1920 / 172 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Aug 1920 18:00:01 GMT) scan diff

der Gläubiger müssen die Interessen des arbeikerden Volkes unbedingt vorangehen. Nur die Annahme unserer Anträge kann eine Duelle der Unzufriedenheit im arbeitenden Volke wirksam verstopfen. Staalssekretär Joel; Eine Neuordnung des Zwangsyvoll—⸗ streckungsverfahrens ist 3 beabsichtigt, sondern nur eine Aus⸗ gleichung der auf diesem ebiet seit etwa Jahresfrist enstandenen Härten. Dem Antragsteller genügt die Erhöhung um 100 Prozent nicht; es ist, aber in Rücksicht zu ziehen, daß über die vorgeschlagene Erhöhung hingus ein de, we. des Reftbetregs des Einkommens und für jeden weiteren Familienangehörigen ein Zehntel bis zur Ge⸗ samthöhe von sechg Zehntel freibleibt. Mit der vorgeschlagenen Verdoppelung erscheint daher der Billigkeit Genüge geschehen. Man kann doch auch nicht ganz einseitig nur die Person der Schuldner berücksichtigen, auch die Gläubiger sind doch darauf angewiesen, ihre Schulden beizutreiben. Eine organische Neuorhnung wird ohnedies gewisse Uebelstände beseitigen müssen, namentlich Vorkehrungen zu treffen haben, gegen die heute geübte Praxis der Schieberverträge, wonach der Schuldner lediglich den pfändungsfreien Anteil seines Einkommens behält, darüber hinaus aber alles an Frau und Kindern zediert, so daß die Gläubiger dem Nichts gegenüherstehen.

Abg. Lipinski (U. Soz) eyklärt die Zustimmung seiner Fraktion zu dem sozialdemokratischen n . . -

Derselbe wird (in dem auf die Ledigen bezüglichen Teil durch Auszählung mit 161 gegen 125 Stimmen) abgelehnt und die , unverändert angenommen. In der sofort anschließenden dritten Lesung gelangt die Vorlage einstimmig zur Annahme.

In allen drei Lesungen wird darauf der Gesetzentwurf über bie Enteignung von Grundstü cken und über die Beitragskleistung bei der Neckar-, Main⸗ und Donaukanalisierung ohne Erörterung unver⸗ ändert angenommen.

Es folgt die zweite Beratung des Entwaff⸗ nungsgesetzes.

Bexichterstatter Abg. Dr. Rosenfeld ,, namens des Ausschusses Annahme des Gesetzentwurfs mit der Aenderung, daß die Bestimmung in das Gesetz genommen wird, daß für die Ablieferung rechtmäßig erworbener w. Entschädigung zu leisten ist, und daß da, wo die polizeilichen , , zur Durchführung der Waffen ablieferung nicht ausreichen, die Reichswehr dem Reichskommissar auf Ersuchen bei Durchführung seiner Aufgaben 53 zu leisten hat. Die Verwendung der Reichswehr bedarf der Zustimmung der Reichs⸗ regierung. Die Befehlsverhältnisse der Reichswehr bleiben dadurch unberührt. Außerdem hat der Ausschuß die Be n nn in das Gesetz hineingenommen, daß es mit dem 1. März 1921 außer Kraft tritt. . ! ö

5 L legt u. a. fest, i alle Militärwaffen bis zu einem von dem Reichskommissar für die Entwaffnung festzusetzenden eitpunkt an die von ihm zu bestimmenden Stellen abzuliefern ind. Der Reichskommissar kann bestimmen, daß zunächst nur eine Anmeldung der Militärwaffen zu ö hat. Die Mehr⸗ heitssozialdemokraten beantragen den Zusatz; „Nur die Reichs⸗ wehr und die Berufspolizei sind von der Ablieferungspflicht ihrer Waffen befreit.“ . .

S2 besagt: „Der Reichskommissar . welche Waffen als Militärwaffen anzusehen sind. Er setzt fest, welche Aus— nahmen von der , . stattfinden sollen.“

Die Regierungsparteien beantragen, den letzten Satz wie folgt zu fassen: „Er setzt fest, welche militärischen und polizei⸗ lichen Organisationen von der Ablieferungspflicht ausge⸗ nommen sind.“ Die. Mehrheitssozialdemokraten beantragen, den letzten Satz zu streichen.

Abg. Lübbring (Soz.): Wir sind bereit, an dem Gesetz prak⸗ tisch mitzuarbeiten, müssen aber die Ueberzeugung, haben, daß das Gesetz seinen Zweck, die Entwaffnung er , fahren. auch tat⸗ sächlich erfüllt. Das hf darf nicht zu einem Ausnahme— gesetz gegen die Arbeiterklasse werden. Das wird auch nicht der Fall sein können, weil in den Reihen der Arbeiterschaft nur wenig oder gar keine 6 vorhanden sind. In Ostmpreußen ist es so, dagegen sind dort die Bevölkerungskreise, die mit den jetzigen poli⸗ lischen Zuständen, mit der e dit nf . nicht einver⸗ standen sind, bis an die Zähne bewaffnet. (Lachen rechts.) Das ist leine Uebertreihung. Alle Erzählungen von einer „Roten Armee“ haben nur den Zweck, die Aufmerksamkeit von sich auf andere abzulenken. Widerspruch rechts) In Wirklichkeit liegen die Dinge so, daß alle verfassungsuntreuen Kreise dort auf die Gelegenheit lauern von Ost—⸗ preußen aus einen Kreuzzug zu veranstalten, und daß diese Waffen in Hülle und Fülle haben, während ihnen die Arbeiterschaft völlig waffen⸗ los gegenübersteht. (Lachen rechts. In Ostpreußen ist es zu irgend⸗ welchen Komplikationen nicht gekommen und wenn die Tage nach dem 13. März trotzdem so ruhig verlaufen sind, so ist das der Tatsache zu verdanken, . die Arbeiterschaft nicht im Besitz von Waffen war. Ironisches ö. richtig! vechts und große Heiterkeit. Der Widerstand, den die Rechte . das n n nn. inszeniert, ist wohl be—= greiflich. Se . kann die Entwaffnung nur durch geführt werden, wenn gleichzeitig die Auflösung der Ein⸗ wohnerwehren, welcher an, sie auch sein mögen, betrieben wird. Unter diesen Umständen sind wir in der Lage, dem Gesetz zuzustimmen. In QOstpreußen haben wir eine gane Anzahl Streiks über uns ergehen lassen müssen, weil von seiten Land⸗ arbeiter und anderer Organisationen immer wieder die Forderung nach Enlwasfnung der Einwohnęrwehren Kestellt wurde. Dicke Entwasf— nung können wir jetzt durch dieses Gesetz durchführen. In der Be— gründung zum 5 2 heißt es, daß dem Reichskommissar die Möglichkeit gegeben sein müsse, Organisationen die Wasfen mindestens solange zu belassen, bis die Entwaffnung der , ist. Dagegen wenden wir uns mit Entschiedenheit und des halb hahen wir den Antrag gestellt, im Paragraphen 1 zu sagen; „Nur gie Reichs— wehr und die nr e, sind von der Ablieferungspflicht ihrer Waffen befreit.“ Ibstschutzverbände und ähnliche Organi⸗ sationen sollen nicht darunter fallen. Nur unter Annahme dieses Antrages sind wir in der Lage, dem Gesetz zuzustimmen. Die Situation in Ostpreußen ist nwaͤrtig äußerst kritisch. Vorgestern traf eine Delegation von Landarbeitern ein, die verlangte, daß die in

Bildung begriffenen Selbstschutzverbaͤnde von der Regierung verboten werden und daß die Einwohnerwehren aufzulösen seien. Wenn nicht bald eine Entscheidung herbeigeführt wird, ist. Arbei tsniederlegung zu befürchten. Wird die Int ge n es so durchgeführt, daß man der Ein⸗ wohnerwehr die Waffen beläßt, so kommt es in Ostpreußen zu blutigen Zusammenstößen das kann durch Annahme unserer Anträge verhindert werden. Der Oberpräsident sagie mir, daß die Reichswehrbrigade plane, den Kriegewereinen die Gewehre Modell 98 usw. abzunehmen, ihnen aber dafür alte Modelle, 1871 und 84, mit Munition auszu— händigen. Hiergegen protestieren wir energisch, das ist ein eigea= mächtiges Vorgehen. Wird das Kesetz und § 1 nicht in dem Sinne gestaltet, wie wir es wünschen, so müssen wir das Gesetz ab— lehnen. Das tut uns um so mehr leid, weil wir wissen, welche Ver⸗ pflichtungen wir dem Spag⸗Abkommen gegenüber haben; wir lassen nickt zu, daß es ein Ausnahmegesetz gegen die Arbeiterschaft wird. Abg. Dr. Rosenfeld (U. Soz.): Die Abmachungen von Spaa, auf die sich die Regierung zur Begründung her Vorlage beruft, er— weisen sich mit jedem Tage mehr als Abmachungen, dazu bestimmt, die Arheiterschaft auszubeuten und zu unterdrücken. Gegen diesen Völkerbund kann man das Wort anwenden: Kapitalisten aller Länder, vereinigt Euch! Wir erkennen nicht an, daß sich die. Regierung mit Recht auf den Friedensvertrag beruft. Nach dem Friedensvertrag ist das Deutsche Reich veipflichket, die Waffen auszuliefern. Im An— schluß daran ist in Spaa vorgeschrieben worden, daß die Deutsche Regierung eine Bekanntmachung erläßt, Waffen austuliefern. Für die Uebertretungsfälle sind Strafen vorgesehen. (Zuruf rechts: Strafen

Möglichkeit zu geben, zur a nb. aufzufordern. Die Regie⸗ rung ist bestrebt, die Arbeiterschaft zu unterwerfen. Der als Bei⸗ spiel angeführte Fall rechtfertigt ein so schwerwiegendes Gesetz keines—⸗ falls. Im Fall Paasche hat es der Regierung nicht an Machtmitteln gefehlt, um in rücksichtslofer Weise die Untersuchung auf dem Gute horzunehmen. General von Seeckt hat in Spaa mitgeteilt, wieviel Gewehre, Maschinengewehre usw. sich noch in den Händen der Be⸗ völkerung befinden. Wenn die Regierung eine Statistik hierüber auf⸗ nehmen kann, muß sie doch wissen, wo sich die Waffen befinden. Sie hätte doch schon längst diese Waffen beschlagnahmen lassen müssen. Warum greift sie nicht zus Beim Verdacht strafbarer Handlungen kann sie doch nach der Strasprozeßordnung vorgehen. Alle Nachrichten

über die Roten Armeen beruhen auf Schwindel. Dem Reichs= fommissar wird eine größere Macht gegeben, als der Deussche

Kaiser besaß, mit den 300 Millionen Mark kann er schalten und walten, wie er will. Im Ausschuß sagt der Minister, „die Strasprozeßordnung setzt einen Verdacht voraus; wir ber wollen Haussuchungen ohne Verdacht! also eine vollendete Rechtlosigkeit! Gegen die Groß⸗ grundbester ist doch der begründete Verdacht vorhanden, daß sie Waffen haben. Wenn gegen diese nicht vorgegangen wird, so kann man sich einen Begriff machen, wie gegen die Arbeiterschaft vorgegangen wird, wenn nicht einmal ein Verda ht erforderlich ist. Daß dem Reichs⸗ kommissar die Befugnis gegeben werden soll, Briefe zu öffnen, Telephon⸗ gespräche zu überwachen usw. würde zu den fürchterlichsten Zuständen führen. Wenn man bedenkt. daß die Reichswehr vücksichtslos nschen geopfert hat und gegen die Arbeiterschaft vorgegangen ist, muß man

die größten Bedenken haben, der Neichewehr die Waffen 1 überliefern sind. Bei der Bestrafung sollen mildernde Um. werden. Dann werden

stände oder schwere Fälle berü 6 die mildernden Umstände bei den Großgrundbesikern und die schweren Fälle bei den Arbeitern liegen. (Sehr richtig! links.) Das gestrige Amnestiegesetz scheint nur gemacht zu sein, um die Gefängnisse zu Leeren und diejenigen hineinzubringen, die auf Grund des Entwaffnungs⸗ gesetzes bestraft werden. (Unruhe.) Glaubt die Regierung den Be⸗ frejungs der Arbeiterschaft mit solchen Mitteln hindern zu können? Die Revolution geht weiber, die Aubeiterschaft ruft Ihnen zu: Ihr hemmt uns wohl, aber Ihr zwingt uns nicht.“ (Beifall bei den Unabhängigen Sozialdemokraten)

Reichsminister des Innern Koch Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat geglaubt, daß das gestrige Gesetz über die Amnestie und das heutige Gesetz über die Entwaffnung schlecht zuein— ander passen. Ich will zunächst darauf verweisen, daß es, wema win dieses Gesetz jetzt hier einbringen, nicht auf dem Willen der Reichs regierung, sondern leider auf dem Willen der Entente beruht, und daß der Herr Vorredner ebensowenig wie wir in der Lage ist, zu ver⸗ hindern, daß ein solches Gesetz heute eingebracht werden muß.

Aber ich bin auch nicht wie der Herr Vorredner der Ansicht, daß die beiden Gesetze schlecht zueinanderpassen, sondern ich meine umgekehrt, daß die beiden Gesetze gut zueinander passen. (Sehr wichtig! bei der Deutschen Volkspartei.)

Wir haben gestern dasjenige, was in der Vergangenheit geschehen ist, als vergangen auf sich beruhen lassen wollen. Wir haben heute aber alle Veranlassung, darauf hinzuwirken, daß solche Zustände, wo ein Teil des Volks bewaffnet gegen den andern Teil des Volkes vorgeht, sich. nicht wiederholen. Gerade deswegen ist der Abschluß, den wir gestern einer bedauerlichen Zeit durch das Amnestiegesetz gegeben haben, durch⸗ aus im Einklang damit, daß wir heute versuchen, unser Volk n einem Zustand zurückzuführen, wo alle politischen Auseinandersetzuagen nicht) mehr mit Gewalt, sondern lediglich in der eines Kulturvolks würdigen Form vollzogen werden.

Nun sind die beiden Herren Vorredner erneut auf die Frage ein⸗ gegangen, auf welcher Seite sich die Waffen befinden. Es hat keinen Zweck, diese Frage nochmals zu vertiefen. Das eine lassen Sie mich aber sagen: Daß auf der linken Seite gar keine Wafsen vorhanden seien, werden die Herren nicht behaupten wollen oder behaupten dürfen Zittau, das sich zurzeit in der Hand einer aufrührerischen Bande be⸗ findet, ist auch nicht ohne Waffen erobert worden lsehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei und bei den Deutschnationalen), und es wird auch auf der sinken Seite, wo ein derartiger Putschwersuch gemacht wird, von Waffen durchaus Gebrauch gemacht werden.

Ich vermeide es also, hier etwa als Schiedsrichter darüber auf⸗ zutreten, wo mehr Waffen vorhanden sind, rechts oder inks. Ich be⸗

gnüge mich mit der Feststellung, daß auf beiden Seiten Waffen vor⸗ handen sind und daß es Pflicht der Reichsregierung ist, die Waffen da zu holen, wo sie sich befinden. Sie können sich darauf verlassen, daß die Reichsregierung das tun wird.

Nun hat der Herr Abgeordnete Dr. Rosenfeld erklürt, wip brauchten gar keine Vollmachten, wir fönnaten auch ohne solche Voll⸗ machten arbeiten, und er hat darauf hingewiesen, daß im letzten Jahre mehrfach Durchsuchungen und andere Maßnahmen vollzogen worden seien, ohne daß solche Vollmachten bestanden hätien. Ja, ich gehe aber doch wohl ganz eins mit dem Herrn Abgeordneten Dr. Rosenfeld, wean ich erkläre, daß solche Ueberschreitungen, wo sie etwa vorgekommen sein sollten, weder seine noch meine Billigung finden, und daß es erwünschtz ist, wenn wir in Zufunft systematisch vorgehen wollen, uns auf einer festen und klaren Rechtsgrundlage zu bewegen.

Im übrigen kann ich nochmals erklären: die Reichsregierung hat überhaupt keine Befugnisse zum Einschreiten in solchen Fällen. Solche Befugnisse befinden sich lediglich bei den Ländern. (Abg. Dr. Rosenfeld: Genügt das nicht? Herr Abgeordneter Dr. Rosenfeld, ich glaube, wenn Sie sich darauf verlassen würden, daß die Länder die Sache machen müssen, würden Sie z. B. in Widerspruch mit Ihren Freunden aus Bayern kommen, die es als nicht für ausreichend erklärt haben, daß diese Angelegenheit ganz allein von Bayern behandelt wird. Auf der andern Seite des Hauses wird man vielleicht andere Länder zu erwähnen wissen, in deren Hände man diese Vollmacht auch nicht ohne weiteres gelegt haben wollte.

Es ist ganz selbstverständlich, daß die Reichsregierung eine Ver⸗ pflichtung, die sie eingegangen ist, auch ihrerseits auszuführen hat, und es ist dabei selbstverständlich, daß sie zu der Ausführung dieser Verpflichtung Vollmachten bedarf. Wenn die Herren davon sprechen, daß solche Dinge in der Vergangenheit von der Reichsregierung be— reits gemacht worden seien, so vergessen sie, daß das durchweg unter dem Ausnahmezustand geschehen ist. Was wir mit diesem Gesetze erstreben, ist ja gerade nichts anderes, als der Notwendigkeit ent⸗ hoben zu sein, diese Entwaffnung auf Grund des Ausnahmezustandes vorzunehmen. Wenn der Herr Abgeordnete Dr. Rosenfeld nichts dagegen einzuwenden hat, daß zur Durchführung der Entwaffnung etwa der Ausnahmezustand über alle diejenigen Teile Deutschlands verhängt wird, wo die Entwaffnung vorgenommen werden soll. (Abg. Dr. Rosenfeld: Ganz entschieden widersprechen wirh, so verzichten wir selbstverständsich auf dieses Gesetz. (Zurufe von den Unab— hängigen Sozialdemoktaten. Nun wird mir von einem der

sbtis doch nicht ohne Gesetze) Im Ausschuß wurde festgestellt, daß ie bestehenden Gesetze ausreichen, um den Landesregierungen die

der Ausnahmezustand festsetzt. Nein, das ist nicht wahr, wir machen nur einen ganz kleinen Teil davon, diejenigen Befugnisse, die un— vermeidlich sind, wenn man Waffen bekommen pill. Die Be— schränkung der persönlichen Freiheit, die Beschränkung der Preß⸗ freiheit, die Beschränkung der Versammlungsfreiheit, alle diese Dinge sind in diesem Gesetzentwurf nicht enthalten. Und gerade deswegen, weil wir es vermeiden wollen, daß so weitgehende Voll⸗ machten von vornherein bei der Entwaffnung angewandt werden, so bitten wir um Ihre Mitwirkung, um uns durch Sie einen kleinen Teil dieser Vollmachten gesetzlich in die Hand geben zu lassen. Das wir aber Waffen nur dann bekommen können, wenn wir tatsächlich in weitem Umfange zu Durchsuchungen schreiten ohne Mitwirkung des Richters, das wird jeder, der eine solche Aktion sich überhaupt praktisch vorstellt, mir zugeben müssen, und ich glaube, niemand wäre in der Lage, Deutschland von 1900 000 Waffen zu befreien, ohne Durchsuchungen in weiterem Umfange vorzunehmen als die Straf— prozeßordnung zugesteht.

Ich wende mich nun zu den Ausführungen des Herrn Abgeord— neten Lübbring, der ja im ganzen die Notwendigkeit dieses Gesetzes durchaus anerkannt hat, leider aber ganz wider mein Erwarten auf einen Punkt in 2 heute ein ausschlaggebendes Gewicht für die Zu⸗ stimmung seiner Fraktion legen zu müssen geglaubt hat. Wenn der Antrag angenommen wird, den der Herr Abgeordnete Lübbring und seine Partei gestellt haben, so würde das Gesetz gerade in dem Sinne, den es erstreben muß, ganz wesentlich verschlechtert. Ich muß Wert darauf legen, daß die Frage, wer von der Ablieferungs⸗ pflicht vorübergehend oder dauernd befreit wird, nicht von den Landesregierungen, sondern von der Reichsregierung und für die Reichsregierung durch den Kommissar, der ihr ja untersteht, ent⸗ schieden wird. Wenn der Antrag des Herrn Lübbring angenommen wird, hat jede Landesregierung es in der Hand, alles dasjenige, was sie als Berufspolizei erklärt, mit Waffen ausgerüstet zu erhalten. Ich habe bereits im Ausschuß auf die schweren Bedenken hingewiesen, die gegen eine derartige Anordnung bestehen. Es ist unerträglich, daß gegenüber der Forderung der Entente, wonach die Waffen fast durchweg hergegeben werden müssen und nur in einem ganz be stimmten Bruchteile in der Hand der Polizei bleiben müssen, hier eine Bestimmung in das Gesetz hineingebracht wird, die es ganz in das Ermessen der Landesregierung stellt, in welchem Umfange sie polizeiliche Organisationen weiter mit Waffen versehen soll. Das macht den Antrag unannehmbar.

Im übrigen ist es aber falsch, wenn der Herr Abgeordnete Lübbring glaubt ich will das ausdrücklich hier feststellen daß wir in Aussicht genommen hätten, uns bei der Entwaffnung der Ein- wohnerwehren oder der ZeitfreiwilligenOrganisationen zu bedienen. Ich habe das bereits im Ausschuß erklärt und wiederhole diese Er=

noch da sindh)

Wenn in der Begründung von Organisationen die Rede ist, die unter Umständen bei der Entwaffnung Hilfe leisten sollen, fo sind das die in 5 8 vorgesehenen besonderen Organisationen zur Durch⸗ führung der Aufgaben des Reichskommissars, die auch der Herr Ab⸗ geordnete Lübbring für unentbehrlich erklärt. Er hat ja auch einem besonderen Antrag eingebracht, worin die Struktur dieser Organi- sationen noch näher festgelegt werden soll. Gegen diesen Antrag des Herrn Abgeordneten Lübbring ist weiter nichts einzuwenden, als daß er diese Organisationen von vornherein für unbewaffnet erklärt, wäh⸗ rend es unter Umständen erforderlich sein könnte, diese Organisationen bewaffnen zu lassen, nämlich da, wo sie es sonst nicht wagen, mit Durchsuchungen vorzugehen, weil sie irgendwelchen Widerstand er⸗ warten, der sowohl von rechts wie von links kommen kann. Ich glaube, der Herr Abgeordnete Lübbring würde es auch nicht in jedem Falle in Ostpreußen für richtig halten, wenn Männer die Gniwaffnung durchzuführen versuchten, die keinerlei Waffen in der Hand haben.

Im übrigen kann aber dem Abänderungsantrag zu S 9, in dem bezweckt wird, dafür zu sorgen daß diese Organisalionen gleichmäßig aus allen Teilen der Bevölkerung zusammengesetzs sind, gern ent⸗ sprochen werden. Unmöglich aber ist es, wie gesagt, in 2 eine solche Beschränkung vorzunehmen, die uns verpflichtet, eine schwierige Ent⸗ waffnung vorzunehmen, ohne daß die dabei beteiligten Organisationen irgendwelche Waffen in der Hand hätten.

Von unabhängiger Seite ist dann noch von der Reichswehr ge⸗ sprochen worden. Die Reichswehr soll, wie ich hier ausdrücklich erklärt habe, nur da einschreiten, wo alle anderen Machtmittel versagen. Ein möglichst einmütiges Zusammenwirken der Parteien bei der Ent⸗ waffnung, eine Propaganda, die von allen Kreisen der Bevölkerung getragen wind und die dafür sorgt, daß überall die Ueberzeugung ein⸗ dringt, daß wir gleichmäßig verfahren werden, kann am allerbesten dafür sorgen, daß es zum Einschreiten der Reichswehr an keiner Stelle kommt. n

Es ist mein sehnlichster Wunsch, tu erreichen, daß unser Volk sich des schweren Ennstes dieser Stunde bewußt und daß infolgedessen Gewalt vermieden wird. Meine Damen und Herren, ich schließe mit dem Appell an Sie, uns bei diesem Bestreben Ihre Hilfe nicht ver⸗ sagen zu wollen. (Beifall bei den Regierungsparteien.)

Abg. Hofmann⸗Ludwigshafen (Zentt.):; Bei den Gegen⸗ sätzen zich den Extremen rechts und links dieser . e gegenüber erscheint das Zentrum recht eigentlich als Mittel- partei zur Vermittlung berufen. Das Abkommen von Swag veranlaßt uns, zwangsweise zum Erlaß dieses Gesetzes, für das die Reichsregierung der Entente gegegüber die r n,, ,,, und auch die Aus⸗ führung straff in die Hand nehmen muß. it Recht ist gesagt worden, daß wir nur die Wahl haben zwischen Verhängung des Ausnahme zustandes oder Verabschiedung der Vorlage. Letztere enthält nur einen geringen Bruchteil des Ausnahmezustandes. Gewiß wird die Person des Reichskommissars bei der Durchführung eine sehr wesent⸗ liche Rolle spielen. Es ist zugesagt, daß er nicht den Kreisen der Mili= tärs entnommen werden soll, daß er auch nicht ein prononcierter Partei- mana sein soll, wenn er auch mit den Parteien Fühlung haben müsse. Wird der Mann, der derart das Gesamtvertrauen des Volkes hat, so leicht zu finden sein? Bestimmte und auch weitgehende Vefugnisse müssen ihm zugeschrieben werden. Allerdings geht die Befugnis, das Post⸗, Brief⸗ und. Telephongeheimnis aufzuheben, uns zu weit und muß beseitigt werden. Auch in der Frage deg parlamentarischen Beirats sehen wir die. Vermittlung zwischen den Extremen als unsere, besondere Aufgabe an. Wir wver— treken die Auffassung, daß dieser Beirat bei den grüadlege nden Aus. ührungsbestimmungen mitreden soll; aber wie Könnte der Reichs⸗ kommissar überhaupt zugreifen, wenn alle seine Handlungen in jedem Falle von der vorherigen Einvdernahme des Beirats abhan gen sollen

Herren zugerufen, wir hätten auf Grund dieses Gesetzes alles, was

(Fortsetzung in der Zweiten Beilage)

klärung hier ausdrücklich. (Abg. Hoffman⸗Berlin: Wenn Sie dann

Sweite Beilage

zum Den t schen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Nr. 17 2.

1629

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(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

Andererseits darf der Reichskommissar auch nicht die Macht haben, eidesstattliche Versicherungen abzunehmen. Wer den Völkerfrieden

.

haben will, muß auch den guten Willen zeigen daß er den Landfrieden

respektiert. Organ tationen ansehen wollen, selbst zu ensscheiden, betwaichten wir als unantastbar. Wir im besetzten Gebiet haben auch die Waffen ab— liefern müssen, nicht bloß die Militärwasfen, wir Faben uns fügen müssen, und . Galgenhumor am Rhein hat sogar unsere Bereit- willigkeit zu erkennen gegeben, auch den Salat und die Bäume und Sträucher augzuliefern, weil bekanntlich der Salat schießt und die Bäß me und Sträucher ausschlagen. (Rufe: Au! aul auf allen Seiten dez Hauses und Heiterkeit) Unser guter Humor ist also damit nicht eiscklagen wordeag. Natürlich möchle uns die Entente bis auf den Spazierstock entwaffnen. Lassen wir doch dem Volke das Vertrauen, daß es gleichwohl, Waffen besitzt, die geeignet sind, uns qus der Tiefe des jetzigen Elends wieder emporzuheben, die Waffen der deutschen Wissenschaft, der deutschen Kunst, des deutschen Fleißes, den wir in den, derflossenen Jahren zum Stentnen der Welt entwickelt haben.

Möge das Volk diese Waffen nicht verrosten lassen! (Beifall i. Zentr.)

Abg. von Gallwitz (D. Nat.): Wir sind im Ausschuß zum Teil auch mit Erfolg um die Verbesserung der Vorlage bemüht gewesen; uns leitete dabel die Erkenntnis von der Zwangslage der Regierung ebeasowohl wie die Erkenntnis, daß es sehr wünschenswert, sei, dem anormalen Zustande ein Ende gu machen, daß in manchen Bevölkerungs⸗ kreisen Waffen in Menge vorhanden sint. Der Behauptung der Un— abhängigen Sozscldemoktaten, die Arheiterschaft hätte keine Waffen, solche befänden sich bloß auf den ostpreußischrn, vommerschen und mecklenßurgischen Rittergütern, stehen wir ungläupig gegenüber und halten die Nachrichten vom Vorhandensein einer Roten Armee“ nicht mit Herrn Dr. Roseafeld für phantastische Uebertreibungen. Es muß auch stutzig macken, wenn Dr. Nosenfeld sich Finreißen läßt zu der Drohung, daß auch dieses Gesetz mit seinen Fesseln für die Arbeiter= schaft von ihr abgeschüttelt werden werde; waz hätte diese Drohung für einen Sinn, wenn die Arbeiterschaft ohne Waffen wäre? (Große Unruhe bei den U. Soz.) Der Abgeordnete Lübbring hat uns immer nur von Ostpreußen unterhalten; wie steht es denn in Sachsen, in Thüriagen? (Lebhafte Rufe rechts: Zittau!) Wir können unmöglich glauben, daß die Ausrüstung der Roten Armee“ seit dem März voll kommen aus den Händen der sogegannten Arbeiterschaft verschwunden ist. Wir können also nicht zustimmen, daß die Regiernag in der Ver⸗ wendung oder in der Entwaffnung bestimmter Organisationen gebunden werden soll, wir müssen das durchaus der Regierung in die Hand geben. (Lebhaftes Hört, hört! und. Aha bei den U. Soz) Die In— gebrauchnahme der Reichswehr sollte allerdings am besten gänzlich hermieden werden oder doch nur ganz ausnahmsweise erfolgen. Beim Ss 1 haben är uns an dem Auedruck alle Militäwwaffen sind ab— zullefern“ gestoßen. Diese allgemeine Bezeichnung, hat schon jetzt in der Bevölkerung Beunruhigung hervorgerufen. Die Entente will ia doch nur verhüten, daß wir jemals wieder zu einer militärisch kampf fähigen Macht kommen Ffönnen; es kann sich also nur, um die Ab- lieferung der großen Waffenvorräte handeln. Die Ausführungsbestim⸗ mungen sollten möglichst bald ergehen und so gefaßt werden, daß dem Fortschreiten der Beunruhigung vorgebeugt wird. Mit den zum Teil außerordentlich weilgehenden Vollmachten des Reichskommissars haben wir uns abgefunden, denn das Gesetz muß scharf sein, wenn es durch⸗ greifend wirken soll. So haben wir uns abgefunden mit der Anzeige pflicht, die unzweifelhaft das Denunziantentum zu fördern geeignet ist, mit der Beschlagnahme und mit der Verkehrskontrolle. Wir können eben die Aufhebung des Postgeheimnisses nicht annehmen; es sind damit zu unliebsame Erfahrungen gemacht worden. die Exekutühe muß auch ohne das auskommen. Noch bevenk— licher ist für uns die Bestimmung wegen der Abgabe eides⸗ staitlicher Versicherungen, deren ,,, wir verlangen, diese Gewissensfragt hat aus dem Gesetz herauszubleiben. Zustimmung rechts) Die Idee eines parlamentarischen Beirats als Gegengewicht gegen die Befugnisse des Reichskommissars ist zuerst von unserer Seize durch den Abg. Noöesicke in der ersten Lesung angeregt worden. Je länger wir uns mit der praktischen Ausgestgltung der Idee befaßt haben, deflo mehr sind wir wieder davon abgekommen. Es geht, nicht an, dem Reichékemmissar dieses Schwergewicht anzuhängen. Wir be— fürworten also, die ganze Beiratsidee wieder fallenzulassen.

Abg. Dr. Curkius (D. V): Der Widerstand der Linken gegen dieses Geseß ist nur dahurch zu verstehen, daß tatsäcklich weite Kreise der Arbeiterschaft bewaffnet sind. (Widerspruch links) Dr. Resenfeld hat ausdrücklich gesagt, durch das Amnestiegesetz würden die Gefng⸗ misse von der Arbeilerfchaft entblößt, duich die ses Gesetz aber wieder gefüllt. Da muß doch die Arbeiterschaft die verbotenen Waffen hahen. Die Mehrheitssoözialdemokraten haben kein Hehl daraus gemacht, daß sie die Einwohnerwehr mit Haß verfolgen. Die Fimpohnerwehren find aber nur eine Verteidigungswafse, und in ihr stecken Gefühlswerte, die, man schonen muß. Dem Gedanken, einen panamentarischen Beirat einzusetzen, der ursprünglich von Dr. Roesicke, stammt, stimmen wir zu, wenn dadurch auch eine gewisse Beschrãnkung der CGxekutlogewalt eintritt, Andererseits bedeutet diese Einrichtung doch auch wieder eine Enklastung des Reichslommissars, er ist ein Sicherheitspentif. Wir begrüßen es, daß das Brief- Post⸗ und Teee⸗ graphengeheimnis aufrechtzrhallen werden soll. Auch wir hahen Be⸗ denken gegen die hohen. Vermögensstrafen. Das bisherjge Verhältnis zwischen Freiheits-⸗ und Gefängnisstrafen soll le möglichst nicht überschritten werden. Auch, wir wünschen, daß der Kampf um die Zukunft namentlich mit geistigen Waffen ausgetragen wird. In England wird aber, wie gus dem Bill of Rights herpor- geht, das Reck. Waffen zu tragen, als freiheitliches Gesetz angesehen, und in der Schweiz ist Freiheit und, Demokratie dadurch besonzers geschützt, daß jeder Bürger Waffen besitzzs. Wir befinden uns in einer Jwangélage und in cinem Tiefstand, einer Unfreiheit. Hoffen wir, daß wir aus diesem Zustande wieder herguskommen und daß es bald heißt: Die Knechischafk hat ein Ende! Geifall.)

Abg Fischer⸗Köln (Dem): Wir müssen dem Gesetz eine mög— lichst große Basis jm Hause schaffen. Deshalb hahen wir mancherlei Be⸗ denken zurückgestellt. Darier, daß das Gesetz als kein Ausnahmegesetz gegen eine Richtung oder Schichtung des Volkes angesehen werden kana, darüber sind wir uns einig. Es war nötig, dem Reickskommissat wein gehende Vollmachten zu geben. Möglichst Linstimm: ae Annahme ist fschon dadurch möglich, weil das Gesetz viele Selbstrerständlichkeiten enthilt. ö.

. Frau Zetkin Eomm):; Zu Unrecht begründet man dieses Gesetz mit den Verhandlungen in Spag. Die Entwaffnung ist uns schon durch den Versailler Frieden auferlegt In Spaag hat niemand ein der. artiges Gesetz mit so bösartigem Ausnghmecharakter erlangt. Schon die Neberschrft ist irreführend. Sie müßte heißen: Geictz zur Nieder haltung des Proletariats. Wie verträgt sich mit dem Gedanken dieses Gefetzes die Waffen und Munitionslieferung Ta Militär und Krieger⸗ vereine, denen durch eine mir vorliegende Verfügung aus den letzten Tagen angeblich Uebungsmunition geliefert wird. Die Arbeiterschaft kann damit rechnen, daß das Entwaffnungsgesetz einserrig gegen sie an⸗ gewerdet werden wird. Der Reichskommissar, der eingesetzt werden soll, ist niemand Recbenschaft schuldia, er kann mit ganz anderem Recht, als Ludwig XIV. sagte:; Der Stagt bin, ich, sagen: Das Ver⸗ waltungsrecht bin ich, das Hausrecht bin ich“. (Zuruf: Er steht doch unter der Regierung) Ja, uater derselbea Regierung, die ihn ein

Das Recht der Einzelstaaten, was sie für polizeiliche

Berlin, Mittwoch, den 4. August

esetzt. hat, weil sie eine Regierung des Ausnahmezustandes gegen die rbeiterklasse ist. Sie ta , sh. wenn Sie meinen, daß Sie die Arbeiterklasse zoehrlos 3, indem Sie so in einseitiger Weise gegen sie vorgehen. Die Arbeiterklasse hat noch andere Waffen in der Hand: den Massenstreik, daz Gewicht und die Macht ihrer Zah!. Sie können mit allen Zwangsmitteln den Arbeitern die Arbeitsfreudigkeit und Ar— beitslust nicht einbleuen. Die gegenwärtige Krise beweist, daß die he= sitzeide Minderheit unfähig geworden ist, die großen Produktionsmittel zu verwalten und auszunühen. . . Lipinski (l. Soz): Det Minister Koch hat r ,, dung barauf hingewiesen, daß in Zittau bewaffnete Haufen die öffen:— liche Gewalt, an sich gerissen hätten. Er muß sehr schlecht informrert sein. In Zittau sind im Gegensatz zu allen anderen Bezirfen jn zer Nachbarschaft die Lebensmittelpreise am höchsten. . Be⸗ unruhigung in die BeHölkerung getragen worden. In einer Versamm . lung, wo gegen diese Lehensmittesteuerung Spellung genommen wurde, und gegen die Händler, die die Zufuhr bon, Kebensmitteln für Zittau unterbanden, wurde mitgeteilt, daß ein Händler gesagt hat: Wenz euch die Lebensmittel zu teuer sind, dann freßt Sägespäne!. Dadurch ist es unter der Arbeiterschaft zu einer großen Erbitterung gekommen, und sie haben sich der Wasfen der früheren Sinwohnerwehren, die in amtlicher Verwahrung. gehalten wurden, bemachtigt, Wir bafüirchten. daß die Psyche der Militärkreise darauf eingestellt ist., das Gesetz gegen die Arbeiter anzuwenden. Das bewéiseg die Vorgänge in Lespzig. Vom sächsischen Ministerpräsidenten ist festgestellt werden, daß in keinem einzigen Falle bei den Arbeitern Waffen gefunden worden sind. Die Beunruhigung der Bevölkerung geht von ganz bestimmten Stellen aus, in ganz bestimmter Absicht, öamlich um abäulenken von den eigentlichen Trägern und der eigentlichen Absicht der Konterrevolution.

Reichsminister des Innern Koch: Meine Damen und Herren! Es liegt mir daran, den Vorfall in Zittau mit einigen Worten zu erwähnen, nachdem der Herr Abgeordnete Lipinski ihn eingehend ec— örtert hat. Ich brauche den Worten des Herrn Lipinski nicht viel hinzuzufügen. Was er gesagt hat, ist nach meiner Ansicht ganz klar. Es haben sich Lebensmittelunruhen in Zittau ereignet, hervorgerufen, wie er sagt, und wie ich ihm glauben will, durch die Schuld irgend⸗ eines Kaufmanns, der irgendeine Redensart gemacht hat, die die Menge erbittern mußte. Dann ist es zu Tumulten gekommen, und die Sicherheitspolizei ist eingeschritten es läßt sich natürlich gar nicht von hier aus prüfen, ob sie einschreiten mußte oder nicht —, und darauf hat die Menge die Entwaffnung der Sicherheitspolizei verlangt, und als diesem Verlangen nicht stattgegeben wurde, hat die Menge die öffentliche Gewalt in Zittau an sich gerissen, und noch heute besteht eine unrechtmäßige öffentliche Gewalt in Zittau. (Sehr richtig! rechts, im Zentrum und bei den Deutschen Demokraten) Das ist der ganz einfache Vorgang! Warum ich diesen Vorgang nicht als Beispiel anführen sollte, daß unter Umständen mit bewaffneter Macht Guruf von den Unabhängigen Sozialdemokraten: Weil Sie den Anschein erweckt haben, daß die Massen ohne Waffen gewesen sind) Ich habe den Anschein nicht erweckt, sondern die Massen sind nicht ohne Waffen gewesen. (Tebhafter Widerspruch bei den Unabhängigen Sozialdemokraten Sicherheitspolizei pflegt nicht vor einer ganz unbewaffneten Masse ohne weiteres die Waffen zu strecken. (LLebhafter Widerspruch und Zuruf bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Das ist mehr als einmal vorgekommen!) Es ist in diesem Falle festgestellt, daß sich ein nicht unerheblicher Teil bon Waffen in dem Besitz der Menge befindet. Ich glaube also, wir werden im größten Teil des Hauses darüber einig sein, daß es kein Zustand ist, den wir in Deutschland dauernd dulden wollen, wenn anläßlich eines Lebensmittelkrawalls die rechtmäßigen Behörden ab— gesetzt und unrechtmäßige an die Stelle gesetzt werden. Das ist so selbsterständlich, daß es gar keiner weiteren Erörterung bedarf. Der Ministerpräsident Buck in Sachsen, der doch wohl ganz gewiß hier im Hause nicht als Scharfmacher gilt, hat zu diesen Vorgängen die Stellung eingenommen, daß er jede Verhandlung mit diesen Auf⸗ rührern für unmöglich erachtet hat (Hört, hört! bei den Deutschen Demokraten), und daß er dafür Sorge getragen hat, daß die recht⸗ mäßige Gewalt so schleunig und entschieden wie möglich wieder her— gestellt wird. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.)

Die Reichsregierung ist mit der Angelegenheit überhaupt nicht befaßt worden. Sie konnte das volle Vertrauen haben, daß der Ministerpräsident Buck seinerseits einen derartig unerhörten Vorgang nicht dulden würde und dulden könnte.

Nun aber zu den weiteren Darlegungen des Herrn Abgeordneten Lipinski! Er hat mit einer gewissen Richtung gegen mich immer von den übertriebenen Nachrichten gesprochen, die über die note Armee in Leipzig verbreitet seien, und hat hier Zeitungen und Flugblätter zitiert, die darüber übertriebene Nachrichten verbreitet haben. Die Verhält⸗ nisse sind von uns längst untersucht, und was Herr Abgeordneter Lipinski darüber sagt, daß die rote Armee durch die Stadtverordneten⸗ versammlung von Leipzig anläßlich des Kapp⸗Putsches begründet und beschlossen worden ist, ist durchaus richtig. Herr Abgeordneter Lipinski wird aber mit mir andererseits darin übereinstimmen, daß auch diese bewaffnete Truppe eine derjenigen ist, die jetzt auf Grund des Ent⸗ waffnungsgesetzes entwaffnet werden muß. (Zuruf bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Die haben ja gar keine Waffen Sie haben Waffen; es sind Waffen vorhanden! (Huruf bei den Unabhängigen Sozialdemokraten: Taschenmesser vielleicht ö Ich glaube, dieses traute Zwiegespräch wird diese Frage nicht klären. Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten) Nach unseren Nachrichten haben sie Waffen. Wenn sie keine Waffen haben, werden wir uns noch viel schneller einigen. (Sehr gut! bei den Deutschen Demokraten) Alles das, was an Waffen in der Hand solcher Einwohnemwehren ist, wird abgenommen werden. Ich kann mir auch nicht gut denken, daß die Stadtverordneterbersammlung in Leipzig mit Genehmigung der Re⸗ gierung in Drecden eine Cinwohnerwehr gegründet hat, die überhaupt keine Waffen haben sollte. (Sehr gut! und Heiterkeit.)

Aber ich will Herrn Lipinski darin vecht geben, wenn er sagt, daß diese Nachrichten ungeheuer übertrieben würden. Ich glaube, von allen derartigen Nachrichten, die an mich kommen, auch höchstens nur ein Zehntel. Ich bin in der Beziehung nicht weit von Ihnen entfernt, solange es sich um Nachrichten aus der Rechtspresse handelt. Aber das ist das Interessante, daß Herr Lipinski, solange es sich um Nach⸗ richten üher die Linke handelt, ein ungläubiger Tbomas ist faßert

aber alle Nachrichten glaubt, die sich mit ähnlichen Behauptungen über die Rechte befassen. (Sehr richtig! rechts) ; Ich kann nur sagen, was ich bereits bei den ersten Lesungen aus= geführt habe: Sie haben sich gegenseitig in eine Nervosität hinein⸗ geredet, daß Sie sich gegenseitig für viel gefährlicher halten, als Sie in der Tat sind. (Sehr richtig! und Heiterkeit) Sie lsgen sich nicht selbst eine Töwenhaut um, sondern Sie legen Ihrem Gegner eine Löwenhaut um, und dabei erschrecken Sie gegenseifig vor dem Gebrüll des anderen. (Sehr richtig! und Zurufe bei den Deutschen Demo⸗ kraten) Tatsächlich ist es so, daß nur ein Bruchteil von Leuten die Waffen zur Gewalt benutzen wollen. Es gibt aber eine große Anzahl

bon Leuten, die Waffen in der Hand haben, weil sie sich vor der

anderen Site fürchten, und daher entsteht der gefährliche Zustand, daß auf irgendeine kleine Aufregung in der Menge von der einen oder anderen Seite losgeschlagen wird, ähnlich wie es im Beginn des Weltkrieges der Fall war. Daher ist die Entwaffnung, wis sie vorgesehen ist, für alle gleichmäßig nötig, und wir müssen diese Aktion unterstützen. .

Was Frau Zetkin über einzelne Vorgänge dargelegt hat, werde ich selbstverständlich im Augenblick nicht berichtigen oder klarstellen können. Wenn sie wüßte, was an derartigen Nachrichten von techts und links täglich für Aktenbündel eingehen der Regierungs— kommissar für Sachsen, Herr Hörsing, nickt mir zu —, wuͤrde sie erschrecken vor der ungeheuren Arbeit, die ohne Not der Regierung von beiden Seiten gemacht wird. Ich habe Nachrichten bekommen, daß sogar von so harmlosen Leuten, wie die Kommunisten, Waffen⸗ schiebungen gemacht und Waffenlager unterhalten werden. Ich habe aber keinen Anlaß, alles zu glauben, was nach einem Schreib⸗ maschinendiktat als verbürgte Tat angegeben wird. (Sehr richtig bei den Deutschen Demokraten.)

Nun noch ein Wort zu den Ausführungen des Herrn von Gall— witz. Auf die eidesstattliche Versicherung können wir nicht völlig verzichten; das ist nicht möglich. Ehe unter Umständen Waffen auf dem Wege der Durchsuchung und der Gewalt herausgeholt werden sollen, müssen wir erst versuchen, die Waffen auf eine leichtere und unblutigere Weise in die Hand zu bekommen. Was namentlich die Waffenschieber in Deutschland angeht, so kommen wir solchen Waffen⸗ schiebungen, die mehr oder weniger aus gewinnfüchtigen Momenten gemacht werden, nur dann auf die Spur, wenn wir Personen, die freiwillig oder unfreiwillig Kenntnis erhalten haben, daß Waffen dort vorhanden sind, zu eidlichen Vernehmungen heranholen können. Ich gebe dem Herrn Abgeordneten von Gallwitz zu, daß, wenn man jede einzelne Privatperson in Deutschland zur eidlichen Vernehmung vor die Behörde schleppen wollte, das ein grober Unfug sein würde. Daran denken wir nicht, und darum habe ich mich im Ausschuß damit einverstanden erklärt, daß die Eidespflicht auf die Waffenläger und Waffenschieber beschränkt wird, und daß einzelne Privatpersonen einem derartigen Versahren nicht unterzogen werden. Mit einer solchen Regelung müßten sich die Herren, die ursprünglich Bedenken gegen diese Bestimmung hatten, einverstanden erklären. Es ist ganz unmöglich, die Entwaffnung durchzuführen, wenn diese Bestimmung vollständig gestrichen wird. . .

Was den Beirat angeht, so habe ich gesagt, daß eine soiche Einrichtung die Exekutive des Kommissars wesentlich beeinträchtigen kann, und es unmöglich ist, eine Aktion in geordneter Weise vor—⸗ zunehmen, wenn der Kommissar, der sich oielleicht in Sachsen oder Bayern befindet, sich genötigt sieht, ehe er eine Anordnung in Kraft setzt, sich mit dem in Berlin befindlichen Beirat ins Benehmen zu setzen. In der Beschränkung, in der der Beirat jetzt beschlossen ist, daß er sich auf eine Mitwirkung bei dem Erlaß grundlegender Aus⸗ führungsbestimmungen zu beschränken hat, vermag ich mich mit dem Beirat einverstanden zu erklären, wenn dadurch das Gesetz mit einer großen Mehrheit hier zustande gebracht werden soll. Ich darf aber doch eine Voraussetzung dabei machen. Wenn der Reichstag einen solchen Beirat bekommt, so legt der Reichsrat Wert darauf, hei den Beratungen vertreten zu sein. Ich nehme an, daß es auch der Absicht dieses Hauses nicht widerspricht, wenn wit zu den Beratungen des Reichstags einige Herren aus dem Reichsrat zuziehen, die ihrer⸗ seits die besonderen Bedürfnisse und Wünsche ihrer Länder bei dieser Gelegenheit zur Sprache bringen. Wenn kein Widerspruch erfolgt, wird es angenommen werden können.

Meine Damen und Herren! Es ist jetzt viel über das Gesetz geredet worden. Ich habe das Gefühl: alles das, was hier und da ge⸗ sündigt sein sollte, darf uns nicht davon abhalten, jetzt ein Gesetz zu schaffen, das die Forderungen der Entente erfüllt und unser Volk in ruhigere Verhältnisse zurückführt. Lassen Sie uns jetzt mit diesem Gesetz objektiv und ruhig an die Arbeit gehen. Ich hoffe, sie wird gelingen. (Beifall bei den Regierungsparteien.)

Abg. Sauerbrey (U. Soz) ; Die kapitalistische Gesellschafts⸗ ordnung wendet alle Mittel zu ihrer Erhaltung an, und die Regierung ist noch immer der geschäftsführende Ausschuß dieser Gesellschaftsordnung. (Sehr richtig! links Der Kapitalismus will mit reaktionären Mitteln das Proletariat niederhalten, wenn auch seine frühere gewaltige Macht eingeschränkt ist. Die erste Aufgabe der grünen Polizei war, den Ar⸗ beilern die Waffen fortzunehmen. In den n. er Arbeiter be⸗ finden sich so gut wie Keine Waffen mehr (achen rechts), jedenfalls nicht so viel, um dieses Gesetz zu rechtfertigen. Die e gr., über die Bildung der Roten Armee im Westen sind nur durch 86 er⸗ funden worden und haben uns die Nichtachtung des Ausl. ein⸗ getragen. Sie können uns als Vertreter revolutionärer Arbeiter nicht zumuten, dem Gesetz zuzustimmen. Wir werken die Arheiter au'—

klären, damit die morsche, innerlich sich zersetzende Wirtschaftsordnung

den letzten Stoß bekommt. . 9

Abg. Remmele (U. Soz.): Die wirkliche. Absicht der Regierung hat mit Entwasfnung nichls zu lun. Der . sagt ja selbst, die Gefahren seien nicht zu groß, und es befänden sich nur wenige Waffen in den Händen derer, wo sie nicht hingehören. Darum bedürfte es dieses Schandgesetzes nicht. Ueherall sind die revolutionären Arbeiter bestraft worden, die besitzenden Klassen aber straffrei geblieben. Man braucht die Handhabe dieses Gesetzes, weil die Staatsanwälte streiken. Die Reichs und Staalskommissare für dieses Gesetz werden gefügi Werkzeuge der Bourgoisie sein. j friedliebend. Wenn man aber mit Mord und Totschlag gegen die Ar.

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