1921 / 17 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Jan 1921 18:00:01 GMT) scan diff

letzteren wird in der Reorganisation des Finanzdienstes und besonders dez mit der Erhebung betrauten Dienstes sichergestellt werden. Wir sind entschlossen, in unsere Finanzen, die durch den Krieg in große Verwirrung geraten sind, Ordnung, Regelmäßigkeit und Klarheit wieder einzuführen. Aber wenn wir hoffen können, durch, die Maß—

nahmen, bezüglich deren wir uns mit Ihrer Finanzkommissien beraten

werden, die finanzielle Krise zum Stillstand zu bringen, so ist es wesentlich, um sie schleunigst zu beenden, daß der Staatsschatz nicht mebr die Reparationen zu übernehmen hat, die Deutschland schuldig ist. r ;

ö ö seine Armee und seine Finanzen wird Frankreich sich in voller Sicherheit seinem Wiederaufbau widmen können. Der wirtschaftliche Sieg wird aber nicht errungen werden, wenn wir nicht in Ackerbau, Handel und Industrie die Freiheit wiedergewinnen und die Hindernisse aufheben, die infolge der durch den Krieg notwendig gewordenen Reglementierung eingetreten sind. Wir werden bemüht fein, diefen wertschaftlichen. Wiederaufbau bald in die Wirklichkeit umzusetzen. Wir werden mit allen Kräften den Wiederaufbau unserer verwüsteten Gebiete beschleunigen. Das wird uns gelingen. durch systematische Dezentralisation und durch den Appell an die Initiative der Bewohner der verwüsteten Gebiete selber und durch eine bessere Gestaltung der Kredite an die verschiedenen verwüsteten Departements.

Wir werden die restlose Durchführung der Gesetze zugunsten der durch den Krieg Geschädigten betreiben. Der wirtschaftliche Wieder⸗ aufbau Frankreichs wird auch eine wertvolle Unterstützung in der Nutzbarmachung der Quellen finden, die uns unsere Kolonien bieten, die uns während des Krieges eine so große Hilfe gewesen sind. Cin umfangreiches Programm zur Entwicklung der wirtschaft⸗ lichen Aufrichtung unserer Kolonien durch Taten der Hygiene und des Unterrichts, die geeignet sind, unseren Untertanen und Schützlingen unfere Zivilisation zu verschaffen, wird Ihnen ohne Verzug vorgelegt werden. Frankreich wird so bald zum Wohlstand kommen und seinen Vormarsch auf dem Wege des Fortschritts jeder Art wieder auf— nehmen können. —⸗

Die Regierung ist entschlossen, den Arbeitern dieses Landes, die voller Patriotismus an dem Werk des Krieges mitgearbeitet haben und deren Ruhe und Klugheit eines der Hauptelemente der moralischen Stärke Frankreichs sind, die inmitten der soziglen Er—⸗ schütterungen in der gegenwärtigen Stunde von der ganzen Welt be—⸗ wundert werden, den weitestgehenden Kredit zu gewähren. Sie haben in der Tat begriffen, daß eine andere Haltung nur die Wirkung hätte, die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu vergrößern und die Ver— besserung ihrer Lage aufzuhalten. Die Regierung, die die Cgin⸗ wirkungen der wirtschaftlichen Krise auf die Arbeitzrwelt aufmerksam verfolgt, ist es dieser schuldig, die geeigneten Maßnahmen zu er— greifen, um der Peinlichen Lage derjenlgen, die feiern mußten, abzu⸗ helfen und die Mittel zu suchen, unserer Industrie das volle Ver⸗ trauen wiederzugeben. ;

Die Politik der Reformen, die wir auf allen Gebieten zu verwirklichen beabsichtigen, setzt das regelmäßige und ständige Funktionieren des öffentlichen Dienstes voraus, von dem das Lehen der Nation abhängt. Es ist wichtig, daß die Beamten ihre Rechte und Pflichten in neuen Regeln festgelegt sehen, und daß sie das Mandat, das sie von der Nation haben, ausführen, ohne es jemals gegen die Nation verwenden zu können. Den lokalen und städtischen Parlamenten, deren Tätigkeit während des Krieges so nützlich gewesen ist, werden wir mehr Freiheit geben. Um dieses Reform⸗ programm durchzuführen, muß die Regierung sich auf eine starke Mehrheit stützen. Wir haben den Ehrgeiz, diese Mehrheit zu schaffen. Zu diesem Zweck appellieren wir an die Einigkeit aller Republikaner und aller Vertreter der Parteien, die auf dem Boden der Republik stehen. Wir lehnen die Unterstützung derer ab, die durch Gewalt die Umwandlung der Gesellschaft versuchen, ebenso wie die Unterstützung derjenigen, die dem demokratischen Regime einen Schlag versetzen wollen. Gestützt auf Ihre Mitarbeit, auf die wir zählen, und auf die notwendige Disziplin werden wir unser Amt in der Republik führen für ganz Frankreich, wobei wir alle Bürger zur Achtung vor ihren Einrichtungen auffordern. Das ist das Werk, zu dem die Regierung Sie einladet. Um es zu gutem Ende zu bringen, brauchen wir Ihr ganzes Vertrauen. Wir sind überzeugt, daß es uns daran nicht fehlen wird.

Die Erklärung wurde wiederholt durch Beifall unterbrochen. Darauf wurden verschiedene Interpellationen verlesen und die Sitzung auf heute vertagt. Im Senat wurde die Regierungs—⸗ erklärung ebenfalls mit Beifall aufgenommen.

Unter dem Vorsitz Lon Bourgeois“ fand vorgestern eine Zusammenkunft der Vertreter aller beteiligten Ministerien statt, um gemeinschaftlich die Fragen, die auf der Tages⸗ ordnung der nächsten Zusammenkunft des Völker bundsrats in Genf stehen, zu prüfen. Auch Viviani wohnte der Zu⸗ sammenkunft bei.

Blättermeldungen zufolge hat sich der Wiederaufbau—⸗ kongreß dafür ausgesprochen, daß Deutsch land jährlich für eine Milliarde Material zum Wiederaufbau der zer— störten Gebiete liefere. Der Kongreß hat sich aber gegen die

Zulassung deutscher Arbeiter nach Frankreich ausgesprochen.

Rußland.

Bei der Abfassung des russisch⸗polnischen Friedensvertrags über die Rechte der nationalen Minderheit erklärten sich die Polen bereit, die Weißrussen dazu zu rechnen, die Juden dagegen nicht. Die russisch⸗ukrainische Delegation hält ihre Forderung aufrecht.

Das Volkskommissariat für auswärtige An⸗ gelegenheiten hat an die chinesische Regierung einen Protest gegen das feindliche Verhalten der chinesischen Be⸗ hörden in der Mongolei gegenüber den russischen Flüchtlingen gerichtet.

Wie die „Russe Union“ meldet, ist es nach einer Nachricht der „Iswestija“ den Roten Truppen gelungen, das von aufrührerischen Bauern besetzte Kiew wieder zu be⸗ freien. Am Dnjepr sollen die Aufständischen noch die Stadt Ka new halten. ;

Syanien.

Der Senat hat vorgestern nach Erklärungen des Minister⸗

präsidenten Dato dem Ministerium sein Vertrauen ausgesprochen.

Schweiz.

Der Nationalrat hat die Revisionsvorlage Nationalbankgesetz einstimmig angenommen.

Der Ständerat erörterte eine Vorlage über die Be⸗ willigung von zehn Millionen Franken für Arbeitslosen— unterstützung.

Laut Bericht des „Wolffschen Telegraphenbüros“ legten mehrere Redner die kritische Lage der Schweiz dar, die durch den ziesen aus—⸗ ländischen Kursstand entstanden sei. Der Bundespräsiden Schultheß

erklärte die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als eine der ersten Pflichten des Bundesrats. Die schweizerische Handelsbilanz weise einen Ueberschuß der Einfuhr in Höhe von einer Milliarde Franken bei steigender Einfuhr und stets zurückgehender Ausfuhr auf. Der Bundesrat werde zum Schutze der einheimischen Industrie gegen die Konkurrenz des Auslandes vorübergehende Maßnahmen ergreifen.

Darauf stimmte der Ständerat der Vorlage zu.

Dänemark.

Die in Dänemark ansässigen deutschen Abstimmungs⸗ berechtigten für Oberschlesien haben, wie „Wolffs Telegraphenbüro“ meldet, an die englische, die italienische und die französische Botschaft in Berlin folgendes Pro test— telegr anm gerichtet:

zum

Die in Dänemark wehnhaften deutschen i, n für Oberschlesien legen schärfste Verwahrung dagegen ein, daß ihnen durch die kurzen Fristen des Abstimmungsreglements die Möglichkeit genommen wird, das ihnen nach dem, Friedensvertrag. zugebilligte Hrecht der Abstimmung über das Schicksal ihrer früheren Heimat aus⸗ uäüben, und verlangen aufs nachdrücklichste Verlegung der für die Einreichung der Anträge festgesetzten Frist um mindestens zehn Tage.

Türkei.

Meldung der „Chicago Tribune“ aus Kon⸗

Nach einer t 9 Paschas in Ana⸗

stantinopel haben die Truppen Kemal . tolien eine allgemeine Offensive gegen die Griechen begonnen. Sie sollen diese gezwungen haben, Ismid zu räumen, und Brussa besetzt haben. Die Kemalisten behaupten, 45360 Gefangene gemacht, 17 Feldgeschütze und große Munitisns⸗ vorräte erbeutet zu haben. Die türkischen Blätter find über die Wendung begeistert.

Statistik nud Volkswirtschaft.

Eine handelsstatistische Komm ission. .

Das ReichswirtschaFtsmin isteriu in beabsichtigt bereits seit längerer Jeit, dem Wunfche weiter Kreife nach Wiegderherausgabe der vor dem Kriege üblichen handelsstatistischen Uebersichten Rechnung zu tragen. Die Handelsstatistik leidet jedoch gegenwärtig vor allem unter der Schwierigkeit, daß ein Deklarationszwang für die Einfuhrwerte nicht hesteht. Auch für die Shã ung dieser Werte fehlt bei den außerordentlichen. Valuta⸗ und Preisschwankungen zunächst noch eine einwandfreie Be⸗ rechnungsgrundlage. Bei der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Angelegenheit hat, wie W. T. B.“ meldet, das Reichs wirtschafts⸗ ministerium nunmehr, um zu einer vorläufigen Klärung der Frage zu gelangen, eine aus namhaften Volkswirten bestehende Kommission eingesetzt. Aufgabe der Kommission wird die wissenschaftliche Begut⸗ achtung des vorliegenden Zahlenmaterials sein. Auch bereitet das Statkistische Reich samt eine grundlegende gesetzgeberische Reform der Handelsstati stik vor; die Vorarbeiten hierzu stehen kurz vor dem Abschluß. Zu Mitgliedern der genannten Fandelsstatistischen Kommission sind berufen die ß Richard Calwer und Sr. Kuczynski, aus den Kreisen der Wissenschaft der Statiftik die Professoren Dr. Lotz, Dr. Schumacher und Dr. Julius Wolff. Die Kommission wird schon in den nächsten Tagen im Reichswirtschaftsministerium zusammentreten.

Arbeitsstreitigkeiten.

In Barcelona hat, einer von W. T. B.“ übermittelten Havasmeldung zufolge das auf den allgemeinen Ausstand hinarbeitende Rote Syndikat seine Wühlarbeit wieder auf⸗ genommen. In der vergangenen Nacht wurde ein Arbeitgeber gets tet. Auf der Straße wurde der Ordonnanzoffizier des Direktors der Oeffentlichen Sicherheit von Unbekannten durch Revolverschüsse tödlich verletzt.

Wohlfahrtspflege. Landaufenthalt für Stadtkinder.

Unter der Leitung seines Borsitzenden, des Reichswirtschafts— ministers Dr. Schokz, veranstaltet? der Vergin „Lan d⸗ aufenthalt für Stadtkinder“ gestern im Sitzungssaal des Reichswirtschaftsministeriums seine jährliche Ausschußsitzung. Die Versammlung, an der eine große Zahl von Vertretern der Reichs- und preußischen Ministerien, der Provinzialstellen und Landes- zentralen des Vereins sowie der bedeutendsten charitativen Verbände und Vereine teilnahmen, wurde durch eine Begrüßungsansprache des Minifters eröffnet, in der er auf die große Bedeutung der Arbeit für die Gesundung des Reichs hinwies. und dabei betonte, daß der Verein durch die einheitliche Durchführung diefes wichtigsten Zweiges der Erholungsfürsorge im Rahmen einer stets geschlossenen Reichsorganisation sein Teil dazu beigetragen habe, der Stärkung des Reichsgedankens zu dienen. Kaum 96. eine Aufgabe je eine so einmütige Förderung seitens der Parteien jeder Richtung erfahren wie der Landaufenthalt der Stadtkinder. Nach Erledigung einiger die Ergänzungswahl zum Ausschuß und zum Vorstand be⸗ treffenden Angelegenheiten erstattete sodann der Geschäftsführer des Vereins, Gerichtsassessor Grueneberg, den Bericht über das Gesamtergebnis der vorjährigen Inland⸗ und Auslandunterbringung von Stadtkindern und über die Vorbereitungen für das neue Jahr. Aus dem Bericht sei . als besonders bemerkenswert hervorgehoben: Auch im abgelaufenen Jahre waren erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden. Vor allem behinderten der Kapp⸗Putsch und seine Folgen die Werbetätigkeit zunächst erheblich. Die indessen bald wieder eintretende Festigung der innerpolitischen Lage, die Aussicht auf baldige Aufhzbung der Zwangswirtschaft für einen Teil der wichtigsten Nahrungsmittel, die Gewährung einer nach bestimmten Grundsätzen und nach der Zahl der bereitgest ẽslten Pflege⸗ stellen gestaffelten Prämie zugunsten der ländlichen Wohlfahrtspflege begünstigten die weitere Arbeit, so daß allein in Preußen etwa 95090 erholungsbedürftige Kinder guf das Land entsandt werden konnten. Es bedeutet die Zahl ein ö gegen das Jahr 1919 von etwa 20006. Besonders merkenswert ist das Werbeergebnis in der Provinz Ostpreußen, aber auch in anderen Provinzen ist die Aufnahmeziffer erheblich ge⸗ stiegen. In den anderen Freistaaten ist das Ergebnis zum Teil ebenfalls günstiger gewe fen. Man wird nach Abschluß der Statistik die Gesamtzahl der im Reich unter⸗ gebrachten Stadtkinder auf etwa 135000 beziffern können. In Baden wurde durch das dortige Arbeitsministerium der frühere Truppenübungsplatz auf dem Heuberg für die Kinder⸗ unterbringung nutzbar gemacht, und zeitweise wurden 2000 Kinder gleichzeitig dort beherbergt und verpflegt. ö notleidenden Kinder des oberschlesischen Abstimmungsgebiets brachte der Verein im Harz in den Mongten Juni⸗Oktober eine Sonder⸗ aktion zur Durchführung. Die Aussichten für das neue Jahr sind nicht ungünstig. Die durch die Voltkssammlung für das notleidende Kind“ in die weitesten Kreise unseres Volkes ge⸗ tragene Aufklärung über die immer noch bestehende furchtbare Not, die Weitergewährung der Prämie zugunsten der ländlichen Wohl⸗ fahrtspflege und die aufopfernde Werbung der Vertrauenspersonen von Stadt und Land, inshesondere der Lehrer und Pfarrer, werden auch im neuen Jahre den Erfolg sichern. Die Vorbereitungs⸗ arbeiten des Vereins sind nahezu abgeschlossen, und die von den zuständigen. Ministerien genehmigten Richtlinien werden noch in diesem Monat zur Ausgabe gelangen. Auch die Unterbringung im Ausland hat sich günstiger gestaltet als 1919. Es wurden insgesamt et wa 40090 deutsche Kinder nach den am Kriege nicht beteiligt gewesenen Nachbarländern gebracht. Es bedeutet dies ein Mehr von annähernd 8000 gegenüber dem Jahre 1919. Insgesamt kamen fast 20 000 Kinder nach der Schweiz, etwa 11 600 nach Holland, 4500 nach nem art, etwa. gien nach Schweden, rund 1200 nach Norwegen und 506 nach Finn land. Nach der Erstattung des Kassenberichts durch den Schatzmeister, Geheimen Oberregierungsrat Eggert, wurde in die Aussprache eingetreten, in welcher der einmütige Wille zum Ausdruck kam, trotz aller durch die Zeitverhältnisse bedingten Erschwernisse den Landaufenthalt als das wirksamste Mittel der Erholungsfürsorge unserer Kinder mit allen Kräften auch im neuen Jahre zu fördern. (W. T. B.)

Kunst und Wissenschaft. In einem Vortrag vor der Königlichen Geographischen Gesell⸗

2

schaft in London über die künftige d ee n. wurde mitgeteilt, daß die Verwaltung des Scott⸗Gedächtnisfonds 5 habe, mit

einem Teil dieses Fends ein In stitut für P

zu errichten. Es foll, wie die Umschau“ mittellt, an die Universttg Cambridge angeschlossen werden, und jeine Aufgabe soll sein, enn,

Polarfahrten anzuregen und zu unterstützen und die Mittel zur ie öffentlichung der Forscherarbeiten zu beschaffen. er⸗

olarforschun

eiche en wieder ö.

daß die idenskabernes D Lchuñ gebildet ha Literatur denjeni ge Aiteratur Zeil⸗ Haupt,

. endi en gente. zur Ver. üicher

n )

In einer am 18. Fanuar für die Errichtung des Forschungz instituts der Lederindustrie . ö. ein Kuratorium aus Regierungsvertretern, Wissenschaftlern Mi gliedern der Kaiser⸗Wilhelm⸗Gesellschaft und Industriellen für Forschungsinstitut gebildet. Der Vorsitz im Kuratorium wurde den Vorsitzenden des Zentralvereins der Deutschen Lederindustrie, Hen Ludwig Lindgens, Mülheim⸗Ruhr, übertragen. Die Gründung de Forschungsinftituts dürfte, wie W. T. B.“ meldet, durch die n wendungen der Ginjahler zum Sich rungöfonds der früheren Kriz leder⸗Aktiengesellschaft finanziell gesichert sein.

Theater und Musik.

Im Opernhause wird morgen, Sonnahend, C. N. vn Rezniceks Ritter Blauhart“ zum ersten Male mit Michael Bohne in der Titelrolle aufgeführt. In den übrigen Rellen sind die Damen Schwarz, n, ,, nn und die Herren Helgers, Not. Denk. Stock und Lücke beschäftigt. Marsikalischer Leiter ist der Gener musikdirektor Leo Blech. Anfang 7. Uhr. 1

Im Schauspielhause wird morgen Hans Müllerz Dram „Die Sterne“, mit Albert Bassermann in der Hauptrolle, wiederholt Anfang 7 Uhr. Fritz Kortner spielt nach seiner Wiederherstellun und edlen vom Erholungsurlaub vom Montag ab wieder d Titerrolle in „König Richard III.“. Außer Montag wird da Shakespearesche Werk am Sonnabend, den 297. d. M., wiederholt.

An den Bühnen des Deutschen Theaters wermde folgende Erstaufführungen für die nächste Zeit vorbereitet: Schiller „Jungfrau von Orleans“, „Kräfte“ von August Stramm, „Jenseite von Hasenclever und Der König der dunklen Kammer“ von Rabm dranath Tagore.

Der Berliner Ton künstler⸗Vergin (E. V) füh morgen, Sonnabend, Abends 77 Uhr, im Bech steinsagl! nen Werke von Professor Hermann Zilcher n Paul Stribd (München), Hans Kummer (Worms)] und P (Budapest) zum ersten Male auf. Die Tonsetzer werden sich pe sönlich an dex Aufführung ihrer Werke beteiligen. Außerdem wir ke Maria Wendel, Minna Ebel⸗Wilde, Wilhelm Guttmann und dat Dameck⸗Quartett mit. ö

Aeronautisches Observatorium. Lindenberg, Kr. Beeskow. 260. Januar 1921. Drachenaufstieg von 5 a bis 6h a. Wind

Richtung 9

Relative Feuchtig⸗ keit

o/o

80 83

Luftdruck Temperatur O0

mm

752, 4 718 661 620

Scehöhe

oben unten

250 k ;

87 169 50 48

Bewölkt. Gewöhnliche Sicht.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage)

Theater.

dpernhaus. (Unter den Linden) Sonnabend: Katte reservesatz 59. Ritter Blaubart. Anfang? Uhr. Sonntag: Die Frau ohne Schatten. Anfang h Uhr.

Echauspielhaus. (Am Gendarmenmarkt.) Sonnab.: II. Dauer bezugsvorstellung. Die Sterne. Anfang 7 Uhr.

Sonntag: Vormittags; 4. Matinee; Stimmen der Goölker Anfang J ihr. Nachmittags: 14. Volksvorftellung zu ermäßihh reisen: Die Rabensteinerin. Anfang 25 Uhr. Abends:

terne. Anfang? Uhr.

Familiennachrichten.

Gestorben: Hr. Geh. Studienrat, Professor Dr. Gustah *.

Berlin). Hr. Fenerasseutnant z. D. Wigand bon Ce 86 Hr. Generalleutnant 4. D. Hellinuth von (Dresden). Hr. Generalmajor a. D. Heinrich von

(Dresden). J

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gescha

Verantöertticher Shhriftleitten Direktor Dr Tvr ol, Chatten. Verantwortlich für den Anzeigenteil. Der Vorsteher der Geschiste Rechnungsrat ö. engering in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle (Men gering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags anstalt, Berlin Wilhelmstr. 32.

. Sechs Beilagen

leinschließlich Börsenbeilage und Warenzeichenbeilage Nr. 6A und )

und Erste, Zweite und Dritte Zentral- Handels register⸗Vilhe

rofessor Hans Koeßla

Schilñ

.

.

,,. 5

im Deut schen Reichsanzeiger und

Erste Beilage

Berlin, Freitag, den 21. Januar

.

V.

.

Preußischen Staatsanzeiger

1921

Nr. 1 7. . Nichtamnliches.

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt)

Deutscher Reichstag.

52. Sitzung vom XV. Januar 1921, Nachmittags 1 Uhr. Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *))

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Be⸗ ratung des Gefetzentiwürks, betreffend eine veitere vorläufige Regelung des Reichs—⸗ aus halts für das Rechnungsjahr 1920. Die Fegierungsborlage enthält zwei Paragraphen. Der erste be— simmt, daß der Teuerungszuschlag zum Grund⸗ ehalt und zum Ortszuschlag für die Beamten nit Wirkung vom 1. Januar 1921 ab für die Orte der Ortsklaffe A auf 70, B auf 67, C auf 65, D auf 60 nd E auf 55 3 festgesetzt wird. Nach 3 2 sind zur Deckung der durch den 5 1 entstehenden Mehrausgaben bis zum 1. April gel Verwaltungsmaßnahmen zu treffen oder Gesetzentwürfe horzulegen, durch die mittels Erhöhung bestehender und Ein— ihrung neuer Gebühren oder Steuern eue Einnahmen ge— shaffen werden. Der Reichsrat . seinerseits noch einen hesonderen von der Regierung nicht gebilligten 53 vor. „Den ländern sind an dem Betrage der nach 8 zu erhöhenden oder neu einzuführenden Steuern Anteile zur Bestreitung der Mehr⸗ bsten zu gewähren, die ihnen und ihren Gemeinden dadurch erwachen, daß sie die Teuerungszuschläge für ihre Beamten, fuhegehaltsempfänger und deren Hinterbliebene nach den Hrundsäͤtzes des 5 1 erhöhen. Bis zu dem Zeitpunkt, in dem diee Bestimmung wirksam wird, werden den Ländern die Nehrkosten, die ihnen und ihren Gemeinden erwachsen, aus der Reichskasse erstattet. Das Nähere bestimmt der Reichs⸗ minister der Finanzen mit Zustimmung des Reichsrats. Kommt eine Einigung ö dem Finanzminister und dem Reichs⸗ at nicht zustande, so werden die näheren Bestimmungen durch heichsgesetz getroffen.

Abg. Plettner (Komm.): Es scheint, als ob die Parteien, äe zur Regierung gehören, die Sache verschleppen wollen. (Lachen dei den Sozialdemokraten.) Dabei hat doch der Abg. Nüller⸗ ranken in Ausschuß erklärt, daß die Vorlage, wie sie ist, ohne große Debatte angenommen werden wird. Hierin sehe ich eine Verschleppung, weil Gie Czu den Sozialdemokraten) hier nicht zu der Frage Stellung rehm wollen. (Lachen bei den Sozialdemokraten) Die große Menge der Beamtenschaft wird sich nicht damit einverstanden er— liren, daß diese Frage in der Form gelöst wird, daß im Reichstag nicht darüber geredet wird. Die Vorlage ist absolut ungenügend. Die höher besoldeten Beamten kommen ebenso gut weg, ja noch heser, als die niedrig besoldeten. Es wäre besser gewesen, die Par= teien hätten sich auf den Vorschlag der Gewerkschaften geeinigt und nn Züschlag nicht nach den Ortsklassen, sondern auf Grund der Pesoldungsgruppen gestaffelt. Durch eine derartige Regelung der Lauerungszuschläge haben die Unterbeamten gar keinen Vorteil. Aus kesem Grunde ist es notwendig, schon heute darauf hinzuweisen, daß ine solche Regelung nur eine Schiebung der Regierung und der Regierungsparteien ist. Die höheren Beamten sollen gegen die unteren augespielt werden. Das machen wir nicht mit, und wir bedauern lcbhaft, daß die Sozialdemokraten sich im Ausschuß darauf festgelegt höben, die Vorlage sang⸗ und klanglos zu verabschieden. Die große Nasse der Beamten, namentlich der mittleren, ist mit dieser Regelung nicht einderstanden, sie erlangen die Staffelung nach Besoldungs— gruppen, nicht nach den Ortsklassen. Die Erfahrung wird zeigen, daß nir schon nach einem Monat auf demselben Punkt stehen wie heute, neil die unteren Besoldungsgruppen mit viel zu geringen Zulagen ibeespeist werden. Wir behalten uns vor, zu der Frage besondere Gtellung zu nehmen und Anträge in der Richtung zu stellen, wie wir öiese Regelung vorgenommen wissen wollen. Die Regierung will urch ihre Taktik nur die einheitliche Front der Beamten zerschlagen. Zuruf; Die Verbände haben ja zugestimmt! Wenn die Gewerk— Hiftsführer zugestimmt haben, so haben sie das nur getan, um dem khmpf jetzt auszuweichen und Ruhe und Ordnung aufrecht zu er⸗ sllten. Diese Ruhe wird aber nur eine Scheinruhe sein, Dieses Gesetz ist nur ein Notstandsgesetz, und schon nach kurzer Zeit wird eine Gegenaktion bei den Beamten auslösen. Die Beamten und beiter, die bei die ser Gesetzesvorlage so schlecht wegkommen, müssen hhrerseits sofort den Kampf aufnehmen, und zwar auch außerparla⸗ hnentgrisch. Wenn die Sozialdemokratie die Vorlage annimmt, dann silt sie damit dem größten Teil der Beamten in den Rücken. Die nne Regelung kann nicht durch Abschlagszablungen erfolgen, sondern mn durch eine grundsätzliche Regelung der Besoldungsordnung. Alle

soldungsgruppen müssen eine prozentuale Erhöhung erfahren, böbei den unteren Gruppen ein höherer Prozentsatz zuzubilligen ist l den höheren. Geradezu unerhört ist es, wenn den höheren Be— bdungsgruppen das Mehrfache des Existenzminimums zu gestanden hin, während die unteren zum Teil noch nicht einmal an das tisten minimum heranreichen. Unsere Aufgabe ist es, den Beamten bitrufen: Nehmt den Kampf gegen die Regierung und den Reichs— genf und setzt eine angemessene Besoldung eurer Arbeit durch! Abg. Breunig (U. So): Da diese Vorlage in Ueberein—⸗ limmung mit den Gewerkschaften und den Organisationen zustande— felommen ist, nehmen wir Abstand, weitergehende Forderungen geltend C machen. (Hört, hört! bei den Kommunisten. Wir bedauern tet, daß es den Gewerksckaften nicht gelungen ist, ihre weiteren nderungen durchzusetzen. Die ungerechte Verteilung der Zulagen id neitere Kämpfe zur Folge haben, und dabei werden wir die

nerkschaften planmäßig unterstützen.

Die Vorlage wird an den Hauptausschuß überwiesen, der hraussichtlich noch im Laufe des Tages seine Beratungen hriber abschließen wird.

Der Gesetzent wurf über die Ueberleitung zer Rechtspflege in den Kreisen Eupen und kalmedy wird in allen drei Lesungen ohne Exr— grterung angenommen.

Es folgt die erste Beratung des Gesetz⸗ suäw ur fs, betreffend den Vertrag zwischen em Deutschen Reich und Danzig über die

egelung von Optionsfragen. Abg. Schultz-Bromberg (D. Nat): Dieser Vertrag mit mig ist ohne Schwierigkeiten zu erledigen, es ist aber bedauerlich,

die Regelung der Optionen mit den Polen noch nicht zu Ende phrt it. Cine schnesfe Regelung ist unbedingt notwendig. Der häste Teil der Deutschen sist aus Posen und W. tpreußen ab⸗ Ennert sie sind durch die Aßtretung aber staatgrechtlich Polen ge⸗ den und können sich den. Rechtsfelgen der Ümmandlung ihre nen Verhältnisses nicht entziehen. Das Auswärtige Amt niich die Regelung durch Vertrag, aber die Polen machen unnötige

Schwierigkeiten. Deshalb müssen wir die Frage selbständig regeln. Die Polen können optieren, bei uns ist das aber nicht möglich.

Abg. v. Ke mnitz (D. V.): Gegen diesen einfachen Gesetzentwurf besteht kein Bedenken, aber ich knüpfe an die . des * tikels 106 des Friedensvertrages einen Wunsch. Dieser schreibt vor, daß die Danziger, welche von der Option Gebrauch machen, innerhalb 12 Monaten ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegen müssen. Ich wünsche, daß davon möglichst wenige Danziger Gebrauch machen. Wir würden gewiß diese Brüder und Schwestern gern aufnehmen, aber der gemeinsamen deutschen Sache wird mehr gedient, wenn sie auf ihrem le in Danzig hleiben. Es mag ihnen zwar schmerzlich sein, nicht mehr Reichsdeutsche sein zu sollen, aber ihre Lage ist leichter als die der Deutschen in Westpreußen und Posen, die den Bedrückungen der Polen ausgesetzt sind. Die Danziger sollen dazu beitragen, daß die alte Deutschenstadt Danzig ihren Charakter behält. Der Vertrag von Versailles ist unmöglich und unerfüllbar. Es muß ein besserer Ausgleich gefunden werden. Die Brücke nach Ostypreußen, die einst der große Friedrich gebaut hat, muß für ein neues Preußen erhalten bleiben.

Damit schließt die erste Beratung. In der zweiten verlangt

. ÄAlbg. Sch ultz⸗Bromberg nochmals dringend eine Antwort der Regierung, da es ein dringendstes Interesse ist, diese Frage noch vor den Wahlen vom 20. Februar zu erledigen.

Ein Vertreter des Auswärtigen Amtes erwidert,

daß Verhandlungen mit den Polen schweben, daß diese aber sehr lang— wierig seien und noch lange dauern könnten. Abg. Sch ultz-Bromberg: Diese Erklärung ist sehr unbe— friedigend; alle Parteien haben hier dasselbe Interesse. Den ver— drängten Deutschen, die staatsrechtlich zu Polen gehören, muß die , . Staatsangehörigkeit noch vor dem 20. Februar verschafft verden.

Ein anderer Wertreter des Auswärtigen Amtes erklärt: Polen hat eine einseitige Regelung der Opfionsfrage vor— genommen. Das könnten wir ja auch, aber Polen würde eine solche Regelung nicht ohne weiteres zu akzeptieren brauchen, und es würde nur eine neue Quelle von Verwicklungen entstehen. Das möchte unsere Regelung selbstverständlich vermeiden und zieht deshalb eine vertragliche Regelung vor, die jetzt in Paris angestrebt wird. Ob eine Regelung, wie sie der Abg. Schultz noch vor dem 29. Februar herbei⸗ zuführen wünscht, erforderlich ist, wird zu prüfen sein.

Abg. Schultz-Bromberg; Ich nehme Akt davon, daß die Re⸗

gierung jetzt selbst zugibt, daß die Polen von sich aus selbständig die Dxtionsfrage geregelt haben. Sh wir diese Regelung anerkennen oder nicht, spielt hier nicht mit. Wir konnten selbständig bei uns eine Regelung herbeiführen, wonach alle aus Posen und Westpreußen ver— drängten Deutschen ain 20. Februar mitzuwählen berechtigt waren. Das hat die Regierung versumt. Jetzt ist keine Minute mehr zu versäumen, morgen oder / heute noch muß eine Optionsbehörde ge— . werden, wo diese Deutschen ihre Staatsangehörigkeit be—⸗ kunden und beglaubigen lassen können; die Wählerlisten werden ja schon aufgestellt. Sonst kommen Tausende, Hunderttau sende deutsche Wähler um ihr Wahlrecht. Ich richte nochmals an die Regierung das allerdringendste Ersuchen, sofort Abhilfe zu schaffen.

Die Vorlage wird darauf in zweiter und sofort auch in dritter Lesung genehmigt.

Das deutsch⸗französische Ab komm en über die Erstattüng der von Elsaß⸗Lothringen ge⸗ leisteten außerordentlichen Kriegsausgaben

wird ohne Aussprache an den Ausschuß zur Ausführung des

Friedensvertrags überwiesen.

Darauf setzt das Haus die Besprech ung der Inter⸗ pellation der n nn ß erk raft⸗ setzung der Verhängung des Ausnahme⸗ zustandes in Bayern fort.

Abg. Dr. Spahn Gentr.): Der Antrag Aderhold bezieht sich nur auf die bayerische Verordnung vom 4. November 1919 über einst—⸗ weilige Maßnahmen nach Art. 48 Abs. 4 der Reichsverfassung. Ihr waren vorausgegangen während des 1919 verhängten Kriegszustandes die Aufhebung der Standgerichte, die Einsetzung von Volksgerichten bei inneren Unruhen und das Gesetz über außerordentliche Maßnahmen zum Schutze des Freistaates Bayern. Diese außerordentlichen Maß⸗ nahmen waren als dauernde vorgesehen. Beginntermin beider Ge— setze war der 1. August 1919. Am 11. August 1919 wurde die Reichs⸗ verfassung vom Reichspräsidenten unterzeichnet. Das baycrische Ministerium scheint angenommen zu haben, daß das Xi über außerordentliche Maßnahmen, das neben der bayerischen Verfassung bestand, neben der Reichsverfassung nicht aufrecht zu halten sei. Durch Verordnung vom 4. November 1919 wurde deshalb der Kriegszustand aufgehoben und in Ausführung des Schlußartikels 18 des aft vom 31. Juli 1919, der das Gesamtministerium ermächtigte, bei Auf⸗ hebung des Kriegszustandes einzelne der von den Militärbefehlshabern getroffenen Kriegszustandsmaßnahmen aufrecht zu erhalten, eine Reihe solcher Maßnahmen in Kraft zu lassen und die in dem Gesetz vom 31. Juli 1919 vorgesehenen besonderen Beauftragten bestellt, die im Rahmen dieses 5 durch die Verordnung ermächtigt wurden, in den Bezirken, in denen die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung derart gestört oder gefährdet werden, daß sie nur durch außerordent⸗ liche Maßnahmen erhalten oder wiederhergestellt werden können, für die Dauer der Gefährdung Anordnungen zur Erhaltung der öffent⸗ lichen Sicherheit zu erlassen, denen unter den gleichen Voraussetzungen in den gefährdeten Bezirken die Ausübung der Polizeigewalt und die Verfügung über die staatlichen Verkehrseinrichtungen übertragen wurden, und 6 zur Abwendung einer Gefahr für die Sicherheit des Reichs und des Landes Bahern Schutzhaft oder Aufenthalts heschränkungen verfügen könne. Wäre dig Bestellung der besonderen Beauftragten vor der Publikation der hee e fur erfolgt, so wären sie wie die alsdann nach Maßgabe des Gesetzes von den Staatskommissaren getroffenen Anordnungen nach Artikel 178 jeder Nachprüfung durch den Reichspräsidenten und den Reichstag entzogen gewesen. Nachdem dies unterblieben war, ist für die sachliche Zu⸗ ständigkeit der Staatskommissare nicht das Gesetz vom 31. Juli 1919, ondern die Reichsverfassung maßgebend, während die örtliche Zu— tändigkeit Landessache geblieben ist. Die Staatskommissare sind jetzt in ihrer sachlichen Zuständigkeit durch die Reichsverfassung beschränkt, sie können über diese nicht hinausgehen. Die Frage ist, ob die Ver—= ordnung vom 4. November 1919 sich in diesem Rahmen hält. Und diese Frage ist zu bejahen. Die Landesregierung ist ihrer Pflicht und ihres Rechtes zur Aufrechterhaltung, der Ordnung nicht enthoben worden. Die Aufgaben der Staatskommissare sind polizeiliche. Aus der Aufgabe der Polizei folgt, daß sie im Rahmen der Gesetze ihre Anordnungen durchzusetzen, strafbaren Handlungen vorzubeugen und elhst unter Eingriff in die persönliche Freiheit den ordnungswidrigen Zustand zu beseitigen hat. Den Rahmen der Gesetze hat die Reichs⸗ verfassung in kit fg 48 gesprengt, soweit er die Gefahr einer erheb⸗ lichen Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ord—⸗ nung umschloß, indem sie eine Anzahl Verfassungsbestimmungen vorübergehend auß Kraft en läßt, darunter das Grundrecht ö. persönlichen Freiheit. Damit ist Bayern die Möglichkeit gegeben, Vorschriften über Schutzhaft und Aufenthaltsbeschränkungen zu

nd Mit Ausnahme der Reden der Herren Minister, die im Unrtlaute wiedergegeben werden. ‚,

treffen, wie 6 im bayerischen Gesetz vom 31. Jul 1919 für die zu ernennenden Staatskommissare in Aussicht genomrien waren. In der

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hauptsache wird die Tätigkeit der Stgatskommissare die Beauf— ichtigung der Versammlungen und Vereine, die Verhinderung bon Aufzügen und Zusammenrottungen sowie die Schutzhaft betreffen. Wenn erwogen wird, daß die Verfassung erlassen ist, um hefolgt zu werden, auch von den nichtbeamteten Reichsangehörigen ssehr gut! und Heiterkeit), so wird man die Ausnahmemaßnahmen gegen die Reichsangehörigen, die den r, der Verfassung zum Ziel ihrer politischen Tätigkeit gesetzt haben, nicht für übertrieben ansehen können. Die . gegen den einzelnen sind immer nur vorübergehend, dauernd ist nur der ungesunde Zustand der Be⸗ kämpfung der Verfassung. Ob in Bayern der Kommunismus zunimmt oder abnimmt, entzieht sich unserer Prüfung, das unterfteht dem Urteil der Landesregierung. Das Institut des Staatskommifsars beruht auf einem gesunden Gedanken. Die Handhabung der Ausnahme— maßnahmen wird in wenige Hände gelegt, sie erfo gt dadurch gleich⸗ mäßiger, schneller und korrekter. Artikel 48 der Reichsverfassung ist, solange das vorgesehene Gesetz nicht erlassen ist, eine Lex imperfecta, seine Handhabung ist dadurch in die Hände des Reichspräfidenten und der Landesregierungen gelegt. Der Reichspräfident hat, wie wir hören, der bayerischen Verordnung zugeftimmt. Von einem Ver— fassungshruch kann nicht die Rede sein. Als dauernde Maßnahme i die Verordnung nicht gewollt. Die auf Grund derselben getroffenen Maßnahmen sind dem Betroffenen gegenüber immer nur einstweilig, dor Ausnahmezustand soll aufrechterhalten bleiben nur so lange die Gefährdung dauert, und auch für diese Dauer bestimmt sein durch das Bedürfnis. Dementsprechend ist beabsichtigt, die Genehmigungs⸗ pflicht der Versammlungen einzuschränken. G wird zu prüfen sein ob noch eine oder die andere einstweilige Maßnahme aufgehoben werden kann. Ob der Ausnahmezustand in Bayerné nicht mehr gerecht⸗ fertigt ist, ist von hier aus schwer zu entscheiden. Die baherische Negierung und der Reichspräsivent find in einer schwierigen Lage Nachdem eine sozialdemokratische Regierung die Maßnahmen be- schlossen hat, und zwar nicht als einstweilige, sondern als dauernde, setzt sich die gegenwärtig. Regierung einer besonderen schweren Ver⸗ gntmwortung aus, wenn sie sie aufheben würde, und dann in einem Auflaufe, der infolgedessen nicht mehr zu verhindern ist, während er unter der Verordnung zu verhindern gewesen wäre, Menschenverluste eintreten würden. Die bayerische Volksseele kocht eben anders wie die Seele des Volkes in den anderen deutschen Ländern. (Heiterkeit. ) Im übrigen kann man nur der Erklärung des N eichs min isters Koch bejtreten, daß er nicht mit rauher Hand in die polizeilichen Angelegen⸗ heiten der Länder, eingreifen will. Ich will nicht nur mit ihm darauf himpeisen, daß die Landesregierungen nur in ganz außerordentlichen Fällen hei der Bekämpfung von Unruhen vom Reich Jus unterstůtzt werden können, sondern auch darauf, daß der Verkehr zwifchen Berlin und München leicht so gestört werden kann, daß Bayern von außer⸗ halb rechtzeitig durch Maßnahmen des Reichspräsidenten nicht 'ge⸗ holfen werden kann. Deutschland braucht Ruhe, auch die deutsche Arheiterwelt, nicht bloß mit Rücksicht auf die inneren Berhaäͤltniffe, andern auch wegen unserer auewärtigen Bezichungen. Dig baherischer Maßnahmen dienen der Beruhigung. wir werden dem Anträg nicht

Lebhafter Beifall im Zentrum.)

zustimmen.

Abgeordneter Themas K. P. D): Bayern wird hier als die deutsche Ordnungzzelle hingestellt. Wir führen nicht bei jeder Gelegen⸗ heit die Worte „Pfui“ und „Ordnung“ im Munde und schaffen nicht die Ordnung mit den Bajonetten, wie dies in Bayern geschieht. Das Schlimmste an, dem Ausnahmezustand in Bayern find die Volksgerichte. Kurt Eisner ließ durch die Bolksgerichte nur gemeine Verbrechen aburteilen. Heute urteilen diese Volksgerichte aber nur über politische Verbrechen. Sie sind eine Verletzung der Reichs- . Sehr eingehend verbreitet sich der Redner über den Fall Eisenberger und übt unter lautem Beifall feiner Freunde schärfste Kritik an dem Prozeß gegen diesen Abgeordneten. Fr Redner ver⸗ liest dann längere Schreiben von Festungsgefangenen, in denen Klage geführt wird über unwürdige Behandlung und rechtswidrige Freiheits= beraubung. Die in Bayerns Festungen Eingekerkerten erwarten vom Deutschen Reichstag noch immer Sinn für Recht und Gerechtigkeit. Rufe hei den Kommunisten: Da können sie lange warten Die Ehrenhäftlinge der Testungen werden wie die gefährlichften Zucht— häusler behandelt. Mit tiefem Abscheu müssen wir an inen Demo⸗ kraten denken, der in Bayern die übelste Rolle spielte, den Herrn MM., der gern S. M. spielen wollte. Mit Ausnahme seines Vornamens nimmt ihn heute niemand mehr ernst, aber gerade west er eine Puppe war, wirkte er so gefährlich. Grich Mühsam hat ihm gesagt, was er ist. Er bekam allerdings zwei Monate Gefängnis, weil er ihn einen Lump genannt hatte. Ich habe dem nichts hinzu⸗ zufügen. Nach der Praxis der bayerischen Regierung kann jeder Kom— munist nur wegen seiner Parteizugehörigkeit dauernd in Schutzhaft gehalten werden. Sogar die Aufforderung zum Generalstreik gegen den Kapp⸗Putsch ift von bayerischen Volksgerichten als Hochverrat bestraft worden. (Hört, hört! bei den Kommunisten) Kommmnnistischen Abgeordneten ist die Korrespondenz gestohlen worden. Die Pelitik, die heute Kahr und Escherich in Bayern treiben, führt notwendig zu denselben Folgen, die die Ludendorff⸗-Politik gehabt hat. Wir betteln nicht um Ihre sogenannte Gerechtigkeit, denn Sie sind gar nicht mehr fähig, gerecht zu sein. Was Professor Strathmann gesagt het, war nicht bayerisch, sondern klassisch preußisch. Er hat aber den jetzigen Zustand in Bayern insofern richtig geschildert, als Bayern sich nicht mehr als ein Land des Deutschen Reiches betrachtet, sondern davon ausgeht, daß Deutschland Bayern untergeordnet ist. B in Bayern so weiter gewirtschaftet wird, dann wird das Volk bald erkennen, daß die Redensart von der Demokratie eine große Lüge ist. Der Tag der Erkenntnis wird der Sieg des Volkes sein. (Lebhafter Beifall bei den Kommunisten.)

Abgeordneter Si mon⸗Schwaben (Soz.): In den Gefangenen⸗ briefen sind viele Tatsachen unrichtig wiedergegeben. Ich habe selbst die verrückten Tage der Räterepublik in Bayern miterlebt. Die Regierung Hoffmann hatte den Ausnahmezustand nur als vorüber= gehende Maßnahme gedacht. Der Abg. Strathmann hat dei seinen gestrigen Ausführungen wohl vergessen, daß er sich nicht in einem Theater, sondern ö befindet. Er ist . einmal hier von einem meiner Parteifceunde gestäupt worden, weil er nicht bloß einer der berüchtigsten Kriegshetzer war, sondern auch im Wahlkampf die allerschmutzigsten Verleumdungen gegen uns vorgebracht hat. Diese Stäupung scheint er schon wieder öergessen zu haben, denn jetzt fängt er mit ähnlichen Dingen an. Herr Strathmann hat sich als ö aufgespielt; ich habe immer Abneigung gegen Leute, die das Baju⸗ warische zur Schau tragen. Aber dieser Urbayer Strathmann ist zwar Universitätsprofessor in Erlangen, aber gebürtig aus dem Kreise Hörde in Westfalen. (Große Heiterkeit Diese Art Urbayern sollten uns lieber nichts vormachen. Herr Emminger vermißte gestern die Begründung für die Aufhebung des Belagerungszustandes. Genügt da nicht der Mißbrauch der Verfassung. der Mißbrauch durch dir Staatskommissare, der Mißbrauch der Vereins. und Versammsungs— freiheit und der Schutzhaft? Genügt nicht die Polizeispitzelei, um diese Zustände unhaltbar zu machen? Dazu wird der Ausnahtnezustand einseitig gegen die Arbeiterschaft angewendet, die katholischen Gesellen; vereine und sonstigen christlichen Organisationen werden nicht ge hindert. Die Ermordung Eisners hatte die Arbeiterschaft ungeheuer erregt, darum ist, manches vorgekommen in Augsburg und anderswo, was nicht zu billigen ist. Nicht die Sozialdemokraten haben bei der Revolution Mangel an Mut bewiesen, sondern gerade die Parteien, die sich erst vorwagten, als es nicht mehr gefährlich war und die Deckung der Reichswehr da war. Bei der Revolution selbst sind sie kläglich ins Mauseloch gekrochen. Manches wäre ja anders gekommen,

Wen Denn

wenn wir die Rätewirtschaft nicht gehabt hätten. Ohne die Räte?