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holen — nämlich den Grundsatz zur Anerkennung zu bringen, daß nur der Waffen trägt, der von Amts wegen dazu berufen ist. (Bravo! bei den Sozialdemokraten) Herr von Richter chat im letzten Teil seiner Ausführungen den Wunsch ausgesprochen, daß ich von dem Staatsaufsichtsrecht besonders Berlin gegenüber mehr Gebrauch machen möge, hat aber dann vorsichtigerweise hinzu⸗ gefügt: allerdings im Rahmen der gesetllichen Bestimmungen. Ich
wäre Herrn Abgeordneten Dr. von Richter sehr dankbar, wenn er mir den Ratschlag ein klein wenig detaillieren würde; denn gesetzliche Be⸗ stimmungen, die heute dem Minister ein direktes Aufsichtsrecht geben, gibt es noch nicht, und ich bezweifle, daß der künftige Landtag bei der Beratung der Städteordnung dem Minister ein solches Aufsichtsrecht einräumen wird. Bei einer genauen Prüfung der gesetzlichen Be⸗
stimmungen von heute wird auch Herr von Richter anerkennen müssen, daß ein direktes Aufsichtsrecht mir nicht zusteht, und daß auch die Aussichten gering sind, in Zukunft dem Minister ein solches Aufsichta⸗ recht zuzusprechen. Im übrigen, meine ich, ist es nicht zweckmäßig, Kinderkrankheiten aufzubauschen. Was sich jetzt in Berlin zeigt: Elektrizitätsstreik. Demonstrationswahlen, Demonstrationskund⸗ gebungen, ist gewiß nicht erfreulich im Sinne einer gedeihlichen Fort⸗ entwicklung unserer politischen Verhältnisse. Aber lassen Sie doch Berlin einmal gehen lernen. Ich hoffe, die Selbstverwaltung wird auch aus dem neuen Berlin eine Gemeinde machen, um die sich der Landtag und der Minister nicht allzuviel zu kümmern brauchen.
Ma, na! rechts) Und wenn nicht, dann sind eben die Gewalten da, dann werden sie einschreiten müssen. Geht es dann nicht mit den alten gesetzlichen Bestimmungen von vor hundert Jahren, dann muß, wenn Gewalt gegen Gewalt gekehrt wird, auf Grund des Artikels 48 so vorgegangen werden wie in den letzten Tagen bei Ausbruch des Elektrizitätsstreiks.
Eine Frage möchte ich aber Herrn von Richter nicht schenken; ich bitte ihn dringend, mir die gesetzlichen Bestimmungen zu nennen, die heute schon einem Minister ein Recht geben würden, Aufsichtsrechte in Berlin auszuüben. Zuruf rechts: Oberpräsident) Dieses dem Oberprãsidenten zugestandene Aufsichtsrecht ist auch sehr winzig; das wird Ihnen, Herr Oberpräsident von Richter, durchaus bekannt sein.
In einem Punkte bin ich mit Herrn von Richter durchaus ein⸗ verstanden, in der Sorge um Ostpreußen. Ich stimme ihm durchaus zu, daß wir alle das Bestreben haben müssen, unsern ostpreußischen Brüdern das Gefühl zu erhalten, daß sie nicht ewig von uns ab— getrennt sind, daß der Korridor nicht ewig besteht, daß aber, solange er territorial besteht, eine kulturelle Brücke über ihn zu unsern ost⸗ preußischen Brüdern führt. Soweit mein Ressort in Frage kommt, will ich alles tun, um den Winschen unserer Ostpreußen nach einer engeren Verbindung zwischen Ostpreußen und dem Festland zu ent⸗ sprechen. Ich unterstütze hier alles, was der Herr Abgeordnete von Richter gesagt hat.
Wenn ich mich noch ein mal zum Wort gemeldet habe, so geschah es, um einer Legendenbildung vorzubeugen, die mir schon jetzt im An⸗ zuge zu sein scheint auf Grund von einigen Ausführungen, die ich über die Rechtslage der Orgesch gemacht habe. Ich habe hier erklärt, daß nachdem sich die unliebsame Kontroverse zwischen Justizminister und Innenminister durch eine Indiskretion in der Oeffentlichkeit ab⸗ gespielt hat, die Frage der Selbstschutzorganisation Gegen⸗ stand eingehender Erörterungen im Staatsministerium gewesen ist. Hier hat der Herr Justizminister ausgeführt, er billige dem Polizei— minister durchaus zu, daß er das Recht habe, dann einzuschreiten, wenn nach seiner Meinung wichtige politische Interessen auf dem Spiele ständen; er sei als Jurist nur der Meinung, daß die in dem zweiten Erlaß angezogenen Gesetzesbestimmungen nicht zu halten seien. Daraufhin habe ich erklärt — und ich habe dies heute wiederholt —: diese Gesetzesbestimmungen im einzelnen gebe ich durchaus preis, nicht aber auch in ihrer Gesamtheit; denn ich bin überzeugt, daß man, wenn man der Organisation z. B. des Regiments Bostelmann, also den Satungen, dem Charakter, der Bewaffnung usw., nachgeht, durchaus die Merkmale der Strafbarkeit nach der Verfügung des Reichs—⸗ prãäsidenten vom 30. Mai finden wird, und daß man, wenn man der Tätigkeit anderer Organisationen nachgeht, finden wird, daß die Vor⸗ aussetzungen für die Strafbarkeit auf Grund des gemeinen Rechtes gegeben sind. Ich kapriziere mich also nicht auf die einzelnen rechtlichen Bestimmungen, ich ziehe sie nur nicht insgesamt zurück So möchte ich meine Worte aufgefaßt wissen.
Wenn ich damals der Disposition des Rechtsgutachtens des Justizministers folgte und fast in jedem Absatz nach ihm den don ihn angezogenen Paragraphen wieder für mich anzog, so lag das daran daß ich den dringenden Wunsch hatte, in der Oeffentlichkeit nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, als ob nun die Selbstschutz⸗ organisationen, gleichviel welcher Art und welchen Charakters sie seien, durch das Rechtsgutachten des Justizministers legalisiert seien. Ich wollte Gegengründungen von anderer Seite verhindern. Ich möchte hier noch einmal mit aller Deutlichkeit erklären, daß aus mehreren Provinzen Nachrichten darüber vorlagen, daß die Gründung von Selbstschutzorganisationen industrieller Arbeiter bevorstände, und ich wußte, daß sie nur unterbunden werden konnten, wenn man mit aller Energie auch gegen die Selbstschutzorganisationen von recht vor- ging. (Zuruf bei der Deutschen Volkspartei.) — In den vereins gesetzlichen Bestimmungen ist nur gestattet, daß die Bürger sich friedlich versammeln. Mit Maschinengewehren versammelk man sich doch nicht. (Sehr gut! bei der Sozialdemokratischen Partei. — Zuruf bei der Deutschen Volkspartei) — Ja, wir werden über diese Frage uns nicht früher schlüssig werden, bevor Sie eine Ent— scheidung darüber treffen, ob Sie das, was Sie für sich als garan= tiertes Recht beanspruchen, auch den Herren von der andern Seite bestatten. Wenn Sie aber, wie Sie es früher getan haben, den Staatsanwalt und den Polizeiminister in Bewegung setzen, sobald Ansätze einer linksradikalen Organisation auftreten, dann können Sie von einer Behörde von heute nicht verlangen, daß sie, wie Sie es tun wollen, mit zweierlei Maß mißt. Nicht nur das Interesse einer gleichmäßigen Behandlung der beiden Gruppen, sondern — da folge ich wieder der Empfehlung des Herrn Abg. von Richter — das Wohl des Staates veranlaßt mich zu meiner Haltung. Wenn sich die Arbeiterschaft bis weit in die Reihen der christlich organisierten Arbeiter bewaffnet in der Erwartung, daß die Errungenschaften der Staatsumwälzung durch einen Rechtsputsch gefährdet werden könnten, und wenn sich die Rechtsparteien bewaffnen in der Sorge darum, daß Linksradikale oder auswärtige Bolschewisten ihre persön. liche Freiheit oder ihr Eigentum bedrohen könnten, dann haben wir zwei Lager, die sich bewaffnet gegenüberstehen, und bei denen ein Zusammenstoß das Werk eines ganz geringen Zufalls sein kann, dann haben wir den Bürgerkrieg, den ein Polizeiminister — das ist seines
ein ernstes Wort reden müssen, um die Disziplin der Truppe auf⸗
Im übrigen haben wir uns über die rechtlichen Seiten der Frage vollständig auseinandergesetzt, und der Herr Justizminister und ich sind heute gar nicht mehr verschiedener Meinung. Es ist ein Kommentar zu meinem Erlaß hinausgegangen, in dem es unter anderem heißt:
Die Herren Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten und Polizei- präsidenten ersuche ich demgemäß nochmals, auf alle Organisationen innerhalb ihres Bezirks ein wachsames Augenmerk zu richten. Die Entstehung zahlreicher Verbände und Vereinigungen mit politischem Charakter, ihre Betätigung, namentlich durch die Art und den Inhalt ihrer Agitation, und ihre Wirkung auf politisch Anders⸗ denkende bilden infolge der dadurch immer schärfer hervortretenden Gegensätze der verschiedenen Bevölkerungskreise und infolge der Förderung der Spannung zwischen diesen eine ernste Gefahr für die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung. Dieser Gefahr muß mit allen zulässigen Mitteln begegnet werden.
Und an einer anderen Stelle dieses auch vom Herrn Justizminister genehmigten Erlasses heißt es:
Zu verbieten sind also insbesondere alle Vereine und Verbände, die sich mit Waffen versehen oder die gegen die Verordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 30. Mai 1920 verstoßen. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten) Das Bestehen eines Verbandes polizeilicher Art kann bereits dann angenommen werden, wenn eine Einzelorganisation nach ihren Zwecken polizeiliche Auf⸗ gaben zu ihrer Aufgabe macht und sich zu deren Erfüllung polizei⸗ liche Befugnisse anmaßt oder in sonstiger Weise Mittel polizeilicher Art anwendet.
Also diese Kontroverse besteht nicht mehr, und von einem Durch⸗ einanderregieren können Sie nicht mehr sprechen. Diese Kontroverse wäre nicht hervorgetreten, wenn wir nicht in den Ministerien unzu⸗ verlässige Beamte hätten, die es mit ihrer Amtspflicht nicht ernst nehmen. Das Gutachten des Herrn Justizministers konnte nur durch Indiskretion von Beamten in die Oeffentlichkeit gelangen. Und wie weit die Arme der Organisation Escherich reichen, dafür möchte ich Ihnen aus meinem eigenen Ministerium ein Beispiel nennen. Ir den „Münchener Neuesten Nachrichten“ erschien eine Mitteilung, daß dem Gutachten des Herrn Justizministers das Gutachten einiger meiner Geheimräte, der Geheimräte Stölzel und Roedenbeck, voran⸗ gegangen sei. richten“ stammte von einem Offizier, der bis zum 31. Oktober Mit⸗ arbeiter in der Polizeiabteilung gewesen ist und der jetzt Dienste in der Organisation Escherich leistet. (Hört, hört! bei den Sozial— demokraten. — Zurufe recht — Ja früher haben Sie das nur als unfair bezeichnet, als schmutzig, als Diebstahl.
Nun hat der Herr Abgeordnete Dr. von Richter die Rede, die ich bei den Polizeibeamten gehalten habe, auch seinerseits in den Bereich seiner Erörterungen gezogen. Ich habe dem, was ich auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Reineke gesagt habe, nichts hinzuzufügen. Wenn der Abgeordnete von Richter darübe⸗ verwundert ist, daß Mißverständnisse entstehen konnten, so mache ich auf folgendes aufmerksam. Ich hatte nicht eine Minute Zeit, um meine Rede zu stipulieren, ich habe sie aus dem Shegreif gehaften; aber ich war mir über das, was ich zu sagen hatte, so klar, daß ich es nicht festzulegen brauchte. Nicht ich habe eine Wahlrede gehalten — das werden alle objektiv denkenden Leute, die sie gehört haben, bestätigen — sondern diejenigen haben die Rede zu Wahlzwecken benutzt, die in die Spalten der „Deutschen Zeitung“ und der „Täg⸗ lichen Rundschau“ gekrochen sind. Ich habe genau das Gegenteil von dem gesagt, was dort behauptet worden ist. Ich habe auch gar nicht von Schwierigkeiten gesprochen, die in diesem Hause politische Parteien der Etatisierung machen. — Ich habe von Rechtsradikalen gesprochen und muß es Ihnen überlassen, meine Herren, ob Sie sich in diese Rubrizierung einfügen wollen oder nicht. (Zurufe rechts.) Poliiische Parteien dieses Hauses habe ich nicht gemeint, sondern diejenigen Krise, die durch ihre Agitation in der Oeffentlichkeit den Eindruck erwecken, als ob die Sicherheitspolizei eine Horde links⸗ gerichteter Kreise sei, ein Zufluchtsort für Bolschewisten, eine unzu⸗ verlässige Waffe in der Hand der Verwaltung. Gurufe rechts.) Ich habe dabei daran gedacht, den Beamten die großen Schwierig— keiten auseinanderzusetzen, die die Etatisierung biete. (Zuruf rechts: Welche Parteien meinen Sie denn?) Ich würde den Kommunisten Unrecht tun, wenn ich alles, was sich draußen Kommunisten nennt, an ihre Rockschöße hängen wollte, und ich würde den Deutsch⸗ nationalen Unrecht tun, wenn ich alles, was in der „Deutschen Zeitung“ oder „Deutschen Tageszeitung“ abgedruckt wird, mit ihnen identifizieren wollte. Mit den Ausschreitungen von rechts und links habe ich die linksradikale und rechtsradikale Agitation, besonders die Presse, gemeint.
Der Herr Abgeordnete von Richter hat weiter die Behauptung aufgestellt, ich hätte die am Monag ausgeführte Aktion zur Unter- suchung einer Kaserne der Sicherheitspolizei un⸗ mittelbar angeordnet und hätte Kriminalbeamte geschickt, um die Kaserne nach Waffen“ untersuchen zu lassen. Das ist ein Irrtum. Ich greife gewiß zur Erekutive, wenn es sein muß. Aber in diesem Falle lohnte es sich wahrhaftig nicht. Die Aktion ist dem Kom⸗ mandeur der Berliner Sicherheitspolizei übertragen worden, und ich muß es dem Kommandeur überlassen, seine Maßnahmen für solche Zwecke zu treffen. Ich kann und darf mich nicht in jede Einzelheit einmischen. (Zuruf rechts) — Ich lehne auch die Verantwortung nicht ab; ich will nur sagen, daß ich die Einzelheiten in der Art, wie es Herr Abgeordneter Dr. v. Richter gemeint hat, nicht angeordnet habe. Aber ich vertrete hier das, was der Kommandeur angeordnet hat. Die Verdachtsmomente gegen die Abteilung waren nicht ganz leicht zu nehmen. Mit dieser Abteilung werden wir übrigens noch
recht zu erhalten.
Die kleine Anfrage bezüglich der Maßnahmen des Po— lizeipräsidenten Voigt in Breslau kann ich beim besten Willen nicht beantworten. Ich habe über diese Frage Erkundigungen einzuziehen versucht. Soweit ich unterrichtet bin, hat der frühere Polizeipräsident Voigt erklärt, daß er nicht in amtlicher Eigenschaft, sondern als Parteigenosse des betreffenden Beamten.. Guruf rechts: Das ist ja das Tolle) — Meine Herren, ich verteidige diese Maßnahme durchaus nicht; ich sage Ihnen auch nicht, ob ich von der Auskunft befriedigt bin. Aber ich kann doch gegen den Polizei präsidenten, der zur Disposition gestellt ist, nichts unternehmen. Gurufe rechts) — vorher? Eine der ersten Amtshandlungen, die ich vornahm, wat die Beurlaubung des Polizeipräsidenten und die spätere
Diese Mitteilung der „Münchener Neuesten Nach— J
neute Zurufe rechts) — Sie hätten mich früher als Minister berufen sollen; dann hätte ich früher etwas unternehmen können. (Heiterkeit)
aufmerksam gemacht, der schon in den verschiedenen Reden der Herren, die hier gesprochen haben eine gewisse Rolle spielte, auf den Unterschied des Selbstschutzes in Stadt und Land. Ich selbst habe den Herren schon konzediert, daß ich mir sehr wohl einen unter staatlicher Aufsicht stehenden Flurschutz denken könne, der nicht den Verdacht erweckt, als ob er zu politischen Verschwörungen organisiert sei. Aber wie wollen Sie die Rüstungen, die in Berlin getroffen sind beim Heimatschutzbund und bei diesem Notwehr⸗ regiment, wie wollen Sie diese Rüstungen in Einklang bringen mit dem Flurschutz auf dem Lande?! Berlin ist doch sozusagen eine Groß⸗ stadt, und hier sind in den letzten Wochen Bestrebungen hervorge⸗ treten, die alten aufgelösten Zeitfreiwilligen⸗Formationen nicht auf⸗ zulösen, sondern sie intakt zu halten, damit sie bei einem Putsch ein⸗ gesetzt werden können. (Sehr richtig! links) Nun sagt — ich möchte das der Objektivität wegen erwähnen — der Hauptmann Bostelmann: natürlich soll das alles zum Schutze der Verfassung sein. — „Brutus ist ein ehrenwerter Mann, und alle sind sie ehrenwert!“ (Heterkeit) Ja, der Hauptmann Bostelmann will sogar so weit gehen, daß er seine Mannschaften mit Binden versehen will, die die Aufschrift tragen: „Für die Verfassung. (Hört, hört! und Heiterkeit links.) Ich stehe in der Beurteilung dieser Dinge nicht etwa auf einem einseitigen Standpunkt meiner politischen Freunde, ich möchte auch in der Beurteilung dieser Dinge als Staatsminister sprechen. Aber da möchte ich auch schon sagen: Der Herr behüte mich vor einer solchen Unterstützung staatlicher Autorität oder staatlicher Macht- mittel (sehr gut! bei den Soz.), vor so chen Freunden, mit den Feinden werde ich schon fertig werden! (Beifall bei den Sozial— demokraten. — Zurufe rechts) — Ja doch, bis jetzt ist der Beweis geliefert, und ich habe das feste Vertrauen, das es gelingen wird. (Erneute Zurufe rechts.) — Ich bin davon überzeugt, Herr von der Osten, wenn es anders wäre, stände ich nicht an dieser Stelle, dann wäre ich längst hoffnungslos abgetreten. Ich bin ilberzeugt, daß, wenn die politischen Parteien ihrer Leidenschaft Zügel anlegen, wenn die parteipolitische Agitation nicht in demagogischer Art vergiftet wird, werden wir selbst über diesen unruhigen Wahlwinter hinüberkommen und wahrscheinlich, wenn im nächsten Jahre die Ernte gut ist und andere Voraussetzungen zur Einfuhr von Rohstoffen eingetroffen sind, auch zur Gesundung unseres Wirtschaftslebens kommen. Aber nur dann, wenn sich alle Guten im Lande zusammenfinden und wenn Streitfragen sachlich und nicht zu parteipolitischer Brunnenvergiftung ausgetragen werden. (Sehr richtigh
Wenn dem Polizeipräsidenten Richter von dem Ab— geordneten von Richter der Vorwurf gemacht worden ist, daß er einmal die Notiz über die Durchsuchung am Montag überhaupt ver⸗ öffentlicht, ihr dann aber auch nicht den Schlußsatz angehängt habe, daß den ermittelten Tatsachen keine übertriebene Bedeutung beizu— messen sei, so möchte ich den Polizeipräsidenten gegen den Vorwurf in Schutz nehmen. Der Polizeipräsident empfand es einfach als eine publizistische Pflicht, das Ergebnis der Untersuchung mitzuteilen, um so mehr, als sich bereits die ausländische Presse dieser Dinge in ganz sensationslüsterner Art bemächtigt hatte; es waren in amerikanischen und französischen Blättern Artikel erschienen über die Bildung einer Gegenrevolution, und da erschien es notwendig, eine kurze Sachdar⸗ stellung zu geben. Eine übertriebene Bedeutung messe auch ich den Dingen nicht bei. So lange wir wachsam sind und so lange wir hier einige zehntausend Mann Sicherheitspolizei haben, solange werden wir dem Heimatbund und dem Zeitfreiwilligenregiment Bostelmann schon noch beikommen können, und wir werden ihm beikommen. Wenn wir aber die Dinge aufmutzen und sagen wollten: jawohl, solche Ereignisse haben große Bedeutung, — was würde die Folge sein? Ein Teil der Presse würde da mit großen Balken auf der ersten Seite die Dinge hinausschreien, und die Nervosität, die so auf der einen Seite erzeugt würde, würde ihren Reflex finden, auf der anderen Seite, und wir würden uns gegenseitig in eine Nervosität hineinlesen und ⸗schreiben, die sicherlich zur Gesundung des politischen Lebens nicht beiträgt.
Der Herr Abgeordnete von Richter hat dann auf die nach seiner Meinung einseitige Zusammensetzung der Unier⸗ suchungsausschüsse hingewiesen, die auf Beschluß des Staats⸗ ministeriums im April den Oberpräsidenten beigegeben wurden, und gemeint, daß das auch eine Umgehung der ordentlichen Gerichte oder ordentlichen Behörden gewesen sei. Ich mache demgegenüber darauf aufmerksam, daß es damals durchaus notwendig war, dem verletzten Rechtsempfinden des Volkes Rechnung zu tragen (sehr richtig! links)
und zur Untersuchung der Beschwerdefälle, die beim Ministerium ein-
liefen, Männer zu bestellen, die vom Vertrauen der breitesten Volkẽ⸗ masse getragen waren. (Sehr richtig! links) Das waren die Ver⸗ treter der Koalitionsparteien, der sozialdemokratischen nicht nur, sondern auch der demokratischen und Zentrumspartei, sie wurden an der Untersuchung beteiligt, und, Herr Kollege Sklendel, wenn Sie in der Koalition gewesen wären, zur Aufklärung solcher Fälle wãren Ihre juristischen Kenntnisse vielleicht sehr erwünscht gewesen, und Sie wären auch vielleicht beteiligt worden. (Zuruf rechts: Schaden
Endlich möchte ich meinen Mitarbeiter, Herrn Staats sekre⸗ tär Freund, gegenüber den Angriffen des Herrn von Richter in Schutz nehm en. Ich habe auf die Anrempelung in der Deutschen Tageszeitung“ nicht geantwortet. Verlangen Sie von mir, meine Herren, daß ich alles, was die Deutsche Tageszeitung“ schreibt, be⸗ richtige, dann käme ich aus dem Berichtigen nicht heraus. (Sehr richligl links) Verlangen Sie, daß ich den Beschwerden dieser Art und, ich habe auch das Empfinden, Racheakten eines zur Dispo⸗ sition gestellten Beamten eine besondere Bedeutung beimesse? (Sehr gut! links) Diese Veröffentlichung des Briefwechsels charakterisiert sich als ein Racheakt von nicht gerade bester Bedeutung, milde aus⸗ gedrückt. Der Regierungepräsident von Braun erklärt in dem Brief, er habe gehört, daß einmal der Staatssekretär Freund gesagt haben solle, er stelle sich der neuen Regierung zur Verfügung, und zum andern, er habe gehört, daß auch der Herr Staatssekretär telcphonisch mit Breitscheid in Verbindung getreten sei. Solche Tantengeschichten werden nie den Gegenstand von Untersuchungen im Ministerium bilden! Wenn Sie aber, Herr von Richter, behaupten, daß, was der Herr Regierungspräsident a. D. von Braun zum Gegenstand seiner Be⸗ schwerde gemacht hat, zutreffe oder im Ausschuß oder durch eine a⸗ schrift an mich verlangen, daß die Dinge klargestelll werden, dann werden sie klargestellt. Aber Tantengeschwätz eines verärgerten Regierungspräsidenten wird niemals Gegenstand einer Untersuchung
Amtes — unter allen Umständen vermeiden soll.
Zurdispositionsstellung. Vorher konnte ich nichts unternehmen. (Er-
sein, die ich zu führen hätte. (Rufe rechts: Ohot — Sehr richtig!
Der Herr Abgeordnete von Richter hat dann auf den Unterschied
licher, sondern ein gradueller.
bei den Sozialdemokraten) Sie können sagen und koben, sobiel Sie wollen, Herr Abg. Stendel, ich tue nichts darauf. (Zuruf rechts: Leere Ausrede) — Das soll keine Ausrede sein. (Zuruf rechts: Dann ist Herr Freund in den Augen der Beamtenschaft gerichtet; sein Ansehen wird bleiben wie es isth
Ich komme dann auf das Kapitel der Anpassungsfähig⸗ keit. Es ist auf eine Rede Bezug genommen, die mein Partei⸗ freund und Ministerkollege Lüdemann gehalten hat. Er soll von der Anpassungsfähigkeit der Beamten gesprochen haben. (;uruf rechts: Das hat er getan) Ich habe das Stenogramm nicht gelesen und die Rede nicht gehört, ich unterstelle es aber als richtig Was klammern Sie sich aber an Worte! Eachen rechts) — Warten Sie nur ab! — Der Herr Kollege Lüdemann und ich, die wir uns ja des besonderen Wohlwollens des Herrn Abgeordneten von Richter eifreuen, sind in der Tat für unser Amt noch nicht geeignet, wir sind noch nicht so gute Diplomaten, daß wir es verständen, mit unserer Sprache unsere Gedanken zu verbergen (Heiterkeit und Sehr gut! links) Wir sind zu offen, während die Minister des alten Regimes die Dinge feiner eingefadelt haben. (Zuruf rechte: Sie schweigen eben einfach) Meine Herren, bei Ausbruch und in den ersten Jahren des Krieges schloß die preußische Staatsregierung und die kaiserliche Staatsregierung ihren Frieden mit der Sozial. demokratie. Es wurden Magistratsmitglieder der sozialdemokratischen Partei bestätigt, Schuldeputationsmitglieder ließ man passieren, wenn sie aus den Reihen der sozialdemokratischen Parteien genommen wurden. Man duldete diese Mitarbeit für eine Weile. Aber „wat schrieben is, is schrieven“, sagt Fritz Reuter an einer Stelle, und so ist es immer ein halsstarrig Ding. Wenn festgelegt ist, daß sich die Staatsregierung nicht lange mit diesen Dingen beschäftigen wolle und sich auch später einmal wieder solcher Leute erwehren wolle, die ür eine Weile zu ertragen ihr nützlich erschien, ist das ein Beweis dafür, daß die früheren Minister das Bestreben hatten, sich anzu— passen an die Notwendigkeiten des Krieges, aber alles wieder ab— zuwerfen als lästigen Ballast, wenn die Not sie nicht mehr drückte. Aber, meine Herren, meine Amtsführung sollte Ihnen doch beweisen, daß ich keine Anpassung verlange und daß ich mich auch nicht an⸗ passe. (Zuruf rechts: Aber die anderen Leuie) Herr Staats- sekretär Freund ist ein sehr fleißiger Mitarbeiter. (Sehr richtigh Herr Dr. Freund ist infolge seiner langen Tätigkeit im Amt ein sehr kenntnisreicher Beamter (sehr richtig), dem ich einen großen Aufgabenkreis zur selbständigen Erledigung anvertraue. Aber auf die politische Gestaltung meines Fessorts nimmt Herr Dr. Freund nicht den geringsten Einfluß. Ich habe von ihm nicht das Opfer seines Intellekts oder seiner Ueberzeugung verlangt, er hat es mir auch nicht gegeben. (Zuruf rechts: Intellekt hat er, aber keine Ueber⸗ zeugung! — Heiterkeit rechis) — Meine Herren, das ist eine sehr kühne Behauptung. Denn das, Herr Dr. von Richter, was Sie als Beweismaterial für Ihre Behauptung heranziehen, trifft doch duch auf Sie zu, denn Sie haben doch auch unter dem Minister Drews gearbeitet. Sie haben doch Ihre Amtsgeschäfte noch unter dem Minister des Innern Dr. Breitscheid geführt. (Heiterkeit links. — Abg. Dr. von Richter: Mit dem habe ich in Hannobe doch nichls zu tun gehabt! — Das ist meines Erachtens nur ein Radueller Unterschied (Lachen rechts), ob Sie in Hannover als Ober⸗ präsdent oder im Ministerium als Staatssekretär amtierten. (Sehr rigtig! links Jawohl, ein Unterschied allerdings, aber kein wesent⸗ Wenn Sie sich nicht hätten anpassen rollen, wenn Sie eine Ueberzeugung hätten auf die Spitze treiben wollen, dann hätten, Sie, Herr Dr. von Richter, nicht Ihre Ab⸗ berufung abwarten sollen, sondern dann hätten Sie von selbst gehen müssen. (Stürmisches Sehr richtig! links.)
Meine Herren, nun noch eine Bemerkung zu der Art der Unter- suchung! Man mutet mir zu, daß ich die Zeugen des Herrn bon Braun, den Herrn Regierungspräsidenten a. D. von Jagow und den Geheimrat Doys, zeugeneidlich vernehme. Nein, das tue ich nicht. (Zuruf rechts: Kommissar Peters) — Was ich in der Sache Cetan babe, werde ich Ihnen, Herr Dr. von Richter, dann ant⸗ norten, wem Sie mir unabhängig, von den Beschuldigungen des Herrn von Braun, die Dinge anhängig machen. Dann werde ich Ihnen sagen, daß ich eine Untersuchung geführt habe, bei der sich die vollständige Haltlosigkeit der Beschuldigungen des Herrn von Braun ergeben hat. Dabei habe ich aber nicht Herrn von Jagow und Herrn Doys vernommen, nicht Hochverräter, sondern Leute, die den Anspruch auf Glauben und Glaubwürdigkeit verdienen. (Leb⸗ hafter Beifall links.)
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158. Sitzung vom 3. Dezember 1920, Nachmittags 1 Uhr. Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger ))
Din zweite Beratung der Vorlagen über die Wahl zum YFteußischen Landtag und zu den ö und Kreistagen wird zunächst zurückgestellt und die zweite Lesung des U für das Mini ste— rium des Innern fortgesetzt.
Abg. Leid (0. Soz): Die Preußische Landes bersammlung kann nicht auf eine fruchtbare Tätigkeit zurückblicken, alles, was ie bisher geleistet hat, auch die . Verfassung, ist Stück- und Flickwerk, Vie wird es in einigen Monaten in Her gen aussehen? Ueherall regen sich Bestrebungen, die darauf gusgehen, diesen oder jenen Landes leik von Preußen loszulösen und selbstandig zu machen. Wir sind nicht aus nafionalen, sondern aus sozialistiscken Gesichtspunkten Legen Sie Kleinftaaterei, in welcher nach dem Wort Lassalles Lein probe Geist, fondern nur der Krämergeist hochkommen kann. Mit Er inneren Verwaltung können wir nur höchst unzufrieden sein. Noch immer wird nach den alten Verwaltungsgrundsätzen regiert, mit der Verwaltungsreform sind wir noch keinen Schritt weiter gekommen. Der Demokrat Ruer klagt über die Politisierung der Magistrate und eut, sich gleichzeitig über die Cingriffe in die Selbstzherwaltung erlins aus AUnlaß des Elektrikerstreiks. Die gewerkschaftlichen ganisationen haben einmütig die Aufhebung der Verordnung des FNeichspräsidenten verlangt, Die Technische Nothilfe hat bisher nun chweren Schaden angerichtet, aber niemand genußt. Das Kenn—⸗ zeichen der Stugtion in Preußen⸗Deutschland ist das Wagsen des militärischen Geistes. Die Orgesch ist eine Tam*nftrupye der Reaktion. Es ist bezeichnenb, aß der Justizminister dem Minister des Innern in den Arm gefallen ist. Die Einwohnerwehren leben nach wie por weiter und kümmern sich den Teufel um die ergangenen Ver⸗ ordnungLen. Von demselben Kaliber ist der Bürgerrat. Der Geist des Offizierkorps wächst sich zu einer Bedrohung der öffentlichen Fuße und Sicherbeit und zu einer Bedrohung des Deutschen Reiches aus. Die Reichswehr wird immer mehr von diesem Geist durchseuckl. Es ist derselbe Geist, der die Agrarier ver⸗ anfaßt, das Brotaetreide lieber zu verfüttern As obzul jefern, Es wird hart auf kart gehen, und die Arbeiterklasse wird den konter⸗ tedolutionären Bestrebungen ihre eigene Macht entgegensetzen.
Mi Ausnahme der Reden der Herren Minister, die im
Wortlan e wiedergegeben werden.
Hierauf kehrt das Haus zu dem ersten Punkt der Tages ordnung ö, und nimmt zunächst den 8 esetzentwur f über die Wahlen zumpreußischendandtag in zwei⸗ ter Lesung nach den , , ,,,. ohne erhebliche Erörte⸗ rung mit lediglich redaktionellen fr, an. ‚, ⸗
Dann folgt die zweite n. des Gesetzentwurfs üer die Wahlen zu den Provinziaklandtagen und zu den Kreistagen.
Nach den Beschlüssen des Ausschusses werden die Pro⸗ e,, . in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und ge⸗ heimer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl ge⸗ wählt. Der Wahltag soll ein Sonntag oder öffentlicher Ruhe⸗ tag sein. Er wird durch die Regierung bestimmt und soll in der Regel für alle Provinzen gleich sein. Das Wahlalter be⸗
innt mit der Vollendung des 29. Lebensjahres. Für Soldaten oll das Wahlrecht ruhen. Die n,, sollen in derselben Weise gewählt werden wie die Provinziallandtage.
Abg. Ne genborn (D. Nat) beantragt, die vom Ausschuß ge⸗ strichene Bestimmung wieder herzustellen, die das Wahlrecht bon einem sechsmonatigen Wohnsitz in der Provinz abhängig macht.
Unter Ablehnung der Aenderungsanträge wird die Vor⸗ lage in der Fassung des Ausschusses angenommen.
Hierauf wird die zweite Beratung des Haushalts des Ministeriums des Innern sortgesetzt.
Abg. Delsner (Neukommunist): Der Polizeigeist herrscht in 3 nach wie . Das beweist dieser Etat, der allein für die
olizei und andere konterrevolutionäre Organisationen 473 Millionen rdert. Für die Einwohnerwehren sind 2 Millionen eingesetzt. Die konterrevolutionãren Organisationen haben an ihre Leute Anweisungen gegeben, wonach alle sozialdemokratischen Führer erschossen und tot⸗ een, werden sollen.
Lachen rechts) Severing muß einen
rten Kampf gegen die Reaktionäre in seinem Ressort führen, aber ich habe das Gefühl, daß er in diesem Kampfe unterliegen wird. Sie (nach rechte) werden noch oft ihr Mütchen an der Arbeiterschaft kühlen, aber die Blutschuld kommt auf jene! (auf die Sozialdemokraten deu⸗ tend. — (Große Heiterkeit rechts) Die revolutionäre Arbeiterschaft wird im Geiste von Moskau das Proletariat der ganzen Welt be— freien im revolutionären Klassenkampf. (Rufe rechts: Kassenkampf! = Adolf Hoffmann: Biertimpel! Den Geist der reaktionären Regierungspräsidenten habe ich als Revolutionskommissar kennen gelernt. (Große Heiterkeit rechts) Wir kennen Sie! (Vizepräsi⸗ bent v. Kries erinnert den Redner daran, daß seine. Redezeit ab⸗ gelaufen ist. Rufe rechts: Geben Sie dem Revolutionskommissar noch etwas zul“ — Große Heiterkeit, ironische Bravorufe.)
Hierauf nimmt der Minister des Innern Severing das Wort, dessen Rede im Wortlaute wiedergegeben werden wird, sobald das Stenogramm derselben eingeht.
Abg. von der Ost en (D. Nat.): Wir sind nach der Rede des Abg. Oelsner nicht mit dem , der Meinung, die kommunistische Gefahr sei nicht ernst zu nehmen. Die Gefahr besteht nicht in der Person des Herrn Oelsner, aber in seinen Theorien und vor allem in seinem Anhang. Die Aeußerungen meines Freundes Lukassowitz waren nur die Anwork auf die uns schwer verletzenden Bemerkungen des Abg. Lauscher von Zentrum. (Lebh. Zustimmung rechts, Der Minister wird unsere Unterstützung finden, wenn er die Zerrissenheit des deutschen Volkes im Interesse der Aufrechterhaltung der Drdnung beseitigen will. Wir erkennen durchaus an, daß auch tüchtige Mitglieder der Arbeiterklasse in die Vewaltung kommen sollen; aber wir wollen größere Parität. Die Angriffe, die gegen den Staatssekretär Dr. Freund gerichtet sind, stützen sich nicht bloß auf das Zeugnis gon Dope und b. Jagow, sondern auf viel durchaus einwandfreie Männer. Wir müssen verlangen, daß der Minister diese schweren Beschuldigungen genau nachprüft und mit eidlichen Vernehmungen den Dingen auf den Grund geht. Wir haben das Vertrauen zur Unparteilichkeit des Staatssekrekärs Dr. Freund völlig verloren. Er hat in brüs kester Form die Verabschiedung tüchtiger Beamten vorgenommen. (Eebh, Zustimmung rechts). Auf die Anzeige eines ehrlosen Schuftes hin ist im Auftrage des Polizeipräsidenten die Hundertschaft des Hauptmanns Stennes ümstellt worden, nachdem man vorher den Führer unter falschem Vorwand nach dem Polizeipräsidium gelockt hatte. Durch ein solches Vorgehen muß jede Disziplin untergraben werden. Wo wäre die heutige preußische Staatsregierung ohne den Schutz des Ne— giments Reinhardt und der Zeitfreiwilligen. (Sehr gut! rechts.) Dankbarkeit ist zwar in der Politik ein Märchen, aber man soll auch nicht sagen; der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen Diese. Soldaten haben Anspruch auf die Dankbarkeit des Volkes. (Beifall rechts — Rufe links: Wo haben sie denn am 13. März ihre Schuldigkeit getan?) Die Orgesch steht streng auf dem Boden der Verfassung, Lachen bei den Soz). Mit seinem Vor⸗ gehen gegen sie wird der Minister nicht die Einigkeit im Reiche fördern, sondern er hat bereits das Gegenteil dadon erreicht, Der Selbftschutz gegen die immer stärker anwachsende Hedrohung von Figentum und Leben ist ein Naturrecht, das sich leine Hesellibaft und keine Einzelperfon nehmen läßt. Abg. Ludwig; Nur die Links= parteien sollen es nicht haben) Die Orgesch verfügt heute beinghe äber eine Million Mitglieder. (Hört, hört! links.) Sie wird aufrecht⸗ erhalten werden, solange eine schwache Staatsgewalt nicht in der Lage sst, die Bürgerschaft zu schützen. (Beifall rechts — Große. Unruhe — Rufe bei den Soz.: Das ist wenigstens ein ehrlicher Reaktionär! So⸗ lange der Terror von Moskau ung bedroht, wird die bürgerliche Se— sellfschaft nicht bereit sein, den Selbstschutz, den sie sih e affen hat, aufjugeben. Der Minister verwechselt Ursache und Wirkung. Nicht das aste monarchische Regime hat Deutichland zu den icbigen un ständen geführt, sondern diejenigen, die es gestürzt haben und Deutsch= land jetzt in russische Unkultur hinein stürzen wollen. Das zu ver⸗ hindern ist die Aufgabe der Organisation Eschz rich, und sie wird diese Aufgabe durchführen, unbeirrt durch jeden Widerstand von links oder von der Regierung. (Lebh. Beifall rechts =- Rufe links: Das ist bie offene Kampfansage der Reaktion! — Minutenlang anhaltende
große Unruhe.) ö ö .
Darauf ergreift der Minister des Innern Sever ing abermals das Wort, dessen Ausführungen im Wortlaute wiedergegeben werden, sobald das Stenogramm derselben
eingeht. Abg. Rich ter⸗Neumünster (Soz.): Nach den Reden, die der Abg. Dr. Hergt auf dem Deutschnationalen Parteitag in Hannover gehalten hal, wo er zum Schluß einen starken Kaiser wieder haben wollte, kann sein Ordnungeprogramm vom vorigen Jahre als Grund⸗ lage für eine Verständigung unter den Parteien. doch wirklich nicht mehr ernst genommen werden. Von dem Minister verlangen wa. daß auch Genossen unserer Partei in erhöhtem Maße in die Vermal. tungsämter berufen werden, daß die Partei nicht bloß mit einigen wenlgen Sozialdemokraten in Beamtenstellen abgespeist wird, sondern die ganze Verwaltung von sogzialdemokratischem Geiste durchtränkt
ö. ki (entr): Die H echts haben mit Abg. Gronows ki (Sentr.): Die Herren rechts
peint ih Gewissenhaftigkeit über die Besetzung der Beamtenstellen gewacht, die politischen Einfluß haben. Die Beamten, die innerlich wie das Jentrum dachten, durflen ihre Gesinnung niemals nach außen bekunden, sonst war es nichts mit dem Vorwärtskommen und mit dem Abancieren. Statt anzuklagen, sollten die Herren rechts lieber eine Gewiffensforschung über ihre eigene Vergangenheit an= stellen. Die Ausführungen des Ministers über sein Verhältnis zu Dr. Freund haben ung nicht befriedigt, wir vermissen noch völlige Rlarheit. Der erste Ratgeber des Ministers darf nicht länger an seiner Stelle sitzen, solange nicht die erhobenen schweren Beschuldi⸗ gungen enlkräfteß find. Wir verbitten uns die Verdächtigung, daß in unseren Reihen Kappisten sind. Die angekündigte Autonomiegesetz= gebung begrüßen wir. Die Schlemmerlokale, in denen man auf den Knochen unserer gefallenen Helden tanzt, diese Stätten der Nackttänze und des Wuchers, müssen rücksichtslos geschlossen werden. 10 060
Darauf wird noch in der dritten Beratung das preußische , e in st imm ig und das Gesetz über die Wahlen zu den Pro⸗ vinziallandkagen und zu den Kreistagen gegen die Stimmen der Deutschnationalen angenommen.
Um Til, Uhr erfolgt Vertagung auf Sonnabend, 12 Uhr. (Fortsetzung der Etatberatung und Anträge.)
Parlamentarische Nachrichten.
Ueber die Bereitstellung von Stgatsmitteln zur Selbstbewirtschaftung von Domänen
ist der preußischen Landes versammlung ein Gesetz= . nebst Begründung zugegangen. Die Staatsregierung soll ermächtigt werden, zur Seibstbewirtschaftung dazu, geeig⸗ neter Domänen im Gesamtumfange bis zu 30 000 ba 180 Mil⸗ lionen Mark zu verwenden. In der Begründung wird dazu sgeführt: . . . den bisher geltenden Verwaltungsvorschriften und Uebungen wurden die Staatsdomänen verpachtet, die Selbstbemirtschaftung durch den Staat fand nur ausnahmsweise statt; es geschah in der Negel nur für kurze Zeit entweder um neu erworbene Domänen für die Verpachtung berzurichten oder um heruntergewirtschaftete Domänen wieder so weit in Kultur zu bringen, daß man bei der Verpachtung einen für angemessen gehaltenen Pachtzins erwarten konnte. In Zukunft wird es nicht zu umgehen sein, Domänen für längere Zeit oder dauernd für Rechnung des Staates zu bewirtschaften oder 6 zu lassen. Wenn auch die Zahl der Domänen infolge der durch den Friedensvertrag erzwungenzn Abtretungen und der auf Grund des Reichssiedlungsgesetzes vom II. August 1919 vorzunehmenden Verkäufe an gemeinnützige Siedlungsgesell schaften außerordentlich start zufammenschmelzen wird, so kann gleichwohl mit einem ausreichenden Wettbewerb bei der Verpachtung der dem Staate verbleihen⸗ den Domänen in nächster Zeit nicht immer gerechnet werden. Die gegenwärtige Teuerung aller landwirtschaftlichen Betriebsmittel macht es erforderlich, von den Pachtbewerbern den Nachweis eines eigen- fümfichen Vermögens zu verlangen, welches das 8. bis 12 fache des früber erforderlichen beträgt. Die alten Pächter können den Ver— mögensnachweis in der Regel ohne Schwierigkeit erbringen, da sie noch aus den Zeiten vor dem Kriege oder aus den ersten Kriegs jahren Jich im Besiß des Inventars und der ührigen Betriebsmittel befinden, Alle diejenigen Personen aber, die bisher weder Eigentünrer nech Pächter landwirtschaftlicher Grundstücke waren, haben, soweit sie hier n Betracht kommen, ihr Vermögen nicht in einem annähernd den Teuerungsverhältnissen der Betriebsmittel entsprechenden Maße ver⸗ mehren können. Die Zahl der Bewerber um Domänenpachtungen wird hierdurch stark eingeschränkt, womit eine Monopolstellung des beschränkten Bieter kreises verbunden ist, der auf die Pachtergebnisse drücken kann. Namentlich Gegenden, die von Landwirten nicht bescnders begehrt sind, zeigen gegen bevorzugtere Landesteile geringe Pachtzinsen. eine Erscheinung, dle nicht allein auf die undankbare Bemirtschaftung, sondern zum großen Teil auf den Mangel an Wettbewerbern m die Pachten zurück;; asühren ist. So betrug im Jahre 1929 der Durch⸗ schnitt der Pacht fr Domänenvorwerke im ganzen Staate 45 je Hektar in den Bezirken Königsberg, Gumbinnen und Allenstein aber nur 27, 22 und 24 und auch in den Bezirken Köslin, Stettin nur 30 und 31 4A. Selbst in den günstig gelegenen Bezirken Pots zam, Frankfurt (Oder) umd Liegnitz blieben die Pachten noch mit 9, 10 und 8 * hinter dem Staatsdurchschnitt zurück. Es muß daher Sorge getragen werden, daß der Staat Einrichtungen besitzt, um im Falle des Fehlens von Pachtliebhabern oder bei unzulanglichen Pachtangeboten die Be wirtschaftung der Domänen für Rechnung des Staats in die Wege eiten zu können. ö. ö ö Mer dem Gesichtspunkte der gesteigerten Erträge aus den Domänen ist aber auch nicht außer acht zu lassen, daß der Staat unter den heutigen Teuerungsverhältnissen viel eher in der Lage ist, auf den selbstbewirtschafteten Domänen Musterbetriebe zu schaffen und damit heilfam und hefruchtend auf die Landeskultur zu wirken, als kapitalsschwache Pächter, die in den weniger bevorzugten Bezirken noch mit Erfolg als Bewerber auftreten können. Schließlich schafft der Staat mit den selbstbewirtschafteten Demänenvorwerken eine gewisse Reserve an Land, die er in besonderen Fällen eines unvorher— gesehenen Bedürfnisses für die Siedlung leichter bereitstellen kann, als es sonst der Fall sein würde. .
Die Selbstbewirtschaftung von Domänen kann aber nur dann vorteilhaft geftaltet werden, wenn eine größere Zahl von Domänen zu einer straff geleiteten, in ihren einzelnen Teilen sich ergãnzenden Organisation zusammengefaßt und in die Hand sachverständiger Tandwirte gelegt, wird, die neben der Leitung und Organisation auch die Wirtschaftsfkhrung und Betriebseinrichtung auf den einzelnen Gütern so weit zu ordnen und zu überwachen vermögen, daß ungeeignete Betriebsleiter rechtzeitig ausgeschieden werden.
Sollen derartige Einrichtungen ihren finanziellen und landes— kulturellen Zweck erfüllen, so müssen sie nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten, frei von allen Hemmnissen, die das Etatsrecht und die Kontrolle der Oberrechnungskammer im Gefolge haben, aus⸗ gestaltet werden. Dieses Ziel läßt sich nur reichen durch die Schaffung einer Organisation pribatwirtschaft licher Art, der die Aufgabe übertragen wird, für Rechnung des Staats Domänen zu bewirtschaften. Es ist daher in Aussicht genommen, für die praktische Durchführung der Selbstbewirtschaftung von Domänen rom preußischen Staate unter Mitwirkung der Seehandlung eine Aktien⸗ gesellschaft (Preußische Domänen ⸗Treuhand⸗Gesellschaft) mit einem eigenen Kapikal von etwa I00 000 4 (einhunderttausend Mark) zu gründen und ihr die Bewirtschaftung von Domänen für Rechnung des Staates zu übertragen. .
Die Mittel zur Gründung der Gesellschaft werden aus dem be⸗ antragten Kredit zu entnehmen sein. Aus diesem Kredite sind der Treuhandgesellschast die zur Bewirtschaftung von Domänen erforder—⸗ lichen Mittel nach Bedarf zur Verfügung zu stellen. Weiter sind aus den Kreditmitteln die erforderlichen Fonds zu bilden, um eine Inventarfeuerschädenversicherung und eine Hagelversicherung zu er⸗ möglichen. Der beantragte Kredit wird nach dem gegenwartigen Stande der Inventarpreise ausreichen, um nach und nach bis zu 30 00 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche in Selbstbewirtschaftung zu nehmen und die genannten Nebenfonds erstmalig zu dotieren.
Der Kredit soll, aus den Ergebnissen der Bewirtschaftung verzinst und in den ersten 5 Jahren mit 0 vH, dann 5 Jahre mit 1 vH, weitere 5 Jahre mit 1,4 vH und von da ab mit 1,3 v getilgt werden. Nach den bis jetzt vorliegenden Ergebnissen der Selbstbewirtschaftung von Domänen in Ostpreußen kann, wenn nicht unvorhergesehene Er⸗ eignisse eintreten, erwartet werden, daß nach Ueberwindung der unver. meidlichen ersten Schwierigkeiten die Verzinsung und Tilgung des Kredits und die Aufbringung eines angemessenen Pachtgeldes aus den Wirt- schaftsergebnissen nachhaltig erzielt werden kann. Die Tätigkeit der Zentraldomänenadministratlon auf den selbstbewirtschafteten Domänen in Ostpreußen in den letzten drei Jahren hat ergeben, daß neben den Kossen für die Selbstbewirtschaftung, neben der Verzinsung des Be⸗ friebskapitals, neben der Aufbringung der sonst vom Pächter zu tragenden Lasten und Abgaben und neben den Gebäudeabschreihungen die frühere Pacht und darüber hinaus noch ein angemessener Unter⸗ nehmergewinn erwirtschaftet ist, obwohl diese Domänen unter er⸗ schwerten Umständen verwaltet werden.
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Ferner ist der preußischen Landesversammlung der Entwurf eines Gesetzes zur Aenderung des Allge⸗ meinen Berggesetzes für die preußischen Staaten vom 24. Juni 1865/1892 und 14 Juli 1905 in der Fassung des Gesetzes vom 28. Juli 1909 sowie des Knappschafts⸗ ge s ches vom 17. Juni 1912 nebst Begrümwung zugegangen.
er Gesetzentwurf bezweckt, einige Bestimmungen des All⸗
Moskauer kömen das Volk nicht so aufregen wie die Sippe der Schieber, Schlemmer und Wucherer.
gemeinen Berggesetzes und des Knappschaftsgesetzes, betreffend das
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