1921 / 46 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 24 Feb 1921 18:00:01 GMT) scan diff

X

1 23 . * 3 * 8 *

Maßstabe gerade die verheirateten Arbeiter von der Arbeitslosigkeit mitbetroffen werden. Der Gesamtaufwand für Arbeitslosenunter⸗ stützung belief sich im Januar dieses Jahres auf 113 135 0900 A gegen 54 Millionen im Januar 1920.

Meine Damen und Herren! Das Reichsarbeitsministerlum Hat, wie ich schon eingangs betonte, seine sozialen Maßnahmen so ein⸗ gestellt. daß die arbeitende Bevölkerung ihre Produktion besonders in den lebenswichtigen Betrieben steigern konnte. Zu diesen Maßnahmen rechnen wir in erster Linie auch unsere Bemühungen um die Steige⸗ tung der Kohlenförderung. Gleich nach dem Abkommen von Spaa fand unter der Leitung des Reichsarbeitsministeriumz eine Zu⸗ sammenkunft der Bergbauunternehmer und Bergbauarbeiter statt. Damals wurden einmütig die Wege bestimmt, die zur Durchführung des Spaa · Abkommens führen sollten. Seitdem baben die Bergleute das bereits im Februar 1920 abgeschlossene, aber schon im Sommer 1920 in Frage gestellte Ueberschichtenabkommen wieder erneuert und auch bis heute durchgeführt. Im Ruhrbezirk werden seitdem wöchentlich zwei halbe Ueberschichten verfahren. Die Beteiligung der Bergleute an diesen Ueberschichten ist von Monat zu Monat gewachsen und schließlich von 30 0,0 der Belegschaft auf über 80 o ge⸗ stiegen. Gleichzeitig wuchs die Kohlenförderung von 6,8 Millionen Tonnen im Monat Februar auf 8,1 Millionen Tonnen im Monat Dejember. Auf Grund besonderer Abmachungen ist man dann auch in den übrigen Bergrevieren außerhalb des Ruhrreviers zu solchen Ueberschichtenabkommen gelangt.

Das bestehende Ueberschichtenabkommen für den Ruhrbezirk ist neuerdings zum 13. März gekündigt worden. (Hört, hört! rechts.) Die Gründe, welche die Bergarbeiterorganisationen zu diesem Schritt bewogen haben, sind allerdings beachtenswert. (Sehr richtig! inks.) An zwei Tagen der Woche 103 Stunden Grubenarbeit zu leisten, ist außerordentlich beschwerlich und stellt ganz außergewöhnliche Anforderungen an die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Bergmanns, außerdem wirkt es störend auf das Familienleben und den häuslichen Betrieb. Es muß allerdings dabei gesagt werden, daß diese Form der Ueberschichten von den Bergarbeiter⸗ organisationen selbst verlangt worden ist. Man hat geglaubt, der Ge⸗ fahr einer Schichtverlängerung auf diesem Wege vorbeugen zu müssen. Ob das in dieser Form notwendig war, muß dahingestellt bleiben. Jedenfalls haben nicht alle Bergbaubezirke aus dem an sich ein⸗ mütigen Streben der Bergleute, diese Schichtverlängerung zu ver⸗ meiden, die beschriebene Konsequenz gezogen.

Das sei jedenfalls auch in diesem Zusammenhang nochmals mit aller Deutlichkeit betont: ;

Die Regierung denkt nicht daran und keine Negierung kann überhaupt daran denken —, die Schichtdauer der Bergleute zu ver⸗ längern und ihnen eine gleiche Arbeitszeit zuzumuten wie den übrigen Arbeitern und Angestellten. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten) Ich hege für meinen Teil die zuversichtliche Hoffnung, daß die ge— werkschaftlich organisierten Bergleute, dank deren Einsicht und Ent⸗ gegenkommen wir das harte Diktat von Spaa haben erfüllen und unsere deutsche Wirtschaft bisher leidlich haben aufrechterhalten können, auch in den gegenwärtigen schweren Tagen in friedlicher Beratung mit allen in Betracht kommenden Körperschaften eine neue Lösung finden werden, die alle Teile befriedigt und es gleichzeitig hem Deut⸗

schen Reiche ermöglicht, seinen Verpflichtungen nach außen wie nach

innen nachzukommen. .

Zwei Gesichtspunkte sollten aber bei den bevorstehenden Beratungen alle Beteiligten leiten: Einmal die Erkenntnis der großen volka⸗ wirtschaftlichen Gefahren einer Kohlenpreigerhöhung. Noch dieser Tage sind die Führer der Gewerkschaften bei der Reichsregierung vorstellig geworden mit dem Ersuchen, ihrerseits alles zu tun, um die Kosten der Lebenshaltung nicht weiter steigern zu lassen. Dabei wurde neben den Preisen der Lebensmittel ausdrücklich auf die Preise der Kohlen Bezug genommen. Die Bergleute selber haben wieder— holt ein Festhalten an den Koblenpreisen verlangt. Ratsache ist ferner, daß der Preis der ausländischen Kohle in letzter veit sich ganz bedenklich unserm Inlandspreis genähert hat. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) Außerdem droht auch uns in Deutschland eine neue große wirtschaftliche Krisis und die damit verbundene Absatzstockung. (3Zustimmung. )

Angesichts dieser Lage gewinnt der zweite Gesichtspunkt, den ich hervorheben möchte, erhöhte Bedeutung. Wir dürfen die Frage der Töhne, die, ganz abgesehen von der Kündigung des Tarifs, schon mit der Kündigung des gegenwärtig geltenden Ueberschichtenablommeng aufgerollt ist, nicht von der Frage der Produktivität des Berg, baues loslösen. (Sehr richtig! bei den Deutsch⸗Demokraten und rechts. Es wird absolut unmöglich sein, den Ueberschichten lohn auf die Normalschicht zu übertragen, wenn gleichzeitig die Produktion sinkt. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten und im Zentrum.) Selbstverständlich können wir nicht dauernd mit Ueberschichtsarbeit im Bergbau rechnen. Die Regierung wird sich deshalb mit allÜem Nachdruck dafür einsetzen, daß die zurzeit möglichen tech= nischen und organisatorischen Verbesserungen so schnell wie mög. lich durchgeführt werden. Immerhin kann die dadurch zu erwartende Steigerung der Produktivität nicht von beute auf morgen erzielt werden. Dieser Tatsache mässen alle Beteiligten bei den kommenden Verhandlungen Rechnung tragen.

Wenn ich diesen Gesichtspunkt der Verbindung von Lohnfrage und Ergiebigkeit des Bergbaues besonders betone, so darf ich zum

Beweise der Berechtigung unter anderm auch auf die letzten Ab⸗ kommen im englischen Bergbau verweisen. Dort haben die Arbeiter diesen Zusammenhang anerkannt und ihre Lohnpolitik entsprechend eingestellt.

Ich hoffe, daß bei richtiger Würdigung aller dieser Zusammen— bänge die Beteiligten selber die richtige Lösung der gegenwärtigen Krisis finden werden.

Neben dem Bergbau ist die Steigerung der Produktion an keiner Stelle dringlicher als in der Landwirtschaft. (Sehr richtig! rechis) Wir sind darum bedacht, mit Hilfe der produktiven Erwerbslosenfürsorge insbesondere die Kultivierung von Oedländereien vorzunehmen. Weiterhin bemühen wir uns um möglichste Ver⸗ bütung und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten in der Landwirt⸗ schaft, die angesichts der gewaltigen Umwälzung, die die Arbeits. verfassung gerade in der Landwirtschaft erfahren hat, an und für sich allzu natürlich wären.

Ebenso ist unsere Abteilung für landwirtschaftliches Siedlungs⸗ wesen bestrebt, die Siedlung auf dem Lande unter dem besonderen Gesichtepunkt der Produktionssteigerung zu betrachten und zu behandeln.

Der ländliche Pachtschutz soll mit der Sicherung der kleinen ländlichen Pachtstelle die unterste Stufe der für die Durch⸗

führung der Siedlung unentbehrlichen möglichkeit auf dem Lande freihalten. Wenn und soweit das Rahmengesetz der Reichsvachtschutzordnung, das in einem Jahr abläuft, den allgemeinen Wänschen nicht entsprochen hat, wird man in Kürze mit den Interessenten die vor oder nach Ablauf des Gesetzes nötigen Schutzmeßnahmen vorbereiten müssen. Zum Ausbau der Verordnung vom 15. März 1918 über den Verkehr mit landwirt⸗ schaftlichen Grundstücken beschäftigt sich das Reichsarbeitsministerium mit dem ländlichen Bodenschutz und der Verhinderung spekulativen Boden verkaufs

Bon allergrößter volkewirtschaftlicher wie vrivatwirtschaftlicher

Tragweite ist die Lohnpolitik. Auf diesem Gebiete hat sich das Neichsarbeitsministerium bemüht, einerseits die berechtigten Lebeng⸗ ansprüche der Arbeiter und Angestellten nach Möglichkeit zu berückh sichtigen, andererseitg die Grenzen einzubalten, deren Ueber- schreitung Absatzstockung und Arbeitslosigkeit zur Folge haben müßte. Bei der schwankenden Wirtschaftslage nicht immer leicht gewesen, die Lohnpolitik dem großen Rahmen der gesamten Wirtschaftapolitik anzupassen. Als notwendige Grundlage für eine solche Regelung hat das Reichsarbeitsministerium an dem Ausbau der von ihm ins Leben gerufenen Lebenghaltungs. und Lohnstatistik ständig weiter gearbeitet. Da neben der Zuver⸗

lässigkeit die Schnelligkeit ein Haupterfordernis für eine praltisch

brauchbare Statistik ist, ist darauf Bedacht genommen worden, neben der regelmäßigen Statistik eine Kurzstatistik einzuführen. Auf dem Gebiete der Preisstatistik haben wir sie bereits: eine Kurzstatistik, welche die Teurungszahlen für die 46 wichtigsten deutschen Orte stets schon wenige Tage nach dem Ablauf eines jeden Monats der Offent⸗ lichkeit übergibt. Die Schaffung einer ähnlichen abgekürzten und beschleunigten Lohnstatistik ist so weit vorbereitet, daß sie in wenigen Wochen gleichfalls ins Leben treten kann.

Im übrigen muß es den Beteiligten selber überlassen bleiben, die erforderliche Anpassung der Löhne an die wechselnden Verhältnisse in freier Vereinbarung vorzunehmen. Diese An⸗ passung muß eine dreifache sein. Die Löhne müssen örtlich nach den immer noch recht verschiedenen Kosten der Lebenshaltung sich richten (sehr richtig! rechts), sie müssen den zeitigen Schwankungen der Teuerung entsprechen, und schließlich muß unter den einzelnen Arbeitnehmergruppen innerhalb eines Berufes und darũber binaus unter den verschiedenen Berufen selbst ein angemessenes Verhältnig hergestellt werden.

Für die örtsiche Anpassung erhalten die Beteiligten ein überaus wichtiges Hilfsmittel in der Ortsklasseneinteilung, die auf Grund der

Besoldunggzordnung für die örtliche Abstufung der Bezahlung der Be⸗

amten in allernächster Zeit fertiggestellt werden wird. Diese Ein⸗ teilung ist auf Grund besonders zuverläfsigen statistischen Materials herausgearbeitet worden; es wäre zu begrüßen, wenn sie auch Über ihr nächstes Anwendungsgebiet hinaus Anwendung fände, insbesondere im Tarifwesen. Manche örtliche Lohnstreitigkeit wärde dann ver⸗ mieden werden und man würde in erhöhtem Maße zu Reichstarifen auch auf dem Gebiete des Lohnes konimen. .

Die Wahl der richtigen Form für die Anpassung der Löhne an die zeitlichen Schwankungen der Teuerung ist besonders schwierig.

Man ann das natürlich nicht in der Weise tun, daß man die

Löhne rein mechanisch der steigenden oder sinkenden Teuerung folgen

läßt. Hier und da sind solche Forderungen erhoben worden. Eine derartige automatische Negelung würde aber den Teuerungen geradezu

Vorschub leisten. Sie würde weiter überseben, daß die Lohnhoͤhe nicht nur durch die Lebenshaltungskosten bestimmt wird, sondern daß es neben dieser Bedarfskurve eine weitere gibt, die nicht ohne schwersten Schaden überschritten werden darf, nämlich die Leistungsfähigkeit des betreffenden Gewerbeg. Dieser zweite wichtige Faktor der Lohnbemessung wird nur autznahmsweise auf statistischem Wege zweifelsfrei erfaßt werden können. Man wird daher nicht daran vorbeikommen, für die Festsetzung der von Zeit zu

Zeit notwendig werdenden Lohnänderungen sorgfältig zusammengesetzte

Schiedsgerichte einzusetzen, die auf Grund der von beiden Tarifparteien beigebrachten Unterlagen die erforderlichen und erträglichen Lohnände⸗ rungen festsetzen. Der Schiedsspruch würde zur Sicherung des Arbeits- friedens grundsätzlich bindend sein müssen. Nur wenn die von ihm für erforderlich erachteten Aenderungen besonders weit gehen, so daß durch sie an der Grundlage der tariflichen Vereinbarung selbst gerüttelt wird, müssen die Vertragsparteien Handlungsfreiheit behalten. Dies ist unseres Erachtens der Weg, auf den die praktischen Erfahrungen und die tatsächliche Entwicklung des Tarifveriragsweseng zwingend hinweisen. Is mehr ihn die Beteiligten beschreiten, um so mehr werden fie sich überzeugen, daß auch unter den heutigen Verhältnissen langfristige Tarifverträge eingebalten werden können, ohne daß eine der beiden Parteien dabei unter die Räder zu kommen braucht.

Die richtige Ausbalancierung der Löhne der einzelnen Arbeiter- gruppen innerhalb der einzelnen Berufe und der großen Beruft⸗ gruppen untereinander liegt leider noch sehr im argen. (Sehr richtig! rechts) Daran sind die Arbeitgeber nicht weniger schuld als die Arbeitnebmer. Die führenden Männer im Arbeitgeber, wie im Arbeitnehmerlager werden dieser Frage deshalb in nächster Zeit ganz besondere Beachtung schenken müssen. Eine wirklich befriedigende Lobnregelung ist auf die Dauer nur möglich, wenn die Löhne dem volkswirtschaftlichen Wert, der Schwere und der Verantwortlichkeit der einzelnen Berufe und Tätigkeiten ent sprechend ausgeglichen werden. So müßte allgemein anerkannt werden. daß dem Bergarbeiter unter Tage für seine anstrengende und gefährliche Arbeit der höchste Lohn gebührt. Auch das Verhältniz von gelernter und ungelernter Arbeit, von Akkord zur Zeit lohnarbeit, von Indipldual⸗ und Soziallohn und ähnliche wichtige Fragen bedürfen einer grundsãtzlichen Klärung. Hier liegt ein wichtiges und überaus weises Betätigunggz= feld für die großen Tarifgemeinschaften und die Arbeitsgemeinschaften, insbesondere für die Zentralarbeitegemeinschaft. Auch der Reicht wirtschaftsrat sollte an dieser Aufgabe nicht achtlos vorübergehen Diese Instanzen müßten hier nach und nach die notwendigen Richt—= linien schaffen, die dann zweifellos seiteng der Schlichtungsausschüsse und der sonst mit Lohnfragen befaßten Stellen die gebührende Be⸗ achtung finden würden. . .

Möge es den Berufenen nicht an Entschlußkraft und Groß⸗ zügigkeit für diese überaus wichtige Aufgabe fehlen. sen .

Damit, meine Tamen und Herren, berühre ich bereits das wichtige Gebiet des Ginigungsweseng. Ich glaube, die Allgemeinheit schuldet den allen Teilen unserer Bevölferung entnommenen Männern, welche in den Schlichtungsbehörden ost unter schrwierigen Verhältnissen unermüdlich verföhnend und ausgleichend gearbeitet haben, aufrichtigen Dank und Anerkennung. * .

lonalen Aa ffftegs·

ist es

. .

Bei den Schlichtungsausschüssen sind im Jahre 1919 84 o)) Streitigkeiten anhängig gewesen. Davon wurden durch Schiedsspꝛuch über 0 oo0 erledigt. Ben diesen sind 72c/ο angenommen worden. Ber der st bed Stretltttiten waren itte sr Cr Gee ulei. keiten. Von besonderer Bedeutung war die Tätigkeit des Neich arbeitsministeriums selbst bei der Schlichtung wichtiger, in dag samte deutiche Wirtschaftsleben tief eingreifender Arbeite streitigkeiter

Es sei verwiesen auf das Eingreifen des Arbeitsministeriums in R wiederholten Tarifstreitigkeiten und Streilz in den verschiedenen Berg, baugebieten, im Verkehrggewerbe, in der Metallindustrie, im Ban, gewerbe ukw. Wichtiger noch als die Beilegung bereits entstandener war die Verhütung drohender Streitigkeiten durch frühzeitiges Cin— greifen und Einleiten von Verhandlungen. Es ist erfreulich, daß daz Reichsarbeltsministerium bei diesen Arbeiten auf allen Seiten auch in der Deffentlichkeit Vertrauen gefunden hat.

Bekanntlich ist das Tarif und Einigungswesen durch die Ver, ordnung vom 23. Dezember 1918, die unter anderm die Unabdingbarfei

der Tarifvertrãge, die Verbindlichleitserklärung und ein erleichterse;

Einigunge verfahren vorsieht, wesentlich gefördert worden. Nicht uulett darauf ist es zurückzufũühren, daß die Tarifverhandlungen an Umfang und an Bedeutung mächtig zugenommen haben. Wir zählten vor Beginn des Krieges 12 679 Tarifverträge, die rund 200 00 Re, triebe und 13 Millionen Arbeiter erfaßten. dann im Kriege selbstverstãndlich aus nabeliegenden Gründen um einige Tausend gesunken. Am Ende waren eg jedoch wieder 12719 Tariswerträge, die sich aber nicht mehr auf 200 O0, sondern auf 321 349 Betriebe erstreckten und nicht mehr 1.9 Millionen Arbeiter erfaßten. sondern 9, 3 Millionen.

Es ist für eden ohne weiteres klar, daß sich in diesen Ziffern nicht

bloß die Tatsache der Verallgemeinerung der Tarifverträge autsprich, sondern auch die erfreuliche Tatsache, daß der Tarifvertrag nunmeht auch den Großbetrieb erfaßt hat, in den er vor dem Kriege keinen Eingang finden konnte. .

Für allgemein verbindlich erklärt waren Ende 1919 437, Ende 1820 bereits 1600 Tarifverträge. Darunter befanden sich Ende 1919 8, Ende 1920 aber schon 58 Reichstarifverträge.

Es lohnen sich also die Kosten, die für das Tarif, und Schlichtungswesen angefordert werden, zumal wir die für das Jahr 1919 verfügbare Summe nicht einmal verbraucht haben.

Die Verordnung vom 23. Dezember 1913 wird demnächst durch

die neue Schlichtungsordnung, über die wir uns im wesentlichen mit den Interessenten verstãndigt haben und die nunmehr fertiggestellt

ist, abgelöst werden. 2 k In diesem Zusammenhang sei auch ein Wort über daz Demohil, machunggrecht gesagt. Auf die besonderen Schutzmaßnahmen zugunsten der Arbeiter und Angestellten, die in der Zeit der wirtschaftlichen Demobilmachung notwendig geworden find und besonderg in dem Zwang zur Arbeitt⸗

streckung zum Ausdruck kommen, konnte im Hinblick auf die schwiersge

Lage des Arbeitsmarktes noch nicht verzichtet werben. Das Neichs. arbeitsministerium sich aber stets der schweren Belastung bewußt

gewesen, die imserem Wirtschaftsleben aus diesen Beschrãnkungen er⸗

wächst, und hat sich bemüht, diese Belastung in erträglichen Gremen ju hälten. Dieser Gedanke der Erhaltung der Produktivität der Betriebe wird auch beim unvermeidlichen Abbau der Demobilmachungt beschränkungen neben der Notwendigkeit eines möglichst weitgehenden Arbeitnehmerschutzes voll in die Wagschale fallen müssen.

Der Abban des Demobilmachungsrechts wird im Reichmintsteriun

des Innern bearbeitet. In meinem Ministerium wird dabon vor allem die Verordnung über die Freimachung von Arbeitsstellen g=

troffen. Wir sind gewillt, angesichts der vernderten Verhältniss

diese Verordnung auf einige große Städte mit besonders großer Arheitslosigkeit zu beschränken und verhandeln darüber zurzeit nit den Ländern. In dieser Richtung geht auch das Votum des Reicht wirtschaftzrats. ö Meine Damen und Herren! Ciner der geößten wirtschaftlichen

und sozialen Uebelstãnde, unter denen wir leiden, ist das Dar

niederliegen des Bauwesens. Die Gründe sind belannt. Die Be⸗

lebung der Bautätigkeit und die Behebung der Wohnungsnot be. gegnen gang autzerordentlichen Schwierigleiten. Insolge des noi wendigen Mieterschutzes ist eine Rentabilität bei Neubauten nicht

zu erzielen. Die Baukosten sind zurzeit auf das 18. bis fache

des Friedenspreises gestiegen. Eine zwei⸗ bis dreiräumige Woh⸗ nung, deren Herstellung im Frieden etwa 6000 bis 7000 Mark er⸗ porderte, kostet zurzeit etwa 70⸗ biz 80 00 Mark. Würde man die Mieten um 50 . erhöhen, so blieben immerhin noch 60⸗ bis 70 060 Mark ungedeckt. Das ergäbe bei einem Bedarf von 180 000 Woh nungen eine jährliche Ueberteuerung von 8 bis 19 Milliarden Mark. Daß bei der Finanzlage von Reich, Ländern und Ge=

meinden an die Bexeitstellung derartiger Summen weder jetzt noch auf die Dauer zu denken ist, kann keinem Zweifel unterliegen. Auf der anderen Seite kann aber auch das Bauwesen nicht vol ständig stilgelegt werden. Man wird sich deshalb gewisse Ve⸗ schränkungen auferlegen müssen und zuvörberst suchen, neue Woh= nungen dort herzustellen, wo sie nach Lage unse rer Wirtschaft bot allem erforderlich sind, also in den Bergbaurevieren und auf dem

Lande, insbesondere für ländliche Arbeiter. Bei der Herstellung neuer Wohnungen ist mit äußerster Sparsamkeit vorzugehen. Vor

allem muß die Verbilligung der Baulosten mit allen Mitteln an⸗ gestrebt werden. Es gilt, die Rohstoffe, Salb⸗ und Fertigfabrikate

miöglichst an ihrem Ursprungsort zu erfassen und sie unter Ver⸗ meidung der Zwischenkosten unmittelbar dem Bauherrn zußu⸗ führen. Durch Hebung der Arbeitsleistung und Verbesserung der Bauherriebe kann ebenfalls noch Erhebliches gespart werben. Unter keinen Umständen dürfen die Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln

dazu dienen, Baustoffe und Bauwesen noch mehr zu verteuern, als es ohnehin schon geschehen ist. (Sehr richtig! im Zentrum) Im

Gegenteil müssen alle in Betracht lommenden öffentlichen In

stanzen bei ber Verwaltung der einschlägigen Gelber auf jeden nur möglichen Wege auf die Verbilligung des Wohnungsbaues hin⸗

arbeiten. Die dann noch erforderlichen Baukostenzuschüsse werden auch noch ungeheuer hoch sein, derart hoch, daß Reich, Länder und

Gemeinden sie gar nicht aufbringen knnen. Demnach bleibt

nichts übrig, als aus der Wohnungswirtschaft selbst wenigstens die Verzinsung und Amortisation solcher Baukostenzuschüsse au öffentlichen Mitteln zu garantieren. Dementsprechend ist dem Reichstag der Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung einer Abgabe zur Förderung des: Wohnungebaues zugegangen, der die

erste Lesung hier im Reichszag passeern hat. Kr bezweckt, dab di Lünder ledigltd zin Förderung der Wohnungsbeschaffung für die

Ihre Zahl i des Jahres 19195

gtchnungsiahre 1921 bis 1941 eine verhältnismäßig geringe Ab⸗ be von den Nutzungsberechtigten derjenigen Gebkude erheben,

1 bor dem 1. Juli 1918 fertiggestellt sind. Die Einkünfte aus

zt Abgabe sind in erster Linie zur Verzinsung und Tilgung der

Förderung der Wohnungsbeschaffung aufgewendeten Beträge

rerwenden. Der Gesetzentwurf trifft Vorsorge, daß mit Hilfe er Abgabe Bauten nur dann gefördert werden, wenn unter derem durch geeignete Maßnahmen verhindert wird, daß der

auherr (Eigentümer) aus dem Vermieten oder dem Verkauf

men spekulatiwen Gewinn erzielt. Die Reichsregierung hatte ge⸗ hoff daß es möglich sein werde, den Entwurf noch vor der letzten zertagung des Reichstags zu verabschieden. Bekanntlich ist statt hesen vor dieser Vertagung auf einen Initiativantrag des Reichs⸗ kes hin das Gesetz über die vorläufige Förderung des Wohnungß⸗ haues vom 12. Februar 1921 erlassen worden. Nach 8 3 dieses Polgesetzes sollen weitere Einzelh ziten bis zum 1. Mai 1921 durch freichsgesetz festgesetzt werden. Es steht nichts im Wege, daß der . Ausschuß seine einschlägigen Arbeiten sofort wieder aufnimmt. Die Basis für eine allseitige Einigung ist nunmehr erfreulicher⸗ peise geschaffen. Die in 5 8 des Notgesetzes vorgesehenen allge⸗

nelnen Grundsätze der Reichsregierung über die Förderung des

Pehnungsbaues sind inzwischen erlassen und bekanntgegeben

porden. ; Die nach dem Haushalt für 1920 bewilligten 26 Millionen

Baukostenzuschüsse sind bereits zur Verteilung an die Länder glangt. Ebenso sind die im Jahre 1920 bewilligten 300 Millionen

n Errichtung von Bergmannswohnungen den Treuhandfstellen

r Verwendung überwiesen worden.

Die Reichsregierung hat zur weiteren Unterstützung der Neu⸗ hutätigkeit im Jahre 1921 einen Vorschuß von 19 Milliarden as Reichsmitteln zur Verfügung gestellt. Der Vorschuß soll von dn Ländern durch Anleihen, welche sie ihrerseits aufnehmen und as den Erträgen der beschlossenen Abgabe zur Förderung des Tohnungsbaues verzinsen und tilgen, zurückerstattet werden.

Für die besonderen Zwecke der Bergmannssiedlung hat die

Reichsregierung ferner beschlossen, weitere 15 Milliarden bereit⸗ fistellen. Die Deckung dieser Beträge ist durch die Erhebung der Llgabe auf die Kohlen gesichert.

Wir können erwarten, daß auf Grund dieser Maßnahmen in ktkrätigem und verständnisvollem Zusammenarbeiten aller Be⸗ kligten nunmehr der Wohnungsbau im Jahre 1981 immerhin beträchtliche Fortschritte machen wird. Dadurch würden wir auch r drohenden Wirtschaftskrisis und Arbeitslosigkeit erfolgreich hegeßnen.

Nur wenige Zahlen will ich Ihnen mitteilen über das Er⸗ chnis der Bautätigkeit seit Beginn des Zuschußverfahrens. Zur Interstützung des allgemeinen Wohnungsbaues sind von 1918 bis Heh von Reich, Ländern und Gemeinden und aus der Kohlen⸗ bgabe insgesamt 4 Milliarden 260 Millionen Mark aufgewandt

worden. Davon entsallen auf die Kohlenabgabe 800 Millionen

Narl. Mit diesen Hilssmitteln wurden durch den allgemeinen

Lehnungsbau bis Ende 1920 rund 138 500 Wohnungen ein⸗

schießlich der Notwohnungen erstellt. Außerdem wurden aus dem

Kohlenfonds 12 000 Bergmannswohnungen hergestellt, so daß mit hilf der Zuschüsse im ganzen über 150 000 Wohnungen bis.

Eibe 1939 erstellt worden sind, Wohnungen, nicht Häuser.

Naneben ist die private Bautätigkeit allerdings verschwindend heting gewesen. Am beträchtlichsten war sie noch auf dem Gebiete

ber Errichtung von Werkswohnungen. Insbesondere haben die hohlenbergwerke 4450 weitere Wohnungen erbaut. (Hört! hört! nchts)

Neine Damen und Herren! Dem Reichsarbeitsministerium

fbliegt neben der pfleglichen Behandlung der Arbeit die sozlale

Firsorge für die Arbeitsunfähigen. Dazn bietet zunächst das hersicherungswesen die Mittel und Wege. Der unglückliche Aus⸗ hing des Krieges hat leider auch diesen Zweig unserer Wirtschaft köälig erschüttert. Die Reichsregierung sucht zurzeit mit dem bhialen Ausschuß des Reichstags nach Mitteln zur Abhilfe für die illetgrößte Not der bisherigen Sozialrentner. Erstes Ergebnis dert Verhandlungen ist das vom Reichstag eingebrachte und am ld. Dezember 1920 beschlossene Gesetz über eine außerordentliche keihile für Empfänger von Renten aus der Invalidenver⸗ sihruung. Bei der Annahme des Gesetzes hat der Reichstag seinen Uillen, auch den Rentenempfängern aus anderen Zweigen der sojialen Versicherung zu helfen, in einer Reihe von Entschließungen lundgegeben. Nach bieser Richtung werden die Verhandlungen im böialen Ausschuß fortgesetzt, Dabei soll auch die Notlage der linen Pripatrentner gewürdigt und auch für diese nach Mitteln der Abhilfe gesucht werden.

Bei der Festsetzung der Nentenzuschüsse, welche dem Gesetze om 18. Dezember 1920 voraufgingen, ist vorgesehen worden, daß hie Zuschüsse an Empfänger von Militärrenten nicht gezahlt derden sollen. Diese Bestimmung würde aber auch diejenigen kessen, welche mit ihren Militärrenten unter den Zuschüssen lleiben. Diese Härte ist nicht gewollt gewesen; man wird darum uuf ihre Beseitigung bedacht sein müssen. (Bravo! bei den Soz)

Eine Reform der bisherigen Versicherung ist unvermeidlich.

Nie Vorbereitungen für einen gründlichen Umban der Reichs

hersicherungeẽ ordnung sowie des Versiche rungsgesetzes für Ange sellte sind darum bereits in Angriff genommen worden. Begeif⸗= sicherweise werden diese umfassenden und Überaus schwierigen rheiten noch eine längere Zeit beanspruchen. Eine Anzahl von

hrogen it indessen so dringlicher Natur, daß sie vorweg geregelt

rerden müssen. Die Entwürfe entsprechender Gesetzes vorlagen

hehen dem Reichsrat zum Teil bereits vor, zum Teil werden sie

hm in Kürze zugehen. Es handelt sich dabei zunächst um ein

beset zur Bildung von Pflichtkassenverbänden zur Durchführung“

kemeinsamer Aufgaben der Krankenlassen. Bei der Krankenver⸗

icherung kommt ferner namentlich die allgemeine Wiedereinfüh.

tung der sKrankenrersicherung der Hausgewerbetreibenden in Be⸗ tracht, die durch ein Notgesetz vom 4. August 1914 einstweilen nutzer Kraft gesetzt war. Dieses soll nun abweichend von der eichzversicherungz ordnung auf neuer Grundlage aufgebaut werden, und zwar in Uebereinstimmung mit den Wünschen der

heteiligten unter Bevorzugung der den örtlichen Verhältnissen am

desten angepaßten Regelung durch Satzung. Den Wünschen der

ationalversammlung entsprechend werden verschiedene Sonder⸗

derschristen beseitigt, welche zurzeit noch die land- und forstwirt⸗ kau Beschäftigten ungünstiger stellen als die gewerblichen beiter. Die Bemessung der Befträge und Leistungen nach den

kuuundlähnen soll einfacher gehalten werden. Auch soll durch ge

seltigung oder Zusammenfassung vieler der während der Kriegs⸗

zeit ergangenen gesetzgeberischen Maßnahmen eine größere Ueber⸗ sichtlichkeit geschaffen werden.

Die Frage der Zulänglichkeit der Barleistungen in der Wochen hilfe beschaftigt seit längerer Zeit das Arbeits ministerium. Nach⸗

dem auch der Hauptausschuß des Reichstages eine Erhöhung dieser

Vezüge gefordert hat, habe ich alsbald eine Besprechung mit den Vertretern der Kassenhaupwerbände veranlaßt. Diese Vertreter

haben sich dabei übereinstimmend dahin geäußert, daß eine Herauf⸗ setzung des Pauschbetrages bei der Niederkunft von 50 auf 100 A

und des Stillgeldes für nicht Selbstversicherte von 9,75 auf 1350 4

täglich notwendig und durchführbar sei. Die wegen der Beteili⸗

gung des Reiches notwendigen Verhandlungen mit dem Reichs⸗ finanzministerium sind eingeleitet Auf dem Gebiete der Unfallversicherung liegt dem Reichstage

der Entwurf eines Gesetzes vor, das eine Heraufsetzung der so⸗

genannten Drittelungsgrenze vorsieht. Ferner sollen diejenigen Borschriften der Reichsversicherungsorbnung, nach denen Ansprüche oder Fechtsverhältnisse der Betriebsbeamten und Unternehmer, insbesondere ihre Versicherungspflicht und Versicherungsberechti⸗ gung von einer bestimmten Höhe des Einkommens abhängig sind,

dem gesunkenen Geldwert entsprechend geändert werden.

Auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sollen die Vorschriften über die Festsetzung des durchschnittlichen Jahres arbeitsperdienstes verbessert werden, und im Anschluß daran soll eine Neufestsetzung des durchschnittlichen Jahresarbeitsver⸗ dienstes im ganzen Reiche erfolgen. Endlich soll die Versicherungs⸗ pflicht der landwirtschaftlichen Betriebsunternehmer nen geregelt werden. Die während des Krieges auf einigen Gebieten be⸗ gonnene Ausbehnung der Unfallversicherung auf gewerbliche Be⸗ rufskrankheiten soll weitergeführt werden. Vorarbeiten dazu sind ebenfalls im Gange.

Auf dem Gebiete der Invaliden⸗ und Hinterbliebenenversiche⸗ rung ist die Einführung neuer Lohnstufen und damit eine Erhöhung der Beiträge und Leistungen, ferner die Einbeziehung aller Haus⸗ gewerbetreibenden in die Versicherung beabsichtigt.

Die Angestelltenversicherung wird den Reichstag demnächst mit einer Aenderung des Versicherungsgesetzes für Angestellte vom 20. Dezember 1911 beschäftigen. Die Gesetzesänderung soll nun solche Vorschriften umfassen, deren Beseitigung und Abänderung sich als besonders dringlich herausgestellt hat, während die durch⸗ gehende Umarbeitung des bisherigen Gesetzes wohl in Verbindung mit der Umänderung der Reichsversicherungsordnung geplant ist.

Auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes sind eine Reihe von einzelnen Materien im Laufe des Jahres durch besondere Ver⸗ ordnungen geregelt worden. Ich will darauf verzichten, diese ein⸗ zelnen Verordnungen hier aufzuzählen. In Bearbeitung ist gegen⸗ wärtig der Entwurf eines Gesetzes über die Anzeige gewerblicher Vergiftungen Vorbereitet werden Bestimmungen über den Schutz der Gesundheit der Arbeiter in der Sprengstoffindustrie, in der keramischen Industrie, in den Kalk⸗ und Stickstoffindustrien und über den Schutz der Heimarbeiter gegen gesundheitliche Schädi⸗ gungen. :

In Aussicht genommen ist ferner der Ausbau der Kranken⸗ kasfenstatistik, um dadurch zuverlässige Unterlagen über die

Berufsschädigungen der Arbeiter zu bekommen. ;

Im Einvernehmen mit den Cändern wird der weitere Ausbau der Gewerbeaufsicht gesärdert. Dabei kommt die vermehrte Heran⸗ ziehüng von Aerzten, sowie von männlichen und weiblichen Hilfs⸗ beamten aus dem Arbeiterstande in serane.

Der Arbeiterschutz hat durch die Gründung des internalionalen Verbandes der Arbeit einen neuen Antrieb erhalten. Deutschland hat die Mitgliedschaft in diesem Verbande angenommen und sich an den bisherigen Tagungen sowie auch an der Internationalen Seemannskonferenz in Genua beteiligt In dem aus 24 Mit- gliedern bestehenden Verwaltungsrat hat Deutschland einen Regie⸗ rungös. und Arbeiterbertreter. Nach Art. 405 Abs. 5 des Friedens⸗ vertrags ist jeder Mitgliedsstaat verpflichtet, die in der Haupt- versammlung gefaßten Beschlüsse binnen Jahresfrist den zuständigen gesetzgebenden Körperschaften vorzulegen. Die Reichsregierung hat infolgedessen die Washingtoner Beschlüsse vor dem 26. Januar 1921 dem Reichsrat unterbreitet. ;

Im Zusammenhang mit den Washingtoner Beschlüssen steht der Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der Arbeitszeit ge⸗ werblicher Arbeiter. Der Entwurf hält grundsätzlich an dem Achtstundentag und der 48 stündigen Arbeitswoche fest, wie es die Washingtoner Beschlüsse verlengen. Dem Reichstag wird der Ent⸗

murf noch in dieser Tagung zugehen.

Ich bedauere lebhaft, daß es bisher nicht möglich gewesen ist, innerhalb der Regierung die im Ausschuß aufgeworfene Frage zu entscheiden, welches Ressort die neue Seeman nsordnung vorlegen soll. (Hört, hört! und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten und Deutschen

Demokraten) Die gegenwärtige außenpolitische Lage hat uns leider zu derartigen Beratungen keine Zeit gelassen.

Noch ein kurzes Wort zur Frage des Arbeitsrechts. Da die Arbeiten zur Schaffung des im Art. 157 der Verfassung in Aus. sichl genommenen einheitlichen Arbeilgrechts bei den Umfang und ber Schwierigkeit des Werkes trotz eifrigster Förderung in meinem Ministerium noch längere Zeit in Anspruch nehmen werden, muß die Regelung einzelner Teilgebiete, soweit sie dringend erforderlich ist, zunächst durch Einzelgesetze erfolgen. Zu einer größeren Zahl solcher Gesetze sind Entwürfe ausgearbeitet. Der Entwurf einer Schlichtungsordnung liegt bereits dem Kabineft vor. (Zuruf

ren den Sozialdemokraten: Wie lange schon?) Nein, nein!

Nicht lange, Sie irren. Bei der Schlichtungsorbnung, von der der Zwischenruf handelt, hat es sich bekanntlich um eine gang andere Fassung gehandelt. Jetzt liegt ein neu ausgearbeitetes Gesetz vor, das

erst kürzlich dem Neichskabinett zugegangen ist.

Die Entwürfe eines Arbeitsnachweisgesetzes und eines Gesetzes zur Negelung der Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter werden dem Nabinett in nächster Zeit zugehen. Für ein Hausgehilfengesetz, ein Heimarbeitgesetz und ein Arbeitstarifgesetz gehen die Entwürfe ihrem Abschluß entgegen. Ein Gesetzentwurf zur Regelung der Arbeits zeit der Angestellten befindet sich ebenfalls in Bearbeitung.

Ich hatte gehofft, auch ein Arbeitsgerichtsgesetz dem Reichstag vorlegen zu können. Doch haben sich in dieser Beziehung Schwierig . keiten ergeben, die mit unserer wirtschaftlichen Lage zusammen ˖ hängen und noch nicht behoben sind.

Meine Damen und Herren, eine weitere große Aufgabe ist, wie bekannt, dem Reichsarbeitgsministerium mit dem 1. Oktober 1919 durch die Uebernahme des gesamten Versorgungswesens für die

Kriegsbeschädigken und Kriegshintkerbsiebenen zugefallen. In letzter Zeit ist behauptet worden, daß die Versorgungsbehörden in ihrer Höhe nicht zu rechtfertigende Verwaltungskosten hätten. Hierzu darf ich bemerken, daß allerdings die gesamten Ausgaben an Ver⸗ waltungskosten außerordentlich hoch erscheinen müssen. Diese Aus⸗ gaben betragen nach dem Haushaltsplan 480 Millionen Mark, worin allerdings sämtliche Kosten, persönliche wie sächlichke, ein⸗ begriffen sind. Wenn aber daraus auf ein ungesundes Verhältnis zwischen den zu verausgabenden Rentenbeträgen und den Ver- waltungskosten geschlossen wird, so muß ich für die Kostenhöhe Folgendes zur Begründung geltend machen:

Die Versorgungsbehörden stehen vor der Durchführung des neuen Reichs versorgungsgesetzes vom 12. Mai 1920. Auf Grund dieses Gesetzes muß jede bereits festgesetzte Rente der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen erneut durchgeprüft und erneut festgestellt werden. Das bedeutet, daß in den nächsten beiden Jahren in jedem Monat rund 157 000 Feststellungen durch die Versorgungsbehorden bewältigt werden müssen. (Hört, hört! im Zentrum.)

Weiter ist zu bedenken, daß die Versorgungsbehörden bei ihrem Nebertritt in den Bereich des Reichsarbeitsministeriums mit großen Rückständen gearbeitet baben und daß jetzt bei der Auflösung der Abwicklungsbehörden die sehr großen Restbestände der Versorgungt⸗ abteilungen der Abwicklungsstellen notwendigerweise auf die Ver⸗ sorgungsbehörden haben übernommen werden müssen. Diese Rest⸗ bestände werden schätzungsweise mehrere Hunderttausend schwebende Angelegenheiten bedeuten. (Hört, hört! im Zentrum und rechts.) Bei dem Uebertritt des Versorgungswesens in den Bereich meines Ministeriums waren Beamte so gut wie gar nicht vorhanden. Nach- dem jetzt die Schaffung des Beamtenkörpers so gut wie durchgeführt ist, werden arbeitshemmende Kämpfe, wie sie im Zusammenhang mit der Neubildung des Beamtenkörpers entstanden sind, wie ich hoffe, nachlassen. Es wird, wie ich an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben möchte, mit aller Energie verlangt werden, daß die Be⸗ amten ihre Arbeitskraft in vollem Umfang ihrer Dienstaufgabe zur Verfügung stellen. (Bravo!) Dasselbe muß ich von den zahlreichen Angestellten der Versorgungsbehörden erwarten. Bei einzelnen Dienststellen sind allerdings Fälle grober Nachlässigkeit und Arbeits⸗ verzögerung, Drohungen mit Streik und Gewalt, Schaffung von Zwangslagen vorgekommen. (Hört, hört! im Zentrum und rechts.) Daraus cher allgemeine Folgerungen abzuleiten, wäre für die ganz überwiegende Zahl der Beamten und Angestellten bitteres Unrecht. Ich besorge nicht, daß sich die Fälle wiederholen, und ich kann hervor⸗ heben, daß allgemein eine Wendung zum Besseren eingetreten ist.

Eine weitere Verbesserung wird die seit dem Uebergang des Versorgungswesens auf mein Ressort in Angriff genommene Ver⸗ einfachung des Geschäftabetriebes bei den Versorgungsbehörden bringen. Das gleiche gilt für die Durchführung des Zahlungs⸗ verfahrens, das bei der großen Zahl der Rentenberechtigten und der Höhe der zu verausgabenden Beträge besondere Bedeutung be⸗ anspruchen muß. .

Aus den vorgehenden Ausführungen ergibt sich, daß zum mindesten für die nächsten beiden Jahre die Verwaltungskosten der Versorgungsbehörden verhälttüsmäßig hoch sein müssen. Es ergibt

sich aber weiter daraus, daß das Reichsarbeitsministerium ent-

seinerseits durchzukommen. In unserem Haushalt sind 500 Millionen Mark für die sozlale

schlossen ist, mit den im Haushaltsplan bewilligten Mitteln nun auch

Fürsorge für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene vorgesehen.

Sie sollen zunächst zur unentgeltlichen beruflichen Ausbildung ver⸗ wandt werden. Darüber hinaus haben die Fürsorgestellen der Kriegs⸗ beschädigten⸗ und Kriegshinterbliebenenfürsorge den Beschädigten und Hinterbliebenen dabei behilflich zu sein, die Folgen ihrer Dienst⸗ beschädigung oder die Folgen des Verlustes des Ernährers zu über⸗ winden oder zu mildern. Hierher gehören Maßnahmen der Berufs und Erwerbsfürsorge, der Erziehungsfürsorge, ferner der Gesund⸗ heitsfürsorge, auch einer allgemeinen Wirtschaftsfürsorge.

Auch in Zukunft muß die Unterbringung und Erhaltung der Schwerbeschädigten im Erwerbsleben mit allen Mitteln gefördert werden trotz der Hemmungen, die sich aus dem Ueberangebot ge= sünderer Arbeitskräfte ergeben. Die Durchführung der diesem Zwecke dienenden Maßnahmen liegt nach dem Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter vom 6. April 1920 im wesentlichen bei den Haupt⸗ fürsorgestellen der Kriegsbeschädigten˖ und Kriegshinterbliebenen fürsorge. Die erforderlichen Einrichtungen werden aber in engstem Einvernehmen mit den Organen der öffentlichen Arbeitsnachweise getroffen.

In der Kriegshinterbliebenenfürsorge wird es sich ferner darum handeln, kinderreichen Müttern die Erfüllung ihrer Aufgaben trotz aller Erschwernisse durch die gegenwärtige Wirtschaftslage zu ermög lichen.

Höhere Aufwendungen als bisher werden auf dem Gebiet der Jugendfürsorge für Kriegswaisen, aber auch für die Kinder der Schwerbeschädigten gemacht werden müssen. Aerztliche Untersuchungen von Kindern in verschiedenen Teilen des Reiches haben zum Teil ganz erschreckende Ergebnisse gehabt (hört! hört! bei den Vereinigten Kommunisten), insbesondere in Bezug auf Zunahme der Tuber⸗ kulose und gezeigt, daß gerade die Kriegerwaisen einen erheblichen Teil der am schlechtesten ernährten Kinder darstellen. (Zuruf von den Vereinigten Kommunisten: Der Dank des Vaterlandes) Auch macht es die Wirtschaftlage ganz besonders dringend, den aus der Schule entlassenen Kindern eine ihren Fähigkeiten entsprechende Berufsaus⸗ bildung zu vermitteln, um ihre Stellung im Kampf ums Dasein nach Möglichkeit zu sichern. Um diesen Bedürftigen den „Dank des Vaterlandes“ nach Möglichkeit zuzuwenden, sollen aus den 509 Mil⸗ lionen ein Teilbetrag von 100 Millionen Mark eigens für diesen Zweck ausgesondert werden. (Bravol im Zentrum und rechts. Zu⸗ ruf von den Vereinigten Kommunisten: Ein Tropfen auf den heißen Stein) Dann schaffen Sie (zu den Vereinigten Kommunisten) mehr. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts. Rufe bei den Vereinigten Kommunisten: Während des Krieges haben Sie Milliarden geschafft für Volksvernichtung! Gegenrufe im Zentrum und rechts. Glocke des Präsidenten) Ein letztes Wort gestatten Sie mir dann noch dann kommen Sie (zu den Vereinigten Kommunisten) auch bald daran zur Frage der Lazarette. Mit dem Versorgungswesen ist auch die Heilfürsorge für die Kriegsbeschädigten und damit die Verwaltung der Lazarette auf das Reichsarbeits« ministerium übergegangen. Die Interessen der schwerkranken Lazarettinsassen erfordern es, daß mit allem Nachdruck die Lazarette ihrem eigentlichen Zweck, Heilanstälten zu sein, wieder zugeführt werden. Ich habe daher anordnen müssen, daß künftig grundsatzlich