1920 / 280 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 09 Dec 1920 18:00:01 GMT) scan diff

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es bleibt Pflicht der Regierung, die Entwicklung der Dinge auf das scharfste zu überwachen und dem Gebaren einzelner Landwirte und Händler, das verderblich auf den ganzen Lebensmittelverkehr und die

Pieisentwicklung einwirkt und dadurch die Ernährungslage auf das

schwerste zu gefährden geeignet erscheint, mit allen Mitteln entgegen zu treten Gegen solche Schädlinge des landwirtschaftlichen und Handelsberufs soll durch wesentliche Verschärfung der Wucherbestim⸗ mungen vorgegangen werden. Lokale aus Vertretern der Erzeuger und Verbraucher zusammengesetzte Ueberwachungsausschüsse müssen mit⸗ wirken, um diese Ueberschreitungen festzustellen und zur beschleunigten Aburteilung zu bringen. Die Preisprüfungsstellen sind entsprechend auszubauen, und ihre Tätigkeit ist mit allen Kräften zu fördern. Vor allem aber müssen in den einzelnen Ländern die erforderlichen Exekutiv⸗ meßnahmen mit dem größten Nachdruck durchgeführt, werden. Auch andere Länder, wie insbesondere Frankreich und Itckien. sahen sich neuerdinge zu schärferen Maßn ahmen auf dem Gebiete der Lebensmittel- versorgung gezwungen. ͤ

Im Anschluß möchte ich Ihnen einen kurzen ueberblic über die Lage der Versorgung auf den wichtigsten Gebieten geben.

Zunächst die wichtigste Frage der Brotversorgung! Die Brot⸗ getreideernte des laufenden Wirtschaftsjahres beträgt nach der Vor⸗ schätzung der Saatenstandsberichterstatter, die allerdings nach den bis⸗ herigen Druschergebnissen nicht erreicht werden dürfte, etwa 7 Mil⸗ lionen Tonnen gegenüber etwa 8 Millionen Tonnen im Vorjahre und etwa 9 Millionen Tonnen im Wirtschaftsjahr 1918.

Die Ernte ist gegenüber dem Ernteiahre 1918 im laufenden Wirtschaftsjahr an Weizen um etwa 14 8 und an Roggen um fast 30 8 zurückgegangen, an Brotgetreide insgesamt um fast 25 3.

Der Gesamtbedarf an Brotgetreide stellt sich auf etwa 9,4 Milli⸗ onen Tonnen, so daß sich ein rechnungsmäßiger Fehlbetrag von rund 2,4 Millionen Tonnen ergibt. Hiervon sind gedeckt 250 000 Tonnen purch Heranziehung von Gerste zur Brotherstellung, so daß ungedeckt über 2 Millionen Tonnen bleiben. Dieser Fehlbetrag wird sich aber voraussichtlich noch erhöhen, und zwar einmal dadurch, daß die Ernte 1920 teilweise bereits vor dem 16. August dieses Jahres in Anspruch genommen worden ist, ferner dadurch, daß der wirkliche Ernteertrag hinter dem geschätzten zurückbleiben wird, endlich dadurch, daß nach den Erfahrungen der Vorjahre eine restlose Erfassung der gesamten Ernte durch die öffentliche Hand ausgeschlossen erscheint.

Bis zum 1. Dezember 1920 dieses Jahres hat die Reichsgetreide⸗ stelle 65l 283 Tonnen Brotgetreide erfaßt gegenüber 1 116 465 Tonnen bis zur gleichen Zeit des Vorjahres. (Hört, hört! bei den Sozial⸗ demokraten) Die von den selbstwirtschaftenden Kommunalverbänden bis zum gleichen Zeitpunkt erfaßten Mengen werden auf etwa 1,2 Millionen geschätzt, da diese Kommunalverbände sich erfahrungs⸗ gemäß möglichst stark einzudecken pflegen.

Geht man von einem Ernteertrage von? Millionen Tonnen aus und zieht davon den Bedarf der Selbstversorger zur menschlichen Er⸗ nährung, für Deputatgetreide und für Saatgut mit zusammen 3 490 000 Tonnen ab, so würde sich eine Gesamtablieferungspflicht der landwirtschaftlichen Betriebe von rund 3 Millionen Tonnen ergeben. Nimmt man an, daß diese Menge etwa je zur Hälfte an die Reichs—⸗ getreidestelle und die selbstwirtschaftenden Kommunalverbände zu liefern ist, so wären hiernach insgesamt etwa 13 Millionen Tonnen an die Reichsgetreidestelle abzuliefern, so daß die Reichsgetreidestelle also jetzt noch rund 1 100 000 Tonnen Brotgetreide aus der Inlands⸗ ernte erfassen müßte. Diese Ziffer ist aber nicht endgültig; das Gefamtablieferungssoll steht gegenwärtig noch nicht fest. Die Reichs getreidestelle ist zurzeit damit beschäftigt, auf Grund des durch Ver⸗ handlungen mit den Kommunalverbänden. durch die tatsächlichen Druschergebnisse und sonstige geeignete Unterlagen möglichst genau ermittelten Ernteergebnisses die Ablieferungspflicht jedes einzelnen Kommunalverbandes zu errechnen und auszuschreiben. Diese Arbeiten werden in kurzem abgeschlossen sein.

Im Tagesdurchschnitt des ganzen Monats Oktober 1220 betrug die tägliche Ablieferung 2040 Tonnen gegenüber 17 750 Tonnen Brot⸗ getreide im gleichen Monat des Voriahres (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten), während sie im November 1920 auf 1190 Tonnen gegenüber 3829 Tonnen im aleichen Monat des Vorjahres gesunken ist. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten) In den letzten Tagen war eine leichte Besserung zu verzeichnen.

Aus den angeführten Zahlen ergibt sich, daß die Ablieferungen im laufenden Wirtschaftsjahr gerade in den letzten Wochen sehr ungünstig gewesen sind. Die Gründe, auf denen die schlechte Ablieferung beruht sind zum Teil zweifellos in der etwa Mitte September eingetretenen. für die Herbstbestellungsarbeiten und die Hackfruchternte außer gewöhnlich günstigen Witterung zu suchen. Die Hauptkräfte der Landwirtschaft sind infolgedessen in dieser Zeit zu Feldarbeiten in An⸗ spruch genommen gewesen, so daß sich hieraus in wesentlichem Um⸗ fange ein Stocken des Ausdrusches und damit auch der Ablieferung des Getreides erklärt. Demgegenüber lagen die Verhältnisse im ver⸗ gangenen Jahre ganz anders. Es kommt hinzu, daß die Ernte dieses Jahres leider wesentlich schlechter ist als die des vergangenen. Vor allem muß bei Roggen in manchen Gegenden geradezu von einer Miß— ernte gesprochen werden. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Außerdem werden die Ablieferungen in diesem Jahre durch die schrankenlose Freigabe der Deputate, die entgegen meinen Vorschlägen durch den Reichstagsausschuß einstimmig beschlossen worden ist, offen⸗ bar ungünstig beeinflußt.

Zweifellos hat die hohe Bemessung der Deputate den Schleich handel stark begünstigt, der aber auch aus der sehr verminderten Ablieferungsfreudigkeit mancher landwictschaftlichen Erzeuger lebhaft genährt wird. Der Schleichhandel mit Mehl ebenso wie der Mehr- verbrauch von Mehl wird zudem durch die starke Verbreitung von Schrotmühlen mit Sichtvorrichtungen auf dem Lande außerordentlich erleichtert und gefördert.

Diesen der Erfassung des Getreides drohenden Gefahren gegen⸗ über müssen besondere Abwehrmaßnahmen getroffen werden. Es soll zunächst eine umfassende Propaganda in der Presse und in den land⸗

wmirtschaftlichen Organisationen unter besonderer Heranziehung der

Frauenorganisationen, der Geistlichkeit und der Lehrerschaft erfolgen (Lachen bei der Unabhängigen sozialdemokratischen Partei, um den Landwirten die Notwendigkeit verstärkter Getreideablieferungen vor Augen zu führen. Eine Besserung der Ablieferung darf man sich nur versprechen, falls die Aufklärung über die wirkliche Lage unserer Getreideversorgung bis in die letzten Kanäle dringt.

Ferner soll darauf hingewirkt werden, daß die Landeszentral behörden die nachgeordneten Verwaltungsbehörden, deren dielerorts wahrnehmbares Versagen zu einem wesentlichen Teile die Schuld an der schlechten Erfassung trägt. anhalten, daß sie bei der Tandwirtschaft auf eine bessere Ablieferung dringen und gegen säumige Lieferer

ebenso nachdrücklich vorgehen wie gegen unerlaubten Verbrauch. Rommunalverbandsleiter sollen gegebenenfalls für die Durchführung der bestehenden Vorschriften persönlich verantwortlich gemacht werden.

Weiter sind, um die Durchführung der unbedingt nötigen Mühlen⸗ revisionen zu sichern, die Landesregierungen ersucht worden, genügend

polizeiliche Kräfte zum Schutz der Revisionsbeamten für den Fall

bereitzustellen, daß die Bevölkerung der Vornahme notwendiger Revisionen etwa Schwierigkeiten bereitet.

Ein Ersuchen an die Landesregierungen, durch eine Ergãnzung der bestehenden Schrotmühlenperordnung den Verxtrieb und die An⸗ preisung von Schrotmühlen mit Sichtvorrichtungen zu unterbinden, tritt dem an die Seite. Daneben gehen die von der Reichsgetreide⸗ stelle zur besseren Erfassung des Brotgetreides vorgesehenen Maß⸗ nahmen her. Die Reichsgetreidestelle hat auf Grund des § 5 der Reichsgetreideordnung den allgemeinen Ausdrusch der noch un⸗ gedroschenen Getreidevorräte bis zu einem bestimmten Termin an⸗ geordnet und die Landeszentralbehörden um Durchführung dieser An⸗ ordnung ersucht; in Fällen, wo es die besonderen Verhältnisse er⸗ fordern, können die Landeszentralbehörden diesen Termin verlängern. Im übrigen wird die Reichsgetreidestelle zur Sicherung des Aus⸗ drusches auf alle Fälle Druschkolonnen bereitstellen und sich durch örtliche Revisionen von dem Fortgang des Ausdrusches laufend unter⸗ richten. Wenn gehofft werden kann, daß die Landwirtschaft durch alle diese Maßnahmen zu einer besseren Ablieferung angehalten wird, so soll diese auch dadurch noch gefördert werden, daß man den Land⸗ wirten, die einen bestimmten hohen Satz ihrer Ablieferungspflicht erfüllt haben, für jeden Zentner weiter abgelieferten Brotgetreides einen Zentner Mais zu einem verbilligten Preise abgibt, ihnen so ein wohlfeileres Futtermittel in die Hand gibt und der Gefahr der Verfütterung von Brotgetreide aus Gerste vorbeugt.

Wie eben errechnet, reicht die Inlandsernte zur Deckung des Gesamtbedarfs an Brotgetreide bei weitem nicht aus. Der Fehlbetrag stellt sich auf wenigstens rund 2 Millionen Tonnen. Diese Menge muß daher mindestens aus dem Auslande eingeführt werden, um die reine Brotversorgung sicherzustellen. Es ist ferner beabsichtigt, 300 0o9 Tonnen Weizen für die Ausgabe von Haushaltsmehl, 509 Gramm pro Kopf und Monat, und weitere 250 000 Tonnen Weizen zur Belieferung der Teigwarenbetriebe einzuführen.

Die neue planmäßige Einfuhrpolitik des Reichsernährungs⸗ ministeriums wird nach aller Voraussicht in der Brotversorgung Zu⸗ stände, wie sie fast seit Anfang 1920 bis zum August in vielen Teilen Deutschlands obwalteten, verhindern. Von einem bevorstehenden

Zusammenbruch der Ernährungswirtschaft, besonders der Brot⸗

versorgung, worüber sich letzthin ein Teil der Presse in übertriebener Schwarzmalerei erging, kann hiernach keine Rede sein. Bei allem Ernste in der Beurteilung der derzeitigen Lage, soll man sich doch davor hüten, derartige Beunruhigungen in die Kreise der Verbraucher⸗ schaft zu tragen. Die Regierung ihrerseits ist fest entschlossen, alles daran zu setzen, um die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen. Es erscheint unbedingt erforderlich, trotz des starken Drängens weiter Bevölkerungskreise, insbesondere des Handels und der Bäcker, nach Freigabe der Mehleinfuhr an der straffen Zentralisation der Einfuhr festzuhalten, die unter der Leitung der Reichsgetreidestelle durch die Einfuhrgesellschaft für Getreide und Futtermittel vorgenommen wird. Ich brauche hier die bekannten Gründe, die diese strenge Zentralisation erforderlich machen, nicht zu wiederholen. Was die von einzelnen Stellen, insbesondere von Bäckereigenossenschaften gestellten Antrãge auf Gestattung der freien Einfuhr und die zahlreichen Anfeindungen der Ablehnung solcher Anträge in der Presse anbetrifft, so haben die eingehend nachgeprüften Angebote der Bäckereigenossenschaften und anderer Stellen nichts dafür beigebracht, was das Ministerium von dem bisher verfolgten, wohl erwogenen Grundsätze, die freie Einfuhr von Mehl nicht zu gestatten, abzubringen geeignet wäre. Die Genossen ˖ schaften haben kein Angebot gemacht, das im Preis und sonstigen Bedingungen vorteilhafter gewesen wäre als die Angebote, die der Getreidehandel täglich der Einfuhrgesellschaft zuführt.

Bisher sind von den etwa 29 Millionen, deren Einfuhr im laufenden Wirtschaftsjahr in Aussicht genommen ist, rund 1200000 Tonnen angekauft worden. Der Wert der bisher für das Wirtschafts⸗ jahr 1920 eingekauften Mengen Auslandsgetreide beträgt vund 6 Mil⸗ liarden Mark. Für diese Summe sind die Zahlungsmittel bis auf einen kleineren Teil beschafft. Die noch einzukaufenden ruad 15 Mil⸗ lionen Tonnen werden noch rund 9 Milliarden Mark erfordern. Wie die bisherige Getreideeinfuhr nur mit der entscheidenden Hilfe der Vorschüsse aus dem Spaabkommen möglich gewesen ist, so hängt auch die Abwicklung der zweiten Hälfte unseres Getreideeiafuhr⸗ programms wesemtlich von der weiteren Zuwerfũgungstellung dieser Vorschüsse für den Rest des Wirtschaftsjahres ab.

Die Welternten der verschiedenen in Frage kommenden Export- länder werden im Durchschnitt so eiʒmngeschätzt, daß allein an Export- überschüssen von Weizen ungefähr 20 000 000 Tonnen im laufenden Erntejahr verfügber sind.

Dagegen ist ein Einfuhrbedarf der europäischen Importländer angunehmen, und zwar: Englands von 5 Millionen Tonnen, Italiens von 3 Millionen Tonnen, Deutschlands von 255 Millionen Tonnen, Frankreichs von 15 Millionen Tonnen, der neutralen Länder von 2 Millionen Tonnen, zusammen 14 Millionen Tonnen.

Hieraus ergibt sich, daß die Einkaufsmöglichketen auf dem Welt⸗ markt genügend groß sind und somit das Einfuhrprogramm, soweit es die Mengen betrifft, ohne Schwierigkeiten durchgeführt werden kam.

Gegemwãrtig betragen die Mehlpreise der Reichsgetreidestelle durchschmittlich 207 40 A6 für den Doppel jentner Roggenmehl und 218350 A für den Doppelzentner Weizenmehl. Dem entspricht ein Berliner Brotpreis voa 450 „M für 1900 Gramm Brot. Würde non das Brot ausschließlich aus ausländischem Mehl herstellen, so würde der Doppel zentner Auslandsmehl 850 16 und das Brot etwa 14.25 4 kosten.

Cine weitere Erhöhung des Mehlpweises der Reichsgetreidestelle erscheint angesichts der in letzter Zeit gestiegenea Preise für die Mehrzahl der übrigen Lebensbedürfnisse, im Hinblick auf die ver⸗ mehrten Anforderungenen, die die Versorgung im Winter an die Kauf⸗ kraft der Bevölkerung stellt, und im Hinblick auf die sinkende Kauf— kraft weiter Kreise zurzeit nicht angängig. Es ist erforderlich, für die Abdeckung der Kosten des Auslandsgetreides weitere Reichsmittel in Anspruch zu nehmen, die von der Allgemeinheit, also einschließlich der Selbstversorger, aufzubringen sind. Es müssen daher, um den Mehlpreis vorläufig auf der bisherigen Höhe zu halten, für die Zeit vom 18. August 19820 bis zum 31. März 1921 ruad 535 Milliarden Mark gefordert werden. (Hört, hört! bei den Deutschen Demo— kraken) Will man dea Mehlpreis auch ab 1. April 1921 weite hin bis zum Ende des Wirtschaftsjahres, dem 15. August 1921, in der

gleichen Weise verbilligen, so würden noch weitere 3 55 Milstarber Mark, insgesamt also für das ganze Wirtschafts jahr 1920/21 fast giz Millarden Mark anzufordern sein / Eine derartige Bꝛelastung der Reichskasse wird sich auf die Dauer nicht durchführen lassen; auch er⸗ scheint es bedenklich, durch staarliche Zuschüsse die wahren reise

der Lebenshaltung zu- verschleiern. Es muß daher für die Zukuaft

erstrebt werden, die dem Reiche eywachsenden ungeheuren Lasten für die Verbilligung des Brotgetreides zu vermindern. Das kann aber nur im Wege eines vorsichtigen, allmählichen Abbaues geschehen.

Allerdings hat eine größere Reihe europäischer Staaten in ähn⸗ licher Weise wie wir politische Brotpreise', die den wahren Kosten nicht entsprechen, im Wege sehr erheblicher Staatszuschüsse gebildet.

Von besonderem Interesse ist die Regelung des Brobreises in Italien, und ich bitte Sie, mir zu gestatten, Ihnen darüber kurz folgendes mitzuteilen: Auch in Italien sind sehr hohe Summen zu Verbilligungsz wecken aufgewendet worden; im Jahre 1919 35 Mil⸗ liarden Lire, in dem Zeitraum vom J. Juli bis zum 31. Oktober 1920 allein 195 Milliarden. Für das Jahr 1920 21 belaufen sich die Kosten für das zur Gesamtversorgung Italiens benötigte Inlands⸗ und Auslandsgetreide auf rund 8.3 Milliarden Lire, von denen 6.82 Milliarden ungedeckt sind. Zurzeit liegt dem italienischen Parla⸗ ment ein Gesetzenlwurf über eine Neuregelung der staatlichen Ge⸗ treidewirtschaft vor. Als Anlaß zu die sem Entwurf wird die steigende Belastung des Staatshaushalts durch die bisherigen Staatszuschüsse bezeichnet. Erforderlich ist die Einfuhr großer Mengen Auslands⸗ getreide. Der Entwurf sieht zwar die Aufrechterhaltung eines politi- schen Brotpreises vor, beabsichtigt jedoch eine gewisse Erhöhung der jetzigen Preise, und zwar in folgender Weise:

Der Abgabepreis für Getreide an Verbraucher soll allmählich erhöht werden, und zwar dergestalt, daß bei Herstellung eines Ein⸗ heitsbrotes der jetzige Preis von 1 Lire auf das Kilogramm im ersten Halbjahr 1821 auf 1,40 Lire steigt. Dabei soll es dem Ernährungs⸗ minister vorbehalten bleiben, zur Abschwächung dieser Erhöhung Brot in verschiedenen Formen herstellen und die kleineren Formen etwas teurer verkaufen zu lassen, was dem Preise der größeren Brotformen und damit der ärmeren Bevölkerung zugute käme. Durch diese Maß⸗ nahme sollen insgesamt 26 Millionen Lire im Jahre eingebracht werden. Daneben soll im italienischen Staatshaushalt ein besonderes Brotkonto errichtet werden, dem Teile der Staatseinnahmen Mehr⸗ eingänge aus den erhöhten Tabakspreisen, Luxussteuern von Wein⸗ abgaben, sowie aus der Verdoppelung der Tantieme⸗ und Provisions⸗ steuern für die Aussichtsratsmitglieder, eine vorzeitig zu zahlende Rate der Vermögen sabgabe und die Ergänzungssteuer vom November 1918, zufließen sollen, insgesamt 1920 Millionen Lire. Durch diese Maß— nahmen werden insgesamt fast 47 Milliarden Lire im Jahre gedeckt werden, während ohne sie allein im ersten Halbiahr 3410 Millionen Lire zugeschossen werden müßten. Es ist lehrreich, das Urteil zu hören, das der bekannte Sozialistenführer Turati über die Maß⸗ nahmen der italienischen Regierung gefällt bat. Er sagt unter anderem: Die völlige und endgültige Lösung des Problems würde sich auch einer sozialistischen Regierung aufdrängen. Ein politischer Brotpreis, der ungefähr ein Viertel des wirklichen Preises ist, kann nicht bleiben, welche Wendung auch immer die Ereignisse nehmen.

Nicht nur könnte eine bürgerliche Regierung ihn nicht aufrecht⸗

erhalten, ohne sich in eine Krise zu verwickeln, in der die ganze Wirtschaft schließlich zum Teufel ginge; aus dem gleichen Grunde müßte auch eine sozialistische Regierung ihn abschaffen, und eine solche würde hinsichtlich der Lösung des Problems vor viel größeren Schwierigkeiten stehen, wenn noch nichts geschehen wäre, um sie vorzubereiten, und sie ihre Arbeit unter dem Gebot dringender Notwendigkeit mit einer Steigerung des Brotpreises beginnen müßte. . . Zum Schluß meiner Darlegungen über die Getreidefrage darf ich noch darauf hinweisen, daß voraussichtlich das gegenwärtige System der Bewirtschaftung des Brotgetreides wie des Getreides überhaupt unverändert nicht beibehalten werden kann. Daher werden demnächst bereits Besprechungen darüber beginnen, welches System. an die Stelle des jetzigen für das neue Wirtschaftsjahr zu setzen ist. Festgehalten wird dabei an dem Grundsatze, daß eine möglichst voll—⸗ ständige Erfassung der Inlandsernte erforderlich ist Für das laufende Wirtschaftsjahr muß das bisherige System unter allen Umständen unverändert aufrechterhalten bleiben, Mit der Aufrecht⸗ erhaltung der öffentlichen Bewirtschaftung ergilt sich die Notwendig⸗ keit, auch für die Getreideernte 1921 die Preise wieder amtlich fest⸗ zusetzen. Wie in diesem Jahre ist in Aussicht genommen, zunächst wieder Mindestpreise festzusetzen, und zwar zeitig vor der Frühjahrs bestellung.

Ich darf dann einige Worte über die Milch⸗ und Butterbewirt schaftung anschließen. Eine nachdrückliche Hebung der Milchver= sorgung ist nur möglich durch Loͤsung der Futterfrage, um eine Pro⸗ duktionssteigerung zu erzielen. Die günstige einheimische Futterernte dieses Jahres hat zwar den Ernährungszustand des Milchviehes ge bessert, eine durchgreifende Besserung der Mischversorgung ist aber nur möglich durch Gewährung von Kraftfuttermitteln. Planmäßige Ge · stalt gewann dieselbe im Beginn dieses Jahres und in dessen weiterem Verlauf durch Zuwendung größerer Mengen Kleie, Oelkuchenschrote und Oelkuchen an die Reichsstelle für Speisefette zur Verteilung nach dem Gesichtspunkt der Hebung der Milchversorgung der Bedarfsstädte und Industriebezirke. Die Wirkungen dieser Kraftfuttermittel wären gänstiger in die Erscheinung getreten, wenn nicht die Maul und Klauenseuche, die in diesem Jahre in ungewöhnlicher Ausdehnung und teilweise in besonderer Stärke aufgetreten ist, die angebahnte Pro= duktionssteigerung zum Teil wieder zunichte gemacht hätte. Bei der Notwendigkeit, weiteren Kreisen der Bevölkerung über den gesetzlichen Notbedarf hinaus den Frischmilchgenuß zu ermöglichen, verlangt die Frage der Einfuhr von Milch aus dem Auslande auch in diesem Winter eine ernste Prüfung. Eine besondere Vorlage an das hohe Haus, durch die Reichsmittel zur Verbilligung der Auslandsmilch erbeten werden, ist bereits von mir fertiggestellt. Wird das nur zu berechtigte und begreifliche Verlangen der milchhungrigen und milch bedürftigen Bevölkerung nicht auf das nachdrücklichste gefördert, so sind die Folgen und Gefahren für die kommende Generation nicht abzusehen.

Ich darf im Anschluß bieran der Hoffnung Ausdręck geben, daß es in den mit der Entente in Zukunft noch zu führenden Verhand-

lungen wegen der Angabe von Vieh gelingen möge, die Ernährung .

unserer heranwachsenden Generalion mit Milch vor einer noch

weiteren Verschlechterung zu bewahren. Denn das wäre der schwerste

Schlag, der uns aus diesen Viehforderungen treffen könnte, wenn

msere Säugsinge und Kinder Opfer zuwellgehender Forberungen der Entente werden sollten. (Sehr richtig h An dieser Stelle darf ich den tiefempfundenen Dank der Reichs- regierung an all die hochherzigen Spender des Auslandes aussprechen, die durch ihre edle, werktätige Hilfe dazu beigetragen haben, die große Not, besonders unserer Kinder, zu lindern. (Edebhafter Beifall) Aus der gegenwärtigen schwierigen Lage der Milchversorgung folgt, daß die von mancher Seite angeregte Aufhebung der Zwangs⸗ wirtschaft für Milch noch nicht möglich ist. Jedenfalls wird die Ver⸗ teilung der Milch an die Verbraucher voraussichtlich noch lange durch die öffentliche Hand zu erfolgen haben. Aber auch bezüglich der Erfassung kann von einer allgemeinen Aufhebung der die Bewirt⸗ schaftung regelnden Vorschriften nicht die Rede sein, wobei nicht ver⸗ kannt werden soll, daß bei der zunehmenden Abneigung weiter Kreise gegen die Zwangswirtschaft tatsächlich die Erfassung nicht überall in vollem Umfang durchgeführt wird. Ob und inwieweit hier bezüglich der von den Erzeugern als besonders lästig empfundenen Kontrollvorschriften eine Erleichterung möglich ist und zugelassen werden kann, sofern eine ausreichende, durch Lieferungsverträge sichergestellte Lieferung von Milch auch tatsächlich erfolgt, wie es von verschiedenen Stellen vor⸗ geschlagen wird, unterliegt gegenwärtig näherer Prüfung. Auf dem Gebiete der Fleischversorgung geht das Bestreben dahin, per allem die Schweinehaltung, die im Frieden 68 * unseres Fleisch⸗ bedarfs deckte, durch umfangreichere Bereitstellung von Mais mit Hilfe des Reiches zu fördern. Voraussetzng für die Bewilligung von Reichs nschüssen für die Verbilligung des Maises muß jedoch die Gewähr sein, daß hierbei füt die Allgemeinheit eine entsprechende Gegen leistung erlangt wird. Die Mäster sollen vom Reich Mais erhalten, der ihnen billiger einsteht, als inländisches Getreide, das hierdurch dem unerlaubten Zugriff für Futterzwecke entzogen werden soll. Hiermit wird zugleich die Forderung der städtischen Verbraucherschaft berück- sichtigt, den Schweinefleischpreis zu senken, so daß das Pfund Schweinefleisch etwa zum Preise von 12 4 im Kleinverkauf zu er⸗ langen ist. Leider darf nach der Meinung der Sachverständigen die gewünschte allgemeine Verbreitung des Schweinemastvertrages in landwirtschaft⸗ lichen Kreisen nicht erwartet werden. Es haben aber Verhandlungen mit gewerblichen Großmästereien, Meiereien und Käsereien, die ins- besondere in Schleswig ⸗Holstein, Oldenburg, Hannover, Mecklenburg, Ost⸗ und Westpreußen und Süddeutschland angesessen sind, ihre Be⸗ reilwilligkeit ergeben, Schweinemastverträge auf der Grundlage der Abgabe verbilligten Maises abzuschließen. Nach den bisherigen vor= läufigen Erwägungen würden von diesen beiden Gruppen der Schweine mäster sogleich mehrere hunderttausend Schweine zur Mast auf- gestellt werden. Auf dem Gebiete der Oel und Fettversorgung sind besonders heftige Angriffe gegen meine Maßnahmen gerichtet worden. Ich wende mich zunächst der Margarine als dem für die Volksernährung zurzeit wichtigsten Teil dieses Gebietes zu. Vor der Errichtung des Reichs⸗ ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hatten sich die Mar- gerinepreise entsprechend den jeweiligen Einstandspreisen der Rohstoffe sprunghaft gesteigert. Am 1. August 1919 kostete 1 Kilogramm Margarine ab Fabrik noch 3,2 A; am 1. April 1920 kostete 1 Kilo gramm. Margarine ab Fabrik dagegen 30,*5 . Dabei war die Margarine in der damaligen Beschaffenheit als Streichfett kaum zu verwerten und der Absatz ging infolge ihrer schlechten Beschaffenheit und der nachlassenden Kaufkraft der Bevölkerung in zunehmendem Um⸗ fange zurũck. Ich sah mich daher genötigt, im Einvernehmen mit der Reichs- finan verwaltung den Abgabepreis des Reichsausschusses für Oele und Fette vom 1. April d. J. ab auf 21 6 und für den Monat Juli auf 16 i für das Kilogramm aus Reichsmitteln abzusenken. Infolge der weiterhin mangelhaften Beschaffenheit der inländischen Margarine, die wohl auf die lange Lagerung bei den Kommunen, daneben aber auch auf das fehlende Unternehmerinteresse der Fabrikanten bei der Zwangs⸗ wirtschaft zurückzuführen war, ging trotzdem der Verbrauch zurück. Es wurden an Margarine statt der vorgesehenen 360 000 Zentner monat- lich abgesetzt: im Monat April rund 325 000 Zeniner und im Monat Juli nur rund 76 000 Zentner. Bei dieser Sachlage war es geboten, die Frage zu prüfen, ob nicht durch die Aufhebung der Zwangswirtschaft auf diesen Gebieten er⸗ reicht werden könne, sowohl den Verbrauchern ein besseres und zugleich pte iewerteres Fabrikat zuzuführen, als auch die Reichsfinan zen von den auf die Dauer unerträglichen fortlaufenden Verbilligungszuschüssen zu bisreien; hatte die Verbilligung der wenig guten Margarine doch allein in den 4 Monaten April bis Juli rund 325 Millionen Mark ver— schlungen. . Nach langwierigen Verhandlungen erklärte sich die Margarine⸗ industrie in der Lage, am 1. August zur freien Wirtschaft überzugehen. Auch die Kommunalverbände und die sonstigen Vertreter der Ver⸗ braucher erklärten sich schließlich mit der Freigabe der Margarine⸗ bewirtschaftung vom 1. August ab einverstanden.

Der Erfolg der Aufhebung der zwangsmäßigen Bewirtschaftung für Margarine und Kunstspeisefett, zugleich auch für Speisetalg und Spersesl vom 1. August d. J. an war in jeder Beziehung befriedigend. ; Schwierigkeiten entstanden bei dem Uebergang von der Zwangs⸗ wirtschaft zur freien Wirtschaft hinsichtlich der Beschaffung der Roh⸗ steffe. Die in dieser Hinsicht gegen mich in der Oeffentlichkeit ge⸗ richtete Kritik gibt mir Vewanlassung, hierauf näher enzugehen.

Der Reichsausschuß für Oele uad Fette verfügte Ende Mai dieses Jahres über einen Bestand an für Ernährungszwecke geeigneten Rohstoffen Delsaaten in Oel umgerechnet von rund 150 300 Tors n cinem Cinstazspreise von und 4 30000 6 was dnen durchschnittlichen Einstandspreise von 28,74 M je Kilogramm Roh⸗ stoffe entsprach. Daneben war zu berücksichligen, daß in erheblichen Nengen auch noch die Kommunen infolge eigener Einfuhren über Speiffefette verfügten und daß auch auf illegalem Wege große Mengen ausländischer Margarine nach Deutschland durch das Loch im Westen hereingekommen waren.

. Mit Rücksicht auf die geoßen Rohstoffbestände des Reichsaus— schusses, die uater Zugrundelegung eines Bedarfs an Margarine, Speiseölen und Speisefetten von monatlich rund 18000 Tons nach seiner eigenen Angabe bei Beibehaltung der Rationierung bis zum Ende des Jahres ausæzichten, wähvend der lat sachliche Bedarf damals ja schon allgemein weiter zurückging, habe ich den Reichsausschuß für Dele und Fette Ende Mai angewiesen, jegliche weiteren Einkäufe von Rohstoffen im Auslande einzustellen, bis weitere Mitteilung erfolgte. Wenige Tage darauf habe ich durch meine Kommüissare Vorstands ; mitglichera des Reichsausschusses gegenüber dieses einstweilige Ein, kaussberbot mündlich dahin erläutern lassen, daß ich mit zu etwa noch erferderlichen Cinkaufen, inbesondere solcher Robstoffe, die von ibm

zur Verbesserung der Quali fãt der herzus kellenden Manga ae getãfigk werden sollten, meine Genehmigung vorbehalte. Durch ein Brief⸗ telegramm vom 6. Juli an den Vorstand des Reichsausschuss es konnte ich feststellen, daß bis dahin Anträge auf Genehmigung solcher C= gänzungskãufe mir nicht vorgelegt waren. .

Daß ich Ende Mei die weitere Einkaufstätigkeit des Reichs- ausschusses für Oele und Fette eingestellt babe, entsprach auch der Stellung der Reichsfi nanztessorts, die sich seit Ende Juni meiner Ansicht anschlossen, daß fortan das Reich grundsätzlich nicht mehr das mit dem zentralisierten Einkauf verbundene große Risiko tragen könne, und daß deshalb voa einer weiteren Vergrößerung der aus Reichsmitteln gekauften Bestände an Rohstoffen zum Zwecke der Ver⸗ billigung abgesehen werden müsse.

Die von mir getroffene Maßnahme war eine unbedängte Not- wendigkeit. Nur ein entschiedenes Zugreifen konnte die bisherige Einkaufspolitik des Reichsausschusses unterbinden, deren Gesamtergeb⸗ nis die eben erwähnten Milliardenbestände waren. Nur auf diefe Weise auch konnte die endgültige Auflösung dieser Kriegsgesellschaft wirksam vorbereitet werden. Reichsmittel konnten um so weniger in größerem Umfange noch zur Verfügung gestellt werden, als im Hin⸗ blick auf die damals krostlose Brobwersorgung geoße Mengen Devisen für die erheblich gesteigerte Getreideein fuhr erforderlich geworden waren.

Vor allem muß ich an dieser Stelle hervorheben, daß bereits im Juai und Juli den beteiligten Imndustrien und dem Handel aus⸗ drücklich erklãärt worden ist, daß künftig die Beschaffung der Roh⸗ stoffe obgesehen von den etwa noch erforderlichen Zukãufen be⸗ sonderer Quali tätsöle für die Marharineindustcie nicht mehr durch den Reichsausschuß zu Lasten des Reiches erfolgen solle, sondern der Industrie und dem Handel auf eigene Rechmmg und eigenes Risiko überlassen bleiben müsse, ein Standpu kt, dem später auch der Reichs⸗ wirtschaftsrat beigetreten ist.

Inzwischen war aus Kreisen, die an der Fortsetzung der Zwangs⸗ wirtschaft ein gewisses Interesse hatten, mit dem Herannahen des 1. August, dem Zeitpunkt der Frei gabe des Margarineab satzes, ein Plan ausgearbeitet worden, der unter veränderter äußerer Form eine Fortsetzung der bisherigen zwang wirtschaftlichen Organi sation an⸗ strebte. Auf Betreiben dieser Kreise wurde von den wichtigsten be⸗ teiligten Industrien in den ersten Tagen des August der Reichs⸗ regierung der Plan eines auch in der Presse vielfach erörterten so⸗ genannten Wirtschaftsbundes vorgelegt, der darauf abzielte, daß das Reich ihm die Rohstoffbestände des Reichsausschusses für Oele und Fette nach dem Stande vom 1. Juli dieses Jahres im Werte von ctwa 2 Milliarden Mark zinslos überlassen sollte. Der Plan des Wirtschaftsbundes konnte in der vorgelegten Form nicht die Billigung der Reichsregierung finden. Auf wirtschaftlichem Gebiet sprach vor allem dagegen, daß das Reich einer auf Jahre hinaus bestehenden Monopolstellung der Industrieverbände für die Bewirt⸗ schaftung und die Rohstoffbeschaffung nicht zustimmen konnte, und daß diese Wirtschaftsform auf lange Zeit hinaus eine Verteuerung der Fertigfabrikate zur Folge gehabt hätte, da der Reichskredit durch Aufschlãge auf die Fertigfabrikate in einem Zeittaum von 3 bis

129 Jahren je nach der Höhe der Aufschläge allmählich hätte ab⸗

getragen werden müssen. Vor allem bestanden aber finanzielle Be⸗ denken.

Das Reich sah sich nicht in der Lage, dem Wirtschafts · bund als einem eingetragenen Verein ohne Sicherheiten einen Kredit von etwa 23 Milliarden Mack zur Verfügung zu stellen. Dazu kam noch, daß ein Teil der zu beteiligenden Industrien selbst ohne einen Wirtschaftebund auskommen zu können glaubte, und daß auch der Handel seine berechtigten Interessen an der Beteiligung am Einfuhrgeschäft durch diesen Zusammenschluß beeinträchtigt sah.

Die Reichsregierung mußte trotz der zögernden Haltung der Industrien bei ihrem Entschluß bleiben, daß die Rohstoffbeschaffung kunftig den Industrien und dem Handel zu überlassen ser. Sie hielt an dem Grundsatz fest, daß, wenn Industrie und Handel künfiig die Geschäfte machen und einen entsprechenden Unternehmer gewinn er⸗ zielen sollten, sie dann auch Mittel und Wege finden müßten, um dit damit verbundenen Risiken zu übernehmen. Nur so konnte auch die Gewähr geboten werden, daß unter Vermeidung der bisherigen Fehler' der Einkauf der Rohstoffe im Ausland so günstig erfolgen würde, als es nur möglich ist.

Daß jetzt tatsächlich die Margarineindustrie die Beschaffung der Rohstoffe selbst in die Hand genommen hat, ist der beste Beweis dafür, daß die Uebernahme des damit verbundenen Risikos bei dieser Industrie möglich ist. Jedenfalls ist auf dem Gebiete der Margarine⸗ industrie zurzeit die Rohstoffbeschaffung bis zum April nächsten Jahres als gesichert zu betrachten, wenn auch naturgemäß der Ueber- gang aus jahrelanger Zwangswirtschaft in die freie Wirtschaft zunächst Schwierigkeiten gebracht hat.

Ich fasse meine Maßnahmen auf dem Gebiete der Margarine⸗ versorgung noch einmal kurz zusammen. Sie habe sich seit Mai / Anfang Juni in der geraden Linie zur völligen Freigahe der Wirtschaft bewegt. Der freie Absatz im Inlande wurde am J. August erreicht. Daß nicht gleichzeitig die völlig freie Einfuhr der Rohstoffe unter voller Ausnutzung der günstigen Konjunktur einsetzte, wie ich es plante, war die Folge von verschiedenen Gegenwirkungen, die sich dem Ueber ˖ gang von der gebundenen zur freien Wirtschaft entgegenstellten. Das Einsetzen dieses Widerstandes ist erklärlich, aber nicht berechtigt. Ich hoffe, seine letzten Reste auch noch zu überwinden.

In der Schmalzbewirtschaftung ist seit 1. Oktober d. 6 eine grundsätzliche Aenderung eingetreten, indem die Bewirtschaftung im Inlande aufgehoben, und die Genehmigung der Einfuhr unter Be⸗ messung auf ein bestimmtes Kontingent dem für die Fleischeinfuhr zustãndigen Ueberwachungsausschuß übertragen ist.

Der Reichsstelle für Speisefette steht noch eine Schmalzreserve zur Verfügung, die jetzt etwa 20 000 Tonnen beträgt, um den Bedarf der Bevölkerung während der nächsten Monate decken zu helfen.

Nur noch ein kurzes Wort im Anschluß hieran über den Bestand an Kriegsgesellschaften im Bereiche des Reichsministeriums für Er nährung und Landwirtschaft. Von den 35 Kriegsorganisationen, über die das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft bei seiner Errichtung am 1. April 1920 die Dienstaufsicht von den Reichs⸗ wirtschaftsministerien übernommen hat, werden nur fünf eine über den 1. Januar 1921 hinausreichende Tätigkeit ausüben. (Hört, hört!

rechts und im Zentrum) Der Personalbestand bei den dem Reiches 8

ministerium für Ernährung und Landwirtschaft unterstellten Krieg organisationen hat sich vom 1. April 1920 bis zum J. November 1920 folgendermaßen entwickelt:

Es waren beschäftigt am 1. April 1920 bei den Organisationen, die noch jetzt der Dienstaufsicht des Ministeriums unterstehen, rund

10 125 Beamkbe, am 1. November dM. Es sst also eine Verringernng von rund 3200, d. h. um rund ein Drittel zu verzeichnen.

Der Personalbestand der größten Kriegsgesellschaft, der Reichs getreidestelle, ist in den letzten Monaten um rund 25 X vermindert worden. Zum 1. Oktober sind rund 700, zum 1. Nodember weitere ho) Angestellte, insgesamt 1200, entlassen worden. .

Ich komme zu einer kurzen grundsãtzlichen Darlegung der Ein ⸗· fuhrpolitik des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirt ⸗· schaft. Von dem gleichen Gedanken wie auf dem Gebiet eder Innen · wirtschaft ausgehend, mußte auf dem Gebiete der zentralen Einfuhr eine Lockerung angestrebt werden. Entscheidend war hierbei für das Ministerium die Ueberzeugung, daß im Interesse unserer Volks⸗ ernährung alle Kräfte des sachkundigen legitimen Handels bei der Heranschaffung von Waren aus dem Auslande nutzbar gemacht werden mußten, und der deutsche Handel nicht länger jene starke Ab⸗ schnürung vertrug, die während des Krieges und der ersten Nach⸗ kriegszeit notwendig war. Ferner verlangte das Interesse der Reichs finanzverwaltung gebieterisch den Ersatz der zentralen Einfuhr durch die private Betätigung, denn die zentrale Einfuhr durch die Reichs- stellen bedeutet für das Reich eine weitgehende finanzielle Belastung, die auf Fie Dauer nicht zu vertreten ist; sie bedeutet andererseits aber auch eine Lahmlegung der tausendfachen geschäftlichen engen Be⸗ ziehungen zwischen dem deutschen Handel und dem Auslande. In allen Fällen, in denen deshalb nach der Lage der ausländischen Märkte, nach dem Bedarf und der Erzeugung im Inland angenommen werden mußte, daß die Freigabe der Einfuhr zum Ausgleich für Angebot und Nachfrage führen mußte, daß die freie Einfuhr also preis senkend wirken würde und die Inanspruchnahme ausländischer Zahlungsmittel nicht unverhältnismäßig hoch sei, wurde die Einfuhr freigegeben. Je größer der Kreis der Lebensmittel ist, die für die freie Einfuhr in Betracht kommen, um so mehr ist nicht nur die Gewähr für eine bessere Versorgung, sondern auch die Möglichkeit einer verstärkten Wechselwirkung der verschiedenen Lebensmittelpreise untereinander gegeben. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) ö. l

Die Einfuhrtätigkeit des Reiches selbst war beherrscht durch die Notwendigleit, die Brotversorgung durch die Einfuhr von Brot— getreide unter allen Umständen zu sichern.

Die finanzielle Durchführung des Einfuhrprogramms, das sich auf die notwendigsten Einfuhrbedürfnisse unter Aufrechterhaltung der bisherigen Rationen beschränkt, ist, wie ich schon beim Getreide her⸗ vorgerufen habe, nur möglich unter voller Inanspruchnahme der Kohlenvorschüsse, die auf Grund des Protokolls von Spaa an uns geleistet werden. Die Hoffnung, mit ihrer Hilfe die Versorgung der Bevölkerung wesentlich verbessern i können, konnte deshalb nicht er⸗ füllt werden.

Die Ernährungskonferemen in London und Stresa haben wesent⸗ lich dazu beigetragen, das Verständnis der beteiligten Regierungen für unsere schwierige Ernährungslage zu fördern und die Verwendung der Spaavorschüsse für uns zu erleichtern.

Wegen der Freigabe der Lebensmitteleinfuhr darf ich bemerken, daß bereits unter meinem Herrn Amtsvorgänger die Einfuhr gewisser

Lebensmittel freigegeben wurde. Es wurde dam nach Errichtung des

Ministeriums weiter freigegeben die Einfuhr von frischem Gemüse und Obst, die Einfuhr von frischen Fischen, von Käse, von Mais, Kleie, von Wild, von Eingeweiden und Därmen usw.

Auch die Eiereinfuhr ist bereits seit dem 1. Juli 1920 völlig frei. gegeben. Die Freigabe der Einfuhr von Salzheringen soll zum 15. Dezember erfolgen.

Die Finanzierung der Einfuhren durch die Reichsstellen erfolgte im engsten Einvernehmen mit den beteiligten Stellen. Die Anforde⸗ rungen der notwendigen Devisen erfolgen insbesondere in ständiger Zusammenarbeit mit der Devisenbeschaffungsstelle und dem Devisen⸗ beirat, der sowohl zu dem gesamten Einfuhrprogramm wie zu den wöchentlichen Devisenforderungen Stellung nimmt.

Eine wesentliche Erleichterung für uns bedeutete der Abschluß

der deutsch⸗holländischen Vereinbarung vom 31. März 1920, die Be⸗⸗

stimmung über die Verwendung des 60 Millionen Gulden⸗ Kredits traf, der uns durch den am 11. Mai 1920 gezeichneten deutsch⸗ holländischen Vertrag gewährt werden soll. Diese Vereinbarung stellt uns auf den Betrag von 60 Millionen einen Vorschuß von 25 Mil⸗ lionen Gulden zur Verfügung, der zum Einkauf von Getreide, Fleisch, Delkuchen, Käse usw. Verwendung fand. Am 4. und 5. November d. J. wurbe eine weitere Vereinbarung über die Gewährung eines weiteren Vorschusses von 10 Millionen Gulden getroffen und gleichzeitig Ver⸗ träge über die Abnahme der nach dem Vertrag vom 31. März 1920 noch zu liefernden Heringe und Marmelade geschlossen.

Nachdem es uns endlich im Frühjahr d. J. gelungen war, die Geltung unserer Einfuhrverordnung auch für das besetzte Gebiet durchzusetzen, haben sich jetzt besonders an der deutsch⸗holländischen Grenze Zustände herausgebildet, die geeignet sind, unser Wirtschafts leben schwer zu schädigen. Der Schmuggel steht dort in hoher Blüte, und Tausende von Leuten jeden Standes beteiligen sich hieran. Diesenꝰ Unwesen wird mit allen Mitteln seitens der hierfür zu⸗ srändigen Ministerien, des Reichsfin anzministeriums und des Reichs⸗ wirtschaftsministerums entgegengetreten. Die Grenzorgane wurden verstärkt, bewaffnete Kolonnen mit Zustimmung der Alliierten ge bildet, um an besonders bedrohten Punkten eingesetzt zu werden und die Sicherheitspolizei, wo es geboten war, in Anspruch genommen. Die Bestrebungen des Ministeriums richten sich insbesondere darauf, unter allen Umständen die Ausfuhr von Lebensmitteln nach dem Auslande zu verhüten.

Ich halte nach wie vor an der Ueberzeugung fest, daß wir zur weiteren wirksamen Sicherung unserer Volksernährung auf dem Wege rorsichtiger schrittweiser Einschaltung des freien Handels bei der Einfuhr aller derjenigen Lebensmittel fortschreiten müssen, für welche die Zwangswirtschaft im Innern in Wegfall gekommen ist, unter Fernhaltung jedoch von Luxusartikeln. Wir dürfen nicht die Kriegs gesellschaften aufheben, um an ihre Stelle Gebilde zu setzen, deren Leiter zwar das Bestreben nach sachlicher, einwandfreier Arbeit haben. die ihrer ganzen Natur nach aber nur zu leicht zu einer Fortdauer der beklagenswerten Mißstände führen, die mit dem Begriff der Kriegszwangswirtschaft zusammenhängen. Auch auf diesem Gebiete müssen wir den Mut haben, ganze Arbeit zu tun. Jedes Uebergangs⸗ stadium mit einer bestimmten Einfuhrkontingentierung muß natur- notwendig weitere Schwierigkeiten mit sich bringen. Kon tingentie ˖ rung und freier Handel sind nicht miteinander vereinbar. Nicht nur, daß die Kontingentierung dem freien Handel die restlose Ausnutzung seiner Auslandsbeziehungen und die jeweils beste Verwertung von Einkaufsmöglichkeiten erschwert, sie bedeutet auch letzten Endes die Verewigung von Korruptionsmöglichkeiten. Mit jeder Kontingen tierung ist jetzt unvermeidlich die Gefahr eines verbotenen Dandels

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