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Leid in Beziehung auf den Marburger Studentemprozeß Pier Leute, die von dem ordenlichen Gericht freigesprochen sind, als erbande bezeichnete. (Sehr richtig Wir versagen es uns, das noch nicht zechtskräftige Urteil zu krilisieren. Angesichts des Ausfalls der Reichs— agswahlen ist es klar, daß auch die preußische Volksvertretung im Falle von Neuwahlen ein ganz anderes Bild zeigen würde als dieses Haus. Wir erwarten von der Regierung, daß sie die Landesversamm⸗ lung nur noch zur Erledigung der allerdringlichsten Aufgaben heran und dann sofort die Neuwahlen schreibt., Bei d ;
ausschreibt. den ige Bemtungen haben wir die Anwesenheit des Minister⸗ präsidenten vermißt. Bei einem so wichtigen Gegen— stande, wie dem Etat, sollte er zugegen sein. Im allen preußischen Abgeordnetenhause wie auch im Herrenhause waren die da⸗ mal igen Ministerpräsidenten stepßs zugegen, die überdies auch noch den Neichskanzleiposten zu versehen hatten, was beim Herrn Braun nicht der Fall ist. Der Abgeordnete Leid hat gestern das deutsche Volt bei der Entente denunziert, die Bedingungen des Friedenchertrags nicht einhalten zu wollen. Wie verträgt sich das mit der Landratstellung des Herrn Leid? (Lebhafte Zurufe bei den
Sgz.: Jetzt denunzieren Sie!) Nein ich stelle nur eine Anfrage. Herr Leid bringt es außerdem fertig, daß noch nicht vechtskräftige Urteil gegen die Marburger Studenten zu krisisieren und die Leute, die von einem ordentlichen Gericht freigesprochen worden find, als Mörderbande zu bezeichnen. Ich lege da schärfste Verwahrung ein. (Lebhafte Zustimmung rechts, Lärm links. Ru bei den U. Soz.: Sie sind eine Mörderbande, Klassenjustiz) Wär Herr Schiffer im Reichstag, so hat Herr Dominicus hier die Unentbehrlichkeit der An— schauung der demosratischen Volkspartei betart, wir lassen Ihnen (nach links) gern diesg Ueberzeugung von Ihrer Unenlbehrlichkeit, wenn wär nur Ihre Mandate bekomnen. (Große Heiterkeit) Aus den Reichstagswahlen ergibt sich, daß die Stimmung des Volkes eine andere geworden ist. Man kann mit Sicherheit annehmen, daß auch die preußischen Wahlen, wenn sie jetzt stattfinden, ein ganz anderes
versammlung zeigt; Farum glaube ich, daß die Wahlen zum Preu⸗ sischen Landtag möglichst bald— stattfinden müssen, und dem Wällen des Volkes, wie er bei den Reichstagswahlen zum Ausdruck gekommen ist, Rechnung getragen werden muß. Die Verfassunggebende Landesbersammlung darf nach diesem Ausfall der Reichstagswahlen nur noch die wichtigsten Geschäfte vornehmen. Eine Anzahl von Beamten sind zu Unrecht entlassen worden. Die Aufforderung des Finanzministers Lüdemann an die Beamten, sich zur Demekratie und Republik zu bekennen, stellt sich als eine gröbliche Verletzung der Reichcwerfassung dar. (Sehr richtig! rechts) Denn in ihr ist den Beamten ausdrückich die Freiheit der politischen Uebergeugung ge— währleistet. Der preußische Finanzminister muß doch von den preu⸗ ßischen Beamten eine sonderbare Meinung haben, wenn er glaubt, daß eing derartige Aufforderung, ihre politische Gesinnung einer Nach— prüfung zu unterziehen, auf das Gros der Beamten auch nur den geringsten Eindruck macht.
Ich erwarte vom Ministerpräsidenten, eine deutliche Antwort auf den wichtige Bestimmung der
der Landesversammlung hinweggesetzt. Der Rechnungsausschuß des
herzlichst an.
Reichseinkommensteuer. Das
bublifum ! an ältigen Ausführung der Reichssteuergesetze, aber don den Steuerbeamten selbst weiß kein
fragt sich auch, ob das neue Gesetz über die Einführung einer Älters— Rrenze für die Beam! samkeit i klang steht. Gespar und auf kulturellem C-hbiet. Vollkommen neu ist diesmal im Etats sesetz die Ermächtigung des Finanzministers, zur Befriedigung un—
lann. In der ragen müssen. ber, den, Stactghaushglt beraten, der eigentlich seit dem 1. April in Kraft sein müßte. Wir werden uns in unseren Beratungen Be—
eiden unter der ichlechten Valutg, der Inland sk aufer ist nicht Leiftungs= fähig genug. Der Weiterbau des Mittelfandkanals wird hoffentlich
dem Nedner daß seine Redezeit abgesaufen st) Dann schließen.
Die Beratung wird hier unterbrochen und zunächst eine große Reihe von Eingaben, zu denen Wort— meldungen nicht vorliegen, nach den Ausschußantraͤ gen erledigt. — .
Ministerpräsident Braun: Meine Damen und Herren! Wie mir mitheteilt worden ist, hat der Herr Vorredner sein Bebauern oder sein Befremden darüber ausgespre hen, daß ich als Minister— präsident nicht dem ganzen Verlauf der Gtatsdebatte beigewohnt habe. Er hat darauf hingewiesen, daß frühere Ministerpräsidenten das getan hätten. Ich habe die Ehre gehabt, über fünf Jahre dem preufüschen Abgeordnetenhause als Abgeordneter anzugehören, und kann erklären daß ich während dieler Zeit die Herren Ministerprästzenten schr wi seltener als Gäste des Hauses gesehen habe, als ich den Verhand⸗ lungen des Hauses beiwohne. Zuruf.) Ich habe nicht die Absicht in diesem Stadium der parlamentarischen Verhandlungen allgemein politische Ausführungen zu machen; denn alle Ausführungen all— gemein-⸗politischer Art berühren sich so eng mit der Reichspolitik, und die game wirtschaftliche Misere ist z einem großen Tesse so ichen wiegend Sache der Reichspolitik, daß man diefe nicht unberührt lassen kann, wenn man über diese Dinge spricht. Ich halte es aber im Hin⸗ blick auf die tiefernsten Verhandlungen, die in Spaa stattfinden, für politisch nicht richtig, über diese Dinge hier zu gleicher Zeit eingehend zu sprechen, und werde daher davon Abstand nehmen.
muß ich
Nur in einem will ich davon abweichen, und zwar möchte ich einige Worte zu der o stpreußischen Frage sagen. Es ist bekannt,
583 1 z w 2 da ß . Molen Eo fo wre daß sich, nachdem rein deutsches Gebiet durch Polen besetzt worden * * 5f. 265 19* Darwins . 55 ist, durch die Schaffung des sogenannten Korridors E ve ir
den Verkehr Ostprenßens steigendem Maße schlimmsten Weise Korridor gestört. Zeitweise ist der Verkehr völlig gesperrt worden. Es ist lediglich dem Drängen der Reichsregierung und Staatsregierung gelungen, wenigstens den leidlichen Verkehr, wie er zu Anfang d Schaffung des Korridors bestand, wieder herzustellen. Aber in letzter Zeit haben die Polen erneut große Schwierigkeiten zu machen gewußt. Der letzte Anschlag gegen die uns durch den Friedensvertrag gewähr⸗ leistete Verkehrsfreiheit durch den Korridor ist durch die beworstehende Abstimmung in Ost⸗- und Westpreußen offenbar ausgelöst. Die Polen egen gegempärtig der ungehinderten Fahrt der Abstimmungs⸗ berechtigten alle nur möglichen schikanösen Schwierigkeiten in den Weg (lebhaftes Hört, hört h, obwohl selbst der Oberste Rat in Paris ihnen bindende Amreisung auf Innehaltung ihrer eigenen, in dieser Sache gemachten Versprechungen gegeben hat. Ueber dieses Verhalten, für dessen Charakterisierung im politischen Leben kein parlamentarischer Ausdruck ausreicht, hat der Herr Reichsminister des Aeußern Dr. Simons in der Reichstagssitzung am letzten Sonnabend Worte der schärfsten Verurteilung gefunden. Die preußische Staatsregierung macht sich dieses Urteil zu eigen und unterstreicht es nochmals. (Bravo! Sie spricht aber weiter die Hoffnung und die Erwartung aus, daß sich die nach dem Osten strömenden Ostpreußen durch diese schikanöse Behandlung nicht werden abhalten lassen, ihre Pflicht zur Verteidigung des Deutschtums und der deutschen und masurischen Heimat zu tun. (Bravo! Wir hoffen und erwarten, daß die Ab— stimmung ein Siegestag für das Deutschtum werden wird, daß der 11. Juli die treffendste Antwort auf die Wortbrüchigkeit ver Polen wird. (QLebhafter Beifall h
Noch ein Wort als landwirtschaftlicher Ressortminister. Soweit die Redner dieses Hauses in der Debatte hervorgehoben haben, daß die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion die unerläßliche Vorbedingung für die Gesundung unseres ganzen Wirt— schafts lebens ist, stimme ich hnen durchaus zu. Es ist daher auch stets mein Bemühen gewesen, alles zu kun, um der Steigerung der landwirt⸗ schaftlichen Produktion zu dienen, insbesondere habe ich Wert darauf gelegt, daß ein wirtschaftsfriedliches Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern heworgerufen und aufrechterhalten wird, daß ins— besondere die Landwirtschaft vor den Erschütterungen umfangreicher Lohnkämpfe verschont bliebe, wie sie die Industrie im Vorjahr be— unruhigt haben und uns bis heute beschäftigen.
Teil des Reiches in Wirtschaft wurde in der
5 JJ abung des Verkehrs im pPolnischen
Le T
Der Herr Abgeordnete von der Osten hat gestern die Vorgänge in Pommern gestreift. Es ist durchaus kein Zufall, daß in fast allen Landesteilen des preußischen Staates auf dem Lande trotz der kritischen Verhältnisse in Politik und Wirtschaft ein wirtschaftsfried⸗ liches Verhältnis besteht, daß es fast überall gelungen ist, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenzubringen und ihr Verhältnis durch einen kollektiven Arbeitsvertrag zu festigen, daß aber in Pommern ebenso wie im Vorjahr auch in diesem Jahr wiederum das Feuer brennt. Ich will auf die Einzelheiten dieser Vorkommnisse nicht eingehen, nur Herrn von der Osten gegenüber erklären, daß er falsch unterrichtet worden ist, wenn er annimmt, daß lediglich der mehr sekundäre Umstand zum Ausbruch des Streiks und der ganzen Streitigkeiten geführt hat, daß man in Köslin nicht bezirksweise, sondern kreisweise verhandeln wollte. Die Ursachen liegen sehr viel tiefer. Wenn das der Grund der Konflikte gewesen wäre, wären sie längst beigelegt. Denn nach wenigen Tagen hat man kreisweise verhandelt, und der Erfolg ist eingetreten, daß kreisweise Verträge zum Teil zustande gekommen sind. (Hört, hört! links.) Ueberall dort, wo die Arbeitgeber sich nicht an die Parole des Landbundes hielten, sondern so verständig waren, mit den Arbeitnehmern zu verhandeln, sind die Streitigkeiten beigelegt und Friedliche Zustände herbeigeführt worden; nur wenige Kreise sind es, und in diesen nur ganz wenige Güter, wo noch gestreikt wird. Es war nicht pie Frage, ob kreis⸗ oder bezirksweise verhandelt werden sollte, sondern die Frage, oh die Arbeitnehmerorganisation des Pommerschen Land⸗ bundes als eine Arbeitnehmerorganisation im Sinne der Tarifgemein⸗ schaft anerkannt werden sollte. Das war der Streitpunkt; in der Koalitionsfreiheit sind die Arbeitgeber und ihre Arbeitnehmergruppe nicht behindert worden. Aber, ganz objektiv gesprochen, die Arbeit⸗ nehmerorganisationen, und zwar die freie Organisation, die Hirsch⸗ Dunckersche und die unter deutschnationalem Einfluß stehende christliche Organisation stehen auf dem Standpunkt, als Arbeitnehmerorganisation könne eine Organisation nicht anerkannt werden, die ideell und materiell von einer Arbeitgeberorganisation unterhalten wird und abhängig ist. (Sehr richtig! links) In den jahrzehntelangen Kämpfen im Wirt⸗ schaftsleben hat sich das herausgebildet. Wer die Dinge so nehmen will, wie sie sind, und nicht so, wie man sie wünscht, der muß diesen Standpunkt anerkennen und mit ihm rechnen. (Sehr richtig! links.)
Es war sehr erfreulich, daß Herr v. d. Osten gestern hier erklärt hat, daß auch die dentschnationale Volkspartei in bezug auf die Beur⸗ teilung und Behandlung der Arbeiterfragen sich umgestellt habe und den neuzeitlichen Anforderungen Rechnung zu tragen bereit sei, sowie daß man die Arbeiter heute im sozialen und wirtschaftspolitischen Leben gang anders einschätzen und behandeln müsse als früher. Diese Auf⸗ fassung scheint aber bei seinen Parteigenossen in Pommern noch nicht überall durchgedrungen zu sein, dort spielt der Herren⸗ und Machtstand⸗ punkt noch eine große Rolle. In Köslin gehen die Unruhen jetzt zu Ende, es besteht aber die Gefahr, daß im Bezirk Stettin dieselben Konflikte ausbrechen.
So wie ich davon erfuhr, habe ich sofort im Einvernehmen mit dem Reichsarbeitsminister einen Kommissar dorthin geschickt, der mit den Behörden verhandelt hat, und bei diesen Verhandlungen ist auch festgestellt worden, und zwar in Verhandlungen meines Kommissars mit den Herren Vorstandsmitgliedern des Pommerschen Landbundes, daß nicht die mehr sekundäre Sache, die Herr v. d. Osten gestern er— wähnte, die Ursache der Streiks ist, sondern daß in der Tat die Frage der Anerkennung oder Nichtanerkennung der Arbeitnehmergruppe des Landbundes der Streitpunkt ist, um den es sich dreht. Herr v. Dewitz hat dem Kommissar erklärt, es handele fich hier um eine Machtfrage,
die wir jetzt ausfechten wollen. (Hört, hört) Der Hinweis meines
Kommissars, daß dadurch doch angesichts der bevorstehenden Ernte große Schäben für die Allgemeinheit entstehen könnten, wurde mit der Er—
flärung beantwortet: es sei ganz gleichgültig, die Sache müsse jetzt einmal ausgefochten werden. ¶ Hört, hörth Ich möchte auf diese Dinge
sind, soweit mir berichtet ist, bereit, Tarifverträge abzuschlie
ausschüsse, die paritätisch zusammengesetzt sein sollen, 4K Landbundver⸗ tereter 2 reimen Arbeitnehmervertretern gegenübersitzen. (Hört, hör
wähnen.
derfassunggebenden
hier nicht weiter eingehen, sondern nur das hier stel
von meinem Kommissar mitgeteilt worden ist. iegt die
des Streils, die Ursache dieser Konflikte, wenn sie jetzt wiederum i Bezi einsetzen sollten. Ich habe dem RNegier
ort noch einmal mit allen Stell und 3gericht, einen Schlichtungsausschuß . tätisch Ambeitgebern und Arbeitnehmern, um nochmals verfuchen, die Parteien zur Verhandlung zu bringen. Ich Hinblick auf den Ernst der Lage, daß beide Teile, sowohl bund als die Arbeitnehmer, den ernsten Willen hewortreten
werden, die Schädigungen, die mit einer weiteren Ausbrei Streiks verbunden sind, zu vermeiden, und daß sie sich an den Ver— handlungstisch setzen werden. Ich hoffe vor allem, daß der Landbund d bsicht aufgibt, jetzt auf Kosten der Allgemeinheit, auf Kosten der Volksernährung seinn Machtstandpunkt durchzusetzen. (Sehr gu links. — Zurufe rechts) Die anderen lun es nicht? Die Arbeitnehmer ßen; sie können aber, wie das seit Jahrzehnten üblich ist — und zwar bei
allen Arbeitnehmerorganis Parte
tionen ohne Unterschied der, Partei —
.
1 nicht eine Organisation, die als Arbeitnehmerorganisation von ihnen
richtig!
nicht anerkannt wird, als Kontrahent anerkennen. (Sehr links) Wenn wir das cbjektiv betrachten wollen, hat das auch eine
gewisse Berechtigung. Die Dinge liegen so, daß der La die Anerkennung seiner Arbeitnehmergruppe deswegen betre er
dadurch zu erreichen glaubt, daß er überall in den Schlichtungsaus—
schtssen und in den Spruchkammenn mit Arbeitnehmern vertreten ist. Das würde aber in praxi bedeuten, daß in jedem dieser Schlichtungs⸗
1 inks) Daß sich darauf die Arbeitnehmerorganisationen aller Nichlun— gen nicht einlassen können, liegt auf der Hand, und die Konflikte können dort nicht beendigt werden, wenn der Landbund nicht endlich biesen Standpunkt aufgibt. (Zurufe rechts) Das ist doch nicht gleiches Recht, wenn Sie die Parität so herstellen, daß Sie 4 Landbundver— tretern 2 Arbeitnehmewertreter gegenübersetzen. (Erneute lebhafte Zurufe rechts) Ich habe Ihnen doch gesagt, daß die Arbeitnehmer die Sache so auffassen; wir müssen mit diesem Faktum rechnen! Meine Herren, wissen Sie denn ein anderes Mittel, um aus diesem Konflik herauszukommen, als die Vermittlung, wie sie die Staatsregierung versucht? Es sind Vorschläge gemacht, mit dem Ausnahmezustand und dem Polizei knüppel dazwischenzufahren. Damit kann man derartige sogigle Konflikte micht lösen, das ist ausgeschlossen, besonders bei der
/ heutigen Mentalität der in Frage kommenden Bevölkerungskreise. Wir müssen anders zum Ziel zu kommen suchen. Ich habe noch die
Hoffnung, daß es dem Herrn Regierungspräsidenten gelingen wird, den Ausbruch des offenen Konflikts in Stettin zu vermeiden. Das wird aber nur dann möglich sein, wenn die Herren vom Landbund ihren bis jetzt eingenommenen intransigenten Standpunkt aufgeben.
Eins möchte ich im Hinblick auf die örtlichen. Behörden noch er— Herr v. d. Osten hat gestern hier erklärt, der Herr Ober⸗ präsident in Stettin habe gesagt, er könne sich nur für Einsetzung der
Nothilse aussprechen, wenn ihm nachgewiesen werde, daß Rinder oder Schase schon verhungert seien, oder so ähnlich. Ich habe heute bei dem Herrn Oberpräsidenten in Stettin angefragt. Mir ist sofort erklärt
worden, daß an dieser Behauptung kein wahres Wort sei (lebhaftes Hört, hört! links), Herr v. d. Osten muß offenbar irregeführt worden sein. (Erneutes lebhaftes Hört, hört und Zurufe links.)
Meine Herren, zum Schluß noch eins! Herr Abgeordneter Dr. v. Richter hat eine Maßnahme meines Ministeriums kritisiert, die dahin ging, daß den Arbeitern meiner Vewwaltung, die am 1. Mai gefeiert hätten, der Lohn gegahllt wird; er hat darin einen Verstoß gegen den Beschluß dieses Hauses erblickt. Wenn mir recht in der Erinnerung ist, hat das Haus lediglich einen Antrag, der dahin ging, den 1. Mai zum allgemeinen Feiertag zu erklären, abgelehnt. (Sehr
richtig links) Es ist nirgends der 1. Mal von Verwaltungs wegen
zum allgemeinen Feiertag erklärt worden, sondern es ist lediglich in Uebereinstimmung des Reichskabinetts und des Staatsministeriums
veranlaßt worden, daß diejenigen Arbeiter, Angestellten und Beamten,
die den 1. Mai feiern, für diese Feier unter Gehalts- und Lohnzahlung beurlaubt werden. Cebhaßtes Bravo! links. — Zurufe rechts) Dabei ist ähnlich verfahren worden wie unter der früheren Staatsregierung bei monarchischen und patriotischen Feiertagen, die gleichsalls nicht ge— setzliche Feiertage waren, und wo oft ganze Betriebe geschlossen und auch solche Arbeiter zum Feiern gezwungen wurden, die im Herzen nicht dabei waren. (Lebhafte Zustimmung links.)
Ich nehme für die Staatsregierung in Ansprüch, wenn sie es
für notwendig erachtet, den Angestellten, Arbeitern und Beamten Urlaub zu irgendwelchen Festtagen zu Zeit auch Gehalt und Lohn zu zahlen.
erteilen, ihnen für diese Das war bisher üblich, das dürfte auch in Zukunft nicht anders gehandhabt werden. Was den
patriotischen Festtagen recht war, muß eben den Arbeiterfesttagen h
illig sein. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Minister des Innern Severing: Meine Damen und Herren, Herr Abgeorhneter Dr. v. Richter hat am Schluß seiner Ausführungen dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß es der Regierung gelingen möge, eine Verbilligung der Lebensmittel herbeizuführen. Soweit das durch eine Kultivierung des preußischen Bodens geschehen kann, ist das aller— dings oder kann es zum mindesten Aufgabe der Landesregierung sein. Ich glaube aber im Namen des Staatsministeriums ablehnen zu müssen, diese Aufgabe als eine preußische zu behandeln. Im Reichs⸗ kabinett sitzt jetzs im Ressort des Reichswirtschaftsministeriums ein Parteifreund des Herrn Abgeordneten Dr. v. Richter. (Sehr richtig! und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten Hic Rhodus, hic salta! An dieser Stelle möge die Deutsche Volkspartei einmal versuchen, was sie zu leiften imstande ist. (Sehr richtigl bei den Sozialdemokraten.) Wird es ihr gelingen, eine Verbilligung der Lebensmittel herbeizuführen, so beglückwünsche ich im voraus die Herren dieses Ressorts. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten. Ich fürchte nur, daß die wirtschastlichen Verhältnisse, die Schwierigkeiten stärker sind als der gute Wille des Herrn Reichsministers Dr. Scholz. (Zuruf bei der Deutschen Volks— partei: Paßt Ihnen wohl nicht?! — Gegenrufe: Im Gegenteil) An die Spitze seiner Ausführungen hat Herr Abgeordneter Dr. v. Richter die Frage, an die Staatsregierung gerichtet, gestellt, wie sie die Lebens dauer der verfassunggebenden Landetversammlung beurteilt. Die Staatsregierung ist der Meinung — ich glaube, das darf ich wohl in der Beantwortung dieser Anfrage sagen — daß es die Aufgabe der
Landesversammlung sein soll, em Lande die Ver⸗
fassung zu geben. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokrat Die se
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Aufgabe hat die Landesversammlung noch nicht erfüllt. Die Staats regierung muß es im übrigen der Landesversammlung selbst überlassen,
wann sie sich auflösen will. (Sehr vichtig! bei den Sozialdemokraten.)
lu. ( ! Solange die Staatsregierung das Vertrauen der Mehrheit der Landes⸗ versammlung besitzt, wird sie fortfahren, die Politik zu betreiben, die zur Festigung der jungen Republik unter allen Umständen erforderlich ist. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten) Dazu rechne ich auch die Aufgaben, die ich in meinem Ressort durchzuführen verpflichtet bin, und die das besondere Mißfallen des Herrn Abgeordneten Dr. v. Richter gefunden haben.
Ehe ich mich aber diesem Teil der Ausführungen des Herrn Dr. v. Richter zuwende, der ja übrigens mit den Anklagen zusammen— fällt, die gestern Herr Abgeordneter v. d. Osten erhoben hat, möchte ich sagen, daß ich mich in einem Punkte mit ihm sowohl wie auch mit Herrn Abgeordnelen Dominicus und, wie das ja selbstverständlich ist, mit meinem Kollegen vom Staatsministerium eiwberstanden erkläre und ganz einig bin, nämlich in dem Wunsche, daß sich der nächste Sonntag in Ostpreußen würdig dem 14. März der Nordmark an die Seite stellen möge. Auch ich habe den Wunsch, daß sich die Ostpreußen bei der Abstimmung am nächsten Sonntag als wahre Patrioten be— tätigen möchten, das kann nicht oft genug wiederholt werden. Es ist keine Kunst, Patriot, Vaterlandsfreund zu sein, wenn es der Volks— gemeinschaft gut geht; erst in den Unglückstagen einer Volksgemein— schaft zeigt sich der wahre Patriotismus. (Sehr richtig! bei den Sozial— demokraten) Die Ostpreußen haben wahrlich keinen Anlaß zur Freude gehabt in döesen letzten Monaten. Mögen sie — und da wiederhole ich
das, was der Herr Ministerpräsident eben sagte — den Polen und den Polenfreunden durch die Abstimmung am 11. Juli die rechte Ant—
Pie
wort auf die vielen erlittenen Schikanen erteilen, so ungefähr, wie es die Flensburger, die Nordmärker am 14. März getan haben. Eeb— hafter Beifall bei den Sozialdemokraten) Ich glaube aber, meine Damen und Herren, daß es nicht richtig ist, die Rezepte zu befolgen, die gestern in ein paar Passagen seiner Rede Herr Abgeordneter Dominicus empfohlen hat, nämlich diese patriotische Gesinnung zu erkaufen. Er hat das zwar in die hübsche Formel gekleidet, man solle besonders den Grenzprovinjen eine pflegliche Be— handlung angedeihen lassen (-sehr richtig im Zentrum), aber diesen Ratschlag nachher dahin kommentiert, daß man Ermäßigungen bei den Frachtsätzen eintreten lassen müsse und Kulturbestrebungen in den Grenzprovinzen unterstützen möge. Nun, soweit es angängig ist, soweit sich ein solches Programm mit den Staatsfinanzen verträgt, geschieht es durch die Regierung und ist auch schon früher geschehen. Aber ich glaube, daß es nicht gerade im Interesse der Grenzbezirke liegt, wenn hier aus Abgeordnetenkreisen Wünsche geweckt werden, die angesichts des Standes unserer Staatsfinanzen nicht erfüllt werden können. (Sehr richtig! links) Solche Subventionen spielen überall in ihren Konsequüenzen ihre Rolle; wenn wir ein Stadttheater in Königsberg unterstätzen, dann können wir für Beuthen und Kattowitz nicht nein sagen. dann müssen wir in Koblenz errichten, was vielleicht auch in Saarburg gewünscht wird. So geht das nicht. (GGuruf) — Wenn Sie, Herr Kollege Leidig, mir die Gebiete angeben könnten, wo wir
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sparen könnten, würde ich Ihnen dafür sehr dankbar sein.
Was für die pflegliche Behandlung der Ostprovinzen oder über— haupt der Grenzbezirke geschehen kann, ist geschehen, und gerade die Provinz Ostpreußen kann sich nicht beklagen. Wir haben zur be— sonderen Pflege der wirtschaftlichen Interessen dieser Provinz einen Reichs. und Staatskommissar bestellt; wir haben weiter auf be— sonderen Wunsch der Ostpreußen hier in Berlin eine Vertretung des Oberpräsidenten eingesetzt; wir sind auch weiter bereit, die Verbindung von Ostpreußen mit dem — ich möchte fast sagen: Festlande (Heiter⸗ zeit) aufrechtzuerhalten durch Erfüllung aller Wünsche, die von Ostpreußen nach dieser Richtung geäußert worden sind. Aber durch Gold die Treue der Ostpreußen zu erkaufen — ich glaube, das würden die Ostpreußen selbst mit der größten Entschiedenheit zurückweisen. (Sehr gut h
Bei dieser Gelegenheit hat Herr Kollege Dominicus auch dem ische Ausdruck gegeben, daß es der Staatsregierung gelingen möge, das Loch im Osten verstepfen, wie es der Reichsregierung gelungen sei, das Lech im Westen zu verstopfen. Er hat damit nicht den Schmuggel mit Lebensmitteln, sondern elwas ganz anderes gemeint: die Einwanderung mißliebiger Ausländer. Da dieser Punkt auch in der Wahlbewegung eine große Rolle gespielt hat, möchte ich hier erklären, daß alle legalen Mittel zur Verhinderung der Ein— wanderung der sogenannten Ostjuden von der Regierung getroffen worden sind. Aber, die Ostjuden sind cuch Menschen und sind auch Bürger Europas (Zurufe rechts), und wir sind nach dem Friedens⸗ vertrage verpflichtet, diese Eingewanderten genau so zu behandeln wie die Reichsbürger deutscher Abstammung. (Zuruf rechts.) — Lassen Sie mich nur weiter eden! — Ich stehe durchaus auf dem Stand— punkt, daß gewünscht werden muß, die in Deutschland vorhandenen Lebensmittel in erster Reihe unseren eigenen Landsleuten zuzuführen. (Sehr richtig! rechts) Ich stehe auf dem Standpunkt, daß, wenn Arbeitsmangel eintritt, zunächst die deutschen Arbeiter beschäftigt werden müssen. (Zuruf rechts: Wohnungen) Aber, meine Herren, wir können gegen diesen unerwünschten Zuwachs nicht Mittel in An— wendung bringen, die uns mit den Bestimmungen des Friedens vertrages in Widerspruch setzen. (Sehr richtig! links — Zurufe rechts: Wohnungen) — Gewiß, die Wohnungen! Die Ostjuden müssen, wenn sie sich in Deutschland aufhalten, auch wohnen. Seiter keit; Wir können sie aus den Wohnungen nicht hinauswerfen. (Zu— ruf rechts: Die Beamten kommen in Baracken!)
Meine Herren! Ich möchte Sie dringend bitten, sich bei der Be⸗ handlung dieses Punktes nicht von antisemitischer Voreingenommen⸗ heit leiten zu lassen (chr gut! links. — Große Unruhe rechts), sondern die Dinge ganz nüchtern zu betrachten, wie sie sind. Meine Herren, was würden Sie sagen, wenn wir etwa 40 000 Ostjuden, um diesen Ausdruck zu gebrauchen, internieren würden, wenn wir sie auf Staats⸗ kosten beherbergten und venpflegten? Ich glaube, derselbe Lärm, der sich heute in politischen Versammlungen gegen die Haliung der Staatsregierung erhebt, würde sich dann natürlich verschlimmbösert wieder erheben, und dann würde man sagen: auf Kosten der Steuer— zahler werden die Ostjuden in bequemen Baracken untergebracht und verpflegt. (Zurufe rechts) Soweit man die Internierung in Ver— bindung bringen kann mit einer nutzbringenden, einer werbenden Arbeit der zu internierenden, kann dem Plan durchaus nähergetreten werden. Aber wenn er ausgeführt werden soll, müssen sich erst tat— sächlich Auswüchse gezeigt haben. Bis jetzt — das möchte ich auch hier feststellen — sind alle die Zeitungsmeldungen, die Versammlungs⸗ reden über die ungeheure Einwanderung der Ostjuden kolossale Ueber⸗
Ostjuden doch wieder über die Grenze zu schieben.
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haben eine Paßkontrolle im Osten eingeführt, wir unterhalten eine strenge Grenzpolizei an der Ostgrenze, und wir haben auch im Innern
Preußens die Polizeiverwaltungen angewiesen, genaue Kontrollen und
Wohnungsrazzien auszuführen, damit wir über den Umfang der Zu— wanderung der Ostjuden ein genaues Bild bekommen. Mehr im Augenblick zu tun, geht nicht an. Es ist so billig, uns anzuraten, die Dort, östlich von uns, will sie niemand haben, und in ein paar Tagen haben wir die Leute wieder. So ann man die Frage nicht lösen.
Wichtiger als diese Ausstellungen an der Rede des Herrn Kollegen Dominicus scheinen mir die Bemerkungen des Herrn von der Osten zu sein, und ihnen möchte ich deswegen in der Hauptsache meine heutigen Ausführungen widmen. (Abgeordneter Dr. Leidig: Zentrum fehllt noch, dem müssen Sie auch ein bischen auf den Kopf geben) Der Herr Kollege Nhiel hat nichts gesagt, womit ich mich nicht einderstanden erklären könnte (Heiterkeith; und meine Damen und Herren, ich müßte ja ein fürchterlicher Stümper sein, wenn ich künstlich eine Kontroverse mit den Herren von der Jentrumspartei herbeiführen wollte. (Sehr gut! links.)
Herr von der Osten hat sich in seiner Beweisführung unter auch auf meinen Parteifreund Dr. August Müller berufen. Ich glaube die Aeußerungen Müllers, soweit ich sie kenne, bezogen sich auf an⸗ gebliche Fehler in der Reichspolitik. Müller hat da ungefähr ge⸗ schrieben, daß es heute doch in der Steuergesetzgebung so sei, daß auf 1000 Steuerzahler ein Beamter kommt. Müller in allen Ghren! Ich schätze ihn als einen sehr kenntnisreichen Parteifreund von mit. Aber das muß doch an dieser Stelle gesagt werden, wenn die Herren von rechts ihn als Kronzeugen für sich in Anspruch nehmen, daß Herr Dr. August Müller einen Fehler hat, nämlich, er sieht den Splitter in seines Bruders Auge und den Balken im eigenen wird er nicht gewahr. (Sehr gut! links. — Heiterkeit und Zurufe rechts.) Darüber möchte ich mit Ihnen nicht rechten, was in diesen Dingen Vernunft ist. Ich glaube, in seiner Kritik ist Herr Dr. August Müller sehr einseitig geworden, seitdem er keine Gelegenheit mehr hat, aktiv in der Politik mitzuarbeiten. Das sind alle mißvergnügten Leute, die hinter dem Reichswagen herlaufen. (Abgeordneter Dr. Leidig: Ach, wie bald, ach, wie bald. — Große Heiterkeit) Es ist richtig! Soll ich weiter zitieren, Herr Kollege? Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch die Brust geschossen! (Heiterkeit und Zurufe.) Der Herr Kollege v. Richter und gestern auch Herr v. d. Osten haben von einer neuen Mehrheit gesp anderen Ver⸗ hältnissen. Sehnen Sie die Verhältnisse d chstags, die Kon⸗ stellation der Parteien im Reichstage für die Landesversammlung
herbei? Wissen Sie nicht,
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spsort erledigt ist, wenn die sozialdemokratische Partei gegen sie arbeitet? (Sehr gut! links und in der Mitte) Wollen Sie denn
abhängig sein, Sie mit Ihren frischen Wangen von morgen, wollen
Sie abhängig sein von der Passipvität der Sozialdemokratie? Ich
klebe nicht am Mandat und auch nicht am Ministersessel. Bitte,
verbinden Sie sich doch mit den Herren von der Unabhängigen Sozial⸗
demokratie, um die Landesbersammlung zur Auflösung zu bringen.
(Heiterkeit und Unruhe.) Meine Herren, solange die heutige Partei⸗ s⸗
konstellation in der Landesversammlung anhält, solange die Staats—
s regierung sich auf das Vertrauen dreier großer Parteien stützen kann,
solange, wiederhole ich, wird die Politik fortgesetzt, die die Staats⸗ regierung eingeschlagen hat. (Lebhafte Unruhe rechts.)
. Ich lege gegen die Unterstellung Protest ein, daß bei dieser
Politik nicht die allgemeinen Interessen des Landes, sondern ein⸗ seitige Parteiinteressen maßgebend sind. Diese Be⸗ hauptungen waren gestern der Unterton der Ausführungen des Herrn von der Osten. Nicht die Eignung der Bewerber für einen hervor—⸗ ragenden Posten sei heute ausschlaggebend, sondern die Parteitüchtig⸗ keil, die Gesinnungstüchtigkeit. Das möchte ich mit aller Entschieden⸗ heit zurückweisen. Es ist kein Wunder, sondern eine gang zwangs—⸗ läufige Erscheinung, daß bei der Berufung auf hervorragende Staats⸗ posten jetzt in erster Linie Leute von den Linkeparteien und dabei wieder in erster Linie Arbeiter herankommen. Ich sage, das ist ganz zwangsläufig, das ist die Folge der Untenlassungen in den früheren Zeiten. (Sehr nichtig! in der Mitte und links.)
Hätten Sie vor dem K Sie damals das schon ausg wünschenswert hinstellte, de
R 57 O . L.
*
1
6 .
fi ß nämlich auch einmal ein Arbeiter⸗
vertreter als Landrat bestätigt werden könne, daß auch einmal ein Arbeitewertreter der Verwalter eines Kreises sein könne, dann würde
Ihnen heute die Berufung von Arbeitervertretern gar nicht mehr ver— wunderlich erscheinen. Arbeitervertreter an) Herr Kollege Rippel meint, daß es nicht auf den Arbeiter ankomme, sondern auf den Sozialdemokraten. rechts: Bei Ihnen! und wir wenden uns nicht gegen den Arbeiter! Rufe in der Mitte und links: Aha) Die Herren der Deutsch— nationalen Partei wenden sich angeblich nicht gegen den Arbeiter.
Dabei hat gestern Herr v. d. DOsten die besondere Betonung auf den Wenn es Herr
Schlosser, den Schreiner und den Gastwirt gelegt. Nippel von der „Täglichen Rundschau“ gewesen wäre, würde er viel⸗ leicht auch noch den Reisenden für Spülklosetts angeführt haben. (Andauernde Unruhe rechts.) — Aber bitte, es wäre sehr viel einfacher,
wenn wir alle zugleich reden würden, aber es hätte den großen Nach⸗ Ich glaube, es ist
teil, daß der Eine den Anderen nicht verstünde. besser, daß zunächst mal der Eine redet, und da der Herr Präsident so
gütig war, mir das Wort zu erteilen, hitte ich inständigst darum, es Ich nehme an, daß Herr Rippel Wert auf die
mir zu gestatten. Erklärung legt, daß der Widerstand seiner Partei sich nicht gegen den
Arbeiter, sondern gegen den Sozialdemokraten richtet, nein, er richtet sich auch gegen den Arbeiter. (Widerspruch rechts) Von dem Arbeiter.
sagt man, daß er für die Vewaltung eines Kreises nicht die not— wendige Befähigung mitbringe.
was für die Vergangenheit Ihnen anzuempfehlen notwendig gewesen wäre. Warum haben Sie in Ihrer Sündenmajenblüte auf die
Staatsregierung nicht eingewirkt, einen Arbeitervertreter mit der Ver⸗ waltung eines Kreises zu betrauen? Die Arbeiter, die ein Handwerk gelernt haben, haben wenigstens etwas gelernt (sehr gut! bei den
Sozialdemokraten), während viele Leute, die in früheren Jahren an
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der Spitze eines Landratsamtes gestanden haben, nichts anderes mit⸗
treibungen. Bert, hört! links.) — Zurufe rechts) — Was getan werden konnte, um dieser Einwanderung Einhalt zu tun, ist geschehen. Wir
Ausführungen zu diesem Punkte als taktlos bezeichnen
RFehlgrisfen sprach, erwidern.
ß die neue Konstellation im Reichstage
iege eine andere Politik getrieben, hätten ihrt, was Herr v. d. Osten gestern als
(Abg. Rippel: Es kommt doch nicht auf den (Surufe
Haben Sie nicht, wie Sie früher betont haben, in Ihren Reihen Arbeitervertreter gehabt, konservative Arbeitervertreter? Auch heute — sagen Sie — befinden sich in Ihren Reihen Arbeitervertreter. Heute haben Sie nicht die Macht, vorläufig nicht, das durchzuführen, was ich Ihnen anempfehlen wollte oder
brachten, als daß sie die Söhne ihrer Väter gewesen waren. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten. — Widerspruch und erregte Zwi rufe rechts. — Glocke des Präsidenten.)
Neu und eine Entdeckung ist das in der Tat nicht. (Rufe rechts: Namen nennen!) Es war der Geschichtsschreiber Mommsen, der ein⸗ mal meinte, daß man mit dem Hirn eines August Bebel die Hirne von zehn ostelbischen Junkern auffüllen könnte. Sie wollen von mir Beispiele haben; ich möchte nicht auf das persönliche Gebiet übergreifen; ich könnte sonst mit Namen dienen. Wenn Sie meine wollen, so frage ich Sie: Ist es iaktvoll, die Besetzung von Staatsämtern durch die heutige Staatsregierung mit der Fürsorge von Parteibeamten für die Futterkrippe zu bezeichnen? Bekennen Sie sich dazu? (Zu⸗ stimmung rechts) — Schön, ich konstatiere das. Einer ihrer Partei⸗ freunde, Dr. Helfferich, hat vor einigen Tagen im Reichstag dagegen Protestiert, daß man wichtige Staatsämter mit der geschmacklosen Bezeichnung Futterkrippe belegte. Meine Kollegen vom Staats⸗ ministerium und ich haben von den Staatsämtern eine höhere Auf⸗ fassung, als daß wir sie mit solchen Geschmacklosigkeiten bezeichnen. (Lachen rechts Glauben Sie, daß es Honig schlecken bedeutet, heute in der Regierung, der Verwaltung zu sitzen?d Wir gehen hinein, weil wir glauber, daß wir heute verpflichtet sind, das junge Staats⸗
wesen der Republik durch alle Stürme hindurchzuschiffen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten Wir glauben, daß die Errungenschaften der Staatsumwälzung bei Ihnen zu schlecht aufgehoben wären.
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Sonst würden wir Ihnen gern Gelegenheit geben, einmal jetzt Ihre Staatskunst zu erproben. Ich gehe auf die vorgebrachten Einzelfälle nicht ein, weder auf den Fall des Landrats in Ragnit, noch auf die Ausführungen des Herrn Dr. v. Richter über die Bestellung des Landrats in Wittlage oder Stolzenau. (Zuruf rechts: Warum möcht?) Ich glaube, daß der Herr Ministerpräsident mit seiner Meinung recht hat, daß wir in dieser Situation, wo alle Augen auf Spaa ge⸗ richtet sind, Besseres und Wichtigeres zu tun haben, als diese Einzel⸗ fälle hier zu erörtern. (Unruhe rechts) Meine Herren, ich könnte Ihnen eine lange Leparello⸗Liste von Umbesetzungen in den Land⸗ ratsämtern vorführen, um die Haltung der Staatsregierung und meine besondere Haltung zu rechtfertigen. (Zuruf links: Wie ist es mit den Kapp⸗Landräten?) — Ich komme darauf. — Zunächst möchte ich dem Herrn Kollegen Dominicus, der gestern auch von (Zuruf) — Ja, ich habe es gehört; darum antworte ich ja — daß, wenn fest und oft zugegriffer man auch einmal vorbeigreifen kann, und ich nehme für mich durch—⸗ aus nicht in Anspruch, daß ich bei allen meinen Maßnahmen unfehl⸗ bar gewesen bin. Zuruf rechts: Na, na!) Aber ich habe es doch eigentümlich gefunden, daß mir ein solcher Vorwurf von einem Ver—⸗ treler der Koalitionsparteien gemacht wird. (Suruf rechts: Aha!) Ich erinnere mich, daß im vorigen Jahre ein Vertreter der demo⸗ kratischen Partei meinem Parteifreunde und Amtsvorgänger Heine vorgeworfen hat, daß er nicht energisch genug gewesen wäre. Guruf: Und mit Recht) — Jetzt, wo ich mich bemühe, diesen Vorwurf zu entkräften, mache ich es wieder nicht richtig. Aber, meine Damen und Herren, ich lege auch nicht sehr großen Wert darauf, für alle meine Maßnahmen die Zustimmung aller Abgeordneten zu finden. Ich bin der Meinung, daß ein Minister auf die Gunst aller Ab⸗— geordneten niemals rechnen kann. (Sehr richtig! rechls) Wenn er
nur das Vertrauen der Mehrheit des Parlaments hat, dann, glaube
ich, hat er das Fundament, auf dem er arbeiten kann. Ich glaube,
ich habe doch das Vertrauen derjenigen Abgeordneten, die bemüht
sind, an die Stelle der alten Beamtenwillkür die demokratische Ver⸗
waltungspraxis zu setzen. (Lebhafte Zustimmung links. — Unruhe
rechts) Meine Herren, ich war mir bei meinem Amtsantritt voll—
ständig darüber klar, daß es eine nicht unbedenkliche Belastung des
Beamtenapparats bedeuten würde, wenn mit einem Male viele Be⸗
amte zur Entlassung kommen würden. Aber ich glaube, es wäre
schon eine Bankrotterklärung des demokratischen Staatswesens ge—
wesen, wenn man die Leute auch noch wochenlang in ihren Aemtern
gelassen hätte, die sich in den Kapp⸗Tagen als die schlechtesten Hüter
des demokratischen Gedankens erwiesen haben. Eebhafte Zustimmung
links. — Unruhe rechts) Es ist gestern von Herrn v. d. Osten ge—⸗
sagt worden, daß nach seiner Kenntnis der Dinge einige der ent—
lassenen Landräte durchaus nichts verbrochen hätten. Da ist Herr
v. d. Osten eben nicht informiert. Die meisten der entfernten Land—
räte haben bei den Kapp⸗Tagen sich als durchaus unzurerlässig er—⸗
wiesen, und einige der enflassenen oder zur Disposition gestellten
Landräte haben nach übereinstimmender Erkenntnis der in Betracht
kommenden Parteien schon lange das Vertrauen des größten Teils
der Kreiseingesessenen verwirkt. (Zuruf rechts: Und Wittlage, Herr
Minister? — Zurufe links. — Erneute Zurufe rechts. — Glocke des
Präsidenten.)
Meine Herren, ich habe nicht die Absicht, die sehr umfangreichen Akten, die ich für alle Fälle natürlich mitgebracht habe, Ihnen hier zu verlesen. Ich glaube, es genügt, wenn ich zur Illustration der Haltung der Landräte in jener Zeit Ihnen ein paar Bekanntmachungen zur Kenntnis bringe, die sowohl in Schlesien wie in Pommern, in Brandenburg wie in Hannover zur Kenntnis der Bevölkerung durch die Landräte gebracht sind. In einer dieser Bekanntmachungen heißt es (Zuruf: Welcher Kreis?) — Kreis Friedberg:
Verboten sind der Druck, öffentlicher Verkauf, die Verteilung oder sonstige Verbreitung aller Telegramme, Plakate, Extrablätter, Flug⸗ blätter und Zettel oder ähnlicher nicht periodisch erscheinender Blätter, die irgendwelche Anordnungen oder Kundgebungen der ehe⸗ waligen Regeerung Ebert⸗Bauer enthalten. (Stürmisches Hört, hört! links. — Zurufe rechls) Meine Damen und Herren, ich weiß nicht: ist es Naivität (Zurufe links: Nein) oder mutet man wirklich der Regierung eine derartige Selbstverleugnung zu, daß sie Beamte dieser Qualität auf ihren Posten läßt? (Zurufe rechts.) — Kein Mensch, sagen Sie? Erst vorgestern war eine Deputation aus dem Kreise Friedberg bei mit, die eine Zurücknahme der Verfügung von mir verlangte, die diesen Landrat seines Amtes enthob. (Surufe rechts) — Jawohl, eine ganze Menge von Ihren Leuten sind der Meinung, daß auch solche Leute im Amte bleiben können.
Der Fall Friedberg liegt allerdings sehr kraß, aber diese Bekannt⸗ machung unterscheidet sich nicht sehr wesentlich von jenen Veröffent— lichungen, die auch in der Provinz Hannover durch die Landräte heraus⸗ gekommen sind. Guruf rechts) — Herr Stendel, Sie kennen meine Offerte, die Einsichtnahme in die Akten steht Ihnen frei. Sie kommen nachher zu Wort und können dann der Landesversammlung mitteilen, was gegen den Landrat von Wittlage vorliegt. (-Z;uüruf rechts: Wie ist es in Liegnitz, in Löwenberg; das wäre sehr wertvoll zu erfahren!)
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