t Mineralöl, die bis zum 30. Dezember von Polen geliefert werden sollten, hat Polen bisher nur 10000 t gellefert, trotzdem die deutsche Regierung die 500 mietweise zur Ver⸗ fügung gestellten Kesselwagen den Polen noch über die vertragsmäßig ausbedungenen drei Monate hinaus zur Verfügung gestellt hat.

. Was die uns zugesicherte freie Schiffahrt auf der Oder und Weichsel anbetrifft, so hat Polen bisher noch nicht einmal jene deutschen Kähne, die Deutschland aus Anlaß des Transports ameri⸗ kanischer Lebensmittel nach Polen überlassen hat, zurückgegeben. (Hört, hört! rechts.) Gegenüber diesen Rückständen ist Deutschland Polen gegenüber nur mit der kleinen Summe von 38 000 t Kohlen im Rüͤckstande.

. Die deutsche Regierung hat sich, wie ich sagte, gezwungen ge⸗ sehen, angesichts dieser Tatsachen die Ausfuhr nach Polen so gut wie / ganz zu sperren. Insbesondere ist in den letzten Tagen und Wochen das Märzkontingent an Sprengstoffen, das aus Oberschlesien für den Bergwerkbezirk Dombrowo eingeführt werden sollte, nicht herausgelassen worden. Die 10 000 Zentner Zuckerrübensamen, die Polen sehr not- wendig hat und für die es uns im Austausch später Saatkartoffeln liefern wollte, sind ebenfalls nicht ausgeführt worden, desgleichen die Maschinen, die wir für die polnische Zuckerindustrie hätten zur Ver- fügung stellen können.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, Zwangsmaßnahmen, wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen anderer Art stehen uns augen⸗ blicklich nicht zur Verfügung. Dagegen müssen wir versuchen, die Abschnürung Ostpreußens, die droht und immer drohen wird, durch einen Ausbau der Verbindung über See zu verbessern. Durch einen solchen Ausbau wird unseren vom Reich abgeschnürten ostpreußischen Landsleuten auch bei plötzlich eintretenden Unter⸗

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brechungen des Bahnverkehrg die Verbindung mit dem übrigen Deutschen Reiche erhalten bleiben. Ich kann dem Herrn Inter⸗ pellanten auf seine Frage versichern, daß der Ausbau einer täglichen Schiffsberbindung Stettin Pillau Königsberg in die Wege geleltet, und daß ebenfalls ein Flugzeugverkehr, freilich zunächst nur big Danzig, vorbereitet wird.

Die deutsche Regierung verkennt nicht die schwierige Lage, in der sich Polen bei seinem Aufbau befindet. Die Reichs. regierung hat keinen Anlaß, Polen bei den Schwierigkeiten, mit denen es bei seinem Wiederaufbau zu kämpfen hat, zu stören. Sie ist auch weit davon entfernt, jede kleinliche Schikane, die an den Grenzen passiert, der polnischen Regierung zuzuschreiben. (Zuruf rechts:; Wem denn?) Aber angesichts der augenblicklichen zugespitzten Lage und der ganzen Methode, in welcher Polen bisher die Ver— handlungen mit uns geführt hat, hält die deutsche Reichsregierung es für ihre Pflicht, die Polen darauf aufmerksam zu machen, daß unsere beiden Staaten, die benachbart sind und benachbart bleiben, wirtschaftlich aufeinander angewiesen sind (sehr richtig h, und daß Polen wahrscheinlich mindestens so sehr auf Deutschland angewiesen ist und sein wird wie Deutschland auf Polen. (Lebhafte Zustimmung. Die Reichsregierung gibt ferner den Polen zu bedenken, daß niemand weiß, wie sich die politische Zukunft im Osten gestalten wird. (Er— neute lebhafte Zustimmung.) Wir geben Polen auch zu bedenken, daß es mit Rücksicht auf die zahllosen Deutschen, die es in seinem Staate beherbergt, ein Interesse an guten, mindestens aber an erträg⸗ lichen Beziehungen zu Deutschland hat. (Sehr richtig) Wieweit und wie bald diese Einsicht bei den Polen sich einstellen wird, ist Sache der Polen. Wie sich aber auch die Polen stellen werden, die deutsche Reichsregierung wird unabhängig davon alles tun, um die Verbindung mit den von Deutschland abgeschnürten Landsleuten in Onpreußen technisch und wirtschaftlich aufrechtzuerhalten. (Bravo!) Die Reichsregierung wird alles tun, um Ostpreußen wirtschaftlich und auch administrativ dasjenige Maß an Selbständigkeit zu ge— währen, das nach Lage und Entwicklung der Dinge notwendig sein wird. Die Reichsregierung wird schließlich alles tun, um nicht nur wirtschaftlich und verkehrstechnisch, sondern auch geislig und moralisch mit unseren abgeschnürten Brüdern in Ostpreußen diejenige Ver— bindung aufrechtzuerhalten und auszubauen, auf die die Ostpreußen nach dem auch hier wieder von dem Herrn Interpellanten in so schöner Weise abgelegten Treuebekenntnis Anspruch haben. (Lebhafter Beifall.)

Auf Antrag des Abg. Schultz-Bromberg findet die Besprechung statt.

Abg. Woll ff⸗-Tilsit (Soz.); Ich bin selbst hei der Durchfahrt don polnischen Soldaten belästigt worden, namentlich, als ich meine Natiynalver sammlungs⸗Mitgliedskarte vorzeigte. In Danzig fanden wir bei dem Funktionär größtes Entgegenkommen, er hat sich ent— schuldigt. Wir ] n. da das gleiche Bild pie bei uns, nur das Militär erlaubt sich die Uebergrlffe. Die jetzige Sperre der , bahnstrecke bedeutet für die ostpreußische Landwirtschaft, Industrie und den Handel die allergroßte Gefahr; die Wirkung ist dort die gleiche wie die Wirkung des Generalstreiks 2 Berlin. Der Per⸗ Fonenverkehr spielt sich in der Hauptsache auf dem Seewege über Swinemünde ab. Auch den o genßi sgfñ Abgeordneten sollte die Benutzung dieses Weges offen stehen. Auch der Güterverkehr kann im allgemeinen auf dem Seewege erfolgen, anders ist es aber mit der Kehensmittelbe förderung, Wenn die Entente sagt, der Verkehr nach Sstpreußen könne gänzlich guf dem Seewege erler igt werden, so ist das eine glalte Unwahrhbeit. Aber alles, was wir erleiden, Früchte der Politik der Interpellanten, die fie seit Jahrzehnten gegen die Polen betrieben haben. (Große Unruhe rechts. Abg. Schultz⸗ Hromberg: Unerhörter. Angriff auf die eigenen Landsleute lf Cin Mann wle Sie, ein Hakatist (entrüstete Rufe: Bin nie Hakatist J wesen!), sollte vorsichti rn eine solche Interpellation gegen die Polen einzubringen. 2 ol rechte) Die deutschnationale Volks⸗ partei und die Interpellanten sind die Zauberlehrlinge, die die Beister wachgerufen haben in. Polen, die wir in Ostprenßen nicht mehr los werden. Sie wollten ja auch . zum Königreich machen. (Lebhafter Widerspruch. Rufe MUnsinnh Jetzt wollen Sie Schutz gegen den polnischen Buben, dessen Vatẽr Sie sind. (Eachen re 9 Wir Kerurteilen das rigorose Vorgehen der Polen auf das allerschärfste. Wir empfehlen der Regierung, nicht nur mit den Polen, sondern mit der Entente erneut weiter zu verhandeln. Die polnischen Sogialisten fordern wir auf, gleichfalls auf ihre Regierung einzuwirken und ihr begreiflich zu machen, daß aus Ge⸗ waltmaßnahmen immer mehr Trennung entsteht, nicht aber . derung der Vernunft. Deutschland und Polen müssen sich auf. dem ö Wege der Verständigung finden. (Beifall links. Zischen rechts.

Abg. Heidsick (Dem.): Ich bedaure die Ausführungen des Vorzedners; die parteipolitische Ausschlachtung solcher Dinge müßte strikte unterbleiben, sie wird nur gegen uns ausgenutzt im Innern, und nach gußen bieten wir ein trauriges Schauspiel. Von Ünseren Volksgenossen im Osten erwarten wir daß sie diese schwere Zeit , durchkämpfen werden. In der Nordmark hat sich das Volk ei der Abstimmun

wie ein Mann il mne n, das wird auch in 8st und Westpreußen der Fa n ir danken der Be⸗ . ür die mannhafte Art, in der sie sich gegen unsere Feinde wehrt.

. Beifall) Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren daß sowohl in den Methoden wie in dem geistigen Rüst⸗ zeug, mit dem unsere Unterhändler mit den Polen verkehren, ein gewisse Widersinn liegt. Das Auswärtige Amt geht zu, iet vor, es ist die Behörde, gie noch am. wenigsten von den Wirkungen und Wandlungen ber Zeit berührt ist. Da . endlich Wandel. ge⸗ schaffen werden. Die Verhandlungen mit den Polen ziehen sich schon durch Monate hindurch. Unsere Unterhändler pflegen diese Ver⸗ handlungen ungefähr so, als wenn sie mit einem anderen deutschen Ressort am Verhandlungstisch säßen; sie sind sich . klar darüber, daß die Polen die ganze Angel enheir nicht sachlich, 6 rein politisch betrachten. Der Pole 13. die Macht der halben Welt hinter sich und stützt sich auf den, ien en gtionalismus seiner Landsleute, fachliche Gründe sind für ihn Luft. Man sollte mit den Polen kein Abkommen K sondern ihnen zeigen, daß wir au Ernst machen können. Ehe wir das nicht tun, kommen wir an keinen grünen Zweig. Bei den Verhandlungen über die Seiffert besonders auch über die Netze⸗Schiffahrt, hat das Auswärtige Am vollständig versagt. Wir hätten den Polen zeigen gie, daß e einen Punkt gibt, über den hinaus wir keinen Spaß verstehen. Das, was die Polen getan haben, hätten wir bis zu einem gewissen Grade auch tun müssen. Fine Reorganisatzon des Auswärtkgen Amtes ist unbedingt nötig. Nicht nur ein Sachkenner, sondern auch ein Mann von Charakter muß an entscheidender Stelle im Auswärtigen Amt stehen. Die schwersten polnischen Uebergriffe, sind ungesühnt. ge= blieben, sogar die Ermordung deutscher Militärpersonen, die Fest⸗= haltung von deutschen Beamten, (Hört, hört Die demokratischen Kreise sind heute die stärkste Stütze des deutschen ECinheitsgedankens und, die Verteidi er des Deutschtums:; aber sie lehnen . chaubi⸗ nistischen Gedanken ab. (Beifall bei den Demokraten. .

Abg. Dr. Fleischer (Zentr): Zurzeit fehlt noch die klare rechtliche Grundl ige zur Regelung der Frage des polnischen Korridors; das Abkommen mit den Polen nach dem Artikel 98 des Friedens

Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)

sind die

zum Deutschen Reichs

. .

Zweite Beilage

Berlin Donnerstag, den 22 April

anzeiger und Preußif

chen Staatsanzeiger. 132 cz.

vortsetze nn aus der Ersten Beilage)

vertrages ist der Kern der Frage. Danach müssen uns die Polen voll⸗ kommene und angemessene Erleichterungen des Berkehrs mit Ost⸗ preußen und Danzig gewähren. Entscheidend dafür foll der Oberste Rat in Paris sein. Die Linie über Czersk Marienwerder entspricht nicht im mindesten den Lebensnotwendigkei ten der ostpreußischen und der deutschen Volkswirtschaft. Unsere Regierung muß sich daher so schnell wie möglich mit dem Obersten Rat in Paris oder in San Remo auseinandersetzen. Der Oberste Rat scheint zu merken, daß nicht nur deutsche Interessen hier auf dem Swiele stehen, sondern daß seine eigene Autorität in Frage gestellt wird, wenn es nicht zur Lösung der Frage kommt. Der italienische Vertreter hat bereits gegen die polnischen Maßnahmen protestiert, die deutsche Regierung kann darin einen Rückhalt finden. Wir begrüßen es, daß Exzellenz Martino den Standpunkt des Rechtes vertretn und sich weder nach rechts noch nach links ablenken läßt. bürger in Sstpreußen können für die Verkehrsnofmendigkeiten nicht maßgebend sein. Die Polen täten gut daran, schon jetzt angemessene Erleichterungen des Verkehrs zu gewähren. Der Oberste Rat ist engagiert. In dem Kopenhagener Abkommen zwischen Polen und den alllierten und assoziierten Mächten haben sich diese den Durchgangs⸗ derkehr durch Polen für ihren Handel gefichert, es ist aber auch vorge⸗ sehen, daß der Verkehr der anderen Länder dazu gehört auch Deutsch⸗ land unter dem Schutz des Völkerbundes geregelt werden soll. Der Friedenspertrgg sollte die Herrschaft des Rechts herstellen, aber was wir von den Polen sehen, das ist nicht Ftecht, fondern Willkür. Wenn bie Welt an die Erklärungen des Qbersten Rats alauben soll, muß dieser dafür sorgen, daß den jetzigen Zuständen im polnischen Korridor ein Ende gemacht wird. (Sehr richtigh Die polnische Zeitung „Gazeta Danska“ selbst tritt für eine Verbesserung des Verkehrs zwischen Polen und Danzig ein und schreibt, daß schreckliche Zustände in den polnischen Postämtkern herrschen, daß Briefe bis zu drei Wochen laufen, wenn sie nicht ganz verloren gehen. (Hört, hört) Danzig kann sich nicht aus eigener Nacht aus dieser Vergewaltigung befreien, verant⸗ wortlich für Danzig ist der Völkerbund, und die lockenden Ber sprechungen, namenklich von englischer Seite durch Mr. Tower, müssen endlich erfüllt werden. Zwanggmaßregeln gegen die Polen sind leider licht vorhanden. Die junge polnische Republik hätte alle Veranlassung, die deutschen Beamten zu behalten, aber fie hat lieber darauf verzichtet, um nicht die Frage des Durchgangsverkehrs durch den Korridor lösen zu müssen. Polen versucht es lieber mit vollkommen unzulänglichen eigenen Beamten, anstatt den Deutschen irgendwelche Konzessionen zu machen. Durch die Währungsverhältnisse verlieren die deutschen Be⸗ Mmten einen großen Teil ihres Vermögens, wenn sie jetzt aus Polen fortgehen müssen. Ganz Deutschland muß sich dieser Angehörigen unseres Volkes annehmen. Dazu gehören auch die Arbeiter, die in dieselbe Lage gekommen sind, namenklich die Eisenbahnarbeiter in dem abgetretenen Gebiet gewesen und von den Polen entlassen sind, so daß sie jetzt brotlos sind. Diese Arbeiter müssen diefelbe Unterstützung erhalten, wie sie an die Erwerbslosen in Deutschland gezahlt werden. Auch den Rentenempfängern sind ihre Bezüge noch nicht gesichert worden. Die Abwicklungsstelle in Bromberg muß schnell dafür sorgen, daß die Rentenempfänger aus ihrer Notlage herauskommen. Zwischen den preußischen Ministern des Innern und der Finanzen und dem Reichsminister des Innern ist eine Vereinbarung getroffen worden des Inhalts: Errichtung einer Zentralstelle in Berlin für die ostpreußischen Angelegenheiten, Bestellung eines Vertreters des OYberpräsidenten bon Sstypreußen, der mit dieser Zentralstelle arbeitet, Vertretung Ostpreußens Durch se einen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Reichswirtschaftsrat für die wirtschaftlichen Angelegenheiten Ost⸗ RFeußens, Berufung eines ostpreußischen Bezirkswirtschaftsrats, Schaffung eines Reichsgese zes, wonach die Möglichkeit geschaffen wird, für Ostpreußen Verordnungen zu erlassen, die auch von Reichsgesetzen abweichen, können. Ich bitte die Reichsregierung, diese Vereinbarungen iur Ausführung zu hringen. Zurzeit bleibt uns nichts anderes übrig, As den Seeweg nach Sstpreußen auszugestalten. Ferner müssen wir England überzeugen, daß der Friedensbertrag abgeändert werden muß. Ystpreußen hat noch Getreidemengen, die für die Ernährung des übrigen Deutschland benutzt werden könnten, die aber wegen Köhlen— mongels nicht, herangebracht werden können. Schon diefer Umstand sollte die Regierung veranlassen, den Seeverkehr so schnell wie möglich zu organisieren. Es muß auch dafür gesorgt werden, daß die Ab⸗ simmungsberechtigten, die im Übrigen Dentfchland wohnen, auf dem Seewege nach ihrer ostpreußischen Heimat gelangen können. Das polnische Parlarent hat einen Beschluß gefaßt, wonach bei der Ab— simmung eine Intervention Polens eintreten könnte, wenn die Ab⸗ fimmungskommission sich als unfähig emweisen sollte, die Polen zu hitzen. Das säßt tief blicken. Die deutsche Regierung müßte so Khnell wie möglich sich Klarheit über die Bereu fung diefen Beschlusses ze der polnischen Regierung verschaffen. Der moderne polnische Staat sollte aus seiner Geschichte lernen, daß es der Deutschen bedarf, und kin Intereffe im einträchtigen Zusammengrbeiten mit Deutschland legt. Polen solste fich überlegen, welchen Weg es gehen will Wir nchen das polnische Volk nicht verantwortlich, wohl aber den grenzen— den polnischen Imperialismus, der die anderer Strömungen im olnischen Volke, die auf dem Boden des Rechts stehen, nicht zur Gel= ung kommen läßt. Ostpreußen steht unerschütterlich zum Deutschen eich, (Beifall im Zentrum.)

Abg. Graf zu Dohna (D. V): Es handelt sich darum, ob Ostpreußzen im Zusammenhang mit dem Deutscken Reiche bleiben oder endgültig abgestoßen und losgelöst werd en foll. Le der hat es ein sertieter der Probinz für gut gehalten, über die Sünden herzuziehen, leider die Deutscken gegen die Polen angebssch begangen haben 6 n. Der Parteihaß sckent größer zu sein als die Liebe zu den übern. (3ustimmung rechts) Ich hälfte gewünscht, daß der Albge. ordnete Baerecke eine etwas stärkere Sprache gegenüber den Pofen keführt hätte. Wenn auch der Minister durch die Sperre nur wenig berbrt ift, fo bin ick ber Liesen Ltnsdrug peinkich berührk benn e igt nicht für den Ausdruck des Protestes gegen einen offenbaren ö echte bruch. Sehr richtig! rechts Wir müffen dafür sorgen ö sleßten Reste von Rechten, die uns in dem Friedensvertrag noch eblieben sind, nicht auch noch verloren gehen ozu denn das Ver— ngen eines polnischen Passes, wenn man durch den polniächen Korrsdor sndurchfahren will Man will doch nicht in dem Korridor aus— ien, was kümmert es die Polen. wenn man von Berssn nach Lin berg fahren will⸗ Ich warne die Regierung davor, allzu schnell ., der Entwaffnung der Einwohnerwehr vorzugehen, denn in Ist⸗ Neußen besteht eine große Crregung in der Bevölkerung über diese nde, (Sehr rchlagl'rechts Oftvreußen Fat es dert ient, daß die ick sregierung alles daran fetzt, daß es von seinen drückenden Sorgen efteit wird. (Beifall rechts.) 4 Abg. Schu L g- Bromberg D. Nat): Dig Vationalversammlung eng in der Verurteilung der polniscken Maßnahmen. Dese er *ulicke Einigung ist nur durch den Sozialdemokraten gestört worden *. uns für die preuß scke Polenpolitit verantwortlich macht. Grat ohng vermißte stärkere Ausdrücke be dem Abgeordneten Bae recke n Lie Reken. Herr Baerecke hat Len sachsichen Zuständen die Fügen Aredrücke verliehen. Was wir hier verhandeln, ist nur ein net, Ausscknitt aus den Wisskürakfen der Polen. Ist es richtig, die Maßnahmen der Abstimmungäfommissionen eine gewisse

Die Interessen der wenigen polnischen Staats.

am 9. Januar abgeschlossen sein soll?ꝰ (Hört, hört! Ein solches Ab⸗ kommen, wenn es besteht, hätte nicht ohne die Volksvertretung abge⸗ Folossen werden dürfen. Mit den unerhörten Beläftigungen durch Pie Polen, muß endlich Rufgeräumt werden, (Sehr rich gl rechts ) Knfer PFerhältnis zu den Polen haf bon söher Faran gekränkt. daß unsere Polenpolitik hier in Berlin von Personen gemacht wurde, die den polnischen Charakter und die polnische Volke ele nur aus Büchern, aber nicht an der Weichsel studiert haben. Wir hätten hier immer

Angriffe finden müssen. Wenn von sozialdemokratfschsr Seite die frühere Antipolenpolitit᷑ als Beweis dafür angeführt worden ist, daß die Polen mit inigem Recht gegen uns jetzt vorgeben, so ist es nicht wahrg daß die Polen unterdrückl worden ind. Sie hatten alle Rechte und Freiheiten wie jeder andere unferer Staatsbürger. Was wir ver— langt haben, war, daß es Pfficht des Reiches ist, die Deutschen zu

schon von Friedrich dem Großen gedacht worden war und wee er wieder aufgenommen wurde durch Bismarck. Den Höhepunkt der Illufions—

. gegen Pelen erreicht die Proklamation vom 5. Nobember 1916. ir uff unbedingt verlangen. daß in unseren Gesandtschaften und Konsulaten sackderständige Leute sitzen, die die Dinge verstehen, die der olnischen f g e und gefeit sind gegen die Bestechlichkeit urch polnis Lieben swür igkeit und Gewan Hheit. Die Forderung der Pꝛevinzialsynode in Posen, mit der evangelischen Mutterkirche in Deutschland vereinigt zu bleiben, darf nicht überhört werden. Das Dentschtum steht und fällt mit der Erhaltung der evangelischen Kirche in Posen und Westpreußen. Die Ministerauscwahl erfolgt heutzutage nicht nach der Befähigung, sondern aus Rüchichten der Ʒreundschaft. Der Minifter des Nucmwöäͤrtgen wandte sich heftern en den! Nan; nalismus. Unter, Nationalismus verftehe ich das Pekenntnis zum Vaterland; ohne dieses starke vaterländische Empfinden würde auch die Abstimmung in Schleswig zweifelhaft gewesen sein. Bismarck wünschte seinem Volke sogar etwas mehr Ehaupinismus. Womit will der Minister unsern Feinden imponieren, wenn er nicht ein starke nationale Strömung hinter sich hat? Der Minister des Auswärtigen muß herausgehoben werden aus dem parlamentarischen Strudel. Wir haben in kurzer Zeit schon drei Minister des Auswärtigen gehabt. Das ist etwas reichlich da fann der einzelne sich gar nicht einarbeiten Nensch wird von einem heutigen Minister

und einleben. Kein Bismarckische Taten verlangen, wohl aber kann er dafür sorgen, daß

wir nicht auf Gnade oder Ungnode unseren Feinden preisgegeben sind. Mit der verfehlten Versöhnungepolitik muß gebrocken werden. wir dürfen nicht mehr an die Güte und Gerechtigkeit unserer Feinde glauben; das sehen wir an Frankfurt, Eupen und Malmedy, und so ist é guch in der Pstmark. Sehen wir die Dinge nicht nach kbrer Wir. lichkeit an, so nimmt es mst unserer Polt fit ein gutes Ende. (Beifall rechts.)

Reichsminister des Auswärtigen Dr. Köster Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Schultz hat uns hier eine Menge interessanter Dinge auch für mich interessant und, wie ich sagen muß, neuer Dinge erzählt. Erwarten Sie nicht, daß ich darauf eingehen werde. Ich werde mich lediglich an das halten, was die

Interpellation an sachlichen Fragen und Anregungen gebracht hat, und auf diese Anregungen eingehen.

Der Herr Abgeordnete Heidsieck hat mir den Rat gegeben, doch dafür zu sorgen, daß Polen zukünftig im Auswärtigen Amt ein eigenes Ressort, ein eigenes Referat bekommt, daß besonders die pol⸗ nischen Dinge nicht mit den russischen zufammen behandelt werden. Wenn der Herr Abgeordnete gemeint und angeregt hat, daß Polen etwas bekommen soll, was kein anderer Stagt und kein anderes Land hat, dann muß ich ihm emwidern, daß das unmöglich ist. Aber ich glaube, daß das, was er wünscht, in der jetzigen regionalen Neu— einteilung des Auswärtigen Amts vollkommen schon erfüllt ist. Die Sachen liegen heute so, daß von den sechs Abteilungen, in die das Auswärtige Amt eingeteilt ist, ei ne Abteilung den gesamten Osten und Norden umfaßt. Diese Ostabteilung ist in drei Unterabteilungen gegliedert, von denen eine Abteilung Rußland, eine Polen und die übrige den skandinadischen Norden umfaßt. Sie sehen also hier, daß das relativ kleine Polen ein vollkommen selbständiges Referat neben Rußland, neben den gesamten nordischen Staaten bekommen hat. Da dieses Unterreferat nun aber in sich wieder in ein wirt— schaftliches und ein politisches geteilt ist, so glaube ich, daß auch die Wünsche, die der Herr Abgeordnete Heidsieck in bezug auf die Be. rücksichtigung der wirtschaftlichen Fragen in unserem Verhältnis zu Polen geäußert hat, geniigend gewahrt sind.

Der Herr Abgeordnete Schultz hat die Regierung auf die Mög—⸗ lichkeit hingewiesen, daß in einem Zusatzprotokoll vom 9. Januar dieses Jahres Abmachungen mit der polnischen Regierung getroffen sein könnten, die der polnischen Regierung das Recht zu denjenigen Schwierigkeiten und Vexationen geben, unter denen wir jetzt im Äb⸗= stimmungsgebiet zu leiden haben.

Ich stelle fest, daß es Zusatzprotokolle vom 9. Januar zwei gibt. Diese Zusatzprotokolle sind von der Regierung veröffentlicht und befinden sich seit mehreren Wochen in den Händen aller Ab⸗ geordneten. Das erste dieser Zusatzprotokolle betrifft lediglich die Eisenbahnen und das Material der Eisenbahnen, die Fernsprech⸗ verbindungen, Post⸗ und Telegraphenanstalten, und legt nichts weiter fest, als daß die deutsche Regierung derpflichtet ist, vor dem Abzug ihrer Truppen und ihrer Beamten dieses gesamte Eisenbahnoerkehrt⸗ und Fernsprechmaterial in der normalen Stärke dort zu lassen. Das zweite Protokoll vom 9. Januar bringt nichts weiter, als daß die deutsche Regierung, wie der Her: Abgeordnete Schultz sich doch längst hätte informieren müssen, verpflichtet ist, im Einver—⸗ ständnis mit der polnischen Regierung festzustellen, in welchem Um— fange sie zur Zahlung von Pensionen beizutragen hat, wie die Ver⸗ pflichtungen aus ihrer Bürgschaft für die Ausgabe von polnischen Markwerten geregelt werden sollen usw., tut also nichts weiter, als daß es die deutsche Regierung zu Vereinbarungen mit der polnischen Regierung verpflichtet, und diese Vereinbarungen, zu denen wir uns da verpflichtet haben, werden ja jetzt gerade in Posen und in Paris ausgeführt.

Es gibt also in den beiden Zusatzprotokollen vom 9. Januar nicht den geringsten Anhalt, nicht die geringste Basis dafür, auf die sich die polnische Regierung bei irgend einer, auch nur der kleinsten Schwierigkeit, die sie unseren Beamten oder unserer Bevölkerung macht, berufen könnte.

Drittens, meine Damen und Herren, bin ich von zwei Seiten darauf hingewiesen worden, daß das Deutsche Reich weiterhin die

disie haben in din r alben en rn, enn Rahmen des Friedens.

Pflicht hat, sich un Danzig zu kümmern. Ich stelle fest, daß, als

einen stärkeren Resonangzboden für unsere Klagen über die polnischen

stüßen. Dies war der Grundzug unserer Ostmarkenpolitik, wie er

Hetze zu treiben.

gleich zwiscken dem

.

.

vertrages hinaus gewisse Konzessionen unsererseits eingeräumt hat und

ich vorhin von den abgeschnürten deutschen Gebieten und von den abgeschnürten deutschen Bewohnern gesprochen habe, ich selbstver⸗ ständlich in einem anderen Sinne freilich als Ostpreußen auch Danzig damit gemeint habe. Danzig ist wirtschaftlich, Danzig ist staatlich von uns getrennt; wir werden aber niemals aufhören, Danzig im höheren Sinne zu betrachten als einen Teil unseres Volkes (Bravo und die Danziger zu betrachten als Glieder unseres Stammes. Beifall)

Ich weiß, daß es sehr schwer ist, die wirtschaftlichen Forderungen der Danziger zu erfüllen. Danzig ist wirtschaftlich Ausland, und es ist selbstverständlich, daß die deutsche Industrie bei dem Versand nach

.

Danzig hin begonnen hat, Auslandspreise von den Danzigern zu

fordern. Das ist in einer Weise selbstverständlich für die Danziger schwierig; in der anderen Richtung, meine Damen und Herren, ver⸗ gessen Sie aber nicht, daß eine gewissenhafte Wirtschaftsführung in Deutschland verpflichtet ist, genau darauf zu achten, ob nicht hier unter dem Deckmantel von nationalen Sentiments wirtschaftliche Aktionen vorgenommen werden, die wir nicht anders als mit dem deutschen Wort „Schiebungen“ bezeichnen können. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich weiß aus Nohꝛdschleswig, welche Kämpfe wir dort aus— zustehen gehabt heben. Ich weiß, wie von Monat zu Monat mehr die Tendenz dahin ging, in das Abstimmungsgebiet in der ersten Zone

n Sbne,

das höchstwahrscheinlich an Dänemark fallen würde, Waren von Deutschland hineinzuschieben. Ich weiß von deutschen Firmen, die noch

nicht drei, noch nicht zwei Wochen oben in Nordschleswig wohnten und schon an uns große lamentierende Briefe schrieben und sagten, sie wären Deutsche, es ginge ihnen schlecht und wir müßten ihnen helfen, weil sie eben Deutsche wären. (Hört, hört! bei den S demokraten.)

Soweit ich unterrichtet bin, ist das in Danzig zum Teil auch der Fall, und darum weise ich Sie darauf hin, und möchte diejenigen Herren, die Beziehungen nach Danzig haben, bitten, daß sie auch in der Danziger Bevölkerung diese Aufklärung schaffen.

Ich sage nochmals: eine Wirtschaftsführung, die weiß, wa

ö ,,

Pflicht ist muß darauf achten, daß nicht unter dem Deckmantel solcher

gefühlsmäßigen Regungen dort solche Schiebungen begünstigt werden. (ustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Im übrigen aber, glaube ich, ist es die Meinung auch des gesamten Hauses, wenn wir sagen, daß das deutsche Volk und die deutsche Regierung niemals vergessen werden, daß Danzig ein Stück des deutschen Volkes ist und bleibt. (Lebhafter Beifall.)

Sierauf nimmt der Reichskanzler Müller das Wort, dessen Rede wegen verspäteten Eingangs des Stenogramms erst in der nächsten Nummer d. Bl. in Wortlaute wiedergegeben werden wird.

Abg. Henke (u. Soz ): Der Abg. Schultz hätte alle Veran⸗ lassung, mit dem neuen Minister des Aeußern zufrieden zu sein, denn er hat in seiner Antrittsrede so nationalift be Täöne angeschlagen, daß wir ihm kein Vertrauen entgegenbringen können. Herrn Schultz ist es nur darauf angekommen, nech in letzter Stunde eine nationalistische

Wohin soll eine solche Heze führen in einer git; wo uns das Vertrauen des Auslandes so bitter notwendig ist? zas fragen diese Herren aber nach dem Volksmohl! Die Herren haben immer nur ihre Privatinteressen im Auge gehabt, aber so getan, als ob ihnen das Wohl des Volkes am Herzen liegt. Wir könnten ein langes Sündenregister der alten preußischen Regierung gerade in der Polen— politik aufrollen. Es st eine Dreistigkeit sondergleichen, auf Bis⸗ marck hinzuweisen. denn gerade dieser ist für die preußische Polen⸗ verarrtwortlich. Herr Schultz als alter Monarchist follte sich

och erinnern, wie Wilhelm II. die Minister hat kommen und gehen

heißen. Hoffentlich sieht das neue Parlament Herrn Schultz nicht wieder, SHeiterkeit). Das parlamentarische System ist doch dem

alten System weit überlegen. Die Herren möchten das System Lütt⸗ witz wieder hahen. Die deutschen Arbeiter werden sic durch die nationalistische Hetze der Leute, die sie in den Sumpf geführt haben, nicht verführen lassen, sondern die Herren Schultz und Konsorten

ebenso beseitigen, wie den Jürsten Bismarck. Wir wollen von dem

Minister des Aeußern eine Politik, in der die Gesetze der Moral . den Völkern ebenso gellen wie zwischen den einzelnen Menschen. Herr Schultz will nur von den Putschen ablenken. Das W. T. B.“, das heim Kapp⸗Putsch im Dienste der Hochverräter tätig gewesen ist, hat kürzlich gemeldet, daß ein polnischer Militärputsch beabsichtigt sei. Diese Meldung ist von Leuten inspiriert, die im Geiste des ö. Schultz Politik treiben, um von den deutschen ar . ö, abzulenken. Die Rede des Herrn Schultz hat nur omisch gewirkt.

Abg, Schultz⸗Bromberg bemerkt persönlich: Der Abg. Henke ö. in seiner liebenswürdigen konzilianten Weise gefagt, daß meine Rede nur komisch gewirkt habe. un das richtig ist, so begreife ich nur nicht, warum er soviel trauriges Zeug darüber geredet hat.

(Heiterkeit. In dritter Beratung wird der Gesetzentwurf über die

Verlängerung der Schutzdauer von Patenten und Gebrauchsmu stern angenommen.

Es folgt die zweite Beratung des Entwurfs eines Reichs— ausgleichsgeletzes (Abwicklung von Geldverbindlich— keiten zwischen Deulschen und Angehörigen alliierter oder assoziierker Staaten durch Vermittlung von Prüfungs- und Ausgleichsämtern auf Grund des Friedensvertrages).

S 1 bestimmt die K eines . und Aus⸗ ae ,. unter der Bezeichnung „Reichsausgleichsamt“ mit em Sitze in Berlin.

Berichterstatter Dr. Rieß er (D. V.): Trotz einiger Bedenken kann ich mich mit diesem sorgfältig ausgeskbeifeten Gesetzzentwurf ab— finden. Es ist xichtig, daß die Balutabifferen; nicht dem Schuldner zur Last fallen soll. Bas Reich erleidel alle dings einen Ausfall daburch,

daß die mittlere Linie zwischen den Interessen des Gläubigers und des

Schuldner innegehalten ist, und dieser Ausfall muß in Steuern wieder zufgebracht werden. Der leitende Gesichtspunki ist aber, daß wir den Wiederaufbau des Reiches ermöglschen müsfen; das muß der Kern unserer, Wirtschaftsvolltik sein. Wir müssen unseren Export wieter lebensfähig macken, und dag müssen wir auch in der Steuerpolitik be— gchten. Wenn wir den Wiederaufbau nicht erreichen, ist alle unsere Mühe vergeblich.

Abg. Schneider Franken (Zentr): Wir sind mit einem Aus . . Valutagewinn und dem Valutaverlust einder⸗ standen, aber wir müssen dabei den Vorbehalt machen, daß daraus keine Lonseguenzen für unsere künftige Steuergesetzgebung gezogen werden. Das Papiergeld ist kein richtiger Wertmesser für das Vermögen und der fiktive Gewinn kann nicht als Vermögenszuwachs besteuert