1920 / 148 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Jul 1920 18:00:01 GMT) scan diff

Das uns socben Mgegangene Aueführunmgsgesetz zum Tandez⸗ steuergesestz gehört zu den allerkompliziertesten, die je ein Par

ment zu beraten hatte. Sparsamkeit ist dringend geboten, darf aber bei den wissenschaftlichen Instituten der Universitäten, die schen schwer⸗ notleidend, nicht weiter Platz greifen. In Besoldungsfragen kann man zu einer gewissen Stabilitäh und Ruhe nur gelangen, wem man eine gewisse Einheitlichkeit und Gleichzeitigkeit der Regelung der Entlohnung für Beamte,. Angestellte, Hilfskräfte und Arbeiter durchführt. Der Etat für 1920 muß . bis Oktober festgestellt werden, wenn nicht für die Verwaltung die größten Unzuträglichkeiten entstehen

Die Wohnungsnot in Groß Berlin sordert doch dringend

sollen Die zur Verstopfung des Loches im Osten heraus. (Zustimmung.)

Kanal- und Deichbauten sollten mit größter Beschleunigung in Angriff genommen und die bezüglichen Vorlagen baldigst erledigt werden.

Neben das Streikrecht stellen wir das gleichberechtigte Recht auf Arbeit. Der Abbau der Zwangswirtschaft muß fort— gesetzt werden. Auf dem Gebiete der Demokratisierung der Verwaltung sind viel Mißgriffe vorgekommen; wir verlangen nach wie vor, die Ernennung nach der Qualif kation und halten nicht für angängig, daß noch jetzt, nachdem die frühere Koalition die Mehrheit nicht mehr besitzt, Ernennungen aus parteipolitischen Gründen erfolgen.

Abg. von der Osten (D. Nat.): Ob im Etat die bean—

tragte Stellendermehrung eintreten muß. wird ernst zu prüfen ein. Die Beamten müssen ihr volles Maß von Arbeitskraft

nach der altpreußischen Maxime in stellen. Die Gründe der schlechten Finanzlage sind zum Teil in der wirtschaftlichen Enlwicklung zu suchen, die durch die Revolution bedingt worden ist; aber es ist zum Teil darüber hinaus eine sinanzielle Miß— wirtschaft eingerissen, die keineswegs nur in meiner Partei als uner— träglich empfunden wird. Der sozialdemolratische frühere Staats— sektetär August Müller hat sich in einem Vortrage in der Deutschen Gesellschaft darüber sehr abfällig geäußert. Gehen die Dinge mit der finanziellen Ueberlastung so weiter, so erscheint mir die finanzielle Endkatast rophe kaum noch unvermeidbar. (Zustimmung) Ba der Anstellung der Beamten kommt es weniger auf die Parteizugehörig— keit an als auf die fachmännische Eignung. So wie die Dinge jetzt gehandhaht werden, kann es nicht weitergehen. (Sehr richtig! Täglich kommen lebhafte und ernste Klagen aus allen Kreisen der Bevölkerung. Der Finanzminister Lüdemann hat am 31. März verlangt, daß alle Beamten sich als gute Republikaner und echte Demokraten fühlen müßten. Dies Verlangen widerspricht den klaren Bestimmungen der Reichsverfassung. Art. 130 gewährleistet den Beamten volle Freiheit der politischen Meinung. Die Beamtenschaft erwartet, daß der Minister durch eine unzweideutige Erklärung die Unantast⸗ barkeit der politischen Meinung der Beamten gnerkennt. Leider läßt, das Preußische Ministerium des Innern eine völlige Mißachtung der demokragtischen Grundsätze erkennen, in dem Beamte in absoluter napoleonischer Willkür ihres Amtes entsetzt werden. Mnruhe links) Es sind viele Landräte gegen die Proteste der Kreistage ernannt worden, die vielfach keinerlei Be— fähigungsnachweis für das Amt zu führen vermögen. (Sehr richtig! rechts, Lärm bei den Soz.) Selbst demokratische Landräte haben mehr. hbeitssozialistischen Gewerkschaftssekretären Platz machen müssen. Der Frankfurter Regierungspräsident hat erklärt, über die Besetzung der Landratsämter entscheide die Fraktion der sozialdemokratischen Partei. (Lebhafte Zurufe: Hört, hört Diese Aeußerung ist tatsächlich gefallen und wird nicht abgestritten werden. Und das alles in dem Augenblick, wo die Wahlen vom 6. Juni zu erkennen gegeben haben, daß das Volk zum großen Teil eine andere Richtung wünscht. Die Reuwahlen sollten auch in Preußen sobald wie möglich stattfinden. Wir ersuchen die Staatsregierung dringend das Wahl gesetz baldigst vorzu⸗ bereiten. (Sehr richtigt rechts) Wir wissen, daß die neue Zeit auch neue Wege erfordert und wir auf manches verzichten müssen, was uns unentbehrlich zu sein schien. Wir passen uns der veränderten Situation an, soweit es mit unseren Grundsätzen irgendwie vereinbar ist. Der Aufstieg der Arbeiterklasse wird sich nur dann durchsetzen, wenn sich die Arbeiterschaft von den verhängnisvollen Irrlehren, in denen die Sozialdemokratie in vergangener Zeit nach dem marxistischen Pro⸗ gramm sich befunden hat, abwendet. Eachen bei den Soz.) Wir müssen scharf unkterscheiden zwischen Arbeiterschaft und Sozial⸗ demokratie. (Sehr richtig! rechts. Die Sozialdemokraten haben bei den Neichstagswahlen gesehen, daß große Teile von ihnen nach rechts und links abgewandert sind Der Gedanke der internationalen Solidarität hat sich als ein haltloser Traum erwiesen. Der Klassen kampf muß aufgegeben werden. Die Sozialdemokraten ernlen jetzt die Früchte des Versuches, Haß statt Liebe zu säen. Wir brauchen Versöhnung der Klassen zum nationalen Wiederaufban. Wir müssen alle kleinlichen Parteigegensätze fallen lassen. Ohne die positive Mit— arbeit der handarbejtenden Klasse ist ein Wiederaufbau unserer Staats—⸗ wirtschaft nicht möglicht Davon muß die Masse der Arbeiter über— zeugt werden sonst staé es mit unserer Zukunft traurig. In der Ver—⸗ fassung wünschen wi eine Kammer der Arbeit aufgestellt zu sehen, die als zweite Lammer viel Unheil verhüten könnte. In wirt⸗ schaftlicher Beziehung müssen wir energisch für ein Erstarken der Landwirtschaft und Industrie eintreten. Die Arbeitswilligen dürfen nicht von Streikenden als zu scharf terrorisiert werden. Der Land⸗ rat darf nicht die Arbeit verbieten, um die öffentliche Ordnung zu bewahren. Das ist Bolschewismus. Es ist eine schwere Gefährdung der Volksernährung, wenn, wie jetzt in Pommern beim Landarbeiter— streik. Rinder und Schofe umkommen. Das Volk verlangt endlich Ruhe und Ordnung. Es lechzt nach Autorität. Es darf nicht in Parteileidenschaft versinken. Hoffentlich kommt die Zeit bald, wo wir endlich wieder ein einiges und starkes Volk sind und wo es mit unserer Wirtschaft wieder aufwärts geht (Beifall rechts.)

Abg. Leid (U. Soz,): Die Etatberatung hätte doch nur einen Zweck, wenn sie zum Abschluß gebracht werden sollte. Aber nach den Vorgängen im Reich hat diese Preußische Landesversammlung kein Existenzrecht mehr, sie muß aufgelöst werden und Neuwahlen sind baldigst vorzunehmen. Allerdings muß der Wille der Massen in Deutschland oberstes Gesetz werden. Die Etatberatungen würden ja noch Monate erfordern, vorher aber hätte die Versammlung die Verfassung und die Wahlgesetze zu Pergbschieden; es ist also gar nicht abzusehen, wann ihrem Dasein ein Ziel gesetzt wäre. (Abg. Heilmann (Soz.): Ihr habt sie so lange auf⸗ gehalten). In der Verwaltungsorganisation Preußens herrscht noch immer ein vorsintflutlicher Bureaukratengeist, gegen den nach unserer Meinung die Regierung lange nicht energisch genug vor⸗ zegangen ist. Herr v. d. Osten sieht natürlich schon alles zusammen—⸗ rechen, wenn irgendwo ein Landrat bestellt wird, der nicht deutsch— national ist. Die Ernennung des politisch abgewirtschafteten Noske um Oberpräsidenten von Hannover ist geradezu eine Provokation der Arbeiterklasse. Der Minister des Innern sollte nach dem Beispiel des Finanzministers im Bereich seiner Geheimräte etwas mehr für frischke Luft sorgen. Wie die Löwen haben sich diese Geheimräte des alten Regimes gegen jede auch die geringste Neuerung gewehrt, so bei der Schaffung von Groß Berlin. Den Minister für Volkswohl⸗ fahrt bitten wir um kräftige Intervention zum Schutze der Mieter und zur Beseitigung der Wohnungsnot; dem reaktionären Kroößberliner Wohnungsverband muß das Handwerk gelegt werden. Wir verlangen, daß die Sicherheitspolizei ihres mili⸗ täriscken Charakters entkleidet werde. Das preußische Parlament hat niemals zu dieser Einrichtung die Zustimmung gegeben; sie ist eine Schöpfung der Regierung, die dabei die Volksvertretung gusschaltete. Der verflossen Minister Heine hatte eine Vorlage angekündigt, aber nickts davon sst erschienen; dafür erscheinen jetzt 71 Millionen für diese Sicherßeitépolizei im Etat. Hätte man auf unsere Warnungen gehört, so wären die heutigen Differenzen mit der Entente über Sicher beits- und Einwohnerwehr unmöglich gewesen. Herr Heine hat ung als Agenten im Solde der Entente bezeichnet, einen Beweis für diese annlose Beschuldigung hat er nicht erbringen können. Der Fonds von 300 009 im Etat ist bestimmt zur „Bekämpfung des Ver— hrechertums“, wir halten ihn für einen Fonds zur Züchtung des Ver— brechertums. Der Prozeß Blau hat dafür neuerdings vollailtiges Zeugnis baelegt, Der Spitzel Teifl hat Flugblätter hergestellt die unter „Soldatenblätter des roten Soldatenbundes“ verbreitet wurden;

den Dienst des Staates

ese Flugblätter hat Heine in diesem Hause gegen uns ausgeschlachtet. e politische Abteilung La des Berliner Polizeipräsidiums ist nach e in Tätigi und das Spitzeltum floriert so üppig wie kaum unter der Puttkamerei des Ausnahmegesetzes. In die gleiche Kategorie gehört auch der famose Staatskommissar für die öffent— liche Ordnung, der auch überall seine Spitzel arbeiten läßt, um seine Existenzberechtigung zu beweisen. Das sind Geschwürg am Volks— körper, die beseitigt werden müssen. Der pommersche Landbund hat sich zu ener großen Gefahr ausgewachsen. Der Großgrundbesitz muß in den Besitz der Allgemeinheit kommen, sonst ift es unmöglich, das Ernährungsproblem zu lösen. Amnestie verlangen wir fuͤr unsere gesangenen Parteigenossen; erst gestern wurde im Zeitzer Landfriedens— zruchprozeß gegen 40 Angeklagte auf 132 Jahre Gefängnis und Zucht- haus erkannt. (Pfuirufe bei den U. Soz.) Und wie herrlich hat sich die alte Klassenjustiz gegen die Marburger Studenten bewähxt! An dieser Stelle wird die Etatberatung für heute abgebrochen.

Die Novelle zur Verordnung, betr. ein vereinfachtes Enteignungsverfahren, gehn an den Rechts⸗ ausschuß, das Volksschullehrer⸗Dienstein⸗ kommensgesetz an einen be sonderen Ausschuß von 29 Mitgliedern, die Vorlage über Erhebung von Nach— tragsumlagen für das Steuerjahr 1919 an den Gemeindeaus— schuß, die Vorlage, betr. den Schleppbetrieb auf dem Rhein— Weser- und Lippekanal, und die Vorlage wegen Einführung einer Altersgrenze an den Hauptausschuß.

Prastdent Leiner nimmt Gelegenheit, gegen die Korrespondenz der Deutschnationalen Volkspartei“ und gegen die „Deutsche Tages zeitung“ eine Protesterklärung abzugeben; beide Organe haben ihm vorgeworfen, die Nachprüfung der Besoldungsgesetze durch den Besoldungsausschuß verhindert oder verschleppt zu haben.

Abg. Oe lze (D. Nat.) bestreitet, daß die genannte Korrespondenz einen solchen Vorwurf erhoben habe.

Schluß 633 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch, 12 r (Kleinere Vorlagen. Fortsetzung der ersten Lesung des Etats).

116 1 *

it,

Parlamentarische Nachrichten.

Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Durch—

führung des Staatsvertrages über die Uebertragung

der preußischen Staatseisenbahnen an das Reich, vom 31. März 1920

ist nebst Begründung der Preußischen Landesversamm— lung zur g glu faffung zugegangen. Er bestimmt in seinem einzigen Artike

Der preußische Finanzminister wird zur Ausführung des Staats vertrags zwischen Preußen und dem Deutschen Reich über die Ueber⸗ tragung der Staatseisenbahnen auf das Reich ermächtigt, , Erklärungen abzugeben:

1. Als Abfindung für die Uebertras 6 gesamten Eisenbahn⸗ unternehmens wählt der , taat gemäß 3 Ziffer 16 und ( des Staatsvertrags den Betrag des Anlagekapitals nach dem Stande vom 31. März 1920, erhöht um die Hälfte des Be⸗ trages, um den der nach den Ergebnissen der Rechnungsjahre 1909 bis 1913 ermittelte Ertragswert dieses Anlagekapital übersteigt, zuzüglich der Fehlbeträge, die bei der Eisenbahnverwaltung in der Zeit vom Beginn des Rechnungsiahres 1914 bis zum 31. März 1920 entstanden sind, abzüglich der in diesen Fehl⸗ beträgen enthaltenen Ausgaben, die auf Grund besonderer ge⸗ setzlicher Vorschrift den Ländern vom 3 erstattet werden.

2. Preußen verlangt die Uebernahme seiner fundierten Schulden durch Reichsgesetz auf das Reich gemäß 3 4 Ziffer 2 des Staatsvertrags in Anrechnung auf die Abfindung in der Weise, daß Preußen neben dem als Hauptschuldner haftenden Reich als selbstschuldnerischer Bürge haftet.

In der beigegebenen Be gründung wird ausgeführt:

Nach 5 6 des Staatsvertrages zwischen Preußen und dem Deut- schen Reich über die Uebertragung der preu 6. Staatsbahnen auf das Reich haben die Länder alsbald nach Abschluß des Vertrages zu erklären, ob sie die Abfindung nach 5 3 Ziffer La oder 1b des Staatsvertrages wählen, und ob sie gemäß 5 4 Ziffer 2 des Staats⸗ vertrages die Uebernahme der fundierten Schulden durch das Reich verlangen.

Nach Abzug des für Hessen für seinen gesamten Eisenbahnbesttz und für Baden hinsichtlich des badischen Teiles der Main⸗-Neckar⸗ Bahn berechneten Anlagekapitals beträgt das preußische Eisenbahn⸗ anlagekapital unter Berechnung nach den in der Beilage zu § 3 des Staatsvertrags *, Grundsätzen nach dem voraussichtlichen Stande vom 31. März 19201

18 819 624 725 v. Der nach der Beilage zu 5 3 des Staatsvertrags zu berechnende Er—⸗ tragswert des preußischen Eisenbahnbesitzes ist danach zu veran—

. 28 o28 422 05 A Als , n ergibt sich für Preußen nach vorläufiger

Schätzung!) folgender Betrag: 9 Anlagekapital. .. 18 849 624 725 A

b Hälfte des Üünterschieds zwischen Anlage⸗ i . J 3 s k 5 089 398 675 . e) Fehlbeträge nach 58 iffer

. w 6 29 080 586 992 A

zusaimmen . rd. 29 080 Millionen.

In Anrechnung auf die Abfindung hat das Reich nach 5 4 fe 1 des Vertrags die schwebenden. Schulden Preußens zum Nennwert nach dem Stande vom 31. März 1920 mit Wirkung vom L April 1920 in Höhe von 14.6 Milliarden zu übernehmen, so daß Preußen eine Forderung von rund 14480 Millionen gegen das Reich verbleibt.

Die fundierten Schulden Preußens betragen 107 Milliarden, die nach F 4 Ziffer 2 des Staatsvertrags bis in Höhe des mit 25 ver— vielfältigten Betrags der Jahreszinsen mit rund Ns64 Millionen Mark vom Reiche zu übernehmen sind, wenn Preußen die NUeber⸗ nahme verlangt. Macht Preußen von dieser Befugnis Gebrauch, so ergibt sich für 6 ein Restkaufgeld von rund 4716 Millionen Mark, das (nach 5 4 Ziffer 3 des Vertrags vom Reiche mit 4 0 verzinst) für Preußen einen jährlichen gleichbleibenden Zinsbetrag von rund 188 Millionen Mark?) ergibt.

Bei Nichtübertragung der fundierten Schulden auf das Reich würde sich für . durch die Verzinsung des Restkaufgeldes von 14480 Millionen Mark ein Zinsbetrag von jährlich rund 579 Mil⸗ lionen Mark ergeben. Von diesen Einkünften hätte Preußen indessen für die bei Preußen verbleibende Schuld in diesem Falle jährlich an Zinsen und Tilgungsbeträgen sowie Verwaltungskosten rund 460 Mil⸗ lionen Mark zu verwenden, so a bei Nichtübertragung der Schulden auf das Reich der jährliche Ueberschuß aus der Verzin ung des Rest— kaufgeldes rund 119 Millionen)) betragen und jährlich nach Maß⸗

1) Das Ergebnis der endgültigen Schätzung dürfte von der vor⸗ läufigen Schätzung nur unwesentlich abweichen.

2) Die Minderung des jährlichen Zinsbetrages infolge Tilgung des Restkaufgeldes durch das Reich, die nach 5 4 Ziffer 3 des Staats vertrages näherer Vereinbarung Vorbehalten bleibt, kann unter der Voraussetzung außer Betracht bleiben, daß die Tilgungsquoten mit 40s0 verzinslich angelegt werden.

gabe der Verringerung der preußischen Staatsschuld durch Tilgung wachsen würde.

Bei dem augenblicklichen Geldbedürfnis Preußens ist schon vom reinen finanzwirtschaftlichen Standpunkt aus die hohere gleichbleibende Rente der wachsenden kleineren Anfangsrente vorzuziehen und die lebertragung der preußischen Staatsschulden auf das Reich zu wählen. Ausschlaggebend für diese Wahl erscheint indessen die Rücksicht auf die preußischen Staatsgläubiger. Die preußische Staatsschuld war in der Hauptsache auf den Cen be be des preußischen Staates fundiert, und es erscheint zur Vermeidung einer Beunruhigung der Gläubiger angezeigt, diese Fundierung nach Maßgabe des 5 Ziffer 1 des Staatsvertrages bestehen zu lassen und daneben die selbst— schuldnerische Haftung Preußens zu erklären.

Land⸗ und Forstwirtschaft. Mehr Stickstoff mehr Brot.

Vor dem Kriege wurden nach einer Mitteilung des preußischen Jandwirtschaftsministeriums in der deutschen Landwirkschaft 210 000 t Stickstoff verbraucht. Die in Deutschland vorhandenen Werke sind nach der augenblicklichen Lage imstande, zusammen jährlich 310 090 t zu erzeugen, vermögen aber nach weiterer Besserung der Verhältnisse diese Menge auf insgesamt 520 000t Stickstoff jährlich zu steigern. Wie die drei bekannten Autoritäten auf dem Gebiete der Stickstoffindustrie. Geheimrat, Professor Dr. Caro, Geheimrat, Professor Dr. Haber und Direktor Sohn als Mitarbeiter in der soeben vom Staatssekretär im preußischen Landwirtschaftsministerium Dr. Ramm herausgegebenen Schrift Aus Luft durch Kohle zum Stickstoff dünger vom Stick st off dünger zu Brot und reichlicher Nahrung“ (Verlag von Gerhard Stalling, Oldenburg) ausführen, sind die Hilfs⸗ mittel vorhanden, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Werden diese 520 000 t Stickstoff im Jahre tatsächlich erzeugt und in den Acker gebracht und wird gleichzeitig dafür Sorge getragen, daß neben diesen Stickstoffmengen 1000 000 t Kali und vorläufig wenigstens 300 000 t Phosphorsäure jährlich der deutschen Landwirtschaft zur Verfügung stehen, dann kann diese so viel Getreide, Fleisch und Fett erzeugen, überhaupt die heimische Erzeugung so weit sichern, daß die Ernährung unseres Volkes wieder genügend ist. Die Erreichung dieses Zieles erfordert allerdings, daß die jahrelangen Bemühungen des preußischen Landwirtschaftsministeriums um baldige Fertigstellung der noch im Bau begriffenen Stickstoffwerke und um die zureichende Belieferung der Kunstdüngerfabriken mit Kohle, Koks und Schwefelsäure nunmehr voll verwirklicht werden. Es trifft nur zu sehr zu, wenn Staatssekretär Dr. Ramm in dem erwähnten Buche ausführt, daß „unsere Ernährung nur dann eine hinreichende und reichliche sein kann, wenn eine Quelle, die deutsche Stickstoff⸗ quelle nämlich, so reichlich als möglich fließt“.

Schonung von Akazien und Linden.

Die Klagen der Imker über den Rückgang der Honigflora werden von Jahr zu Jahr dringender. Der gang der Bienenzucht be⸗ deutet nicht nur einen Minderertrag an ö. sondern auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Fruchtansatzes vieler Kulturgewächse, die auf Insektenbefruchtung angewiesen sind. Akazie und Linde ge⸗ hören zu den Bäumen, deren Blüten gute Honigtracht liefern. Das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat daher die Regierungen der Länder gebeten, auf die Schonung dieser beiden Bäume in Waldungen, in der Nähe von Ortschaften und in Straßen nach Möglichkeit hinzuwirken und sie beim Abtrieb zurückzustellen. Das Reichsministerium befürwortet auch die Förderung des Gruppen⸗ und Reihenanbaues beider Bäume bei Einhaltung eines Anpflanzungs⸗ verbandes, der allseitige Kronenentwicklung gestattet.

Technik.

Die bedeutendsten technischen Fachvereine Deutschlands haben bei der Reichsregierung schärfsten Ein⸗ spruch gegen das Verlangen des Interalliierten Marine⸗Ueberwachungsausschusses nach Ausliefe⸗ rung technischer Zeichnungen, Geheimpatente usw. die unseren Schiffbau betreffen, erhoben. Zur Vernichtung unserer Seemacht bestimme Artikel 209 des Versailler Ver⸗ trages, daß die deutsche Regierung dem Interalliierten Marine⸗ Ueberwachungsausschuß alle Auskünfte und Schriftstücke zu liefern habe, die der Ausschuß für nötig erachtet, um sich der vollständigen Durchführung der Vertragsbestimmungen zu vergewissern. Unter Bezugnahme auf diesen Artikel verlange jetzt der Ueberwachungsausschuß in einer umfangreichen Liste die Aus⸗ lieferung der vollständigen Pläne, Zeichnungen und Handbücher über die Schiffsartillerie nebst Zubehör, über die Torpedos, Schein⸗ werfer, elektrischen Anlagen, Fun kentelegraphie, über das Minenwesen, die Schiffsmaschinen und » kesfel, die Unterseeboote usw. Eine große Anzahl dieser technischen Dinge stelle einen wesentlichen Teil der Ausrüstung auch unserer Han⸗ delsschiffe dar. Das Verlangen des Ueberwachungsausschusses betreffe also nicht nur die im Versailler Vertrag festgesetzte Aus— lieferung der rein militärischen Finrichtungen, sondern bedeute weit darüber hinaus die Preisggbe eines gewaltigen Stückes der Errungenschaften deutscher Technik im Handelsschiffbau und in vielen anderen Zweigen der Industrie. Man strecke ohne Scham die Hand aus nach dem geistigen Eigentum unserer Schiffswerften und Fabriken, das diesen bisher geholfen habe, ihre hervorragende Stellung auf dem Weltmarkt zu erringen und zu behaupten. Wenn schon das Verlangen nach Auslieferung sämtlicher Konstruktionen, Patente und Geheimpetente unseres Kriegsschiffbaues durch den Artikel 209 des Versailler Vertrages in keiner Weise gerechtfertigt erscheine, da diese Dinge mit der Ueberwachung der Vertragsdurch⸗ führung nichts zu tun hätten, so sei der Angriff auf das geistige Eigentum der deutschen Industrie mit seinen unausbleiblichen schwer⸗ wiegenden . en geradezu eine Ungeheuerlichkeit. Nicht nur unsere Industrie werde dadurch in jhrem gegenwärtigen schweren Kampf ums Dasein ihrer wichtigsten Mittel beraubt, sondern durch die Lahmlegung großer Industriegruppen würden auch weite Kreise der arbeitenden Bevölkerung unmittelbar dem wirtschaftlichen Unter⸗ gang ausgesetzt.

Aeronautisches Observatorium. Lindenberg, Kr. Beeskow.

6. Juli 1920. Drachenaufstieg von 3 a bis 5 a.

Relative Wind Seehöhe Luftdruck Temperatur Co Feuchtig⸗ Geschm nd oben unten kit Richtung 3. m mm 22 Meter 122 750,4 13,8 87 SSW 5 300 735 17,0 65 SSW 9 500 15,6 77 SSW 9 1000 12,0 75 SWzS 9 1560 54 5 SWꝛSG 5 2000 5,7 82 SWzS 16 566 3 65 Swe is 2900 1,8 43 SWzS sa bedeckt. Sicht 10 km. Bodeninversion bis 280 m von 13,80

auf 73.

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Sweite Beilage

Berlin, Mittwoch, den 7. Juli

? * * Nichtamtliches. sFortsetzung aus der Ersten Beilage.) Statistit und Volkswirtschaft. Ueber die Lage des Arbeitsmarkts in Deutschland im Monat Mai 1920

berichtet das Statistische Neichsamt im Junkheft des von ihm heraus⸗ gegebenen „Reichsarbeitsblatts“:

„Die wirtschaftliche Krise, deren etste Anzeichen bereits im März sich‚ankündigten, hat sich im verflossenen Mai in besorgniserregender Weise weiter berschärft. Die Höherbewertung der Mark an den Weltbörsen hat sich im allgemeinen behauptet, hat die Preise für deutsche Ware den Weltmarktpreifen angeglichen, den Auslandsmarkt für deutsche Erzeugnisse nahezu‘ verschlossen und im Inlande die Käufermassen, deren Kaufkraft ohnehin fast erschöpft war, zu einer spekulativen Zurückhaltung ver— anlaßt. ie ge t, daß in sämtlichen Industrien Julands⸗ und Auslandsabsatz stockt und Betriebseinschränkungen und Stillegungen immer mehr Um sich greifen. Am schwersten betroffen sind die Lederindustrie, die Möbelindustrie und die Konfektion, an deren Hauptstandorten die Erwerbslosigkeit am stärksten gewachsen ist. Die Aussichten sind äußerst ungünstig, wenn es nicht gelingt, durch die seitens der Regierung eingeleiteten, bisher in erfter Linie auf Verhinderung weiterer Kohlenpreissteigerungen zielenden Maßnahmen den Preisrückschlag in einen organischen Preisabbau überzuleiten.

Die Statistik der Arbeiterfachverbände läßt eine weitere Steigerung der Arbeitslofigkeit erkennen. In den 31 Verbänden, über die für den Monat Mai Berichte vorlagen, waren bei einer Gesamtmitgliederzahl von 5233 66s im ganzen 141 049 oder 3, vy arbeitslos. Im Vormonat hatten 34 Verbände nur 2,0 vH arbeitslose Mitglieder gemeldet. Diese Steigerung macht sich bei den Verbänden aller Industrien gleichmäßig geltend. Es betrug der Hundertsatz Arbeitslofer im Monat Mai bei dem Textil— arbeiterverhand (G.) 6 gegen 3,“ im Vormonat, bei dem Holzarbeiter— verband (G.) 33a gegen 1,63, bei dem Bauarbeiterverband (G.) 2 gegen 1,, bei den Fabrikarbeitern (G.) 2.1 gegen 1,6, bei den Metall— arbeitern (G.) 1,86 gegen 1,2, bei den Transportarbeitern (G.) 1, gegen 1s, bei den Gemeinde- und Staatsarbeitern (G.) 1, gegen 1,2, endlich bei dem Christlichen Metallarbeiterverbande O6 gegen 0, im Vormonat.

Die Arbeitsnachweise mußten ebenfalls eine weitere Zunahme der Stelltungsuchenden feststellen. Im ganzen gerechnet, kamen im Mai auf je 100 offene Stellen 177 männliche . 103 weibliche Arbeitsuchende gegen 167 bezw. 1 im Vormonat und 162 bezw. 83 im März. Am stärksten schwoll die Zahl der Arbeitsuchenden in der lederverarbeitenden Industrie, nämlich von 264 männlichen und 185 weiblichen im April auf 547 bezw. 378 im Mai, sowie im Spinnstoffgewerbe; auf je 100 offene Stellen kamen hier 489 männliche und 490 weibliche Angebote (im Vor— monat 374 bezw. 299). An zweiter Stelle steht die Nahrungs⸗ und Genußmittelbranche mit 355 männlichen und 165 weiblichen Arbeitsgesuchen im Vormonat 311 bzw. 175). In der metallperarbeitenden Industrie belaufen sich die entsprechenden Zahlen auf 286 für männliche und 160 für weibliche (im Vormonat 242 bzw. 116) Arbeitsgesuche, im Bekleidungsgewerbe auf 241 männ⸗ liche und 248 weibliche (im Vormonat 155 bzw. 168), in der Gruppe der Maschinisten, Heizer und Fabrikarbeiter auf 277 männliche, 326 weibliche (im Vormonat 187 bzw. 248), in der Holzindustrie auf 210 männliche und 180 weibliche (im Vormonat 16 bzw. 113) Arbeitsgesuche auf je 100 offene Stellen. Im Baugewerbe stieg die Andrangsziffer von 144 im April auf 149 im Mai. Ebenso weist auch die Berufsgruppe „Lohnarbeit und häusliche Dienste“ eine Steigerung auf, das An⸗ gebot männlicher Arbeitskräfte stieg von 176 auf 184, das weiblicher von 64 auf 69, das letztere blieb also noch immer weit hinter dem Bedarf zurück. Das zuletzt Gesagte gilt auch von der Gruppe „Bergbau und Hüttenwesen“. Die Andrangsziffer stellte sich hier bei den Arbeitern auf 714 gegen 68 im Vormonat, bei den Arbeiterinnen blieb sie mit 89 auf der Höhe des Vormonats stehen.

Die Zahl der versicherungspflichtigen Kranken⸗ kassenmitglieder hat sich abzüglich der arbeitsunfähig Kranken nach den Berichten von 5872 Kassen in der Zeit vom 1. Mai bis l. Juni von 10 669 000 auf 10 934 508, d. h. um 265 505 oder 2,5 vH vergrößert. Die Zahl der männlichen Pflichtmitglieder stieg in dieser Zeit von 6676973 um 3, vH auf 6 882 132, die der weiblichen von 3992 027 um 1,5 vH auf 4 052 076. Bereits zu wiederholten Malen ist darauf hingewiesen worden, daß bei der Lage der Arbeitsverhältnisse seit 1919 gerade diese Zahlen bei einem Rückschluß auf die Ent— wicklung der vorhandenen Beschäftigungsmöglichkeit nur mit äußerster Vorsicht bewertet werden dürfen, da weder die Erwerbslosen noch die Kurzarbeiter ausgeschieden werden können; den auf allen anderen Gebieten der Arbeitsmarktbeobachtung sich mehrenden Anzeichen einer wachsenden Beschäftigungslosigkeit gegenüber können die steigenden Zahlen der Pflichtversicherten der Krankenkassen jedenfalls nicht aus— schlaggebend ins Gewicht gelegt werden.

Die Berichte der De mobilmachungskommissare über die Zahl der aus öffentlichen Mitteln un terstützten Erwerbs⸗ losen zeigen noch immer einen Rückgang der Gesamt⸗ zahlen. Am 1. Mai betrug die Zahl der Erwerbslosen (Haupt— unterstützungsempfänger) 292 326, am 1. Juni 271 961; auf das männliche Geschlecht kamen hiervon 209 407? (am 1. Mai 228 573), auf das weibliche 62 554 (am 1. Mai 63 753). Die Zahl der unter⸗ stützten Familienangehörigen Erwerbsloser (Zuschlagsempfänger) sank ebenfalls von 273 490 am 1. Mai auf 264 159 am 1. Juni.

In der Zeit vom 14 bis 20. März 1920 hat, wie die „Deutsche Medizinische Wochenschrift“ mitteilt, in einer Reihe deutscher Städte die Sterbeziffer die Geburtenziffer überschritten,

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6 so in Beuthen, Cottbus, Dortmund, Dresden, Elberfeld, M.⸗-Glad— bach, Görlitz, Gotha, Harburg, Heilbronn, Hof, Offenbach, Osna— brück und Stettin. Der Geburtenüberschuß ist in der Mehrzahl der deutschen Städtze nur erschrechend klein; z. B. kamen in Berlin auf 702 Geburten 661 Todesfälle, in Frankfurt a. M. 169 auf 160. in Hannover 174 auf 166. Damit verglichen, zeigen die großen Städte des Auslands zumeist wesentlich günstigere Zahlen. In London kamen 2771 Geburten auf 1456 Todes fälle, in Birmingham 581 auf 26. Ganz ungünstig ist das Ver⸗ hältnis in den Städten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie: in Wien kamen 1054 Todesfälle auf 417 Lebendgeborene, in Budapest Sl5 auf 577, in Prag 267 auf 194.

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Arbeitsstreitigkeiten.

Aus Halle a. d. S. wird der „Berliner Börsenzeitung“ be⸗ richtet, daß seit gestern nachmittag 3 Uhr die gesamte Beleg⸗ schaft der Grube Golpa, aus der bekanntlich Berlin mit Licht und Kraft verforgt wird, sich im Ausstand befinde. Die Forderung der BVelegschaft, eine zulage von 15 Mark für die Schicht zu bewilligen, sei als änzlich ungnnehmbar abgelehnt worden. Die Arbeiter hätten in einem ültimatum die Bewilligung ihrer Forderung bis Abends 6 Uhr ge— fordert und gedroht, bei Nichtbewilligung auch die Verrichtung von

Notstandsarbeiten einzustellen. Wie die Grubenverwaltung mitteilt, handele es sich um ein einheitliches Vorgehen der gesamten mittel⸗ deutschen Bergarbeiterschaft.

Nach einer Meldung von W. T. B.“ aus Magdeburg teilt die Pressestelle beim Oberpräsidium mit: Die in der Presse er— schienenen Berichte über einen Proteststreik der Berg⸗ arbeiter des Mansfelder See⸗ und Gebirgskreises gegen den zehnprozentigen Steuerabzug vom Lohn entsprechen nach . Landratsamt in Mansfeld eingezogenen Erkundigungen nicht den Tatsachen. Es wird auf allen Gruben gearbeitet, wenn auch eine gewisse Erregung unter den Arbeitern nicht zu leugnen ist.

Zu den Lohnstreitigkeiten in Königsberg in Ostpreußen wird dem genannten Büro berichtet, in einer Gewerkschaftsversamm⸗ lung sei gestern beschlossen worden, daß die Metall-, die Transport, die Holz die Brauerei und die Mühlenarbeiter die Arbeit niederlegen sollen. Die Eisen⸗ bahner würden mit Rücksicht auf die Abstimmungen vorläufig von einem Streik absehen. Nach einer weiteren Meldung haben gestern abend auch die Arbeiter der städtischen Betriebe beschlossen, in den Sympathiestreik einzutreten. Um 8 Uhr fuhren die elektrischen Wagen in die Depots, und das elektrische Licht erlosch. Auch die Wasserzufuhr versagte kurz darauf.

In Saarbrücken ist einer Meldung des ‚W. T. B.“ vom gestrigen Tage zufolge jetzt die gesamte Hütten- und Me⸗ tallindustrie mit Ausnahme der Walberger Hütte vom Streik betroffen. Die im deutschen Metallarbeiterverbande organisierten Arbeiter haben sich vorgestern in geheimer Abstimmung für die Fort—

setzung des Streiks erklärt. Literatur.

Das neueste „Die Franzosen“ betitelte Heft der Süddeutschen Monatsheßte (München, Leipzig, Berlin, Preis 2,5 M6) hat Fol— genden Inhalt: Bemerkungen zur französischen Literatur von Dr. Josef Hofmiller; Die wirtschaftlichen Folgen des Friedens von Versailles von Dr. Friedrich Stieve, Pressebeirat der deutschen Ge⸗ sandtschaft in Stockholm; Zur Beurteilung der französischen Krieg— führung von Dr. Hans O. Simon; Im Lande der Schurken von Dr. phil. et med. August Gallinger, Professor an der Universität München; Schweden über die Franzosen in den besetzten Gebieten. Eine wissenschaftliche Rundschau mit einem in der Preußischen Akademie der Wissenschaft gehaltenen Vortrag von Geheimrat Dr. Wilhelm Wien, Professor an der Universität Würzburg; Ueber die Beziehungen der Physik zu anderen Wissenschaften, beschließt das Heft.

Toni Rothmund: Das stumme Klavier. (Geh. 6 5, geschmackvoll geb. Æ 650.) Verlag von Philipp

Reclam jun. in Leipzig. Es ist weniger der Inhalt als die Dar⸗ stellung, die das Buch anziehend macht. Es sind weniger die Gestalten des Romans, die fesseln, als der Hauch von Reinheit, Poesie und idealem Streben, der über dem Ganzen liegt und dem Stil etwas Märchenhaftes verleiht. Ein Ehekonflikt wird geschildert, in dem beide Teile durch Entsagung und seelische Erschütterungen die selbstlose Liebe zu einander in sich entwickeln, die ihre Ehe rettet, und Mann und Frau zu einer innigeren Gemeinschaft hinführt.

Wilhelm Scharrelmann: Die Hochzeit der Pick⸗ balge. Ein Lustspiel. 114 Seiten. (Preis geheftet 5 416.) Verlag von Quelle u. Meyer in Leipzig, 1920. Das heitere Lustspiel bringt keine spannende Verwicklung und Ueberraschungen, aber in den Ge⸗ stalten, ihren Handlungen und Worten lebt der liebenswürdige Geist und der Humor des Verfassers und schenkt uns freundliche Eindrücke und scherzhafte Bilder.

Karl Gjellerup. Die Hirtin und der Hinkende. Ein arkadisches Idyll. 2. Auflage. 139 Seiten. (Preis gebunden 8 MA.) Verlag von Quelle u. Meyer in Leipzig. I920. Eine Liebesgeschichte voll Süßigkeit und Bitternis, voller Schelmerei und Gefühlstiefe, bringt uns der Verfasser. Altgriechische Sagen blühen uns im Licht der Mittelmeersonne entgegen, und das alte Lied vom Meiden und Wiederfinden, von schamhaft verborgener Liebe, von verletztem Stolz und sieghafter Treue, wird uns hier in neuer, Entzücken weckender Form geboten.

Karl Giellerunpe Die Hüägelmihle, Roman in fünf Büchern. 3. Auflage. 401 Seiten. (Preis gebunden M 16, )

Verlag von Quelle und Meyer in Leipzig, 1920. Das interessante Buch verbindet packende, dramatisch ansteigende Handlung mit

psychologischen Feinheiten in der Zeichnung der Charaktere. Ein inystischer Zug geht durch den ganzen Roman. Natur⸗ und Per⸗ sonenschilderungen sind innig miteinander verbunden. Aus tausend feinen Fäden wird das Schicksal gewoben, dem zu entrinnen, das Böse verhelfen will, und dem sich zu beugen, Gottes Wille ist. So bringt dies Buch auch hohe sittliche Werte zum Ausdruck und er⸗ schüttert, zum Nachdenken gezwungen, legt man es aus der Hand.

Mannigfaltiges.

Im amtlichen Teil der heutigen Nummer d. Bl. (unter Preußen“) ist eine Verordnung des Kohlenverbandes Groß Berlin, betreffend Abänderung von § 5 der Verordnung über die Kohlenverteilung für Haus⸗ brand, Kleingewerbe und Landwirtschaft in Groß Berlin vom 6. März 1919 (Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 60), veröffentlicht. ö

Im Reichstagsgebäu de brach gestern nachmittag kurz vor 2 Uhr im Fahrst uhl, als dieser in Fahrt von dem Zwischengeschoß nach dem Erdgeschoß war, infolge eines Kurzschlusses Feuer aus. Der Fahrstuhlführer setzte, wie ‚W. T. B.“ berichtet, sogleich den Alarmapparat in Bewegung, und aus dem Maschinenraum erschienen sofort die Monteure, schalteten die Maschine des Aufzugs aus und drehten den Aufzug langsam herunter. Die Kabine wurde sodann im Erdgeschoß ohne Schwierigkeiten geöffnet und der durch den Rauch etwas benommene Fahrstuhlführer ins Freie geschafft, “wo er sich alsbald erholte, so daß er sich ohne fremde Hilfe zum Feuerwehr— automobil begeben konnte, das ihn ins Krankenhaus zur ärztlichen Untersuchung brachte. In ernster Gefahr war der Fahrstuhlführer nicht. Der von der Firma Flohr erbaute Fahrstuhl wurde unmittelbar nach dem ohne jede Schwierigkeit gelöschten Brande pon der Firma untersucht. Der Sachverständigenbericht über diese Unter— suchung wird alsbald mitgeteilt werden.

Danzig, 6. Juli. (W. T. B.) Wie die Abendblätter melden, ist ein auf dem Durchtransport von Neustadt nach Karthaus unter polnischer Bedeckung befindlicher Trupp von 63 gefangenen ukrainischen Bolschewiki aus dem Zuge geflächtet.

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Bukarest, 6. Juli. (Damian.) In einem hiesigen Fort erplodierten 10 Waggons Pulver. Der Erdboden wurde an vielen Stellen aufgerissen. In der Umgebung der Stadt wurden zahlreiche Fensterscheiben eingedrückt. Da das Fort in Flammen steht und weitere Explosionen erfolgen, ist es n n. sich dem Schau⸗ platz zu nähern. Die Zahl der Opfer ist noch unbekannt.

Handel und Gewerbe.

Nach dem Geschäftsbericht der Amme, Giesecke & Konegen Aktiengesellschaft Braunschweig über das Jahr 1919, die auf ein 25 jähriges Bestehen zurückblickt, trat die Gesellschaft mit einem großen Bestand guten Gewinn versprechender Aufträge in das Jahr ein, doch schon in den ersten Tagen des Januar erfolgten Störungen, wodurch die Arbeitsleistung außerordentlich zurück⸗ ging. Die Aufträge, namentlich vom Ausland gingen in überreichem Maße ein, konnten aber bei der verringerten Leistung des Werkes nicht alle rechtzeitig ausgeführt werden. Der Bericht weist auf den durch die Aufhebung der Akkordarbeit verursachten Schaden hin, der sich weiter fortsetzt, indem übernommene Aufträge in teurere Ans⸗ führungsperioden hineinrücken. Deshalb war es nicht möglich, ein der Geldentwertung entsprechend höheres Geschäftsrefultat als im Vor⸗ jahre zu erreichen. Ihr früheres Programm, durch Ausbau des Werkes uns für das kommende Weltmarktgeschäft leistungsfähiger zu gestalten, hat die Gesellschaft weiter durchgeführt, indem sie sich baulich und maschinell im neuzeitlichen Sinne weiter ausgestaltete. Die Aktionäre erhalten 15 vH. Der Auftragsbestand am Jahresschluß war wesentlich größer als zu Beginn des Jahres. Trotzdem lasse sich bei der inzwischen eingetretenen Kaufunlitst und bei den erneut enorm gestiegenen Unkosten über das Resultat des laufenden Jahres kein Urteil fällen.

Nach dem Geschäftsbericht von Grimme, Natalis u. Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien, Braun⸗ schweig, ließ sich die Erzeugung im ersten Halbjahr 1919 nur sehr langsam erhöhen. Durch das Einsetzen des Exportgeschäfts in der zweiten Hälfte des Jahres wurde die Lage besser. s gelang, fast alle früheren Auslandsverbindungen wieder anzuknüpfen und große, gewinnbringende Aufträge hereinzunehmen. Gleichzeitig konnten auch im deutschen Geschäft bessere Preise erzielt werden, sodaß der Verlust der ersten Hälfte des Jahres bald ausgeglichen war. Diese Umstände und nicht unerhebliche Valutagewinne brachten ein günstiges Ergebnis, das die Bildung eines Arbeitsgemeinschaftsstocks für Beamte und Arbeiter des Werks in Höhe von z Million Mark ermöglichte. Für das laufende Jahr liegen Aufträge reichlich vor. Im Hinblick auf die allgemeine Lage lassen sich die Ergebnisse des Jahres trotzdem nicht voraussehen. An die Aktionäre wurden 14 vH verteilt.

In der gestrigen Aufsichtsratssitzung der Gelsen kirchener Berg wer ks⸗-Aktiengesellschaft legte, laut Meldung des „W. T. B.“, der Vorstand die Vermögensaufstellung des Geschäfts⸗ jahres 1919 vor, die mit einem Rohgewinn von 36 649 057 A (gegen 35 423 746 M im Vorjahre) abschließt. Der anf den 17. August 1920 zu berufenden Hauptversammlung soll vorgeschlagen werden, 13457769 A6 (gegen 22 165 990 4 im Vorjahre) zu Abschreibungen, 1190168 M (gegen 00 000 n im Vorjahre) für den Beamten⸗- und Arbeiterunterstützungsfonds zu verwenden und einen Gewinnanteil von 11 vH (gegen 6 vh im Vorjahre) zu verteilen. Der Vortrag auf neue Rechnung beträgt 625 488 (gegen 1 279 861 ½½ im Vorjahre). Die Abschreibungen konnten in diesem Jahre infolge der Abstoßung der linksrheinischen Besitztümer niedriger bemessen werden. ;

Laut Meldung des W. T. B.“ betrugen die Roheinnahmen der Canada Paci fie⸗Eisenbahn in der vierten Juniwoche 5 060 009 Dollar (1 083 000 Dollar mehr als im Vorjahr). e

Zwischen der Gelsenkirchener Aktiengefellschaft und der Deutsich-Lupemburgischen Gesellschaft ist laut Meldung des W. T. B.“ der enge Zusammenschluß beider Werke in gestrigen gleichzeitig abgehaltenen Aufsichtsratssitzungen grund— sätzlich beschlossen worden. Vorbehaltlich der Zustimmung durch die beiderseitigen Generalversammlungen soll mit Wirkung vom 1. Sk— tober 1920 ab auf die Dauer von 89 Jahren eine enge Interessengemeinschaft zwischen beiden Gesellschaften ein⸗ gegangen werden. Zur Begründung dieser bedeutsamen Trans— aktion wird auf die Veränderungen der weltwirtschaftlichen, besonders der wirtschaftlichen Verhältnisse Deutschlands seit der Zeit, in der die heutigen gemischten Konzerne entstanden sind, hingewiesen. In Zukunft sei die Ausfuhr von Kohle und Roheisen nach Möglich— keit zu vermeiden. Die Notwendigkeit, in Deutschland eine im Ver⸗ hältnis zur landwirtschaftlichen Produktion viel zu zahlreiche Be⸗ völkerung durchzuhalten, erfordere, die Rohstoffe und Halbfabrikate im weitesten Maße zu verfeinern und sie dann zur Ausfuhr zu bringen, sodaß der ausländische Käufer nicht nur deutsche Bodenschätze er⸗ wirbt, sondern auch möglichst viel deutsche Arbeit bezahlt. Abgesehen von diesem gemeinschaftlichen Gesichtspunkte gewährleiste der Zusammenschluß eine größere Stetigkeit der Produktion und hessere wirtschaftliche Gestaltung, die sie widerstandsfähig macht gegen Konjunkturschwankungen. Technische Verbesserungen seien zweckmäßiger durchzuführen, vorhandene Anlagen besser auszunutzen. Entscheidend sei ferner, daß Gelsenkirchen als gemischtes Werk durch den Verlust seiner bedentendsten Eisenwerke nur noch einen Torso darstellt, während Deutsch⸗ Luxemburg durch den Kriegsausgang in seiner Kohlen- und Erzbasis erheblich geschwächt ist. Durch den Zusammenschluß werde ein bei den heutigen Verkehrsschwierigkeiten und zu Zeiten von Absatzmangel wertvoller sicherer Absatz der gesellschaftlichen Produkte, eine . Wirtschaftlichkeit für alle Betriebe, eine bessere Versorgung der eisen— verbrauchenden Industrie durch erhöhte Produktion und eine gleich— mäßigere Beschäftigung der Angestellten und Arbeiter ermöglicht.

Wien, T. Juli. (W. T. B.) Ausweis der Oesterreichisch⸗ Ungarischen Bank vom 23. Juni 1920. Alle Summen in tausend Kronen. (In Klammern: Veränderungen seit dem Stand vom 15. Juni 1925). Anlagen. Metallschatz;: Goldmünzen der Kronenwährung, Gold in Barren, in ausländischen und Handels⸗ münzen, das Kilo fein zu 3278 Kronen gerechnet 222 672 (Zun. 2), Goldwechsel auf auswärtige Plätze und ausländische Noten 40156 (Zun. 61), Silberkurant und Teilmünzen 56 656 (Abn. 18), Kassenscheine der Kriegsdarlehenskasse 429 908 (Zun. 224), Ungarische Staatsnoten 511 774 (Zun. 5581), Eskont. Wechsel, Warrants und Effekten 17315 405 (Zun. 294 968), Darlehen gegen Handpfand 8 484193 (Abn. 3929). Schuld der K. K. öster⸗ reichischen Staatsverwaltung 60 000, Darlehensschuld der K. K. Staatsverwaltung auf Grund hesonderer Vereinbarung 22 034 000, Darlehensschuld der K. ungarischen Staatsverwaltung auf Grund besonderer Vereinbarung 10 920 9000, Kassenscheinforderung a. d. K. K. Staatsverwaltung 253 0066 (Abn. 21), Kassenscheinforde—⸗ rung a. d. K. ungarische Staatsverwaltung 144 897 (Abn. 12), Forderungen a. d. K. K. Staatsverwaltung aus fälligen Kassen—⸗ scheinen 4230 885 (Zun. 21), Forderung a. d. K. ungarische Staatsverwaltung aus fälligen Lassenscheinen 2 408 925 (Zun. 12), Forderungen an, die ungarische Staatsverwaltung 3 140 315 (— —, elten de or (Jun. 7b, Hypöthekardarlehen a Sr (bn, Coch, Desterreichische Devisenzentrale 1407551 (Zun. 383 061) andere Anlagen 1911353 in. 208 730), Uebertrag ,, Bank 8 265 283 (Abn. 13 446), Uebertrag Ungarn 1 687 593 (Abn. 7813). Verpflichtungen. Aktienkapital 210 000, Reservefonds 40 315, Banknotenumlauf 61 593315 (Zun. 71 524), Giroguthaben und sonstige sofort fällige Verbindlichkeiten 9 051 942 (Jun. 327 935) Pfandbriefe im Umlaufe 202 636 (— —, Ka enscheinumlanf 97 808 (Abn. 34), sonstige Verpflichtungen 2 369 439 (Jun. 72 946), Uebertrag Oesterreich 8 265 283 (Zun. 13 446), Uebertrag Oesterreichisch⸗

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Ungarische Bank 1 687593 (Abn. 75135). Steuerpflichtiger Ban knotenumlauf 11 390 520 (Zun. 66 638.