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Nach Abs. 4 des 5 J finden die in Abs. 1 bis 3 enthaltenen Vorschriften mit Ausnahme derjenigen über Ruhegehalt und Witwen⸗ und Waisengeld auch auf die nach Gemeindebeschluß den Beamten leich zu achtenden ständig Angestellten und Anwärter Anwendung. Der Begriff dieser im ,,, Personen ist bei der Verschiedenheit ihrer Dienst- und Anstellungsverhältnisse in den einzelnen Gemeinden noch kein allgemein feststehender. Die Be— stimmung des Begriffs ist daher der Beschlußfassung der Gemeinden (Gemeindeverbände) überlassen. Hierbei werden die Gemeinden (Ge⸗ meindeverbände) davon auszugehen haben, daß zu den ständig An— gestellten alle diejenigen zu rechnen sind, die nach den gesamten Ver— hältnissen in der betreffenden Verwaltung der Befrledigung eines dauernden Bedürfnisses dienen und sich in einer den bestehenden Amtseinrichtungen sich einfügenden amtsartigen Stellung befinden. Der Kreis der unter das Gesetz fallenden ständig Angestellten wird sich vielfach mit dem derjenigen Arbeitnehmer decken, die nach 8. 13 Abs. 4 des Betriebsrätegesetzes vom 4. Februar 1920 Reichs⸗Gesetzbl. S. 147 ff) von der Geltung dieses Gesetzes ausgeschlossen werden können, vorausgesetzt, daß diese der Befriedigung eines dauernden Bedürfnisses dienen.
Zu den Anwärtern im Sinne des Gesetzes gehören auch die zum Nachwuchs für den Beamtenkörper bestimmten, noch im Vor—
gu J n
a) Die Vorschriften in 8 65 des Reichsmilitärgeseßzes wonach die Reichs- und Staats. und Kommunalbeamten durch die Cin berufung zum Kriegsdienst in ihrem Beamtenverhältnis keinen Nach teil erleiden sollen, beziehen sich nur auf Personen, die zur Zeit ihres Eintritts in den Kriegsdienst bereits Beamte waren. Nichk auf die- jenigen, die erft nach Beendigung des Kriegsdienstes Beamte werden und die bei der Feststellung ihres Dienstalters gegenüber gleichaltrigen Amtsgenossen, die nicht im Kriege gewesen sind, Nachteile erleiden, weil sie später als diese, sei es nach oder ohne Ablegung einer Prüfung, zum Einkritt in den Beamtendienst gelangen. Der 8 5 soll diesem Nachteil für die Kommunalbeamten, ständig Angestellten und An⸗
warter der Gemeinden usw. in gleicher Weise Abhilfe schaffen, wie
es für die Staatsbeamten geschehen ist. Bei seiner Anwendung ist auf die näheren Bestimmungen des nach s 66 des Reichsmilitär= gesetzes ergangenen Grlasses des Staatsministeriums vom 17. Juli 19165 (Min. Bl. f. d. i. Verw. S. 230) zu achten. Danach ist bei Feststellung des Dienstalters, welches für die Berufung zur ersten
Planmäßigen Anstellung maßgebend ist, die Zeit des Kriegsdienstes inso⸗
bereitungsdienst und in der Ausbildung begriffenen Personen, die noch
nicht als Beamte auf Probe oder diätarisch angestellt sind.
Einen Zwang zur Gewährung von Ruhegehalts⸗ und Hinter⸗
bliebenenversorgung für diese Gruppen von Ge meindebediensteten ent⸗ hält das Gesetz nicht, es schließt aber die Gewährung derselben auch
nicht aus. .
Die beteiligten Organisationen sind zu hören:
a) wenn es sich um die Besoldungsregelung usw. von Beamten⸗ gruppen handelt, für die entweder eine Beamtenvertretung nicht besteht oder die einer Mehrzahl solcher Vertretungen zugehören, was häufig bei Provinzialverbänden der Fall sein wird, wo einzelne Beamtengruppen, wie beamtete Chaussee⸗ wärter und ⸗aufseher, über die ganze Provinz verteilt sind,
Nin allen übrigen Fällen, wenn die Organisation es wünscht. Es soll hierdurch den Gemeinden Gelegenheit gegeben werden, vor Festsetzung der Besoldungen sich . über die Stellungnahme der Beamtenschaft zu unterrichten.
Die Anhörung ist in erster Linie Sache der Gemeindebehörden, welche die darüber entstandenen Verhandlungen mit den beschlossenen Besoldungsvorschriften (6 2 Abs. 2) der Aufsichtsbehörde vorzulegen haben. Die Aufsichtsbehörden werden aber nach Möglichkeit darauf hinzuwirken haben, daß beim Vorliegen eines Einspruchs im weiteren Verlauf des Verfahrens auch die Beschlußbehörden eine nochmalige Anhörung vornehmen.
Zu S2.
Sämtliche Gemeinden und Gemeindeverbände haben auf Grund des Gesetzes alsbald eine Neuregelung der Bezüge ihrer Beamten usw.
vorzunehmen, auch wenn in neuerer Zeit eine solche Regelung statt⸗
gefunden haben sollte. Es bestehen jedoch keine Bedenken, wenn eine
Gemeinde eine nach Neuregelung der Bezüge der Staatsbeamten be⸗
schlossene Besoldungsordnung, die den Bestimmungen des vorliegenden /
Gesetzes entspricht, ohne nochmalige Beschlußfassung der Aufsichts— behörde vorlegt und damit deren weitere Geltung zum Ausdrucke bringt.
Enthält eine Besoldungsordnung nach den vorstehenden Aus— führungen einen erheblichen Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimungen, der der Aufsichtsbehörde zum Einschreiten Veranlassung gibt, so ist von dem Cinspruchsrecht unverzüglich Gebrauck zu machen und die Beschlußfassung der Beschlußbehörde herbeizuführen. Ebenso ist zu— treffendenfalls mit größter Beschleunigung die Erklärung, daß kein Einspruch erhoben werden soll, abzugeben, wie überhaupt die Prüfung der Besoldungsordnungen sofort nach deren Einreichung vorzunehmen und aufs äußerste zu beschleunigen ist. Die Erhebung eines rein formellen Einspruchs, lediglich um den Lauf der Einspruchsfrist zu unterbrechen, ist mit dem Gesetz unvereinbar, da das Ein p ru sũorecht
3
2
vorschriften als mit den Bestimmungen des 5 J in Widerspruch stehend erachten.
nur gegeben ist, wenn die Kommunalaufsichtsbehörden die Besoldungs—
Auch für die Gemeinden und Gemeindeverbände bezeichnet die in 5 2 Abs. 1 gesetzte Frist von drei Lonaten nur den äußersten
Termin für die Regelung. Im Interesse der Gemeindebeamten wie auch der Gemeinden selbst liegt es, die Gehaltsaufbesserung mit größter
Beschleunigung vorzunehmen und erforderlichenfalls einer besonders
dringlichen Not durch Vorschußzahlung auf die in Aussicht stehenden Erhöhungen der Bezüge abzuhelfen.
Der Rechtsmittelzug gegenüber den erstinstanzlichen Beschlüssen der Beschlußbehörden regelt sich nach 8 121 des Landesverwaltungs⸗ gesetzes vom 30. Juli 1883.
Den einzelnen Beamten usw. steht die förmliche Beschwerde nach
§ 121 a. a. O. wegen seiner Einreihung in die Besoldungsordt oder der Bemessung seiner Bezüge nicht zu. Wenn er glaubt
in wohlerworbenen Rechten geschädigt zu sein, hat er diese auf der
S8 7 des Kommunalbeamtengesetzes geordneten Wege, der auf Pr vertrag Angestellte auf dem ordentlichen Rechtswege zu verfolgen. Zulässigkeit von Vorstellungen und Beschwerden im Aufsichtswe steht diese Rechtslage selbstverständlich nicht entgegen.
Zu 58 3. Der 8 3 enthält eine Erweiterung der bieher in § 11 des Kommunalbeamtengesetzes geregelten Aufsichtsbefugnisse.
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a. a. O. während der An J
nicht unterworfenen Bezüge der Bürgermeister und Magistra Besoldungen usw. der Beamten der
Der 8 Z gilt sachlich für alle im
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griffsrechts nach 5 3 nicht aus. Zu S§ 4.
Die Vorschrift entspricht den für die unmittelbaren Staats— beamten in S 10 Abs. 4 des Beamten⸗Diensteinkommensgesetzes er⸗ lassenen Vorschriften.
Der Begriff der Gemeindeverbände ist hier, wie bereits bemerkt,
entsprechend den Anstellungsgrundsätzen des Bundesrats vom 20. Juni 1967 (Zentralbl. f. d. D. R. S. 14 ff.) weitergehend gefaßt als in F 1; auch die kommunalständischen und landschaftlichen Verbände fallen hierunter. Als „nachfolgende Zivildienstzeit. (Abs. 1 P) gilt die Zeit der informatorischen Beschäfligung im Probedienst und die diatarische Dienstzeit, die bei dem Anstellungsverband usw. zur Erlangung der Anstell ung zurückgelegt sind.
Für die in Abs. 3 genannten Militäranwärter hat eine Nach— zahlung vom 1. April 1925 ab zu erfolgen, sofern nicht eine wenigstens zum gleichen Ergebnis führende Anrechnung auf das Besoldungsdienst⸗ alter bereits stattgefunden hat. ;
Der Höchstbetrag der Anrechnung von fünf Jahren ist für die erstmaligen Anstellungen nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes auch in denjenigen Gemeinden usw. maßgebend, in denen bisher eine höhere Anrechnung stattfand. Die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes bereits erfolgten höheren Anrechnungen bleiben unberührt.
Abgesehen von der Berechnung des Ruhegehalts kommt dem 5 Bedeutung nur für diejenigen Gemeinden usw. zu, die das System der Dienstaltersstufen eingeführt haben.
weit anzurechnen, als der Inzustellenbe infolge des Kriegsdienstes die Befähigung für das betreffende Amt nachweislich später erlangt hat, oder als, wo Anwärter nach Ableistung des Probe⸗ oder Vor⸗ bereitungsdienstes ohne weiteren Befähigungsnachweis zur ersten etats mäßigen Anstellung gelangen, die Anstellung nachweislich später erfolgt ist. Ferner wird nach dem Erlaß allen Beamten die Kriegs⸗
dienstzeit auf das Dienstalter soweit angerechnet, als durch sie der
Beginn der diätarischen Beschäftigung nachweislich verzögert ist.
Besonders zu beachten ist 3. gin? TV des geg wonach eine Anrechnung nur stättfindet, sofern der Beamte unmittelbar nach Beendigung des Kriegsdienstes oder der Schulzeit sich dem Dienste der betreffenden Gemeinde oder der Vorbereitung dafür zugewendet hat.
b) Nach den kaiserlichen Verordnungen vom 7. September 1915 (Reichsgesetzbl. S. 599), vom 24. Januar 1915 Reichsgesetzbl. S. S357, vom 20. Januar und 20. März 1917 Reichsgesetzbl. S. 149, 315) und vom 21. Januar 1918 (Reichsgesetzbl. 6 73) werden den Beamten, die am Kriege teilgenommen haben, bis zu fünf Jahre auf das hu n n n n, zugerechnet; die weiteren Bestimmungen der kaiserlichen Verordnungen und in 8 17 des Pen⸗ sionsgesetzes für die unmittelbaren Staatsbeamten in der Fassung vom 27. Mei 1907 (Gesetzsamml. S. 95) über den Begriff des Kriegsteilnehmers usw. sind ebenfalls bei Berechnung des Ruhe— gehaltsdienstalters im Einzelfall zu beachten.
Da § 5 die jeweils“ geltenden Bestimmungen für anwendbar erklärt, würde auch der zurzeit in Vorbereitung befindliche Gesetz⸗ entwurf, wonach auch den in der Heimat verbliebenen Beamten die Kriegszeit, und zwar voraussichtlich mit der anderthalbfachen Dauer auf das Ruhegehaltsdienstalter, anzurechnen wäre, falls er 96 werden sollte, ohne weiteres für die Gemeinde- usw. Beamten Gel⸗ tung gewinnen; eine ausdrückliche Regelung dieses Punktes in den Besoldungsvorschriften wird daher nicht erforderlich sein.
Soweit inbetteff der Anrechnung der Kriegszeit einzelnen Be— amten bereits besondere Rechte zugebilligt sind, hat 8 5 keine rück⸗ wirkende Kraft. Im übrigen werden durch ihn jedoch entgegen⸗ stehende Bestimmungen beseltigt, so daß in Zukunft nur die Vor— schrift des 8 5 in Anwendung kommt.
Zu S6.
Während 8 11 Abs. 1 des Kommunalbeamtengesetzes aufgehoben ist (àgl. auch die Ausführungsbestimmungen zu § 3 des Gesetzes) sind die in § 11 Abs. 2 a. a. S. erwähnten, auf den besonderen polizei⸗ rechtlichen Vorschriften beruhenden abweichenden Befugnisse der höheren Polizeibehörden hinsichtlich der Festsetzung der Bezüge für Polizei- beamte unberührt geblieben. Ein Gleiches gilt, wie bereits zu § Abs. 1/3 gesagt ist, entsprechend auch bezüglich der Gemeindeforst
beamten (6 23 des Kommunalbeamtengesetzes).
Berlin, den 6. Oktober 1920. Der Minister des Innern. .
Ministerium für Landwirtschaft, Do mänen und Forsten.
Die Preußische Staatsregierung hat den Oberforstmeister
Wesener zum Landforstmeister,
den Regierungsrat Boddin, den Regierungs- und Ver⸗ messungsrat Kum m er und den Regierungs- und Landesober—⸗ fischmeister Dr. Seydel sämtlich im Ministerium für Land⸗ wirtschaft, Domänen und Forsten, zu Ministerialräten in diesem Ministerium ernannt.
Der Regierungsrat in der bisherigen Schutz gebietsverwal⸗ tung Dr. Mickel in Berlin ist zum Regierungs- und Landes⸗ zkonomierat im Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten ernannt worden.
Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung.
Die Preußische Staatsregierung hat den früheren Direktor des Gymnasiums in Weißenburg i. Els. Dr. Radke, zurzeit Studienrat am Gymnasium in Burg, zum Studiendirektor ernannt und ihm die Leitung des Stiftsgymnasiums in Zeitz übertragen.
Evangelischer Oberkirchenrat.
Der Pfarrer Fischer an der Jerusalemskirche in Berlin ist zugleich zum Konsistorialrat ernannt worden. Ihm ist eine
nebenamtliche geistliche Ratsstelle bei dem Evangelischen Konfistorium der Mark Brandenburg verliehen worden.
Be rord nun
Auf Grund der Bekanntmachung des Reichskommissars für die Kohlenverteilung vom 30. März 1918 (Deutscher
Neichsanzeiger Nr. 78) in Verbindung mit der Anordnung der
Landeszentralbehörden vom 21. August 1917 wird für das Gebiet des Kohlenverbandes Groß Berlin, nämlich die Stadt⸗ kreise Berlin, Charlottenburg, Neukölln, Berlin⸗Schöneberg, Verlin-Lichtenberg, Berlin-Wilmersdorf sowie die Landkreife Teltow und Niederbarnim folgendes bestimmt:
8 ö § 1. . An Stelle des sS 14 der Verordnung des Kohlenverbandes Groß Berlin vom 6. März 1919 tritt folgende Bestimmung: Die Kohlen sind nach Gewicht abzugeben; bei Lieferung frei Haus hat das Zuwiegen mittels einer Wage bei der Ueber⸗ gabe der Ware zu geschehen. § 2. Zuwiderhandlungen gegen obige Bestimmung werden gemäß r Verordnung des Kohlenverbandes Groß Berlin vom 6. März estraft. ö 66 . Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Veröffentlichung in Kraft. . Berlin, den 14. Oktober 1920. Der Kohlenverband Groß Berlin. Reike.
Bekanntmachuag. Die am 18. Juni d. J. verfügte Untersagun
Grotheschen? Handelsbetriebe in Wi
wegen Unzuverlä aller Art wird hierdurch aufgehoben.
ssigkeit auf den Handel mit Mehl was
Wittenberg, den 25. September 1920. Die Polizeiverwaltung. Dr. Nottebeh rn
—
Bekanntmachung.
Auf Grund der Bekanntmachung zur Fernhaltung unzuberlãssiger Personen vom Handel vom 23. September 1915 (RGBl. S. 6063) kabe ich dem Penfions inhaber Emil Bast, Berlin, Lussenstraße ol, und dem Geschäftsführer Kurt Illgen, Berlin, Invalidenstraßze 131, durch Verfügung, vom heutigen Tage den Handel mit Gegenständen des täglichen Bedarfs wegen Unzuverlässigkeit in bezug a uf diesen Handelsbetrieb unt er⸗ sagt.
Berlin O. 27, den 6. Oktober 1920.
Der Polizeipräsident. Abteilung T. J. V.: Heyl.
Bekanntmachung.
Auf Grund der Bekanntmachung zur Fernhaltung unzuverlässiger Personen vom Handel vom 23. September 1915 Fe m S. 665) babe ich dem Schankwirt Viktor Herrmann und dessen Ehefrau, Else geb. Grünke, beide Berlin Friedenau, Rheinstraße 20, wohnhaft, durch Verfügung vom e,, Tage den Handel mit Gegenständen dez täg⸗ kich?n Bedarfs wegen Unzuverläsftgkeit in bezug auf diesen Handelsbetrieb untersagt.
Berlin 0O. 27, den 6. Oktober 1820.
Der Polizeipräsident. Abteilung W. J. V.: Heyl.
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Nichtamtliches.
Theater und Musik.
Schillertheater Charlottenburg.
Sudermanns Tragikomödie Die gutgeschnittene Ecken, die vor vier Jahren im Lessingtheater einen starken Erfolg erzielte, ist seit gestern dem Spielplan des Schillertheaters einverleibt worden. Ist auch der Grundgedanke dieses dem Dramenzyklus „Die entgötterte Welt angehörigen Sudermannschen Stücks, das den alten, ewigen Kampf des * seine Sache begeisterten Idealisten wider die Uebermacht selbstsüchtiger Gegner darstellt, nicht neu, so fesselt er doch hier durch den gutgewählten Sonderfall, den der Dichter als lehr⸗ reiches Beispiel seiner Bühnenarbeit zugrunde gelegt hat. Mit grellem Scheinwerferlicht erhellt er dunkle Winkel des ö Kunstlebens, oder, richtiger gesagt; Kunst—
etriebes., in. denen Erfolge, die sich für die Beteiligten nicht nur in Ruhm, sondern in klingende Münze umsetzen lassen, er dacht, errechnet und gemacht werden. So sehen wir einen aufrecht in der Oeffentlichkeit stehenden Mann, welcher die Stadtgemeinde, der er , , nach bestem Gewissen dient, durch die Gründung einer Volksbühne beglücken möchte, angewidert von den Machenschaften seiner Gegner, sich ins Privatleben zurückziehen, während andere die Früchte seiner Arbeit ernten. Eine unter Alfred Brauns Spielleitung stehende, selbst verwöhnten Ansprüchen gerecht werdende Aufführung verfehlte auch auf die zahlreichen Besucher des Schiller⸗ theaters ihren Eindruck nicht. In der Rolle des idealistischen Stadtverordneten Brandstädter schuf Georg Paeschke eine lebens— volle, überzeugende Gestalt. Den gaunerhaften Grundstücsspekulanten Dänsch, im Lessingtheater einst eine glanzvolle Charakterstudi Hermann Vallentins, zeichnete Albert Ullrich nach diesem Vorbild mit sicheren Strichen nach, und den gefährlichsten Gegner Brand städters, den Kunsthändler Weyrauch, spielte Richard Wirth gewandt und glaubhaft. Mit scharfer Charakteristik stellte Artur Menzel den Stadtverordneten Friese, den einzigen ehrlichen Gegner Brandstädters, auf die Bühne. In den wichtigeren Nebenrollen zeichneten sich die Damen Hartwig, Würtz, Wolff, Mörike, die Herren Braun, von Oppen u. a. aus. Von den Bühnenbildern war der Vorraum des
Stadtverordnetensitzungssaales im Rathause das wirksamste.
Im Opernhause beginnt als Martha in der morgigen Auffüuͤhrung von Flotows gleichnamiger Oper Maria Ivo gün vom Nationaltheater in München die erste Reihe ihrer hiesigen Verpflichtungen. In den übrigen Rollen wirken mit: Margarete Arndt⸗-Ober und die Herren Kirchner, Helgers, Krasa und Bachmann. Musikalischer Leiter ist der Kapell⸗ meister Otto Urack. Anfang 7 Uhr.
ö Im S chauspielhause werden morgen Die Räuber“ mit Theodor Becker als Karl und Fritz Kortner als Franz Moor auf— geführt. Anfang 5 Uhr.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
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Theater.
Opernhaus. (Unter den Linden) Sonnabend: 178. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Martha. Anfang 7 Uhr. Sonntag: Palestrina. Anfang 5 Uhr.
Schauspielhaus. Am Gendarmenmarkt) Sonnab.: 183. Dauer⸗ bezugsvorstellung. Die Räuber. Anfang 67 Uhr.
Sonntag: Nachmittags: 7. Volksvorstellung zu ermäßigten Preisen: Fuhrmann Henschel. Anfang 25 Uhr. — Abends: Die Journalisten. Anfang 7 Uhr.
Samiliennachrichten.
Verlobt: Gräfin Katharina von Rothenburg mit Hrn. Heribert Frhrn. von Ohlen und Adlerscron (Schloß Peterwitz, Kr. Jauer).
Gestorb en: Hr. Oekonomierat Hermann Faulhaber (Breslau). — Hr. Generalleutnant z. D. Wigand von Gersdorff (Weimar). — Qr, Major a. D. Ulrich von Bismarck (Kuelz). — Frl. Johanna Schöne (Berlin⸗Grunewald). ;
Verantwortsicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil; Der Vorsteher der Geschäftsstelle. J. V.: Rechnungsrat Meyer in Berlin.
Verlag der Geschäftsstelle (J. V. Meverm in Berlin.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt. Berlin, Wilhelmstraße 32.
Sechs Beilagen leinschließlich Börsenbeilage und Warenieichenbeilage Nr. 83 A und B) und Erste und Zweite Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage
zum Deutschen Reichsa
Nr. 234. 6.
Erste Beilage
Berlin, Freitag, den 15. Ntober
Nichtamtliches.
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt) Deutsches Reich.
Wie Wolffs Telegraphenbüro“ erfährt, hat am 13. d. M. im Auswärtigen Amt mit vom Reichswirtschaftsrat benannten Persönlichkeiten eine Besprechung über die Vorbereitung der Genfer Konferenz stattgefunden.
Wie vom Reichsarbeitsministerium mitgeteilt wird, hat der Reichsrat in seiner Sitzung vom 14. Oktober einer Vorlage des Reichsarbeitsministeriums seine Zustimmung erteilt, wongch auch über den 22. Ottober 1920 hin⸗ auß die Kündigung gegenüber Schwerbe⸗ schädigten nur mit Zustimmung der Hauptfürsorge⸗ stellen fur Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene zulässig ist. Die Vorlage wird den Schwerbeschädigten in der Zeit der heutigen Wirtschaftskrise den unbedingt erforderlichen Schutz auf dem Arbeitsmarkt auch weiterhin zuteil werden lassen. Es kann erwartet werden, daß die Hauptfürsorgestellen die vor⸗ geschriebene Zustimmung zu den Kündigungen nur in ganz be— sonderen Ausnahmeverhältnissen geben und daß im Hinblick darauf in Arbeitgeberkreisen auf Kündigungen tunlichst ver— zichtet wird.
Zur Auslieferung der Dieselmotore an die Entente hat der Reichsausschuß der Deutschen Land⸗ wirtschaft, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ mitteilt, an die Reichsregierung die dringende Aufforderung gerichtet, unter keinen Umständen dieser unerhörten Forderung nachzugeben. Deutschland würde durch die Abgabe der Dieselmotore eines der wichtigsten Mittel zum Wiederaufbau des Wirtschaftslebens verlieren. Gerade im landwirtschaftlichen Interesse müsse vor einer Auslieferung der Dieselmotore auf das dringendste gewarnt werden. Ihre Anwendung in der Landwirtschaft sei von Jahr zu Wahr gewachsen. Sie würden benutzt in Elektrizitätsentralen, in Trocknereien, bei Wasserversorgungs⸗ anlagen, bei Be- und Entwässerungsanlagen usw. Die Weg⸗ nahme dieser Dieselmotore würde die betreffenden Betriebe bis zur Beschaffung einer anderen Antriebkraft stillegen, zumal andere Betriebsstoffe wie Kohle, Benzol usw. nur in sehr be— schränktem Maße zur Verfügung ständen und außerdem nur Mn sehr hohen und vielfach unerschwinglichen Preisen zu be— kommen seien. Die Fortschaffung der Dieselmotore würde des⸗ halb nicht nur die industrielle Produktion Deutschlands schädigen, fondern auch die landwirtschaftliche. Damit werde die schon ohnehin gespannte Lage in der Lebensmittelversorgung unseres Volkes bis zur Unerträglichkeit gesteigert.
Der sozialdemokratische Parteitag in Cassel be— endete gestern die eingehende Debatte über die Wirtschafts⸗ politik und stimmte über die zahlreichen zum Fraktions⸗ bericht vorliegenden Anträge ab. Mit 158 gegen 137 Stimmen wurde dem „Vorwärts“ zuolge ein Antrag Heilmann angenommen, der besagt, die Reichs⸗ tagsfraktion solle dem Ernährungsminister Dr. Hermes wegen seiner Ernährungspolitit. unbeschadet der sonstigen Stellung der Fraktion zum Kabinett das Miß⸗ trauen aussprechen. Einstimmig gelangte eine Ent— schließung zur Annahme, die den festen Willen der Partei zum Ausdruck bringt, die ganze Kraft auf die Ver— gesellschaftung der Pro duktionsmittel n kon⸗ zentrieren und die Sozialisierung überall dort tatkräftig zu 5 wo innerhalb der Produktion die Voraussetzungen gegeben sind, vor allem für den Kohlenbergbau und die Kohlen⸗ verteilung. Dieser entscheidende Schritt sei ohne Vorbehalt mit voller Klarheit und ausdrücklich gegen das private Eigen— tum im Kohlenbergbau im Sinne des Antrags L der Soziali⸗ sierungskommission zu tun. Darauf wurde der Bericht über den Internationalen Sozialistenkongreß in Genf erstattet.
6 Bayern.
In der gestrigen Sitzung des Staats haushalts⸗ ausschusses wurde beim Etat des Stagtsm inisteriu ms des Aeuß ern ein sozialdemokratischer Antrag eingebracht, vom J. Januar 1921 an dieses Ministerium aufzuheben. Der Vänisterpräsident von Kahr erklärte laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“:
Aus der Vorlage des Haushaltsplans sei zu entnehmen, daß die Regierung zunächst nicht beabsichtige, die Aufhebung des Außen⸗ ministeriums zu verfolgen. Die Entwicklung der Verhaͤltnisse seit dem Frühjahr lasse es der Regierung nicht raisam erscheinen, gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt mit einer solchen Maßnahme vorzugehen, zumal sich die Aufgaben des Außenministeriums seit dem Frühjahr in unerwarteter Weise vermehrt und vertiest hätten. Ferner sei nicht nur die Reichsregierung gewillt, eine besondere Vertretung in München einzurichten, sondern auch Sachsen und Württemberg hätten ihre Vertretungen beibehalten. Der Ministerpräsident könne auf keinen Fall auf einen Apparat verzichten, wie ihn das Außenministerium Farftelle. Seine fofortige Aufhebung würde keine wesentliche Ver⸗ einfachung im Verwaltungsdienst bringen. Deshalb habe sich die Regierung entschlossen, für die vorläufige Belassung des Ministeriums des Aeußern einzutreten.
Nach dem Schlußwort der beiden Referenten wurde der Antrag der Sozialdemokraten mit allen gegen acht sozial demo⸗ kratische Stimmen abgelehnt. Auf einen demekratischen Antrag wurde beschlossen, dem deutschen Volk in Kärnten. Glück⸗ wünsche zum Ergebnis der Volksabstimmung zu übermitteln.
— Im Wirtschaftsaus schuß des Landtags wurde
egen die verlangte Der run der Die selmotoren von seiten
Entente von Rednern aller Fraktionen einschließlich der U S. P. Protest erhoben. Der Handelsminister Ham m be⸗ merfie, mit der Ausführung des Friedensvertrags habe die Sache nichts zu tun, das sei auch die Auffassung des Auz⸗ wärtigen Amts. Die Reichsregierung würde mit allem Nach⸗ druck auf den Ernst der Sache hingewiesen, ebenso die fran⸗ zösssche Vertretung in München.
Oesterreich. ö
Nach dem offiziellen Ergebnis der Kärntner Volks⸗ abstimmung sind für Oesterreich 2 25, für Jugoslawien 15 8 Stimmen abgegeben worden. Anläßlich dieses Er⸗ gebnisses hat das Präsidium der österreichischen Nationalpersam mlung an die österreichische Oeffent— lichkeit eine Kundgebung gerichtet, in, der es darauf verweist, daß die Mehrheit der Bevölkerung in dem strittigen Gebiet sich nicht für das mit natürlichen Hilfsmitteln so reich gesegnete Südsiawien, sondern für den in tausend Nöten ringenden österreichischen Staat entschieden habe. Das Präsidium der Nationalversammlung dankt aus innigem Herzen den Kärntnern für ihre Treue. Die Blätter drücken ihre große Freude über das Abstimmungsergebnis aus, wodurch dieses Tand deutsch und ungeteilt bei Oesterreich verhleibt. Sie be⸗ tonen weiter, daß der 10. Oktober auch den Signataren des Vertrages von St. Germain den Beweis erbracht habe, wie— viel Unrecht dem Volke Oesterreichs durch diesen Vertrag ge⸗ schehen sei, und drücken die Erwartung aus, daß der Vertrag revidiert werde.
Nach einer Meldung des „Wolffschen Telegraphenbũros“ sind in die Zone A zwei südslawische Bataillone ein⸗
marschiert. Die Plebiszitkommission traf entsprechende Maß⸗
nahmen und wird bis zur Uebergabe des Gebiets an Oester— reich anstatt der Kontrolle die Verwaltung des Gebietes selbst übernehmen. Das Staatsamt des Aeußern hat der Bot⸗ schafterkonferenz in Paris von dem Einmarsch südslawischer Bataillone Mitteilung gemacht und die österreichische Gesandt⸗ schaft in Belgrad beauftragt, bei der südslawischen Regierung Einspruch zu erheben.
Nach jugoslawischen Meldungen sind in Lgibach Ge⸗ rüchte von Brandstiftungen und Angriffen gegen die flawische Bevölkerung verbreitet. Wie das Tele⸗ graphen⸗KorrespondenzBüro von kompetenter Seite erfährt, sind alle diese Nachrichten absolut aus der Luft gegriffen. Nach den vorliegenden Meldungen ereigneten sich weder während des Plebißsits noch nach demselben irgendwelche Zwischenfälle. Von irgendeiner Bedrohung der slawischen Bevölkerung in Kärnten kann also keine Rede sein.
Ungarn.
In der Natio nalversammlung interpellierte der Ab— geordnete Stefan vacs über die Königsfrage. Der Ministerpräsident ö Teleki erklärte dem „Wolffschen Telegraphenbüro“ zufolge, die Regierung vertrete einmütig die Ansicht, daß die Königsfrage nur auf i ben Wege gelöst werden könne, allein weder die innerpolitische noch die außen⸗ politische Lage sei hierzu reif. Ueberdies müßten zuvor noch gewisse Verfassungsfragen geregelt werden. Keinesfalls sei die Angelegenheit geeignek, vor dex großen Oeffentlichkeit ver— handelt zu werden. (Lebhafter Beifall im ganzen Hause.)
Grosꝛbritannien und Irland.
Der deutsche Botschafter Sthamer hat gestern dem König sein Beglaubigungsschreiben überreicht.
Der Gefandte in Warschau Sir Horace Rumbold ist zum Oberkommissar in Konstantinopel ernannt, wo er bei der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zum Botschafter aufrücken wird.
— Lord Grey und Lord Robert Cecil veröffentlichen ge⸗ meinsam einen Brief zur Rede Lloyd Georges über Irland, in dem sie dem Nieuwe Rotterdamschen Courant“ zufolge erklären, daß erdrückende Beweise dafür bestehen, daß bewaffnete Streittraͤfte der Krone seit Monaten systematisch Häuser verbrannt oder zerstört, Frauen und Kinder in die Wälder und Berge verjagt haben. Unter den Opfern be— fänden sich Proteslanten und Unionisten, die erhitterten Gegner der Sinnfeiner. Die Politik, die zu solchen Ergebnissen ge— führt habe, würde von Ministern, darunter Lloyd George, ge— billigt. Dies seien ernste Anklagen, die sofortige öffentliche Untersuchung durch das gesetzliche Gericht heischten.
Die irische Selbstregierung wird den ersten Be— ratungsgegenstand bilden, der beim Zusammentritt des englischen Parlaments am nächsten Dienstag im Unterhaus auf der Tagesordnung steht.
Wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, haben etwa 100 bewaffnete Männer die Gendarmerie von Dun manwan in der Grafschaft Cork angegriffen, mit der es zu einen Kampf kam. In Londonderrn entstand ein Straßenkampf, bei dem mehrere Personen verwundet wurden. Auf einem der Kais von Dublin kam es zu einer Schießerei zwischen Zivilisten und Soldaten. Militär mußte die Ordnung wiederherstellen.
Frankreich.
Der Ministerpräsibent Leygues hat vorgestern den Vor—⸗ sitzenden der deutschen Friedensdelegation Minister von Mutius empfangen. ;
Geftern vormittag erstattete der Senatspräsident Bourgeois dem Ministerpräsidenten Bericht über die Ergebnisse der Finanz—⸗ konferenz.
— Der Völke rbundsrat hat gestern dem Vertreter Polens Paderewski durch seinen Vorsitzenden Bourgeois eine Note über die Ereignifse in Wilna überreichen lassen. Wie Wolffs Telegraphenbüro“ mitteilt, wurde Paderewski ersucht, feiner Regierung den großen Ernst der Lage vorzustellen. Die polnischen Truppen hätten die dem Völkerbund gegenüber über— nommenen Verpflichtungen verletzt. Wenn Wilng nicht in allerkürzester Zelt geräumt werde, müsse der Völkerbund eiligst usammentreten, um die Lage zu prüfen, die man nicht ernst genug ansehen könne. .
— Nach einer Mitteilung des „Echo de Paris“ hat die französische Regierung die Vorfchläge der englischen Note, betreffend die Sachverständigenkonferenz und die vor— geschlagene Konferenz mit deutschen Vertretern zur Erwägung der Wiederherstellungsfrage, angenommen, aber die Einberufung einer dritten Konferenz verlangt, auf der nur die alliierten Regierungen vertreten sein sollen. Die englische Ansicht gehe dahin, daß man sich mit Deutschland auf freund- ö. iche Art einigen solle, der französische Standpunkt dagegen
ahin, baß Deutschland seinen Verpflichtungen nur dann nach⸗
nzeiger und Preußischen Staatsanzeiger
1920
kommen würde, wenn es dazu gezwungen würde. Eine Formel für eine endgültige Einigung sei bisher noch nicht gefunden worden.
— Die Interngtio nale Donaukonferenz hat be⸗ schlossen, daß die Kosten für die Instandhaltung des Flusses von den Uferstaaten getragen werden sollen.
Rußzland. Der Friedensvertrag zwischen Rußland und Finn— land ist nach einer Meldung des „Wolffschen Telegraphen⸗ büros“ gestern in Dorpat unterzeichnet worden.
Italien. Nach einer Meldung der Agenzia Stefani“ ist der Minister des Auswärtigen Graf Sforza zurückgetreten.
Polen.
Der Generalstabsbericht der polnischen Armee vom 13. Oktober besagt:
Unsere Truppen hrachen den Widerstand zweier Sowjetdivisionen und besetzten am 12. 8. M. Molodetsch mo. In der neutralen Zone vor der 3. Armee berauben und drangsalieren Banden ver— kleideter litauischer Soldaten die polnische Bevölkerung auch weiterhin. Am südlichen Abschnitt kehrte unsere Reiterei nach einem am 7. d. M. eingeleiteten großen Ausfall aus Korostyn zurück. Nach Beschädigung der dortigen Eisenbahnstation und Vernichtung der Brücken zerstreuten unsere Abteilungen die 7. Reservebrigade sowie die 7. Sowjetdivision, machten 2000 Gefangene und erbeuteten 12 Ge— schütze und 40 Maschinengewehre.
Litauen.
Die litauische Regierung hat auf die letzte Note des polnischen Ministers des Aeußern vom 9. Oltober, wie die „Litauische Telegraphenagentur“ meldet, am 12. ihre Zu—⸗ stimmung n weiteren Verhandlungen über eine Weiterführung der Demarkationslinie östlich von Bastunai und Oszmjany nach Varena (Orany) gegehen unter der Bedingung, daß die polnische Regierung ihr Verhältnis zu General Zeligowski völlig aufklärt und die polnischen Truppen sofort aus dem besetzten Wilnaer Gebiet zu rückzieht.
Die genannte Telegraphenagentur ist in der Lage, nachdem
iel und Wesen der neuen polnischen Eindringlinge klargestellt sind, folgende Darstellung zu geben:
Es handelt sich um 12 000 Soldaten, deren Kern die litauisch— weißrussische Division der polnischen Armee bildet und die aus ihrem Operationsgebiet verschiedene Elemente an sich gezogen haben. Sie standen in der letzten Zeit auf dem linken Flügel der polnischen Armee in der Nähe von Lida. Als sie hörten, daß die polnische Negierung sich verpflichtet habe, Wilna nicht mehr zu besetzen, sagten sie sich wenigstens äußerlich von ihr los und stießen längs der Bahn— linie Lida Wilna vor. Nach der Besetzung Wilnas gingen sie weiter vor, um die dritte litauisch⸗polnische Demarkationslinie, die vor dem bolschewistischen Angriffe bestanden hatte, zu besetzen. In Wilna richtete General Zeligowski eine provisorische Regierung ein, deren Zusammenstellung keinen Zweifel über ihre Ziele bestehen läßt. Zeligowski richtete einen Funkspruch an die litauische Negierung, in dem es 1. er wünsche die Streitfragen mit der litauischen Regierung auf friedlichem Wege zu regeln. Nachdem schon vorher bei der litauischen Regierung kein Zwelfel bestanden hatte, daß Zeligowski polnischer Agent sei, der auf q ,. Befehl dieses sinnlose Unternehmen durchgeführt hat, ergibt auch das über die sogenannte Zentralregierung von Litauen gesammelte Material, daß das ganze Abenteuer in Warschau organisiert und in Szene gesetzt ist. Die peinliche Tatsache des Ursprungs dieses Abenteuers zu verdecken, hat General Zeligowski den Besehl herausgegeben, daß sich die polnischen Soldaten als aus Litauen gebürtig bezeichnen sollen. Unten den polnischen Soldaten befinden sich viele Posener, denen gesagt wurde, daß sie die litauisch⸗ bolschewistische Regierung aus Wilna vertreiben sollten.
Die Kontrollkommission des Völkerbundes hatte mit Vertretern der litauischen Regierung in Kowno eine Be⸗ sprechung und überläßt es obiger Quelle zufolge den Litauern, den Streitfall mit Polen mit Waffengewalt oder friedlich zu lösen. Der Vorsitzende hat versprochen, die Hauptmächte zu ersuchen, Hilfskräfte und Mittel zur Verfügung zu stellen, um die Verbindungswege zwischen den Truppen Zeligowskis und dem polnischen Heere zu überwachen, Schießbedarf⸗ und Lebens- mittelnachschub zu verhindern und für die Unverletzlichkeit der Demarkalionslinle zu sorgen. Die Mitglieder der Kontroll⸗ kommission haben sich in Wilna durch unmittelbare Befragung einzelner Mannschaften der Truppen Zeligowskis überzeugt, daß diese aus Galizien, Polen und Posen, nicht aber aus Mittel Litauen stammen.
Der litauische Generalstab teilt einem Telegramm der „Berlingste Tidende“ zufolge mit, daß lettische Truppen am 13. Oktober bei einem plötzlichen Vorstoß die Station Selowka an der Eisenbahnlinie Li bau — Düna—⸗ burg besetzten und gleichzeitig unter Drohung der Ent⸗ waffnung die sofortige Räumung des ganzen übrigen von Litauen besetzten Teils des früheren Gouvernements Kurland, des sogenannten Illuxtbezirks, forderten. Dieser Schritt komme den Litauern umso überraschender, als Lett⸗ land kürzlich ein Abkommen mit Litauen unterzeichnet hat, wonach das Schicksal dieses Gebiets durch Schiedsgericht ent⸗ schieden werden soll.
Gleichzeitig wird gemeldet, daß die Polen die litauische Stadt Swenzany besetzt haben und auf litauischem Gebiet nordwärts vorrücken, in der vermeintlichen Absicht, mit den lettischen Truppen im Illurtgebiet in Verbindung zu treten. Litauen wird vorläufig eine abwartende Haltung einnehmen. Es mobilisiert aus voller Kraft, will aber, bevor es sein Heer anwendet, feststellen, mit wem es kämpft. Die Bevölkerung zeigt zur Verteidigung gegen Polen die größte Opserwiligkeit; viele Freiwillige aus allen sozialen Schichten melden sich zum Heere, auch Schüler der oberen Klassen der Gymnasien und anderer Schulen. Sogar aus dem von Polen besetzten Ge— bieten kommen Weißrussen, Juden und selbst volnische Arbeiter,
um mit den Litauern gegen Polen zu kämpfen. Türkei. Nach einer „Havasmeldung“ hat die Kriegserklärung der armenischen Republikan die türkischen Natianga“ listen in armenischen Kreisen in Konstantinopel tiefen Eindruck
gemacht. Nach Mitteilungen aus Batum haben Kurden und Tataren sofort nach der Besetzung von Karbagh und Zangenzur
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