1921 / 125 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 Jun 1921 18:00:01 GMT) scan diff

Arbeitslosigkeit gebracht. Von 5s Sog 761 organisierten Arbeitern waren am 1. Mai 162 562 männliche und 54 745 weib- liche, zusammen also 217 307 ohne Arbeit. Auf je 190 Mitglieder entfielen demnach 3 (im Vormonat 3.) Arbeitslose. Unter den weiblichen Gewerkschaftsmitgliedern nahm die Arbeitslofigkeit verhält= nismäßig stärker zu als unter den männlichen. Bei den letzteren ent⸗ fielen im Berichtsmonat auf 100 Mitglieder 3,s Arbeitslose gegen 3, im März, bei den ersteren stieg die entsprechende Ziffer von 3 im Vormonat auf 4, im April.

Bei den öffentlichen Arbeitsnach weisen hat sich die Lage gegenüber dem Vormonat verschlechtert. Das wiegt angesichts der ausgesprochen günstigen Witterung bei der Bewertung der Gesamtlage um so schwerer. Die Zahl der Arbeitsgefuche stieg von 16028744 im März auf 10398226 im April, die der offenen Stellen von 548 198 im März auf 551 057, so daß auf je 100 offene Stellen 189 (im Vormonat 188) Stellensuchende kamen. Zur Be—⸗ setzung kamen insgesamt 406 420, im Vormonat nur 400 119 Stellen. Die Verschlechterung ist vor allem durch die Verschiebung der Lage für weibliche Kräfte bedingt.

An un terstützten Erwerbslosen wurden im Reiche am 1. Mai 400 097 gezählt. Gegenüber dem 1. April mit 415 336 trat also ein weite rer Rückgang um 15739 oder 4, ein. Bei Berücksichtigung der Jahreszeit, die durch Entfaltung starker Be⸗ schäftigungsmöglichkeiten in Landwirtschaft, Baugewerbe usw. sonst weit stärkere Entlastung brachte, kann die geringe Verbesserung, die in den obigen Zahlen zum Ausdruck kommt, ähnlich wie schon im Vormonat als günstiges Zeichen nicht eigentlich angesprochen werden, läßt vielmehr die Wirkung der „Sanktionen“⸗Politik auf das deutsche Wirtschaftsleben deutlich hindurchblicken. Auch während des April war zu beobachten, daß nur die Zahl der männlichen Unterstützungs⸗ empfänger zurückging, während die der unterstützten Frauen noch gegen den Vormonat anstieg.

Arbeitsstreitigkeiten.

Am Montagmittag trat, wie W. T. B. meldet, die Aerzte⸗ schaft ganz Oesterreichs in einen fünfstündigen Aus⸗ stand als Protestkundgebung gegen eine Anzahl in letzter Zeit erlassener Gesetze und Verfügungen auf dem Ge⸗ biet der Heilkunde, in denen die Aerzte eine Bevorzugung des Kurpfuschertums zum Schaden der Volksgesundheit erblicken und sich in ihrem Beruf und ihrer sozialen Stellung zurückgesetzt und schwer geschädigt fühlen.

Aus London erfährt W. T. B.“, daß dreiunddreißig Syndikate, die 15 Millionen Metallarbeiter vertreten, gegen die Herabsetzung der Löhne, die für den 16. Juni angekündigt ist, Widerspruch erhoben. Es wird eine Zusammenkunft der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorbereitet. Weiter wird berichtet: Bis gestern, dem 61. Tage des Bergarbeiterausstands, istes noch zu keiner Regelung gekommen. Die Regierung hat einen Erlaß veröffentlicht, wonach die Behörden auf Grund der Rus⸗ nahmebest imm ungen Gas⸗, Elektrizitäts und Wasserwerke sowie andere Werke mit Beschlag belegen und Lebensmittel, Kohlenvorräte und Maschinen usw, anfordern können. Sie werden auch das Recht haben, den Preis für Kohle Gas und Elektrizität festzusetzen und den Verkauf von Brennstoff für Motoren zu beaufsichtigen.

Zum norwegischen Aus stand wird dem, W. T. B.“ aus Christiania telegraphiert,. Bei den gestrigen Ver⸗ handlungen, betreffend den Streit mit den Maschinisten einigte man fich dahin, den Reeder verband zu ersuchen, bald⸗ möglichst Verhandlungen mit der Matrosen⸗ und Heizerunion aufzunehmen. Die Verhandlungen zwischen dem Arbeitgeberverein und dem Maschinistenverband sollen Donnerstagnachmittag fortgesetzt werden. Es wird erwartet, daß die Verhandlungen des Reederverbandes mit der Matrosen⸗ und Heizerunion heute beginnen werden.

Verkehrswesen.

Der Pastverkehr mit dem Aufstandsgebiet der Vrovinz Oberschlesien ist seit dem 3. Mal aus bekannten Gründen nahezu völlig unterbrochen. Von da an konnten lediglich einige Male Briefbeutel nach Gleiwitz, Hindenburg. Kattowitz, Königs- hütte und Groß Strehlitz mit den von der Interalliterten Kommiffton eingerichteten Zügen oder Kraftwagenverbindungen befördert werden. Infolgedessen haben sich bei den Umleituugsstellen in Breslau und Oppeln große Mengen von Sendungen angesammelt, deren Bearbeitung und Aufbewahrung ernste Schwierigkeiten verursacht. Seit 25. Ma werden zwar mit Zustimmung der Interalliierten Kommission täglich mit einem zwischen Oppeln und Kattowitz verkehrenden Militärzug sechs Briefbeutel für Gleiwitz und vier für ö durch Ver⸗ mittlung des Zugführers befördert und in umgekehrter Richtung findet eine Briefbeförderung in gleichem Umfange statt. Diese geringe Zahl der zugelassenen Briesheutel reicht aber zur Abwicklung des Verkehrs entfernt nicht aus. Namentlich kann damit auch ein Abfluß der seit. Wechen angesammelten Briefsendungen nur allmählich herbeigeführt werden. Die Postverwaltung., die von sich aus eine weiteren Verbindungen einrichten kann, sieht sich daber zu ihrem Bedauern gezwungen, die Annahme von Einschreibsendungen jeder Art. von Postaufträgen, Postanweisungen und Nachnahmen sowie von Drucksachen, Warenproben, Geschäftspapieren und Mischsendungen nach dem Aufstandsgebiet vorerst gänzlich einzustellen, Zahlungs- anweisungen des Postscheckverkehrs dahin nicht zuzulassen und die schon bestehende Sperre für Paket⸗ und Wertsendungen weiterhin auf⸗ rechtzuerhalten, da eine ordnungsmäßige Zuführung dieser Sendungen an Empfänger im Aufstandsgebiet nicht ausführbar ist. Zugelgssen werden bis auf weiteres nur gewöhm⸗ liche Briefe, Postkarten und durch die Post be zogene Zeitungen auf Gefahr des Absenders. Die Beförderung dieser Sendungen in das Aufstandsgebiet läßt sich aber nur durchführen, wenn die Bevölkerung den Briefverkehr guf das allergeringste Maß einschränkt und nur Sendungen wirklich wich— tigen und dringenden Inhalts aufliefert. Eine Zurückleitung der unterwegs hefindlichen Sendungen wird vorerst, nicht er⸗ folgen. Die Postverwaltung will versuchen, sie möglichst an ihre Bestimmung zu bringen. Das Aufstandsgebiet, auf das sich die Ver⸗ kehrsbeschränkungen erstrecken, wird im allgemeinen begrenzt im Westen durch die Oder bis Oppeln, im Norden durch die Eisenbahn⸗ strecke Oppeln⸗Kreuzburg und eine von Kreuzburg . ge⸗ dachte Linie. Nach Orten außerhalb dieser Grenze sowie nach Srten an der Eisenhahnstrecke Opyeln Kreuzburg sind Sendungen aller Art wieder unbeschränkt zugelassen. Die Postverwaltung hält sich, so⸗ weit möglich, danernd über die Verkehrslage im Aufstandsgebiet unterrichtet und wird, eine Milderung oder Aufhebung der Be⸗ 6 eintreten lassen, sobald die allgemeinen Verhältnisse es gestatten.

Auslandsbriefsendungen, besonders solche nach über⸗ seeischen Ländern, geraten nicht selten deshalb in Verlust, weil zu den Umschlägen ungeeignetes oder minderwertiges Papier sowie zur Ver⸗ schnürung der Drucksachen und Warenproben Papierbindfaden ver⸗ wendet wird. Während einer längeren Beförderungsstrecke, die unter Umständen mehrmaliges Umarbeiten und ebenso häufiges Umpacken usw. der Sendungen erfordert und auf der im Ueberseeverkehr durch die Schiffsbewegung fortgesetzte Reibungen stattfinden, zermürben und zerreißen ungenügend feste Briefumhüllungen ebenfo leicht, wie der noch immer zur Verschnürung der Mustersendungen verwendete Papierbindfaden. Wenn dabei Teile der Anschrift verloren gehen oder der Inhalt der Sendungen nicht mehr genügend zusammen⸗ gehalten wird, ist die Gefahr, daß solche Sendungen ganz oder teil- weise in Verlust geraten, außerordentlich groß. Es wird deshalb empfohlen, für Briefe usm., besonders im Ueberseeverkehr, nur dauer⸗ hafte Umschläge und zur Verschnürung der Drucksachen und Muster— sendungen festen, nicht leicht zerreißbaren Bindfaden zu verwenden.

Der Wertbrief⸗- und Wertpaketdienst nach Chile ist bis auf weiteres eingestellt.

Theater und Mu ik.

Neues Volkstheater.

Die St. Fakobs fahrt“, ein Le endenspiel von Dietzen⸗ chmidt, einem jungen, bereits mit dem Kleist⸗Preis gekrönten Dichter, von dem man in letzter Zeit öfter hörte, wurde gestern im Neuen Volkstheater zum ersten Mal in Berlin J, und zog vermöge der echt wirkenden Glaubensinnigkeit, seiner schlicht und gerad= linig verlaufenden Handlung und ungekünstelten Sprache die Zuschauer in seinen Bann. Wenn das trotz zuweilen stark fühlbarer Besetzungs⸗ mängel geschehen konnte, so spricht auch dieser Umstand zugunsten des Werks. Der Dichter schöpfte die Anregung zu seinem Spiel aus einer alten Wallfahrerlegende. Ein knabenhaft junger deutscher Grafensohn unternimmt, einem Gelübde der Eltern getreu, eine Wallfahrt nach Spanien, nach Santiago de Compostella. Unterwegs schließt er sich einem jungen Schwaben aus Heigerloh an, und beide werden in einen Pilgerzug der St. Jakobsbrüderschaft eingereiht, der ebenfalls denselben Weg geht, nachdem sie den feierlichen Eid geleistet haben, hei Todesstrafe auf der Wallfahrt keine Sünde zu begehen. Da geschieht es zur Nacht, daß eine Dirne den . Grafen verführen will. Von ihm verschmäht, rächt sie sich an ihm dadurch, daß sie gestohlenes Gut in seinen Ranzen versteckt und, den Schwaben, den einzigen Zeugen ihrer Handlung, durch ihre teuflischen Verführungskünste veranlaßt, darüber zu schweigen. Der junge Graf wird, des Diebstahls bezichtigt und überführt, von den Pilgern getötet. Dem Schwaben schlägt nun das Gewissen. Ueber Berg und Tal trägt er die Leiche des Erschlagenen nach Santiago zum Grabe St. Jakobs, wo das Wunderbare geschieht, daß der Knabe wieder zum Leben erweckt wird, während die Glocken von selbst anfangen zu läuten. Die Menge, die Zeuge des Wunders wurde, hält nun den Schwaben, de, Fürbitte bei St. Jakob. solches ver⸗ mocht, für einen i , Abermals versäumt er hier seine Judastat zu beichten, und die Glocken schweigen. Mit uneingestandener Schuld kehrt er mit dem Grafen nach Dre gg an zurück, wo ihn zur Strafe für seine Missetat die Miselsucht befällt. Aussätzig und von allen ge⸗ mieden, kommt der Schwabe vor das k wo die Taufe des Kindes des inzwischen vermählten Grafenso ö. wird. Durch das Blut dieses Kindes könne er genesen, ist ihm verheißen und von dem früheren Weggenossen, den er einst

worden, Preis für das Leben,

schmählich verraten, heischt er nun als l das er ihm einst wiedergegeben habe, das Leben seines Kindes. Der Graf ist zum Opfer bereit; da endlich packt den verstockten Sünder die Reue, er bekennt nun seine Schuld und sinkt tot, aber rein vom Aussatz, zu des Grafen Füßen nieder, während die Glocken wieder von selbst erklingen zum Zeichen, daß die Schuld gesühnt, die Missetat vergeben ist. Der Leiter des Spiels im Neuen Volkstheater“, Hans Brahm, hatte den glücklichen Ein— fall, einen dreiteiligen AÄltarschrein, dessen Türen unter frommen Orgelklängen von Gottesdienern zu Anfang geöffnet und am Ende des Spiels geschlossen werden, als Hintergrund für die en . zu benutzen. Die primitiv wie in alten Wall⸗ ahrtskirchen gemalten Bilder des Schreins waren auswechselbar und deuteten so den jeweiligen Schauplatz der Handlung an. Die beste schauspielerische Leistung bot Gertrud Kanitz als junger Graf in den Anfangsszenen. Am Schluß war sie ein gar zu knabenhaft wirkender Ehemann. In der anspruchsvollen Rolle des Schwaben versuchte Gustav von Wangenheim sich in die Empfindungswelt des Legendenspiels einzufühlen; es gelang nicht durchweg. Vieles hätte man sich schlichter und ergreifender denken können. Von den Volks⸗ szenen war das Auftreten der Aussätzigen, die mit ihrer Klapper und ihrem schrecklichen Warnungsruf alle Gesunden aus ihrer Nähe ver—⸗ scheuchen, die eindrucksvollste.

Im Opernhau se wird morgen, Donnerstag, „Boheme“, mit den Damen van Endert, von Catopol⸗Batteur und den Herren in . Zador, Helgers, Krasa und Phil pp besetzt, gegeben. Den Rudolf ingt der Kammersänger Richard Tauber hon der Sächsischen Staats oper in Dresden als Gast. Mußtkalischer Leiter ist der General⸗ musikdirekter Leo Blech. Anfgng 7 Uhr. .

Im Schauspielhause wird , , Gynt“ mit Gustav May in der Titelrolle wiederholt. Anfang 63 Uhr.

Der berühmte Baritonist der russischen Opernbühne George Baklanoff wird am Sonnabend, den 4. d. M. im Deutschen Qpernhause ein einmaliges Gastspiel als Rigoletto geben. Der Vorverkauf für das Gastspiel hat bereits begonnen.

Mannigfaltiges.

Die Reichsbank gibt bekannt: Durch Annahme des Ulti⸗ matums der alliierten Mächte vom 5. Mai d. J. hat das Reich schwere finanzielle Verpflichtungen übernommen. Sie zu erfüllen, müssen die größten Anstrengungen gemacht werden. Von diesem Gesichtspunkte aus hat das Reichsfinanz⸗ ministerium sich entschlossen, durch Vermittlung der Reichsbank und der Reichspost Gold zu einem dem, Weltmarktpreis ungefähr angepaßten Preise ankaufen zu lassen; ö Schmucksachen und Gebrauchsgegenstände bleiben vom Ankauf aus-

eschlossen. Für deutsche und ausländische Goldmünzen gwie für Barren erfolgt, der Ankauf durch Vermittlung der Reichsbankanstalten, die bereits mit entsprechender Weisung ver⸗ sehen sind. In den nächsten Tagen wird der Ankauf a von allen Postanstalten, von diesen aber nur in bezug auf deutsche Reicht goldmünzen, aufgenommen werden. Der von der Reichsbank und Post zu zahlende Ankaufspreis ist der gleiche; er wird auf der Grundlage des Weltmarktpreises am Ende jeder Woche neu fest— gesetzt; für die laufende Woche stellt er sich z. B. auf 260 K für L Zwanzig⸗Mark⸗Stück, auf 37 000 für 1 Feingold. Die Preise für die übrigen deutschen und ausländischen Goldmünzen werden entsprechend Eitges Die ,, . kommt bei diesen Verkäufen nicht in , Den Besitzern von Gold bietet sich hiernach Gelegenheit, es ungefähr zum Weltmarktpreise zu ver— werten. Dagegen ist der anderweite Verkauf auf Grund des Gesetzes, betreffend die Verfügung über Gold vom 28. April 1921 (RGBl. S. 489) ohne Zustimmung des Reichswirtschastsministers verboten und strafbar. Die Verwertung im Auslande ist durch das Goldausfuhrverbot ausgeschlossen. (W. T. B.)

In der gestrigen Sitzung der Groß Berliner Stadt⸗ verordneten stand 5 Antrag der Stadtv. dicke u. Genossen (D Nat.) zur Beratung: Die Verfammlung wolle den Magistrat ersuchen, zur Behebung der Wohnungsnot beschleunigt darauf hinzuwirken, daß J. der Ankauf von 6 tels und sonstigen Häusern für wirtschaftliche Verbände, Syndikate und andere Ver—⸗ kaufsorganisationen unterbunden wird; 2. die Reichs und Staass⸗= regierung durch schnellere Auflösung der in Kürze gebildeten Zwangs⸗ bewirtschaftungsstellen Räume für neue Gir hr ed und für ö. = gelegenheiten schafft !. Nach kurzer Erörterung wurde der Antrag in feinem ersten Teile angenhmmen, im zweiten Teile abgelehnt. Eine längere Aussprache knüpfte sich an eine Magistratsvorlage, daß die Stadtgemeinde für ein von der Volksbühne auszunehmendes, auf dem . am Bülowplatz grundbuchlich einzu⸗ tragendes Darlehen bis zum Betrage von fieben Millionen Mark nebst Zinsen die selbstschuldnerische Bürgschaft übernehme und daß die auf dem genannten Grundstück für die Stadtgemeinde eingetra— genen Hypotheken von 1ů, Millionen Mark und 15 G60 K im Range hinter die jetzt an zweiter Stelle eingetragene Hypothek von einer Million Mark treten. Die Vorlage wurde angenommen. Der Stadtv. Albrecht (D. Vp.) berichtete namens des vorberatenden Ausschusses über eine Vorlage. betreffend die teilweife Stisũt—⸗ legung des Gaswerk I inder Gitschiner Straße, und empfahl, sich mit der Stillegung einverstanden zu erklären und für die erforderlichen Rohrlegungen zwischen dem Gaswerk Neukölln und dem Altberliner Weichbild den Betrag von 1772 500 c zu be— willigen. Unter Annahme eines im Ausschuß abgelehnten sozial⸗ demokratischen Antrags, bei der Stillegung möglichst Härten in der Arbeiterentlassung zu vermeiden, wurde der agistratsborlage zu⸗

E, , man

Paris, 31. Mai. (W. T. B.) Havas meldet aus Buenos

gestimmt. Es folgte die Vorlage, betreffend Fe st ste l Lung deren igen technischen Betriebe, für welche Zahlung des Zu« schlags für erschwerte Arbeit an die dort beschäftigten Arbeiter erfolgen soll. Die Magistratsporlage wurde unter Ablehnung eines von deutschnationaler Seite gestellten Antrags, die Vorlage an den Magistrat zurückzuverweisen, angenommen. Zum Schluß be⸗ gründete die Stadt. Frau Deming (U. Soz) einen Antrag, 15 Millionen Mark in den Etat für 1921 ein zu stellen zur Verschickung von Kindern aufs Land. Nach langer Aussprache, an der sich der Stadtkämmerer Dr. Karding und Vertreter sämtlicher Fraktionen beteiligten, die das Kinder⸗ elend allgemein anerkannten, wurde der Antrag angenommen.

Die Kohlenwirtschaftsstelle in den Maxken teilt mit: Durch die in Oberschlesien seit Anfang Mai bestehenden Un— ruhen und durch den kürzlich in Niederschlesien ausgebrochenen Streik der Bergarbeiter ist die Steinkohlenversorgung der Mark Brandenburg fast vollständig ins Stocken

. Die anderen Kohlenreviere sind bei weitem nicht in der

age, den ganzen Ausfall aller schlesischen Kohlen zu decken. Infolge⸗ dessen muß die Industrie gewärtig sein, daß schon in den allernächsten Tagen einzelne Betriebe zum Stillstand kommen, falls eine Streckung der bei ihnen etwa noch vorhandenen hochwertigen Kohlenmengen mit minderwertigen Brennstoffen nicht durchgeführt wird. Alle Neuein⸗

gänge und die noch vorhandenen kleinen Vorräte müssen für die Auf. rechterhaltung der lebenswichtigsten Betriebe, wie Elektrizitäts- und K, .

er

Gaswerke, Wasserwerke, Kanalisationswerke, Krankenhäuser, Verkehrzunternehmungen vorbehalten bleiben. Verbrauch an Gasund Elektrizität istweitestgehend einzuschränken, da andernfalls das zeitweise Abschalten ganzer Strombezirke schon in allernächster Zeit eintreten müßte, um die Elektrizitätswerke über Wasser zu halten. (W. T. B.)

Am Montag, den 30. Mai, hat im Cecilienhaus in

Fharlottenburg unter Leitung des Vorsitzenden des bisherigen Zentral⸗ komitees der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz, des nunmehrigen

Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes, Landesdirektor ! von Winterfeldt, die gründende Mitglieder versa mmlung des „Deutschen Roten Kreuzes“

unter starker Beteiligun gefunden. De . zweijähriger Arbeit in voller Einigung da.

der Landes⸗ und Provinzialvereine statt⸗ Das „Deutsche Rote, Kreuz“ steht nunmehr nach fast Die Zusammenfassung

ö . ———

—— m.

2

w

der deutschen Landes⸗ und Landesfrauenvereine unter einem einheit-

lichen deutschen Roten Kreuz bedeutet einen großen Schritt vorwärts. .

(W. T. B)

Königsherg, 31. Mai, (B. T. B.). Der Regierungs—⸗ präsident in Altlnenstein teilt mit: Durch die Presse gehen seit einiger Zeit Berichte über einen angeblichen

„goldenen B von Muschaken und ergriffen habe und neuerdings dehnung gewinne. Diese. Berichte trieben. In Wahrheit handelt es sich höchstens um einige hundert Personen, seher allsonntäglich auf die in der staatlichen Oberförsterei Kasten⸗ born belegenen Goldberge“ pilgern und dort unter Singen und Beten die Erfüllung alter Sagen von einer versunkenen und ver—

Umgegend

Massen⸗ wahn, der im Zusammenhang mit einer Prophezeiung über die erger zunächst die benachbarten Einwohner im Kreise Neidenburg in Masuren immer größere Aus⸗ sind außerordentlich über⸗

die unter Führung einiger sogenannter Hell,

zauberten Stadt mit ungeheuren Goldschätzen erwarten. Das Treiben ist vollkommen harmlos und hat den Behörden bisher ebensowenig

Anlaß zum Einschreiten gegeben wie der sonstige sonntägliche Aus—

flüglerverkehr. Die Bewegung wird voraussichtlich bald von selbst

im Sande verlaufen, da leider keine Aussicht besteht, daß sich die

goldene Stadt“ wirklich auftun wird.

Dublin, 31. Mai. einer Mine wurden in Joughal (Grafschaft Cor daten getötet und l verwundet.

(W. T. B.) Durch die 2 . 01

Aireęs, daß an Berd des Dampfers Martha Washington?

ein Brand ausgebrochen ist. Man gie daß es sich um einen verbrecherischen Akt handele. Nach einer späteren Meldung hat die Polizei 177 Mitglieder des Syndikats der Seeleute, die sie bei einer geheimen Zusammenkunft überraschte, verhaftet.

Aeronautisches Observatoriu m. Lindenberg, Kr. Bees kowvr. 31. Mai 1921. Pilotballonaufstieg von 9 a 35 bis 9 a 52.

Seehöhe Luftdruck Temperatur G00 . J. m mmm oben unten 9. . 122 SSO 3

6. 52 2100 SO 7

Bewölkt. Sicht: 6 km.

(ortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage)

—— —— r

Theater.

dpernhaus. (Unter den Linden Donnerstag: 135. Dauer— bezugsvorstellung. Bohsme. Anfang 73 Uhr.

Freitag: Richgrd⸗Strauß⸗yklus. 4. Abend: Die Fran

ohne Schatten. Anfang 6 Uhr.

Ech auspielhaus. Am Gendarmenmarkt. Don ners. I36. Dauer- bezugsborstellung. Peer Gynt. Anfang 63 Uhr. ö Zum ersten Male: Stroh. Die Fliege. Anfang

ö.

714

Familiennachrichten.

Ge storhenz. Hr. Geh. Kommerzienrat Moritz Leiffmann Düsseldorf), Hr. Präsident des Landesfinanzamts Max don Walther Str en br Direktor der Deutschen Bank Peter Thaprich (Bern—⸗ castel⸗Cues).

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Ty rol, Charlottenburg.

, den Anzeigenteil; Der Vorsteher der Geschäftsstelle echnungsrat engering in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin. Wilhelmstr. 33. ö Fünf Beilagen ; (einschließlich Börsenbeilage) und Erste, Zweite und Dritte Zentral⸗Handelsregister⸗Beilage.

danach auch der Teil des vom

Erste Beilage

. 2

2.

zum Deut schen Neichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Nr. 125.

Berlin, Mittwoch, den 1. Juni

1921

Nichtamtliches.

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)

Deutscher Reichstag. 108. Sitzung vom 31. Mai 1921, Nachmittags 3 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins doutscher Zeitungsverleger*).)

Das Andenken der während der Pfingstpause verstorbenen Abgeordneten Tuch (D. Vp.) und Dr. Wiebel (D. Nat.) ehrt das Haus in der üblichen Weise.

Präsident Löbe: Eine Mitteilung, die wir gestern erhalten haben, ist geeignet, unsere lebhafte Empörung hervorzurufen. Die polnischen Insurgenten in Oberschlesien haben das Mitglied dieses Hauses Geheimrat Hartmann (D. Nat.) gefangengenommen und an einen unbekannten Ort verschleppt. (Hört, hört!! Ich habe sofort mit dem Auswärtigen Amt mich verständigt, damit die Interalliierte Kommission auf diesen Gewaltstreich hingewiesen wird, und damit sie sofort Anstalten trifft, den Abgeordneten Hart⸗ mann ungesäumt zu befreien. (Unruhe bei den Komm. Ab⸗ geordneter Malzahn ruft: Wendelin Thomas! 4 Adolf Hoffmann: Die Orgesch darf das! Herr Abg. Malzahn, Ihre Partei hat im deutschen Parlament ähnliche Bitten gestellt, wenn Abgeordneten Ihrer Partei im besetzten Gebiet Unrecht ge—⸗ schehen ist. Nochmalige Rufe bei den Komm.: Wendelin Thomas!) Ich nehme an, daß die Regierung uns mitteilen wird, welche Schritte für die Befreiung des Abg. unternommen sind. Ich komme dann später nochmals darauf zurück. (Lebhafter Beifall.)

Der Präsident teilt ferner mit, daß der Abg. Spahn in der Zwischenzeit seinen 75. Geburtstag gefeiert habe, der Ab⸗ geordnete Spahn gehöre bereits 37 Jahre dem Hause an. Der Präsident hat ihm im Namen des Reichstags die Glückwünsche ausgesprochen. (Beifall.)

Ein Schreiben des Ministers des Innern, das um Geneh⸗ mgung zur Strafverfolgung des Abgeordneten Remmele (Komm.) wegen Beleidigung nachsucht, wird an die Geschäfts—= ordnungskommission überwiesen.

Zur Geschäftsordnung bemerkt

Abg. Höllein (Komm): Ich beantrage namens der kommu— nistischen Fraktion, daß die Anträge wegen Aufhebung des Be⸗ lagerungszustandes, wegen einer Amnestie, wegen Auflösung der Selbstschutzorganisationen und wegen der Außerkraftsetzung der Verordnung über die außerorbentlichen Gerichte auf die heutige Tagesordnung gesetzt werden. Die unglaublichen Zustände in VMeitteldeutschland bestehen fort. Die weiße Justiz wütet in der⸗ selben Weise wie vorher, die bewaffnete Macht haust wie vorher und drangsaliert alle Einwohner. Die Presse wird geknebelt, die Gefangenen werden mißhandelt. Dasselbe gilt von Bayern. In Bayern herrscht der unverhüllte weiße Terror. eder der im Geruch steht, ö zu sein, wird in die Zuchthäuser ver⸗ schleppt. Ueber die Kultur dieses famosen Drgesch⸗Bayern werden wir J Dasselbe Orgesch⸗Bayern, das sich so schamlos über Recht und Gesetz wegsetzt, duldet, daß jetzt dort eine internationale Verschwörungselique zusammenkommt.

Abg. Müller⸗Franken (Soz ): Wir haben nichts dagegen, daß in den allernächsten Tagen diese Themata behandelt werden. Nachdem morgen die Regierung ihre Erklärung abgegeben haben wird, kann bei der Generaldebatte dieses Thema behandelt werden. Da wir nicht wissen, ob die Regierung heute in der Lage ist, dazu Stellung zu nehmen, wäre es unzweckmäßig, die Anträge heute zu behandeln. ö

Abg. Sedebaour (U. Soz) stimmt dem Abg. Höllein zu. Die Anträge lägen seit langer Zeit vor, und die Regierung hätte sich zweifellss bereits mit ihnen beschäftigt. . .

Präsident Löbe: Geschäftsorsnungsmäßig würde der Wider⸗ spruch eines Mitgliedes genügen, um die Anträge abzuweisen.

Abg. Hölle in (Komm.) weist nochmals darauf hin, daß die von ihm berührten Fragen Tausende und abertausende von Proletariern angehen.

Abg. Schultz⸗Bromberg (D. Nat.) widerspricht namens seiner Freunde dem Antrag. ' Abg. Malzahn (Komm.) beantragt, daß alle Anträge,

welche die Erwerbslosenfürsorge betreffen, heute auf die Tages⸗ ordnung gesetzt werden. Präsident Löbe fragt, ob gegen diesen Antrag Widerspruch erhoben wird. ; . Abg. Adolf Hoffmann (Komm) protestiert gegen dieses Verfahren des Präsidenten. Es müsse über die Anträge ordnungs⸗ gemäß abgestimmt werden. ö Präsident Löbe: Dann hätten die Anträge vor Zu⸗ sammentritt des Hauses bei mir eingereicht werden müssen. Abg. Malzahn (Komm): Wenn die bürgerlichen Parteien so sozial denken, wie sie sich immer hinstellen, dann können sie sehr wohl die Anträge auf die Tagesordnung setzen. . Präsident Löbe; Die Anträge sind in der Kommission noch nicht erledigt, wir können unmöglich eine Kommission mit der Beratung von Anträgen beauftragen und diese Anträge zu gleicher Zeit hier im Plenum besprechen. ; ; Abg. Malzahn (Komm.): Dann beantrage ich wenigstens Teil der Anträge, den die Kommission schon erledigt hat, heute die Tagesordnung zu setzen. Der Antrag Malzahn (Komm.) wird abgelehnt. Es folgen kleine Anfragen. Auf eine, Anfrage des Abg. Graef⸗ Thüringen (D. Nat.) über die Zustände in der thüringischen Landespolizei erwidert ein Regierungsvertreter: Die schweren Anschuldi⸗ gungen über die Zustände in der thüringischen Polizei Ange⸗ hörige der Polizet sollen den Sowjetstern an der Uniform ge⸗ tragen haben, bei der Beförderung seien Mitglieder der Unab⸗ hängigen und der kommunistischen Partei bevorzugt worden, und es seien auch hochverräterische Umtriebe vorgekommen sind seitens der thüringischen Landesregierung zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht worden, bei der das Reichsministerium des Innern durch einen Vertreter beteiligt ist. Vor Abschluß dieser Untersuchung ist die Regierung nicht in der Lage weitere Mit⸗ teilung zu machen. Auf eine Anfrage des Abg. Haag (D. Nat.), betreffend Er⸗ hebung einer Umfatzsteuer von der Weinsteuer durch die württem⸗ bergischen Finanzämter, erwidert ein Vertreter des Reichs finanzm inisterium s: Nach 8 des Umsatzsteuergesetzes ist der Steuermaßstab für die Berechnung der Umfatzfteuer das für die steuerpflichtige Leistung vereinnahmte Entgelt. Der Begriff des Entgelts ist nicht gleich bedeutend mit Kaufpreis, sondern umfaßt den gesamten Gegen⸗ wert den der Abnehnier dem Lieferer zu entrichten hat. Es gehört uch Abnehmer gezahlten Betrags zum steuerpflichtigen Entgelt, den der Lieferer gich deswegen zahlen läßt, um damit seiner steuerlichen Verpflichtung nachzukommen. Demnach ist auch der Lieferer von Wein, der sich vom Abnehmer die Weinsteuer neben dem Kaufpreise erstatten läßt, nicht be⸗

den auf

) Mit Ausnghme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, dle im Wortlaute wiedergegeben find.

rechtigt, den erstatteten Weinsteuerbetrag vom steuerpflichtigen Entgelt e, ne,

Auf Anfrage des Abg. Janschek (Soz) wegen der beab⸗ sichtigten Stillegung der Zeche ‚Maximilian“ bei Hamm wird von einem Regierungsvertreter erwidert, daß die Angelegen⸗ heit zur Zuständigkeit der preußischen Landesbehörde gehöre und bereits eine gleiche Anfrage im preußischen Landtag beantwortet sei. Die daran geknüpften Anträge seien einem Ausschuß des Landtags überwiesen worden und würden demnächst beraten werden. Für die arbeitslos werdende Belegschaft sei Arbeits- gelegenheit geschaffen.

Auf Anfrage der Frau Schreiber⸗Krieger (Soz) wegen der einseitigen Begünstigung der Mitropa durch Zuweisung neuer Schlafwagenläufe, insbesondere zwischen Berlin und München, erwidert ein Regierungsvertreter, daß die 1916 he— gründete Mitropa den Einfluß der Belgisch⸗französisch-internatio⸗ nalen Schlafwagengesellschaft zugunsten der deutschen Verkehrs⸗ interessen haben brechen sollen. Gerade jetzt wolle das Ausland, besonders Frankreich, Deutschland aus dem internationalen Ver⸗ kehr ausschalten. Deshalb müsse sich Deutschland der Mitropa als Abwehrmittel bedienen. Eine Benachteiligung der deutschen Eisenbahnverwaltung finde nicht statt. Diese erhalte vertrags⸗ mäßig aus den Erträgnissen der Mitroga einen Anteil von 2 X. und sei auch als Aktionär an deren Reingewinn beteiligt mit einer je nach den Ergebnissen steigenden Dividende.

Auf Anfrage des Abg. He meter (D. Nat.) wegen des Ver⸗ bots der „Halleschen Zeitung“ gelegentlich der Märzunruhen durch den Oberpräsidenten Hörsing, das von dem zuständigen Ausschuß des Reichsrats für unbegründet erklärt worden ist, und das in der Bevölkerung als Terror gegen eine unbequeme politische Richtung empfunden werde, erwidert

Reichskommissar Oberst Kuenzer: Die „Hallesche Zeitung“ hat sich in sehr erregter Zeit einer überaus schroffen Schreibweise bedient, die geeignet war, die von der Aufstandsbewegung ge— bliebene Beunruhigung der Bevölkerung zu vermehren. Der Oberpräsident der Provinz Sachsen, Hörsing, hatte daher im staat⸗ lichen Interesse zu handeln geglaubt, als er das Verbot der Zeitung auf zehn Tage aussprach. Der Oberpräsident hat sodann das in der gleichen Druckerei sogleich nach dem Berbot gedruckte „Hallesche Tageblatt“ als eine Fortsetzung des verbotenen Blattes angesehen und ein weiteres Verbot ergehen lassen. Der für solche Fälle auf Grund der Verordnungen des Reichspräsidenten als Beschwerdeinstanz eingesetzte Reichsratsausschuß hat jedoch das zweite Verbot als juristisch unhaltbar, die Gründe für das erste Verbot als unzureichend erachtet und beide Verbote aufgehoben. Daraus geht . daß durch die Verordnungen des Herrn Reichspräsidenten im Falle vorübergehender Außerkraftsetzung des Artikels 118 der Reichsverfassung genügender Schutz gegen etwaige unberechtigte oder nicht genügend begründete Eingriffe der mit der Durchführung des Ausnahmezustandes betrauten Organe ge⸗ währleistet wird.

Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Moldenhauer (D. Vp.) wegen des von französischen Soldaten am 26. Mai in Köln⸗Muͤl⸗ heim veranstalteten Feuergefechts gibt ein Regierungs⸗ vertreter eine Schilderung der Vorgänge. Danach kam es ö. , ,,. Soldaten, die durchmarschierenden fran⸗ zösischen Truppenteilen angehörten, und Zivilisten zu Reibereien, in deren Gefolge die Franzosen das Seitengewehr gezogen und in die Menge hineingeschossen hätten. Deutsche und ö. Polizei sei eingeschritten, aber erst durch das Eingreifen französischer Offigere konnte die Ruhe wiederhergestellt werden.

Auf die Anfrage des Abg. Ed Ler v. Braun (D. Nat.), ob eine Erhöhung der Reichsbier⸗ und Getränkesteuer geplant sei, wird regierungsseitig geantwortet, daß eine solche Erhöhung not— wendig erscheine.

Abg. Dr. Moses (U. Soz) fragt an, was die Regierung zu tun gedenke, damit die Heilstätte Beelitz in vollem Umfange aufrechterhalten und die Kinderheilstätte in Lichtenberg nicht auf— ell wird. Regierungsseitig wird geantwortet, die geplante Ein— chränkung der Bettenzahl in Beelitz solle nicht sofort durchgeführt werden, es soll abgewartet werden, ob der finanzielle Notstand der Versicherungsanstalten gehoben wird. Die Kinderfürsorge müsse zwar hinter der Fürsorge für die Versicherten zurückstehen, olle aber doch weiter nicht nur aufrechterhalten, sondern nach Möglichkeit ausgebaut werden. = . Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs über den Volksentscheid.

Präsident Löber Ich bin von fast allen Parteien ersucht worden, diesen Entwurf dem Rechtsausschuß zu überweisen. Das Haus ist damit einverstanden. Es ist inzwischen ein Vertreter des Auswärtigen Amtes erschienen, der über den Fall Hartmann Auskunft geben will.

Wirkl. Geh. Legationsrat v. Maltz ahn: Die Regierung hat eine Note an die Interalliierte Kommission mit der Forderung gesandt, sofort die erforderlichen Schritte zur Befreiung des ge⸗ fangenen Abgeordneten zu tun. Der deutsche Vertreter Graf Praschma hat diese Forderung mündlich in dringendster Weise wiederholt. Eine Antwort der Interalliierten Kommifsion liegt noch nicht vor. Die Regierung wird weiter auf schleunige Erledi⸗ gung dringen.

Hierauf vertagt sich das Haus um 41/½ Uhr. Nächste Sitzung morgen 4 Uhr. Tagesordnung: Entgegennahme einer Erklärung der Reichsregierung.

Preußischer Landtag. 22. Sitzung vom 31. Mai 1921, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger*).)

Auf der Tagesordnung stehen zunächst kurze Anfragen, die Interpellation über das Unglück auf Zeche „Konstantin der Zroße“ wird auf Antrag der Fragesteller von der heutigen Tagesordnung abgesetzt.

Auf eine Anfrage des Abg. En gberding (D. Vp.) erklärt der Vertreter des Staatsministeriums, Regierungsassessor Dr. Delbrück: Daß der Minister für Volkswohlfahrt den 3 10 der Verordnung vom 9. Dezember 1919, betreffend die Höchstmieten, insbesonder für bauliche Instandsetzungs⸗ arbeiten, zur Anwendung gebracht zu sehen wünscht, hat er in wiederholten Erlassen ebenso zum Ausdruck gebracht, wie die Notwendigkeit, die Voraussetzungen der Anwendbarkeit der Vorschrift zu beachten, insbesondere daß die Zuschläge nur für be⸗ stimmte Instandsetzungsarbeiten im Einzelfälle bewilligt werden dürfen. Nach geltendem Recht sind die Einigungsämter unzweifel⸗ haft keine Gerichte. Ueber die rechtliche Stellung der Einigungs⸗ ämter, sowie ihre Vorsitzenden werden in der neuen Mieter⸗ schutzherordnung voraussichtlich Bestimungen getroffen werden.

Eine Ergänzungsfrage des Abg. Engberding, ob ange— sichts der neuen Realsteuern Reparaturzuschläge zu den Mieten genommen werden dürfen, bleibt seitens der Regierung unbeant— wortet. (Hört, hört! rechts.)

. Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

Abg. v. Lindeiner⸗Wildau (D. Nat.) fragt nach der Zuziehung von Vertrauensleuten der freien Gewerkschaften zu den amtlichen Vernehmungen über die Erschießung des Ober⸗ maschinisten Sylt. . *

Regierungsassessor Dr. Delbrück: Unter der Berliner Arbeiterschaft herrschte über die anläßlich eines Fluchtversuchs er⸗ folgte tödliche Schußverletzung des Sbermaschinisten Sylt große Erregung, die in Massendemonstrationen und Ausschreitungen auszuarten drohte, weil sich das Gerücht verbreitet hatte, Sylt sei vorsätzlich und mit Ueberlegung von dem ihn transportierenden Kriminalbeamten erschossen worden. Die Vertrauensleute der freien Gewerkschaften baten deshalb den Polizeipräsidenten um restlose Aufklärung der Vorgänge bei der Erschießung Sylts. Trotz der ihnen darauf gegebenen Schilderung des Sachverhalts blieb die Vermutung, daß an Shlt ein Mord verübt sei, in den Kreisen der Arbeiterschaft bestehen. Zu ihrer Beruhigung sah sich deshalb der Polizeipräsident veranlaßt, den Vertrauensleuten durch einen seiner Justitiare die gewünschte Aufklärung nochmals an dem Tatort selbst geben zu lassen. Es hat sich also nicht um Zuziehung zu amtlichen Vernehmungen gehandelt, sondern ledig⸗ lich um Auskunftserteilung. Der Kriminalbeamte, der Sylt ver⸗ letzt hat, ist bei dieser Auskunftserteilung nicht zugegen gewesen, auch ist sein Name nicht genannt worden. Die für den Vorfall in Betracht kommenden Zeugen haben sich freiwillig erboten, an Ort und Stelle den Vorfall zu schildern. Eine förmliche Zeugenver⸗ nehmung hat nicht stattgefunden, zumal auch die Namen der Zeugen nicht bekanntgegeben, ihre Aussagen nicht protokolliert worden sind und Fragen an die Zeugen nicht zugelassen wurden. Sine Gesetzwidrigkeit kommt somit nicht in Frage, und den Ver⸗ trauensleuten ist ausdrücklich erklärt worden, daß es sich nur um eine Ausnahme handele und daß künftig bei ähnlichen Fällen von einer Hinzuziehung von Vertrauensleuten der freien Gewerk⸗ schaften keine Rede sein könne. . ö.

Auf eine Anfrage der Abg. Frau Dr. Wegscheider (Soz.) erklärte ein Vertreter der Regierung, die Beibehaltung des konfessionellen Charakters von Schulen im Bezirk Mün ster habe dem Bedürfnis des überwiegenden Teils der Bevölkerung

entsprochen. Dem sei nachgekommen worden, allerdings unter der Bedingung, daß der Aufnahme von Schülerinnen anderer Be⸗ kenntnisse keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden. ;

Ahg. Mohrbotter (Deutsch⸗Hann.) heschwert sich über die durch den Kreisschulrat Rauer in Osnabrück betriebene Propa⸗

ganda für die religionslose Schule.

Ein Regierungsvertreter erklärt, der Kreisschulrat sei Sozialdemokrat, seine Eignung für den Posten sei zweifellos. Seine Persönlichkeit bürge dafür, daß er sein Amt zur Zufrieden⸗ heit ausfüllen werde. Im übrigen sei ihm auferlegt, in der Oeffentlichkeit gebotene Reserve zu beobachten.

Abg. Frau Lehmann (D. Nat. bringt die Zustände an den Gemeindeschulen in Berlin⸗Lankwitz zur Sprache, und zwar die Versetzung des Rektors Noth nach Potsdam und die Stellungnahme des Lehrerkollegiums und der Elternschaft gegen den auf Betreiben des Gemeindevorstehers Dr. Ostrowski als Rektor angestellten Lehrer Rieck.

Ein Vertreter des Unterrichtsministeriums

erklärt: Der Rektor Noth ist. nicht wegen Begün⸗ stigung des Papp⸗Putsches versetzt worden, sein ge⸗ samtes Verhalten zur Verfassung war aber nicht klar und

geeignet, Beunruhigung zu schaffen. Seine Versetzung war da⸗ durch geboten; eine Strafversetzung bedeutet seine Versetzung in ein gleichwertiges Amt in Potsdam aber nicht. Der neue Rektor in Lankwitz ist ordnungsgemäß von den Gemeindekörpern gewählt worden. Zur Nichtbestätigung lag kein Anlaß vor. Die Zustände an der dortigen Volksschule unterliegen noch der Prüfung.

Die Sozialdemokraten haben am 6. April folgende große Anfrage an die Staatsregierung gerichtet:

„Durch die Reichssteuergesetzgebung sind das Kommunal⸗ abgabengesetz von 1893 sowie das Kreis- und Provinzialabgaben⸗ gesetz von 1906 zum Teil aufgehoben. Ist das Staatsministerium bereit, möglichst bald ein Gesetz zur Abänderung dieser beiden Ge⸗ setze vorzulegen?“

In Verbindung damit berät das Haus den Zentrums⸗ antrag vom 21. April, welcher das Staatsministerium er⸗ suchen will, 1. den durch die Steuergesetzgebung des Reiches in ihrer finanziellen Grundlage auf das schwerste gefährdeten Gemeinden und Gemeindeverbänden das ausschließliche Recht der Erhebung von Real⸗ steuern (Gewerbe, Grund⸗ und Gebäude⸗ ste u ern) wie bisher zu belassen; 2. zur Verhütung der vielfach einseitigen und maßlosen Heranziehung der durch die Real— steuern belasteten Erwerbsstände durch die Gemeinden die Kommunalaufsichtsbehörden anzuweisen, Zuschläge zu den Realsteuern nur zu genehmigen, wenn die Lebensfähigkeit der betreffenden Erwerbskreise nicht gefährdet wird; hierzu sind die zuständigen Berufsvertretungen gutachtlich zu hören; 3. auf die Reichsregierung dahin einzuwirken, daß sie für die ihr unter⸗ stellten Steuerbehörden die gleichen Anweisungen erläßt.

Die Regierung hat sich zur Beantwortung der großen An⸗ frage bereit erklärt. Zur Begründung des Ankrags der Sozial⸗ demokraten führt

Abg. Mülele r⸗Hameln (Soz) aus: Die Gemeinden und Gemeindeverbände sind notorisch durch die Reichssteuergesetzgebun in eine sehr bedrängte Lage geraten. Ueberall ertönt der Ruf na Abhilfe, wie auch der Antrag des Zentrums beweist. Solche An⸗ träge können höchstens zeitweilig den Gemeinden Luft machen, können aber nicht verhindern, daß die Gemeinden schließlich in dem Meer der an sie gestellten Ansprüche ersaufen. Die Finanzen der Gemeinden sind vollkommen zerrüttet, nachdem ihnen das Reich durch seine Einkommensteuergesetzgebung das Rückgrat genommen hat. Die Gesetze von 1893 und 1906 sind durch die wirtschaftliche Entwicklung überholt und ihre Grundsätze auf die heutigen Ber⸗ hältnisse gar nicht mehr anwendbar, aber sie bestehen unverändert weiter, Jes erben sich Gesetz und Rechte wie eine ewige Krankheit fort“ Noch schlimmer steht es mit der Gesetzgebung für die Kreis⸗ und. Provinzialabgaben. Diese ganze Gesetzgebung muß auf eine völlig neue Grundlage gestellt werden; Flickwerk reicht nicht mehr aus.. Redner legt hierauf im einzelnen ausführlich die Unhaltbar— keit der . beider Gesetze dar. Das Gesetz von 1893 ge⸗ stattet den Gemeinden, sowohl indirekte wie direkte Steuern zu er⸗ heben. Die schönen Tage, wo die Gemeinden noch dfrekte Steuern erheben konnten, sind vorüber. , haben die Gemeinden unter der geltenden Gesetzgebung den rundbesitz zum Teil ganz unverhältnismäßig geschont, zumal den unbebauten. Außerdem steht s 56 des Kommunalabgabengesetzes der richtigen Erfassung der Grundsteuer durch die Gemeinden entgegen. Auf dem platten Lande wird an Grundsteuern nur eine Bagatelle erhoben. Die Grundsteuer wird vom Staate seit 1860 veranlagt, die Veran⸗ lagung der Gebäudesteuer ist erst sehr viel später erfolgt. Daraus haben sich sehr bedauerliche Mißstände ergeben. 5 56. soweit er bestimmt, daß die veranlagten Grund- und Gebäudefteuern und die Gewerbesteuern in der Regel nach gleichen Sätzen zur Deckung des durch Realsteuern aufzubringenden Steuerbedarfs heranzu⸗ ziehen sind, muß sofort aufgehoben werden; diese Regel darf in