1920 / 144 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Jul 1920 18:00:01 GMT) scan diff

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männischer Angestelltenverbände und der Gewerk— schafts bund der Angestellten hahen beantragt, den zwischen ihnen an Stelle des allgemein verbindlichen . vom 25. August 1919 am 1. März / C. April 1920 abge- schlossenen, Tarifvertrag zur Regelung der Gehalts- und Aastellungshedingungen der kaufmannischen Angestellten im Papier- unh. Schreibwarenhandel und des graphischen Ge— werbes mit Ausnahme des Zeitungsgewerbes gemäß § 2 der Verordnung vom 23. Dezember 1918 Reichs⸗Gesetzbl. S. 1456) für ö. Gebiet der Stadt Hamburg für allgemein verbindlich zu erklären.

gegen diesen Antrag

. Cinmwenbungen können bis zum 15. Juli 1920 erhoben werden und sind unter Nummer

JI. R. 7258 an das Reichsarbeitsministerium, Berlin, Luisen⸗ straße 33, zu richten. Berlin, den 23. Juni 1920. Der Reichsarbeitsminister. J. A.: Dr. Sitz ler.

Bekanntmachung.

Der Zentralverband der Angestellten, Bezirk Groß Berlin in Berlin 8W. 61, Bellealliancestr. 7/10, hat be⸗ antragt, den zwischen ihm, dem Groß Berliner Arheit—⸗ geberverband des Großhandels und dem Verband Berliner Grossisten für Glas und Keramik am 23. Februar 1929 abgeschlossenen Tarifvertrag nebst Nachtrag (Vergleich) vom 2. Juni 1920 zur Regelung der Gehalts- und Anstellungsbedingungen der kaufmännischen An— gestellten des Glas- und Keramikgroßhandels gemäß § 2 der Verordnung vom 23. Dezember 1918 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 1456) für das Gebiet des Zweckverbandes Größ Berlin für all— gemein verbindlich zu erklären.

Einwendungen gegen diesen Antrag können bis zum 15. Juli 1920 erhoben werden und sind unter Nr. VI. E. 1792 an dag Reichsarbeitsministerium, Berlin NW. 6, Luisenstr. 3 / zu richten.

Berlin, den 23. Juni 1920.

Der Reichsarbeitsminister. J. A.: Dr. Sitzler.

/

Bekanntmachung.

Unter dem 12. Juni 1920 ist auf Blatt 1189 des Tarif— registers eingetragen worden:

Der zwischen dem Verhand der Arbeitgeher der Elektro— technik in Sachsen, der Arbeitsgemeinschaft freier Angestellten— verbände, Ortskartell Leipzig, dem Gewwerkschaftsbund, kauf— männischer Angestelltenverbände, Landesausschuß Sachsen, und dem Gewerkschaftsbund der Angestellten, Landesgeschäftsstelle Leipzig, am 12. Februar 1920 abgeschlossene Tarifvertrag zur Regelung der Gehalts- und Anstellungsbedingungen für die kaufmännischen und technischen Angestellten in der Elektro— technik wird für die Betriebe der Elektrotechnik mit Ausnahme der Eleftrizitätswerke und der Betriebe der Metallindustrie gemäß 8 2 der Verordnung vom 23. Dezember 1918 (Reichs— Gesetzbl. S. 1456) für das Gebiet des Freistaates Sachsen für

allgemein verbindlich erklärt. Die allgemeine Verbindlichkeit beginnt mit dem 1. Januar 19209. Mit dem gleichen Zeit-

punkt tritt die allgemeine Verbindlichkeit des Tarifvertrags

vom 30. Juni 1919 für das Gebiet der Stadt und Amtshaupt—

mannschaft, Leipzig außer Kraft. Die allgemeine Verbindlichkeit erstreckt sich nicht auf Arbeitsverträge, für die besondere Fach— tarifverträge in Geltung sind. Der Reichsarbeitsminister. J. A.: Dr. Sitzler.

Das Tarifregister und die Registera ten können im Reichsarbeiks⸗ ministerium, Berlin NW. 6, Luisenstraße 33s34, Zimmer 161, während der regelmäßigen D ienststunden eingesehen werden.

Arbeitgeber und Arheitnehmer, für die der Tarifvertrag infolge der Erklärung des Reichsarbeitsministeriums verbindlich ist, können von den Vertragsparteien einen Abdruck des Tarifvertrags gegen Er— stattung der Kosten verlangen.

Berlin, den 12. Juni 1920.

Der Registerführer. Pfeiffer.

Nichtamtliches.

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.) Deutscher Reichstag. . 5. Sitzung vom 1. Juli, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger) *)

Auf der Tagesordnung steh zunächst die zweite Lesung der Vorlage wegen weiterer vorläufiger Regelung des Reichshaus— haltsplans für 1920. Die Beratung wir! , ausgesetzt, da der Haushaltsausschuß seine endet hat.

Ein Antrag sämtlicher Fraktionen mit Ausnahme der II. Soz. und der Deutschnationalen ist auf Niedersetzung einer Kommission von W Mitgliedern zur ,, der Unzuträg⸗ lichteiten gerichtet, wel durch den 10prozentigen Steuerabzug von Löhnen und Gehältern hervorgerufen worden sind. Der Antrag wird nach den Vorschlägen des Aeltestenrats ohne Erörterung angenommen, und es werden diesem Ausschuß auch die . bezüůglichen Anträge der Deutschnationglen und der U. Soz. mitüberwiesen. Der Aus . alsbald zusammentreten und in 2— 3 Tagen Bericht e en.

In allen 3 Lesungen gelangt ferner der Gesetzentwurf über ein deutsch französisches . über elsa ö rin⸗ gische Rechtsangelegenheiten ohne Erörterung zur Annahme.

Darauf setzt das Haus die Zesprechung der Er— klärung der neuen Reichsregierung fort. Es liegt dazu der Antrag der U. Soz. auf Erteilung eines Mißtrauensvotums vor.

orberatung noch nicht be⸗

Abg. Müller - Franken (Soz.): Mit dem Abgeordneten Dr. Heim bin ich darin vollkommen einig, daß es eine

sehr wichtige Aufgabe ist, die heimische Landwirtfchaft zu stärken und daß dazu auch gehört die Aufgabe, ihr Kraftfuttermittel

) Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben werden.

Regierung einreten, die d in Konsequenz des Versgiller Friedens nach Spaa zu gehen.

aus dem Auslande zuzuführen. unsere leben Ter, im Auslande zu spät erfolgt seien und daß wir darum jeden Preis hätten zahlen müssen; wir haben leider bereits im September sehr große Einkäufe machen müssen, weil unsere Landwirtschaft den Bedarf nicht decken konnte. Parteipolitische Kämpfe im Hause müssen wir in der Tat beschränken, denn sie bringen uns kein Pfund Brot und keine Arbeitsstunde ein. (Lebhafte Zu⸗ stimmung.) Aber ein Wort mu Er meinte, wir seien bei den Wahlen nach allen zusammengehauen worden. Nachdem wir amerthalb Jahre hindurch die Verantwortung in der Regierung hatten, war es uns klar, daß wir Verluste haben mußten. Hätten die Unahhängigen an unserer

Irrtümlich ist seine Annahme, daß

ich doch Herrn Ledebour erwidern.

Regeln der Kunst

Stelle gestanden, ich möchte einmal sehen, wieviel dann von ihnen hier

säßen. Lärm bei den U. Soz.)

(Sehr gut! und lebhafte Zustimmung.

Immerhin sind wir die stärkste Partei geblieben, und es gibt kein

Land, wo die Sozialdemokratie eine solche Kraftfülle aufweist. Prophezeiung Hergts von der allmählichen Rückwärtsrevidierung des Hauses nach rechts macht mir keine Sorge. Meine Partei lehnt es ab, den Spuren der russischen So— zialdemokraten zu folgen, sie bleibt in den Bahnen der Demokratie. (Fortgesetzter Lärm der U. Soz) Ob man in Rußland noch von Sozialismus reden kann, werden wir ja demnächst erfahren, denn es ist ja nach unendlichen Mühen gelungen, auch einer deutschen Delegation die Einreiseerlaubnis

Die

zu verschaffen. Den Klassenhaß hat meine Partei dauernd abgelehnt.

Von dem Mord an Paasche, der durchaus kein Gewaltmensch war, erwarten auch wir, daß er gesühnt wird. Die Unabhängigen dürfen sich am allerwenigsten darüber beschweren, daß die Mili tär⸗ gerichtsbarkeit nicht aufgehoben wurde, denn von ihren 2 Mit⸗ gliedern haben in der entscheidenden Sitzung nicht weniger als 6 ge⸗ fehlt. (Große Unruhe der U. Soz.) Meinen Freurd Noske muß ich gegen Ihre Vorwürfe entschieden verwahren. Wenn die Ge⸗ schichtschreibung dereinst die bedeutenden Männer dieser Revolutions⸗ epoche verzeichnen wind, dann wird Noske zu den Großen gehören, Sie Herr Ledebour, aber nur zu den Kleinen. Fortdauernder Lärm bei den U. Soz) Noskes Verdienst ist es, uns vor dem Chaos be⸗ wahrt zu haben. Eebhafter Beifall. Großer Lärm der U. Soz.) Ich würde mir treulos vorkommen, wenn ich diese Worte nicht aus— spräche. (Lachen und Pfuirufe der U. Bei den Wahlen haben nicht nur wir, sondern auch die anderen Koalitionsparteien verloren. Für uns stand es fest, daß die alte Koalition keine tragfähige Mehr— heit mehr hatte. Man hat uns in Ihren Reihen lzu den U. Soz.) oft genug als Kleber, Streber und Pfründenjäger hingestellt, da war

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es der gegebene Zeitpunkt, die völlige Grundlosigkeit dieser An⸗ schuldigungen durch die Tat zu beweisen. Ich unterschreihe jedes Wort des Abg. Trimborn betreffs des Reichskanzlers, daß er

ein außerordentlich schweres Opfer dem Vaterlande in dieser außer—⸗ ordentlich schwierigen Situgtion gebracht hat. Weder das Zentrum, noch die Demokraten wollten einen allgemeinen Bürgerblock mit⸗ machen. Um uns bangte alles, trotz hem die „Tägliche Rundschau“ vor der November sychose gewarnt hat, als ob es ohne die Sozialdemokratische Partei nicht abgehen könnte. Darüber konnte man nicht im Zweifel sein, daß wir an einer nach rechts hin verbreiterten Koalition unmög⸗ lich beilnehmen konnten. Wir wollten nicht in eine Koasstion hinein⸗ gehen, an der die Deutsche Volkspartei beteiligt war. Wir konnten nicht dieselbe auswärtige Politik treiben, die die Deutsche Volks⸗ partei bis in die letzte Zeit hinein getrieben hat. Wir sind nicht nur

Dutsche sondern wir sind auch Curmppäer, wir wollen euro— päische Politik, und wir sind Kosmopoliten und wollen Kosmo

politik haben. Wenn die Deutsche Volkspartei die Monarchie für die . Staatsform hält, so möge sie es ruhig tun, aber so wie Deutschland heute in der Welt dasteht, können wir uns den Luxus mongrchistischer Propaganda nicht leisten und können nicht in eine sese Propaganda will. Wir waren doch be⸗ reit, Nur der Ausfall der Wahl hat uns darem gehindert, dies zu tun. Man hat behmnmtet, meine, Partei wollte nicht in die Regierung eintreten, weil sie Scheu vor der Verantwortung hätte, und daß wir lieber in die Opposition gehen wollten, was uns besser paßte. .Ich glaube, tei kann niemand nachsagen, daß sie die Verantwor⸗ tung gescheut habe. Die Deutsche Volkwwartei ist eine der motorischen Nräfte, die in Zukunft die deutsche Polrtik bestimmen werden. Die Deutsche Volkspartei wird bald gelernt haben, daß man mit der schönsten Theorie nicht auskommt. Das ist eben der tragische Konflikt. Wenn die Deutsche Volkspartei diesen Konflikt gelöst haben wird, dann werden wir die ersten sein, die den Hut vor ihr ziehen, aber auch nur erst donn. Was ist den Wählern nicht alles ver⸗ sprochen worden! Wie hat man nicht den Koalition s arteien die Schuld an allem gegeben! Die Deutsche Volkspartei hat gefragt, wohin hatte uns die Schuld der Mehrheitsparteien gebracht? Erstens hat sie uns in die Schäuszen hineinzebracht; aber es darf nicht ver⸗ gessen werden, daß wir den Krieg abrmwickeln hatten. Es ist uns vor⸗ geworfen worden, daß wir eine umerantwortliche Papiergeldwirtschaft Fetrieben haben. Ja, eine Gosdwirssckaft zu treiben, war uns beim besten Willen nicht möglich. Ich bin gespannt darauf, wie Sie uns aus der Papiergeldwirgchaft herausführen werden. Darüber werden wir uns in drei bis sechs Monaten ja sprechen. Wir mußten Nahrungs⸗ mittel einführen zu Valutapreisen. Wir werden sehen, ob Sie etwas Besseres finden. Unser ganzes Wagenmaterial ift kaputt, dabei sind alle Materiakpreise o gewallig gestiegen. Auch darüber werden wir uns zu unterhalten baben. Deshalb sind wir nicht in der Lage ge—⸗ wesen, uns mit Ihnen auf ein Programm. zu einigen, von dDessen Durchführbarkeit wir beim beften ö. nicht überzeugt waren. Mein Freund Scheidemann bat rei nambergesetzt daß wir der Reierung gegenüber eine abwartende Haltung einnehmen werden. Deshalb werden wir nicht für das Mißtrauensvotum stimmen, das die Unabhängigen beamtragt heben. Der Ausdeuck „Fachminister“ ist doch nur ein Schlagwort. Tirpitz nw Heffferich waren auch Fach⸗ minifter. Die er,, ist von Fachmini stern durchgefirhrt worden, und die Kriagägesellschaften sind von Fachministern ins Leben rufen worden. Es war ein Unglück für Deutschland, daß wir damals Fachminister hatten, die nicht die genügende polische Erfahrung be⸗ saßen. Sowohl das Tabinett des Reichskanzlers Bauer wie mein Kabinett hat sich Mühe Fachleute he manzuziehen, Kawai täten des Wirtschafts lebens der haben die meisten damals abgelehnt, wie z. B. Herr Dr. Simons. Ueber den Zusammenhang des Wahl⸗ ausfalls mit der quswärtigen Politik werden wir später sprechen. Wie konnten wir überhaipt in diesem roche nen Deutsch ond ur Arbeit kommen, wo man uns über 6 Monate hat warten lassen, is man zur Unterzeichnung des Friedensvertrages und zum Austausch der Schlushmrotosolle gefommen ist! Die Entente soll sich an die Brust schlagen und fagen: nostra culpa, nostra maxima culpa. Ich unterschreibe das, was der Abg. Schiffer vom Friedensvertrage hat, nämlich daß er nicht erfüllbar ist. Er muß unter allen Imständen abgeändert werden. Ich bin sest überzeugt, man das nicht nur in Italien, sondern auc in England und Frankreich ein⸗ sehen wird, daß die Rolitik des Versailler Vertrages unmöglich ist. Die deutsche Roagierung muß eine bewußt pazifistische sein. Wenn die Regierung eine solche Politik treibt, wie . die alte Koalitions⸗ regierung betrieben hat, so wird sie die überwiczende Mehrheit des deutschen Volkes duf ihrer Seile haben. Der Reichskanzler hat er— klärt, die Regierung sei bemüht, das Reichsschif über Wasser zu halten und vor dem Schiffbruch zu bewahren. Das ist auch das unentwegte rogramm meiner Partei gewesen. Wenn wir aus der Regierung ausgetreten sind, wenn wir das Steuer dieses Schiffes aus der Hand gelegt haben, verlassen wir das Schiff doch nicht, sondern sind nach wie vor bereit, mitzuarbeiten, daß es über Wasser gehalten werde. Das wollen wir, damit die junge Republik weiterlebe. (Qebhafter Beifall links.) Dr

Reichsminister der Finanzen Dr. Wirth: Geehrte Mitglieder des Reichstags! In der lebbaften Rede des Herrn Abgeordneten Müller war eine interessante Unterbrechung zu verzeichnen durch einen scharfen Zwischenruf des Herrn Abgeordneten Dr. Helfferich, der vor⸗ hin hierher gerufen hat, nun, in seiner Zeit sei es immer noch besser

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gemacht worden in der Finanzpolitik, als es heute gemacht wird. (Lachen bei den Sozialdemokraten) Es liegt mir jede Polemik fern. Denn gesährlich ist's, den Leu zu wecken. (Heiterkeit) Mir kommt es nur darauf an, in ruhiger, sachlicher Darstellung die Tatsachen der finanziellen Entwicklung bis zum heutigen Zustand vor Ihren Augen in wenigen Worten zu entwickeln. Ich werde Sie nicht zu lange auf⸗= halten. Ich will aber einen Satz vorausschicken, den Sie in wenigen Tagen in der Ihnen zugehenden Denkschrifi lesen werden, die über die Gesamtenwicklung unserer Finanzen seit dem Jahre 1913 Auskunft gibt. Dort ist der Satz verzeichnet: So wuchsen die Schuldzinsen, die 1915 erst 147 Millionen Mark betragen hatten, im Jahre 1916 bereits auf 25185 Mill onen Mark an.

(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten und im Zentrum.) Wären die übrigen Ausgaben des ordentlicken Etats wie sie sich im Frieden gesteltet hatten, unverändert beibehalten und dazu nur die Zuwachssumme aus dem Joahresbedarf der Reichsschuld zugezählt worden, so würde im Jahre 1916 der ordentliche Finanzbedarf des Reiches ohne die BetriebBwerwaltungen rund 5 Milliarden Mark betragen haben.

(Hört! im Zentrum.) Im Jahre 1916 aber standen an sämtlichen laufenden Einnahmen nicht ganz? Milliarden zur Verfügung.

Hört, hört! bei den Sozialdemokraten und bei den Deutschen Demo⸗

kraten.) Es wären also schon für das Jahr 1916 mindestens 3000 Millionen Mark neuer Steuern notwendig gewesen,

hört hört! bei den Sozialdemokraten und bei den Deutschen Demo⸗

kraten) um die forflaufenden Ausgaben zu decken, wenn man nicht die Friedensausgaben für die Wehrmacht und andere Posten auf die außerordentlichen Ausgaben genommen hätte.

(Zuruf von den Deutschen Demokraten: Aufs Konto der künftigen

Kriegsentschädigung.)

Ich möchte mir also nur die eine kritische Bemerkung erlauben: So schlecht wir es auch jetzt vielleicht nach Ansicht unserer Kritiker mochen, so erlaube ich mir doch, nack rechts auf Grund dieser soeben erwähnten Tatsachen aus dem alten Studentenlied die Bemerkung zurückzugeben:

Gedenke der Zeit, wo Du dereinst Vielleicht es noch ärger getrieben. (Bravo! bei den Deutschen Demokraten und große Heiterkeit.)

In einer der letzten Sitzungen der Nationalversammlung habe ich die Ehre gehabt, die Finanzlage Deutschlands darzulegen. Schon aus meinen damaligen Ausführungen konnte jeder, der für die lakonische Sprache der Zahlen nicht abgestumpft ist, den Ernst umnferer Finanz⸗ lage ersehen. Die Dinge sind seitdem gewiß icht besser geworden; die Lage unserer Reichsfinangzen hat sich vielmehr in manchen Punkten wiel, viel sckwieriger gestaltet.

Zum Verständnis dieser schwierigen Lage ist aber notwendig, daß man einen Rückblick auf die Entwicklung wirft, welche unsere Finanzen vom Kriegsbeginn bis zur Gegenwart genommen haben. Um Ihnen nun ein eingehendes Bild von der Gestaltung unserer Finanzen seit Kriegsbeginn bis zur Stunde zu geben, habe ich eine Denkschrift aus⸗ arbeiten lassen, die Ihnen in den nächsten Tagen zugehen wird. Es liegt allein an den technischen Schwierigkeiten, daß Ihnen die wichtige Denkschrift nicht heute schon zugegangen ist. Wir haben aber in wenigen Tagen Gelegenheit, wenn wir aus der Kommission mit dem Antrag, betreffend Lohnabtzug, herauskommen, dann vielleicht darauf zu sprechen zu kommen. Solche Ziffern, wie sie Ihnen in der Demt⸗ schrift gegeben sind, muß man in ernsten, ruhigen Stunden auf sich wirken lassen, um die ganze Tragik, die in ihnen beschlossen liegt, zu erfassen und auch die harten Konsequenzen aus diesen Tatsachen zu ziehen.

Die Entwicklung der Reichsfinanzen seit 1914 zeigt, daß im Grunde genommen die Anfänge der jetzigen Finanzkrisis bis in die erste Zeit des Krieges zurückgreifen. (Sehr richtig) Denn schon damals begann sich das Mißverhältnis zwischen den Ausgaben, die normaler⸗ weise auf den ordentlichen Etat genommen werden mußten, und den laufenden Einnahmen herauszubilden. Schon damals setzte die schleichende Erkrankung unserer Finanzen ein und verschärfte sich von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat. Bei genauerem Zusehen kann man drei Entzoickelungestufen, um das in aller Kürze zu sagen, unserer Finamzwirtscherft unterscheiden und herausarbeiten. In der ersten Zeit des Krieges konnte noch aus dem Vollen der Volkswirtschaft geschöpft wewen, der Hochstand unferer wirtschafklichen Entwicklung, die Waren und Rohftoffe, die ganze Fülle von Sachgütern, mit denen wir in den Krieg eintraten, standen zur Verfügung. (Zuruf von der Deutschen Volkcpartei) Das werden Sie doch nicht bestreiten wollen? (Abgeordneter Dr. Rießer: Und doch sagen Sie: das zu⸗ samme gebrochene Deuischland! Unruhe und Zurufe bei den Deutschen Demokra zen: Was soll das heißen?) Ja, verehrter Herr Kollege Rießer, glonben Sie denn, daß jemand von uns bestreiten wird, daß das deutsche Volk zu Beginn des Krieges in großer Form dagestanden hat, gesättigt mit Kraft, gesättigt mit wirtschaftlicher und finanzieller Kraft! Es ist ja nur das eine, wenn wir zurückschauen, bedauerlich, daß die damals kraf wolle bürgerliche Gesellschaft in sozialer Beziehung nicht meilenweit vorwärts geschritten war. Cebhafte Zu— stinrmung bei den Deutschen Demokraten und den Sogialdemokraten.) Wir hätten die Stürme sozialer Zuckungen heute nicht vor uns ge— sehen, wenn wir damals den größeren Elan der Sozialreform bei⸗ behalten hätlen, wie er vor Jahrzehnten einmal beschlossen war. (Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten und den Sozialdemokraten. Zuruf von der Deutschen Volkæartei: Wo war das Zentrum?)

Es konnte aanyerordentlich viel Sachkapital in papiernes Kriegs kepital venvandelt werden. Das war die Zeit, wo die Anleihe politik auch volkswirtschaftlich auf breitester Basis stand, wo wir uns wirtschaftlich und finanziell noch nicht übernommen hatten.

Steuewolitisch sah es schon im Jahre 1916 ziemlich trübe aus. Das genannte Rechmmgsjahr erforderte, wie ich schon ausführte, be= reits zu dem Schuldendienst 2185 Millionen Mark, also mehr, als der ganze Friedenshaushalt des Reiches ohne die Betriebsverwaltung vor dem Kriege gefordert hat. Würde nicht ein Teil der Ausgaben des ordentlichen Kriegsetats auf den Kriegsfonds geworfen worden sein, so würde der Gesamtbedarf des Reiches, wie ich zu Beginn schon in einer kleinen polemischen Bemerkung sagke, des Jahres 1916 an

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laufenden Ausgaben sich auf und 5 Milliarden gestellt haben. Ich!

wiederhole: Die Einnahmen das genannten Jahres 1916 aber be⸗ trugen, wenn man von den Anleiheeinnahmen absieht, alles in allem kaum ) Milliarden Mark. (Hört, hört bei den Sozialdemokraten.) Es bestand also bereits damals ein Defizit von eiwa 3 Milliaiden Mark ungerechnet die Summen, die ausgegeben werden mußten für Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene.

Und nun bitte ich zu beachten: Vom Jahr 1917 ab beginnt die zweite Phase der wachsenden Finanznot. Unsere Vollwin tschaft ist damals schon stark ausgebeulet. Es hieße doch die Augen ver— schließen, wenn man nicht diese Tatsache der vollkommenen Aus— beutung im Jahre 1917 in den Vordergrund schieben wollte. Nun beginnt der eigentliche Raubbau an der physischen, materiellen und finanziellen Kraft unserer Nation. Der Krieg wird kostspieliger, die Teuerung steigt, eine volkewirtschaftliche Verarmung tritt ein und macht von Monat zu Monat progressiwe Fortschritte. In der Ent⸗ wickelung der Reichsfinanzen spiegelt sich diese Kräfteilberspannung wider, in dem Steigen der schwebenden Schuld und in dem wachsenden Mißverhältnis zwischen laufenden Einnahmen und laufenden Ausgaben. Trohdem die Kriegsanleihen glänzende Ergebnisse bringen, kann die schwebende Schuld durch sie nicht mehr ausge— glichen werden. Neben der starken Zunahme der Daueranleihen häuft sich auch bei uns in der zweiten Hälfte des Krieges ein immer größerer Berg von schwebenden Schulden, und bei Kampfende nähern sich diese der 50 Milliardengrenze ohne die dazugehörigen nicht ein— gerechneten Bürgschaftsschulden, über die ich nachher sprechen werde. Die Aufwendungen während des Krieges sind bei uns wie bei allen Nationen progressiv gewachsen, und der letzte Kampfmonat ich will das besonders hervorheben der Oktober 1918, erforderte allein an außerordentlichen Ausgaben 4.8 Milliarden Mark (Hört, hörth, also einen höheren Betrag, alls früher ein ganzer Krieg verschllungen hat. Dann kam der Zusammenbruch. Militärisch und politisch tritt die Krisis unserer Finanzen in das dritte Stadium. Es beginnt die geradezu beängstigende Zunahme der schwebenden Schuld. Das wind von uns nicht in Abrede gestellt. Diese mußte unvermeidbar ein— treten, denn einerseits fehlten dem Reich größere Steuerquellen, es fehlten die Grundlagen für die Aufnahme von festen Anleihen, und andererseits kamen Riesenausgaben als Restbestände und Folgen des Krieges hinzu. Die Liquidation des Krieges kostete von Monat zu Monat Milliarden von Mark und wird auch weiter noch große Summen verschlingen. Es stehen daneben die Ausgaben für einen unendlich harten Frieden. Es kommen hinzu die gewaltigen Summen, welche für die Verbilligung der Lebensmittel und für sonstige volkswirtschaftliche und soziale Zwecke aufgewendet werden müssen. Bei alledem wirkt der Zusammenbruch unserer Währung in geradezu unheimlicher Weise ausgabensteigernd. Wie das Budget jeder einzelnen Privatwirtschaft durch die Teuerung in die Höhe ge⸗ trieben wird, so ist es auch mit dem Riesenhaushalt des Reiches. Auch das Reich hat ungleich höhere Ausgaben infolge des Zusammen— bruches des Geldwertes. Nur machen sich hier die Wirkungen ge⸗ wissermaßen in potenzierter Weise geltend, weil auch für alle Ent— schädigungen nunmehr die außerordentlich überhöhten Nennwerte bezahlt werden müssen.

Der Haushalt von 1918 weist nach der Ihnen vorliegenden Denkschrift vechnungsmäßig eine Gesamtausgabe von 44 Milliarden Mark auf. In Wirklichkeit aber beträgt allein die Schuldemermeh— rung in dem genannten Jahre 51 Milliarden, so daß tatsächlich die Ausgaben des Jahres 1918 mindestens 583 Milliarden Mark be⸗ twagen haben müssen. Ich möchte diesen Satz noch einmal dem Sinne nach wiederholen: der Haushalt 1918 weist rechnungsmäßig eine Gesamtausgabe von 44 Milliarden auf. Tatsächlich hat die Schulden⸗ vermehrung 51 Milharden betragen. (Hört, hört! Hier stohen wir auf eine der unangenehmsten Tatsachen unserer Finanzwirtschaft: die zu späte Verrechnung bereits getätigter Ausgaben. (Sehr wichtig! bei den Sozialdemokraten) Die Verrechnung konnte im Laufe des Krieges gewiß immer weniger Schritt halten mit den tatsächlich getätigten Ausgaben. Die Restposten, die bei den einzelnen Rechnungen ber= bleiben, nahmen von Jahr zu Jahr eine immer größere Milliarden- höhe an. Die Haushaltziffern der ersten Friedensjahre werden da⸗ durch nicht unwesentlich aufgebläht, indem die bereits gemachten Ausgaben nunmehr erst zur Verrechnung kommen. (Zuruf des Ab⸗ geordneten Crispien) Für die werden Sie wohl die alte Koalition nicht verantwortlich machen. Herr Abgeordneter Crispien! Wenn ich Ihnen etwas Lustöges erzählen darf, so darf ich folgendes bemerken: Als ich in dieses Parlament eintrat, war ich noch ein etwas junger Mann. Da hat mir einer der Herren im großen weißen Bart gesagt: Lieber Herr Kollege, machen Sie mir keinen Zwischenruf, sonft haben Sie bald abgewirischaftet. (Heiterkeit)

Dazu kommt dann noch, daß eine ganze Reihe von Rechnungen aus früheren Jahren erst bezahlt werden müssen und so auch den tat— sächlichen Geldbedarf des jepigen Friedensjahres noch erhöhen. Hier liegen die Gründe, weshalb wir auch jetzt noch nicht sagen können, wieviel der Krieg uns gekostet hat.

Der Haushalt des Jahres 1919 damit nähern wir uns der Gegenwart weist rechnungsmäßig die geradezu fabelbafte Summe von 74 Milliarden Mark auf. Darunter sind allerdings 18 Milliarden Schuldentilgung enthalten. Aber auch wenn wir das abziehen, so über⸗ steigt doch die Summe von 725 Milliarden Mark jegliches Vor— stellungspermögen. An ordentlichen Ausgaben sind darin nach der Schätzung 144 Milliarden enthalten, an außerordentlichen Ausgaben ohne die Schuldentilgung aber 57 * Milliarden Mark.

2,9 Milliarden. stocken zu spielen. Ausgaben für die Lebensmittel

Der neue Etat von 1920 ist immer noch nicht fertig. Die Gründe lassung von Reparaturen und die sonstigen Schäden, die ich auf Mil-

sind Ihnen bekannt. In den großen Ziffern steht er aber doch im wesentlichen fest Die Hauptzahlen habe ick bereits im April in diesem Hause gegeben: ich will die wichtigsten Zahlen noch einmal in zwei bis drei Minuten wiederholen und in mancher Weise ergänzen. Nach den vorläufigen Aufstellungen die Ende April und Anfang Mal gemacht wurden, belaufen sich die ordentlichen Ausgaben auf annähernd 28 Milliarden Mark. Davon sind 23,8 Milliarden fortdauernde Aus— gaben und 42 Milliarden einmalige Ausgaben. In aroßen Posten zusammengestellt ergibt sich folgendes Bild und nun, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, sich diese Ziffern einmal vor Augen zu halten, um die vollen Wirkungen des Krieges für das Jahr 1920 zu erkennen —: Reichsschuld 12,4 Milliarden; Pensionen, Militärrenten, Hinterbliebenenversorgung 3.9, also annähernd 4 Milliarden; Ausgaben infolge der neuen Besoldungsordnung diese aufgetriebenen Gehälter sind auch eine Kriegsfolge (sehr richtig) 3 Milliarden; Ausgaben für die Volksernährung 3 Milliarden; Ausgaben für Heer und Marine für das jetzige 1,9 Milliarden; Reichsarbeitsministerium, das auch die Behandlung der Kriegsbeschädigten, die Lazarettbehandlung, unter sich hat, 11 Milliarden. Für alle übrigen Zwecke denn die Suzmnmen, die ich soeben nannte, stehen doch im engen Zusammenhang mit dem Krieg 2.7 Milliorden. (Hört hört) Das, bitte ich Sie einmal ins Auge zu fassen, um sich ein richtiges und ein gerechtes Urteil über die Finanzpolitik seit dem Tage, wo die alte Koalition die Ver— antwortung übernommen hat bilden zu können. (Sehr guth

Die Einnahmen des ordentlichen Haushalts sind so geschätzt, daß sich ergeben sollen an Verwaltungseinnahmen 02 Milliarden; an direkten und Einkommensteuern 10,3 Milliarden; an Züllen und Ver— brauchssteuern 9,1 Milliarden; an einmaligen direkten Steuern 3 Mil⸗ liarden; an Einnahmen aus dem Bankwesen und den Ausfuhrabgaben 2 Milliarden; an Ginnahmen aus noch nicht bewilligten Steuern Ich habe die Posten hier eingesetzt, um nicht Ver— Es hängt das mit der Frage zusammen, ob wir die mit neuen Einnahmen begleichen oder

ob wir sie auf den außerordentlichen Etat überm hmen wollen. Es wird Sache des Reichstags sein, darüber Beschluß zu fassen. Also

Einnahmen aus noch nicht bewilligten neuen Steuern 23 Milliarden.

Dabei ist zu bemerken, daß bei den direkten Steuern diejenigen Be⸗

träge, wulche auf die Länder und Gemeinden entfallen, nicht mit ein⸗ gestellt sind. Wenn neue 29 Milliarden Steuern bewilligt sind und alle diese Summen einkommen, so wird rechnungsmäßig es ist ja nur ein schönes Exempel zum ersten Male seit der Vorkriegszeit

wieder ein Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben im ordent⸗

lichen Haushalt erzielt werden. Bei den Schwierigkeiten der Veran⸗ lagung und besonders mit Rücksicht auf die noch nicht bewilligten neuen Steuern fürchte ich und fürchten Sie wohl mit mir sehr, daß

wir das gewünschte Ziel in diesem Jahre noch nicht erveichen. Was den außerordentlichen Haushalt anlangt, so sind ohne die

Fehlbeträge der Betriebsberwaltungen, auf die ich besonders zu sprechen

(Hört, hört)

Dabei ist zu bedenken, daß allein M6 Milliarden auf den Kriegsfonds

entfallen, daß 17 Milliarden zur Ausführung des Friedensvertrags ein⸗ gestellt sind, und daß die Restsumme von 16 Milliarden für Ab⸗ wicklungen und Wiederherstellungen verwendet sind.

Ich möchte die Herren, die an unserer Politik, solange wir die Verantwortung trugen, Kritik geübt haben, bitten, diese Zahlen auf ein Blatt Papier zu schreiben und sie in ihrem Kämmerlein an die Wand zu heften. (Lachen rechts) Jetzt lachen Sie, aber dabei werden Sie vielleicht Ihr eigenes Bild sehen. Jetzt erst zeigt sich die verwüstende Wirkung des Krieges. Die ganze Volkswirtschaft ist erschüttert und fordert Stützung durch das Reich. Die Lebensmittelmilliarden, die wir ausgegeben haben, die Hunderte von Millionen für die Verbilligung der Bartätigkeit und alle die anderen Summen, die hier in Erscheinung treten, zeigen, wie ungeheuerlich die Wirkung des Krieges die deutsche Volkswirtschaft belastet. Ein Haushalt von 72 Milliarden! Bedenken Sie nur, daß in der Vorkriegszeit das Volksvermögen auf 0 Milliarden geschätzt worden ist, und Sie werden einen Begriff bekommen von der ungeheuer schweren Situation, in der sich das Reich heute befindet.

komme, an Ausgaben vorgesehen 11,6 Milliarden, darunter 5 Mil⸗ liarden für den Friedensbertrag. Als ich damals, im Monat Apiil, diese 5 Milliarden hier in diesem Hohen Hause nannte, hat die seind⸗ liche und überhaupt die ausländische Presse auf unseren schlechten Willen hingewiesen, da wir nur 5 Millianden in den neuen Etat ein⸗ gestellt hätten. alten Etat 10 Milliarden verfügbar hatten. schon erklärt6, daß die weitereen Milliarden, die notwendig werden, um die Abtilgung der Emischäbigungsansprüche vorzunehmen, in den Haus— halt eingesetzt werden müssen.

Nun kommt die Abwichlung des alten Heeres und der alten Flotte, eines der vielen Sorgenkinder des Finanzministeriums. Sie erfordert weiter 2,1 Milliarden Mark. Die Ausgaben für de Kriegsgefangenen sind mit 1 Milliarde angesetzt, desgleichen 1 Milliarde als Ausgabe in⸗ folge der Tumultschäden. Wenn jetzt wieder Tumulte durch das Land vasen, können wir uns auf erhöhte Ausgaben bei den Entschädigungs⸗ ansprüchen gefaßt machen. Das ist die ungeheuenlichste Torheih, daß dieses deutsche Volk, das bettelarm ist, in dem Hunderttausende kaum ein ganzes Gewand am Leibe haben, in diesen Tagen der Not wieder Millionenschäden anrichtet in einem sinnlosen Tumult, der durch die Straßen rast.

Besonders in der Ausgabe für die Kriegsgefangenen zeigt sich di furchtbare Wirkung des Zusanmmenbzuchs unsever Valuta und de Mangels einer eigenen Handelsflotte.

Ueber die geradezu katastrehhale nchwichlung der Betriebsver⸗ waltung habe ich mich schon des öfteren geäußert. In der Schätzung ich bitte Sie, einen Augenblick mit Geduld diesem Satz zuhören zu wollen die noch bor wenigen Wochen vorgenommen wurde, rechnete man bei der Post trotz der erhöhten neuen Gebühren mit einem Fehlbetrag von 8ᷓ0 Millionen Mark, bei der Gisenbahn aber mit 12 Milliarden Mark, so daß sich ein annähernder Fehlbetrag der beiden großen Bezriebebernraltungen von 13 Milliarden Mark ergeben hätte. Die neueren Berechnungen aber kommen für die Eisenbahn zu noch ungeheuerlicheren Ziffern. Die Eisenbahnderwaltung allein rechnet jetzt ich beione das im ordentlichen Etat mit einem Fehlbetrag von mindestens 15 Milliarden Mark (hört, hört), und im außerordent⸗ lichen Gtat darüber vermag ich Ihnen zur Stunde eine bestimmte Auskunft nicht zu geben. Ich schähe aber, je nachdem man neue Dinge zurückstellt, auch noch Anforderungen in Höhe von 2—3 Milliarden Mark. Dieser Fehlbetrag bei den Reichseisenbahnen ich will den Satz stark unterstreichen ist ein Posten, der allein so groß ist wie unsere Ausgaben aus der Reichsschull und den Pensionen für die Kriegghönterhziebenen und beschadigten. (Hört, hört! rechts.)

Sie wissen, daß neue große Sorgen bei mir bereits angemeldet sind. Die Reichsverkehrsverwaltung steht in Verhandlungen mit den Eisenbahnarbeitern wegen Abschlusses eines großen Reichslohntarifes; die Mehrforderungen, die da gestellt werden, sind außerordentlich be⸗ deutsam. Aufgabe des Reichskabinetts und des Reichstages wird es sein, binnen kurzem dazu Stellung zu nehmen. Ich habe bereits im Haushaltsausschuß im April wie auch vorgestern betont, daß ich als Finanzminister einer demokratischen Republik unter keinen Umständen zugeben kann, daß die Mehraufwendungen für einen solchen Lohn⸗ tarif ohne Zustimmung des Reichstags etwa genehmigt werden können. Der Reichstag muß Gelegenheit haben, sich über diese Probleme zu äußern.

Die Ursachen der Fehlbeträge sind ja bekannt. Sie liegen einmal darin, daß während des Krieges mit unserem Verkehrswesen ein außer⸗ ordentlicher Raubbau getrieben worden ist. Dazu kommen dann die

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großen Schädigungen infolge des Waffenstillstandes, durch den uns

das beste Betriebsmaterial weggenommen worden ist. Die Unter⸗

Das Ausland hat aber übersehen, daß wir aus dem Ich habe aber damals

liarden von Friedensmark beziffere, müssen jetzt mit einem Viel⸗ fachen der früheren Preise bezahlt werden. Beim Veikehrswesen hat die Kriegswirtschaft gewissermaßen eine unsichtbare Anleihe auf— genommen, die jetzt eist beglichen werden muß. (Sehr richtig! ber den Deutschen Demokraten und den Sozialdemokraten.)

Der andere und Hauptgrund der außerordentlich schlechten Lage unserer Verkehrsverwaltung liegt in den riesenhaft steigenden Personal⸗ aufwendungen. Diese Aufwendungen drohen nunmehr noch stärker in die Höhe zu gehen. Und, meine Herren, ich will offen sprechen: es ist ein Unglück geschehen. Ich habe es so auch im Haushaltsaussc glaube ich, wörtlich gesagt. Wir haben hier in diesem hohen Hause kurz vor dem Auseinandergehen der Nationalversammlung allerdings in etwas kurzen Schlägen die große Reichsbesoldungsordnung der⸗ abschiedet. Ich habe damals kein Hehl daraus gemacht, wie groß die Sorge für uns war, die Mehraufwendungen von 3 Yeill arden aut die Reichskasse zu übernehmen. Wir haben abe geglaubt einen olchen Schritt tun zu müssen, weil wir sonst aus dem Hustande der Unruhe unter dem großen Heer der Beamten der Finanzve waltung, der Post und der Eisenbaha nicht mehr herauskommen wümen. Die Be⸗ soldungsordnung st verabschiedet worden, und ihre Verabschedung ist von den Beamten aller Gruppen begrüßt worden. Ich weiß, daß unter den Beamten vielfach auch noch weitere DVoffnungen bestanden haben. Ich habe diese weitergehenden Forderungen, die teilwense leidenschaftlich geäußert worden sind ich erinnere an die im DVaus⸗ haltsausschuß verlesenen Schreiben zurückgewiesen. Ich habe mit Ihnen und mit Ihrer Zustimmung es abgelehnt, daß wir neben der Verabschiedung der Reichsbesoldungsordnung gleichzeitig nebenher⸗ gehend noch eine außerordentliche einmalige Zuwendung geben könnten. Vielfach ist ja an mich der Wunsch herangetreten, daß wir bei Er— ledigung der Besoldungsomdnung gleichzeitig neben den laufenden Be⸗ zügen den einzelnen Beamten noch außerordentliche Beihilfen in Höhe von 1500 „, ja bis 6000 „, geben sollten. Das war nicht möglich. Ich glaube, daß weder der heutige Finanzminister noch einer von morgen oder gar von übermorgen in die Lage kommen kann, jemals daran zu denken, neben den jetzt laufenden Bezügen noch einmal außer⸗ ordentliche Beihilfen in namhafter Höhe gewähren zu können.

Aber, meine Damen und Herren, nachdem nun die Besoldungs⸗ ordnung des Reiches verabschiedet war, haben auch die Länder ihre Besoldungsordnungen verabschiedet, und wie wir nun plötzlich sehen, sind einzelne der Länder über die Sätze der Reichsbesoldungsordnung weit hinausgegangen. (Lebhafte Rufe: Leider! Zuruf rechts) Ich habe Ihren Zwischenruf nicht verstanden! (Erneuter Zuruf.) Baden nicht! Wir sind immer das Musterländle. (Große Deiter⸗ keit) Aber wir wollen keine Namen nennen, um niemand zu ver⸗ letzen. Sie haben bald Gelegenheit, sich im Haushaltsausschuß ein⸗ gehend darüber zu unterhalten.

Nun stehen wir vor der Tatsache, daß die Beamten der der vexreichtlichten Verwaltungen der Gisenbahn und der Finanz in einzelnen Ländern verlangen, daß sie nach den Grundsätzen der Besoldungso nd nung des Landes besolket werden müssen, nicht nach der Besoldungsoydnung des Reiches. (Hört! Hörth Damit stehen wir dor der Frage eines neuen Umbaues der gesamten Besoldungsordnung des Reiches, und wenn wir das bayerische Beispiel um jetzt den Nomen zu nennen auf das Reich amvenden wollen, so niüssen Sie weit mehr als eine Milliarde zu den 3 Milliarden noch hinzubewilligen. Es ist ein Verhängnis, daß die Länder in dieser Beziehung nicht einige Tage Geduld gehabt haben, um wenigstens in Gemütsruhe die Aus— wirkung der Reichsbesoldungsondnung abzuwarten. (Sehr richtig h

Meine Hennen, es wird Sache des Reichstags sein, hier nachher eine Entscheidang zu treffen. Ich persönlich bin der Auffassung, daß über die Mehraufwendungen, die die Reichshesoldungsordnung gebracht hat, wenn man gewissenhaft seines Amtes waltet, nicht hinau gegangen werden kann (fehr richtig), und daß eine Umstufung mit Höherstufung in der Besolbungsordmung gewiß vorgenonrnen werden kann, daß aber die Mehraufwendungen der Umgestaltung der Einteilung an den Gesemtbezügen wicher in Abzug gebracht werden müssen. Wenn ich diesen Satz nicht heute aussprechen würhe, so würde ich meine Amls⸗ pflicht gröblich verletzen. Die Unsachen der Fehlbeträge sind Ihnen genügend bekannt, ich habe sie Ihnen auseinandergesetzt. Ich habe auf das Schwierige dieser Besoldungsordnungen der Länder hingewiesen.

Beim Verkehrswesen zeig! sich insbesondere die verhängnisvolle Wirkung der noch vor eingen Monaten so viel gepriesenen Theorie von der Angleichung der Inlandspreise an den Weltmarktpreis. (Sehr richtig) Die Pribatindustrie konnte außerordentlich hohe Löhne Hahlen, weil sie im Inland alle Kosten auf die Ppeise schlagen konnte. Das geht aber nur, so lange wie Mangel an dem notwendigsten Werenbedarf besteht; dann versagt diese Methode auch in der Privat⸗ industrie. Das Reich aber soll dann bei der Wirtschaftskrise die Grwenhellosenunterstützung tragen, wenn die hohen Löhne keine Pro⸗ duktion mehr erlauben.

Din verhängnisvolle Wirkung dieser Preispolitik unserer Pripat⸗ wirtschaft auf die Verkehrsanstalten sehen wir in den vorgenannten Yiffeyn. Das Venkehrsroesen kann mit Rücksicht auf die Volkswirt⸗ schaft sowie mit Rücksicht auf die eigene Rentabilität die Tarife nicht belickig erhöhen und so die Mehrkosten einfach auf die Preise abwälzen, wie dies eine Zeit lang die Privatindustrie getan hat. Die Folge ist, daß jetzt die Verkehreverwaltung mit einem derartigen Fehlbetrag vor uns steht. Es ist nicht die kleinste Aufgabe des neuen Reichstags, hier mit allen Mitteln einzugreifen und die Regierung bei allen Versuchen, Besserumg zu schaffen, zu unterstützen.

Wenn die Fehlbeträge der Betriebsverwaltungen zusammen, wie ich vorhin sagte, 18 Milliarden ausmachen werden, so ergibt sich ein Gesamtaufwand aus dem außerordentlichen Etat von mindestens 28 Milliarden, so daß wiederum ein Etat von etwa 56 bis 57 Mil liarden im Jahre 1920 vor uns steht. Wo diese Entwicklung enden soll, das ist die furchtbare Frage, die wir uns vorlegen müssen.

Daß bei derartigen Anforderungen an das Reich die Schulden lavinen⸗ haft wachsen müssen, ist selbstwerständlich. Am 30. April d. J. betrug unsere Schuldenlast 200 Milliawen Mark, darunter 1066 Milliarden schwebende Schulden, wobei den schwebenden Schulden auch die Ver—⸗ pflichtungen aus Zahlungsversprechungen beigefügt waren. Gegenwärtig ich wiederhole das und bitte die Herren, das in ihr Notizbuch ein⸗ tragen zu wollen beträgt die Schuld des Reiches 2103 Milliarden, darunter 108.4 Milliarden diskontierte Schatzanweisungen und 10,8 Milliarden undiskontierte Schatzanweisungen aus Zahlungsber⸗ sprechungen. Ich wäre den Herren dankba, wenn sie bei Gelegenheit einmal in der Kommission eine eingehende Debatte über diese Ver—⸗ pflichtungen herbeiführen woll ten. Ich erinnere an die Vempflichtungen

Post und